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»Metaphern im Sportunterricht«
Erlebnispädagogik an einer KB-Schule im
Rahmen der Bewegungserziehung
Eine anthropologische Projektkonzeption und
ihre Realisierung
Schriftliche Ausarbeitung im Rahmen der ersten Staatsprüfung für Sonderpädagogik, dem
Staatlichen Prüfungsamt für Erste Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen in Köln
vorgelegt von:
Silke Paulig Frank Pöther
Köln
08.02.2001
Gutachter:
Dr. Theo Eckmann
Universität zu Köln
Heilpädagogische Fakultät
Seminar für Sozialpädagogik
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INHALTSVERZEICHNIS 2
1. EINLEITUNG 4
2. ERLEBNISPÄDAGOGIK, WAS VERSTEHEN WIR DARUNTER? 8
2.1. DAS ERLEBNIS 8
2.1.1. LEBEN UND ERLEBEN 10
2.1.2. DER ERLEBNISBEGRIFF NACH W ILHELM DILTHEY 12
2.2. ERLEBNIS UND PÄDAGOGIK – EINE UTOPIE? 16
2.2.1. WESENTLICHE AUFGABEN DER ERLEBNISPÄDAGOGIK 18
2.3. ZUSAMMENFASSUNG 23
3. PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER ERLEBNISPÄDAGOGIK
25
3.1. ZIELE DER ERLEBNISPÄDAGOGIK 25
3.2. ELEMENTE DER ERLEBNISPÄDAGOGIK 30
3.3. MODELLE DER ERLEBNISPÄDAGOGIK 35
3.3.1. DIE BEDEUTUNG DES „METAPHORISCHEN MODELLS“ 41
3.4. ZUSAMMENFASSUNG 45
4. LEIBLICHKEIT – ANTHROPOLOGISCH ÜBERSETZT 47
4.1. ZUR PERSON MAURICE MERLEAU-PONTYS 49
4.2. THEORETISCHE ASPEKTE IN MERLEAU-PONTYS
„PHÄNOMENOLOGIE DER WAHRNEHMUNG“ 50
4.3. DAS VERSTÄNDNIS VON WAHRNEHMUNG 51
4.4. DER BEGRIFF DES LEIBES UND DAS VERHÄLTNIS ZUR WELT 52
4.5. ZUSAMMENFASSUNG 55
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INHALTSVERZEICHNIS 3
5. ÖKOLOGIE DER MENSCHLICHEN ENTWICKLUNG 57
5.1. ÜBER DEN ENTWICKLUNGSBEGRIFF 58
5.2. ÜBER DEN UMWELTBEGRIFF ZU DEN SYSTEMEN 60
5.3. ZUSAMMENFASSUNG 65
6. PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG 67
6.1. PERSÖNLICHKEIT 68
6.2. IDENTITÄT 69
6.3. SELBST 71
6.4. SELBSTKONZEPT 73
6.5. SOZIALE ERFAHRUNGEN 76
6.5.1. NAHE SOZIALE UMWELT 77
6.5.2. WEITE SOZIALE UMWELT 79
6.6. ZUSAMMENFASSUNG 81
7. UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 83
7.1. PROJEKTBESCHREIBUNG 83
7.2. BEOBACHTUNGS- UND AUSWERTUNGSMETHODE 87
7.3. DURCHFÜHRUNG 96
7.3.1. »DIE REISE ZUM NORDPOL« 97
7.3.2. »DER NACHTFALTER« 104
7.3.3. »DAS SPINNENNETZ« 109
7.3.4. »DIE HUBSCHRAUBER-RETTUNGSAKTION« 116
8. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 124
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INHALTSVERZEICHNIS 4
9. LITERATURVERZEICHNIS 129
1. EINLEITUNG
„Es ist gut, mehr darauf zu achten,
was ein Mensch erlebt und erleidet, als darauf,
was er kann oder nicht kann.“
(Dietrich Bonhoeffer)
Im Rahmen unseres Studiums sind wir am Lehrstuhl für Sozialpädagogik
auf den dort angebotenen Bereich der Erlebnispädagogik gestoßen. Durch
unsere Teilnahme an verschiedenen, sehr praxisorientierten Seminaren,
gewann diese für uns an Bedeutung. So war es möglich selbst zu erfahren,
welche tiefgreifenden Prozesse damit ausgelöst werden können. Unsere
daraus hervorgehenden Erkenntnisse waren so intensiv, dass wir es als
wichtig und notwendig empfinden Inhalte der Erlebnispädagogik in unsere
pädagogische Arbeit als eine grundlegende Basis zu integrieren. Diese
Auseinandersetzung hat uns dazu veranlasst, nach einer Ergänzung
unseres Studienschwerpunktes der Körperbehindertenpädagogik durch die
Erlebnispädagogik zu suchen. Wir haben entdeckt, dass unsere
Auffassung der Körperbehindertenpädagogik mit der Erlebnispädagogik zu
vereinbaren ist. In beiden pädagogischen Ausrichtungen lässt sich
wiederfinden, dass die Individualität jedes Menschen und die Ganzheit
seiner Persönlichkeit durch lebendiges und an der eigenen Wahrnehmung
orientiertes, Erleben entwickelt wird. Aus diesem Zusammenhang heraus
entstand die Hypothese, die in dieser Arbeit untersucht werden soll, dass
die Körperbehindertenpädagogik durch Hinzunehmen von erlebnis-
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EINLEITUNG 5
pädagogischen Methoden und Zielsetzungen wirksam erweitert werden
kann.
In Folge unserer Literaturrecherche zur Erlebnispädagogik haben wir
festgestellt, dass für uns wichtige Begriffe wie z.B.
Persönlichkeitsentwicklung überall genannt, jedoch häufig nur oberflächlich
thematisiert werden. Eine Vertiefung dieser Begriffe, die für unsere
Verknüpfung mit der Körperbehindertenpädagogik relevant ist, soll in
dieser Arbeit vorgenommen werden.
Um Inhalte und Ziele der Erlebnispädagogik im späteren Verlauf der Arbeit
überprüfen zu können, leiten wir mit unserer Vorstellung von
Erlebnispädagogik ein. Hierzu beginnen wir mit einer genaueren
Betrachtung des Erlebnisses an sich, welche wir aus der
Lebensphilosophie herleiten. Um dies in einen pädagogischen Kontext
einzubetten, folgt der Versuch, das Erlebnis in Anlehnung an W ILHELM
DILTHEY zu strukturieren und es mit einer pädagogischen Ausrichtung in
Beziehung zu setzen. Mit der Ausarbeitung verschiedener Merkmale
unserer Erlebnispädagogik findet diese ´Definition´ ihren Abschluss. Davon
ausgehend erläutern wir Ziele, Elemente und Modelle, die in der
erlebnispädagogischen Handlung ihre Bedeutung finden und somit den
Bezug zur Praxis herstellen. Speziell wird hier auf die Bedeutung der
Metapher im erlebnispädagogischen Kontext eingegangen. Dies geschieht,
da sie unserem Projekt eine besondere Stellung einnimmt.
Erlebnispädagogische Praxis setzt unserer Meinung nach, ein
´ganzheitliches Menschenbild voraus, da sie sich auf die Entwicklung des
ganzen Menschen mit all seinen individuellen Fähigkeiten bezieht. Es
findet in unserer Arbeit seinen Ausdruck, in dem wir eine anthropologische
Betrachtung der Leiblichkeit, vertreten durch MAURICE MERLEAU-PONTY
vornehmen.
Anschließend stellen wir die „Ökologie der menschlichen Entwicklung“ von
URIE BRONFENBERENNER vor, um ein tieferes Verständnis des
Entwicklungsbegriffes zu erlangen. Wir haben uns für diese Theorie
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EINLEITUNG 6
entschieden, da sie den Menschen im Zusammenhang mit seiner Umwelt
betrachtet. Darüber gelangen wir zur Persönlichkeitsentwicklung, welche in
dieser Arbeit ausführlicher betrachtet werden soll, da sie das zentrale Ziel
unserer erlebnispädagogischen Arbeit darstellt. Uns ist bewusst, dass wir
nicht mit der Zielsetzung arbeiten wollen, die Persönlichkeitsentwicklung
der Schüler einseitig und von außen eingreifend, in eine festgelegte
Richtung zu drängen. Wir versuchen herauszufinden, welche
Möglichkeiten gegeben sind und worauf geachtet werden muss, um
selbsttätige Prozesse anzuregen. Mit welchen Elementen, die Selbst-
wahrnehmung und der Zugang der Schüler zu sich selbst und somit zur
Lebenswelt eröffnet werden kann, soll unter Einbezug verschiedener
Wirkfaktoren diskutiert werden. In diesem Zusammenhang richten wir
unser Augenmerk speziell auch auf Körperbehinderte, um an unsere
Ergänzung der Körperbehindertenpädagogik durch die Erlebnispädagogik
anzuknüpfen. Aus diesen verschiedenen Betrachtungen ergeben sich
sowohl Richtlinien für unsere pädagogische Arbeit als auch konzeptionelle
Grundlagen für unser Projekt.
Anhand eines erlebnispädagogischen Projektes haben wir versucht, die im
Vorfeld erarbeiteten theoretischen Grundlagen in die Praxis umzusetzen.
Dieses Projekt haben wir an einer Schule für Körperbehinderte
durchgeführt und daraufhin ausgewertet. Im Rahmen des Sportunterrichtes
haben wir mit Hilfe von Metaphern erlebnispädagogisch gearbeitet und
nehmen somit Bezug auf unser Titelblatt. In der Zusammenfassung wird
das Ergebnis unserer Beobachtung diskutiert und auf die Hypothese
übertragen. Rückblickend auf die Praxis, versuchen wir unsere konkreten
Resultate in einen allgemeinen Bezug zu setzen.
An dieser Stelle möchten wir kurz auf unser Titelblatt eingehen. In der
Gestaltung dieses Bildes fand eines unserer gemeinsam/geteilten
Erlebnisse seinen Ausdruck. Dieser Prozess, sowohl der inhaltliche, als
auch der gestalterische, kann mit dem dieser Arbeit verglichen werden.
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EINLEITUNG 7
Die Gestaltung dieser Arbeit orientiert sich an den neuen
Rechtschreibregeln. Um den Lesefluss nicht zu beeinträchtigen, wird
während der gesamten Arbeit auf eine doppelte Grammatik verzichtet und
im Folgenden die männliche Form stellvertretend für beide verwandt. Die
weibliche Form wird ausschließlich in den Fällen verwendet, in denen auf
eine weibliche Person Bezug genommen wird.
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ERLEBNISPÄDAGOGIK, WAS V ERSTEHEN WIR DARUNTER? 8
2. ERLEBNISPÄDAGOGIK, WAS VERSTEHEN WIR
DARUNTER?
Erlebnispädagogik...?! Dieser Begriff hat in der Pädagogik seit einiger Zeit
Hochkonjunktur. Eben so oft, wie er erwähnt wird, wird er auch diskutiert
und ist weiterhin sehr umstritten.
Um diesem Begriff ein wenig auf die Spur zu kommen folgt der Versuch,
ihn für unsere Arbeit und unser Projekt zu klären und zu fassen. Hierfür
stellt sich die Frage, was man zunächst einmal unter einem Erlebnis, ohne
eine Verknüpfung mit der Pädagogik, versteht.
2.1. DAS ERLEBNIS
„Jede Wissenschaft verwendet den Begriff [Erlebnis, F.P.], doch jede in einem anderen Sinn; in der Pädagogik vollends spreche jeder von einem anderen Erlebnis und keiner verstehe die übrigen“ (REINIGERS zit. nach NEUBERT 1990, 11).
Obwohl sich dieser Ausspruch PAUL REINIGERS nur auf den wissenschaft-
lichen Gebrauch bezieht, erscheint er uns sehr treffend, da er aufzeigt, wie
schwer es ist, eine Definition für den weitgefächerten Begriff des Erlebens
zu finden.
Ich erinnere mich an die Erzählung eines Freundes, die von seinem ersten
Bungeesprung handelte. Die Geschichte wurde fortwährend von den
Begriffen, wie Erlebnis oder erleben begleitet. ´Man, war das ein Erlebnis! ´,
so beendete er seinen Bericht. Das Besondere des Augenblickes, der
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ERLEBNISPÄDAGOGIK, WAS V ERSTEHEN WIR DARUNTER? 9
Bungeesprung, und die daraus entstandene Ergriffenheit, die er körperlich,
intellektuell als auch emotional spürte, stellt für ihn ein Erlebnis dar.
Der Bungeesprung ist eine Sensation, der ein Mensch für gewöhnlich nicht
ausgesetzt ist. Sie ist eine Erfahrung, die als herausragender Bestandteil in
dieser Form schwierig in das Alltagsleben eines Menschen integriert
werden kann. Uns stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob ein
Erlebnis, also eine Erfahrung auf körperlicher, intellektueller und auf
emotionaler Ebene immer an eine solche Sensation gebunden ist, oder ob
diese auch im alltäglichen Leben vorhanden sein kann?
Um diese Frage für uns zu beantworten, möchte ich das Erlebnis zunächst
in aller Kürze aus philosophischer Sicht beleuchten, da es kein
„Eigengewächs der Pädagogik“ ist, (NEUBERT 1990, 18).
Im Philosophischen Wörterbuch wird das Erlebnis wie folgt erläutert:
„Erlebnis, bedeutungsvolle Erfahrung, die als Bereicherung der
eigenen Persönlichkeit empfunden wird. – In der Psychologie ist Erlebnis ein Vorgang des Angemutetwerdens in einer Begegnung mit der Welt, im weiteren Sinne gleichbedeutend mit Bewußtseinsinhalt [...]. Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, daß an allem Psychischen der ganze Mensch als leiblich-seelisch-geistige Ganzheit beteiligt ist;[ ...]“ (SCHMIDT 1991, 181).
Der für uns entscheidende Erlebnisbegriff ist mit der leiblich-seelisch-
geistigen Ganzheit des Menschen, die in dem Zitat aufgeführt wird,
verbunden. Obwohl diese Auffassung nicht ausschließlich der
Geisteswissenschaft der Philosophie zuzuordnen ist, entstammt die
Verbindung des Erlebnisses mit dieser Auffassung aus der
Lebensphilosophie. Diese hat sich Ende des 19. Jahrhunderts als erste
philosophische Denkrichtung intensiver mit dem Erlebnis befasst und es
fundiert. Zu ihren wichtigsten Vertretern gehören unter anderen HENRI
BERGSON und W ILHELM DILTHEY. Das Erlebnis wird, entsprechend dem
Zeitgeist der Lebensphilosophie, mit dem zentralen Begriff des Lebens
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ERLEBNISPÄDAGOGIK, WAS V ERSTEHEN WIR DARUNTER? 10
verknüpft. Diese Verbindung ist entscheidend für unser Verständnis von
einem Erlebnis und soll im folgenden Kapitel näher betrachtet werden.
2.1.1. LEBEN UND ERLEBEN
Leben und Erleben verkörpern für uns eine Partnerschaft, die nicht nur auf
sprachliche Gemeinsamkeiten beruht. Wir teilen die Auffassung der
Lebensphilosophie, die versucht, „[ ...] das Leben aus ihm selber heraus zu
verstehen“ (SCHMIDT 1991, 420). Sie grenzt sich damit klar von der
Auffassung ab, den Körper vom Geist getrennt zu betrachten und damit die
Vernunft als die ausschließliche Instanz für die Gewinnung von Erkenntnis-
prozessen zu deklarieren. Dem entgegengesetzt ist im lebens-
philosophischen Sinne das Verständnis das, was aus dem Leben
erwächst; dieses kann nicht auf allgemeingültige Art und Weise vermittelt
werden, sondern wird durch Erfahrung, Intuition und Gefühl erfasst. Es ist
der „subjektive Bezug zu allen Erscheinungen und Sachverhalten“
(FISCHER 1999, 87). Daraus folgern wir, dass aus der Auseinandersetzung
mit der Umwelt, genauer aus der Beziehung heraus, auch immer eine
Erkenntnis erwächst.
ERNST MACH (1838-1916) versteht diese Sachverhalte als „aktuelle
Komplexe“, die ausschließlich in der Gegenwart bestehen (vgl. OELKERS
1994, 101). Die dabei entstehenden Empfindungen geben die Realität
wieder, die JÜRGEN OELKERS als Wirklichkeitskontrolle bezeichnet (vgl.
ebd.). Da sich die Realität, also die ´aktuellen Komplexe´ stetig verändern,
stellt HENRI BERGSON (1859-1941) das damit verbundene ´unmittelbare
Erleben´ als zentrales Moment dieses Entwicklungsprozesses heraus (vgl.
FISCHER 1999, 87). In BERGSONs Analyse der unmittelbaren Zustände des
Bewusstseins wird deutlich, dass die aufeinanderfolgenden, „[ ...] in der
tätigen sowie selbstbestimmten Auseinandersetzung vermittelten
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ERLEBNISPÄDAGOGIK, WAS V ERSTEHEN WIR DARUNTER? 11
Erfahrungen [...]“ einen Zeitstrom darstellen, der vom Menschen selbst
organisiert und strukturiert wird, (FISCHER 1999, 87). Die gemachten
Erfahrungen sind demnach nicht vergänglich oder unbeständig, sondern
werden vom Menschen gespeichert und stellen im Zeitstrom des
Menschen als Zukunft und Vergangenheit (Re)Konstruktionen dar (vgl.
OELKERS 1994, 100).
Das Leben ist also durch das Erleben bestimmt, da sich ein Mensch des
Lebens nur durch das Erleben gewahr werden kann. Er muss also
kontinuierlich erleben und kann sich dem nicht entziehen. Durch die sich
stetig ändernde Realität ist Leben als etwas dynamisches zu verstehen
und ist unausweichlich mit Veränderung verbunden. Jede Veränderung ist
als solche auch Erkenntnis. Der Mensch verändert und erlebt in jedem
Augenblick. Auch dieses Erleben ist vom Menschen in seiner Ganzheit zu
erfassen. Folglich kann das Erleben, genau so wie ein Bungeesprung, den
Menschen ergreifen und für ihn zu einem Erlebnis werden. Dafür muss es
allerdings in dem Zeitstrom des Menschen etwas Bedeutungsvolles, etwas
Herausragendes darstellen.
Fassen wir all dies zusammen, so können wir behaupten, dass
ein Erlebnis nicht an Sensationen gebunden ist, sondern auch aus
alltäglichem und sensitivem Erleben heraus entstehen kann und
sich als bedeutungsvoll vom Strom des Erlebens abhebt.
das Erleben immer eine Erkenntnis mit sich bringt, die durch das
Erlebnis verstärkt wird und sowohl positiv als auch negativ belegt
sein kann.
ein Erlebnis immer und überall stattfinden kann und in keiner Weise
planbar ist.
Betrachtet man jedoch den letzten Punkt, so stellt sich die Frage, inwieweit
ein Erlebnis mit pädagogischer Arbeit in Beziehung zu setzen ist. Aus
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ERLEBNISPÄDAGOGIK, WAS V ERSTEHEN WIR DARUNTER? 12
diesem Grund wird im folgenden Kapitel versucht, das Erlebnis in seiner
Struktur zu erfassen, um es in einen pädagogischen Kontext integrieren zu
können.
2.1.2. DER ERLEBNISBEGRIFF NACH W ILHELM DILTHEY
Um dem Erlebnis für unsere pädagogische Arbeit eine Struktur zu geben,
beziehen wir uns auf die im Jahre 1925 verfasste Dissertation „Das
Erlebnis in der Pädagogik“ von WALTRAUD NEUBERT. Sie versucht, mit Hilfe
der Aufzeichnungen von W ILHELM DILTHEY (1833–1911), das Erlebnis in
einem pädagogischen Rahmen zu erläutern. Hierfür erarbeitete sie aus
den Niederschriften W ILHELM DILTHEYs, die „[er, F.P.] größtenteils nicht
geordnet, sondern sehr verstreut zu Papier gebracht hat“ sieben Momente
zu seinem Erlebnisbegriff heraus (SCHOTT 2000, 4). Diese sieben Momente
erscheinen uns im Sinne der zuvor erläuterten Auffassung des Erlebnisses
als logisch und grundlegend für eine Zusammenführung der beiden
Aspekte der Erlebnis-pädagogik. Im Folgenden werden diese sieben
Momente nach WALTRAUD NEUBERT beschrieben (vgl. 1990, 20ff):
I. Die Unmittelbarkeit des Erlebnisses
Die Unmittelbarkeit des Erlebnisses spiegelt die Realität wieder. Der
Mensch wird dem Erlebnis unmittelbar inne, d.h. dass dieses Erlebnis vom
Menschen weder gedacht noch vorgestellt wird, da diese Vorgänge
„Erzeugnisse des denkenden Verstandes“ wären, (ebd., 20). Das Erlebnis
ist mir zugehörig. Ich erfahre es ohne jeglichen Abzug und kann mich ihm
nicht entziehen. Zu diesem emotionalen ´Involviert-Sein´ kann ein Erlebnis
jedoch auch in einem Denkvorgang gegenständlich werden. Die damit
verbundene Klärung des Erlebnisses ist dann allerdings eine „Deutung der
im Erlebnis gegebenen Erfahrungen“ (ebd., 21) .
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ERLEBNISPÄDAGOGIK, WAS V ERSTEHEN WIR DARUNTER? 13
II. Das Erlebnis als Gegliederte Einheit
Das Erlebnis ist kein wirres und dumpfes Gebilde, sondern eine
gegliederte Einheit. Es ist strukturell zu einem entsprechenden Geschehen
gegliedert, da es die absolute Realität eines bestimmten Abschnittes des
Lebens wiedergibt und als Erlebnis für sich selbst steht. Das Erlebnis ist
als Einzelerlebnis, aber auch als Bestandteil eines aus allen Erlebnissen
zusammengesetzten Ganzen zu betrachten. Es ist folglich als einmaliges
Erlebnis in sich, sowie auch als integrierter Teil des Gesamten bedeutsam.
Einzelne Erlebnisse haben einen Einfluss auf das gesamte Seelenleben
des Menschen.
III. Das Mehrseitige Spannungsgefüge des Erlebnisses
Die eben beschriebene Einheit ist wiederum als ein Komplex zu verstehen,
welcher durch ein mehrseitiges Spannungsgefüge beeinflusst ist. Dieses
Spannungsgefüge teilt sich in drei Spannungsseiten auf:
Totalitätscharakter
Nach W ILHELM DILTHEY wirkt ein Erlebnis auf sämtlichen geistigen
Grundrichtungen, die er als Wollen, Fühlen und Vorstellen beschreibt.
Diese drei Aspekte sind miteinander verwoben und sind alle im Erlebnis
enthalten. Die Wirkung beschränken sich daher nicht auf den Kontext, in
dem das Erlebnis stattfindet. In ihm ist die Ganzheit des Seelenlebens
vorhanden. „[Jeder, F.P.] einzelne Vorgang ist von der ganzen Totalität
des Seelenlebens [wollend-fühlend-vorstellend] im Erlebnis getragen“
(DILTHEY zit. nach NEUBERT 1990, 21). W ILHELM DILTHEY spricht in diesem
Zusammenhang von der „mächtigen Mitte“, die eine „im Gefühl
genossenen Lebendigkeit“ ist (vgl. ebd.).
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ERLEBNISPÄDAGOGIK, WAS V ERSTEHEN WIR DARUNTER? 14
Subjekt-Objekt-Bezug
Das Erlebnis ist einerseits subjektiv, da es nur auf das Bewusstsein des
jeweiligen Menschen einwirkt und von dieser Person seine Bedeutung
erhält. Jedoch hat ein Erlebnis auch einen objektiven Charakter, da
während eines Erlebnisses der Erlebende mit der Gegenständlichkeit der
umgebenden Welt in Beziehung tritt (vgl. NEUBERT 1990, 22).
Spannung zwischen Allgemeingültigkeit und Individualität
WALTRAUD NEUBERT beschreibt in diesem Spannungsgefüge nach
W ILHELM DILTHEY die, in allen menschlichen Individuen wiederkehrenden
gleichförmigen Elemente des Erlebens. ´Grunderlebnisse´ werden auf
identische ´Grundart´ erlebt. So sind in den Erlebnissen Aspekte wie
Freude und Trauer als allgemeingültige Züge enthalten, welche aber
auch durch individuelle Züge ergänzt werden. Diese individuellen Züge
ergeben sich aus dem Geschlecht, dem Beruf, der Gesellschaftsschicht,
etc. jedes Einzelwesens. Dadurch erlangt jedes Erlebnis eine einzigartige
Note.
IV. Der Historische Charakter des Erlebnisses
Die im mehrseitigen Spannungsgefüge gegebene einzigartige Note ist
nicht von außen festgelegt, denn das Erlebnis weist einen ihm zugehörigen
historischen Charakter auf. Jedes einzelne Erlebnis gibt einen
schöpferischen Beitrag zur progressiven Gestaltung der Seele. Diese
Gestaltung ist also nicht nur vom aktuellen Erlebnis bestimmt, vielmehr ist
der Zustand, in dem sich die Seele befindet, während ein Erlebnis auf sie
einwirkt, durch sämtliche vorangegangenen Erlebnisse geprägt. Sowohl
aktuelle, als auch vergangene Erlebnisse wirken auf die neue
Umgestaltung des Seelenlebens ein.
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ERLEBNISPÄDAGOGIK, WAS V ERSTEHEN WIR DARUNTER? 15
V. Die Entwicklungsfähigkeit des Erlebnisses
Das Erlebnis hat den „Charakter einer dynamischen Einheit“ (DILTHEY zit.
nach NEUBERT 1990, 23). Es kann sich zwar wiederholen, wird dann aber
nicht als identisch erlebt. Das neue Erlebnis ergibt sich aus der Wirkung
einer inneren Folge von Seelenzuständen.
Dabei werden die vorangegangenen Erlebnisse zu einer stärkeren Einheit
zusammengefasst. Die bestehenden Erlebnisse wirken dann zusammen
mit dem neuen Erlebnis und erreichen eine größere Fülle.
VI. Der Objektivationsdrang des Erlebnisses
Wie im Moment des Totalitätscharakterdes Erlebnisses erwähnt wurde,
sind in ihm sämtliche seelische Grundrichtungen enthalten, wodurch das
Erlebnis alle seelischen Zusammenhänge eines Menschen durchläuft. Dies
führt bis zu einem Willensimpuls, der sich durch Ausdruck oder Handlung
objektiviert und nach außen getragen wird.
VII. Der Zusammenhang von Leben - Ausdruck - Verstehen
Durch den zuvor beschriebenen Objektivationsdrang, wird das Erlebnis zur
Gestalt. Es wird in Form von Kunstwerken, Sprache oder anderen
schöpferischen Darstellungsformen ausgedrückt. Dadurch wird es für Dritte
erfassbar und Erlebnisse Dritter können durch, ´aus-dem-Erlebnis-
entstanden´ für den Menschen selbst erfahrbar und verstanden werden.
Dieses Verstehen wird durch das Gemeinsam-Menschliche ermöglicht,
welches in der geschaffenen Gestalt und den Erlebnissen des Ver-
stehenden enthalten ist. Durch das Erfassen der diesen Gestalten
zugrundeliegenden Erlebnisse, erfährt der Mensch eine „[ ...] beglückende
Erweiterung des eigenen erlebenden Selbst“ (ebd., 24).
Die sieben Momente WALTRAUD NEUBERTS, die auch nach 75 Jahren nichts
von Ihrer Aktualität eingebüßt haben, sind weiterhin Bestandteil der
gegenwärtigen pädagogischen Diskussion. So wurde „Das Erlebnis in der
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ERLEBNISPÄDAGOGIK, WAS V ERSTEHEN WIR DARUNTER? 16
Pädagogik“ von Waltraud Neubert nicht grundlos im Jahre 1990 neu
aufgelegt.
Sie stellen im besonderen einen teleologischen zielstrebigen Charakter
des Erlebnisses heraus. Eine Erkenntnis findet auf dieser Grundlage nicht
mit dem Verstand statt, sondern wird durch emotionale Regungen
vollzogen. Dies erweist sich als Basis für eine pädagogische Arbeit mit
dem Erlebnis. Durch das hieraus entstehende Verständnis, dass eine
Erkenntnis immer an das Individuum in seiner Komplexität gebunden ist,
erhält es innerhalb des Erkenntnisprozesses einen auf ihn zentrierten
Standpunkt. Von diesem Punkt ausgehend kann Pädagogik einsetzen, und
das Erlebnis in ihre Lehre mit einbeziehen. Ist man sich dessen bewusst,
so kann die Erlebnispädagogik Gestalt annehmen. Welche Form diese
Gestalt in unserem pädagogischen Vorgehen annimmt, soll mit der
nachfolgenden Antwort auf die Frage: „Erlebnis und Pädagogik - eine
Utopie?“ erläutert werden.
2.2. ERLEBNIS UND PÄDAGOGIK – EINE UTOPIE?
HERBERT FELTEN entwickelte aus W ILHELM DILTHEY Aufzeichnungen
„[ ...] zwei Arten des Zugriffs auf die Wirklichkeit: Das Erleben der eigenen Zustände und das Verstehen des in der Außenwelt objektivierten Geistes. Damit ist Erleben in die Erziehungsprozesse eingebettet“ (FELTEN 1998, 43).
Es scheint als wäre die Verbindung zwischen dem Erlebnis und der
Pädagogik recht einfach zu vollziehen. Unserer Meinung nach gestaltet
sich dieser Vorgang jedoch differenzierter. WALTRAUD NEUBERT zeigt
bereits in ihrer Dissertation auf, wie die zu jener Zeit ´neu entdeckte
Wirksamkeit des Erlebnisses in pädagogischen Kontexten´ die deutsche
Gesamtpädagogik eroberte. Zwar existierten bereits zu früheren Zeiten
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ERLEBNISPÄDAGOGIK, WAS V ERSTEHEN WIR DARUNTER? 17
Bemühungen, welche die herrschenden zweckrationalen Motive der
Erziehungswissenschaft in Frage stellten, jedoch hatten diese nie eine
ähnlich durchschlagende Wirkung. Der revolutionäre Einzug des
Erlebnisses in die Pädagogik musste allerdings mit der bestehenden
Erziehungsweise Kompromisse eingehen, wodurch er von „leisen
Umbildungen“ begleitet war (NEUBERT 1990, 29). Der Versuch, das
Erlebnis mit den herrschenden Schulreglementierungen zu vereinen
erweckt für uns eher den Anschein eines ´Hineinpressens´.
JÜRGEN OELKERS kritisiert jene leisen Umbildungen und die daraus
resultierende scheinbare Macht der Erziehung:
„ [...] die Erziehung hat keine Macht über das erlebende Subjekt, die Pädagogik kann daher nicht, wie Waltraud Neubert fordert, „jedes neu sich bietende Bildungsmittel sofort nach seinen erzieherischen Möglichkeiten ausschöpfen suchen“ und zugleich der „in ihm gesetzten Schranken inne werden“ (ebd., 29). Das verlangt einen Gottesstandpunkt, über den zum Glück kein Pädagoge verfügt. Wenn sich Erzieher als Demiurgen [Weltenschöpfer, F.P.] definieren, dann ist das nicht nur Anmaßung, sondern ein historischer Irrtum (Oelkers 1992a)“ (OELKERS 1994, 106).
Er weist die Erziehung und speziell ihre Macht in ihre Grenzen. Dem
schließen wir uns an, da die Pädagogik nicht in der Lage ist, sich das
Erlebnis wie andere Bildungsmittel (Übung, Arbeit, Gewöhnung) zu eigen
zu machen. Kein Mensch hat Zugriff auf das Erlebnis eines anderen
Menschen und kann demnach auch keiner Weise einen Menschen dazu
veranlassen, ein Erlebnis zu haben und die vom Erlebnis ausgehende
Intensität bestimmen bzw. vorschreiben. Trotz dieser Kritik stellt das
Erlebnis für uns einen sehr wirkungsvollen Aspekt in unserer
pädagogischen Auffassung dar, der eine handlungsorientierte Lehre auf
Menschen bezieht, d.h. vom Menschen ausgehend ermöglicht. Um dies für
uns zu belegen und in unsere Arbeit einfließen zu lassen, möchten wir im
folgenden Merkmale einer Erlebnispädagogik herausarbeiten, die das
Erlebnis als wertvollen Bestandteil der Pädagogik rechtfertigen.
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ERLEBNISPÄDAGOGIK, WAS V ERSTEHEN WIR DARUNTER? 18
2.2.1. WESENTLICHE AUFGABEN DER ERLEBNISPÄDAGOGIK
Wir gehen davon aus, dass ein Mensch in jedem Augenblick erlebt und
somit auch in jedem Augenblick ein Erlebnis existieren kann. Die sieben
Momente von WALTRAUD NEUBERT zeigen uns, dass das Erlebnis in erster
Linie eine unmittelbare, subjektive Eigenschaft hat. Daher besteht in keiner
Weise die Möglichkeit ein Erlebnis in seiner Qualität, seiner Wirkung zu
bestimmen. Die Art und Weise auf die es stattfindet, ist für niemanden
planbar. Es kann zum Beispiel subjektiv als langweilig, angsterzeugend,
bedrohlich oder spannend empfunden werden. Jedoch zeigt sich in dem
zweiten Spannungsgefüge (Subjekt-Objekt-Bezug) des ansonsten
subjektiv erfahrenen Erlebnisses ein objektives Charakteristikum: Es ist
eine Beziehung, zwischen dem Seelenleben des erlebenden Menschen
und der Gegenständlichkeit der umgebenden Umwelt vorhanden.
Führen wir diesen Gedanken weiter, so wird deutlich, dass der situative
Kontext, aus dem das Erlebnis erwächst, Einfluss auf dieses nehmen
kann. Entscheidend hierfür ist der Kontext, die Gegenständlichkeit der
umgebenden Umwelt, in dem es sich vollzieht. Dieser Kontext kann von
uns, als Pädagogen, bereitgestellt werden. Dabei sollte dieser
bereitgestellte ´Raum´ den Menschen ganzheitlich ansprechen, also alle
geistigen Grundrichtungen in sich tragen. Nur so kann sich „[ ...] ein
Erlebnis [...] aus dem Fluss des alltäglichen Erlebens hervorheben, es als
etwas Besonderes vom Erlebenden empfunden werden“ (MICHL 1994, 6).
Erlebnisse, die pädagogisch aufgegriffen werden wollen, müssen somit im
Individuum etwas Besonderes hervorrufen. Sie müssen in ihrem Ganzen
ungewöhnlicher sein als die Erlebnisse, die in der Alltagswelt an
Gewöhnlichkeit nicht zu überbieten sind. Er führt weiter aus, dass
jedwedes Ereignis für jede Person subjektiv als besonderes Erlebnis
interpretiert werden kann, die Struktur des Erlebnisses also nichts über
dessen Wirkung aussagt (vgl. ebd., 6).
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ERLEBNISPÄDAGOGIK, WAS V ERSTEHEN WIR DARUNTER? 19
Hier wird deutlich, dass kein Regelheft für den situativen Kontext zu
entwickeln ist.
Zieht man das dritte Spannungsgefüge, die Spannung zwischen
Allgemeingültigkeit und Individualität hinzu, so kann man erschließen, dass
von Grunderlebnissen, wie z.B. Freude oder Schmerz eine gewisse
Grundart des Erlebens zu erwarten ist. Zwar kann man in diesem
Zusammenhang von „[ ...] soziokulturell vermittelte Bewusstseinarten [,die,
F.P.] den latenten Hintergrund bilden, vor dem überhaupt erst ein Erlebnis
erfahren wird“) ausgehen, jedoch sind diese in ihrer Qualität von
Individuum zu Individuum unterschiedlich, (WAHL 1998, 21. Das Erlebnis
bleibt somit, aufgrund seines historischen Charakters und seiner
Entwicklungsfähigkeit dem Subjekt zugeordnet.
Da in einem Erlebnis der Drang zur Objektivierung enthalten ist, wird
dessen subjektive Einordnung nicht vom Individuum verborgen, sondern
nach außen getragen. Der Ausdruck dieser Objektivierung verlässt die
Ebene der Unmittelbarkeit, denn in diesem Augenblick wird durch den
Ausdruck des Menschen etwas an seine Umwelt vermittelt. WALTRAUD
NEUBERT und WERNER MICHL stellen dar, auf welche Art und Weise dies in
der Pädagogik geschehen kann. Für WERNER MICHL bedeutet dies, „[ ...]
dass Erleben und miteinander Reden zusammengehören“ (MICHL 1994, 6).
WALTRAUD NEUBERT gibt der Arbeit mit diesem Drang eine konkrete Form
durch „[ ...] Gespräche oder Erzählungen des Lehrers aus dem kindlichen
Erfahrungskreis, wobei die Kinder an verschiedenen Stellen anhaken [...]“
(NEUBERT 1990, 39). In beiden Textauszügen wird der Willensimpuls, der
durch den Objektivationsdrang gegeben ist, auf verbale Weise geäußert.
Wir möchten uns, in Verbindung mit einem Verweis auf den
Zusammenhang von „Leben - Ausdruck – Verstehen“, von einer aus-
schließlich verbalen Äußerung distanzieren. Das Erlebnis durchläuft
sämtliche Bereiche des Seelenlebens eines Menschen und kann sich
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ERLEBNISPÄDAGOGIK, WAS V ERSTEHEN WIR DARUNTER? 20
ebenso vielfältig objektivieren. Es kann in sprachlicher, mimischer,
gestikulärer, bildlicher, musischer, etc. Form Gestalt annehmen. Der
Mensch kann mir sein Erlebnis zwar nicht zugänglich machen, aber er
kann mir auf verschiedenste schöpferische Weise zeigen, was es mit ihm
macht. Die ´Schwierigkeit´ in dem ´Nachaußentragen´ des Erlebnisses liegt
in den Reibungsverlusten, welche aufgrund der Vermittlung durch die
Ausdrucksformen entstehen, denn die beteiligten Personen ver- bzw.
entschlüsseln diese Ausdrucksformen auf ihre subjektive Weise, (vgl.
SCHOTT 2000, 18). Die Interpretation des Empfängers unterscheidet sich
von der Intuition des Senders. Man könnte dies kommunikationstheoretisch
aufarbeiten, aber letztlich Verluste nie ausschließen. Da diese
Reibungsverluste folglich ein ständiger Begleiter der Erlebnispädagogik
sind, stellen sie eine Herausforderung für den Erlebnispädagogen dar. Er
muss versuchen mit den vielfältigsten Ausdrucksformen umzugehen und
sich derer bewusst sein, um die Reibungsverluste so gering wie nur
möglich zu halten.
Aus dem Erleben und dem ´Sich-Ausdrücken´ wird sich das Individuum
des bedeutungsvollen Erlebnisses gewahr. Um es für sich zu spiegeln,
muss die erlebende Person das Erlebnis in das denkende Bewusstsein
übertragen, denn „[ ...] erst im Bewusstsein des Erlebten wird das
Geschehende zu dem, was es ist und bedeutet“ (WAHL 1998, 20).
WOLFGANG WAHL führt in diesem Zusammenhang zwei Sätze an, die jenen
Vorgang sprachlich wiedergeben. Die erlebende Person kann sagen:
„Ich erlebe dies oder jenes!
oder
Ich habe ein Erlebnis!“
(vgl. ebd., 20)
Im ersten Satz ist die von W ILHELM DILTHEY beschriebene Unmittelbarkeit
zu erkennen. Das Ich der erlebenden Person erlebt, wird dem Erlebnis also
inne. Im zweiten Satz hat das zeitlich strukturierte Erlebnis sein Ende
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ERLEBNISPÄDAGOGIK, WAS V ERSTEHEN WIR DARUNTER? 21
gefunden und wird der erlebenden Person im Bewusstsein gewahr (vgl.
WAHL 1998, 20).
Diese beiden Zustände sind nicht voneinander getrennt, sondern stellen
zwei Pole des Erlebnisses dar, die miteinander in Beziehung stehen, denn
das Gewahrwerden des Erlebnisses im Bewusstsein wirkt, ähnlich dem
Moment VII von WALTRAUD NEUBERT, auf das Erleben.
Das Gewahrwerden und die daraus resultierende Reflexion über das
eigene Erlebnis kann vom Pädagogen begleitet werden. Durch die
Reflektion kann das Erlebnis verstärkt werden und an zusätzlicher
Bedeutung gewinnen. Diese Begleitung kann auf unterschiedliche Weise
geschehen. Zum einen kann direktes Aufgreifen des
´Nachaußengetragenwerdens´ erfolgen, zum anderen kann dies durch die
zuvor beschriebenen Spannungsgefüge beeinflusst werden. Diese
Thematik wird in den Kapitel 3.3. genauer behandelt. Da der Pädagoge in
erster Linie einen Raum zur Verfügung stellt, in dem Erlebnisse angebahnt
werden können, und er nicht aktiv an dem Erlebnis beteiligt ist, wird er den
eben genannten Aspekten vor allem durch eine hohe Aufmerksamkeit für
das Geschehen gerecht. Er kann aus dieser Aufmerksamkeit heraus die
Situationen interpretieren und sein weiteres Handeln überdenken. Diese
Interpretation ist subjektiv vom Begleiter/Leiter geprägt. Sie ist allerdings
mit seiner pädagogischen Auffassung, in der Ziele mit eingebettet sind,
verbunden. Demnach ist seine subjektive Interpretation durch sein
Verständnis und seine Ziele beeinflusst und mitbestimmt. Sämtliche
Handlungen sind an diesem Kontext orientiert, so dass er sich klar für das
Aufgreifen und das Verstärken eines Erlebnisses entscheiden kann.
In unserer Auffassung der Erlebnispädagogik und speziell in unserem
Projekt möchten wir versuchen, den Schülern ihr eigenes Erlebnis zu
ermöglichen und es als Bestandteil ihrer selbst zu akzeptieren.
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ERLEBNISPÄDAGOGIK, WAS V ERSTEHEN WIR DARUNTER? 22
In Anlehnung an WOLFGANG WAHL möchte ich dies als die Fähigkeit des
Pädagogen bezeichnen, die Erlebnisfähigkeit der Person zu entfalten.
Die Erlebnisfähigkeit geht über das Gewahrwerden der eigenen Gefühle,
die Übertragung in das Bewusstsein und die Akzeptanz eben dieser
hinaus. Die Gefühle die ich in mir erkenne, stehen nicht für sich allein. Sie
stehen mit der, mich umgebenden Umwelt, mit Lebewesen als auch mit
Dingen in Beziehung. Ich kann sie also nicht gesondert betrachten,
sondern muss in diesen Beziehungen mit ihnen umgehen.
WOLFGANG WAHL nennt in Bezug auf den Umgang mit den Erlebnissen
eine treffende Metapher. Er vergleicht den Umgang mit den Gefühlen mit
dem Spielen eines Instrumentes. Er schreibt:
„Vor allem aber muß sie [die Erlebnispädagogik, F.P.] deutlich machen, daß der Spieler lernt, sein »Instrument« selbst zu spielen, es spielen muß; lernt, die Klaviatur seiner Empfindungen zu beherrschen, will er nicht dazu verdammt sein, in die große Marschmusik sich einzustimmen“ (vgl. WAHL 1998, 22).
Aus diesem Zusammenhang können wir folgende Aufgaben
herausarbeiten, die eine Erlebnispädagogik nicht utopisch erscheinen
lassen:
Der situative Kontext in einer erlebnispädagogischen Aktion wird
durch den Pädagogen beeinflusst. Dieser Kontext kann aufgrund des
zweiten und dritten Spannungsgefüges (Subjekt-Objekt-Bezug,
Spannung zwischen Allgemeingültigkeit und Individualität) einen
Raum darstellen, innerhalb dessen eine Anbahnung eines
Erlebnisses begünstigt ist.
Erlebnisse werden aufgrund des im Objektivationsdranges
enthaltenen Willensimpuls und dem damit verbundenen Ausdruck
vermittelt und verbleiben nicht im Verborgenen.
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ERLEBNISPÄDAGOGIK, WAS V ERSTEHEN WIR DARUNTER? 23
Die Übertragung des Erlebnisses in das Bewusstsein kann durch den
Pädagogen begleitet und verstärkt werden.
Gefühle, die durch Erlebnisse hervorgerufen werden, sollen als zu
einem selbst zugehörig empfunden und daraus folgernd der Umgang
mit ihnen vermittelt werden.
Für uns wird hieraus deutlich, dass das Erlebnis durchaus mit der
Pädagogik eine Allianz eingehen kann: Die Erlebnispädagogik kann sich
das Erlebnis an sich jedoch nicht zu eigen machen. Daher beläuft sich ihr
Handlungsspielraum auf methodische Arbeit. Dies erklärt auch, dass sich
die Erlebnispädagogik „[ ...] gegenwärtig als Alternative und Ergänzung
tradierter und etablierte Erziehungs- und Bildungseinrichtungen versteht“
(ZIEGENSPECK 1994, 20).
2.3. ZUSAMMENFASSUNG
In dem vergangenen Kapitel haben wir unsere Auffassung der
Erlebnispädagogik dargestellt und uns auf verschiedene Aspekte dieser
Erziehung bezogen. Das Erlebnis an sich ist nicht an ´sensationelle
Events´ gebunden, die getreu nach dem Motto ´höher, schneller, weiter´
handeln. Demzufolge darf sich eine Erlebnispädagogik nicht als Anbieter
von animierenden Funsportarten verstehen, die dem ´Kunden möglichst
viel ´Erlebnis´ für dessen Geld bieten. Wir schließen den sogenannten
´Kick´ nicht aus, aber betrachten ihn nicht als zwingenden Bestandteil der
Erlebnispädagogik. Für uns ist ihre Ausrichtung auf das Leben zu
konzentrieren. Das Leben, welches sich durch das Erleben manifestiert,
bietet in seiner grundlegendsten Ebene genug Möglichkeiten, um
Erlebnisse anzubahnen. Die Erkenntnis, die aus der philosophischen
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ERLEBNISPÄDAGOGIK, WAS V ERSTEHEN WIR DARUNTER? 24
Diskussion der Jahrhundertwende des 19. Jh. zum 20. Jh., welche die
Verbindung des Lebens mit dem Erleben zu ihrem Thema hatte, gewonnen
wurde, stellt unsere Grundlage dar, wenn im weiteren Verlauf von
Erlebnispädagogik die Rede sein wird. Sie sieht das Erlebnis als dem
Menschen zugehörig an, wodurch nur er selbst zum Initiator seiner
Erkenntnisse aus dem Erlebnis wird. Daraus ergibt sich für uns ein
Grundverständnis der Erlebnispädagogik. Das Erlebnis kann nicht als
solches von der Erlebnispädagogik genutzt werden. Die einzige Instanz,
die sich das Erlebnis zu Nutze machen kann ist die erlebende Person
selbst. Die Pädagogik kann nur versuchen, Erlebnisse anzubahnen und
den Umgang mit ihnen begleiten. Da wir Erlebnispädagogik als Erziehung
sehen, wird sie auch in der Lage sein, für die Praxis Handlungsweisen zu
bieten. Wie diese Handlungsweisen in unserem Sinne aussehen, wird im
folgenden Kapitel erörtert.
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PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER ERLEBNISPÄDAGOGIK 25
3. PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER
ERLEBNISPÄDAGOGIK
Praktische Aspekte gehören in unserem Verständnis zur
Erlebnispädagogik, wie zu jeder anderen Pädagogik auch. Darin
eingeschlossen sind z.B. Handlungsweisen oder Modelle mit denen das
pädagogische Vorgehen begleitet werden kann. Als Erziehung verfolgt die
Erlebnispädagogik auch Ziele. Ihre Ziele sind allerdings nicht mit rationalen
und allgemeingültigen Normen gleichzusetzen. Sie können nicht der
Gegenstand ihrer Lehre sein, da sie aus dem Individuum selbst
erwachsen. Diese Ziele sollen im folgenden Kapitel näher beschrieben
werden.
3.1. ZIELE DER ERLEBNISPÄDAGOGIK
Viele der erlebnispädagogischen Ziele werden, wie in der Einleitung bereits
erwähnt, in der Literatur eher oberflächlich behandelt. Wir haben uns unter
anderem die Aufgabe gestellt, Aspekte dieser Ziele innerhalb unserer
Thematik etwas genauer zu beleuchten, was in Kapitel 4., 5. und 6.
geschieht. In diesem Kapitel möchten wir, beruhend auf unserer
Sichtweise der Erlebnispädagogik, einen groben Überblick über deren
Ziele geben.
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PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER ERLEBNISPÄDAGOGIK 26
Um die Ziele der Erlebnispädagogik zu behandeln, gehen wir erst einmal
vom Erlebnis selber aus. Das Erlebnis, welches aus einer
Auseinandersetzung, dem Erleben mit und in der umgebenden Umwelt
entsteht und primär subjektiv ausgerichtet ist, besitzt einen teleologischen
Charakter. Bei einer Formulierung der Ziele der Erlebnispädagogik fällt
diesem Charakteristikum eine große Bedeutung zu. So wie das Axiom von
PAUL WATZLAWIK sagt ´Man kann nicht nicht kommunizieren´, kann man
auch nicht nicht Ziele haben (vgl. REINERS 1995, 31). Der Teilnehmer einer
erlebnispädagogischen Aktion gestaltet die Ziele mit, da er durch das
Erlebnis, speziell dessen historischen Charakter und dessen
Entwicklungsfähigkeit, eigene Beiträge zu den Zielen beisteuert. Diese
Beiträge werden nicht verbal formuliert, sondern äußern sich durch
Handlungen. Sie werden von ANETTE REINERS daher als ´Handlungsziele´
beschrieben, die mit gleichberechtigter Bedeutung neben den päda-
gogischen Zielen stehen. Es gehört zur Aufgabe des Begleiters/Leiters
diese Ziele, trotz der Möglichkeit der Fehlinterpretation, wahrzunehmen,
sie aufzunehmen und in sein Handeln zu integrieren. Hierfür ist ein
flexibles Agieren innerhalb seiner Zielsetzung voraussetzend. Geschieht
dies nicht, wäre eine Erfolglosigkeit vorprogrammiert und der Lernende
nicht mehr als das Objekt der pädagogischen Bemühungen (ebd., 32).
Hieraus ergibt sich, dass die Zielgestaltung zu keinem Zeitpunkt einen
Abschluss erfährt. Sie befindet sich ständig in einem Prozess, genau wie
die Erkenntnisgewinnung der Teilnehmer. Da in einer Gruppe mehrere
Teilnehmer mit verschiedenen Zielvorstellungen agieren, ergibt sich dieser
Prozess oft aus der Aktion selbst heraus. Die Umstände der Aktion, die
durch die Teilnehmer bestimmt werden, sind als Feedback, d.h.
Rückmeldung an die Gruppe und an jeden einzelnen Teilnehmer zu
verstehen. Jede Handlung und jede Veränderung erfährt eine direkte
Beantwortung, die nicht von der Aktion getrennt erfolgt, wie z.B. eine
Schulnote, die einem Schüler zwei Wochen nach einer Prüfung mitgeteilt
wird. Trotz alledem verfolgt der Pädagoge innerhalb einer
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PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER ERLEBNISPÄDAGOGIK 27
erlebnispädagogischen Aktion, also innerhalb des zuvor genannten
Prozesses Ziele. Mit Hilfe von Regeln und Bedingungen, sowie durch
eventuelles Aufgreifen einer bestimmten Situation, kann er dem Prozess
eine Richtung geben. Hierfür muss sich der Erlebnispädagoge
„[ ...] seiner persönlichen Wertehaltung und seiner Erziehungsziele bewusst sein. Um fragen zu können: “Was will ich und warum will ich das?“ Nur so kann seine Pädagogik reflektiert und transparent werden“ (REINERS 1995. 32).
Die Ziele der Erlebnispädagogik sind durch viele Faktoren, wie z.B. die
Rahmenbedingungen oder die Beziehung zwischen den Teilnehmern,
beeinflusst. Oft bedingen sie sich gegenseitig. Sie können demzufolge
nicht in einer aufeinander aufbauenden Weise betrachtet werden. Der
Prozess, der zu den Zielen hinführt, ist allerdings durch zwei Schritte
gekennzeichnet:
1. das Feststellen von Situationen, Strukturen und Problemen
2. das Verändern von Situationen, Strukturen und
problemerzeugenden Bedingungen
(vgl. HUFENUS 1993, 87)
Beide Stadien können von der Person selbst oder von der Gruppe
ausgehen. Sie führen durch die Veränderung zu einer Entwicklung der
Personen.
In Anlehnung an GÜNTER AMESBERGER (1999, 54f) und ANNETTE REINERS
(1997, 5ff) sollen nun die Ziele, die sich auf den zuvor genannten
Aussagen aufbauen, angeführt werden. Dabei treffen wir eine grobe
Unterteilung, die zum einen die Persönlichkeitsentwicklung und zum
anderen die sozialen Kompetenzen, den Umgang mit zwischen-
menschlichen Beziehungen beinhaltet. Innerhalb dieser zwei Kategorien ist
keine scharfe Grenze zu ziehen, da diese jeweiligen ´Feinziele
miteinander in Beziehung stehen und zum Teil ohne wechselseitiges
Bedingen nicht existieren können.
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PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER ERLEBNISPÄDAGOGIK 28
Persönlichkeitsentwicklung
Eine Voraussetzung für das Einwirken auf die Persönlichkeit ist die
Eigenwahrnehmung der Person selbst, aus der ein Eigenverständnis
entstehen soll. Ein uns sehr wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist
das Erkennen von Ganzheit und Einzigartigkeit der eigenen Person. Dies
soll mit der Fähigkeit, sich auf ein Erlebnis einzulassen erreicht werden. In
diese Erkenntnis sind weitere Aspekte eingebunden. Das Wahrnehmen
und Anerkennen der eigenen Stärken und Schwächen. Die eigenen
Fähigkeiten, welche im Verborgenen lagen oder entwickelt werden können,
sollen der Person bewusst werden. Ebenso sollen Selbstzweifel und
Überschätzung in die Eigenwahrnehmung integriert und akzeptiert werden.
So kann die Person einen Standpunkt für sich definieren. Infolgedessen
können eigene Bedürfnisse herausgestellt werden und in Anbetracht des
Selbstverständnis deutlich und bewusst geäußert werden. Dies kann durch
Erlebnisse in der Auseinandersetzung mit gegenständlichen Dingen, den
Gruppenmitgliedern und mit den eigenen Gefühlen begünstigt werden.
Innerhalb der Auseinandersetzung ist die Eigenwahrnehmung immer an
die Wahrnehmung der anderen geknüpft. Die eigene Position kann anhand
der Abgrenzung von der Position der anderen Teilnehmer genauer definiert
werden. In diesem Kontext ist ein hohes Maß an Eigeninitiative der
einzelnen Personen von Vorteil, um sich aktiv an dem Geschehen zu
beteiligen. Für die damit verbundene Veränderung sind Handlungs-
kompetenzen erforderlich, die ein Teilnehmer entwickeln kann. Darunter
zählen unter anderem das Äußern der eigenen Bedürfnisse, Spontanität,
Kreativität, Eigeninitiative und die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen.
Führen diese Handlungsweisen zu einem Erfolg oder Misserfolg, so
können sie Sicherheit und Ermutigung bzw. Unsicherheit und Resignation
hervorbringen. Das zugeschriebene Rollen- und Verhaltensmuster muss
für diese Veränderungen neu geordnet werden. Dies kann innerhalb einer
erlebnispädagogischen Aktion erprobt werden.
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PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER ERLEBNISPÄDAGOGIK 29
Diese Punkte können mit der Wahrnehmung und Verbesserung des
Selbstbildes, welches sich aus dem Selbstkonzept, dem Selbstwert, der
Selbstkontrolle und dem Selbstvertrauen zusammensetzt und dessen
Farben, Konturen und Schattierungen jeder Teilnehmer für sich selbst
bestimmt, beschrieben werden. Um Spannungen innerhalb dieses
Selbstbildes aufzuheben, müssen Problemlösungsstrategien entwickelt
werden, nicht nur für die erlebnispädagogische Maßnahme, sondern auch
für den Fortbestand in anderen Lebensrealitäten der Teilnehmer.
Soziale Kompetenzen
Eine Basis der sozialen Kompetenzen stellt die Akzeptanz und Toleranz
der Einzigartigkeit jedes Gruppenmitgliedes dar. Die Entwicklung von
Verantwortung für sich selbst und jedes andere Gruppenmitglied erachten
wir als sehr wichtig. Dazu gehört auch das Leisten von Hilfestellung und
die Annahme von Hilfe. Die Bedürfnisse Anderer zu achten, aber auch
Andere zu motivieren sind Bestandteile von sozialen Kompetenzen. Aus
dem Gruppengefüge ergeben sich oft Konflikte, die es konstruktiv zu lösen
gilt. Dies vollzieht sich durch kooperative Verhaltensweisen. Eine
Voraussetzung für die kooperative Konfliktlösung ist die eigene
Kommunikationsbereitschaft, die gesteigert werden kann. Aus diesen
Gegebenheiten kann das Kommunikations- und Verhaltensrepertoire
erweitert werden. Innerhalb dieser Konflikte soll der Teilnehmer lernen, Ich-
Stärke zu entwickeln und andere in ihrem Rollenverhalten einzuschätzen.
Damit ein Teilnehmer sich mit seinem Erlebnis in der Begegnung mit der
Gruppe auseinandersetzen kann, ist Offenheit, Echtheit und gegenseitiges
Vertrauen ein angestrebtes Ziel in der Erlebnispädagogik.
Keiner der Unterpunkte ist getrennt von allen anderen zu betrachten, da
sie untereinander stark verflochten sind. Zumeist ist die Zielsetzung durch
Rahmenbedingungen, Alter der Teilnehmer oder ähnliches bestimmt.
Durch den Einfluss auf den situativen Kontext kann der Erlebnispädagoge
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PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER ERLEBNISPÄDAGOGIK 30
bestimmte Ziele anbahnen. Grundlegend werden die konkreten Ziele
innerhalb der Aktion definiert, da jeder Teilnehmer seine eigenen Ziele mit
einbringt. Ein Erlebnis spricht die Person in allen Seelenbereichen an und
wird auch durch alle Seelenbereiche nach außen treten, so dass die
Themen der Gruppe innerhalb der Aktion hervortreten und die selbst
gesteckten Ziele formulieren.
Die Zielsetzung und Zielformulierung sowie das Transferieren auf die
Lebensrealität, sollte unserer Meinung nach in einem pädagogischen
Kontext vorbereitet und begleitet werden. Um eine solche Vorbereitung
und Begleitung durchführen zu können, sollte sich ein Erlebnispädagoge
über einige Aspekte seines Vorgehens bewusst sein, um seine
Zielorientierung, die sich größtenteils aus denen der Teilnehmer ergibt, zu
verwirklichen. Wir bezeichnen diese Aspekte als Elemente der
Erlebnispädagogik, welche im Folgenden beschrieben werden.
3.2. ELEMENTE DER ERLEBNISPÄDAGOGIK
Die folgenden Elemente der Erlebnispädagogik begünstigen eine wirksame
pädagogische Arbeit mit einem Erlebnis. Zum einen sind es Elemente, die
in das Handlungsfeld des Begleiters/Leiters einzuordnen sind. Zum
anderen ergeben sie sich aus dem situativen Kontext. Daher ist es nicht
entscheidend, dass alle Elemente in einer Aktion wiederzufinden sind.
Auch hier ist der Umgang mit ihnen flexibel zu handhaben. Zudem soll die
Reihenfolge, in der sie aufgeführt sind, nicht hierarchisch betrachtet
werden. Um unser Verständnis der Elemente darzustellen, haben wir sie
erläutert, denn die Auffassung der einzelnen Elemente ist zum Teil recht
unterschiedlich.
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PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER ERLEBNISPÄDAGOGIK 31
Ganzheitliche Erziehung
Nur mit einer ganzheitlichen Erziehung kann auf die gesamte
Persönlichkeit des einzelnen Menschen gewirkt werden. Die
ganzheitliche Orientierung, die KURT HAHN (der als Urvater der
Erlebnispädagogik gilt) mit „Hirn, Herz und Hand“ beschrieben hat, zielt
darauf ab, den Mensch in affektiver, kognitiver, motorischer und auch
sozialer Dimension anzusprechen. Die Erlebnispädagogik ist in der Lage
diese Bereiche oder Aktivitäten miteinander zu verbinden, denn das
Erlebnis an sich findet auf einer ganzheitlichen Ebene statt
(Totalitätscharakter) (vgl. WAGNER 1995, 311). Dieses Element ist
zwangsläufig mit einer Handlungsorientierung verbunden. Spreche ich
einen Menschen ganzheitlich an, so wird seine Auseinandersetzung und
die Veränderungen auch ganzheitlich stattfinden, d.h. dass sich die
herausgeforderte Auseinandersetzung und Veränderung u.a. auch durch
Handlung vollziehen. WERNER MICHL vergleicht diesen Komplex mit
einem Aufbruch. Der vom Pädagogen gegebene oder von außen
herangetragene Aufbruch, führt zu einem inneren Aufbruch (vgl. MICHL
1995, 100).
Zurücknahme des Begleiters/Leiters
In erlebnispädagogischen Maßnahmen muss sich der Begleiter oder der
Begleiter/Leiter zurückziehen, um jedem Menschen die Möglichkeit zu
geben sich frei zu entfalten:
„[ ...] Erlebnisfelder, in der nicht ein Leiter oder Leiterin dominieren, sondern im besten Falle das An-Leiten, das Hinführen, das Anregen und die Inspiration gepaart mit einer hohen Disziplin des Zurücknehmens, des Rückzuges dem Gespür für das Andere und die Anderen, dem Gespür für die Faszination der Vielfalt ohne Verzicht auf den eigenen Beitrag“ bieten sich für die „Umsetzung von Impulsen, die individuelle Initiative: Wahrnehmung und Wahrgebung in einer ausgewogenen Handlungsbalance“ an, (ECKMANN 1998, 11).
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PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER ERLEBNISPÄDAGOGIK 32
Reflexion
Wie in Kapitel 2.2.1 bereits beschrieben, sollen Erlebnisse in das
Bewusstsein gehoben und somit reflektiert werden. Wir schränken die
Reflexion aber nicht dahingehend ein, dass sie nur in Gesprächsrunden
stattfinden kann. Vielmehr kommt es auf die von Wolfgang Wahl
beschriebene `Betroffenheit´ an, die sich nicht „[ ...] dadurch herstellen
[lässt, F.P.], daß post faktum ein Erlebnis zum Diskussionsgegenstand
gemacht wird, daß »darüber geredet« wird“ (WAHL 1998, 23). Eine
Reflexion findet auch in nonverbaler Form statt oder in einer alltäglichen
Situation, wie in einem Gespräch zwischen den Teilnehmern. Diese
kann, muss aber nicht angeleitet sein.
Sozialform: Gruppe
„In der Gemeinschaft wird das Erleben realisiert“ beschreibt ANNETTE
REINERS und fügt hinzu: „Das Zusammenleben [...] macht bestimmte
Verhaltensweisen [...] notwendig und kann ursprüngliche Rollen und
Verhalten hinterfragen“ (REINERS 1995, 40). Die Sozialform der Gruppe,
in der ein Teilnehmer Erfahrungen sammelt, ist nicht, wie das alltägliche
Leben, ein langfristig bestehender Zusammenhalt. Sie ist zeitlich
begrenzt, und bietet somit ideale Vorraussetzungen für Veränderungen.
Da diese Veränderungen nicht zwangsläufig ins alltägliche Leben
übertragen werden müssen. Die Gruppe gibt dem Teilnehmer ein
Feedback über seine sozialen Verhaltensweisen. Dadurch wird seine
„soziale Funktionsfähigkeit gesteigert“ (ebd., 49). Somit löst das enge
Zusammenleben hierfür tiefgreifende soziale Lernerfahrungen aus.
Element der Raum- und Zeitdimension
Das Element der Raum- und Zeitdimension bedeutet bei WERNER MICHL:
„Räume erschließen, ein anderes Zeitverständnis vermitteln und
Gemeinschaft ermöglichen“ (MICHL 1995, 99). Der Pädagoge sorgt für
Freiräume, in denen reflektiert oder neues geschaffen werden kann.
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PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER ERLEBNISPÄDAGOGIK 33
Diese Freiräume müssen auch ohne pädagogische Begleitung existieren
(s. Zurücknahme des Begleiters/Leiters).
Ernstcharakter
Unter Ernstcharakter wird nicht verstanden, dass jede beteiligte Person
mit versteinerter Mine an einer Aktion teilnehmen soll und bei jedem
Anflug von Lachen einen Verweis erhält. Unter Ernstcharakter wird
verstanden, „[ ...] daß die Anforderungen in erlebnispädagogischen
Maßnahmen real sind“, sie also nicht von Stellvertretern und somit aus
zweiter Hand erlebt werden, sondern eigene, unmittelbar gemachte
Erfahrungen sind, (REINERS 1994, 8).
Grenzerfahrungen
Um sich zu entwickeln ist das Herantreten an die eigenen Grenzen
unentbehrlich. Bewege ich mich nur innerhalb meines bekannten
Erfahrungsraumes, ohne zu versuchen, über die ihn umgrenzenden
Mauern hinauszuschauen, kann keine Veränderung vollzogen werden.
Ich muss mich selbst herausfordern, um mich weiter zu entwickeln. „Wer
Erlebnisse schafft, hat es mit Seelenregungen eines Menschen zu tun,
die sich rasch zu Grenzerfahrungen des Menschen auswachsen und
somit sein ganzes Handeln verändern können“ (FISCHER 1996, 205).
Grenzerfahrung werden jedoch nicht ausschließlich durch den
angeregten Intensitätsgrad, den sogenannten ´Kick´ herausgefordert.
Was den einen Menschen zutiefst bewegt und betroffen macht, kann an
einem anderen Menschen vorbeiziehen ohne eine Regung auszulösen.
„Flow-Erlebnis“
Physiologisch gesehen wird vom erlebenden Menschen ein „Flow-
Erlebnis“ durchlaufen, sobald Sensorik und Motorik untrennbar
miteinander verknüpft sind (vgl. SCHMITZ 1995, 108). Menschen, denen
ein „Flow-Erlebnis“ zuteil wird, „[ ...] befinden sich in einer positiveren
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PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER ERLEBNISPÄDAGOGIK 34
Stimmung, haben mehr Motivation, mehr psychische Stärke und
Kontrolle (DONNER/CSIKSZENTMIHALYI zit. nach PLÖHN 1998, 5). Zudem
empfinden sie den Autoren zufolge mehr Glück und Freude. Dieses
„Flow-Erlebnis“ verlangt aus sich heraus nach Wiederholung und hat eine
intrinsische Motivation zur Folge.
Freiwilligkeit
Unter Freiwilligkeit verstehen wir die freie Entscheidung und Autonomie
eines jeden Menschen. Entscheidet sich ein Mensch bewusst dazu,
bestimmte Dinge nicht durchzuführen, so wird er sich bereits mit der
Situation auseinandergesetzt, und für sich eine Entscheidung getroffen
haben. Auch hier kann man seine eigenen Grenzen neu stecken und
wahrnehmen, wobei die Gefahr darin besteht, dass ein Teilnehmer sich
auf gar keine Aktionen einlassen möchte. In diesem Fall kann der
Pädagoge natürlich versuchen diesen Teilnehmer zu motivieren.
Transfer
Transfer ist ein Schlüsselwort in der Erlebnispädagogik. Dieses Wort
beschreibt die Übertragung des Erlernten vom Konkreten zum Abstrakten
(vgl. REINERS 1995, 59).
Die Erlebnisse, die ein Kursteilnehmer macht, die er als Teil seiner selbst
wahrnimmt und zu denen er Umgangsstrategien entwickelt, sollen nicht
nur für die aktuelle Kurssituation existieren. Diese Erfahrungen sollen
generalisiert und auf andere Lebensrealitäten der Person übertragen
werden. Der Transfer sollte in einem erlebnispädagogischen Projekt
integriert sein, um einen Erfolg des Transfers zu optimieren (vgl.
HUFENUS 1993, 89). Wir möchten diesen Transfer als ´Der Weg ist das
Ziel – Transfer´ bezeichnen (vgl. REINERS 1997, 11). Um diesen Transfer
zu ermöglichen und zu garantieren nutzt die Erlebnispädagogik
verschiedene Modelle.
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PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER ERLEBNISPÄDAGOGIK 35
Die Modelle, die in dem Element Transfer angesprochen werden, gelten für
uns als Handwerkszeug der Erlebnispädagogik. Da sie dadurch für uns
eine große Bedeutung haben, sollen sie im Anschluss beschrieben
werden.
3.3. MODELLE DER ERLEBNISPÄDAGOGIK
Um den Transfer in ein erfolgreiches pädagogisches Vorgehen mit dem
Erlebnis zu ermöglichen, sind im Laufe der Zeit verschiedene Modelle
entstanden. Den Anstoß zur Entwicklung dieser Wirkmodelle war die Kritik
an der Transferleistung von erlebnispädagogischen Maßnahmen (vgl.
REINERS 1995, 59). Die Wirkfunktionen dieser einzelnen Modelle sind, wie
die gesamte Erlebnispädagogik, weiterhin umstritten und stehen nach wie
vor im öffentlichen Diskurs. Die verschiedenen Modelle, die auf den
folgenden Seiten beschrieben sind, werden alle in der Praxis der
Erlebnispädagogik angewandt. In Orientierung an ANNETTE REINERs´ Buch:
„Erlebnis und Pädagogik“ beziehen wir uns auf drei Modelle, die aus der
Kurserfahrung von „Outward Bound“, d.h. einer etablierten
erlebnispädagogischen Organisation, die auf der ganzen Welt Kurse
anbietet, entstanden sind, (vgl. 1995, 60ff). Sie sind in der Reihenfolge
aufgeführt, die ihrer chronologischen Entstehung entspricht. Mit einem
Verweis auf den Ausspruch, dass in der Erlebnispädagogik „[ ...] manche
Einzellernziele im Lernprozess selbst verwirklicht [...], andere [...]als
Produkt des Prozesses angesehen werden, möchten wir die drei Modelle
mit sechs weiteren Lernmodellen, welche den „Outward Bound“ Modellen
unterzuordnen sind, differenzierter betrachten“, (REINERS 1995, 33). Dies
geschieht in Anlehnung an HUBERT KÖLSCH und FRANZ-JOSEF WAGNER, die
in ihrem Buch: „Erlebnispädagogik in Aktion“ diese sechs Modelle sehr
prägnant beschrieben haben, (vgl. KÖLSCH/WAGNER 1998, 19ff).
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PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER ERLEBNISPÄDAGOGIK 36
Ursprünglich entwickelte sie SIMON PRIEST aufbauend auf die drei anderen
Modelle. Sie sind ausführlich in seinem unveröffentlichten Arbeitspapier:
„Funneling, Frontloading and Framing“ (1994) enthalten und zusätzlich mit
dem englischen Begriff gekennzeichnet.. Im Anschluss daran erfolgt eine
genauere Betrachtung des „Metaphorischen Modell“, welchem im Rahmen
unseres Projekts eine große Bedeutung zugekommen ist.
„The Mountain Speak for Themselves”
Das Modell „The Mountain Speak for Themselves“ geht davon aus, dass
die Natur, und die damit verbundenen Ereignisse einer
erlebnispädagogischen Maßnahme, für sich selbst sprechen. Eine
Grundlage für dieses Modell sind sogenannte Schlüsselerlebnisse, welche
die Teilnehmer im Rahmen einer solchen Maßnahme zwangsläufig haben
werden. Dazu muss man erwähnen, dass zu dem Zeitpunkt der
Entstehung dieses Modells eine erlebnispädagogische Freizeit über einen
Zeitraum von etwa vier Wochen stattgefunden hat. Der Begleiter/Leiter
sorgt dafür, dass Raum- und Zeitdimensionen für Schlüsselerlebnisse
geschaffen werden. Beratung liegt für den Pädagogen in erster Linie in der
Vermittlungen von Techniken und Fertigkeiten, welche die Teilnehmer
erlernen müssen, um die Aufgaben der Maßnahme zu bestehen. Eine
wesentliche Funktion als Begleiter/Leiter kommt der Verringerung des
körperlichen Risikos zu. Er muss also für ausreichende physische
Sicherheit Sorge tragen.
Dieses Modell bietet dem Teilnehmer einen Lernerfolg während der Aktion
selber, ist allerdings aufgrund seiner zeitlichen Dimensionen nicht für jede
erlebnispädagogische Maßnahme geeignet. Darüber hinaus lässt sich eine
Maßnahme nicht zielgruppenspezifisch vorbereiten.
.
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PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER ERLEBNISPÄDAGOGIK 37
Das ergänzende Modell zu „The Mountain Speaks for Themselves“
bezeichnet SIMON PRIEST mit dem Begriff
1. „Handlungslernen pur”
à “learning by doing”
Beim existiert in keiner Weise ein bewusster Bezug zur Alltagswelt. Wie
beim „The Mountain Speaks for Themselves“ - Modell werden hier
Techniken und Fertigkeiten vermittelt. Die Teilnehmer genießen die
Aktion. Ob überhaupt eine Reflexion der Aktion stattfindet oder nicht,
steht außer Frage. Soziale Aspekte sind - werden sie nicht für das
Programm benötigt - uninteressant.
„Outward Bound Plus”
Im Gegensatz zum „The Mountain Speaks for Themselves“ - Modell sind
die Begleiter/Leiter bei dem Modell „Outward Bound Plus“ mehr gefordert.
Die Reflexion und der damit verbundene Transfer liegen nicht allein in der
Verantwortung eines möglichen Schlüsselerlebnisses. Grundlegend für
dieses Modell ist eine pädagogische oder therapeutische Ausbildung des
Betreuers, denn es zielt darauf ab, den Transfer des Erlebten in den Alltag
durch ´kognitive Verarbeitung´ zu garantieren. Dies geschieht durch
reflektorische Aufarbeitung, die auf unterschiedlichste Art und Weise
stattfinden kann und vom Pädagogen oder Therapeuten begleitet wird. Er
tritt also, technisch gesagt, zu Vor- und Nachbereitung in Aktion.
Mit der Nachbereitung kann ein direkter Bezug zwischen Erlebtem und
Alltagswelt und deren Problembereiche hergestellt werden. Dieses Modell
kann bei kürzeren erlebnispädagogischen Maßnahmen eingesetzt werden.
Die Ziele vom „Outward Bound Plus“ - Modell sind nicht, wie die des eben
erwähnten Modell, global orientiert, sondern können auf die jeweilige
Zielgruppe zugeschnitten werden.
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PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER ERLEBNISPÄDAGOGIK 38
Zu kritisieren ist an diesem Modell, dass der Lerneffekt zeitlich verschoben
während der Reflexion stattfindet und das Lernen somit einen ´verkopften
Beigeschmack erhält. „Aus dem Erfahrungslernen wird ein [im wahrsten
Sinne des Wortes, F.P.] ´nach der Erfahrung-Lernen´“ (REINERS 1995, 62).
Ergänzend zu dem „Outward Bound Plus“ - Modell entwickelte SIMON
PRIEST drei Modelle:
2. „Kommentiertes Handlungslernen“
à „learning by telling“
In diesem Lernmodell wird die Aktion der Teilnehmer vom Begleiter/Leiter
zusammengefasst und reflektiert. Er erläutert die Lernziele und gibt
konstruktive Vorschläge. Da die Kommentierung einzig und allein von der
begleitenden/leitenden Person ausgeht, wird sie oft als
´oberlehererhaftes Gehabe und Zurechtweisung empfunden, denn der
eigentlich positive Charakter der konstruktiven Kritik wird von vielen
Personen nicht erkannt oder nicht akzeptiert. Dies hat oft eine
Demotivierung zur Folge.
3. „Handlungslernen durch Reflexion“
à “learning through reflection”
Das „Handlungslernen durch Reflexion“ bezieht die Teilnehmer aktiv mit
ein. Der Begleiter/Leiter regt in diesem Lernmodell eher zum
Nachdenken an. Er fasst nicht zusammen, sondern versucht die
Teilnehmer dazu zu bringen, die geschehenen Ereignisse für sich selbst
zu kommentieren und Schlussfolgerungen in Erfahrung zu bringen. Dies
kann er erreichen, indem er Fragen stellt, deren Antworten zu
Erkenntnissen führen, oder in dem er Aufgaben stellt, die eine
Auseinandersetzung mit dem Geschehen zur Grundlage haben. Letztere
Aufgabe könnte zum Beispiel beinhalten, dass das Ereignis zeichnerisch
oder pantomimisch, also nonverbal dargestellt wird.
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PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER ERLEBNISPÄDAGOGIK 39
4. „Direktives Handlungslernen“
à “direction with reflection“
Die Auswertung, die bei den bisherigen Modellen immer im Anschluss an
die jeweiligen Aktionen stattfindet, wird hier bereits im vorhinein in eine
bestimmte Richtung gelenkt. Der Pädagoge thematisiert mögliche, den
Erfolg der Aktion betreffende Strategien und Verhaltensweisen. Er kann
auch auf die vorangegangenen Aktionen Bezug nehmen, so Lernerfolge
mit einbeziehen und den Teilnehmern diese ins Bewusstsein rufen. So
kann bereits Geschehenes in die neue Aktion transferiert werden. Es ist
auch möglich einen direkten Bezug zur Alltagswelt zu erstellen.
Dieses Lernmodell ist, kann sich der Betreuer nicht auf Produkte -
welcher Art auch immer - vorangegangener Reflexionen beziehen, sehr
stark auf verbale, direktive Äußerungen des Pädagogen aufgebaut.
Das „Metaphorische Modell“
Die bedeutendste Aufgabe des Pädagogen in diesem Modell besteht in der
Anleitung, in dem Heranführen der Erlebnissituation. Die Erlebnissituation
soll eine möglichst ähnliche, d.h. isomorphe Situation zur Lebensrealität
der Teilnehmer darstellen. Voraussetzend sollte der Begleiter/Leiter über
die Lebensrealität, auf die sich die Erlebnissituation beziehen soll,
informiert sein. Die Maßnahme oder einzelne Punkte der Maßnahme
werden in Metaphern eingekleidet. Ähnlich dem „The Mountain Speaks for
Themselves“ - Modell können so Schlüsselerlebnisse stattfinden. Damit
wird bereits während einer Aktion der Bezug zur Alltagswelt hergestellt.
Der Lernprozess erfolgt also während der Erlebnisse.
Eine Nachbereitung kann auch hier stattfinden, wird allerdings nicht in dem
Maße direktiv durchgeführt, wie in dem „Outward Bound Plus“ - Modell.
Dieses Modell verlangt dem Betreuer ein hohes Maß an Kompetenzen ab.
Er sollte sich daher im klaren sein, wie intensiv er das Einsetzen von
Metaphern betreiben möchte.
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PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER ERLEBNISPÄDAGOGIK 40
Das „Metaphorische Modell“ wurde von SIMON PRIEST durch zwei
Lernmodelle erweitert:
5. „Metaphorisches Handlungslernen“
à “reinforcement in reflection“
´Metaphorisches Handlungslernen´ ist mit dem „Metaphorischen Modell“
gleichzusetzen. Gelingt eine Anpassung der Aktion an die Lebensrealität
der Teilnehmer, durch isomorphe Strukturen, so „[ ...] ist der Lerneffekt
groß, weil die Übertragung unmittelbar erfolgt“ (Kölsch 1998, 23).
6. „Indirekt-metaphorisches Handlungslernen“
à “rediction before reflection”
Um die Teilnehmer zu motivieren eignet sich das Indirekt-metaphorische
Handlungslernen. Sogenannte ´double bind – Situationen´ liegen oft im
Interesse der Teilnehmer. Darunter versteht man, dass der Pädagoge
den Teilnehmern vor einer Aktion Alternativen zur Hand gibt, um zu
einem gewissen Erfolg zu gelangen. Diese Alternativen werden nicht
direkt zur Sprache gebracht, sondern durch ein Negativbeispiel
´verschlüsselt´ an die teilnehmenden Personen weitergegeben. In Bezug
auf geschlechtsspezifische Problematiken könnte der Begleiter/Leiter
zum Beispiel anführen, dass die anstehende Aufgabe (angenommen, sie
wäre nur mit großem körperlichen Einsatz zu bewältigen) oft durch reine
Kraftakte der männlichen Teilnehmer gelöst wird, aber diese Variante oft
zum Scheitern verurteilt sei.
Die Auswahl eines dieser Modelle hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Zum einen ist die Auswahl durch bestehende Bedingungen, wie konkrete
Ziele, Zielgruppe oder Dauer der Maßnahme, im vorhinein schon
eingeschränkt. Zum anderen ist die eigene Auffassung über die Modelle
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PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER ERLEBNISPÄDAGOGIK 41
und die Einschätzung der eigenen Kompetenzen als Auswahlfaktor
bestimmend.
Anhand der Lernmodelle wird deutlich, dass der Erlebnispädagoge
durchaus in der Lage ist, seine Strategie zwischen verschiedenen Aktionen
oder sogar während einer Aktion zu ändern, um flexibel auf verschiedene
Situationen reagieren zu können. Er kann zum Beispiel eine Aktion
unterbrechen und zu einem anderen Handlungslernmodell wechseln, oder
eine Aktion, welche zu totaler Unzufriedenheit der Teilnehmer verlaufen ist,
neu starten lassen und somit in ein anderes Modell wechseln. Oft sind die
Grenzen zwischen den unterschiedlichen Modellen verschwommen, da ein
striktes ´Durchziehen zu starr wäre, um dem unterschiedlichen Verhalten
der Teilnehmer gerecht zu werden. Im Rahmen unseres Projektes haben
wir uns aufgrund der Rahmenbedingungen (siehe hierzu Kapitel 7.1.) näher
beschrieben werden, für das „Metaphorische Model“ ´ entschieden. Im
nächsten Kapitel soll nun unsere Bedeutung dieses Modells und speziell
der Metapher erläutert werden.
3.3.1. DIE BEDEUTUNG DES „METAPHORISCHEN MODELLS“
Im Rahmen unseres Projektes und dieser Arbeit beschäftigten wir uns
ausführlich mit dem „Metaphorische Modell“. Die darin enthaltenen
Metaphern haben für uns im Laufe der Zeit große Bedeutung erhalten. Der
Titel eines Trainerhandbuches von „Outward Bound“, welches von
CORNELIA SCHÖDLBAUER ins Deutsche übersetzt wurde, lautet: „Die Macht
der Metaphern“. Diese Bezeichnung empfanden wir als immer treffender
für den Sachverhalt, der sich vor uns auftat. Wir erachten es daher als
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PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER ERLEBNISPÄDAGOGIK 42
wichtig, unser Verständnis von einer Metapher und dem damit
verbundenen metaphorischen Ansatz in diesem Kapitel darzulegen.
Um unserer Bedeutung der Metapher näher zu kommen, möchte ich eine
Definition der Metapher aus dem Fremdwörterbuch anführen:
Metapher ‹gr. - lat.› die; -, -n: sprachlicher Ausdruck, bei dem ein Wort, eine Wortgruppe aus seinem eigentlichen Bedeutungszusammenhang in einen anderen übertragen wird, ohne dass ein direkter Vergleich zwischen Bezeichnendem u. Bezeichnetem vorliegt; bildhafte Übertragung (z.B. das Haupt der Familie) (W ISSENSCHAFTLICHER RAT DER DUDENREDAKTION 1997, 514).
Diese Definition ist sehr rational ausgerichtet. Sie ist beschränkt auf die
sprachliche Nutzung der Metapher. Die bildhafte Übertragung der Worte
einer Metapher erzeugen neue Bedeutungszusammenhänge, ein neues
Bild, das von jedem einzelnen gefüllt wird. Dem neuen Bild wird ein Sinn
gegeben, der von jeder Person individuell festgelegt wird. Um den eigenen
Sinn des Bildes zu erzeugen, werden die einzelnen Worte mit
Erinnerungen verknüpft, die dann zu etwas Neuem zusammengesetzt
werden.
Für uns wird dieser Sinn in erster Linie emotional gebildet. Das
entstandene Bild besitzt einen Symbolcharakter, der bei jedem Menschen
mit individuellen Erinnerungen verknüpft ist. Jede Erinnerung, die zu
diesen Symbolen passt, ist von einer Empfindung geprägt. Der Mensch
begibt sich laut STEPHEN BACON auf eine transderivationale Suche, um die
den Symbolen zugehörigen Empfindungen auszumachen.
Die Metapher erzeugt demnach eine neue individuelle Empfindungsebene,
die vom ganzen Menschen wahrgenommen wird. Metaphern entstehen
nicht ausschließlich durch Sprache, sondern durch die Empfindungsebene
der einzelnen Person, die ein Bild in sich trägt.
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PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER ERLEBNISPÄDAGOGIK 43
Da das Individuum und die Biographie der individuellen Erinnerungen
entscheidend für die Auslegung und Wahrnehmung einer Metapher sind,
ist die Wirkung in keiner Weise zu planen.
Die Empfindungsebenen, die durch die Symbole erzeugt werden, werden
auf subtile Weise im Unterbewusstsein mit den Empfindungen verknüpft.
Sie sind nicht immer einmalig, sondern können als Empfindungsebene in
verschiedenen Lebenssituationen einer Person existieren.
In der Erlebnispädagogik wird unter anderem versucht, die Aktionen in
Metaphern ´einzukleiden (vgl. SCHÖDLBAUER 1998, 47ff). Ähnelt die daraus
entstehende Empfindungsebene einer Empfindungsebene aus der
Lebensrealität des Teilnehmers, so wird ein Transfer, ein Übertragen von
Lösungsstrategien und Erfahrungen, aus der erlebnispädagogischen
Aktion in den Lebensalltag erleichtert. Der Transfer kann thematisiert
werden. Wir vermuten, dass der Transfer subtil stattfindet, die neuen
Empfindungen im Unterbewusstsein mit den Erinnerungen an das Symbol
verknüpft werden. Um den Zusammenhang von Metapher und
Lebensrealität zu gewährleisten, sollten beide Empfindungsebenen in ihrer
Struktur identisch, isomorph sein, (vgl. ebd., 28ff). Die inhaltliche
Kongruenz zwischen Metapher und Lebensrealität spielt für die Qualität
der Isomorphie keine Rolle. Eine inhaltliche Übereinstimmung könnte
sogar einem Erfolg entgegenwirken. Führe ich dem Teilnehmer die
Lebensrealität vor Augen, zu der er bereits Verhaltensstrategien entwickelt
hat, so wird er sich eher gegen Veränderung sträuben und die Handlung
des Begleiters/Leiters als direktiv und belehrend empfinden.
Durch die sprachliche Einkleidung einer erlebnispädagogischen Aktion in
eine Metapher, spricht diese eine Empfindungsebene an. Die
Empfindungsebene ist nicht klar definiert, denn die Metapher eröffnet einen
Freiraum, in dem der Teilnehmer seine eigene Metapher finden kann. Für
den Teilnehmer erhält die Metapher dadurch eine tiefere Bedeutung, da
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PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER ERLEBNISPÄDAGOGIK 44
der Zusammenhang zwischen erlebnispädagogischer Aktion und
Alltagswelt größer ist, wodurch die Metapher individuell gefüllt wird. Die
damit verbundene individuelle Empfindungsebene prägt die Handlungen
des Teilnehmers innerhalb der Aktion. Das Handeln wird jedoch nicht mit
einer parallelen Lebenssituation in Verbindung gesetzt. In diesem
Zusammenhang kann ein Teilnehmer Veränderungen in seinem Verhalten
hervorrufen und sie mit der Empfindungsebene verknüpfen. In einer
parallelen Lebenssituation ist die neue Handlungsstrategie mit der
Empfindungsebene verbunden.
Für die Erstellung der Isomorphie ist es nicht entscheidend über die
einzelnen Biographien der Teilnehmer informiert zu sein. Die Gruppe, die
in ihrer Heterogenität der Lebenswirklichkeit entspricht, stellt für uns ein
„mikrokosmisches Modell des Alltagslebens dar [...]“ (vgl. SCHÖDLBAUER
1998, 41). CORNELIA SCHÖDLBAUER führt in Anlehnung an STEPHEN BACON
weiter aus, dass alle wichtigen Elemente der Lebensrealität in diesem
Mikrokosmos enthalten sind. Innerhalb dieses Mikrokosmos können
Teilnehmer einer erlebnispädagogischen Maßnahme, die vom
Begleiter/Leiter erstellten Bilder betrachten und mit eigenen Themen füllen.
Somit wird den erlebenden Personen die Möglichkeit gegeben,
Empfindungsebenen mit neuen Handlungsstrategien zu verbinden. Wir
gehen davon aus, dass sich „die Metaphern, die von den Lernenden
[Schülern, F.P.] selbst kommen, als Weltbilder“ (HOVELYNCK 2000, 192)
entpuppen. Aufgrund dessen kann der Betreuer Themen realisieren, die in
der Gruppe aktuell sind. Die Teilnehmer bestimmen ihre
Erkenntnisgewinnung innerhalb einer Aktion selbst.
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PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER ERLEBNISPÄDAGOGIK 45
3.4. ZUSAMMENFASSUNG
In diesem Kapitel wurde ein Überblick von Handlungsmustern erstellt, die
als Grundlage unserer Erlebnispädagogik verstanden werden können.
Diese Handlungsmuster konzentrieren sich auf die erlebende Person und
nicht auf den Gegenstand ihrer Erziehung. Von ihm ausgehend kann sie
Ziele verfolgen, die angemessen sind und durch die Person selbst motiviert
werden. Aus dieser Auffassung heraus ist sie in der Lage, auf alle
Menschen einzuwirken. Ihr Erfolg ist nicht durch die Höhe des Intelligenz-
quotienten oder den Umfang des Bizeps der Teilnehmer bestimmt.
In diesem Kontext und mit der Zielvorstellung, die sie, wie andere
Erziehungen auch, für sich formuliert hat, bedient sie sich auch eines
bestimmten Handwerkzeugs. Dies beinhaltet in erster Linie, dass die
angeführten Elemente vorhanden sind. Ist dies der Fall, so kann sie bereits
mit den einfachsten Mitteln ihre Ziele erreichen. Vielmehr lastet ein großer
Teil der Zielorientierung auf dem Pädagogen, der, obwohl er in erster Linie
unbeteiligt ist, viel Aufmerksamkeit während einer Aktion entwickeln muss.
Die in diesem Zusammenhang angeführten Aspekte erscheinen recht
komplex und schwer zu realisieren. Sie bilden jedoch eine Idealvorstellung,
die in der Realität nie eine ´Vollkommenheit´ erreicht. Hierzu möchte ich
ein Zitat von STEPHEN BACON anführen:
„Die Vorstellung, dass man zeitgleich zwei Realitäten durchlebt, ist selbstverständlich ein Ideal. In der Praxis ist die Metapher niemals hundertprozentig isomorph mit der Lebenssituation; sogar psychologisch gesprochen stimmen Lebens- und metaphorische Erfahrungen nie perfekt miteinander überein. Aber ohne Frage lassen gut gestaltete Metaphern tiefgreifende und bedeutungsvolle Verbindungen mit isomorphen Lebenserfahrungen entstehen. Menschen die eine metaphorische Erfahrung durchlaufen haben, deren Ergebnis hin zum Erfolg verändert wurde, haben damit ihre typischen Lebensstrategien neu organisiert“ (SCHÖDLBAUER 1998, 35).
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PRAKTISCHE ASPEKTE UNSERER ERLEBNISPÄDAGOGIK 46
Er bezieht diese Aussage auf das „Metaphorische Modell“. Trägt man
diese Aussage aus ihrem konkreten Zusammenhang heraus, und bezieht
sie auf die Erlebnispädagogik allgemein, so wird deutlich, inwieweit in der
Erlebnispädagogik von einem ´Perfektionismus gesprochen werden kann.
Wir möchten aber in Bezug auf die Zielvorstellungen, die wie in der
Einleitung erwähnt, in der Literatur eher oberflächlich behandelt wird, für
uns mehr Klarheit schaffen, um uns einiger Zusammenhänge dieses
komplexen Themas bewusst zu werden. Aus diesem Grund möchten wir
diesen Sachverhalt in den folgenden Kapiteln näher erklären.
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LEIBLICHKEIT - ANTHROPOLOGISCH ÜBERSETZT 47
4. LEIBLICHKEIT – ANTHROPOLOGISCH ÜBERSETZT
Erlebnispädagogik erhält für uns erst im Zusammenhang mit einem
ganzheitlichen Menschenbild ihre Berechtigung. Aus diesem Grund ist es
für uns unumgänglich einen Ansatz zu vertreten, der den Menschen als
eine Einheit betrachtet. Die Anthropologie der Leiblichkeit basiert auf der
Ganzheitlichkeit des Menschen, die Körper, Geist und Seele als Einheit
würdigt. Diese wird im Folgenden näher betrachtet.
Etymologisch leitet sich das Wort Anthropologie aus dem griechischen
anthropos: `der Mensch` und logos: `die Lehre` ab. Sie beschäftigt sich mit
der Erforschung des Menschen als ein lebendiges und soziales Wesen. In
dieser Arbeit, die sich u.a. mit dem Begriff der Erlebnispädagogik
beschäftigt, soll nun erarbeitet werden, welche Bedeutung dem Körper in
Bezug auf Begriffe wie Erleben, Gefühle und Wahrnehmung zukommt.
Hierbei gehen wir insbesondere auf die Leiblichkeit im Sinne des
französischen Philosophen MAURICE MERLEAU-PONTY ein. Es wird eine
andere Sicht vorgestellt, eine Sicht, die uns hilft den Menschen in einem
anderen Licht zu sehen.
Die von dem Philosophen Descartes vertretende cartesianische Lehre von
den zwei Substanzen besagt, dass sich der Mensch in eine „res cogitans“
und eine „res extensa“ aufspaltet, Seele und Körper gehören zwei
heterogenen Wirklichkeitsbereichen an (vgl. WALDENFELS 1985, 149).
Unterstützend durch den von ihm geprägten Satz „cogito ergo sum“, d.h.
„ich denke, also bin ich“, wird die Richtung die er einschlägt klar. Er hat
eine Hierarchie entwickelt, die zu Gunsten der kognitiven Leistungen
ausgelegt ist.
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LEIBLICHKEIT - ANTHROPOLOGISCH ÜBERSETZT 48
Auch heute noch ist in unserer Gesellschaft das dualistische Verständnis
des Menschen, dem zufolge der Körper vom Geist getrennt ist, tief
verankert.
Dem gegenüber nimmt dieses Kapitel Bezug auf eine phänomenologisch
orientierte Anthropologie, die im Besonderen unter dem Begriff der
Leiblichkeit betrachtet werden soll. Sie
„[ ...] erfaßt den Menschen [...] aus seiner leiblichen Verbundenheit mit der Welt, aus seiner Lebenswelt heraus und prägt damit ein holistisches und überaus dynamisches Menschenbild, das offen ist für die vielfältigen Erscheinungsweisen des Menschen und der Welt [...]“ (FORNEFELD 1998, 56).
Zu den vielfältigen Erscheinungsweisen des Menschen, soll an dieser
Stelle auch auf die der Behinderung hingewiesen werden. So führt die
Entdeckung des Leibes in der Sonderpädagogik zu einer neuen Sicht der
Lern- und Identitätsprobleme Behinderter. Die Bedeutung der Leiblichkeit
für ein ganzheitliches Bild vom Menschen ist nicht zu unterschätzen. Denn
gerade die heutige Zeit, ist geprägt durch Reduzierungen, in Bezug auf
den Wissenserwerb bzw. die kognitive Leistungsfähigkeit und gleichzeitig
auf den nach außen hin perfekt ´gestylten Körper. So scheint es
notwendig, die Sicht wieder intensiver auf den gesamten Leib zu richten.
Wir werden zunächst auf MAURICE MERLEAU-PONTYS biographischen
Werdegang eingehen, in dem wir uns schwerpunktmäßig auf BERNHARD
WALDENFELS (1998, 143f) beziehen. Im Anschluss daran werden die
wichtigsten Begriffe vorgestellt. Dabei wird die Theorie an dieser Stelle
nicht vollends erfasst, sondern nur der Ausschnitt, der uns für diese Arbeit
relevant erscheint.
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LEIBLICHKEIT - ANTHROPOLOGISCH ÜBERSETZT 49
4.1. ZUR PERSON MAURICE MERLEAU-PONTYS
MAURICE MERLEAU-PONTY wurde am 14.03.1908 in Rochefort-sur-Mer
geboren. Die Gymnasialausbildung erhielt er in Paris, wo sich seine
Familie nach dem Tod des Vaters niedergelassen hatte. Von 1926 bis
1930 besuchte er die Ecole Normale Superieur und schloss diese mit dem
Abschluss in Philosophie ab.
Von 1931 bis 1935 unterrichtete MAURICE MERLEAU-PONTY an
verschiedenen Gymnasien das Fach Philosophie. Von 1935 bis 1939 war
er an der Ecole Normale Superieur als Repetitor tätig. Währenddessen
bereitete er sich auf seine Doktorarbeit vor, welche sich u.a. mit dem
Thema der Wahrnehmung unter Berücksichtigung der Phänomenologie
auseinandersetzt.
MAURICE MERLEAU-PONTY setzte zwei thematische Schwerpunkte: Zum
einen die 1942 veröffentlichte Arbeit mit dem Titel „La structure du
comportement“, zu deutsch „Die Struktur des Verhalten“. Zum anderen die
Veröffentlichung des Themas beschäftigt mit dem Titel „Phenomenologie
de la perception“, zu deutsch „Die Phänomenologie der Wahrnehmung“ im
Jahre 1945, die gleichzeitig seine Dissertation war. Im Anschluss hieran
begann er seine akademische Laufbahn. Er wurde zunächst Lehr-
beauftragter an der Universität Lyon, worauf eine Professur folgte. 1949 bis
1952 nahm er den Lehrstuhl für Kinderpsychologie und Pädagogik ein. Seit
1952 war er am College de France tätig. MAURICE MERLEAU-PONTY starb
am 3. Mai 1961.
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LEIBLICHKEIT - ANTHROPOLOGISCH ÜBERSETZT 50
4.2. THEORETISCHE ASPEKTE IN MERLEAU-PONTYS
„PHÄNOMENOLOGIE DER WAHRNEHMUNG“
In seinem Buch „Phänomenologie der Wahrnehmung“ stellt MAURICE
MERLEAU-PONTY zu Beginn seine Definition der Phänomenologie vor:
„Sie ist der Versuch einer direkten Beschreibung aller Erfahrung, so wie sie ist, ohne Rücksicht auf Probleme genetischer Psychologie oder Kausalerklärung, wie sie Naturwissenschaft, Geschichte und Soziologie zu bieten vermögen“ (MERLEAU-PONTY 1966, 3).
MAURICE MERLEAU-PONTY versteht somit die Phänomenologie als die
Erfahrung von Lebenswelt, Leiblichkeit und Wahrnehmung und setzt die
Erfahrung allem voran. Er betont deren Wichtigkeit, die bisher von
Wissenschaft und Philosophie übergangen worden sei (vgl. STOLLER 1995,
43). So ist seiner Ansicht nach die Lebenswelt das Fundament der
Wissenschaften und hat mit der Leiblichkeit und der Erfahrung der
Menschen zu tun. Die Wissenschaft reduziert, so MAURICE MERLEAU-
PONTY, ihre Erkenntnisse auf kausale Zusammenhänge und ignoriert
dadurch die Lebenswelt, die den Ausgangspunkt alles menschlichen Seins
darstellt. MAURICE MERLEAU-PONTY rückt hingegen Erfahrungen in den
Vordergrund, da sie durch den Menschen gelebt werden. In diesem
Zusammenhang ist anzumerken, dass der Autor in seinen
phänomenologischen Ausführungen auf EDMUND HUSSERL und MARTIN
HEIDEGGER zurückgreift und weiterführt, worauf in diesem Kontext jedoch
nicht näher eingegangen werden soll.
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LEIBLICHKEIT - ANTHROPOLOGISCH ÜBERSETZT 51
4.3. DAS VERSTÄNDNIS VON WAHRNEHMUNG
Menschlicher Kontakt zur Welt, zu anderen Menschen vollzieht sich zuerst
durch Wahrnehmung, die allem vorgezogen ist.
„Wahrnehmung ist [...] der Untergrund, von dem überhaupt erst Akte sich abzuheben vermögen und den sie beständig voraussetzen“ (MERLEAU-PONTY 1966, 7).
Aus dieser Aussage von MAURICE MERLEAU-PONTY wird deutlich, dass der
Leib wahrnimmt und gleichzeitig wahrgenommen wird. Das heißt: Ich
berühre und ich werde berührt. Ich erfahre schon leiblich, bevor ich
sprachliches Vermögen entwickelt habe. Diese Wechselbeziehung
zwischen der Eigen- und der Fremdwahrnehmung meines Leibes, ist dem
phänomenologischen Begriff der Intentionalität zuzuordnen. Wahrnehmung
ist immer Wahrnehmung von etwas. Somit ist die Intentionalität des
Bewusstseins auf Gegenstände gerichtet. Nach SYLVIA STOLLER zeigt sich
die Intentionalität als eine Als-Struktur: „Jedes Wahrnehmen z.B. ist ein
Wahrnehmen von etwas als etwas“ (STOLLER 1995, 48). Während wir uns
in der Welt bewegen, in ihr leben, auf sie gerichtet sind, nehmen wir sie
primär wahr: leckere Sache essen, Bäume betrachten, Musik hören usw.
Somit ist der Mensch Wahrnehmungssubjekt, der handelnd auf das
Wahrnehmungsumfeld bezogen ist. Das bedeutet für MAURICE MERLEAU-
PONTY in der Wahrnehmung auf etwas intentional bezogen zu sein (vgl.
STOLLER 1995, 49).
MAURICE MERLEAU-PONTY distanziert sich von dem wissenschaftlichen
Kausaldenken, da er davon ausgeht, dass Wahrnehmungsdaten nie
voneinander isoliert auftreten, sondern immer in eine Gesamterfahrung
integriert sind (vgl. GOOD 1998, 71). Somit können Störungen, die den Leib
betreffen, nicht kausal erklärt werden, sie müssen aus der Einheit des
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LEIBLICHKEIT - ANTHROPOLOGISCH ÜBERSETZT 52
Verhaltens verstanden werden (vgl. GOOD 1998, 71). Das bedeutet, dass
der Mensch mit seiner ihm umgebenden Welt bedeutsam wird. Diese Welt
schließt nach MAURICE MERLEAU-PONTY das „natürliche Feld und Milieu all
meines Denkens und aller ausdrücklichen Wahrnehmung“ (MERLEAU-
PONTY 1966, 7) mit ein. Somit ist unser Bewusstsein immer beteiligt, es ist
ständig engagiertes Bewusstsein. Die unauflösliche Verbindung von
Körper und Geist, die von MAURICE MERLEAU-PONTY postuliert wird,
impliziert, dass menschliches Verhalten nie nur geistige Tätigkeit oder nur
körperliche Tätigkeit sein kann. Diese „[ ...] unaufhebbare Doppeldeutigkeit
(ambiguite), weder reines Ding noch reines Bewusstsein zu sein, fasst
MAURICE MERLEAU-PONTY im Begriff des Leibes“ (FORNEFELD 1998, 122).
4.4. DER BEGRIFF DES LEIBES UND DAS VERHÄLTNIS ZUR WELT
Der zentrale Begriff der Leiblichkeit wird in der Phänomenologie MAURICE
MERLEAU-PONTYS wie folgt beschrieben:
„Leiblich sind wir in der Welt und der Mitwelt verankert, und alle Sinnhaftigkeit des Verhaltens findet hier ihren Anhalt und ihre Grenzen. Von daher läßt sich eine Verhaltenskonzeption entwickeln, in der Innen- und Außenwelt sich verschränken und der Rückzug auf bloße Bewußtseinssphäre ebenso vermieden wird wie der Rückzug auf bloße Körpermechanismen“ (WALDENFELS zit. nach FORNEFELD 1998, 48)
Und weiter versteht er unter Leib:
„[ ...] den individuellen menschlichen, empfindenden Organismus, den Leib mit seinen Gliedmaßen und Organen, seiner Empfindungs- und Bewegungsfähigkeit, den vitalen und handelnden Leib-Körper“ (STOLLER 1995, 52f).
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LEIBLICHKEIT - ANTHROPOLOGISCH ÜBERSETZT 53
Er unterscheidet diesen ´Leib-Körper´, vom objektiven Körper, dem rein
physikalischen ´Ding´, der nur Materie darstellt und dessen sich die
Wissenschaft bedient. Nach SYLVIA STOLLER lassen sich drei wesentliche
Merkmale des Leibes aufzeigen:
1. Der Leib ist unabweisbar mit unserer Existenz verbunden, da unser
eigener Leib immer mit uns ist. Er bleibt stets präsent durch seine
materielle Konsistenz, seine Motorik und seine physiologische
Aktivität. Er ist immer bei uns. Diese Präsenz ist das erste
wesentliche Merkmal des Leibes. Es impliziert aber auch Zustände
wie Schlaf, in dem man kein ´aktives Bewusstsein von seinem Leib
hat.
2. Unser Leib, ausgestattet mit Sinnesorganen, ist verantwortlich für
die Perspektivität unserer Wahrnehmung (vgl. MERLEAU-PONTY
1966, 91). Das bedeutet, der Leib ist Ausgangspunkt jeder
menschlichen Äußerung, der Wahrnehmungsleistungen, sowie der
Bewegung zu einem Gegenstand und gleichzeitig reflexiver, d.h.
rückbezüglicher Akte. Wir befinden uns nie ohne einen Bezug zu
anderen Dingen, die sich um uns herum befinden, in dieser Welt.
Der Leib kann sich nicht aus der Wahrnehmungswelt zurückziehen.
3. Die Unbeobachtbarkeit des Körpers. Im alltäglichen Leben, in dem
wir Handeln, Sprechen, Denken und Träumen, sind wir unseres
Körpers nur selten bewusst. Unser Leib kann nie vollständig
wahrnehmend erfasst werden. Es entsteht der Eindruck, dass der
Leib in seiner Tätigkeit selbst immer unbeobachtet bleiben muss.
(vgl. STOLLER 1995, 53f)
Mit den drei von SYLVIA STOLLER benannten Merkmalen des Leibes wird
deutlich, dass MAURICE MERLEAU-PONTY ebenso die Einheit des Leibes
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LEIBLICHKEIT - ANTHROPOLOGISCH ÜBERSETZT 54
betont, die als Ganzes gewürdigt werden muss. Doch so wie unsere
Leiblichkeit nicht von unserer Existenz weggedacht werden kann, so ist
unsere Existenz auch nicht ohne Welt denkbar. Diese leibliche Existenz
findet sich im Begriff „Zur-Welt-Sein“ wieder (vgl. DANNER 1994, 140).
Daraus lässt sich folgern, dass der Leib nicht als Gegenstand der Welt zu
verstehen ist, sondern dass der Leib „Mittel unserer Kommunikation mit der
Welt“ ist (MERLEAU-PONTY 1966, 117):
„Die Welt ist nicht, was ich denke, sondern das, was ich lebe, ich bin offen zur Welt, unzweifelhaft kommuniziere ich mit ihr“ (MERLEAU-PONTY 1966, 14).
Für Pädagogen ist es an dieser Stelle, unserer Meinung nach, bedeutsam,
dass unter Kommunikation, nicht nur eine verbale verstanden wird. Es gilt
sowohl die Beziehung Mensch-Welt, da diese beiden ´Komponenten im
unmittelbaren Austausch miteinander stehen, als auch die Ausdrucks-
stärke von Mimik und Gestik zu berücksichtigen. Denn das „Zur-Welt-Sein“
impliziert den ganzen Leib.
Unser Leib macht die dingliche Welt für praktische Lebensvollzüge
verfügbar: „Die Bewegungserfahrung unseres Leibes ist kein Sonderfall
einer Erkenntnis; sie eröffnet uns eine Weise des Zugangs zur Welt und zu
Gegenständen [...]“ (MERLEAU-PONTY zit. nach SCHÜTTE 1995, 97). Unter
Bewegungserfahrung ist die motorische, physiologische, sinnliche,
emotionale, gedankliche und zwischenmenschliche zu verstehen. Hier wird
der Bogen gespannt, dass intentionale Leiblichkeit bedeutsam ist für die
pädagogische Zielgruppe, die der Körperbehinderten, aber auch für die
Pädagogen mit ihrem Menschenbild, da Wahrnehmung intentional,
absichtsvoll ist. Wie schon in 4.1 beschrieben, ist im Grundphänomen der
Wahrnehmung die Intentionalität enthalten und die Einheit des Leibes mit
der Welt begründet. So sind wir mit Hilfe des „intentionalen Bogens“ in der
Welt situiert.
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LEIBLICHKEIT - ANTHROPOLOGISCH ÜBERSETZT 55
„Dieser intentionale Bogen ist es, der die Einheit der Sinne, die Einheit der Intelligenz und die Einheit von Sinnlichkeit und Motorik ausmacht (MERLEAU-PONTY zit. nach GOOD 1998, 76).
Das soll bedeuten, dass unser Bewusstsein immer auf Gegenstände
gerichtet ist, also intentional ist.
Aus dieser Einheit von Wahrnehmung resultiert, dass es „[ ...]
unterschiedliche Weisen des Leibes, Leib zu sein, unterschiedliche Weisen
des Bewußtseins, Bewußtsein zu sein“ geben, (MERLEAU-PONTY zit. nach
GOOD 1998, 72). Somit ist für MAURICE MERLEAU-PONTY das Bewusstsein
kein „Ich denke, also bin ich“, sondern ein „Ich kann“ oder „Ich will“ (vgl.
STINKES 1998).
4.5. ZUSAMMENFASSUNG
Es ist deutlich geworden, dass MAURICE MERLEAU-PONTY die Leiblichkeit
unter dem Aspekt, die Körperlichkeit mit der Geistigkeit zu verbinden,
betrachtet. Jeder Mensch ist aus seiner leiblichen Verbundenheit mit der
Welt, mit seiner Lebenswelt zu erfassen. Der Mensch ist als ein
einzigartiges Individuum zu verstehen, welches sich gleichzeitig auch von
den anderen Menschen durch Verschiedensein auszeichnet. BARBARA
FORNEFELD zeigt eine Sichtweise von ´Verschiedensein´ auf, die
keineswegs negativ gedeutet werden darf, sondern welches als ein
charakteristisches und positiv zu bewertendes Merkmal der Spezies
Mensch verstanden werden muss.
„Unbestimmtheit, also Unbegreifbares, an Grenzen stoßendes Erklären und Verstehen menschlichen Seins muß als „positives Phänomen“ (MERLEAU-PONTY) gedacht, als Erkenntnis-möglichkeit begriffen werden“ (Fornefeld 1998, 112).
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LEIBLICHKEIT - ANTHROPOLOGISCH ÜBERSETZT 56
Die Akzeptanz, dass jeder Mensch ein anderes Bewusstsein, eine andere
Wahrnehmung hat, eröffnet uns den Blick, jedem Menschen individuell zu
begegnen. Ausschließlich durch den Leib ist der Mensch Mensch. Somit
können wir als Pädagogen Situationen schaffen, in denen Menschen mit
ihrem Leib sein können, ihren Leib spüren können. An dieser Stelle lässt
sich der Bezug zu einem Element der Erlebnispädagogik herstellen. Es
wird ein Lernen mit „Kopf, Herz und Hand“ gefordert. Dieses Element
spricht gegen eine reine Wissensvermittlung, die ausschließlich mit dem
Kopf zu vollziehen ist.
Mit dem Begriff der Leiblichkeit verbinden wir ein Verständnis vom
Menschen, das es ablehnt eine Trennung zwischen ´Körperlichem´ und
´Geistigem´ zu vollziehen. Der Mensch ist kein Objekt, das geformt werden
soll. Der Mensch ist vielmehr als Ganzes in seinem Dasein zu fassen. Die
Individualität des Menschen muss gefördert werden. Fördern wird in
diesem Zusammenhang nicht als etwas verstanden, was von außen
geschieht, denn dieses werden kann sich nicht durch Andere entwickeln,
es muss aus sich selbst, aus dem Individuum heraus entstehen.
Trotz allem sehen wir als Pädagogen die unumgängliche Notwendigkeit,
um den Menschen in seiner Ganzheit erfassen zu können, Wirkfaktoren zu
berücksichtigen, die an dem Subjekt ansetzen und dessen Entwicklungs-
möglichkeiten individuell unterstützen. Um der Frage nach den Ent-
wicklungsmöglichkeiten des Menschen nachzugehen, beschäftigen wir uns
im nächsten Kapitel zunächst mit der „Ökologie der menschlichen
Entwicklung“ nach URIE BRONFENBRENNER.
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ÖKOLOGIE DER MENSCHLICHEN ENTWICKLUNG 57
5. ÖKOLOGIE DER MENSCHLICHEN ENTWICKLUNG
In der erlebnispädagogischen Arbeit mit allen Kindern geht es in unserem
Zusammenhang darum, sie in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken und
ihnen soziale Fähigkeiten zu vermitteln. Hierbei unterstellen wir immer die
ganzheitliche Sichtweise, die wir im vorherigen Kapitel ausführlich anhand
von MAURICE MERLEAU-PONTY dargestellt haben. Für uns sollen die Schüler
eine Alternative kennenlernen, mit denen sie sich anders in ihren
Lebensbereichen bewegen können. Gerade sie, die sich noch in ihrer
Entwicklung befinden, sollen erfahren, dass die häufige Fremdbestimmung
durch die Lebensbereiche nicht als gegeben akzeptiert werden muss. Sie
sollen Erfahrungs- und Gestaltungsmöglichkeiten zur aktiven Teilnahme an
ihrer Entwicklung innerhalb ihrer Lebenswelt erfahren. Die Kinder sollen
wahrnehmen, was sie können und dieses auch mit ihren jeweiligen
Möglichkeiten bzw. Fähigkeiten vertreten können. Es soll nun darum
gehen, die grundlegenden Bedingungen des Prozesses der Entwicklung
eines Menschen mit all seinen Anlagen zu betrachten. Mit Hilfe von URIE
BRONFENBRENNER wird im Folgenden versucht, die Bedeutung der
Lebensbereiche in denen wir uns entwickeln, aufzuzeigen und die
Relevanz für die Arbeit mit Kindern im Algemeinen heraus zu arbeiten.
URIE BRONFENBRENNER veröffentlichte die Theorie „Die Ökologie der
menschlichen Entwicklung“ (1981). Sie befasst sich
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ÖKOLOGIE DER MENSCHLICHEN ENTWICKLUNG 58
„[ ...] mit der fortschreitenden gegenseitigen Anpassung zwischen dem aktiven, sich entwickelnden Menschen und den wechselnden Eigenschaften seiner unmittelbaren Lebensbereiche. Dieser Prozeß wird fortlaufend von den Beziehungen dieser Lebensbereiche untereinander und von den größeren Kontexten beeinflußt, in die sie eingebettet sind“ (BRONFENBRENNER 1981, 37).
URIE BRONFENBRENNER versteht den Begriff ´Ökologie´ im ursprünglichen
Sinne des griechischen Wortes ´oikos´: als Lehre vom Lebensraum, wobei
er sich hauptsächlich auf die Interaktionsbeziehungen der Personen
innerhalb dieses Lebensraumes bezieht (vgl. HUSCHKE-RHEIN 1992, 21).
Der Begriff des Lebensraumes ist von LEWIN, auf den sich URIE
BRONFENBRENNER in seinem Ansatz bezieht, in den entwicklungs-
psychologischen Kontext eingebracht worden. LEWIN versteht unter dem
Begriff des Lebensraumes die subjektive Wahrnehmung der Umwelt durch
das Individuum, die es für sich interpretiert (vgl. FISCHER 1996, 95).
Um nun den Kontext der Ökologie mit der menschlichen Entwicklung zu
verknüpfen, beziehen wir uns zuerst auf den Entwicklungsbegriff des
Autors. Daraufhin wird der Umweltbegriff thematisiert, in dem die
verschiedenen Systeme, die miteinander verbunden sind, beschrieben
werden.
5.1. ÜBER DEN ENTWICKLUNGSBEGRIFF
Der Entwicklungsbegriff wird von URIE BRONFENBRENNER in vielfältiger Art
und Weise erklärt. Zum Beispiel sieht er Entwicklung als
„[ ...] die Entfaltung der Vorstellung der Person über ihre Umwelt und ihr Verhältnis zu dieser, als ihre wachsende Fähigkeit, die Eigenschaften ihrer Umwelt zu entdecken, zu erhalten oder zu ändern“ (Bronfenbrenner 1981, 25). „[ ...] dauerhafte Veränderung der Art und Weise, wie die Person die
Umwelt wahrnimmt und sich mit ihr auseinandersetzt“ (ebd., 19).
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ÖKOLOGIE DER MENSCHLICHEN ENTWICKLUNG 59
Es geht um eine ganzheitliche, individuelle Auseinandersetzung des
Kindes mit seiner Umwelt, wobei bestehende Faktoren wie z.B. eine
Behinderung nicht ausschlaggebend für die Entwicklung sind. Somit
befasst sich URIE BRONFENBRENNER mit einer neuen Entwicklungs-
vorstellung. Er ersetzt psychische Prozesse wie Wahrnehmung, Denken
und Lernen durch deren Inhalt: was wahrgenommen, gewünscht oder
gefürchtet wird, und wie sich „[ ...] das Wesen dieses psychologischen
Materials durch den Einfluß der Umwelt auf die Person“ (BRONFENBRENNER
1981, 25) verändert.
Die Entwicklung findet in unterschiedlichen Lebensräumen statt. So wie
das Kind auf verschiedene Lebensräume einwirkt, wird es selbst auch von
diesen beeinflusst (vgl. FISCHER 1996, 95). Entwicklung einer Person
bedeutet immer „Entwicklung im Kontext“ , da „[ ...] die Eigenschaften von
Person und Umwelt [...] als voneinander abhängig angesehen und als
System analysiert werden“, (BRONFENBRENNER 1981, 29 und 59). Diese
Kontextgebundenheit von Entwicklung weist einen ersten Bezugspunkt zur
Erlebnispädagogik auf. Die Arbeit in der Gruppe stellt eine Basis und ein
Medium für Entwicklungsveränderung dar. Unterstützt wird diese Aussage
durch das „Zwei-Personen-System“ von URIE BRONFENBRENNER, bei dem
es um die Entwicklung in der „Dyade“ geht, in der nicht nur die
Einzelperson in den Vordergrund gestellt wird. Somit grenzt er sich von der
Methode der Laborexperimente ab, die Daten ausschließlich über eine
Person zusammenträgt und gibt z.B. einer Mutter-Kind Beziehung einen
anderen Stellenwert .
URIE BRONFENBRENNER betont die Bedeutung von „natürlichen
Experimenten“ - verglichen mit künstlich erzeugten Laborsituationen - in
der Feldforschung (vgl. BRONFENBRENNER 1981, 45). Demnach ist eine
Untersuchung ökologisch valide oder gültig, wenn sie in natürlichen
Lebensbereichen ausgeführt wird und Objekte und Aktivitäten sich auf das
Alltagsleben beziehen. Die Trennung des Beobachters vom Beobach-
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ÖKOLOGIE DER MENSCHLICHEN ENTWICKLUNG 60
tungssystem ist folglich aufgehoben, der Beobachter ist Teil des Systems
(vgl. BERGEEST 1999, 158).
5.2. ÜBER DEN UMWELTBEGRIFF ZU DEN SYSTEMEN
URIE BRONFENBRENNER bezeichnet den Menschen als eine ´wachsende
dynamische Einheit´, die einerseits ihre Umwelt beeinflusst, andererseits
von dieser beeinflusst wird, was er als Interaktion durch „Reziprozität“, d.h.
Wechselseitigkeit charakterisiert (vgl. BRONFENBRENNER 1981, 38). Die
Umwelt, die für die Entwicklungsprozesse bedeutungsvoll ist „[ ...] umfaßt
mehrere Lebensbereiche und die Verbindungen zwischen ihnen“ (ebd.)
und erscheint so die Umwelt aus ökologischer Sicht als eine „[ ...]
topologisch [...] ineinandergeschachtelte Anordnung konzentrischer,
ineinandergebetteter Strukturen [...]. Diese Strukturen werden als Mikro-,
Meso-, Exo-, Makro-, und Chronosystem bezeichnet“ (BRONFENBRENNER
1990, 76).
Mikrosystem
„Ein Mikrosystem ist ein Muster von Tätigkeiten und Aktivitäten, Rollen und zwischenmenschlichen Beziehungen, die die in Entwicklung begriffene Person in einem gegebenen Lebensbereich mit dem ihm eigentümlichen physischen und materiellen Merkmalen erlebt“ (BRONFENBRENNER 1981, 38).
Unter dem Begriff Lebensbereich versteht BRONFENBRENNER einen Ort, an
dem Menschen leicht direkten Kontakt mit anderen aufnehmen können
(vgl. ebd.).
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ÖKOLOGIE DER MENSCHLICHEN ENTWICKLUNG 61
Im Mikrosystem sind die Begriffe der Tätigkeit oder Aktivität, Rolle oder
zwischenmenschliche Beziehung und das Erleben die wichtigsten
Elemente, die im Folgenden näher beschrieben werden.
URIE BRONFENBRENNER betrachtet den Ausdruck des Erlebens in seiner
Definition aus phänomenologischer Sicht. Er hebt hervor, dass die Art und
Weise, wie die objektiven Eigenschaften der Umwelt wahrgenommen
werden, besonders relevant sind. Ein Erlebnis bekommt erst Bedeutung,
wenn wir uns dessen gewahr werden (siehe hierzu Kapitel 2.2.1. ). Somit wird
hervorgehoben, dass Wahrnehmung nicht nur durch objektive
Eigenschaften der Umwelt stattfindet, sondern auch die Bedeutung für den
jeweiligen Menschen berücksichtigt werden muss. „Die phänomenale
Umwelt steuert das Verhalten weit wirksamer als die reale [...]“ (ebd., 40).
Eine große Rolle spielt für URIE BRONFENBRENNER die Tätigkeit oder
Aktivität. Durch diese können sich Umweltereignisse am folgenreichsten
auf das Kind auswirken. Er verwendet die Begriffe molare Aktivität oder
Tätigkeit.
„Eine molare Tätigkeit oder Aktivität ist über eine gewisse Zeit fortgesetztes Verhalten, das sein eigenes Beharrungsvermögen besitzt und von den am Lebensbereich Beteiligten als bedeutungs- oder absichtsvoll wahrgenommen wird“ (vgl. BRONFENBRENNER 1981, 60).
Diese sind durch besondere Merkmale gekennzeichnet:
Tätigkeit stellt einen kontinuierlichen Prozess dar.
Tätigkeit ist durch Beständigkeit gekennzeichnet (eine begonnene
Arbeit wird auch beendet).
Tätigkeit wird von Eltern, Geschwistern, d.h. von Personen, die für
den Lebensbereich wichtig sind, als bedeutungsvoll oder
absichtsvoll gewürdigt.
(vgl. ebd., 61)
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ÖKOLOGIE DER MENSCHLICHEN ENTWICKLUNG 62
Die Menschen der unmittelbaren Umwelt, die molare Tätigkeiten zeigen,
sind die wichtigsten Vermittler. An dieser Stelle wird nun deutlich, warum
die zwischenmenschlichen Beziehungen einen hohen Stellenwert für die
menschliche Entwicklung bekommen. Für URIE BRONFENBRENNER besteht
eine Beziehung, „[ ...] wenn eine Person innerhalb eines Lebensbereichs
die Aktivitäten einer anderen aufmerksam verfolgt oder sich an ihnen
beteiligt“ (BRONFENBRENNER 1981, 71). Sobald sich Beziehungen in beide
Richtungen zeigen, also dort wo zwei Personen aufeinandertreffen und
miteinander in Kontakt treten, ist die Voraussetzung für eine Dyade erfüllt.
Die Dyade ist „der vielfältigste Baustein der ökologischen Struktur“ und der
wichtigste im Mikrosystem, auf den größere Dyadenformen aufbauen (vgl.
ebd., 209). URIE BRONFENBRENNER unterscheidet folgende drei
Dyadenformen (vgl.ebd., 71 f f):
1. Beobachtungsdyade:
Ist die aufmerksame Beobachtung eines anderen bei einer Tätigkeit,
worauf dieser auf die Beobachtung reagiert.
2. Dyade gemeinsamer Tätigkeit:
Gemeinsame Tätigkeit, die durch „komplementäre“ und „reziproke“
Inhalte gekennzeichnet ist.
3. Primärdyade:
Sind die „affektiven“ Beziehungen mit dauerhaften Gefühlen
füreinander.
Diese Dyadenformen sind nicht voneinander isoliert zu betrachten,
sondern aufsteigend. Aus einer Beobachtungsdyade kann leicht eine
Dyade gemeinsamer Tätigkeiten werden, d.h. eine und dieselbe
zwischenmenschliche Beziehung kann Eigenschaften mehrerer
Dyadenformen aufweisen.
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ÖKOLOGIE DER MENSCHLICHEN ENTWICKLUNG 63
Um den Begriff der Rolle zu definieren, bezieht sich URIE BRONFENBRENNER
auf die Sozialwissenschaft, die unter der Rolle Verhaltensweisen versteht,
die mit einer Stellung innerhalb der Gesellschaft verbunden werden (vgl.
BRONFENBRENNER 1981, 41). Rollen haben einen erheblichen Einfluss
darauf, wie eine Person behandelt wird, aber auch wie sie selbst handelt.
Rollen entstehen meist durch verschiedene Gesellschaftsstellungen, die
durch Kriterien wie Alter, Geschlecht, Beschäftigung oder den sozialen
Status (vgl. ebd., 97) bestimmt werden.
Mesosystem
Der sich zu entwickelnde Mensch gehört verschiedenen Mikrosystemen
an, wie z.B. der Familie oder der Schule. Die Wechselbeziehung, die
zwischen diesen Mikrosystemen gebildet wird nennt BRONFENBRENNER
Mesosystem. Da das Kind aktiv beteiligt ist, kann das Mesosytem somit als
eine ergänzende Verbindung, zu einem entwicklungsfördernden Potential,
für das Kind werden (vgl. SPECK 1998, 292).
Bei Menschen entsteht immer dann ein Mesosystem,
„ [...] wenn eine Person ihre Position in der ökologisch verstandenen Umwelt durch einen Wechsel ihrer Rolle, ihres Lebensbereiches oder beider verändert“ (BRONFENBRENNER 1981, 43).
BRONFENBRENNER bezeichnet diese Entwicklung als „ökologischen
Übergang“, die Entwicklungsveränderungen erzeugt und von ihnen erzeugt
wird. „Ökologische Übergänge“ finden beispielsweise beim Eintritt in die
Schule, in das Berufsleben, durch Urlaube oder auch durch Scheidungen
statt.
Exosystem
Darunter sind Ereignisse zu verstehen, die außerhalb der unmittelbaren
Lebensbereiche des Kindes stattfinden, aber indirekt die Entwicklung
beeinflussen (vgl. BRONFENBRENNER 1981, 42).
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ÖKOLOGIE DER MENSCHLICHEN ENTWICKLUNG 64
So sind Vorgänge am Arbeitsplatz der Eltern, die der Autor zum
Exosystem zählt, für die Entwicklung von Kindern nicht unwesentlich. Der
Berufsalltag der Eltern hat Einfluss auf die häusliche Umgebung.
Makrosystem
Unter dem Begriff des Makrosystems wird das Gesellschaftssystem als
Ganzes betrachtet, Welches die zuvor genannten Systeme enthält.
Darunter sind die in der Gesellschaft herrschenden Werte und Normen,
kulturelle und ideologische Aspekte usw. zu verstehen, die auf die
Systeme Mikro-, Meso- und Exosystem einwirken (vgl. BRONFENBRENNER
1981, 42).
Chronosystem
Die bestehenden Systeme wurden durch das Chronosystem, auf
griechisch: ´chronos d.h. Zeit, erweitert. Zeit wird als etwas dynamisches
verstanden, so dass individuelle Erlebnisse und Ereignisse in situative
Kontexte eingebunden werden. URIE BRONFENBRENNER setzt Zeit und
Entwicklung zueinander in Beziehung und unterscheidet innerhalb dieser
Beziehung:
Die Zeitpunkte bzw. -räume, die der Autor auch ökologische
Übergänge nennt haben Einfluss auf die Entwicklung des Kindes.
Ebenso sind darunter Ereignisse zu verstehen, die nicht
vorhersehbar sind und als nonnormativ bezeichnet werden, wie z.B.
der Tod eines Elternteils.
Persönliche Ereignisse über einen längeren Zeitraum, welche die
Biographie eines Menschen repräsentieren und die Persönlichkeit
definieren.
(vgl. FISCHER 1996, 95)
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ÖKOLOGIE DER MENSCHLICHEN ENTWICKLUNG 65
5.3. ZUSAMMENFASSUNG
Zu Beginn seines Buches geht URIE BRONFENBRENNER auf Erlebnisse in
seiner Kinderzeit ein, da diese einen großen Einfluss auf seine spätere
Arbeit gehabt haben. Er stellt dar, dass er das Glück hatte, auf dem
Gelände einer Anstalt für ´Schwachsinnige aufzuwachsen, für die sein
Vater als Neuropathologe das Bemühen zeigte, diese wieder
schnellstmöglich in die ´normale Welt zu entlassen. Bekam er
versehentlich ´normale´ Kinder in die Anstalt eingewiesen, machte es ihn
außerordentlich unglücklich, dass bis zum Fertigstellen der Entlassungs-
papiere diese Kinder die erforderlichen Tests nur noch mit dem Ergebnis
absolvieren konnten, das sie als geistesschwach auswies (vgl.
BRONFENBRENNER, 1981, 13). Dieser biographische Ausschnitt URIE
BRONFENBRENNERS macht deutlich, dass sich kognitive Leistungen auf
Grund der veränderten Wohnsituation, zum Nachteil verändern können.
Überträgt man diese Situation auf andere Leistungen, wie soziale oder
kommunikative Fähigkeiten wird klar, dass die Veränderung von
Systemen, in denen Kinder leben, zur massiven Einschränkung der
eigenen Fähigkeiten führen kann.
ROLF OERTER fasst die für die Pädagogik relevanten Punkte der
„Ökologischen Entwicklung“ zusammen:
„Die einzelnen Ökosysteme sind nicht als starre Strukturen zu verstehen, sondern sind in ständiger Veränderung und beeinflussen sich wechselseitig. So zieht die Veränderung eines Elements innerhalb eines Systems meist auch Veränderungen anderer Elemente innerhalb desselben und in anderen Systemen nach sich“ (OERTER zit. nach FISCHER 1996, 98).
Somit lassen sich veränderte Funktions- bzw. Verhaltensweisen eines
Kindes nie isoliert betrachten. Sie können nur hinreichend verstanden
werden, wenn man die Systeme, in denen sich das Kind befindet,
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ÖKOLOGIE DER MENSCHLICHEN ENTWICKLUNG 66
berücksichtigt. Ebenso muss das eigene Erleben des Kindes hinterfragt
werden, da die subjektive Wahrnehmung eine große Rolle spielt.
Zusammengefasst bedeutet dieser Ansatz in der Praxis für uns, dass wir
zu einer bestimmten Zeit nur in einem System wirksam sein können, wir
können jedoch davon ausgehen, dass erlebnispädagogische Aktionen
Auswirkungen auf andere Systeme enthalten. Dieser Ansatz schafft einen
Rahmen, klärt jedoch nicht über welche Mittel der einzelne Mensch verfügt,
um Entwicklung von sich selbst aus zu beeinflussen.
Der Aufbau von sozialen Kompetenzen, von einem Selbstbild, das die
Kinder z.B. für die Entwicklung innerhalb ihrer Dyaden und ihrer
Lebensbereiche benötigen, sind von einem Gewahrwerden eines
Selbstsystems nicht zu trennen. Unter diesem Selbstsystem verstehen wir
Elemente der Persönlichkeitsentwicklung, die im folgenden Kapitel näher
erläutert werden sollen.
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PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG 67
6. PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG
„Manchmal fühle ich mich etwas - wie soll ich sagen - vernachlässigt (!), weil meine Eltern mich nicht so erziehen, wie meine Geschwister. Ich finde das dann ganz albern. Wieso? Wir sind doch auch nur Menschen, wir haben nur etwas anderes als sie. Da brauchen wir doch nicht gleich gesagt zu bekommen: `Ja, die Heidi ist aber doch so lieb‘, und dabei habe ich selber was angestellt. Und `ich bin doch das Engelchen‘. Bin ich gar nicht und ich will auch kein Engelchen sein. Ich will ein normales Kind sein, das auch einmal seine Schimpfe kriegt - und nicht nur immer dagesessen und gestreichelt und gesagt: `Ja, das ist aber ein liebes Kind und wie fein das ist.‘ Finde ich blöd, finde ich albern“ (LEYENDECKER 1986, 313f).
Dieses Zitat wirft viele Fragen auf: Warum hat dieses körperbehinderte
Mädchen das Gefühl von seinen Eltern anders erzogen zu werden?
Welche Möglichkeiten besitzt dieses Mädchen, um mit diesem Gefühl
umzugehen? Welche Möglichkeiten hätten wir als Pädagogen, um dieses
Mädchen angemessen begleiten zu können? Diese Fragen beziehen sich
auf die Persönlichkeitsentwicklung, auf das Selbstsystem, welches in
diesem Kapitel unter Einbezug verschiedener Theorieansätze geklärt
werden soll.
Die folgenden Ausführungen, von denen einige speziell auf körper-
behinderte Menschen bezogen sind, geben lediglich mögliche Wirkfaktoren
an, mit denen gerechnet werden kann. Deren Auftreten wird in der
pädagogischen Praxis jedoch nicht generell erwartet. Es soll deutlich
gemacht werden, dass Behinderte häufig nicht in ihrer Ganzheit betrachtet,
sondern auf Grund von Stigmatisierungen auf besondere Merkmale
reduziert werden.
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PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG 68
Da die Persönlichkeitsentwicklung zu unserem zentralen Ziel in der
Erlebnispädagogik (siehe hierzu auch Kapitel 2.2.2) gehört, soll dieser
Begriff in diesem Kapitel geklärt werden. Dazu werden wir auf die
einzelnen Begrifflichkeiten wie Persönlichkeit, Identität, Selbst und Selbst-
konzept eingehen. Das dieser Arbeit zugrunde liegende Verständnis von
Entwicklung wurde im vorherigen Kapitel geklärt. Hinzuzufügen ist, dass
die Theorien lediglich ansatzweise vorgestellt werden und der
Schwerpunkt auf dem Bezug zu unserem Projekt liegt.
6.1. PERSÖNLICHKEIT
PEKRUN formuliert folgende, allgemein gehaltene Definition bzw.
Kennzeichnung von Persönlichkeit:
„Als Persönlichkeit eines Menschen ist die Gesamtheit derjenigen Merkmale dieses Menschen zu bezeichnen, die a) (mindestens relativ) zeitstabil sind und b) ihn von anderen Menschen unterscheiden können“ (PEKRUN zit. nach FISCHER 1996).
ERIK ERIKSONS psychosoziale Herleitung geht von einer körperbezogenen
Sichtweise der kindlichen Entwicklung aus, welche die subjektiv-
emotionale Erlebnisqualität des Handelns betont. Er „[ ...] beschreibt die
menschliche Entwicklung als Persönlichkeitsentwicklung mit dem Ziel der
Bildung der eigenen Identität“ (FISCHER 1996, 80), wobei er ähnlich wie
URIE BRONFENBRENNER, soziale Bezugspersonen und Systeme mit
einschließt. Somit besteht für die Persönlichkeitsentwicklung ein
Zusammenhang zwischen Kind und Umwelt (vgl. ebd.).
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PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG 69
6.2. IDENTITÄT
Persönlichkeit konstituiert sich in der Interaktion des Individuums mit der
sozialen und materiellen Umwelt. „Der Niederschlag der Person-Umwelt-
Interaktion wird als Identität bezeichnet“ (FISCHER 1996, 94). Interaktion
wird an dieser Stelle als eine sich wechselseitig beeinflussende
zwischenmenschliche Beziehung verstanden.
Da die Verwendung des Begriffs Identität in der theoretischen Diskussion
sehr unterschiedlich ist, geht es im folgenden Abschnitt um eine
Begriffsklärung. Bei ERIK ERIKSON bekam der Begriff Identität erstmals eine
systematische Prägung. Er sieht Identität als Produkt bewältigter
Entwicklungsaufgaben: „Die psychosozialen Krisen beschreiben die
Bedeutungen für eine Identitätsentwicklung, an deren Ende die Integrität
im Erwachsenenalter steht“ (FISCHER 1996, 85). Unter psychosozialen
Krisen können auch Situationen gemeint sein, die während
erlebnispädagogischer Projekte entstehen können. Die Auseinander-
setzung mit sich Selbst oder mit anderen Personen, die z.B. bei
Kooperationsspielen hervorgerufen wird, lässt häufig neue Sichtweisen
entstehen, die zuvor nicht wahrgenommen wurden. Im Sinne von ERIK
ERIKSON tragen diese „Krisen“ zur Persönlichkeitsentwicklung bei.
ROLF OERTER erweitert aus psychologischer und soziologischer Sicht den
Bedeutungskern der Identität um die Definition „[ ...] einer Person als
einmalig und unverwechselbar durch die soziale Umgebung wie durch das
Individuum selbst“ (ebd., 85) heraus, in dem er sich u.a. auf GOFFMAN
bezieht. Es sind also mindestens zwei Komponenten von Identität
auszumachen, eine persönliche und eine soziale. „Die Person, für die man
sich hält und die Person, für die Andere einen halten“ (ebd.).
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PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG 70
OERTER bezeichnet die persönliche Identität als
„ [...] roten Faden, der sich durch den Strom der Ereignisse hindurchzieht und zugleich der gleichbleibende (eben identische) Brennpunkt, den sich das Individuum als Selbst konstruiert“ (OERTER 1995, 347).
Eine wichtige Voraussetzung zur Aufrechterhaltung der personalen
Identität besteht darin, dass „die körperliche Schädigung, einen
angemessenen, aber untergeordneten Stellenwert“ einnehmen sollte,
(LEYENDECKER 1992, 56).
Die soziale Identität entsteht laut ROLF OERTER aus dem Bild, das sich
andere von einem selbst machen. Die soziale Identität enthält zum einen
die öffentliche Wirkung eines Individuums auf andere und zum anderen die
subjektive Seite, die durch die internalisierten Erwartungen anderer
Personen entsteht (vgl. OERTER 1995, 347).
Fasst man die Beziehung von persönlicher und sozialer Identität
zusammen, kommt man zu dem Ergebnis, dass der Mensch zu einem
Gleichgewicht zwischen diesen beiden Elementen gelangen sollte (vgl.
LEYENDECKER 1986, 313). Nach CHRISTOPH LEYENDECKER tritt in
Interaktionssituationen von behinderten und nicht behinderten Menschen
häufig die körperliche Abweichung in den Vordergrund: „Der
Körperbehinderte wird vorwiegend über seinen Defekt hin definiert und
nicht über die Individualität seiner Person“, so dass eine
Fremdbestimmung der Identität entsteht (ebd.). Die soziale Identität
bekommt mehr und mehr Einfluss auf den Menschen, das Gleichgewicht
zur persönlichen Identität ist gestört. Um solche Prozesse zu vermeiden ist
es entscheidend, dass die persönliche Identität gestärkt, und der Mensch
vor derartigen Fremdeinflüssen geschützt ist. Es geht um den Aufbau einer
positiven und entwicklungsfähigen Identität. Kindern sollte ermöglicht
werden, sich über einen bestimmten Zeitraum als ein und dieselbe Person
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PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG 71
zu erfahren und zu erleben, so dass die Umwelt die Person so behandelt
und sieht, wie es ihr entspricht (vgl. FÜRST 1992, 239).
6.3. SELBST
Der Begriff des Selbst wird in Anlehnung an CARL R. ROGERS umschrieben,
da er sowohl humanistisch als auch phänomenologisch ist. CARL R. Rogers
und andere humanistische Vertreter „[ ...] betonen den Bezugsrahmen des
Individuums, die subjektive Wirklichkeitsauffassung einer Person, nicht die
objektive oder Beobachterperspektive“ (ZIMBARDO 1996, 538).
Nach CARL R. ROGERS ist unter dem Selbst „[ ...] ein organisiertes
Wahrnehmungsmuster zu verstehen, das die Teile des Wahrnehmungs-
feldes enthält, die vom Individuum als „selbst“, „mein“ oder „ich“ bezeichnet
werden“ (PERVIN 1993, 198). Da jedoch der Begriff des Selbst ein sehr
komplexer ist, wird auf diesen nun nicht näher eingegangen, da weitere
Ausführungen den Rahmen dieser Arbeit sprengen würden. So seien nun
wesentliche Elemente von CARL R. ROGERS Ansatz herauszustellen und
diese in den Kontext der Erlebnispädagogik einzubetten.
Das Konzept des Selbst wird durch eine zeitliche und eine situative
Konstanz bestimmt. Wie sich eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt
in einer bestimmten Situation wahrnimmt, hängt davon ab, wie sie sich zu
einem anderen Zeitpunkt in einer anderen Situation wahrgenommen hat
(vgl. PERVIN 1993, 241). Erlebnispädagogische Einheiten können die
Fähigkeiten der eigenen Wahrnehmung unterstützen und anregen und so
zur Bestimmung des eigenen Selbst beitragen.
Die Ausbildung des Selbst bzw. des Selbstbildes ist entscheidend für die
Entwicklung. Kinder haben bereits Vorstellungen von ihrem eigenen
Körper, ihrer Einbettung in die soziale Umwelt (vgl. FISSENI 1984, 146).
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PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG 72
Das daraus entstandene Selbstbild steuert den Prozess der
Selbstverwirklichung.
„Im Erleben der Person wirkt sich orientierend aus die jedem Menschen angeborene Tendenz zur Selbstverwirklichung: eine Tendenz, alle Fertigkeiten und Fähigkeiten so einzusetzen, daß der Organismus erhalten bleibt und sich weiterentwickelt. Selbstverwirklichung ist das zentrale Motiv jedes Menschen. Sie bezieht sich auf biologische Bedürfnisse, die befriedigt werden müssen, auf körperliche und soziale Fähigkeiten, vor allem aber auf die Entwicklung von Selbständigkeit, Selbstbestimmung, Selbstachtung“ (FISSENI 1984, 145).
CHRISTOPH LEYENDECKER spricht ein Problem an, das körperbehinderte
Menschen in der Beziehung zu ihrem Körper haben können, und das der
Tendenz zur Selbstverwirklichung im Wege stehen könnte: „Ein Körper,
der einem nicht so unmittelbar und problemlos zum Lebensvollzug
gegeben ist, sondern der den Bedürfnissen des Selbst entgegensteht und
einen im Dasein behindert“ (LEYENDECKER 1986, 312).
GÜNTER AMESBERGER bezieht den Personenzentrierten Gruppenansatz von
CARL R. ROGERS auf erlebnispädagogische Projekte. Er führt eine neue
Beziehung - von Person zu Person - zwischen Therapeut und Klient ein
(vgl. AMESBERGER 1999, 48). Wichtig für diese Beziehung zwischen
Therapeut und Klient, in unserem Fall zwischen Leiter und Schüler ist der
Kontakt im ´Hier und Jetzt´ (vgl. ebd.). Eine weitere Basis stellt die
Kommunikation mit der Gruppe dar. Der Leiter muss sich angemessen
verhalten, um so individuelle Räume zu schaffen, die Selbständigkeit und
Selbstverwirklichung der Gruppe anbahnen können. An dieser Stelle
werden die wichtigsten Merkmale dieses Ansatzes erläutert, die einen
unmittelbaren Einfluss auf unser Projekt haben. Folgende Einstellungen
und damit verbundene Verhaltensweisen des Leiters können Einfluss auf
die Beziehung zwischen Leiter und Schüler haben und somit auf die
Selbstverwirklichungstendenzen des Schülers haben.
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PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG 73
Empathie: Fähigkeit, sich in die Teilnehmer und deren Bedürfnisse
einzufühlen.
Emotionale Wärme und Wertschätzung
Echtheits-Kongruenz: ehrliches, tatsächliches Verhalten des Leiters
Nicht-dirigierende Aktivität des Leiters
Verschwindet der autoritäre Druck des Leiters, kann dies zu einer offenen
Haltung der Schüler ihrer eigenen Erfahrungen und Wahrnehmungen
gegenüber führen, wodurch mehr Vertrauen in das eigene Selbst
entstehen kann.
6.4. SELBSTKONZEPT
Das Konzept des Selbst entsteht aus dem Erleben und der Interaktion mit
anderen Menschen, wobei Ausgrenzungstendenzen, die sich durch diese
Interaktionen ergeben können, erheblichen Einfluss auf das Selbstkonzept
haben. Nach HARRY BEERGEST wird das Selbstkonzept „[ ...] durch die
Dynamik des Umgangs mit und der Beziehung zu den Phänomenen der
Behinderung gebildet“ (BEERGEST 1999, 224). Da das Selbstkonzept
zugleich durch das Verhalten des Menschen bestimmt ist, wird
verständlich,
„[ ...] daß manche Behinderte in der ihnen angetragenen sozialen Identität restlos aufgehen und sich konformistisch an diese sozialen Rollenerwartungen anpassen - unter weitgehendem Verzicht auf persönliche Identität. Andere gehen, weil sie sich durch die sozialen Rollenerwartungen aus vielen Lebensbereichen ausgeschlossen sehen, den Weg des Außenseiters, der seine Identität ausschließlich individuell zu definieren sucht, sich abkapselt oder auch alle sozialen Verhaltenserwartungen außer Acht läßt und gegen eben diese sozialen Normen kämpft“ (LEYENDECKER 1986, 314).
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PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG 74
Hier wird erneut das Ungleichgewicht zwischen persönlicher und sozialer
Identität und die möglichen Reaktionen darauf gezeigt.
Nach CHRISTOPH LEYENDECKER stellt das Körperbild ein basales
Erfahrungsbild dar, „auf dem das Selbstkonzept aufbaut“ (LEYENDECKER
1986, 309). Dieses Körperbild umfasst das unmittelbar erkannte, erlebte
und bewertete Bild des eigenen Körpers. Nur über das Kennen seines
eigenen gesamten Leibes, welches das Körperbild enthält, seiner
Möglichkeiten und Grenzen, erhält der Mensch eine Grundlage, um sich in
seiner Lebenswelt orientieren zu können. Unterstützend bilden die
körperlichen Erfahrungen das Fundament für die Persönlichkeits-
entwicklung (vgl. LEYENDECKER 1985, 3). Die Beziehung zu den Eltern, die
sich durch intensiven Körperkontakt ausdrückt, ist für den Aufbau des
Körperbildes besonders wichtig. CHRISTOPH LEYENDECKER nimmt nun
Bezug auf SEYMOUR EPSTEINS Selbstkonzept und seine Integrale
Persönlichkeitstheorie. Der Ansatz von SEYMOUR EPSTEIN ist in der
kognitiven Psychologie anzusiedeln. Das bedeutet, diese Theorie geht
davon aus, dass Menschen ihr Wissen in organisierter, strukturierter Form
abspeichern.
SEYMOUR EPSTEIN versteht unter dem Selbst „[ ...] ein dynamisches System,
das sich aufgrund von Erfahrungen wandelt“ (FISSENI 1984, 255). Der
Mensch bildet eine Theorie über sich selbst aus. Daher stammt auch der
Begriff der Selbsttheorie, der im Zusammenhang mit SEYMOUR EPSTEIN
verwendet wird. Diese Theorie hat das Ziel, dem Individuum eine optimale
Lust-Unlust-Balance zu ermöglichen, eine positive Selbstwertschätzung zu
sichern und eine Assimilation aller selbstbezogenen Erfahrungsdaten zu
gewährleisten.
SEYMOUR EPSTEIN versteht unter Selbstkonzept, einen „hierarchischen
Aufbau von Postulaten unterschiedlicher Ordnung“ (vgl. LEYENDECKER
1986). Das bedeutet, es gibt einige wenige starke Postulate höchster
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PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG 75
Ordnung wie z. B. „Ich bin ein Verlierer“. Wie auch eine große Anzahl von
vergleichsweise leicht veränderbaren Postulaten niedriger Ordnung wie
z.B. „Ich bin schlecht im Schulsport“. Diese Postulate werden aufgrund
emotional bedeutsamer Erfahrungen und Erlebnisse gebildet, die der
Mensch im Laufe seines Lebens macht (vgl. KAMPMEIER 1999, 250).
Die Postulate niedrigerer Ordnung sind als ein leicht veränderbares
System zu verstehen. Die Postulate höherer Ordnung hingegen sind relativ
starr. Es benötigt Zeit und intensive ´Arbeit´ dieser Postulate an sich selbst
zu verändern. Das Selbstkonzept stellt ein Postulat höchster Ordnung dar,
wodurch es schwer zu verändert ist.
Die Aufgabe von Erlebnispädagogen ist es, Denkprozesse bei den
Menschen anzustoßen, die bei den niedrigeren Postulaten ansetzen, um
so eine Veränderung im positiven Sinne der Selbstkonzepte, begleiten zu
dürfen. Zugleich fordert CHRISTOPH LEYENDECKER, „[ ...] daß die körperliche
Behinderung - das „Stigma“ - nicht an oberster Stelle stehen darf“
(LEYENDECKER 1992, 56).
So betont SEYMOUR EPSTEIN die Bedeutung positiver emotionaler
Erfahrungen besonders in der Kindheit. „Die Sinnsuche von Kindern
unterliegt im großen Maße einer emotionalen Bedeutungszuweisung über
Erfahrungen und Erlebnisse“ (FISCHER 1996, 93).
Der Pädagoge muss sich einer Sache bewusst sein: Ein beschädigter
Körper hat per se kein beschädigtes Selbst zur Folge! (vgl. LEYENDECKER
1985). Ausgehend von diesem Postulat lassen sich für das Selbstkonzept
folgende bedeutsame Aspekte für unsere pädagogische Arbeit im Projekt
konstatieren:
Das Selbstkonzept entsteht:
1. aus dem Erleben der Schüler.
2. aus der Interaktion mit anderen Menschen, konkret mit den
Mitschülern und den professionell Tätigen.
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PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG 76
3. und basiert auf dem Körperbild. Dieses erfährt seine Erweiterung
durch Erlebnisse und Erfahrungen des Leibes.
4. durch positive emotionale Erfahrungen, die ermöglicht werden
müssen.
An das bisher gesagte anknüpfend soll nun im Sinne der Systemeinteilung
nach URIE BRONFENBRENNER, der Einfluss der sozialen Umwelt auf die
Persönlichkeitsentwicklung von Kindern dargestellt werden, da eine
ökosystemische Betrachtungsweise die Wechselwirkungen zwischen den
unmittelbaren Lebensbereichen und den gesellschaftlichen Bedingungen
bzw. der sozialen Umwelt deutlich macht.
6.5. SOZIALE ERFAHRUNGEN
Die Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen kann nicht ohne die
Beziehung zur Umwelt beschrieben werden, da sie wie bereits im Sinne
von URIE BRONFENBRENNER immer als Persönlichkeitsentwicklung im
Kontext betrachtet werden muss. In diesen Kontext fließt die soziale
Umwelt mit ein. Diese gliedert sich in die nahe soziale Umwelt, das
Mikrosystem und in die weite soziale Umwelt, das Makrosystem. Das
Meso- und Exosystem wird an dieser Stelle nicht berücksichtigt, da wir
speziell auf die Persönlichkeitsentwicklung eingehen und insbesondere
das Bezugssystem der Familie und gesellschaftliche Bedingungen
fokussieren wollen.
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PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG 77
6.5.1. NAHE SOZIALE UMWELT
„Die Ebene der familiären Bedingungen hat unmittelbare Auswirkungen auf
Selbstkonzept, Identität und die daraus folgenden Möglichkeiten des
Sozialverhaltens des körperbehinderten Menschen“ (vgl. BEERGEST 1999,
225). Wir sind der Meinung, dass dieses Zitat kritisch betrachtet werden
muss. Es gibt viele Beispiele von Familien, die mit Gelassenheit und
Zuversicht das Beste aus jeder Situation machen und damit glücklich leben
(vgl. RIEHL 1999, 274). Wiederum gibt es aber auch Studien in denen die
Problematik thematisiert wird, die mit der Geburt eines behinderten Kindes
zusammenhängen. Zum Beispiel kann die körperliche Andersartigkeit
eines Kindes die Eltern verunsichern, denn „[ ...] generell brauchen die
Eltern zur Anpassung an das durch ein behindertes Kind veränderte
Familienleben einen umfassenderen Lernprozess“ (vgl. FRÖHLICH 1989,
190). Diese Tatsache kann verschiedene Gründe haben. Die Eltern sind in
Bezug auf das Kind meist unsicher, da die Erfahrung im Umgang mit
einem körperbehinderten Menschen ungewohnt ist, es fehlt oft an
Erfahrungen aus der eigenen Kindheit, aus dem Verwandten- oder
Bekanntenkreis. Hinzu kommt die Tatsache, dass die meisten Eltern nicht
damit rechnen, ein behindertes Kind zu bekommen. Es kommt zu einer
„Organisation von Behinderung“, die sofort nach der ersten medizinischen
Diagnose beginnt (vgl. BEERGEST 1999, 226). Der Umgang mit dem
Fachpersonal wie Ärzten und Therapeuten ist für die Eltern ungewohnt, da
sie oft mit der Konfrontation von Diagnosen, Therapien und Empfehlungen
überfordert werden.
„Der Körper und seine Schädigung stehen zunächst im Mittelpunkt der elterlichen Betrachtung. Oft erzeugen der andersartige Körper und seine andersartigen Bewegungen Ekel und Ablehnung“ (JANSEN zit. nach KAMPMEIER 1999, 247).
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PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG 78
Die Interaktion zwischen Eltern und Kind ist also zunächst erschwert und
wirkt sich dementsprechend auch maßgeblich auf die Persönlichkeits-
entwicklung des Kindes aus. An diesem Punkt spielt die Leiblichkeit (siehe
hierzu Kapitel 4 .) erneut eine große Rolle. Gefühle wie Ekel und Abscheu
können erst dadurch entstehen, dass der „unvollkommene“ oder „gestörte“
Körper in den Vordergrund gerückt wird. Dieser Prozess kann mit dem der
Stigmatisierung - der in Kapitel 6.5.2 weiter ausgeführt wird - verglichen
werden. Anders gesagt: die Einheit von Körper und Geist des Kindes wird
anfänglich nicht als solche gesehen, andere Fähigkeiten des Kindes
rücken in den Hintergrund.
Auch von den sogenannten Fachleuten wie Ärzten oder Therapeuten wird
„[ ...] der Körper mit seinen Besonderheiten, die häufig als „Abnormitäten“
und „Defizite“ bewertet werden, in den Mittelpunkt der Interaktion gerückt“
(KAMPMEIER 1999, 248). Es kann sogar soweit gehen, dass die Entwicklung
eigener, behinderungsangemessener Verhaltensweisen oftmals gar nicht
bemerkt, übergangen oder sogar abgelehnt werden (vgl. JANSEN u.a. 1983,
31). Das Kind als Mensch mit seinem ganzen Leib wird reduziert auf seine
Behinderung.
Des Weiteren werden körperbehinderte Kinder in ihrer sozialen Umwelt mit
vielen Sonderwelten konfrontiert: Sonderschulen, Sonderbusse, Sonder-
veranstaltungen, Sonderstühle, Sondertoiletten, Sonderein- und Sonder-
ausgänge, Sonderaufzüge. Daraus folgt, dass Kinder und Jugend-liche mit
Behinderungen bedingt durch diesen Kontext in eine fremd-bestimmte
Abhängigkeit gedrängt werden können. Diesen beschriebenen
Zusammenhang hat SELIGMANN mit dem Begriff der „erlernten Hilflosigkeit“
beschrieben.
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PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG 79
6.5.2. WEITE SOZIALE UMWELT
Nach MEYER-DRAWE begegnet uns mit dem Behinderten ein Mitmensch,
der uns anders erscheint und fremd ist. Diese Fremdartigkeit lässt sich
darauf zurückführen, „[ ...] daß in unserer Gesellschaft Behinderte mitunter
isoliert und versteckt werden, daß wir sie kaum zu Gesicht bekommen“,
(MEYER-DRAWE 1999) oft begegnen sie uns nur in Gruppen.
Bei der Arbeit in einer Wohngruppe für geistig behinderte Erwachsene ist
es mir [S.P.] schon häufiger passiert, dass fremde Menschen ihre
Bewunderung zum Ausdruck bringen ´so etwas zu machen. Bei
Spaziergängen mit Nichtbehinderten spricht niemand darüber. Die Frage
stellt sich, warum Behinderte isoliert werden und ob es bestimmte Gründe
für die Verhaltensweisen der Gesellschaft mit Behinderten gibt. Auf dieser
Betrachtungsebene sollen gesellschaftliche Bedingungen isoliert werden.
Menschen sind dem Einfluss der Gesellschaft, ihrer Werte und Normen
ausgesetzt. In unserer heutigen Gesellschaft spielen ästhetische Normen
und hohe Leistungsorientierungen eine große Rolle. „Die Normen spiegeln
das dahinterstehende Menschenbild wider, das des leistungsfähigen,
autonomen, gesunden und schönen Menschen“ (KAMPMEIER 1999, 248).
Werbung und Medien haben einen erheblichen Einfluss auf unsere
Vorstellung, von dem was ´gut´ und ´schön ist. Treffen wir auf Menschen,
die nicht in dieses Raster passen, sind wir ge- bzw. überfordert.
In diesem Zusammenhang soll auf den Begriff der Stigmatisierung
eingegangen werden. GOFFMAN hat den Begriff der Identität auf
soziologischer Ebene thematisiert und weiterentwickelt. Er bezeichnet
unter Stigma „[ ...] ein diskreditierendes Merkmal einer Person, das sich der
Aufmerksamkeit aufdrängt und damit gegen normative Erwartungen
verstößt“ (GOFFMAN zit. nach BERGEEST 1999, 234). Stigmatisierungen
führen laut GOFFMAN zu einer „irreversibel beschädigten Identität“, d.h. die
individuellen Eigenschaften treten hinter den Zuschreibungen zurück,
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PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG 80
wobei GOFFMAN drei Typen von Stigmata unterscheidet (CLOERKES 1997,
147):
1. Physische Deformation (z. B. Körperbehinderung)
2. Charakterfehler (z. B. Sucht, Gefängnishaft)
3. Phylogenetische Stigmata (z. B. Rasse, Religion)
Stigmatisierung, d.h. „das Verhalten aufgrund eines zu eigen gemachten
Stigma“, knüpft bei Erkennungszeichen von Personen an, die sichtbar oder
unsichtbar sein können, z.B. nicht jeder Körperbehinderte sitzt in einem
Rollstuhl (vgl. CLOERKES 1997, 147).
Über die körperliche Abweichung hinaus kommen häufig andere negative
Zuschreibungen hinzu. Es wird z.B. die irrige Ansicht vertreten, ein
körperbehinderter Mensch sei gleichzeitig auch geistig behindert. Es lässt
sich nur erahnen, wie schwierig eine Interaktionssituation verläuft, wenn
derartige Vorstellungen eine Grundlage für die Situation darstellen.
Der Mensch kann Stigmatisierungen auf unterschiedliche Art und Weise
begegnen:
Er kann sie ignorieren.
Er nimmt die an ihn herangetragenen sozialen Rollen an und es
kommt zu einem Ungleichgewicht zwischen persönlichem und
sozialem Selbst.
Er stärkt sein persönliches Selbst, in dem er negativen Bewertungen
entgegentritt, in dem er zeigt, dass seine Persönlichkeit nicht nur
durch eine Andersartigkeit gekennzeichnet ist.
Er muss als handelndes Subjekt im Vordergrund stehen, nicht die
Betreuer, Eltern oder Lehrer.
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PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG 81
Wir gehen davon aus, dass eine Mischform dieser Aspekte am ehesten der
Realität entspricht.
6.6. ZUSAMMENFASSUNG
In diesem Kapitel wurde die Persönlichkeitsentwicklung von
körperbehinderten Kindern dargestellt bzw. eine Sichtweise, wie sie
erfolgen könnte. Deutlich wird, wie hoch der Einfluss der sozialen und
gesellschaftlichen Umwelt auf die Persönlichkeitsentwicklung sein kann.
Die Akzeptanz von außen, aber gerade auch die Stärke von innen, wird als
positives Element herausgearbeitet.
„Die Stärkung der Handlungskompetenz behinderter Menschen gehört zu den allerwichtigsten Rahmenbedingungen für einen Abbau negativer Einstellungstendenzen und Handlungstendenzen.“ (CLOERKES 1997, 128)
Nach LECHNER hängt die Vorstellung darüber, „[ ...] was eine Persönlichkeit
ist, was sie sein soll oder werden kann, [...] aufs engste zusammen mit
anthropologischen Grundannahmen“ (LECHNER, 1999, 120). Wir versuchen
den Menschen in seiner gesamten Leiblichkeit wahrzunehmen. Folglich ist
der Mensch in seinem ´Personsein´ als ganzer Mensch zu erfassen. Jeder
Mensch hat sein eigenes Selbst, er muss lernen, sich immer wieder darauf
zu besinnen, um so vor äußeren Einflüssen geschützt zu sein.
Auf unser Projekt bezogen können folgende Ansatzpunkte für die
erlebnispädagogische Arbeit herausgestellt werden:
• Die Stärkung des Selbstbewusstseins.
• Die Erfahrung eigener Stärken und Schwächen.
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PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG 82
• Den eigenen Körper zu spüren und besser kennenzulernen.
• Vertrauen in sich und andere zu gewinnen.
• Akzeptanz zu erfahren und zu entwickeln.
Da die Persönlichkeitsentwicklung zu unserem zentralen Ziel für das
Projekt gehört, soll versucht werden, diese Ansatzpunkte in unserem
Projekt anzubahnen.
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 83
7. UNSER PROJEKT
»METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT«
»Metaphern im Sportunterricht« - So lautet der Name unseres Projektes,
dessen konzeptionelle Züge in den vorangegangenen Kapiteln beschrie-
ben worden sind. In diesem Kapitel möchten wir die praktische
Durchführung beleuchten, die zur Überprüfung unserer Hypothese dienen
soll. Zunächst soll das Projekt kurz beschrieben werden, um die
Grundlagen der Projektrealisierung darzulegen. Anschließend wird unsere
methodische Vorgehensweise dargestellt, um weiterführend auf die
Beobachtungen und Beurteilungen der einzelnen Einheiten einzugehen.
7.1. PROJEKTBESCHREIBUNG
Unser Projektkonzept, das sich aus unserer Hypothese entwickelte, besitzt
eine grundlegend offene Konzeption. Es ist flexibel auf verschiedene
Rahmenbedingungen ausgerichtet. In unserem speziellen Fall fand das
Projekt in der Rheinischen Schule für Körperbehinderte in St. Augustin
statt. Aufgrund der offenen und engagierten Hilfe einer uns bekannten
Lehrerin konnte der Kontakt zu einem interessierten Lehrer, den wir im
Rahmen unserer Arbeit ´Herr Müller´ nennen, geknüpft werden. Da das
Projekt im Rahmen der Bewegungserziehung stattfand, und von uns das
„Metaphorische Modell“ eingesetzt wurde, gaben wir dem Projekt den
Namen »Metaphern im Sportunterricht«.
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 84
Zeitlich verlief unser Projekt zwischen den Sommer- und den Herbstferien
2000. Es umfasste insgesamt von Doppelstunden, die jeweils Donnerstags
(24.08.; 31.08.; 07.09.; 21.09.; 28.09. 2000) von 8.00 – 10.00 Uhr angesetzt
waren. In diesem Zeitraum war die Umkleidezeit mit eingerechnet,
wodurch jede Einheit etwa einer Zeitstunde entsprach.
An dem Projekt waren insgesamt zweiunddreißig Schüler beteiligt. Diese
Gruppe setzte sich aus drei Klassen der vierten Jahrgangsstufe
zusammen. Es handelte sich hierbei um eine sehr heterogene Gruppe.
Einige Schüler mussten innerhalb der einzelnen Einheiten aufgrund von
Therapiesitzungen die Turnhalle verlassen, so dass die Gruppe nicht
während der gesamten Zeit komplett war. Zudem waren sieben
Erwachsene an dem Geschehen beteiligt. Diese Gruppe setzte sich aus
drei Sonderpädagogen, zwei Zivildienstleistenden, einer Krankenschwester
und einer Ergotherapeutin zusammen.
Alle Aktivitäten wurden in der Turnhalle der KB-Schule durchgeführt. Wir
konnten die gesamte Turnhalle für jede Einheit nutzen. Da sie ausreichend
Platz bot und großzügig ausgestattet war, fiel unser Handlungsspielraum
relativ groß aus. Zudem konnte sie durch eine Trennwand geteilt werden,
so dass Aktionen, zu denen wir die Schüler in zwei Gruppen einteilten,
unabhängig voneinander durchgeführt werden konnten.
Die angeführten Bedingungen wurden nicht für unser Projekt geändert. Sie
bestanden vorher und bestehen weiterhin.
In der ersten Stunde nahmen wir als nichtleitende Erwachsene teil. Obwohl
diese Stunde in unseren weiteren Ausführungen nicht weiter berücksichtigt
wird, ordnen wir ihr eine große Bedeutung zu. Zum einen nutzten wir diese
Stunde, um uns einen Überblick über die gegebenen Bedingungen zu
verschaffen und uns ein Bild von der Gruppe und den einzelnen Schülern
zu machen. Zum anderen betrachten wir diese Stunde als wertvoll, da wir,
nicht wie in unserer üblichen erlebnispädagogischen Arbeit einen
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 85
außerschulischen Ort besuchten, sondern in dem Schulalltag der Schüler
agierten. Es erschien uns daher wichtig für die Schüler bekannt zu sein.
Die folgenden vier Doppelstunden wurden von uns in der leitenden Rolle
durchgeführt. Die Planung und Durchführungen dieser Arbeit wurde uns
von Herrn Müller ganz und gar übertragen. Vor jeder Einheit fand von uns
ausgehend eine kurze Absprache mit ihm statt, da er innerhalb dieser
Sportstunden als verantwortliche Person agierte. Die Zusammenarbeit mit
dem Team hat die Realisierung entscheidend beeinflusst. Die Team-
mitglieder gehörten den verschiedensten Berufsspaten an, die an einer
KB-Schule ausgeübt werden. Folglich konnte jedem ein bestimmter
Kompetenzbereich zugeordnet werden, der respektiert werden musste.
Damit war auch verbunden, Verantwortung abzugeben. Da innerhalb der
Einheiten die Sichtweisen der einzelnen Personen eingeflossen sind,
empfanden wir die Arbeit mit dem vielschichtigen Team als sehr fruchtbar.
Jedes Mitglied hat eigenverantwortlich Beiträge geleistet, auf die immer
flexibel reagiert werden konnte.
Inhaltlich wurden die Stunden von uns in erster Linie mit
erlebnispädagogischen Spielen gefüllt, die wir aufgrund der zeitlichen
Bedingungen und des Alters der Kinder für angemessen empfanden. Da
wir sie in anderen Zusammenhängen bereits angeleitet hatten, waren sie
uns bekannt. Sie wurden von uns zum Teil modifiziert. Im besonderen
wurde dabei auf den Sicherheitsaspekt und auf die Möglichkeiten der
Durchführung geachtet. Bei einigen Kindern galt es den unterschiedlichen
Muskeltonus, dem in verschiedenen Aktionen eine besondere Bedeutung
zukommt, zu berücksichtigen. Es wurden verschiedene Hilfsmittel zur
Verfügung gestellt, die allen Schülern eine Teilnahme ermöglichte und
ihnen zugleich das Gefühl der Sicherheit geben sollte. Da sowohl ´Läufer´
als auch ´Rollstuhlfahrer´ in Aktion getreten sind, konnte der Rollstuhl zu
einem erhöhten Verletzungsrisiko beitragen. Auch hier griffen wir auf
unterschiedliche Hilfsmittel zurück, um diese Gefahr so gering wie möglich
zu halten.
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 86
Die Heterogenität der Gruppe kam uns für die Arbeit mit dem
„Metaphorischen Modell“ (siehe hierzu Kapitel 3.3.1.) sehr entgegen. Da ein
Abbild der Alltagswelt der Schüler in diesen Stunden vorhanden war,
haben wir versucht, Metaphern zu finden, die eine Isomorphie zur
Lebenswelt der Schüler aufwiesen. Einige dieser Themen (siehe hierzu
Kapitel 6.5.2.) beschrieben. Innerhalb des in der Stunde existierenden
Mikrokosmoses, konnten die Schüler, die von uns erstellten Bilder
betrachten und mit eigenen Themen füllen. Wir haben ihnen aufgrund
unserer Vorgaben die Möglichkeit gegeben, Empfindungsebenen mit
neuen Handlungsstrategien zu verbinden.
An dieser Stelle soll auf die konkrete Bedeutung des „Metaphorischen
Models“ eingegangen werden: Die konkreten Metaphern bestanden aus
Geschichten. Diesen Entschluss fassten wir, da das Alter der Schüler
unserer Meinung nach für rationale Metaphernbildung zu jung war. Zudem
boten sich die Spiele an in Geschichten eingebettet zu werden.
Entscheidend ist jedoch, das Geschichten, Sagen und Legenden einen
mythischen Charakter haben. Es gibt viele Studien über die emotionale
Wirkung solcher Mythen. Wir konnten davon ausgehen, dass die
Geschichten und die damit verbundenen Metaphern eine große Wirkung
hatten. Da die Geschichten für sich schon Bilder und Symbolcharakter
besaßen, kleideten wir sie für eine Isomorphiebildung noch aus. Die
Wirkung der Metapher ging jedoch über dies hinaus, da durch die, von den
Geschichten hervorgerufenen, Bilder Empfindungsebenen entstanden
sind, die mit der Lebensrealität der einzelnen Schüler vergleichbar waren.
Daher sind wir uns sicher, dass eine Geschichte eine ideale
Metaphernwahl war, um eine individuelle Empfindungsebene der Schüler
anzusprechen, die einen Transfer ermöglichte.
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 87
7.2. BEOBACHTUNGS- UND AUSWERTUNGSMETHODE
In der empirischen Sozialforschung unterscheidet man zwischen einer
quantitativen und einer qualitativen Vorgehensweise. Die quantitative
Sozialforschung zeigt eine naturwissenschaftliche Orientierung. Grundlage
ist die Annahme, dass eine objektive Welt existiert.
Die qualitative Sozialforschung hingegen zeigt eine geisteswissen-
schaftliche Grundorientierung und basiert auf den Grundpositionen der
Phänomenologie. Die Realität wird hier als eine durch die Wahrnehmung
und Interpretation des Individuums geprägte Wirklichkeit, verstanden.
Im Folgenden werden wir nun auf die von PHILIPP MAYRING genannten fünf
Postulate eingehen, die weitestgehend verbindlich für die qualitative
Forschung sind, nämlich die:
„Subjektbezogenheit“, „Deskription“, „Interpretation“, „natürliche und
alltägliche Umgebung“ und den „Verallgemeinerungsprozess“ (MAYRING
1996, 9-14). Seine Postulate sollen nun genauer ausgeführt werden.
1. Postulat: Die Orientierung am Subjekt
Hierbei sollen drei Richtlinien beachtet werden:
§ Die Ganzheit des Subjekts soll berücksichtigt werden.
§ Das Subjekt soll in seiner Gewordenheit gesehen werden, d.h. in
seiner Historizität.
§ Es soll immer an konkreten praktischen Problemen des Subjekts
angesetzt werden, mit dem Blick auf. Problemorientierung.
2. Postulat: Deskription
Nach PHILIPP MAYRING muss am Anfang jeder Analyse eine genaue und
umfassende Beschreibung des Gegenstandsbereiches stehen.
Diese umfassen drei methodische Grundsätze:
§ Die Offenheit dem Gegenstand gegenüber.
§ Die Einzelfallbezogenheit: Es muss am einzelnen Subjekt
angesetzt werden.
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 88
§ Die Kontrolle der eingesetzten methodischen Schritte.
3. Postulat: Die Interpretation
Bei diesem Postulat wird deutlich, dass der Gegenstand der
Untersuchung in den humanistischen Wissenschaften von dem
Betrachter nicht objektiv erfasst werden kann. Vielmehr muss der
Untersuchungsgegenstand durch die subjektiven Wertungen und
Interpretationen erschlossen werden. Das bedeutet, dass das
Vorverständnis über den Forschungsgegenstand erläutert wird, da
vorurteilsfreie Forschung nie möglich ist. Es werden introspektive, d. h.
subjektive Erfahrungen zugelassen, d.h. die Interaktion des Forschers
mit dem Gegenstandsbereich.
4. Postulat: Die natürliche und alltägliche Umgebung
Humanwissenschaftliche Gegenstände müssen immer möglichst in
ihrem natürlichen Umfeld untersucht werden.
5. Postulat: Der Verallgemeinerungsprozess
„Die Verallgemeinbarkeit der Ergebnisse humanwissenschaftlicher Forschung stellt sich nicht automatisch über bestimmte Verfahren her; sie muß im Einzelfall schrittweise begründet werden“ (PHILIPP MAYRING
1996, 12).
Dieses Postulat lässt sich differenzieren in:
§ Die Forderung nach argumentativer Verallgemeinerung.
§ Den Verweis auf die Möglichkeit der Induktion.
§ Die Formulierung eines Regelbegriffs als Ziel der
Verallgemeinerung.
Trotz der Schwerpunktsetzung auf qualitative Merkmale müssen die
Ergebnisse auf mögliche Quantifizierbarkeit geprüft werden.
Diese theoretischen Grundlagen qualitativen Denkens und Forschens
lassen sich in konkrete Untersuchungsmethoden umsetzen, die auf
formaler Ebene einen Untersuchungsplan umfassen.
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 89
Dieser Untersuchungsplan wird nun, ausgerichtet auf unser Projekt, im
weiteren vorgestellt, indem wir die bedeutsamen Aspekte konkretisieren
werden.
Die Hypothese
Die Hypothese die der gesamten Arbeit zugrunde liegt lautet:
Die Körperbehindertenpädagogik wird durch Hinzunehmen von
erlebnispädagogischen Methoden und Zielsetzungen wirksam erweitert.
Die Auswahl der Untersuchungsgruppe
Zu den Rahmenbedingungen des Projektes ist zu sagen, dass in der
Rheinischen Schule für Körperbehinderte in St. Augustin stattfand. Es
wurden drei vierte Klassen ausgewählt, deren Sportunterricht seit einiger
Zeit von den zuständigen Lehrern gemeinsam gestaltet wird.
Der Klassenlehrer Herr Müller zeigte sich von Beginn an sehr interessiert
und stellte uns vier Doppelstunden zur Verfügung. Dies fand im
Einverständnis mit den Lehrern der anderen Klassen statt.
Weitere Informationen zu den Rahmenbedingungen sind unter Kapitel 7.1.
nachzulesen.
Die Auswahl der Methoden
Wir haben die Methode der Feldforschung angewandt. Wichtig ist hierbei,
dass der Gegenstand der Untersuchung in der Feldforschung in seiner
natürlichen Umgebung beobachtet wird. Der Forscher selbst begibt sich
also in diese Umgebung und nimmt an den alltäglichen Situationen der
Untersuchungsobjekte selbst teil (vgl. MAYRING 1996, 39). Für das Projekt
wurde die Schule als alltägliches Umfeld für die Schüler ausgesucht, da
diese für sie ihre natürliche Situation darstellt.
Als Untersuchungsmethode wählten wir die wissenschaftliche
Beobachtung. Zum einen schien sie uns deshalb geeignet zu sein, weil sie
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sich gerade zum Ermitteln von sozialem Verhalten anbietet (vgl. LAMNEK
1989, 244). So können die sozialen Verhaltensweisen oder Veränderungen
gerade zu dem Zeitpunkt erfasst werden, zu dem sie auch tatsächlich
geschehen (vgl. ebd.).
Zum anderen werden bei der Beobachtung „nicht nur visuelle
Wahrnehmungen, sondern auch solche, die auf Hören, Fühlen und
Riechen beruhen, einbezogen“ (ADLER UND ADLER zit. nach FLICK 1999,
152). Des Weiteren wird als Standardmethode der Feldforschung die
teilnehmende Beobachtung gewählt: „Der „teilnehmende“ Beobachter ist
ein Teilnehmer, der das Verhalten verfolgen, begleiten und in seinen
Kontexten nach vorgegebenen Kategorien registrieren kann“, (FRIERICHS
zit. nach MOSER 1998, 53). So wird mit HUSCHKE-RHEIN formuliert „[ ...]
durch die enge Bindung an die „Objekte“ ihrer Beobachtung viele
Beobachtungen leichter zugänglich als einem „distanzierten“ Beobachter“
(HUSCHKE-RHEIN 1993, 31). Bei diesem Vorgang wir die teilnehmende
Beobachtung nicht voll standardisiert. Als qualitative Technik muss sie
offener sein. So haben wir einen Beobachtungsleitfaden entwickelt, der
uns die Aufschlüsselung des Gegenstandes erleichtern sollte. Er wurde
jedoch nicht als starre Vorgabe verstanden. Vielmehr nutzten wir ihn als
Leitfaden und konnten ihn so jederzeit durch neue Aspekte ergänzen. Die
wichtigsten Beobachtungsdimensionen wurden vorab, bedingt durch die
verwendete erlebnispädagogische Theorie, festgelegt und in den
Beobachtungsleitfaden zusammengestellt.
Beobachtungsleitfaden
Die Erweiterung der Körperbehindertenpädagogik, die sie durch
erlebnispädagogische Methoden und Ziele erfahren kann, soll anhand des
zentralen Ziels unserer Erlebnispädagogik, die Persönlichkeitsentwicklung
der Schüler, überprüft werden. Da diese, aufgrund des uns zur Verfügung
stehenden Zeitraumes, nicht beurteilt werden kann, beinhaltet der
Leitfaden als Ergebnis unserer Fokussierung, beobachtbare Elemente, die
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Rückschlüsse auf die Persönlichkeitsentwicklung zulassen. Wir
konzentrieren uns in unserer Beobachtung auf die Veränderung der
Kommunikations- und Gruppenstruktur.
1. Kommunikationsstruktur
Beobachtungskriterien:
Als Kriterium dieses Beobachtungsmomentes gilt die Kommunikation
zwischen
§ den Schülern.
§ den Schülern und den Erwachsenen.
§ den Schülern und den Schwerstbehinderten den Schwerst-
behinderten und den Erwachsenen.
Zum besseren Verständnis unterteilen wir die Kommunikation in verbale
und nonverbale Kommunikation.
Im Bereich der nonverbalen Kommunikation konzentrieren wir uns auf:
§ Mimik
§ Gestik
§ Körperhaltung
Des Weiteren werden diese unterschiedlichen Punkte unter dem Aspekt
der Zeit beobachtet.
2. Gruppenstruktur
Zu den Beobachtungskriterien gehören:
§ Die räumlichen Positionen der einzelnen Schüler.
§ Die Rolle der Schüler während des Geschehens, im speziellen der
Rollstuhlfahrer und der Schwerstbehinderten.
§ Soziale Handlungen wie z.B. die Hilfestellung oder Rücksichtnahme
der Schüler untereinander.
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Angemessenheit der Beobachtungsmethode
Mit Hilfe der folgenden Ansatzpunkte in Anlehnung an UWE FLICK konnte
die Angemessenheit unserer Methode während der Beobachtungsphase,
überprüft werden (vgl. FLICK 1999, 178).
Offenheit für den Verlauf von Handlung und Interaktion durch:
Distanz trotz begleitender Teilnahme
⇒ Unsere Begleiter / Leiterfunktion muss, in jeder Stunde aufs
neue überdacht werden.
Zunächst möglichst offene Beobachtung
⇒ Wir verzichten auf Akteneinsicht, damit wir in unserer
Wahrnehmung möglichst unbefangen sind.
Strukturierung z.B. Vertiefung des Gegenstandes durch:
Einbeziehung von Schlüsselpersonen
⇒ Die Lehrer und die weiteren Fachkräfte erfüllen die Funktion der
Schlüsselpersonen. Es muss darauf geachtet werden, dass die
Einflussnahme durch diese Personen nicht zu hoch ist.
Zunehmende Fokussierung
⇒ Die Vertiefung der Beobachtung darf nicht außer acht gelassen
werden, so haben wir innerhalb von Gesprächen nach den
jeweiligen Stunden das Geschehene fokussiert.
Beitrag zur allgemeinen Entwicklung der Methode der Beobachtung:
Verdeutlichung des Konflikts zwischen der begleitenden Teilnahme
und der distanzierten Beobachtung
⇒ Die Reflexion unser Begleiter- und Leiterrolle war ständig
Bestandteil unseres Projektes.
Anwendungsbereich:
Umgrenzte Felder
⇒ Das Projekt beschränkt sich in erster Linie auf die Turnhalle.
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Institution
⇒ Unser Projekt findet ausschließlich an der Sonderschule für
Körperbehinderte in St. Augustin statt.
Probleme der Durchführung:
Zugangsprobleme
⇒ Die individuellen Bedürfnisse und Vorlieben der Schüler sind uns
nicht genau bekannt.
Überflutung des Beobachters
⇒ Wir können nicht alle Kinder beobachten.
Beobachtungsphasen:
In Anlehnung an SPRADLEY wird die Beobachtung in mehrere Phasen
eingeteilt:
1. „Deskriptive Beobachtung“: Orientierung im Untersuchungsfeld,
Erfassung der Komplexität des Feldes; Entwicklung von konkreteren
Fragestellungen.
2. „Fokussierte Beobachtung“: Verengung der Perspektive auf
relevante Prozesse und Probleme.
3. „Selektive Beobachtung“: Vertiefung des zweiten Schritts.
(vgl. SPRADLEY zit. nach FLICK 1999, 158)
Seine Beobachtungsphasen von SPRADLEY spiegeln sich in dem hier
thematisierten Aufbau bei uns wieder:
Zum ersten Punkt: Die erste Phase des Projekts, die Teilnahme an
einer Sportstunde, eine Woche vor Beginn unseres Projektes, dient
dem ersten Kennenlernen der Gruppe. Hier können wir uns über die
Bedürfnisse und Fähigkeiten der Schüler ein erstes Bild machen.
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Weiterhin folgen Gespräche mit den Lehrern über die Schüler, in
denen erste Fragen zum Feld geklärt werden können.
Zum zweiten Punkt: Beginnend mit der ersten Sportstunde startet
die Phase der „Fokussierten Beobachtung“. Mit Hilfe der Hypothese
wird das Beobachtungsschema immer wieder neu überprüft und
wenn nötig erweitert bzw. verändert.
Zum dritten Punkt: Vertiefung der im vorherigen Punkt
beschriebenen Prozesse während und nach den Sportstunden.
Die Rolle der Beobachter:
„Bei der Teilnahme sind solche Rollen für den Beobachter zu wählen, die
als natürliche im Feld als selbstverständlich anerkannt sind“ (LAMNEK 1989,
270).
Wir haben vier Wochen lang den Sportunterricht gestaltet und in dieser
Zeit die Lehrerfunktion übernommen. Dadurch haben wir zwar für die
Schüler eine neue Situation geschaffen, jedoch in der gewohnten
Umgebung der Turnhalle. Die Rolle des Lehrers ist somit zwar neu besetzt
worden, an der Struktur der Lehrerfunktion, d.h. als Ansprechpartner da zu
sein, hat sich jedoch nichts wesentliches verändert. Die vertrauten Lehrer
usw. waren alle anwesend, agierten allerdings hauptsächlich als
Teilnehmer. Sie werden in unserer Beobachtung als Erwachsene
bezeichnet.
Als Leiter haben wir eine begleitende Funktion, die aber im Sinne der
Beobachtungsform als teilnehmende Rolle verstanden wird.
Schlüsselpersonen
Jede Gemeinschaft ist geprägt durch Schlüsselpersonen, die einen
wichtigen Einfluss auf das Gegenstandsfeld haben (vgl. LAMNEK 1989,
289). Zu unseren Schlüsselpersonen gehören die Lehrer und die weiteren
Fachkräfte aus der Schule. Sie haben es ermöglicht, geplante Aktionen
und deren Realisierung individuell zu gestalten. Wir haben in Kooperation
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und Partizipation gemeinschaftlich zusammengearbeitet. Hierbei ist uns
immer bewusst gewesen, dass die Subjektivität, aller Beteiligten in die
Beobachtungen und Interpretationen einfließen.
Zur Auswertung
Die Beobachtungen haben wir beide getrennt voneinander aufgezeichnet.
Auf Grund der Auffassung, die dieser Arbeit zu Grunde liegt, dass jedes
Subjekt auf seine eigene Art und Weise wahrnimmt, erschien uns diese
Aufteilung als sinnvoll. Die Beobachtungssituationen waren jedoch
identisch, mit Ausnahme der Spiele des ´Spinnennetzes´ und des
´Nachtfalters´ auf die später noch eingegangen wird. Diese Spiele sind von
uns in getrennten Gruppen angleitet worden. In unsere Beobachtungen der
vierten Beobachtungseinheit ist eine Situationen eingeflossen, die sich
nach der Sportstunde ergeben hat.
Die Beobachtungen werden im folgenden Kapitel unter den zwei bereits
genannten Aspekten des Beobachtungsleitfadens dargestellt. Zu Beginn
jeder Einheit werden die Spiele und erlebnispädagogischen Aktionen kurz
beschrieben. Im Anschluss daran werden die Beobachtungen zum
besseren Verständnis tabellarisch dargestellt. Die einzelnen Spalten der
Tabelle, sind den beiden Punkten des Beobachtungsleitfadens zugeordnet,
wobei die Spalte zur Kommunikationsstruktur in verbale und nonverbale
Kommunikationsformen unterteilt ist. Die Tabellen sind in vertikaler
Richtung analog mit dem Fortschreiten der Zeit zu lesen, wobei die
eingerückten Einträge die Funktion haben, zeitgleiche Beobachtungen
darzustellen. Die verwendeten Kürzel werden in der folgenden Legende
erklärt:
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GR à gesamte Gruppe von Schülern
SCH à einige Schüler
ROLLIFAHRER à Rollstuhlfahrer (ausgenommen Schwebs)
SCHWEB à Schwerstmehrfachbehinderte
SCH 1, 2, ... à bestimmte Person der Schüler
LÄU à Schüler, die laufen können
E à erwachsene Personen die keine Leiterfunktion inne hatten
L à Leiter
ROLLI à Rollstuhl
ZITAT à Schülerzitate
{...} à Anmerkung der Beobachter
Es erfolgt zu jeder Stunde eine interpretative Auswertung, die sich auf die
zwei Kriterien und Aspekte des „Metaphorischen Modells“ beziehen. Diese
Auswertungen entsprechen unserer subjektiven Wahrnehmung.
7.3. DURCHFÜHRUNG
BILD 1: geschrieben von einem Schüler zum gesamten Projekt
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Im Folgenden werden die vier von uns durchgeführten Einheiten
beschrieben, deren Titel mit der Thematik der Stunde in Verbindung steht.
In der Auswertung sind Bilder, wie das hier angeführte, enthalten, welche
ca. zwei Wochen nach unserer Durchführung von den Schülern erstellt
wurden. Wir fügen diese Bilder größtenteils ein, ohne sie in unserer
Auswertung zu berücksichtigen, da sie unserer Meinung nach deutlich
genug für sich sprechen.
7.3.1. »DIE REISE ZUM NORDPOL«
Kurzbeschreibung
1. Zu Beginn haben wir uns der Gruppe vorgestellt
2. Begrüßungsspiel (Warming-Up)
3. Gruppeneinteilung: Hierbei wird darauf geachtet, dass die Gruppen
gleichmäßig gebildet werden (Erwachsenen, Läufer und Rollifahrer).
Die folgenden Spiele stehen unter dem Motto: `Die Reise zum Nordpol
4. Fährmann (Kooperation): Mit Hilfe von zwei Matten (Eisschollen),
pro Gruppe, soll die Turnhalle (Eismeer) der Länge nach durchquert
werden. Ziel des Spiels: die gesamte Gruppe muss die andere
Hallenseite erreichen
5. Eisscholle (Kooperation/Körperkontakt): Die Gruppe befindet sich
auf einer weißen Plane (Eisscholle). In einzelnen Schritten wird die
Fläche der Plane durch Falten verkleinert. Die Gruppe muss auf
jeder neu entstandenen Fläche als gesamte Gruppe Platz finden.
6. Mattenwagen (Kooperation/Körperkontakt): Die gesamte Gruppe
muss die Halle (Eismeer), der Breite nach, mit Hilfe eines
Mattenwagens (Eisbrecher mit ausgefallenem Motor) mit Hilfe eines
schlapp hängenden Seiles überqueren.
Hilfsmittel: Kastenoberteil, Lagerungskissen, Springseile.
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7. Abschlussrunde
Beobachtung
Kommunikationsstruktur verbal nonverbal
Gruppenstruktur
- laute hektische Äußerungen der SCH - E werden um Hilfe gebeten - E und SCH finden gemeinsam eine Lösungsstrategie - ROLLIFAHRER wird direkt angesprochen - SCH und ROLLIFAHRER sprechen sich ab ZITAT: „Achtung nicht ins Wasser treten!“ - GR jubelt bei Beendigung - frühe Gruppen feuern spätere Gruppen an
- ruhigeres agieren - zum Ende hin verstärkter Körperausdruck (Hüpfen, Wedeln mit den Armen) - SCHWEB lacht
- einige SCH unbeteiligt - wenige SCH sehr aktiv - oft ein SCH sorgsam für SCHWEB - klare Rollenverteilung innerhalb der Lösungsstrategie - SCH und ROLLIFAHRER stellen fest, das die Matten für die ROLLI zu weich sind: - Wechsel der Matten - ROLLIFAHRER/
SCHWEB wird durch SCH unterstützt
- ROLLIFAHRER braucht mehr Zeit
Kommunikationsstruktur verbal nonverbal
Gruppenstruktur
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- ROLLIFAHRER äußern sich über Platzmangel - ein SCH macht auf ROLLIFAHRER aufmerksam ZITAT: „Uh! Die Scholle schmilzt!“ {L unterbricht, fordert LÄU auf, den Mattenwagen zu verlassen, um die neue Situation zu betrachten} - SCH sagen, dass ROLLIFAHRER verteilt werden müssen
- missmutige Mimik der ROLLIFAHRER / SCHWEB - Lachen der ROLLIFAHRER / SCHWEB - Lachen über intensiven Körperkontakt - ängstliche Mimik bei SCHWEB
- viele LÄU stürmen auf die Plane - ROLLIFAHRER / SCHWEB neben der Plane - ROLLIFAHRER/ SCHWEB betreten zuerst die Plane - LÄU erstürmen den Mattenwagen - ROLLIFAHRER / SCHWEB neben dem Mattenwagen - Neuordnung der Strategie unter Einbeziehung der Rollis - SCHWEB werden von Lehrern betreut, befindet sich ohne oder mit Rolli auf dem Wagen {Hilfsmittel werden nicht eingesetzt}
Kommunikationsstruktur verbal nonverbal
Gruppenstruktur
- unzufriedene
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- ZITAT: „Wir wollen den Nordpol schöner machen!“
Äußerung eines SCHWEB - Jubel, freudiges Strahlen und Applaus
- SCH bringen Mattenwagen ohne Aufforderung zurück - SCH bringen neue Matten zum Nordpol - stellvertretend für die GR hisst ein SCH die Fahne
Auswertung
Kommunikationsstruktur
Die Erwachsenen hatten während der Aktionen nicht mehr die
herkömmliche Rolle des Lehrers, in die das Anleiten der Schüler
eingebettet ist. Der Rollentausch wurde zum Anlass für gemeinsame
Gespräche d.h. die Schüler ergriffen Selbstinitiative, um mit den Lehrern
gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Durch die verbale
Einbindung der Erwachsenen bestand für die Schüler die Möglichkeit eine
andere Position innerhalb der Gespräche übernehmen zu können.
Während der Aufgabenverteilung wurden die Rollstuhlfahrer direkt von den
Schülern angesprochen, Probleme wurden mit ihnen gemeinsam gelöst.
Das Selbstvertrauen aller wurde unterstützt, da jedem Schüler eine klare
Aufgage zugeteilt wurde. Daraus entstand bei den Schülern das Gefühl
akzeptiert zu werden und etwas bewirken zu können. Hektik oder lautes
Schreien gab uns Auskunft über die Gemütszustände der einzelnen
Schüler.
Viele von ihnen konnten durch Äußern ihrer Emotionen verschiedene
Veränderungen hervorrufen. Der missmutige Gesichtsaudruck der
Rollstuhlfahrer bzw. Schwerstbehinderten, sowie das anschließende
Lachen gab ein Feedback an die Gruppe.
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Die Rollstuhlfahrer bzw. Schwerstbehinderten forderten ihr Bedürfnis am
Gruppengeschehen teilnehmen zu wollen nonverbal ein. Einer der Schüler
hat diese Äußerungen aufgenommen und auf die Rollstuhlfahrer bzw.
Schwerstbehinderten aufmerksam gemacht. Die Kommunikation zwischen
Rollstuhlfahrern bzw. Schwerstbehinderten und Schülern wurde bedingt
durch das Spiel angeregt d.h. der Austausch, der als erlebnis-
pädagogisches Ziel angestrebt wurde, hat stattgefunden. Dieser Impuls
ging von den Schülern selbst aus. Die veränderte Situation konnte für die
Schwerstbehinderten als Antwort auf deren nonverbalen Einforderung
gedeutet werden. Der intensive Körperkontakt, der durch das Spiel
entstanden war, führte bei allen Schülern zu einem positiven Gefühl,
welches durch allgemeines Lachen deutlich geworden ist. Diese leibliche
Nähe, die hier bei den Schülern positiv erfahren wurde, diente zum einen
der Selbstwahrnehmung und zum anderen der Fremdwahrnehmung. Sie
konnte für jeden Schüler in ihrer Ganzheit wahrgenommen werden.
Aufgrund der Intervention durch den Leiter haben sich die Schüler mit den
Rollstuhlfahrern untereinander abgesprochen. Es wurde eine neue
Strategie gefunden, die der gesamten Gruppe gerecht wurde. Für die
Schwerstbehinderten wurde von den Schülern ausgehend, Platz auf dem
Mattenwagen eingeplant. Die Erwachsenen wurden von den Schülern
aufgefordert mit den Schwerstbehinderten den Mattenwagen zu betreten.
Das Gefühl der Unzufriedenheit eines Schwertsbehinderten, alleine am
Rand des Nordpols zu stehen, da Andere noch mit der Überquerung
beschäftigt waren, brachte er durch Mimik und verbale Äußerungen zum
Ausdruck. Mit dieser Äußerung veranlasste er bereits angekommene
Schüler zu reagieren und zu handeln.
Zusammenfassung
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 102
Die Schüler waren in der Lage ihr Handeln zu verbalisieren. Die verbale als
auch die nonverbale Kommunikation war zielgerichtet. Es wurde deutlich,
dass sich die Kommunikationsstruktur dahingehend verändert hatte, dass
die Schüler im Verlauf der Stunde in einem immer geringeren Umfang auf
die Erwachsenen zurückgegriffen haben. Aus dem zuvor gesagten können
wir folgende Schlüsse ziehen: Alle Schüler haben in diesem Spiel ihre
Eigeninitiative und unterschiedliche Mitbestimmungs- und Mitwirkungs-
möglichkeiten entdeckt und kreiert. Die Kommunikationsstruktur war
insbesondere durch das Kooperieren und gemeinsam geteiltes Miteinander
geprägt.
Gruppenstruktur
Zu Beginn war die Gruppe gespalten, da einige Schüler aktiv und andere
eher unbeteiligt wirkten. Vier Schwerstbehinderte waren eher passiv
beteiligt, da sie ihre Rollstühle nicht selbstständig bewegen konnten. Die
anderen Rollstuhlfahrer brachten sich selbstständig in die Aktion ein. Jeder
hatte eine eigene, gleichberechtigte Position und nahm diese auch in
Selbstverantwortung ein. Gleichzeitig funktionierte dieses Spiel nur durch
Kooperation, die aufgrund der guten Zusammenarbeit der Schüler auch
stattgefunden hat. Der Rollstuhl stellte bei einigen Gruppen eine neue
Herausforderung dar, da sich der Wechsel auf eine andere Matte als
schwierig gestaltete. Als gleichberechtigtes Mitglied wurde die Ent-
scheidung des Rollstuhlfahrers akzeptiert und ihm Hilfe angeboten bzw.
seine Bedürfnisse in die Handlung integriert.
Die Dominanz einiger Läufer war zu Beginn des Eisschollenspiels zu
erkennen, da sie, aus dem unmittelbaren Erlebnis heraus die Scholle
stürmten. Der scheinbar durch das Spiel zunächst angeregte Wettbe-
werbscharakter wurde durch einen Rollstuhlfahrer gestoppt, der seine
Position innerhalb der Gruppe einforderte. Daraufhin wurde die
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 103
Gruppenspaltung erst bewusst wahrgenommen und eine Neustruk-
turierung, die alle integrierte, in die Tat umgesetzt.
Auf die erneute Gruppenspaltung, reagierten wir, in dem wir die Läufer
aufforderten sich wieder an den Anfang des Spiels zu begeben. Diese
pädagogische Intervention brachte die Schüler dazu, ihre
Handlungsweisen nochmals zu überdenken. Die wiederholte
Neustrukturierung der Gruppe stellte unserer Meinung nach ein soziales
Lernen dar. Dieses äußerte sich dadurch, dass die Läufer nun
Verantwortung für die Rollstuhlfahrer bzw. Schwerstbehinderten
übernommen haben.
Mit der Fokussierung auf die Erwachsenen ist festzuhalten, dass sie in
Eigeninitiative die Verantwortung für die Schwerstbehinderten auf dem
Mattenwagen übernommen haben. Aus dem Gemeinschaftserlebnis
heraus, haben die Schüler Verantwortung für die Wartenden übernommen,
in dem sie den Mattenwagen selbstständig zur Ausgangsposition
zurückgebracht haben und damit einen reibungslosen Ablauf ermöglichten.
Dieses Gefühl veranlasste die bereits angekommenen Schüler dazu, den
Nordpol zu gestaltet, indem sie Matten herbeigetragen haben, damit sich
alle um die Polstange herum setzen konnten.
Zusammenfassung
Hinsichtlich der Gruppenstruktur konnten wir feststellen, dass sich
Veränderungen der Hilfsbereitschaft, Aufmerksamkeit und Verantwortung
für andere Gruppenmitglieder vollzogen haben. Auch wenn der Leiter z.T.
eingegriffen hatte, konnten aus den angebahnten Erlebnissen heraus
Veränderungen der Handlungsweisen der Schüler festgestellt werden.
Diese haben sich am Ende, aufgrund der gestellten Aufgabe den Nordpol
zu entdecken, im Sinne unserer erlebnispädagogischen Ziele verfestigt
und sind von den Schülern in kreative Handlungen umgesetzt worden.
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Metaphorische Aspekte
Innerhalb der Metapher wurde ein Raum geschaffen, in dem sich ein
Gemeinschaftsgefühl entwickelte. Die Verantwortung für die anderen
Schüler äußerte sich durch Aussprüche wie „Achtung, nicht ins Wasser
treten!“ . „Uh, die Scholle schmilzt!“ zeugt für den Ernstcharakter, der durch
die Metapher der ´Reise zum Nordpol und die Spiele erreicht wurde.
Dieses Gemeinschaftsgefühl wurde von einigen Schülern vom
´Fährmannspiel zur Eisscholle übertragen. Zum Ende hin waren die
meisten Schüler in der Lage, dieses Gefühl auf die ´Eisbrecherüberfahrt´
zu übertragen, was durch die Gestaltung des Nordpols, „Wir wollen den
Nordpol schöner machen!“, deutlich wurde.
BILD 2: gemalt von einer Schülerin; es zeigt die Matten
bei der ´Eismeerüberquerung´
7.3.2. »DER NACHTFALTER«
Kurzbeschreibung
1. Begrüßungsspiel
2. Aufwärmspiel (Warming-Up)
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3. Vertrauensvertrag: Der Vertrauensvertrag wird mit der gesamten
Gruppe abgeschlossen. Er umfasst drei Punkte: Freiwilligkeit,
Verantwortung und nötiger Ernst.
4. Gruppeneinteilung
5. Nachtfalter (Vertrauen): Die Schüler bilden einen Kreis. Im Kreis
befinden sich zwei Schüler. Einer der beiden ist Fänger
(Fledermaus), der andere Schüler Gejagter (Nachtfalter). Der
Fänger hat die Augen verbunden und muss den Gejagten fangen,
der sich mit zwei Steinen, die er aneinander schlägt, bemerkbar
machen muss.
Hilfsmittel: Kochlöffel
6. Abschluss
Beobachtung
Kommunikationsstruktur verbal nonverbal
Gruppenstruktur
- SCH geben Beispiele für die einzelnen Vertragspunkte an {Verantwortung für Geschwister übernehmen, andere SCH dürfen nicht ausgelacht werden, es wird keiner zu etwas gezwungen}
einige SCH halten sich die Ohren zu - andere SCH lachen und schreien - GR ist sehr ruhig
- Sitzkreis
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Kommunikationsstruktur verbal nonverbal
Gruppenstruktur
- GR einigt sich auf faires agieren (ROLLIFAHRER & LÄU) - SCH wollen auch bei Schiebern der ROLLIFAHRER Augenbinden einsetzen - SCH fordern Nachtfalter/LÄU auf langsamer zu laufen ZITAT: „Nachtfalter du musst langsamer laufen!“
- oft lachen als aktive Person
- ROLLIFAHRER lacht, bewegt sich heftig (freudig) im ROLLI
- einige SCH äußern mimisch Unwohlsein mit der Augenbinde
- Klatschen bei Erfolg
- SCH1 empfindet es als langweilig - SCH werden unruhiger - SCH werden ruhig - ROLLIFAHRER lacht laut
- SCHWEB/ROLLIFAHRER
sind im Kreis integriert - fast alle SCH lassen sich die Augen verbinden - einige SCH zeigen wenig Anteilnahme als Kreismitglied - SCH1 verlässt die GR - SCH1 gesellt sich wieder zur GR - ROLLIFAHRER ist Fledermaus - Interesse an der anderen Gruppe
Auswertung
Kommunikationsstruktur
Die Vertragspunkte waren für die Schüler nachvollziehbar, da sie
selbstständig verschiedene Beispiele angeführt haben. Zum Beispiel
haben sie durch die Aussage „Wir müssen Verantwortung für unsere
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 107
Geschwister übernehmen“ Solidarität als wichtigen Bestandteil des
Umgangs mit anderen bekundet, erfahren und damit wahrscheinlich auch
verstanden. Die Solidarität wurde auch in die konkrete Situation der
Gruppe übertragen, da auch diesbezüglich Beispiele der Schüler angeführt
wurden.
Das Spiel hat aufgrund seiner verschiedenen Aktionspotentiale
verschiedene emotionale Situationen angesprochen. Die Schüler brachten
sowohl Langeweile, als auch Spaß zum Ausdruck. Freudige Emotionen
wurden nicht nur durch lautes Lachen, sondern auch durch starke, freudige
Bewegungen im Rollstuhl gezeigt. Das Erlebnis der einzelnen Schüler
wirkte in ganzheitlicher Weise und kam auch so zum Ausdruck. Probleme,
die Schüler wahrgenommen haben, wurden untereinander besprochen. Sie
einigten sich untereinander auf Regeln, die sie für sich neu entwickelten.
Sie übernahmen Verantwortungsbewusstsein, indem sie z.B. den Läufer in
der Rolle des Nachtfalters aufgefordert haben: „Du musst langsamer
gehen!“. Dieser Ausspruch kann von zwei Seiten beleuchtet und
interpretiert werden: zum einen hat es gezeigt, dass die Schüler entdeckt
haben, dass es sich für den Rollstuhlfahrer schwieriger gestaltet den
Nachtfalter zu fangen. Sie konnten sich aufgrund der selbst gemachten
Erfahrungen in den Fänger hineinversetzen und dessen Lage
nachempfinden. Zum anderen zogen sie daraus Rückschlüsse, nämlich
einfache und positive Handlungsmöglichkeiten zu erkennen und diese
auch zu verbalisieren. Erfolgreiches Fangen und die damit verbundenen
Äußerungen von den Schülern aufgenommen, was sie durch Lachen und
Klatschen zum Ausdruck brachten.
Zusammenfassung
Innerhalb der Kommunikationsstruktur war zu erkennen, dass sich das
Verantwortungsgefühl gegenüber sich selbst und den anderen Schülern
artikuliert wurde. Aus dem eigenen Erleben heraus konnten sie im
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 108
spielerischen Tun verbal Lösungsstrategien entwickeln. Die Erkenntnis
über deren Notwendigkeit konnten die Schüler durch nonverbale Zeichen,
die sie mit der eigenen Erfahrung in Verbindung brachten, gewinnen.
Gruppenstruktur
Die Schüler haben sich als Gruppe auf die Situation des
Vertrauensvertrages eingelassen.
Die Schüler mussten sich zum einen in die Verantwortung der Gruppe
begeben, zum anderen war das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten
nötig. Das Anlegen der Augenbinde in dieser spielerischen Situation
forderte die Schüler dazu auf, sich auf diese Vertrauensübung mit der
Gruppe einzulassen. Da die Schüler die Positionen innerhalb des
Spielgeschehens gewechselt und unmittelbar erlebt haben, waren sie in
der Lage, Empathie für die Gefühle wie Angst usw. des anderen
aufzubringen und selbst auch nachvollziehen zu können. Hinzu kommend
gehörte es u.a. auch zur pädagogischen Zielsetzung, den Anderen Raum
und Aufmerksamkeit zu gewähren. Dies erforderte von den Kreismit-
gliedern über einen längeren Zeitraum eine hohe Konzentration. Dies traf
nicht auf alle Schüler zu, da sich einige bewusst für einige Zeit aus dem
Spielgeschehen und somit aus der Verantwortung gezogen haben.
Zusammenfassung
In dieser Einheit haben sich die Schüler in die Verantwortung der
Mitschüler gegeben. Die zuvor genannten Aspekte konnten in das
´Nachtfalterspiel übertragen werden.
Metaphorische Aspekte
Die Schüler konnten die einzelnen Aspekte mit Themen aus ihrer
Lebenswirklichkeit füllen, so dass für uns eine Isomorphie klar zu
bemerken war. Während des ´Nachtfalterspiels zeigte sich, dass die
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 109
Schüler ihre Empfindungsebene auf die momentane Situation bezogen, da
sie die entsprechenden Schüler mit Nachtfalter und Fledermaus
ansprachen: „Nachtfalter, du musst langsamer laufen!“. Der Kreis, den sie
um die beiden aktiven Personen bildeten, verstärkte das
Verantwortungsgefühl für die Akteure, da das Geschehen auf sie zentriert
wurde. Die erhöhte Aufmerksamkeit, die dabei entstand, konnte mit der
momentanen Empfindungsebene der einzelnen Schüler verbunden
werden.
7.3.3. »DAS SPINNENNETZ«
Kurzbeschreibung
1. Begrüßungsspiel
2. Auffrischen des Vertrauensvertrages mit Hilfe der Bilder
3. Gruppeneinteilung
4. Adlerflug (Kooperation/Körperkontakt/Vertrauen): Der Gruppe muss
bewusst sein, dass die drei Punkte des Vertrauensvertrages beim
Hochheben eine Große Bedeutung haben. Vor dem Start muss sich
der Schüler, der hochgehoben wird, als auch die Schüler, die
hochheben ihre Bereitschaft bekunden.
Hilfsmittel: Matte
5. Gruppeneinteilung
6. Spinnennetz (Kooperation/Körperkontakt/Vertrauen): Aufgabe der
Gruppe ist es, alle Schüler durch die Löcher im Netz hindurch zu
heben (bei niedrigen Löchern kann man hindurch „gehen“). Das
Netz darf nicht berührt werden. Derjenige, der einmal durch das
Netz hindurch ist, darf nicht mehr auf die andere Seite zurück. Die
Hilfe kann nur von der Seite aus geschehen, auf der man sich
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befindet. Ziel ist es, dass die ganze Gruppe auf die andere Seite
wechselt.
Hilfsmittel: Kastenwagen, Lagerungskissen
7. Abschluss
Beobachtung
Kommunikationsstruktur verbal nonverbal
Gruppenstruktur
- SCH und E einigen sich auf Positionen beim Hochheben - andere SCH werden ermutigt es auszuprobieren - SCH2 will nicht gehoben werden, weil er Angst hat - SCH und E sprechen sich während der gesamten Aktion ab - SCH fordern E auf sich hochheben zu lassen - SCH einigen sich mit E auf Lösungsstrategie
- Schweb lacht beim Hochheben - SCH3 würgt beim Hebeversuch - einige SCH ziehen sich aus der Aktion raus
- SCH heben Schweb am höchsten - zwei andere SCH werden gehoben, SCH2 möchte jetzt auch - SCH haben keine Probleme mit Körperkontakt - alle SCH außer die SCHWEB können beim Heben helfen, SCHWEB
sind integriert - SCH3 wird mit Hilfe eines E und SCH auf einer Matte hochgehoben - viele SCH probieren eigenständig das Netz zu durchsteigen - SCH wenden von sich aus, die zuvor geübte Hebetechnik an
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 111
Kommunikationsstruktur verbal nonverbal
Gruppenstruktur
- Absprache zwischen SCH und E - SCH / SCH Absprache - SCH, die abseits stehen werden von anderen SCH aufgefordert mitzuhelfen - SCH fordern SCH2 auf durch ein Loch hindurchzugehen - SCH und E einigen sich darauf SCH 2 gemeinsam zu heben - zwei SCH nutzen den Kastenwagen, weil sie nicht gehoben werden wollen - SCH4 flüstert L zu, dass er Angst vor Spinnen hat {L sagt ihm, dass es die Spinne nicht gibt, es ist nur eine Geschichte}
- Jubel, wenn es eine Person geschafft hat - SCH2 weint - SCH4 lacht und wendet sich dem Spielgeschehen zu - Freude am Schluss
- SCH helfen sich gegenseitig - gemeinsamer Protest bei Regel-anwendung des L - einige SCH ziehen sich aus der Aktion heraus, klettern abseits des Geschehens - SCH sind zum Helfen wieder beteiligt - SCH stehen am Netz, wenn andere SCH gehoben werden - SCHWEB stehen am Netz - SCH beteiligen sich an Lagerung der SCHWEB {Hilfsmittel werden genutzt}
- alle SCH mit großer Aufmerksamkeit bei letzter Person - Interesse an zweiter Gruppe
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 112
Auswertung
Kommunikationsstruktur
Die Schüler waren in der Lage, herbeigeführt durch das eigene Erleben,
andere Schüler zu ermutigen, sich auf die Situation einzulassen und diese
zu erproben. Ein Schüler würgte bei dem Hebeversuch, was immer dann
geschieht, wenn ihn Situationen beängstigen. Durch dieses körperliche
Signal wurde ihm deutlich, dass er seine eigenen Grenzen überschritten
hatte, woraufhin er die Aktion abbrach. Ein Erwachsener äußerte
Erstaunen darüber, dass sich der Schüler überhaupt ihn diese Situation
begeben hatte und all seinen Mut aufbrachte. Diese nonverbale
Ausdrucksweise von dem Schüler war als Mitteilung an die Umwelt wichtig,
da er hieraus zu einem späteren Zeitpunkt in Unterstützung mit der Gruppe
diesen Versuch auf andere Art und Weise neu und ihm entsprechend
erfolgreich wiederholen konnte.
Zum Schluss hat sich das Vertrauen der Schüler in ihr Handeln verfestigt,
was sich darin geäußert hat, dass sie die Erwachsenen ebenfalls
aufgefordert haben sich hochheben zu lassen.
Diese Hochhebesituation war dadurch geprägt, dass sich Schüler und
Erwachsene zu einem Team zusammengefunden haben, in welchem sie
ihr gemeinsames Handeln absprechen konnten.
Bei der Lösungsstrategie benötigten die Schüler Hilfe von den
Erwachsenen. Durch die bereits erprobten Kommunikationsprozesse und -
strategien, gingen die Schüler im Verlauf des Spiels dazu über, sich
untereinander abzusprechen. Es wurde deutlich, dass sie mit dieser klaren
Unterstützung und Begleitung zu eigenverantwortlichem Handeln in der
Lage waren. Dies zeigte sich durch Ansprache anderer Schüler, die nicht
mithelfen wollten. Das bedeutete auf andere zugehen zu müssen, die
Notwendigkeit der Mithilfe zuzulassen und selbständig ansprechen zu
können. Es gab jedoch eine Situation die anders verlief: Ein Schüler wurde
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 113
aufgefordert selbstständig durch ein unteres Loch zu gehen, der sich
gerade beim ´Adlerflug zuerst nicht getraut hatte und sich nach dem
Zusehen dafür entschied. In dieser Situation jedoch wollte der Schüler das
zuvor Erlebte unbedingt erneut ausprobieren und reagierte mit Weinen.
Diese Reaktion veranlasste die Schüler dazu auf seinen Wunsch
einzugehen, woraufhin er gehoben wurde. Dies war unserer Meinung nach
für den Schüler eine wichtige Erfahrung, um das zuvor aufgebaute
Vertrauen und erweiterte Selbstvertrauen zu vertiefen.
Zusammenfassung
Eigene Bedürfnisse wurden in dieser Einheit klar geäußert und von
anderen Schülern aufgenommen. Die Emotionen, die aus den Erlebnissen
erwachsen sind, fanden ihren sofortigen Ausdruck und waren durch
vorangegangene Erfahrungen geprägt (würgen / weinen). Die Kommuni-
kationsstruktur hatte sich dahingehend verändert, dass die Erwachsenen
immer seltener miteinbezogen wurden.
Gruppenstruktur
Die Gruppe hat mit Hilfe des ´Adlerflugs´ eigene Fähigkeiten und die der
anderen Schüler erkannt. Fast alle Schüler und auch die Schwerst-
behinderten konnten die Erfahrung des ´Hochgehoben-werdens machen.
Hierdurch konnten Vorurteile der anderen Schüler gegenüber abgebaut
werden, wie beispielsweise: Unterschätzung der Stärken anderer Schüler,
Unterstellung von Verantwortungslosigkeit anderer Schüler, etc. Die
Schüler waren sogar erstaunt darüber, in der Lage zu sein, auch
Erwachsene heben zu können. Während dieses Vorganges wurden die
Schüler in ihrem Selbstbewusstsein und ihrem Verantwortungsgefühl
anderen Menschen gegenüber bestärkt.
Die Schüler waren in der Lage Nähe zuzulassen, da sie keine Probleme
mit Körperkontakt durch andere Schüler hatten. Nach dem mehrere
Schüler bereits gehoben worden waren, trauten sich die unsichereren
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 114
Schüler ebenfalls, sich auf die Situation einzulassen. Das intensive
Vertrauen konnte von allen Schülern mit dem ganzen Körper
wahrgenommen werden. Das Spüren der Hände unterstützte das Gefühl
wirklich gehalten zu werden und getragen zu sein. Dieses Gefühl konnte
auch den Schwerstbehinderten ermöglicht werden, auch wenn sie beim
Heben unbeteiligt blieben. Trotzdem waren sie durch ihr ´Dabeisein´ in das
Gruppengeschehen integriert.
Die in der obigen Beschreibung dargestellten Gefühle und Erfahrungen
waren für ein Gelingen dieser Sequenz erforderlich. Selbst- und
Fremdvertrauen wurden in diesem Spiel auf die Probe gestellt.
Die Schüler haben Verantwortung für die anderen übernommen, in dem sie
sich gegenseitig geholfen haben. Sobald ein Schüler gehoben wurde,
standen alle in sozialer Anteilnahme am Spinnennetz. Auch Schüler, die
sich während der Beratungsgespräche der eigenen Gruppe aus dem
Geschehen zurückzogen, haben sich sofort bei den Trageaktionen wieder
engagiert. Die Schwerstbehinderten konnten mit Hilfe eines Kastenwagens
auf die andere Seite des Spinnenetzes gelangen. Wir konnten bei der
Lagerung der Schwerstbehinderten den selben Enthusiasmus der Schüler
feststellen, der auch die Trageaktionen der anderen begleitete.
Zusammenfassung
Wie sich in diesen Ausführungen zeigt, waren auch hier vor allen Dingen
soziale Qualitäten wie Solidarität, Gleichberechtigung, Kooperation und
Gespür für den Anderen stark ausgeprägt.
Metaphorische Aspekte
Die Schüler waren von sich aus in der Lage Transferleistung zu erbringen,
die zuvor erlernte Hebetechnik wurde in einem anderen spielerischen
Zusammenhang auf das Spinnennetz angewendet. Das ´Würgen des
einen Schülers, welches aus anderen Lebenssituationen bekannt war,
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 115
zeigte uns, dass die, durch die Metapher hervorgerufene Situation auf die
Lebensrealität des Schülers bezogen war. In diesem Fall konnte sich der
Schüler selbst dazu entscheiden und mit Hilfe der Anderen konnte eine
Veränderung stattfinden. Die Metapher des Spinnenetzes gab den
Schülern die Möglichkeit Ängsten in diesem spielerischen Kontext gewahr
zu werden. So wurde von einigen Schülern die Bedrohlichkeit verbal
geäußert: „Ich hab Angst vor der Spinne!“ oder „Aufpassen das Netz
wackelt!“. Die Gemeinschaft der Gruppe unterstützte alle, den Mut
aufzubringen, sich den Ängsten zu stellen und sie zu überwinden.
BILD 3: gemalt von einer Schülerin; es zeigt das Spinnennetz
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 116
7.3.4. »DIE HUBSCHRAUBER-RETTUNGSAKTION«
Einleitend zu dieser Einheit möchten wir erwähnen, dass der Titel nicht
durch uns entstanden ist, sondern die Metapher eines Schülers darstellt,
die wir aus dem folgenden Bild entnehmen konnten:
BILD 4: gemalt von einem Schüler; er stellte sich vor, das Seil hinge unter einem
Rettungshubschrauber
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 117
Kurzbeschreibung
1. Begrüßungsspiel
2. Gruppeneinteilung
3. Hochziehen (Verantwortung/Kooperation): Die Schüler legen einen
Klettergurt an und werden mit Hilfe eines Seiles von den anderen
Gruppenmitgliedern hochgezogen. Zusätzlich wird der Schüler
durch ein zweites Seil von einem Leiter gesichert.
Beobachtung
Kommunikationsstruktur verbal nonverbal
Gruppenstruktur
- SCH einigen sich über die Reihenfolge und vergewissern sich bei den E - SCH rufen „Hau
Ruck!“ beim Hochziehen
- SCH geben Tipps beim Anziehen der Gurte
- SCH erkundigen sich über Bereitschaft der ziehenden SCH
- Sch fordern sich gegenseitig auf mitzuhelfen
- SCH5 redet mit SCHWEB
- Äußerung der
Gefühle während des Hochziehens
- ängstliche Gesichts-ausdrücke
- - SCHWEB fängt an zu lachen - SCHWEB reagieren auf größere Höhe mit stärkerem Lachen
- SCHWEB können nicht mitziehen - einige Rollstuhlfahrer ziehen im Rolli andere Rollstuhlfahrer sitzen auf dem Boden - SCH sind sich beim
Anlegen der Gurte behilflich
- SCH beobachten SCHWEB sehr genau - SCH legen SCHWEB Gurt an - SCH5 hält den Kopf eines SCHWEB, während dieser hochgezogen wird
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 118
Kommunikationsstruktur verbal nonverbal
Gruppenstruktur
- SCH3 sagt, er will nur schaukeln - SCH sprechen über die Erfahrung
- auf die Frage vom L, das Seil loszulassen werden Emotionen geäußert: „Es ist mir zu hoch!“ - SCH3 umklammert den Arm vom L, mit der Zeit löst sich der Griff und er fasst mit beiden Händen das Seil an, nach einiger Zeit lässt er das Seil für einen Augenblick ganz los - glückliche Gesichtsausdrücke beim Erreichen des Erdbodens
- zwei E werden von der Gruppe hochgezogen
Ungeplante Beobachtung der Klasse von Herrn Müller: Dreiviertel der Klasse von Herrn Müller baut draußen im Sandkasten gemeinsam eine riesige Sandburg. O-Ton Herr Müller: „Das haben die noch nie gemacht! Was soll ich den jetzt machen, eigentlich ist doch Unterricht! Ach was, die sollen draußen bleiben!“ Das andere Viertel der Klasse spielt im Nebenzimmer mit einem Seil, das fest an der Decke montiert ist, die Stunde nach.
Auswertung
Kommunikationsstruktur
Die Anzahl der Klettergurte veranlasste die Schüler sich auf eine
Reihenfolge zu einigen. Die Kenntnisse über das Anlegen der Gurte
wurden an den Nachfolger weitergegeben. Das Erklären der Gurte wurde
von den Schülern sehr verantwortungsvoll durchgeführt, da ihnen die
Wichtigkeit dieses Utensils beim Hochziehen bewusst wurde. Die Schüler
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 119
forderten eigeninitiativ die Verantwortung der Gruppe ein, indem sie sich
nach deren Bereitschaft erkundigten. Sie haben bewusst und berechtigt
auf sich aufmerksam gemacht. Das Gemeinschaftsgefühl der ziehenden
Schüler wurde verbal mit dem Ausspruch „Hau Ruck“ unterstützt.
BILD 5: geschrieben und gemalt von einem Schüler; es zeigt das abschließende
´Hochziehen´
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 120
Das Hochziehen war für die Schüler eine intensive Erfahrung, die von
starken nonverbalen Gefühlsäußerungen begleitet waren. Den
nonverbalen Ausdruck der Schwerstbehinderten kam so mehr
Aufmerksamkeit zu. Deren Äußerungen wurden in Anbetracht der eigenen
Erfahrungen sensibler verfolgt. Ein Schüler fühlte sich veranlasst einen
Schwerst-behinderten verbal zu unterstützen. Die tiefen Gefühlsregungen
veranlassten die Schüler, sich mit anderen auszutauschen und sich auf die
Beiträge anderer Schüler einzulassen. Fast alle konnten sich auf
Äußerungen der Anderen einlassen und eigene Beiträge einbringen.
Zusammenfassung
Die Schüler wurden für die Gefühlsäußerungen stark sensibilisiert und
konnten sich empathisch in die Rolle der anderen hineinversetzen. Die
unterschiedlichen Wahrnehmungen der Schüler wurden untereinander
ausgetauscht, womit eine Vielfältigkeit von Gefühle in der Gemeinschaft
entstanden war, in der alle Meinungen akzeptiert und respektiert wurden.
Gruppenstruktur
Die Aktion war mit einem starken Vertrauensgefühl verbunden. Die
Schüler, die hochgezogen wurden, mussten sich in die Verantwortung der
anderen Schüler begeben. Durch das ´Hängen´ im Gurt konnte jeder
Schüler die Anwesenheit der restlichen Schüler am eigenen Leib spüren
und sie zusätzlich sehen. Der Umgang mit dem Material führte dazu, dass
die Schüler sich gegenseitig halfen. Die Schüler haben Verantwortung für
die schwerstbehinderten Mitschüler übernommen, wie z.B. ein Schüler, der
das ´Hochgezogenwerden eines Schwerstbehinderten unterstützte.
Andere waren intensiv daran beteiligt, die schwerstbehinderten Schüler mit
dem Gurt einzukleiden. Sie konnten mit der gesamten Gruppe ein Gefühl
teilen, aus dem sie sich trauten, Erwachsene hochzuziehen. An dem
Gruppengefüge der ziehenden Schüler waren die Rollstuhlfahrer nur
bedingt und die Schwerstbehinderten gar nicht beteiligt. Da sie direkt an
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 121
der Stelle, an der die Schüler hochgezogen wurden, eine feste Position
einnahmen, konnten sie an dem Geschehen, speziell an den Emotionen
der Schüler, die hochgezogen worden sind, teilhaben.
BILD 6: gemalt von einer Schülerin; es zeigt die Schüler beim ´Hochziehen´
Zusammenfassung
Die intensiven Erlebnisse, die in den Schülern wirkten, wurden in dem
situativen Kontext mit den anderen Gruppenmitgliedern in Beziehung
gesetzt, dieses führte zu einer großen Aufmerksamkeit für die Mitschüler.
So wurde in der Gruppeversucht, jedem dieses Erlebnis zu gewähren und
zu ermöglichen. Diese intensiven Erfahrungen führten zu einem Gefühl der
Gemeinsamkeit, aus dem der Mut, neue Aufgaben zu bewältigt hervorging.
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 122
BILD 7: gemalt von dem Schüler, der die Metapher ´Schaukeln´ (siehe unten) für sich
fand; es zeigt die Seile zum Schaukeln
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UNSER PROJEKT »METAPHERN IM SPORTUNTERRICHT« 123
Metaphorische Aspekte
Die Schüler haben die ´Hochziehaktion´ mit eigenen Metaphern gefüllt.
Das gute Gefühl, das mit der Rettungsaktion eines Hubschraubers
verbunden wird, entsprach der Empfindungsebene des Schülers und
konnte im Zusammenhang der Aktion mit der Gruppe in Verbindung
gesetzt werden. Dies zeigte sich auch in der ungeplanten Beobachtung als
das Gemeinschaftsgefühl der Schüler in den Bau einer großen Sandburg
umgesetzt wurde. Da die Burg ohne viele Worte von Seiten der Schüler
erstellt wurde, gehen wir davon aus, dass die Aktion ein sehr intensives
und verbindendes Gefühl aus dem Erleben der Schülern erzeugte. Dieses
Gefühl hat sich in den Schülern verfestigt und konnte beim Malen der
Bilder wiederempfunden werden.
Der Schüler, der das ´Hochziehen´ mit ´schaukeln´ gleichsetzte fand
dadurch eine Herangehensweise, die eine positive Veränderung bewirkte.
Es war der Schüler, der beim ´Hochziehen´ würgte. Mit Hilfe der eigenen
Metapher und den Erfahrungen, die er in der ´Spinnennetzeinheit´ machen
konnte, hat er in dem spielerischen Kontext eine Lösungsstrategie
entwickelt, die es ihm ermöglichte, seine Grenzen zu überschreiten. Das
aus dem Erlebnis entstandene Gefühl wird mit seiner Empfindungsebene
in ähnlichen Situationen der Lebensrealität verbunden sein.
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ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 124
8. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
Innerhalb der praktischen Umsetzung konnten bei einzelnen Schülern
Erlebnisse angebahnt werden, die als individuelle bedeutsame Situationen
Reaktionen auslösten, die in Richtung der Ziele der Erlebnispädagogik
interpretiert werden können. Die Unmittelbarkeit des Erlebnisses liefert
Möglichkeiten der Eigen- und Fremdwahrnehmung, des Ausdruckes und
des Umgangs mit Emotionen, die Entwicklung von Selbstvertrauen, das
Feststellen von Problemen, die Erprobung sozialen Handelns, das
Entwickeln von Problemlösungsstrategien und das Überschreiten der
eigenen Grenzen. In Anbetracht der Kürze des Projektes erachten wir es
nicht als angemessen über die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler zu
urteilen. Um in der Planung schon vor Beginn des Projekts individuelle
Bedürfnisse einzelner Schüler berücksichtigen zu können, wäre ein
intensiverer Blick in den Alltag der Schüler und ein vorheriges näheres
Kennenlernen sinnvoll gewesen. Wir sind jedoch der Meinung, dass wir
durch die Beobachtung zeigen konnten, dass Merkmale auf eine
Anbahnung von Persönlichkeitsentwicklung hinweisen.
Die Veränderung der Kommunikations- und Gruppenstruktur in denen die
Aspekte wie Selbstvertrauen, Verantwortung und Wahrnehmung enthalten
sind, zählen durchaus zur Persönlichkeitsentwicklung und gehörten
eindeutig zu den Themen dieser Gruppe.
Die Aktionen der Schüler wurde zu Beginn der Stunden häufig durch die
Erwachsenen begleitet. Im Laufe der Zeit jedoch waren die Schüler in der
Lage, ohne die Hilfe der Erwachsenen Probleme miteinander zu lösen.
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ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 125
Verantwortungsgefühl konnte von den Schülern geäußert werden. Sie
haben Emotionen der anderen Schüler, gerade auch die der
Schwerstbehinderten wahrgenommen und teilweise dadurch als
´Sprachrohr´ für diese fungiert. Auf diese Weise konnten die
Schwerstbehinderten in den meisten Situationen integriert werden. Die
Bedürfnisse anderer Schüler wurden erkannt, ohne das Erwachsene an
dem Prozess beteiligt gewesen wären. Die emotionsgeleiteten und häufig
nonverbalen Äußerungen, die wir bei den Schülern beobachten konnten,
waren meist zielgerichtet. Sie konnten - im Verlauf aller Stunden - in
Analogie zu der Gruppenstruktur gedeutet werden. Das Wirken des
„Metaphorischen Modells“ konnten wir mit Hilfe der Äußerungen der
Schüler erkennen.
Innerhalb der Stunden beobachteten wir einen rücksichtsvollen und
toleranten Umgang der Schüler untereinander. Aus den angebahnten
Erlebnissen heraus konnten positive Veränderungen der Schüler
festgestellt werden. Um dem Anforderungscharakter der Spiele, die auch
als Interaktions- und Kooperationsspiele beschrieben werden, gerecht zu
werden, waren die Schüler zum gemeinsam Handeln aufgefordert.
Ebenfalls forderten die Spiele das Verantwortungsbewusstsein der Schüler
und einen Blick für die gesamte Gruppe heraus. Dies führte bei den
meisten Schülern zu Hilfsbereitschaft gegenüber den Anderen. Wir sind
der Meinung, dass die Spiele weitestgehend angemessen waren. Die
Modifikationen waren nicht speziell für die Schwerstbehinderten gedacht,
sie konnten von allen genutzt werden. Somit konnte eine ´Sonderrolle´
innerhalb der heterogenen Gruppe relativiert werden. Während der Spiele
wechselten die Positionen der Schüler, so dass jedem Schüler die
Möglichkeit gegeben wurde aus dem individuellen Erleben heraus den
anderen Schülern empathisch zu begegnen. Sowohl die Rollstuhlfahrer als
auch die Schwertsbehinderten haben sich in einigen Situationen befunden,
in denen sie nicht aktiv mitwirken konnten. Als Leiter stellen wir uns an
diesem Punkt die Frage: Wie haben die Schüler es empfunden? War es für
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ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 126
sie OK oder waren sie unzufrieden mit der Situation? Dass wir auf diese
Fragen, aufgrund der knapp bemessenen Zeit nicht näher eingehen
konnten, bedauern wir sehr und werten es als ein Versäumnis
unsererseits.
Die Bedeutsamkeit jedes einzelnen Schülers mit seinen Fähigkeiten und
der gesamten Gruppe konnte gerade beim ´Spinnennetz´ und beim
´Adlerflug beobachtet werden. Innerhalb der Metaphern konnten Räume
geschaffen werden, in denen die Schüler kreativ und sozial handelten.
Dies wurde insbesondere durch die ´Gestaltung des Nordpols´ deutlich.
Dass die Schüler ebenso in der Lage sind, ohne die Hilfe durch uns, für
sich selbst Metaphern zu finden, wurde z.B. durch den Ausspruch „Ich will
schaukeln!“ für uns erkennbar; man muss die Metaphern nur wahrnehmen
können. Daher konnten die Schüler, die aus den Erlebnissen der eigenen
Metapher entstandenen Erfahrungen, in andere Lebenssituationen
transferieren. Dies zeigte sich uns in dem Bau der Sandburg oder in der
Übertragung auf andere Spiele.
Mit Hilfe von erlebnispädagogischen Methoden konnte die
Persönlichkeitsentwicklung, aus den Schülern heraus, angeregt werden.
Aus diesem und den oben beschriebenen Veränderungen schließen wir,
dass unsere zu Beginn aufgestellte Hypothese bekräftigt werden kann. Die
Körperbehindertenpädagogik kann durch Hinzunehmen von Zielen und
Methoden der Erlebnispädagogik wirksam erweitert werden.
In Bezug auf die Beobachtungsmethode haben wir festgestellt, dass
unsere Leiterrolle sehr differenziert betrachtet werden muss, teilweise
waren wir in die Spiele stärker involviert als wir vermutet hätten. Es wäre
von Vorteil gewesen, wenn die Beobachtung durch eine zusätzliche
Person durchgeführt worden wäre. Des Weiteren empfanden wir die
Anzahl der Schüler für eine differenzierte Beobachtung zu hoch. Hierzu
wäre eine kleinere Gruppe erforderlich, jedoch würde diese an der uns
wichtigen Heterogenität einbüßen. Kritisch anzumerken wäre, dass uns die
Tiefe der eigenen Metaphern der Schüler, erst im Rahmen der Auswertung
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ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 127
vollständig ins Bewusstsein gerufen wurde. Dies hat unserer Meinung nach
jedoch keinen Einfluss auf deren Wirksamkeit.
Unserer Erlebnispädagogik liegt ein Menschenbild zugrunde, welches sich
auf die Erziehung und Entwicklung des ganzen Menschen bezieht (siehe
hierzu auch Kapitel 4.). Der Mensch wird im ´Verschiedensein´ seines
Individuums betrachtet und dementsprechend kommt es nicht darauf an,
wer an erlebnispädagogischen Projekten teilnimmt! Auch heute ist die
Lebensrealität körperbehinderter Kinder leider immer noch durch
Stigmatisierungen und Fremdbestimmung (siehe hierzu Kapitel 6.)
gekennzeichnet. Durch den hohen Aufforderungscharakter der Spiele stellt
die Erlebnispädagogik eine wirksame Erweiterung dar, um mangelndes
Selbstvertrauen, Hemmungen, Ängste und Fremdwahrnehmung
aufzubrechen. Wir hoffen, dass die Erlebnisse der Schüler in dem Maße
wirksam waren, dass sie sich im Sinne des metaphorischen Lernens auf
andere Lebensbereiche übertragen können (siehe hierzu Kapitel 5. ).
Die Erlebnispädagogik ist nicht in einem ´abgetrennten System wirksam,
sie hat immer auch Einflüsse auf andere Systeme. Um diese Wirksamkeit
besser nutzen zu können, wäre es sinnvoll, weitere Systeme der Kinder
intensiver einzubeziehen. So wäre es denkbar erlebnispädagogische
Projekte für Kinder mit ihren Eltern, mit ihren Klassenlehrern usw.
anzubieten. Die Erlebnispädagogik
„[ ...] hat Rahmenbedingungen zu schaffen, innerhalb derer ein möglichst vielfältiges Leben stattfinden kann, an dem die handelnden Personen (Schüler, Schulpersonal, Eltern, Erzieher, Therapeuten, Busfahrer...) in vertrauensvollem Umgang miteinander in unterschiedlichen Rollen teilnehmen [...]“ (RIEHL 1999, 236).
Diese Rahmenbedingungen können erweitert werden, indem
Vorbereitungstreffen und Nachbesprechungen einplant werden, an denen
alle Teilnehmer aktiv mitwirken können. Des weiteren sollte darauf
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ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 128
geachtet werden, dass solche Projekte über einen längeren Zeitraum
stattfinden, um angebahnte Ziele der Erlebnispädagogik zu verstärken und
eine nachhaltige Wirkung der Erlebnisse zu gewährleisten. Dies kann auch
realisiert werden, in dem erlebnispädagogische Ziele und Methoden in den
Schulalltag integriert werden und nicht nur zu besonderen Anlässen
angewandt werden. Wir beide hoffen, dass wir diesen erweiterten Ansatz
in unserem späteren Berufsleben verwirklichen können, denn Sandburgen
könnten jeden Tag gebaut werden.
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Wege moderner Erlebnispädagogik Alling 1995
MOSER, HANS:
Instrumentenkoffer für den Praxisforscher Freiburg 1998
NEUBERT, WALTRAUD:
Das Erlebnis in der Pädagogik Lüneburg 1990
OELKERS, JÜRGEN:
Unmittelbarkeit als Programm: Zur Aktualität der Reformpädagogik In: BEDACHT, A. u. a. (Hrsg.):
Erlebnispädagogik: Mode, Methode oder mehr? München 1994
OERTER, ROLF/ MONTADA, LEO (Hrsg.):
Entwicklungspsychologie Weinheim 1995
PERVIN, LAWRENCE A.: Persönlichkeitstheorien
München, Basel 1993 Plöhn, Inken:
Flow-Erleben / Schriftenreihe Erleben & Lernen Band 5 Neuwied 1998
REINERS, ANNETTE:
Praktische Erlebnispädagogik Alling 1997
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REINERS, ANNETTE: Erlebnis und Pädagogik
Alling 1995 R IEHL, JOCHEN:
Metapher „Behindert“ In: SCHÖDLBAUER, C. u.a. (Hrsg.):
Metaphern - Schnellstraßen, Saumpfade und Sackgassen des Lernens
Augsburg 1999 SCHMIDT, HEINRICH:
Philosophisches Wörterbuch Neu bearbeitet von: SCHISCHKOFF, PROF. DR. GEORGI
Stuttgart 1991 SCHMITZ, SIGRID:
Physiologische Prozesse beim Lernen und Erleben In: KÖLSCH, H. (Hrsg.):
Wege moderner Erlebnispädagogik Alling 1995
SCHÖDLBAUER, CORNELIA:
Die Macht der Metaphern Alling 1998
SCHOTT, THOMAS:
Anmerkungen zum Erlebnisbegriff bei Wilhelm Dilthey In: Zeitschrift für Erlebnispädagogik
Heft 11/2000 SCHÜTTE, RUDOLF:
Merleau-Ponty und sein Verständnis der Leiblichkeit: Pädagogische Reflexion im Vorfeld zur Erziehung von Menschen mit Körperbehinderung
Dortmund 1995 (Dissertation) SPECK, OTTO:
System Heilpädagogik München 1998
STINKES, URSULA:
Das verleiblichte Bewußtsein In: Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft Nr. 6/98
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STOLLER, SILVIA : Wahrnehmung bei Merleau-Ponty
Frankfurt am Main 1995 WAGNER, FRANZ-JOSEF:
Begrenzungen gemeinsam überwinden. Erlebnispädagogik mit behinderten Menschen In: KÖLSCH, H. (Hrsg.):
Wege moderner Erlebnispädagogik Alling 1995
WAHL, WOLFGANG:
Unvermittelbarkeit oder Vermittlung? In: erleben und lernen
Zeitschrift für handlungsorientierte Pädagogik Heft 6/1998
WALDENFELS, BERNHARD :
Phänomenologie in Frankreich Frankfurt am Main 1998
WALDENFELS, BERNHARD:
Das Problem der Leiblichkeit bei Merleau-Ponty In: PETZOLD, H. (Hrsg.):
Leiblichkeit Paderborn 1985
W ISSENSCHAFTLICHER RAT DER DUDENREDAKTION (Hrsg.):
Duden - Das Fremdwörterbuch Mannheim 1997
ZIEGENSPECK, JÖRG:
Statement zur Podiumsdiskussion: „Erlebnispädagogik – Mode, Methode oder mehr?“
In: BEDACHT, A. a. (Hrsg.): Erlebnispädagogik: Mode, Methode oder mehr?
München 1994 ZIMBARDO, PHILIP / GERRIG, RICHARD:
Psychologie Berlin, Heidelberg 1999
Silke Paulig/ Frank Pöther