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Mensch und Mitgeschöpf unter ethischem Aspekt

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ALTEX 21, 4/04 199 Literaturbericht 2003/2004, 27. Folge Nach den Neuzugängen des Archivs für Ethik im Tier-, Natur- und Umweltschutz der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe Mensch und Mitgeschöpf unter ethischem Aspekt Gotthard M. Teutsch D-Bayreuth Inhaltsübersicht: 1 Zeitzeichen: Im und gegen den Strom (200) 2 Allgemeines zum Tier und Tierschutz (202) 2.1 Till Bastian: Der Mensch und die anderen Tiere (202) 2.2 Mario Giordano: Der Löwe im Atelier – Tiere in der Kunst (202) 2.3 Bernhard Kathan: Zum Fressen gern – Zwischen Haustier und Schlachtvieh (202) 2.4 Ernst Meckelburg: Das geheime Leben der Tiere (203) 2.5 Livio Piatti: Zoo real: Menschen und Tiere (203) 2.6 Tagesanzeiger Zürich: ( 203) Unverstanden: Das Tier Beiträge von Peer Teuwsen, Rico Czerwinski, Max Küng, Marian Blasberg, Erwin Koch 3 Philosophische Ethik (204) 3.1 Andreas Brenner, Hrsg.: Tiere beschreiben (204) Beiträge von Dagmar Borchers, Norbert Brieskorn, Andreas Flury, Angelika Krebs, Konrad Ott, Dietmar von der Pfordten, Jean-Claude Wolf 3.2 Paul. B. Clarke und Andrew Linzey, Hrsg.: Das Recht der Tiere in der menschlichen Gesellschaft (206) Beiträge von Henry S. Salt, Brigid Brophy 3.3 Marcus Düwell und Klaus Steigleder, Hrsg.: Bioethik (206) Beiträge von Klaus Peter Rippe, Angela Kallhoff und Ludwig Siep 3.4 Raimond Gaita: Der Hund des Philosophen (207) 3.5 Mechthild Herberhold und Caspar Söling, Hrsg.: Menschen- rechte für Menschenaffen? (207) Beiträge von Hans Martin Sass, Burkhard Gladigow, Hans Kessler, Heike Baranzke, Hubertus Lutterbach 3.6 Norbert Hoerster: Haben Tiere eine Würde? Grundfragen der Tierethik (209) 3.7 Helmut F. Kaplan: Die ethische Weltformel – eine Moral für Menschen und Tiere (209) 3.8 Jörg Luy und Goetz Hildebrandt: Albert Schweitzer, Leitbild für die Tiermedizin? (ein Nachtrag) (209) 3.9 Petra Mayr: Das pathozentrische Argument als Grundlage einer Tierethik (210) 4 Theologische Tierethik (210) 5 Öko-Ethik: Verantwortung für die Natur (210) 5.1 Hans Werner Ingensiep und Anne Eusterschulte, Hrsg.: Philosophie der natürlichen Mitwelt: Grundlagen – Probleme – Perspektiven (210) Beitrag von Franz-Theo Gottwald 5.2 Hans Lenk und Matthias Maring: Natur – Umwelt – Ethik (211) 5.3 Udo E. Simonis, Hrsg.: Öko- Lexikon (211) 6 Rechtsfragen und Rechtsentwicklung (211) 6.1 Regina Binder: Neues zum Bundestierschutzgesetz (in Österreich) (211) 6.2 Michael Frank: Österreich führt strengstes Tierschutzgesetz der EU ein (212) 6.3 Antoine F. Goetschel und Gieri Bolliger: Das Tier im Recht – 99 Facetten der Mensch-Tier- Beziehung von A-Z (212) 6.4 Almuth Hirt, Christoph Maisack und Johanna Moritz: Tierschutzgesetz Ausgewählte Themen: Artüber- greifende Humanität, Ehrfurcht vor dem Leben, Mitgeschöpflich- keit, Gerechtigkeit, Gleichheits- grundsatz, Würde der Kreatur (212) 7 Erziehung zu artübergreifender Humanität (214) 7.1 Witja Neitzel: Tiere als Mitge- schöpfe – Eine pädagogische Herausforderung (214) 7.2 Erhard Olbrich und Carola Otter- stedt, Hrsg.: Menschen brauchen Tiere – Grundlagen und Praxis der tiergestützten Pädagogik und Therapie (214) 8 Tierversuche (215) 8.1 Heinrich W. Grosse: Xeno- transplantation aus christlich- ethischer Sicht (215) 8.2 Peer Teuwsen: Wieviele Ratten haben Sie getötet? (215) 8.3 Brigitte Rusche: The 3Rs and Animal Welfare – Conflict or the Way Forward? (215) 9 Tier- und Nutztierhaltung (216) 9.1 Agrarbündnis, Hrsg.: Landwirt- schaft 2004 – Der kritische Agrarbericht (216) 10 Jagd, Meeressäuger, Stierkampf (216) 10.1 Bundesministerium für Ver- braucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Novellierung des Bundesjagdgesetzes (216) 10.2 Bernadette Calonego: Jagd auf „blutlüsterne Barbaren“ (217) 10.3 Thorsten Engelbrecht: Das Milli- onen-Dollar-Tier – Auf brutale Weise fangen Treibjäger lebende Delfine, um sie mit hohem Gewinn an Marineparks zu verkaufen (217) 10.4 Peter Laufmann: Lizenz zum Töten (217) 10.5 Mario Vargas Llosa: Die letzte Fiesta – Spaniens Streit um den Stierkampf: Ein Plädoyer für die Corrida (217) 10.6 Paul Ingendaay: Ein Kult aus Blut und Empfindsamkeit (218) 11 Tiertötung und Vegetarismus (218) 11.1 Heike Baranzke: Utopie als „Lebensnahrung“ (218) 11.2 Evangelische Akademie Loccum: Fleischverzehr und Nutztier- haltung: Zwischen Lust und Gewissen (218) 12 Tiere in den Medien (218) 12.1 Evangelische Akademie Bad Boll: Tiere in den Medien (218)
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Page 1: Mensch und Mitgeschöpf unter ethischem Aspekt

ALTEX 21, 4/04 199

Literaturbericht 2003/2004, 27. FolgeNach den Neuzugängen des Archivs für Ethik im Tier-, Natur- und Umweltschutz der BadischenLandesbibliothek Karlsruhe

Mensch und Mitgeschöpf unter ethischem AspektGotthard M. TeutschD-Bayreuth

Inhaltsübersicht:

1 Zeitzeichen: Im und gegen den Strom (200)

2 Allgemeines zum Tier und Tierschutz (202)

2.1 Till Bastian: Der Mensch und die anderen Tiere (202)

2.2 Mario Giordano: Der Löwe im Atelier – Tiere in der Kunst (202)

2.3 Bernhard Kathan: Zum Fressen gern – Zwischen Haustier und Schlachtvieh (202)

2.4 Ernst Meckelburg: Das geheime Leben der Tiere (203)

2.5 Livio Piatti: Zoo real: Menschen und Tiere (203)

2.6 Tagesanzeiger Zürich: ( 203)Unverstanden: Das TierBeiträge von Peer Teuwsen, Rico Czerwinski, Max Küng, Marian Blasberg, Erwin Koch

3 Philosophische Ethik (204)3.1 Andreas Brenner, Hrsg.: Tiere

beschreiben (204)Beiträge von Dagmar Borchers, Norbert Brieskorn, Andreas Flury, Angelika Krebs, Konrad Ott, Dietmar von der Pfordten, Jean-Claude Wolf

3.2 Paul. B. Clarke und Andrew Linzey, Hrsg.: Das Recht der Tiere in der menschlichen Gesellschaft (206)Beiträge von Henry S. Salt, Brigid Brophy

3.3 Marcus Düwell und Klaus Steigleder, Hrsg.: Bioethik (206)Beiträge von Klaus Peter Rippe, Angela Kallhoff und Ludwig Siep

3.4 Raimond Gaita: Der Hund des Philosophen (207)

3.5 Mechthild Herberhold und Caspar Söling, Hrsg.: Menschen-rechte für Menschenaffen? (207)Beiträge von Hans Martin Sass, Burkhard Gladigow, Hans Kessler, Heike Baranzke, Hubertus Lutterbach

3.6 Norbert Hoerster: Haben Tiere eine Würde? Grundfragen der Tierethik (209)

3.7 Helmut F. Kaplan: Die ethische Weltformel – eine Moral für Menschen und Tiere (209)

3.8 Jörg Luy und Goetz Hildebrandt: Albert Schweitzer, Leitbild für die Tiermedizin? (ein Nachtrag) (209)

3.9 Petra Mayr: Das pathozentrische Argument als Grundlage einer Tierethik (210)

4 Theologische Tierethik (210)5 Öko-Ethik: Verantwortung für

die Natur (210)5.1 Hans Werner Ingensiep und Anne

Eusterschulte, Hrsg.: Philosophie der natürlichen Mitwelt: Grundlagen – Probleme – Perspektiven (210)Beitrag von Franz-Theo Gottwald

5.2 Hans Lenk und Matthias Maring: Natur – Umwelt – Ethik (211)

5.3 Udo E. Simonis, Hrsg.: Öko-Lexikon (211)

6 Rechtsfragen und Rechtsentwicklung (211)

6.1 Regina Binder: Neues zum Bundestierschutzgesetz (in Österreich) (211)

6.2 Michael Frank: Österreich führt strengstes Tierschutzgesetz der EU ein (212)

6.3 Antoine F. Goetschel und Gieri Bolliger: Das Tier im Recht – 99 Facetten der Mensch-Tier-Beziehung von A-Z (212)

6.4 Almuth Hirt, Christoph Maisack und Johanna Moritz: TierschutzgesetzAusgewählte Themen: Artüber-greifende Humanität, Ehrfurcht vor dem Leben, Mitgeschöpflich-keit, Gerechtigkeit, Gleichheits-grundsatz, Würde der Kreatur (212)

7 Erziehung zu artübergreifender Humanität (214)

7.1 Witja Neitzel: Tiere als Mitge-schöpfe – Eine pädagogische Herausforderung (214)

7.2 Erhard Olbrich und Carola Otter-stedt, Hrsg.: Menschen brauchen Tiere – Grundlagen und Praxis der tiergestützten Pädagogik und Therapie (214)

8 Tierversuche (215)8.1 Heinrich W. Grosse: Xeno-

transplantation aus christlich-ethischer Sicht (215)

8.2 Peer Teuwsen: Wieviele Ratten haben Sie getötet? (215)

8.3 Brigitte Rusche: The 3Rs and Animal Welfare – Conflict or the Way Forward? (215)

9 Tier- und Nutztierhaltung (216)9.1 Agrarbündnis, Hrsg.: Landwirt-

schaft 2004 – Der kritische Agrarbericht (216)

10 Jagd, Meeressäuger, Stierkampf (216)

10.1 Bundesministerium für Ver-braucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Novellierung des Bundesjagdgesetzes (216)

10.2 Bernadette Calonego: Jagd auf „blutlüsterne Barbaren“ (217)

10.3 Thorsten Engelbrecht: Das Milli-onen-Dollar-Tier – Auf brutale Weise fangen Treibjäger lebende Delfine, um sie mit hohem Gewinn an Marineparks zu verkaufen (217)

10.4 Peter Laufmann: Lizenz zum Töten (217)

10.5 Mario Vargas Llosa: Die letzte Fiesta – Spaniens Streit um den Stierkampf: Ein Plädoyer für die Corrida (217)

10.6 Paul Ingendaay: Ein Kult aus Blut und Empfindsamkeit (218)

11 Tiertötung und Vegetarismus (218)11.1 Heike Baranzke: Utopie als

„Lebensnahrung“ (218)11.2 Evangelische Akademie Loccum:

Fleischverzehr und Nutztier-haltung: Zwischen Lust und Gewissen (218)

12 Tiere in den Medien (218)12.1 Evangelische Akademie Bad Boll:

Tiere in den Medien (218)

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1.2 Zur Verbandsklage: einerster SchrittAm 8.3.2004 konnten der Schleswig-Holsteinische Minister für Umwelt, Na-turschutz und Landwirtschaft zusammenmit den Präsidenten des Deutschen Tier-schutzbundes und des „BundesverbandesMenschen für Tierrechte“ der Bundes-pressekonferenz einen Gesetzesentwurffür ein bundesweites Verbandsklagerechtim Tierschutz vorstellen.

In der Pressemeldung des DeutschenTierschutzbundes heißt es dann: „DerSchutz von Tieren darf nicht nur auf dem

1 Zeitzeichen: Im und gegen den Strom

1.1 Gratulation nach ÖsterreichAuch wenn es als Ereignis ein halbesJahr zurückliegt, das am 27. Mai 2004 inseltener Einmütigkeit geschaffene öster-reichische Bundes-Tierschutzgesetz istbedeutend genug, um hier die Meldun-gen im politischen Tierschutzgeschehenzu eröffnen. Vgl. dazu den Bericht imKapitel „Rechtsfragen und Rechtsent-wicklung“ und die Meldung in ALTEX21, 3, 2004, 183.

Papier stehen. Er muss auch umgesetztwerden. Tierschutzverbände brauchendas Recht, den gesetzlich verbrieftenTierschutz durchzusetzen... Das wirk-samste Mittel hierzu ist das Verbandskla-gerecht für Tierschutzorganisationen.‚Wo kein Kläger, da kein Richter.‘ Tiereaber können nicht klagen. Daher müssendie Tierschutzorganisationen die Mög-lichkeit haben, anstelle der Tiere zu klagen, um Tierquäler zu belangen oder auch, um das Tierschutzrecht einzu-fordern, wenn sich Behörden und Regie-rungsstellen hierüber hinwegsetzen...

VorbemerkungenDie mehrfach unternommenen Versuche, den Literaturberichtzu straffen, zeigen endlich Wirkung, allerdings nicht nur als Fol-ge gekürzter Berichte, sondern weil zu unserem Thema immerweniger geschrieben und gedruckt wird. Die Diskussion imlangjährigen Streit um den moralischen Status der Tiere undden endlich geklärten Verfassungsrang des Tierschutzes in derBundesrepublik hat sich erschöpft: Das Problem der Tiere inder Ethik wird zur Rarität. Entsprechend einseitig ist auch dieBioethik auf menschliche Probleme und Grenzfragen ausge-richtet.Dieser so radikal veränderten Lage entspricht ein ebenso tief-greifender Wandel in der Richtung unseres Denkens. In densiebziger Jahren war es das Erschrecken über die via Fernsehenbekannt gewordene Brutalität gegenüber Nutz- und Versuchs-tieren. Aber bald wurden auch die ersten Fragen nach denSchuldigen gestellt. Schwieriger war es dann, die Frage vomschuldbezogenen „Wer“ auf das „Was“ der bewegenden Ursa-chen zu richten.So wie sich die Sozialethik aus der Sozialkritik entwickelte, soentstand aus der Tierquälerei-Kritik die moderne Tierethik. Undin dem Maße wie die Kritik Allgemeingut wurde, trat sie ge-genüber der in den Vordergrund des Interesses rückenden ethi-schen Fragestellung zurück.Im Blick auf die Buchproduktion heißt das: Die tierschutz-rele-vante Literatur gliedert sich in drei Großgruppen:● Haltung, Nutzung und Misshandlung,● Tierschutzrecht,● Tier(schutz)ethik,wobei es immer schwieriger wird, diese drei Gruppen gleich-zeitig zu sammeln. Im Literaturbericht ist die Konzentration undvermutlich auch eine Beschränkung auf die Bereiche Moral und Ethik der Mensch-Tier-Beziehung nicht zu vermeiden. DieMoral wird hier eigens erwähnt, weil damit ein Überborden dertheoretischen Ethik gebremst und der Vorrang der handlungs-leitenden Moral gewahrt werden soll.

Preliminary remarksThe repeated attempts to tighten up the literary report are fi-nally showing effects. This not only as a result of shorter reportsbut also because of the fact that less is being written and pub-lished regarding our topic. The discussion seems exhaustedwhich, for years, dealt with the controversial moral status of an-imals and the – finally – constitutionally sanctioned status ofanimal protection in Germany. The problem of animals in ethicsis becoming a rarity. Correspondingly, bio-ethics is oriented towards human problems and related borderline cases in arather one-sided manner.This radically altered situation corresponds to an equally pro-found shift in the direction of our thinking. In the 1970’s it wasthe shock in reaction to brutality towards T.V.-reports. But soonquestions asking about the guilty were being posed. To directthe question from a guilt-related “who” to the “what” of theunderlying reasons was a more difficult task.Just like social ethics developed out of social criticism, modernanimal ethics developed out of the criticism of cruelty to ani-mals. And, to the degree that this criticism became a commonpublic concern, it lost its importance in comparison to the eth-ical questions now moving into the centre of the interest.In view of book-production this means that animal protection-related literature appears in three major groups:● Husbandry, Use and Abuse● Animal Protection Law● Animal (Protection) Ethics.To collect these three groups at simultaneously is becoming increasingly difficult. The concentration on, and supposedly alimitation to the sectors morals and ethics of the man-animalrelationship cannot be avoided in the literary report. Morals is stressed here in particular in order to limit the excessive dominance of theoretical ethics and to preserve the priority ofaction-guiding morals.

Keywords: ethics, animal protection, killing of animals, animal experimentation, xenotransplantation, animal law, hunting,animal husbandry, vegetarianism

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ALTEX 21, 4/04

Was im Naturschutz selbstverständlichist, soll angesichts der neuen Verfas-sungslage dem Tierschutz nicht verwehrtbleiben.“ S. dazu auch ALTEX 21, 3,2004, 190.

1.3 Frankreichs Jäger siegen vor GerichtUnter diesem Titel heißt es in der F.A.Z.vom 17.10.2003: „Frankreichs Jäger haben vor dem Europäischen Gerichts-hof einen großen Sieg errungen. Nachdem Urteil des Gerichtshofes könnenMitgliedstaaten durch nationale Ausnah-meregeln die Jagd auf Vögel während der Zeiten erlauben, in denen diese Artenbesonderen Schutz genießen. Mehrerefranzösische Tierschutzvereine wolltenmit ihren Klagen erreichen, dass dasfranzösische Dekret über die Jagdzeitenfür Zug- und Wasservögel für nichtig er-klärt wird. In Frankreich gibt es mehrereMillionen Freizeitjäger, die eine starkepolitische Lobby haben. Bei den letztenWahlen zum europäischen Parlament waren die Jäger sogar mit einer eigenenpolitischen Gruppierung ins Parlamentnach Straßburg eingezogen...“

1.4 Dank an die spanischenMitstreiterDer Nordbayerische Kurier berichtet am8./9.4.2004 aus Barcelona: „In einer alshistorisch bezeichneten Erklärung hatsich Barcelona als erste Großstadt in derGeschichte Spaniens für die Abschaffungdes Stierkampfes ausgesprochen. Mit 21 gegen 15 Stimmen und zwei Enthal-tungen verabschiedete der Stadtrat nacheiner hitzigen Debatte eine Resolution...Ein Verbot der ‚Corridas‘ bedeutet derEntschluss zwar nicht, dafür wären eineGesetzesvorlage der katalanischen Regierung und ein Votum des Regional-parlaments nötig. Aber die Resolutionhat einen starken Symbolcharakter.“

Über erste Schritte in dieser Richtungberichtete die F.A.Z. am 29.6.2003: „Jugendliche dürfen dort künftig erst von14 Jahren an als Zuschauer in die Stier-kampfarena. Das beschloss das katalani-sche Parlament jetzt als Teil eines neuenTierschutzgesetzes.“

1.5 Viel Lärm um fast nichts So könnte man den Vierspaltenartikel„Zürichs Bäche sind nicht jugendfrei“

vom 26.8.2003 im Tagesanzeiger (Zürich)kommentieren. Helene Arnet berichtetüber einen restriktiven Eingriff in das Fischereirecht des Kantons Zürich: Kin-dern und Jugendlichen unter 18 Jahrenwird das Fischen in den Fließgewässernverboten. Unberührt bleiben jedoch dieverschiedenen Seen, die als „Freiangel-gewässer“ gelten: „In ihnen dürfen vomUfer her alle angeln. Auch Kinder ohneSpezialerlaubnis.“

Aufs Ganze gesehen sicher kein weit-reichender Fortschritt, aber doch ein erster Schritt und vielleicht zum erstenMal die Entdeckung, dass Fische dochkeine fühllosen Sachen mehr sind, unddas Umgehen mit ihnen auch eine moralische Frage ist. S. dazu auch Victoria Braithwaite in „Science in theService of Animal Welfare“. ALTEX 20, 2, 2003, 110.

1.6 Zu früh gefreut...Wenige Monate später berichtet der Tagesanzeiger am 14.1.2004: „Nirgend-wo in der Deutschschweiz mussten dieJungfischer so lange warten wie im Kan-ton Zürich, bis sie in Bächen und Flüssenfischen durften. Es galt die Altersgrenze18 Jahre. Nun hat der Regierungsrat entschieden, dass bereits Zehnjährige inallen Gewässern fischen dürfen, wenn sie die entsprechende Pachtkarte gelösthaben.“

1.7 Tiere „sterben“ nicht, sie „verenden“?Das ist jedenfalls die Meinung eines Leserbriefschreibers (F.A.Z. vom 23.12.2003 „Verenden“) und beruft sich da-bei auf die „Pflege unserer deutschenSprache, der Sprache Goethes“. Dabeiist zu fragen, ob die übliche Anders-bezeichnung tierlicher Lebensvorgängewirklich eine Frage des Sprachniveausist oder nicht vielmehr ein Akt derSprachregelung zum Zwecke der Rang-erhöhung des Menschen durch Er-niedrigung der Tiere. Schon Schopen-hauer hat diese anthropozentrischeSelbstüberhebung des Menschen kriti-siert (Die Grundlage der Moral, Kap.19, Ziffer 7): „...entsprechend findenwir, auf dem populären Wege, die Eigenheiten mancher Sprachen, na-mentlich der deutschen, dass sie für dasEssen, Trinken, Schwangersein, Ge-

bären, Sterben und den Leichnam derTiere eigene Worte haben, um nicht diegebrauchen zu müssen, welche jene Akte beim Menschen bezeichnen, undso unter der Diversität der Worte dievollkommene Identität der Sache zuverstecken...“

1.8 „Ohne Ketten“Unter dieser Überschrift berichtet dieF.A.Z. vom 15.10.2003 über den am 17. Oktober gefassten Beschluss derdeutschen Länderkammer, der die Hal-tung bestimmter wildlebender Tier-arten... in Zirkusbetrieben verbietenwill. Antragsteller war das Land Hessenauf Anregung der beamteten Landestier-schutzbeauftragten Madeleine Martin.

1.9 Ein eher symbolischesZeichensetzte das Bundesland Berlin mit dem2003 über eine Änderung des Landes-jagdgesetzes erfolgten Verbot vonSchlagfallen. Auch wenn von dem Verbotim Stadtstaat Berlin keine quantitativ belangvolle Wirkung ausgehen kann, alsPräzedenzfall ist es ein erster Schritt. Duund das Tier 2003, 4, 30.

1.10 Norwegen verbietetFerkelkastrationDer Tierreport (Zürich 2002, 2, 25) be-richtet: „In Norwegen werden jährlich650.000 männliche Ferkel ohne Betäu-bung kastriert. Dies soll sich nun ändern. Das norwegische Parlament ent-schied trotz vehementer Opposition derSchweinezüchter, die Ferkelkastrationab 2009 zu verbieten. Bis zu diesemZeitpunkt darf der schmerzhafte Ein-griff nur noch von Tierärzten unterBetäubung durchgeführt werden.“

1.11 Israel verbietet Zwangs-fütterung von GänsenDu und das Tier, 2003, 5, 19 berichtet:„Das oberste Gericht Israels hat dieZwangsfütterung von Gänsen und Enten zur Erzeugung von Stopfleber(foie gras) von 2005 an verboten... Israel ist weltweit der viertgrösste Pro-duzent von foie gras nach Frankreich,Ungarn und Bulgarien. In Deutschlandist die Zwangsfütterung von Enten undGänsen durch das Tierschutzgesetz ver-boten.“

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● Von Paulus Potter (1625-1654): Die Verurteilung des Jägers: „Wie ein Jäger vonden Tieren vor Gericht gestellt wird“ (16);● Von Edward Hicks (1789-1849): DasKönigreich des Friedens: „immer wiedermalte er das Reich des Friedens aus derBibel“ (24).

Beide Utopien haben eine lange Über-lieferung, aber die Gerichtsidee ist weni-ger bekannt und beruht auf der Vor-stellung vom jüngsten Gericht, wenn dieTiere auftreten, um die Menschen wegenihrer Unmenschlichkeit zu verklagen. Ineiner Predigt von 1535 hat Luther diesenGedanken aufgegriffen: „Darum hat manvor Zeiten auf der Kanzel recht gesagt,dass am jüngsten Tag alle Kreatur überdie Gottlosen Zeter schreien werden,dass sie ihrer hier auf Erden missbrauchthaben, und werden sie anklagen als Tyrannen, welchen sie haben müssen unterworfen sein wider alles Recht undBilligkeit.“ (Zitiert nach G. M. Teutsch:Soziologie und Ethik der Lebewesen,1975, 162.)

2.3 Bernhard Kathan: ZumFressen gern – ZwischenHaustier und SchlachtviehDer saloppe Titel lässt den zum Teil beklemmenden Ernst des Themas nichterkennen. Zutreffender ist schon derrückseitige Klappentext, wo von einer„Kulturgeschichte der Beziehung desMenschen zum Tier“ die Rede ist, wennauch ohne Hinweis auf die zentrale Frage nach dem Töten und dem Tod beiTieren und Menschen.

Über die Geschichte des Tierschutzesund der Tierethik ist im Verlaufe der letzten zwei Jahrzehnte viel geschriebenworden, alle anderen Entwicklungenwurden aber nur selten behandelt; zuletztin ALTEX 19, 4, 2002, 187-188.

Wer es nicht aus irgendeinem Grundetun muss, wird sich mit diesem Themen-kreis nicht befassen, auch nicht lesend.Trotzdem ist es notwendig, über die Um-stände und das Geschehen der Schlach-tung informiert zu sein, wenn man sich –wie üblich – ohne die Details dazuäußert.

Jedoch ist die zu diesem Thema vor-handene Literatur oft ungeeignet. Ist sienaturwissenschaftlich, so ist sie für Fach-leute geschrieben und dem Laien schwerzugänglich, ist sie emotional motiviert,

so sind die Objektivität der Darstellungund der Seelenfrieden der Lesenden ge-fährdet. Aber wenn wir schon nur so we-nig an Abhilfe leisten können, sollten wir uns der quälenden Lektüre der denTieren zugefügten Grausamkeit nichtentziehen: Eine gestörte Nachtruhe istnoch das Mindeste, was wir an solidari-schem Mitleiden aufzubringen hätten.Mitleid aus dem Ohrensessel ist hiernicht gefragt.

Bei der Lektüre sind einige Passagenals für das Schlachten in Vergangenheitund Gegenwart besonders charakteri-stisch aufgefallen.

Für wie maßlos überheblich derMensch noch im 18. Jahrhundert seinePosition in der vermeintlich nur für ihnerschaffenen Welt einschätzen konnte,erhellt aus der Meinung, die höchste Bestimmung der Tiere bestehe darin, denMenschen zu möglichst genussreicherNahrung zu dienen, ausgeführt am Bei-spiel des Gänsestopfens (26): „Dies Ver-fahren würde sogar eine unmenschlicheMarter für sie sein, wenn nicht der Ge-danke an die hohe Bestimmung, die ihrerharrt, ihnen zum Troste gereichte. DieseAussicht aber veranlasst sie, ihr Kreuzmit Ergebung zu tragen...“

Nur da, wo der Bezug zum höherenNutzen des Menschen fehlt, wurde Grau-samkeit als abzulehnende Tierquälereiverstanden; das galt auch in Bezug aufTierversuche (38): „Die Physiologen, diean lebenden Tieren experimentierten,mussten sich gegen den Verdacht be-haupten, Tiere zu quälen. Da Tiere, so-fern sie nicht betäubt werden, für vieleder damaligen Laien Schmerzen empfin-den mussten, ließen sich solche Versuchenur durch höhere Ziele rechtfertigen.“

Die angesichts früherer Grausamkeiterleichternde Hoffnung, dies alles seidoch Vergangenheit, kann uns Heutigenicht beruhigen. Das Kapitel zur Ent-stehung und Praxis der Schlachthäuser(58-72) belehrt uns eines Anderen.Nichts kann die unmenschliche Techni-sierung des modernen Schlachtens deut-licher machen als der Versuch, ein Tierauf seinem Leidensweg in Gedanken zubegleiten, vom Einschleusen in dasFließbandsystem bis zum Betäuben und„Stechen“.

Im sauber auf unblutiges Papier ge-druckten Bericht heißt es dazu (64-65):

2 Allgemeines zum Tier undTierschutz

2.1 Till Bastian: Der Menschund die anderen TiereIn dieser breit angelegten kritischen Kulturgeschichte der Mensch-Tier-Be-ziehung sind für den Literaturbericht insbesondere die tierethisch relevantenThemenbereiche von Interesse.

Zu den das Mensch-Tier-Verhältnis bestimmenden Überheblichkeiten desMenschen gehört die Gewohnheit, diebesonders grausamen Verbrechen als tierisch, viehisch, brutal oder bestialisch– also dem Tier zugehörig – zu bezeich-nen, während es sich doch um (42) „typisch menschliche“ Grausamkeit handelt. Der Mensch ist also nicht (wie man einmal gemeint hat), der Wolf seines Mitmenschen, „sondern ein weit-aus schlimmerer Plagegeist, denn er isthinterlistiger, rachsüchtiger und grausa-mer als jedes andere Tier“(43).

Die Frage der Fleischnahrung wird inzwei Teilkapiteln (116-121) behandelt.Zuerst wird der Mensch (119) als „Alles-fresser“ vorgestellt, was aber „keines-wegs bedeutet, dass wir uns nicht trotz-dem aus guten Gründen für sie (diefleischfreie Ernährungsweise) entschei-den können oder sogar sollen“. Zur Be-gründung dieses „Sollens“ beruft sichder Autor (120) „auf das Gefühl, esschlicht und einfach nicht mehr zu wol-len, dass andere Lebewesen nur deshalbsterben müssen, damit ich sie essenkann“.

Im Anschluss kommt er (124-125) aufAlbert Schweitzer zu sprechen, auch mitdem Problem der Unvermeidbarkeit desTötens, ein Thema, das immer wiederAnlass zu Diskussionen liefert.

2.2 Mario Giordano: Der Löweim Atelier – Tiere in der KunstWer des Wortesuchens müde, gelegent-lich Erhellung oder Inspiration von Bil-dern erwartet, hat es nicht etwa leichter,sondern muss auf seine Weise suchen,um zu finden. Zwei eingegangene Kunst-bücher lassen dies erkennen, wenn auchnur mit Hilfe des Autors, der die Bilderausgewählt und andeutungsweise auchkommentiert hat. Darunter sind zwei denutopischen Träumen der Tierfreunde ge-widmet:

Page 5: Mensch und Mitgeschöpf unter ethischem Aspekt

TEUTSCH

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„Wenn in einer Minute vier Schweinemit Hilfe einer Elektrozange betäubt undgestochen werden, dann macht das in einer Stunde 240 Tiere und in zehn Stunden, so lange dauert der Durchgang,2400 Tiere... Wie könnte man sich danoch um ein einzelnes Tier kümmern?“

Dazu noch eine Ergänzung an andererStelle (94): „Kein anderes Tier vermagseiner Todesangst solchen Ausdruck zu verleihen wie das Schwein. JenesQuieken der Schweine, die zur Schlacht-bank getrieben werden, lässt sich mitkaum einem anderen Laut vergleichen,den Tiere in der Lage sind, von sich zugeben... Wo bleibt Upton Sinclairs Gottder Schweine, der jedes einzelne Tierkennt, sei es rosa, schwarz oder braun,dünn oder gefleckt? Dem diese Schwei-nepersönlichkeit teuer wäre, dem dieseSchreie und Qualen etwas bedeuteten,der einen Platz im Schweinehimmel frei-hielte, das Schwein in seine Arme nähmeund es tröstete...“

2.4 Ernst Meckelburg: Dasgeheime Leben der TiereDieses Buch wird hier nicht eingeführt,um über die erstaunlichen Leistungentierlicher Intelligenz zu berichten, dasgeschieht seit langem schon in den Zeit-schriften und den Wissenschaftsbeilagender Presse. Es geht vielmehr um eine Zusammenschau der vielen Einzelmel-dungen, wie sie aus der spezialwissen-schaftlichen Forschung kommen. Undeben diese Zusammenschau hat ihreWerkstatt weniger im Speziallabor als in der wissenschaftsjournalistischen Re-daktion.

Nicht immer werden wissenschaftlicheFragen mit der nötigen Konsequenz be-handelt; das wird an dem vom Autor auf-gegriffenen Streitfall um die ElberfelderWunderpferde (174-178) deutlich. In ALTEX 19, 4, 2002, 173 wurde darüberanhand eines Beitrages von Heike Ba-ranzke berichtet.

Der Literaturbericht hält sich in dieserThematik eher zurück, um den Eindruckzu vermeiden, Tiere seien vorrangig nach Maßgabe ihrer menschenähnlichenQualitäten zu beachten. Die darauf be-ruhende Höherschätzung reich ent-wickelter Arten führt nämlich unweiger-lich zu einer Abwertung aller Übrigen, ja sogar zu einem Ausschluss aus dem

Verantwortungsbereich des Menschen.Das ist ja auch die Folge der Rangstufenverteilenden Diskussion um den unter-schiedlichen moralischen Status der Tiere.

2.5 Livio Piatti: Zoo real:Menschen und TiereDas Thema Menschen und Tiere im Bildwurde schon anhand des Bildbandes vonMario Giordano vorgestellt. Hier aller-dings wirken Bild und Wort gleich-gewichtig zusammen. Ob dabei auch die vor der Einleitung hervorgehobenplatzierte Frage von Elias Canetti be-dacht werden sollte: „Sich auszudenken,was Tiere an einem zu loben fänden“, istschwer zu sagen. Die Einführung vonTilmann Allers und das Nachwort vonAntoine F. Goetschel geben zwar denkompetenten Rahmen für die Fotos vonMeister Piatti, aber keine Antwort auf diewohl nur an sich selbst gestellte Frage.

Unmittelbar zu den Bildern gehört dertagebuchartige Text von Piatti; hier eineAuswahl der Themen:● Alltag im Labor (9, 10, 12)● Aus der tierärztlichen Arbeit imFlughafen Zürich (24)● Hummer (28, 29)● Überreste von Tieren in derAsservatenkammer der Zollbehörde (38)● Katzenausstellung in Dietikon (41-43)● Angeln im Forellenzuchtbetrieb (59)● Gottesdienst mit Tieren in der OffenenKirche Elisabethen in Basel (60)● Ein Kalb wird betäubt (68)

Das Besondere an den Bildern ist dieZurückhaltung gegenüber der mit demGeschehen zu verbindenden Grausam-keit. Das hängt einerseits damit zu-sammen, dass der Fotograf oft nur mitGenehmigung ablichten darf, vermutlichaber auch mit einer Eigenart des Künst-lers, das direkte Grauen zu meiden.

2.6 Tagesanzeiger Zürich:Unverstanden: Das TierDas der Mensch-Tier-Beziehung ge-widmete Magazin mit insgesamt 11Beiträgen ist für den Literaturbericht etwas Besonderes. Hier kommen wederdie tangierten Verbände, Institutionenoder Behörden zu Wort, sondern (soweitdies möglich ist) die so selten greifbare„Öffentlichkeit“.

Dementsprechend geht es hier umMeinungen aus der Sicht eines neutralen

Beobachters und wird eines der „grossenAlltagsthemen“ behandelt. Dass diesesThema im Editorial von Res Strehle sobezeichnet wird, ist ein wichtiger Hin-weis, dass sich der Tierschutz vom Vereinsziel zum gesellschaftlich-öffentli-chen Diskussionsthema gewandelt hat.

Für den Literaturbericht sind fünf derBeiträge wichtig; dabei geht es um Tier-versuche, das Freizeitangeln, den Tod eines Hummers, einen Unfall und dasUmgehen mit toten Haustieren.

2.6.1 Peer Teuwsen: WievieleRatten haben Sie getötet? (7)Der Beitrag ist als Besuch im „Institutfür Nutztierwissenschaften“ der ETHZürich angelegt, wo es zu Gesprächenmit einem Doktoranden und einem Professor kommt. Vom Professor heißtes: „Der Professor geht nicht mehr oft ins Untergeschoss, wo die Tiere sind. Erhat anderes zu tun... Er sagt: ‚Ich achtedas Tier, aber der Mensch ist ihm über-geordnet. Das Tier hat keine Seele, derMensch schon. Wir dürfen das Tier in einem adäquaten Rahmen für unsereZwecke, also im Kampf gegen Krank-heiten, nutzen. Ja, ich lebe im Bewusst-sein, etwas Sinnvolles zu tun.‘“

Am Schluss des Berichtes wird dannder Doktorand wie folgt zitiert: „... ichmuss als Wissenschaftler ganz tief innenüberzeugt sein, dass der Mensch mehrwert ist als jedes andere Lebewesen. Dasmuss nicht richtig sein, aber ich mussdaran glauben...“

Wenn wir Tiere anders und zumeistschlechter behandeln als Unseresglei-chen, müssen wir laut Gleichheitsgrund-satz (Gleiches gleich, Ungleiches andersbehandeln) angeben können, auf wel-chen Mensch-Tier-Unterschied wir unszur Rechtfertigung berufen. Der Dokto-rand glaubt (1), dass der Mensch mehr,das Tier weniger wert sei, und (2) dassdieser Unterschied ausreiche, um Tier-versuche zu rechtfertigen. Dass er diesnicht einfach als selbstverständlich behauptet, sondern die Möglichkeit desIrrtums einräumt, ist als Ausdruck intel-lektueller Redlichkeit ausdrücklich zuwürdigen.

Aber selbst wenn man auf eine Be-gründung des Wertunterschiedes verzich-ten würde, die Frage, warum das Mehr-wertige das Wenigerwertige benutzen

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und vernichten darf, ist noch nicht hin-reichend beantwortet.

2.6.2 Rico Czerwinski: Angelnkinderleicht (28)Im Fettdruck nach der Überschrift: „Fin-dige Fischzüchter haben ein neues Geschäftsfeld entdeckt. Sie bieten inübervollen Teichen Angeln als Freizeit-vergnügen an...“

Auch hier wird nach der Moral ge-fragt, wie der Mensch mit dem Fisch um-geht. Als Antwort heißt es: „... nehmenwir nur mal an, ... es wäre umgekehrt ge-wesen, und der Fisch wäre zum Super-fisch mutiert, nehmen wir an, er wäre ausseinem Forellenteich herausgestiegenmit so einem Knüppel, was wäre pas-siert, hätte er auch nur einen Moment ge-zögert? Hätte die Superforelle darübernachgedacht, ob sie das Recht dazu be-säße, ihm mit dem Knüppel den Kopfeinzuschlagen?“

Zur Regel generalisiert würde dasheißen: Behandle einen Unterlegenen so,wie du befürchtest von ihm behandelt zuwerden, wenn er der Überlegene wäre.

2.6.3 Max Küng: Ein Hummernamens Arnold (13)Szene im Kaufhaus Globus: Ein Kundefragt: „Haben Sie frischen Hummer?“Der Verkäufer bejaht, alles Weitere ver-läuft erwartungsgemäß. Aber zu Hause inder Küche und Aug in Auge mit dem Tierist alles anders. Aber es gibt kein Zurückmehr. Das Wasser im Topf sprudelt, undKopf voran, so die Kochanleitung, ver-schwindet er. Fazit: „Es tut mir schreck-lich leid. Ich werde es nie mehr tun. Ichverspreche es.“

Bewusst oder unbewusst beschreibtder Autor einen Prozess, der mit einemgedankenlosen Einkauf beginnt und ohneanthropomorphes Pathos eine tiefrei-chende Wandlung vollbringt.

2.6.4 Marian Blasberg:Liebeserklärung in bar (24-26)„850 Kilo Blech rammen 27 Kilo Hund.Arzt- und Spitalrechnung betragen3.752.60 Franken.“ Frauchen wird be-fragt (26): „War das nötig? Sehen Sie,wir sind hier in der Schweiz. Hier gebenandere das Gleiche für ein Abendessenoder die Mitgliedschaft in einem Tennis-klub aus.“

Es hat sich vieles verändert in den letz-ten 20 Jahren. Auch das Umgehen mitKrankheit und Tod der Familientiere (25):„Vor drei Jahren befragte eine SchweizerTierpsychologin für ihre Abschlussarbeit300 Menschen über den Verlust ihres Tie-res. Mehr als die Hälfte gab an, den Todeines Familienmitglieds zu betrauern.“

2.6.5 Erwin Koch: Die Kund-schaft geht in Rauch auf (10)Anhand der Schilderung, wie ein Ehe-paar den toten Familienhund ins Krema-torium bringt und die verschiedenen Vor-gänge erlebt, wird vieles deutlich oderdoch angedeutet, was schwer in Wortenauszudrücken ist. Die im Editorial be-kundete Absicht „Wir moralisierennicht“, wurde durchgehalten, aber ein eigens eingerichteter Abschiedsraum lädtein zum meditativen Verweilen.

Tierkrematorien wurden auch in ande-ren Städten eingerichtet, so auch in Mün-chen 2003. Auch hier wurde ein Raumder Stille gestaltet; zum Inventar gehörtein Pult mit aufgeschlagener Bibel (Rö-merbrief Kap. 8, 19-22), wo vom „ängst-lichen Harren der Kreatur“ die Rede istund von Hoffnung. Vgl. dazu den Berichtüber den Bundesverband der Tierbestat-ter in ALTEX 16, 4, 1999, 214.

3 Philosophische Ethik

3.1 Andreas Brenner, Hrsg.:Tiere beschreibenWer sich ein Bild machen will von derVielfalt theoretischer Zugänge zum Tier,der findet hier eine unerwartet reiche Aus-wahl anspruchsvoller Texte, darunter auchfolgende aus dem Bereich der Tierethik.

3.1.1 Dagmar Borchers:Ein tierisches Problem für dieTugendethik?Einen Gesamteindruck von diesem Bei-trag zu vermitteln, ist in diesem Falleschwierig. Da ist der entsprechende Passus der Einleitung des Herausgebersbesonders hilfreich (11): „Dagmar Bor-chers geht in ihrem Beitrag der Fragenach, ob die Tugendethik ein Verhaltenzum Wohl der Tiere begründen kann. Ineiner entsprechenden Untersuchung be-findet sich die Tugendethik, nach Mei-nung von Borchers, bereits von Beginn

an in der Defensive, erweist sie sich dochin normativer Hinsicht als weniger präzi-se als die Konkurrenzunternehmen...“ Inden Erwartungen auf diese Weise zurück-geschraubt, fördert die Lektüre dennochtierethisch relevante Einsichten zutage wieetwa die Weigerung (221): „den morali-schen Status der Tiere auf der Basis ihrermentalen Fähigkeiten zu bestimmen“.

3.1.2 Norbert Brieskorn:Menschenrechte und Tierrechte(153-174)Tierrechte werden neuerdings häufiger inVerbindung mit Menschenrechten disku-tiert, 1994 im Anschluss an den Sammel-band von Paola Cavalieri und Peter Sin-ger „Menschenrechte für die GroßenMenschenaffen“ (ALTEX 12, 4, 1995,211) und nun von Norbert Brieskorn.

Von den Menschenrechten als Grund-lage ausgehend, findet der Autor eineneigenen Zugang zu den Tierrechten undgeht dabei auch auf die Argumente derBefürworter und Gegner ein, und zwarzunächst mit der Frage: „Welche Beweis-gänge taugen nicht dazu, Tieren Rechteabzusprechen?“ (165-166), und dann mitder Gegenfrage: „Welche Beweisgängetaugen nicht dazu, Rechte der Tiere zubegründen?“ (169-170).

Ein lange vernachlässigter, aber ergie-biger Zugang zu den Tierrechten eröffnetsich aus der geistesgeschichtlichen Argu-mentationslinie, die von der Gerechtig-keit ausgeht. In ALTEX 19, 4, 2002, 172wird über einen antiken Text des Porphy-rios‘ „Gedanken zur Gerechtigkeit ge-genüber den Tieren“ berichtet, und inALTEX 15, 4, 1998, 167 wird die vonManuela Linnemann besorgte Neuediti-on von Wilhelm Dietlers 1787 erschiene-nen Abhandlung „Gerechtigkeit gegenThiere“ vorgestellt. Eine Monographiezu diesem Thema liegt aber nicht vor.

Auch moderne Autoren erkennen dieBedeutung dieser Argumentationslinieund haben mit diesem Gedanken Eingangin die neuen Kommentare gefunden.

3.1.3 Andreas Flury: Die Würde von Tieren und Pflanzen– Eigenheiten und moralischeImplikationen eines neuge-prägten Begriffs (245-269)Wenn wir von „Würde der Kreatur“ odervon „geschöpflicher Würde“ sprechen,

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denken wir meistens nur an Tiere und be-stätigen damit, dass wir zwar die Würdeder Lebewesen meinen, aber immer nochMühe haben, vegetatives Dasein als Leben im Vollsinn zu verstehen. Die Floskel vom „Dahinvegetieren“ bringtunsere abwertende Einstellung deutlichzum Ausdruck.

Es hat gewaltiger Anstrengungen be-durft, menschliches und tierliches Lebenals Form eines gemeinsamen Lebendig-seins zu akzeptieren. In diese Gemein-samkeit auch noch die Pflanzenwelt ein-zubeziehen, ist noch schwieriger, abereigentlich nur der nächste Schritt, dender Autor schon im Titel seines Beitragesanvisiert. So wird auch verständlich, dasser sich dem Trend verweigert, die mora-lische Beachtung der Lebewesen von deren mentalen Qualitäten abhängig zumachen, die nur den Menschenähnlichenzugute kommt, während die Masse derübrigen aus der Schutzkompetenzmenschlicher Humanität herausfällt.

Dies erkennend, folgt Flury Paul W.Taylor (Respect for Nature), indem er(250) schreibt: „Seiner Auffassung zufol-ge ist das Lebendigsein gleichzeitig not-wendige wie hinreichende Bedingungdafür, dass einem Wesen inhärenter Wertzugesprochen werden kann. Die ange-messene Einstellung gegenüber einemsolchen Wesen besteht in der Haltung desRespekts.“

Zur Frage nach der geschöpflichenWürde ergibt sich dann die Antwort(254) so: „Von einem Wesen aussagen, esbesitze Würde, heißt einen nichtinstru-mentellen Wert anerkennen, den diesesWesen aufweist. Dies heißt im vorliegen-den Falle, dass Tieren und Pflanzen einWert zugeschrieben wird, der unabhän-gig vom möglichen Nutzen besteht, dersich aus diesen Wesen ziehen lässt... Derinhärente Wert dieses Wesens verdanktsich nicht menschlicher Setzung, son-dern seiner Eigennatürlichkeit und Ei-gengesetzlichkeit.“

3.1.4 Angelika Krebs: Spracheund LebenGenauer gesagt (175): Es geht um dasLebensrecht nicht-sprachbegabter Tiere,d.h. „Wer für die Sprachabhängigkeit desLebensrechtes argumentieren will, kanndas in den folgenden fünf Schritten tun:● Leben ist nicht heilig.

● Das Recht auf Leben gründet in derGerichtetheit unserer Existenz auf dieZukunft.● Empfindungsfähigkeit begründet keinRecht auf Leben.● Ohne Sprache gibt es keine Gerichtet-heit der Existenz auf die Zukunft.● Also kommt nur Sprechern ein Le-bensrecht zu.“

Die Autorin verfolgt diese Schritte,kommt aber nicht zu dem erwarteten Er-gebnis (176): „Das moralische Recht aufLeben scheint nicht an Sprachfähigkeitgebunden zu sein. Auch Nicht-Sprechernkann das Lebensrecht zukommen.“

Auch wer statt von Heiligkeit nur vomEigenwert des Lebendigen spricht, wirdden Versuchen, nur hochentwickeltenTieren einen moralischen Status ein-zuräumen, die Nutzung und Tötung alleranderen aber als ethisch irrelevant anzu-sehen, widersprechen.

3.1.5 Konrad Ott: ZumVerhältnis von Tier- undNaturschutz (124-152)Eine gründliche Untersuchung unter soverschiedenen Aspekten wie Anthropo-zentrismus (125), Sentientismus (126),Biozentrismus (132-135), der ökozentri-schen Landethik von Aldo Leopold (136-141) und schließlich des von Martin Gorke vertretenen Holismus (141-145).

Die tierethische Relevanz dieser Aspek-te ist zwar immer wieder spürbar, wirdaber selten so deutlich wie im letzten Ka-pitel „Begründungen des Artenschutzes“(146): „Wenn bspw. die unter Tierschutz-aspekten problematische Entwicklungvon sog. Hochleistungskühen, die pro Jahr10.000 Liter Milch produzieren sollen,dazu führt, dass solche Kühe nicht mehrvom Grünland ernährt werden können,dessen Erhaltung aus Naturschutzsichtwünschenswert ist, so können Tierschüt-zer und Naturschützer gemeinsam Strate-gien entwickeln, wie eine naturschutz-orientierte Grünlandweidewirtschaft mitweniger ‚produktiven‘, dafür artgemäßerlebenden Tieren ökonomisch rentabel be-trieben werden kann.“

3.1.6 Dietmar von der Pfordten:Tierwürde in Analogie derMenschenwürde (105-123)Es gibt durchaus verschiedene Möglich-keiten, sich ein Bild von der Würde der

Kreatur zu machen. Der Autor hat sichim vorliegenden Falle für die Methodeentschieden, vom Bekannten und Ver-trauten der Menschenwürde auszugehenund von dort aus das Wesen der Tierwür-de zu bestimmen, eine Methode, die je-doch mit der Gefahr verbunden ist, einanthropologisch bestimmtes Bild zu lie-fern, das durch seine Defizite gegenüberder Menschenwürde bestimmt wird. Sokommt er (116) zu folgendem Ergebnis:„Da nun aber Tiere mangels Vernunft so-weit wir wissen niemals die Fähigkeit erwerben können, sich zu ihren eigenenund fremden Trieben und Bedürfnissenauf einer zweiten Stufe vernünftig be-wertend zu verhalten, kommt ihnen jen-seits der einfachen Belange und Interes-sen erster Stufe, welche die ethischeBerücksichtigungswürdigkeit ihrer Be-dürfnisse, Belange oder Interessen auslö-sen, keine inhärente Tierwürde in Analo-gie zur Menschenwürde zu.“

Auf der Suche nach anderen methodi-schen Zugängen stößt man bald auf dieMöglichkeit, vom Allgemeinen einerzunächst nur hypothetisch anzunehmen-den Lebewesen-Würde aus, nach der speziellen Würde der Pflanzen, Tiere undMenschen zu fragen. Der dies denkendeMensch tritt sozusagen aus sich selbstheraus und wird zum Betrachter der Lebenswelt um sich, jede Kategorie desLebendigen für sich und nicht als Konstrukt des Menschen. Erst dann können spezifische tierliche oder pflanz-liche Qualitäten ins Spiel kommen, dienur sie haben, nicht aber der Mensch.

3.1.7 Jean-Claude Wolf:Interspezies-Unparteilichkeit?Kritische RückfragenEine Lektüre für Liebhaber von philosophischen Tiefbohrgängen, derenGesamtverlauf wie ein Gang durch einBergwerk mit den verschiedensten Bodenschätzen anmutet. Zu insgesamt13 Fragen wird nach Antworten „ge-schürft“, die meisten von allgemeinemInteresse und lebensnah; so z.B. Themenzur Unparteilichkeit, zum Pathozentris-mus und zur gleichen Interessenab-wägung (191-196).

Im weiteren Verlauf der Lektüre ge-winnt man den Eindruck, der Autor lasseuns unmittelbar am Gang seines be-sonders von Emerson (1803-1882) ange-

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regten Denkens teilnehmen. So ist (197-203) vom Konflikt zwischen Konformis-ten und Non-Konformisten die Rede, eine Situation, in der sich der Vegetarierals Nicht-Konformist oft isoliert fühltund der Selbstaffirmation bedarf, um bestehen zu können.

Dass Wolf auch diesen Bezug im Augehatte, ergibt sich aus dem Schlusskapitel(204-205) „Toleranz gegenüber Nicht-Vegetariern“, ein Text, an dem die Lektüre oft unterbrochen wird, weil mansich vor neue Fragen gestellt sieht oderzum Widerspruch herausgefordert. Oderist es etwa einfach, sich in einem Ozeander Gleichgültigkeit gegenüber dem perfekt verdrängten Leiden der Millio-nen Schlachttiere zu befinden?

3.2 Paul B. Clarke und AndrewLinzey, Hrsg.: Das Recht derTiere in der menschlichenGesellschaftUnter diesem Titel haben die beiden Autoren einen Sammelband von ins-gesamt 24 Beiträgen veröffentlicht. DasBuch bietet einen umfassenden Einblickin das Denken der westlichen Philoso-phie von der Antike bis zur Gegenwart,aber mit höchst unterschiedlicher Rele-vanz und Aktualität der Themen. Ent-sprechend erfolgt die Auswahl der zitier-ten Texte.

Um dem Ganzen eine übergeordneteEinsicht zu vermitteln, weist Tom Reganim Vorwort auf das „Auftauchen einesneuen Paradigmas“ hin, wobei es sichum mehrere konkurrierende Richtungenhandelt. Jedoch ist das Hauptthema immer dasselbe: „Der traditionelle mora-lische Anthropozentrismus ist tot... Pro-tagoras ein für allemal zu begraben.“

Dabei sind zwei Einschränkungenhinzunehmen, die erste macht Tom Regan, wenn er das neue Paradigma als„ein derzeit wohl eher hoffnungsvollesdenn deskriptives Konzept“ bezeichnet,mit der zweiten warnt er vor der Über-schätzung unseres Wirkens: „UnsereStimme spricht meistens auch nur zu denBekehrten und wird auch nur von ihnengehört.“ Dass Anthropozentriker durchArgumente selbstkritischer werden,kommt zwar vor, ein öffentlicher Fron-tenwechsel wie etwa 1986 von MichaelAllen Fox (nicht zu verwechseln mitMichael Fox) vom Verteidiger zum

Gegner von Tierversuchen, ist aber seltene Ausnahme.

Vielleicht müssen wir uns damit be-gnügen, Überzeugungen zu festigen undMotivationen für entsprechendes Han-deln zu stiften: Schließlich entsteht dasmeiste, was wir zugunsten von mehr Gerechtigkeit für die Tiere tun, aus zu-sätzlichem Engagement und Nutzungs-verzichten, die leicht zu fordern undschwer zu leisten sind.

3.2.1 Henry S. Salt (1851-1939): Das Prinzip des TierrechtsDieser Band enthält (185-193) einen Bei-trag des berühmten Autors aus dem Jahre 1892, in dem er ein selten realisti-sches und in den Grundlinien heute nochzutreffendes Bild der tierschützerischenMöglichkeiten entwirft (190): „Gestehenwir uns freimütig die immensen Schwie-rigkeiten ein, die der Befreiung der Tiereim Wege stehen. Unsere Beziehung zuden Tieren ist schwierig und durch zahl-lose Gewohnheiten vergiftet, die durchJahrhunderte des Misstrauens und derBrutalität hindurch weitergegeben wur-den. Wir können diese Gewohnheitennicht in allen Fällen plötzlich ablegenoder vollständige Gerechtigkeit üben,auch dort nicht, wo wir erkennen, dassGerechtigkeit geübt werden muss. Einevollkommene Ethik der Menschlichkeitist deshalb nicht praktizierbar, wennnicht undenkbar.“

Praxisorientiertes Denken hat immerwieder versucht, diesseits der bejahtenund gewollten Gerechtigkeit bescheide-nere Forderungen zu stellen und wenig-stens diese durchzusetzen. In ALTEX 18,4, 2001, 245 wird auf einen Vorschlag indieser Richtung von Dieter Birnbacherhingewiesen: Neben der unstrittigenLeitfunktion der als Ziel angestrebten„Idealnorm“ wird eine realitätsnähere„Praxisnorm“ etabliert. Das Problem dabei besteht jedoch in der Gefahr, die Forderungen immer mehr der eigenenBequemlichkeit anzupassen.

3.2.2 Brigid Brophy: Die Rechteder Tiere (202-209)Aus dem die Probleme sehr direkt undunkonventionell angehenden Beitrag hierdie ersten zwei Abschnitte: „Würde manmorgen ankündigen, dass jeder, dem ge-rade danach ist, ohne Vergeltungsmaß-

nahmen oder Gegenklagen zu riskieren,an einem Fenster im vierten Stock stehenund ein Stück Schnur hinaushängen las-sen kann, an dessen Ende etwas Essbares(und die Aufschrift ‚gratis‘) angebrachtist, um darauf zu warten, dass ein Passantdavon abbeißt, und ihn dann, nachdemsich ein im Essen versteckter Haken inseiner Wange oder seinem Schlund ver-fangen hat, in den vierten Stock hinaufzu-ziehen und dort mit einem Knüppel zu er-schlagen, dann würden, glaube ich, wohlnicht viele diese Gelegenheit nutzen.

Ich stelle mir vor, der Mehrzahl dervernünftigen erwachsenen Menschenwürde vermutlich schon beim bloßenGedanken daran schlecht werden. Abervernünftige erwachsene Menschen tundas Äquivalent dessen täglich den Fischen an: nicht in Panik, aus... ideolo-gischer Verblendung oder vielleicht ausGier... sondern zum Vergnügen. Die zivilisierte Welt ist darüber nicht empört.Im Gegenteil: dass jemand aus Liebhabe-rei angelt, wird oft als Garantie für einengediegenen und harmlosen Charakteraufgefasst.“

3.3 Marcus Düwell und KlausSteigleder, Hrsg.: BioethikZur Einführung heißt es im Vorwort: „Inder Bioethik geht es darum, mit Hilfe der methodischen Möglichkeiten der phi-losophischen Ethik Problemkontexte zuuntersuchen, in denen der Umgang mitdem Lebendigen zu einem Problem geworden ist.“ Jedoch wird die Entwick-lung von den Anfängen einer Art „philosophische(n) Medizinkritik“ (21)bestimmt. So kommt denn auch die Tierethik nur in zwei von insgesamt 38Textbeiträgen zu Wort.

3.3.1 Klaus Peter Rippe:Tierethik (405-412)Als ordnende Struktur der zu bewältigen-den Tierethik-Konzepte hat der Autor dasabgrenzende Begriffspaar egalitaristi-scher und hierarchischer Positionen gewählt. Es geht also um die Frage (405)„ob gegenüber Tieren moralische Ver-pflichtungen bestehen... und wie vielTiere moralisch zählen“, aber sehr baldschon um die weitere Frage, „ob alle Wesen, die moralisch berücksichtigt wer-den sollten, in gleicher Weise und im selben Grade Respekt verdienen...

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Vertreter einer hierarchischen Positionsagen, dass eine Einbeziehung von Tieren in die moralische Gemeinschaftkeineswegs ausschließt, Tiere fürmenschliche Zwecke zu nutzen. Tieri-sches Leid beziehungsweise Wohlerge-hen zählt moralisch, aber es zählt nicht ingleicher Weise wie menschliches Leidbeziehungsweise Wohlergehen. Es gibteinen begründeten Vorrang des Men-schen gegenüber nicht-menschlichen Lebewesen.“ Dem steht „eine starke ega-litaristische Position“ (406) entgegenund „lehnt jede Privilegierung des Men-schen ab. Tier und Mensch sind in allenSituationen als Gleiche zu behandeln“.

3.3.2 Angela Kallhoff undLudwig Siep: Tierethik (413-412)Auch dieser Überblick geht von der Frage (413) aus, aufgrund welcher Eigenschaften Tiere eine moralischeBerücksichtigung verdienen, diskutiertdann die Leidensfähigkeit und deren„Engführung“ (415), so als ob sich dieTierethik in der bloßen Leidvermeidungerschöpfen könnte. Um diesem Mangelabzuhelfen, stellen Kallhoff/Siep ihre„Tierethik des Wohlergehens“ (416-419)vor, wobei nicht ein Konzept durch einneues ersetzt wird, sondern die Leid-vermeidungsforderung wird durch einezusätzliche Wohlergehensforderung er-gänzt. Der Verzicht auf ausschließlichpathozentrische Ziele lässt auch die Frage nach Empfindung und Bewusst-sein zurücktreten und z.B. auch die Dis-kussion einer Pflanzenethik oder holisti-scher Modelle zu.

3.4 Raimond Gaita: Der Hunddes PhilosophenUlrich Raulff hat in der SüddeutschenZeitung unter dem Titel „Weisheitkommt auf weichen Pfoten“ ein unge-wöhnliches Buch besprochen: „ein wundervolles Buch, klar formuliert undgründlich in der Sache, und doch auf einen Ton bezaubernder Natürlichkeitund Einfachheit gestimmt, wie man ihnin der Philosophie selten vernimmt“.Dass man dies so schreiben kann, ver-dankt man dem Umstand, dass der Autor,Philosophieprofessor in London, seinWerk in Gemeinschaft mit vier zur Fami-lie gehörenden Tieren geschrieben hat.So entstand, wie es in der Einleitung von

Manfred Geyer heißt, „ein völlig neuerTon in der Moralphilosophie, eine unver-wechselbare Stimme, die... zugleich dieGrundlage einer allgemeinen Humanitätzur Sprache bringt“.

Dass dabei auch die Tiere erreicht werden, ist nicht verwunderlich, aber oftsind sie auch nur Bilder und Spiegel desMenschen. Dann ist die Ernte an Anre-gungen in Bezug auf die Tiere geringerals zu vermuten war. Auch lesen sich die14 Kapitel nicht einfach wie Tierge-schichten, sondern es sind, wie der Autorselbst sagt (16), manche der philosophi-schen Probleme „ziemlich vertrackt“.Entsprechend anspruchsvoll könnendann gelegentlich auch die Texte sein, etwa wenn es um das Bewusstsein undInnenleben der Tiere geht.

Bei der Lektüre hat man das Gefühl,am Denken und Abwägen des Autors beteiligt zu sein, und wenn es umschwierige Fragen geht, etwa was Men-schen und Tieren gemeinsam ist und wassie unterscheidet, oder was man als Mitgefühl hochschätzt oder als anthropo-morphe Sentimentalität ablehnt (131-136), macht er sich die Antwort nichtleicht. Die Liebe zum Tier ist nirgendwostrittig, aber es gibt auch Menschen undPflanzen; Konflikte und Widersprüchewerden nicht ausgespart.

Ein Tierethikbuch zu schreiben, lagdem Autor fern, und was es dennoch anrelevanten Aussagen enthält, hat sich wieselbstverständlich so ergeben. Zwar wirdAlbert Schweitzer zitiert, aber die zeit-genössische Tierethik kommt nicht vor.Auch die zentralen Probleme der Tier-schützer, die Art und Weise, wie wir immer mehr Tiere oft nur der Profitstei-gerung, zum Vergnügen oder anderer trivialer Gründe wegen ausbeuten, istkein Thema; aber nicht, weil es der Autorverdrängt hätte oder verschweigen woll-te, sondern weil es im Lebensumkreis derFamilienfarm nicht vorkommt. Nichtumsonst ist (169) vom „Wissen um dieSchutzlosigkeit“ der Tiere und „vor allem ihr Ausgeliefertsein an die Grau-samkeit der Menschen“ die Rede.

Da der Autor in der Ichform schreibt,könnte man von Widersprüchen in derPersönlichkeit sprechen, etwa wenn(154) das Schicksal eines dem Tod ge-weihten Schmetterlings beklagt und(203) vom Schlachten eines Kalbes

berichtet wird. Aber eben dieser letztereBericht und die geschilderte Wirkung aufdie Beteiligten sind es, die die Lektüreals glaubwürdig erweisen.

So wird die Tiertötung ins Zentrum desNachdenkens gerückt mit der Frage, wiesie gegenüber dem Tod eines Menschenzu bewerten sei. Dabei brechen Aspekteauf, die an die Grenzen des Denk- undSagbaren stoßen, wie die zu vermutendeReaktion des fiktiven Gastes, je nachdemob Tier- oder Menschenfleisch „serviert“wird (250), oder wie sich ein moralischmotivierter Vegetarier in der carnivori-schen Normalgesellschaft als von „Mas-senmördern und ihren Komplizen“ (251)umgeben fühlen kann.

Aber braucht es eigentlich derart zu-gespitzte Beispiele, um zu der Überzeu-gung zu kommen (266), „dass unsereGrausamkeit widerwärtig ist, und um zuwünschen..., dass man uns eines Tagesalle als Mittäter ‚an einem Verbrechenunvorstellbaren Ausmaßes verurteilenwird‘“. (Das Zitat im Zitat aus J. M.Coetzee „Das Leben der Tiere“, vgl. ALTEX 18, 4, 2001, 229).

Wie verletzt muss ein menschlichesGewissen sein, um dies zu wünschen undnicht mehr hoffen zu können (58): „EinesTages – und vielleicht ist dieser Tag garnicht mehr fern – wird uns vielleicht dieGrausamkeit vieler unserer heutigen Ver-haltensweisen im Umgang mit Tieren erschüttern. Es ist gut möglich, dass wir dann tief beschämt sind über unserunterentwickeltes Gespür für die Würdedes Tieres...“

3.5 Mechthild Herberhold undCaspar Söling, Hrsg.: Menschen-rechte für Menschenaffen?Beim vorliegenden Sammelband hat dieInhaltsstruktur den Schwerpunkt schonvorgegeben: In Teil 1 wird über „Dieneuere Entwicklung des Mensch-Tier-Verhältnisses“, in Teil 2 über die „philo-sophisch-theologische Reflexion“ be-richtet.

Der oft diskutierten Frage nach einerErklärung der Ambivalenz, mit der wirden Tieren begegnen, ist Rainer E. Wiedenmann aus soziologischer Sichtnachgegangen; mit den Menschenaffenhaben sich Friedrich Ostenrath, AndreasPaul und Sina Walden befasst; Eisenhartvon Loeper diskutiert die Rechtslage

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nach der Aufnahme des Tierschutzes insdeutsche Grundgesetz.

Gedankliche Konsequenz erweist sichim Vorwort mit der Aufforderung (9):„der Frage nachzugehen, ob nicht eineGerechtigkeitskonzeption in der Ethikauch auf die Welt der Tiere angewendetwerden kann“. Eine Ermutigung in dieser Richtung findet sich auch im Bei-trag von Eisenhart von Loeper (88): „DasTierschutzrecht bedarf schließlich derWeiterentwicklung aus dem Kernge-danken der Gerechtigkeit...“ Vgl. hierzudie Ausführungen zu den neuen Kom-mentaren in ALTEX 20, 4, 2003, 247 undin diesem Heft, Ziffer 6.

Aus dem zweiten Teil des Bandes wer-den folgende Beiträge vorgestellt.

3.5.1 Hans Martin Sass:Menschliche Verantwortung fürnichtmenschliches Leben (99-110)Die philosophisch-theologische Reflexi-on beginnt mit einem vom Autor gestal-teten Gedankenexperiment (99): „Stattnur so unter uns Menschen über Tiere zusprechen, versuche ich, von einem Tierüber Anthropozentrik sprechen zu lassen,so gut und so schlecht ich das kann. Zudiesem Zweck habe ich ein Tier einerGattung ausgewählt, die schon viel, viellänger als wir Menschen diese Erde be-völkert, einen Seestern.“ Bei der Gegen-rede (106-110) verlässt der Autor denironischen Dialogstil und verzichtet auch weitgehend auf Rechtfertigungsver-suche, die man gerne gelesen hätte.

3.5.2 Burkhard Gladigow:Zum Verhältnis von Mensch und Tier in der mediterranenund europäischen Religions-geschichte (111-128)Über den Widerstand gegen wirkungs-vollere Tierschutzmaßnahmen aus denEU-Ländern romanischer Tradition istbisher wenig nachgedacht worden. Mitdiesem Beitrag liegt aber ein erster Ver-such vor, der mit seiner Klärung weit indie Vergangenheit paläolitischer Jagd-und religiöser Opferriten zurück reicht.

3.5.3 Hans Kessler: Die Gründe der „christlichenAnthropozentrik“ (129-153)Über diesen Autor wurde zuletzt in ALTEX 17, 4, 2000, 184 berichtet. Der

heute vorzustellende Text ist ein be-merkenswerter Beitrag zu angemessenerReaktion auf die Kritik an theologischbegründeter Anthropozentrik. Er hat da-mit ein für die Tierethik zentrales Themaaufgenommen, das im Literaturberichtschon oft behandelt wurde; so z.B. in ALTEX 12, 4, 1995, 204, ALTEX 14, 4,1997, 183 und ALTEX 17, 4, 2000, 171-172.

Anthropozentrik versteht die Natur alsauf den Menschen hin geordnet, für ihnist sie da; er ist das Zentrum und Ziel derSchöpfung, alles dient seinen Zweckenals Mittel, gestalt- und verfügbar.

Die aus der unbestrittenen Sonderstel-lung des Menschen (nur von ihm kannartüberschreitende Rücksicht erwartetwerden) zu Recht abgeleitete Verant-wortung konnte der Beliebigkeitmenschlichen Handelns keine ausrei-chende Grenze setzen, gleichgültig obphilosophisch oder theologisch gefor-dert. Ganz ohne religiösen Überbau oderphilosophische Begründung ist die An-thropozentrik aber auch ein biologischesPhänomen: Artegoismus, den wir mit denTieren teilen.

Erst die Einsicht, unser Verhältnis zurNatur als evolutionär einprogrammiertesErbe ansehen zu müssen, macht dieÜberwindung so schwierig: Vernunft undmoralisches Empfinden mögen noch sooft und noch so dringlich für eine bio-zentrische Position sprechen, die Anthro-pozentrik bleibt, gemildert zwar und ter-minologisch variiert, aber immer nochgeeignet, die gängige Überheblichkeitund Ausbeutungspraxis zu entschuldi-gen.

Auch Kessler lehnt diese „materialeAnthropozentrik (147), die den Men-schen zum unumschränkten Herrn undalleinigen Endzweck der Natur erhebt“ab, will sie aber nicht mit Bio-, Öko-oder Kosmozentrik überwinden, sondernmit „Anthropozentrik formal-epistemi-scher und ethischer Prägung“.

Von epistemischer (wissenschaftsme-thodischer) Anthropozentrik ist schonseit einigen Jahren die Rede. Sie gründetsich auf das unbestreitbare Faktum, dassalles, was der Mensch wahrnimmt odererdenkt und zu erkennen meint, nur unterden Bedingungen und innerhalb derGrenzen des menschlichen Wahrneh-mungs- und Denkvermögens möglich ist.

So steht (144): „der erkennende undhandelnde Mensch unhintergehbar imZentrum all seiner (theoretischen) Welt-konstruktion und (praktischen) Weltge-staltung. Das gilt transkulturell undtransreligiös. Wir können nicht anders,als von unserer Selbst- und Welter-fahrung auszugehen, unsere leib-geistigeSelbsterfahrung ist unsere Erschließungs-form der Wirklichkeit, die originäreForm, mit der wir uns die Wirklichkeit,auch die der Tiere erschließen.“

Strittig ist auch nicht der Sachverhalt,dass Erkenntnis nur unter den Gesetzendes Menschseins möglich ist, sonderndie Bezeichnung dieser Einsicht als Anthropozentrik, ein Konzept, das nochdie grausamste Ausbeutung nicht nurentschuldigt, sondern rechtfertigt, so-lange sie nur durch den edlen Zweck desmenschlichen Nutzens geadelt wird; vgl.dazu die Ausführungen zum Buch vonBernhard Kathan in Kapitel 2.3.

3.5.4 Heike Baranzke:Die Quelle ist oben – Von derGenesis zu Hermann Nitsch (159-184)Ein das Interessenspektrum des Litera-turberichtes sprengender Beitrag. DieAutorin, so heißt es im Vorwort des Bandes (11), „geht davon aus, dass dieschöpfungsgemäße Herrschaft des Men-schen unblutig ist“. So wird der Para-diesfriede in seinen verschiedenen Ur-formen beschworen und dann mit derernüchternden Frage konfrontiert, war-um „die ideale Schöpfungsordnung bisheute durch gewalttätige Bluttaten kor-rumpiert wird?“.

3.5.5 Hubertus Lutterbach:Das Paradies auf Erden denMenschen und Tieren... (185-209)Die Erinnerung an den biblischen Schöp-fungsfrieden wird hier aufgegriffen undvertieft. Tierethisch bedeutsam ist insbe-sondere das Schlusskapitel „Ausblick“(204-209), das unterstreicht, was HansKessler in seinem Beitrag (132) zumSchöpfungsfrieden sagt: „Das ist keineUrzeit-Idylle, sondern eine Leitbild-Utopie (J. Ebach), die das Wissen verrät,dass das Töten von Tieren zur Ernährungeigentlich nicht richtig ist, und die uns motivieren will, dieser Utopie unswenigstens anzunähern.“

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3.6 Norbert Hoerster: HabenTiere eine Würde? Grundfragender TierethikImmer wieder sind tierethische Über-legungen auf dem Hintergrund bisherzwischenmenschlicher Ethik-Konzepteentstanden, wie etwa seit Schopenhauerdem Mitleid; warum also nicht auch denAltruismus auf das Verhältnis zu den Tieren ausdehnen, wie es in Kapitel 5(59-69) des hier vorzustellenden Buchesvorgeschlagen wird?

In den vorausgegangenen Kapiteln hatsich der Autor mit einigen der gängigstenEthik-Konzepte befasst, nämlich● Das Tier als Mitgeschöpf (11-19)● Die Ehrfurcht vor dem Leben (21-31)● Die Würde von Mensch und Tier (33-42)● Das Prinzip der Gleichbehandlung desTieres (43-58).

Wenn es sich nur um eine weitere Be-schreibung der verschiedenen ethischenKonzepte handeln würde, könnte dieseAufzählung schon genügen, aber hierwird deutliche Kritik geübt. Insbeson-dere wird die rationale Begründbarkeitder entsprechenden Normen bezweifeltund dieses Fehlen als entwertender Man-gel empfunden, obwohl ein Anspruch aufsolche Begründbarkeit gar nicht erhobenwird: In Bezug auf die Mitgeschöpflich-keit und Ehrfurcht vor dem Leben oderdie Würde bei Mensch und Tier jeden-falls nicht.

Vermutlich wurde und wird die ratio-nale Beweisbarkeit in ihrer praktischenBedeutung auch erheblich überschätzt,denn moral-orientiertes Verhalten hängtweniger von der Rationalität seiner Argumente ab als vielmehr von der sub-jektiven Überzeugung der Handelnden.

Die Frage nach den Letztbegründun-gen in der Ethik ist lange diskutiert wor-den und hat ihre frühere Aktualität längstverloren. Heute kann man die Aussagewagen: Ethische Konzepte beruhen aufaxiomatischen Positionen, die allesamtnicht rational beweisbar sind und sichnach verschiedenen Kriterien, insbeson-dere dem Grad der Plausibilität, der Konsistenz, Konsensfähigkeit und er-reichten Verbreitung unterscheiden. ZurFrage der Letztbegründung vgl. auch dieAusführungen zum Beitrag Lenk/Maringin Kapitel 5.

Für den Literaturbericht ist aber nocheine andere Frage wichtig: Welche For-

derungen der Autor zugunsten der Tierean den altruistischen Menschen stellt.Zunächst macht er einen grundsätzlichenUnterschied zwischen wildlebenden Tieren, deren Tötung zur Fleisch- oderPelzgewinnung er ablehnt, und den Tieren, die ihr Leben der Initiative desMenschen „verdanken“. Sie werden zumZwecke der Nutzung und Schlachtunggezüchtet; ihre Haltung soll aber artge-recht, Transporte und Schlachtung sollen„human“ sein (86-88).

Tierversuche (91-94) sollen „soweitwie möglich ohne jede quälerische Komponente durchgeführt werden... Das kann im Prinzip dadurch geschehen, dassdie betreffenden Tiere erstens vor sowiewährend der Versuchsphase tiergerechtgehalten werden, dass sie zweitens beiSchmerzen anästhesiert werden und dasssie drittens nach Abschluss der Versuche,sofern dauerhaft geschädigt, schmerzlosgetötet werden.“ Wenn allerdings derVersuchszweck keine Anästhesie erlaubt,„sind die Schmerzen der Tiere in diesemFall trotzdem... in Kauf zu nehmen? Daskommt offenbar darauf an, welchen Stellenwert dieser Zweck für uns hat undob er sich nicht auch auf andere Weiseals durch Tierversuche realisieren lässt.“Von der Möglichkeit eines Verzichts auf Erkenntnisgewinn, wie sie von derSchweizerischen Akademie der Medizi-nischen Wissenschaften (EthischeGrundsätze und Richtlinien für wissen-schaftliche Tierversuche) geschaffenwurde, ist hier allerdings nicht die Rede.

Wer es gewohnt ist, bei der Erörterungethischer Probleme den Gleichheits-grundsatz zu bedenken, der kann bei derreferierten unterschiedlichen Behand-lung der Wild- und Nutztiere ins Grübelngeraten: Einerseits ist der Unterschieddurchaus unstrittig und logisch, aberreicht er aus, um so abgrundtief unter-schiedliche Lebensverläufe und Todes-wege zu rechtfertigen? Kann man esdenn wirklich als Geschenk bezeichnen,vermittels künstlicher Besamung zu ei-nem Dasein als Mast- und Schlachttiergezwungen zu werden?

3.7 Helmut F. Kaplan: Dieethische Weltformel – eine Moralfür Menschen und TiereDie Studie knüpft an die bereits vor-gestellte Publikation „Wozu Ethik? –

Über Sinn und Unsinn moralischen Denkens und Handelns“ (ALTEX 19, 4,2002, 170) an und vertieft das dort be-handelte Konzept der „Goldenen Regel“,komprimiert auf wenige Seiten (69-73).

Dass der Autor mit diesem Konzept eine aussichtsreiche Spur verfolgt, zeigtsich auch an dem Umstand, dass diesesAnliegen immer öfter aufgegriffen wird,wenn auch gelegentlich unter andererTerminologie, wie etwa: ● Beachtung des tierlichen Gesichts-punktes in ALTEX 15, 4, 1995, 165(Françoise Wemelsfelder)● Perspektivenwechsel in ALTEX 16, 4,1996, 246 (Jörg Luy)● Empathie = Einfühlung ins Tier in ALTEX 17, 4, 1997, 177 (Johann S. Ach).

Über die neue Arbeit hat Franz P. Gruber in ALTEX 20, 4, 2003, 222-223bereits berichtet.

3.8 Jörg Luy und GoetzHildebrandt: Albert Schweitzer,Leitbild für die Tiermedizin?Im Deutschen Tierärzteblatt (20, 2003,1024-1027) haben die beiden Autorendie Frage nach Schweitzers Bedeutungals Leitbild für die Tierärzteschaft kritisch diskutiert. Dazu sind dann in ALTEX 21, 1, 2004, 45-46 Kommentarevon Wolfgang Scharmann und G. M.Teutsch erschienen.

Der Streit, um den es hier geht, ist soalt wie Schweitzers Ethik, insbesonderesein Beharren auf einer moralischenGleichrangigkeit aller Lebensformen;und nach nun bald hundert Jahren derErstveröffentlichung wäre es an der Zeit,nach so viel Kontroversen auch einmalMöglichkeiten der Konfliktlösung zu diskutieren.

Dazu eignet sich besonders Schweitzerstolerante Haltung gegenüber der Tötungaus Gründen der Humanität, weil er hierdas Tötungsverbot nicht etwa nur um-geht, sondern weil er bewusst dagegenverstößt und damit den Modellfallschafft, anhand dessen dann auch gene-relle Ausnahmebedingungen erforderlichwerden. In „Kultur und Ethik“ (Ges. Wer-ke II, 387) heißt es: „Dem nicht zu be-hebenden Leiden eines Wesens durchbarmherziges Töten ein Ende machen, istethischer, als davon Abstand zu nehmen.“

Alles Überlegen und Abwägen bündeltsich zu der Forderung (Ges. Werke II,

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404): „Gelten lassen wir nur, was sichmit der Humanität verträgt.“

Um die angestoßene Diskussion zu un-terstützen, hat der von Luy/Hildebranddirekt angesprochene Arbeitskreis „Tier-schutzethik“ der Tierärztlichen Ver-einigung Tierschutz (TVT) die Absichterkennen lassen, die relevanten Texte zueiner Dokumentation zusammenzufas-sen.

3.9 Petra Mayr: Das patho-zentrische Argument alsGrundlage einer TierethikJe länger die tierethische Diskussion andauert, desto spezieller werden die behandelten Themen und desto tieferdringt das analytische Denken in neueDimensionen vor. So ist das pathozentri-sche Ethikkonzept zwar das älteste undverbreitetste, aber eine eigene Monogra-phie liegt erst jetzt vor.

Das Bemühen, die Inhalte angemessenzu vermitteln, müsste an der Fülle desMaterials und der gewählten Aspektescheitern. Dennoch ist es im Vorgriff aufdie Lektüre hilfreich zu wissen, dass dieAutorin ihre Untersuchung im umfang-reichen 7. Kapitel (131-249) zu ausge-wählten Konzepten (Ursula Wolf, AlbertSchweitzer, Martin Gorke, Tom Regan,Martin Seel, Leonhard Nelson, Peter Sin-ger) in Beziehung setzt.

Beim Versuch, möglichst viel vom„Geist“ eines Buches zu erfassen, ver-streicht die meiste Zeit mit additiver undassoziativer Kenntnisnahme, bis irgend-wann der Informationsfluss stockt, weilUnerwartetes eine Pause zum Nach-denken erzwingt. Den Anlass zu einersolchen Denkpause liefern die Ausführun-gen zu den „Grenzen des pathozentri-schen Arguments“ (263-268) in Verbin-dung mit der an Schweitzer und Gorke(154-196) geübten Kritik. Jedenfalls er-hebt sich die Frage, ob es die Plausibilitätund Konsistenz der Pathozentrik verlan-gen, die Unterschiede gegenüber den um-fassenderen Konzepten so deutlich zu be-tonen. Was ist falsch an der Vorstellungfließender Übergänge statt kategorischerBrüche? Auch das deutsche Tierschutzge-setz enthält zweimal an herausgehobenerStelle (§§ 1 und 17) klare biozentrischePositionen, die niemand aufgeben will.

Die Autorin hat das Problem durchauserkannt und benannt (265): „Wenn es

darum geht, ob Tiere getötet werden dürfen, greift ein pathozentrischer An-satz zu kurz. Hier liegt der Einwand nahe, dass dies eine kontraintuitive tier-ethische Auffassung wäre, wenn eine solche Argumentation nichts gegen eineschmerzlose Tötung von Tieren vorzu-bringen habe. Es scheint nun tatsächlichso, dass das pathozentrische Argumentbei der Tötungsfrage in theoretischerHinsicht nur noch wenig auszurichtenvermag. Wenn es um die Vermeidungvon Leid geht, kann gegen einenschmerzlosen Tod zunächst einmalnichts vorgebracht werden. Wer jedochüberzeugt davon ist, dass es falsch ist,Tieren Leid zuzufügen, ist zumeist auchebenso davon überzeugt, dass es falschist, Tiere zu töten. Diese Verknüpfungscheint mir nicht zufällig. In der Forde-rung nach Leidvermeidung liegt ja be-reits der Versuch, auf das Leben einesempfindungsfähigen Wesens gewisser-maßen ‚positiven‘ Einfluss zu nehmen.Es wäre deshalb merkwürdig, Tiere vorqualvollen Zugriffen schützen zu wollen,zugleich aber kein Interesse an ihrem Leben zu haben. In dieser Hinsicht liegtim pathozentrischen Argument selbst einGrund gegen das Töten.“

Alle Befürworter eines „zentrischen“Ethikkonzeptes haben das Problem, ihrePosition gegenüber den anderen Konzep-ten zu klären. Dabei ist es hilfreich, sichdaran zu erinnern, dass die jeweils be-anspruchte zentrale Stellung keineswegseine Ausschließlichkeit bedeutet. Wer imLaufe der Entwicklung seines ethischenBewusstseins dazu kommt, die Bereicheseiner Verantwortung weiter auszudeh-nen, weil er auch jenseits der gerade erreichten Abgrenzung noch Möglich-keiten erkennt, Andere oder Anderes zufördern oder zu schädigen, hat sein bis-heriges Konzept nicht etwa aufgegeben,sondern nur erweitert. Biozentrik zu bejahen, kann für einen Pathozentrikerniemals zur Folge haben, den Schutz derTiere vor Schmerzen, Leiden oder Schä-den nun für weniger wichtig zu halten alsbisher.

4 Theologische Tierethik

Der schon in den letzten Jahren auffälligeRückgang an theologischer Literatur hat

sich weiter fortgesetzt, und was trotzdemaus dem theologischen Umfeld publiziertwurde, behandelt zumeist Sachfragenaus theologischer Sicht. Soweit es darumgeht, den aktuellen Stand der theologi-schen Tierethikreflexion zu beschreiben,haben Heinrich B. Grosse (Xenotrans-plantation aus christlich-ethischer Sicht,Kapitel 8) und Hans Kessler (Die Grün-de der christlichen Anthropozentrik, Kapitel 3) wichtige Beiträge geleistet. Zuerwähnen sind aber auch:● Evang. Akademie Bad Boll: Tiere inden Medien, Kapitel 12● Evang. Akademie Loccum: Fleischver-zehr und Nutztierhaltung: Zwischen Lustund Gewissen, Kapitel 11● Hubertus Lutterbach: Das Paradies aufErden den Menschen und Tieren... DieLeitidee des kosmischen Friedens imChristentum, Kapitel 3● Witja Neitzel: Tiere als Mitgeschöpfe –Eine pädagogische Herausforderung,Kapitel 7

5 Öko-Ethik: Verantwortung für die Natur

5.1 Hans Werner Ingensiep undAnne Eusterschulte, Hrsg.:Philosophie der natürlichenMitwelt: Grundlagen – Probleme – Perspektiven Der Versuch, über die Fülle der 29 Einzelbeiträge zu berichten, kann nichtmehr leisten als der Klappentext auch:„In ihrer Vielschichtigkeit, ihrem Per-spektivenreichtum wie ihrem kritischenPotential verstehen sich die vorgestelltenBeiträge als eine Würdigung der philoso-phischen interdisziplinären Arbeit KlausMichael Meyer-Abichs. Gerade die Viel-stimmigkeit der kritischen Auseinander-setzung, die Einbindung in Diskussionenund die Rückbindung an geistesge-schichtliche Hintergründe demonstriereneindrücklich die Bedeutung und Trag-weite einer Philosophie der natürlichenMitwelt.“

Neben dem Beitrag von Franz-TheoGottwald interessiert hier die durchge-hende Linie von der Verantwortung fürMitmensch und Mitgeschöpf. Dennwenn schon alles Lebendige ethisch zubedenken ist, kann es nur vernünftigsein, auch auf das Unbelebte Rücksicht

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zu nehmen, das zu den Voraussetzungengehört, die Leben erst möglich machen.

5.1.1 Franz-Theo Gottwald:Agrar- und Esskultur (137-154)Im Vorfeld dieser Frage trifft der Autoreine in diesem Kontext ebenso unge-wöhnliche wie weitreichende Feststel-lung (143): „Die ethische Dimension derErnährung wird von drei zentralen Gefühlen erschließbar: dem Mitgefühl,der Ehrfurcht und der Solidarität.“ Damitbewegt er sich weg von der in der Regelbevorzugten theoretischen Behandlungseines Themas hin zur (142) „erkennt-nisleitenden und handlungsbewegen-den“ Funktion einer sonst eher vernach-lässigten und als altmodisch geltendenParänese.

Diese Tendenz wird noch verstärktdurch die an dieser Stelle erfolgendeWiedererwägung der klassischen Kardi-naltugenden (146-153), auch auf die Gefahr hin, dass Fachfremde mit den Be-griffen Klugheit, Tapferkeit, Gerechtig-keit und Maß falsche Bedeutungen ver-binden.

Von ungetrübter und immer erneut ak-tualisierter Aussage- und Motivations-kraft ist nur die Gerechtigkeit geblieben.Um so wichtiger, dass sie seit der Antikeals die umgreifende Gesamttugend gilt.So münden auch Gottwalds Forderungenin die Einsicht (145), „dass der Einzelnenicht wirklich Gerechtigkeit erfährt,wenn er nicht anderen Lebewesen Ge-rechtigkeit zukommen lässt“.

Der Autor befindet sich damit auf dem Weg zu einer in der Tierethik nurminderheitlich vertretenen, aber mora-lisch unüberbietbaren Position, die anmöglichen Forderungen nichts mehr offen lässt, dafür aber dem Vorwurf welt-fremder Unerfüllbarkeit ausgesetzt ist.

Wachsender Zustimmung erfreut sichjedoch die Überzeugung vom nicht nurdem Menschen, sondern allen Lebe-wesen innewohnenden Eigenwert (138):„Unter Eigenwert versteht man mittler-weile gemeinhin einen Wert, der nichterst durch die Wertschätzung eines ande-ren zustande kommt, sondern den dasentsprechende Seiende von sich aus undum seiner selbst willen besitzt. Eigen-werte können daher nur anerkannt, nichtaber zuerkannt werden. Anerkannt wirdin diesem Fall, dass es sich bei den

Tieren (und Pflanzen) um Mit-Lebewe-sen handelt, die sich in je spezifischerWeise entwickeln und bei all ihrem Tunund Lassen auf ihren eigenen Selbstauf-bau und Selbsterhalt aus sind. Im Hin-blick auf diesen ‚Selbstzweck‘ sind sieSubjekte eines Lebens, gibt es für sie einWohl und Wehe, auch wenn sie nicht umdieses Wohl und Wehe wissen.“

5.2 Hans Lenk und MatthiasMaring: Natur – Umwelt – Ethik Der Sammelband gehört als Ganzesdurchaus in dieses Kapitel, dafür spre-chen auch die verschiedenen Texte.Trotzdem ist es der einleitende Beitrag„Praxisnahe Philosophie in der interdis-ziplinären und ökologischen Herausfor-derung“, der sich für die Philosophieund insbesondere die Ethik als kreativund hilfreich erweist, weil er die philo-sophische Selbstkritik auf innovativ-konstruktive Weise vorträgt, auch alsFrage, was die Philosophie als Motivati-on zu ethisch orientiertem Handeln lei-stet. Dabei schwingt immer auch dieweitere Frage mit, was wir von der Ethikmit Recht erwarten dürfen und wasnicht. Genau genommen hat die Ethik inerster Linie unser Handeln nur zu be-werten, nicht aber zu bewirken. Jeden-falls ist die antike Paränese als Appell andas Umsetzen des Für-gut-Befundenenin konkretes Handeln eine heute weit-gehend vergessene Aufgabe. Uns zuethisch richtigem Tun zu veranlassen,wird als Sache der Moralerziehung bzw.der Psychologie verstanden und oft genug auch abgewertet.

Nun sollen zur aktuellen Rolle derPhilosophie noch einige Hinweise derAutoren aus dem Eingangskapitel (3)folgen: „Philosophen könnten und soll-ten wieder neuen Mut zu konstruktivenVorschlägen, ja zu Spekulationen auf-bringen, da ohnehin keine absoluten philosophischen Letztbegründungenmehr möglich sind, also das Wagnis des Entwurfs in jedem Falle eingegan-gen werden muss. Das Ausmalen alternativer Utopien spielt für die intel-lektuelle Orientierung sicherlich einewesentliche Rolle. Warum soll man alldas allein den Erfahrungswissenschaft-lern, den Zukunftswissenschaftlernüberlassen, die mit Szenariotechnikenauch eher spekulativ, wenn auch teil-

weise von Daten hochgerechnet oder extrapoliert, globale Zukunftsentwürfemachen?“

Wie um diesen Appell ernst zu nehmen,befasst sich der zweite Teil dieses Beitra-ges (24-55) mit einer auf die Lebens-wirklichkeit abzielenden Beschreibungder „Werte als Interpretationskonstrukte“in verständlicher Sprache.

5.3 Udo E. Simonis, Hrsg: Öko-LexikonWer 600 verschiedene Stichworte in einem 270-Seiten-Taschenbuch unterzu-bringen hat, muss sich äußerster Konzen-tration befleißigen. Das heißt: der VorzugVielfalt der Themen hat den NachteilKnappheit der Texte zur Folge.

Der für den Literaturbericht zentraleArtikel „Ethik“ von Günter Altner gibteinen auf das Wesentliche zielenden Einblick und verweist dabei auf dieStichworte „Anthropozentrismus“ und„Biozentrismus“. Weitere hier zu erwäh-nende Stichworte sind● Artenschutz● Kirche und Umwelt● Mitgeschöpflichkeit● Mitwelt● Naturschutz● Tierschutz● Tierversuche

Für den Literaturbericht ist das Lexikonunter zwei Gesichtspunkten wichtig, ein-mal, weil es Umweltwissen bequem zu-gänglich macht, und zum andern, weil esin die aktuelle Öko-Diskussion ethischeThemen und Tierschutzanliegen einführt.

Eine stärkere Akzentuierung hätte mansich für das Thema „Massentierhaltung“gewünscht, das nur im Artikel „Landwirt-schaft“ extrem knapp erwähnt wird. Umso überraschender die relativ ausführlicheBehandlung des Themas „Tierversuche“,das doch in keiner unmittelbaren Bezie-hung zu ökologischen Fragen steht.

6 Rechtsfragen undRechtsentwicklung

6.1 Regina Binder: Neues zum Bundestierschutzgesetz (in Österreich)Endlich sind die Bemühungen um einbundeseinheitliches Tierschutzrecht inGang gekommen, und der Ende 2003

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vorgelegte Gesetzesentwurf ist inzwi-schen heftig diskutiert worden. Die Auto-rin berichtet darüber: „Das Ziel der Ver-einheitlichung und Strukturbereinigungdes unübersichtlichen Tierschutzrechtsder Länder wird fast unisono begrüßt...“

So positiv also die Stellung nehmen-den Einrichtungen sich zum Vorhabender Schaffung eines Bundes-TschGgeäußert haben, so enttäuscht zeigt sichdie weitaus überwiegende Mehrheit überdas (vorläufige) Ergebnis.

Soweit war der Bericht bis Mitte Maigediehen, als sich auf Monatsende dasnachstehend näher bezeichnete kleineWunder ereignete:

6.2 Michael Frank: Österreichführt strengstes Tierschutzgesetzder EU ein„Der Nationalrat in Wien verabschiedeteam Donnerstag (den 27.5.2004) mit denStimmen aller Parteien ein einheitlichesTierschutzgesetz...“ Aus der Vielzahl der Neuregelungen hier die wichtigste:„Legebatterien für Hühner werden be-reits 2009... verboten.“

Aber auch an den sonst so oft vernach-lässigten Vollzug hat der Gesetzgeber ge-dacht: „Die Einhaltung des Gesetzeskontrolliert künftig ein weisungsfreierTier-Ombudsmann in jedem der neunBundesländer.“ Unter diesen Umständenist es auch durchaus nicht mehr utopischzu verlangen: „Tierschutz soll nun alsStaatsziel in die Verfassung aufgenom-men werden.“

6.3 Antoine F. Goetschel undGieri Bolliger: Das Tier im Recht – 99 Facetten der Mensch-Tier-Beziehung von A bis ZTexte aus dem Bereich des Rechts-wesens sind dem Nicht-Juristen oftnicht ohne weiteres verständlich. Da ist es eine große Hilfe, dass die beidenAutoren sich der Mühe unterzogen haben, die juristischen Aspekte und Im-plikationen der Mensch-Tier-Beziehungauf den verschiedenen Ebenen des Zu-sammenlebens allgemeinverständlichund übersichtlich zu beschreiben. ZumGlück muss man das nicht alles wissen,um so beruhigender ist der Umstand,dass man sich von jetzt an dieses Wissenvon Fall zu Fall aus dem neuen Lexikonabrufen kann.

Das Nachschlagewerk hilft aber nichtnur in Rechtsfragen, sondern auch im-mer, wenn es um tierschutzrelevanteSachverhalte geht. In der Einführungheißt es dazu: „Die meisten Themen, beidenen es um die Nutzung von Tierengeht, werden in der Öffentlichkeit kon-trovers diskutiert, wobei die Positionenselbst unter Tierschützern sehr unter-schiedlich sein können. Dieser Mei-nungsvielfalt haben wir uns – auch umder Transparenz und Wissenschaftlich-keit willen – zu stellen versucht... Geradeauch im Hinblick auf einen tierfreundli-chen und korrekten Gesetzesvollzug in-ner- und außerhalb der Gerichtsschran-ken liegt das Ziel dieses Buches in derumsichtigen sowie möglichst ausgewo-genen Darstellung der Rechtslage. Da-neben geht es uns aber natürlich vor allem auch um die Vermeidung und Verminderung von Tierleid. Wo es unsangebracht erschien, enthalten unsereAusführungen daher auch Kritik an dergegenwärtigen Rechtssituation.“ S. auchALTEX 20, 4, 2003, 295.

6.4 Almuth Hirt, ChristophMaisack und Johanna Moritz:TierschutzgesetzKaum hat man sich in den Kluge-Kom-mentar (ALTEX 20, 4, 2003, 246-247)eingelesen, beansprucht dieses neueWerk unser Interesse. Das gilt ganz besonders für die Einführung und denGrundsatzparagraphen 1, aber auch fürverschiedene Einzelvorschriften, insbe-sondere wenn auf die Ethik direkt ver-wiesen wird wie in § 7 Abs 3 „EthischeVertretbarkeit“. Die Einführung enthältsogar ein je eigenes Kapitel „ChristlicheTierethik“ (Randnoten ((kurz Rn)) 8-13)und „Tierethik in der Philosophie“ (Rn 14-17) mit Hinweisen auf kirchlicheVerlautbarungen und ethisch relevanteLiteratur.

Dabei wird klar, dass die seit den sieb-ziger Jahren intensivierte Diskussionüber ethische Fragen trotz aller Vielfaltdoch auch das Entstehen konsensfähigerGrundüberzeugungen in Richtung auf artübergreifende Humanität geförderthat, ein Anliegen, dem auch der Litera-turbericht verpflichtet ist. Im Kommentarzu § 7 Abs 3 Rn 40 wird auf den all-jährlich im 4. Quartalsheft von ALTEXerscheinenden Literaturbericht „zum

aktuellen Stand der ethischen Diskussi-on“ verwiesen.

6.4.1 ArtübergreifendeHumanitätkommt gleich zu Beginn der Einführung(Rn 5) als Leitgedanke des ethischenTierschutzes zu Wort, und zwar aus-drücklich in dem erweiterten Sinn, wie ervon Albert Schweitzer (vgl. EinführungRn 9) gemeint war oder noch drastischervon Fritz Blanke (Rn 10), um „zu ver-deutlichen, dass eine Reduktion der Humanität auf bloße Mitmenschlichkeitnicht vertretbar sei, weil auch die Tiere indas christlische Gebot der Nächstenliebeeinbezogen seien. Mitgeschöpflichkeitbedeute ‚die Wiederöffnung eines zu enggezogenen Kreises, die Einbettung derNächstenliebe in den größeren Zusam-menhang aller Geschöpfe‘“.

Artübergreifende Humanität will dieAbgrenzung der Menschlichkeit gegenangeblich unberechtigte Nichtmenschenüberwinden, aktiviert den moralischenWiderstand gegen den Artegoismus desMenschen, die evolutionsbedingte Pro-grammierung auf Ausbeutung der Tiereund eine diese rechtfertigende Moral. Artübergreifende Humanität wächst aufdem Boden des Mitleids und reift überdas Helfenmüssen zu tätiger Solidarität.Menschlichkeit in diesem Sinne ist alsomehr als nur gedankliches Mitleiden,sondern nach Anton Neuhäusler (Rn 19)„jene fühlende Bezogenheit zum Mit-menschen und Mitgeschöpf, die mitlei-dend und mitfreuend versucht, fremdesLeid zu verhüten und zu vermindern,fremdes Wohlergehen und Glück zu ver-mehren; human sein heißt Rücksichtnehmen, teilnehmen, helfen“.

6.4.2 Ehrfurcht vor dem LebenLange bevor man an Formulierungen wieartübergreifende Ethik oder Humanitätauch nur dachte, hatte Schweitzers Ethikdie Menschen weltweit berührt. Das Be-wusstsein, Leben zu sein inmitten einerFülle anderen Lebens, wurde nicht nurals Gedanke aufgenommen, sondern imLebenwollen existentiell erlebt. Die Solidarität mit gefährdetem Leben wurdeals Appell erfahren, Leben zu retten, denLeidenden beizustehen. Entsprechendlautet Schweitzers Botschaft (EinführungRn 9): „Also ist unser Nächster nicht nur

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der Mensch. Unsere Nächsten sind alleWesen. Deshalb glaube ich, dass der Begriff der Ehrfurcht vor dem Leben unseren Gedanken der Humanität mehrTiefe, mehr Größe und mehr Wirksam-keit verleiht.“ Die binnenmenschlichewird zur alles Leben umfassenden Ethik.

6.4.3 Mitgeschöpflichkeitist das zentrale tierethische Konzept.1959 vom Zürcher Theologen Fritz Blanke geprägt (Einf Rn 10), hat der Gedanke bald weite Verbreitung und Zustimmung gefunden. Als einziger ethischer Begriff wurde er dann auch in § 1 des Änderungsgesetzes von 1986 in-tegriert, als Appell an die „Verantwor-tung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf“.

Mitgeschöpflichkeit wird an verschie-denen Stellen kommentiert. Nach EinfRn 18 bedeutet Mitgeschöpflichkeit zugleich „die Einbeziehung der Tiere indie Gebote von Humanität, Nächsten-liebe und Gerechtigkeit sowie die An-erkennung ihrer geschöpflichen Wür-de“. Eine umfassende Ausdeutung desBegriffes findet sich aber erst im Kommentar zu § 1, wo die „Verantwor-tung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf“ gefordert wird. Im Kom-mentar § 1 Rn 6 heißt es einleitend:„Mit der Einfügung der Begriffe ‚Ver-antwortung‘ und ‚Mitgeschöpf‘ wollteder Gesetzgeber die Zielsetzung desethischen Tierschutzes hervorheben unddie Mitverantwortung des Menschen fürdas Tier als Mit-Lebewesen stärker be-tonen... Mit der Neuformulierung solleder gestiegenen Sensibilisierung der Bevölkerung für Tierschutzfragen...Rechnung getragen werden.... Das Prin-zip der Mitgeschöpflichkeit messe demSchutz des Tieres einen besonders hohen Wert zu. Mit der Betonung derVerantwortung, die der Mensch für seine Mitgeschöpfe habe, solle die ethi-sche Einstellung, dass dem Menscheneine Treuhandschaft für das Tier über-tragen worden sei, manifestiert werden.Das deutsche Tierschutzrecht verlassemit der Neufassung von Satz 1 die bis-her gültige Vorstellung, dass das Tierseine Existenzberechtigung schwer-punktmäßig auf seinen Nutzen für denMenschen begründe. Alle Nutzungen,die der Mensch an Tieren vornehme,

hätten sich künftig an der Norm derMitgeschöpflichkeit zu orientieren.“

6.4.4 Gerechtigkeit und Rechteder Tiereist ein im Literaturbericht oft behandeltesThema, zuletzt in ALTEX 19, 4, 2002,172 anhand des Beitrages von UbaldoPerez-Paoli „‚Porphyrios‘ Gedanken zurGerechtigkeit gegen Tiere“. Die von Porphyrios (232-304) erhobene Forder-ung überrascht also nicht nur durch ihrehrwürdiges Alter, sondern auch durchdie Konsequenz bis hin zum Fleischver-zicht. Vgl. auch die Ausführungen zuWilhelm Dietler (Gerechtigkeit gegenThiere aus dem Jahr 1787) in ALTEX 15,4, 1998, 167.

Der Kommentar greift das Themamehrfach auf, und zwar zuerst in Einf Rn8 als Zitat aus einer gemeinsamen Erklärung der beiden Kirchen: „Liebe,Friede, Güte, Treue, Sanftmut und Ge-rechtigkeit müssen sich im Umgang mit allem Lebendigen bewähren.“ Ent-sprechend werden in Einf Rn 12 „diebiblischen Gebote zu Gerechtigkeit, Humanität, Barmherzigkeit und Näch-stenliebe“ als „allgemeine Prinzipien“verstanden.

Die aktuelle Philosopie wird nur ver-einzelt verfolgt, wie etwa in Einf Rn 17:„Für Jean-Claude Wolf ist nicht alleindas Motiv des Mitleids, sondern in ersterLinie die aus dieser Quelle fließende Tu-gend der Gerechtigkeit maßgebend.“

Bisher wurde die Gerechtigkeit nur imSinne einer prinzipiellen ethischen For-derung verstanden. Viel häufiger ist jedoch von den „Gerechtigkeitsvorstel-lungen der Gemeinschaft“ (Einf Rn 22und § 1 Rn 50-55) als eines „moral com-mon sense“ die Rede. Das heißt: „Rei-chen zur Entscheidung einer Aus-legungs- oder Abwägungsfrage die vomGesetz hierfür zur Verfügung gestelltenMaßstäbe... nicht aus, so kann sich dasAbwägungsergebnis nicht an der subjek-tiv-persönlichen Wertung des jeweiligenRechtsanwenders ausrichten. Abzustel-len ist vielmehr auf die Anschauungender Allgemeinheit, d.h. auf die in der Gemeinschaft vorherrschenden sozial-ethischen Überzeugungen“ (§ 1 Rn 50).

Diese Überzeugungen sind aber immernoch anthropozentrisch geprägt und amNutzungsinteresse des Menschen orien-

tiert. Um so wichtiger, dass immer wie-der eigene Rechte für die Tiere gefordertwerden. Der Kommentar äußert sich dazu in Einf Rn 16 historisch und in Rn 17 zur Gegenwart. In der zeitgenössi-schen philosophischen Ethik „setzt sichdie Anerkennung von (zumindest morali-schen) Tierrechten mehr und mehrdurch“. Die Chancen für einklagbareRechte sind jedoch gering.

6.4.5 Der Gleichheitsgrundsatz,wonach „alle Objekte der Gerechtigkeitim Hinblick auf das an ihnen Gleichegleich und nur hinsichtlich des an ihnenVerschiedenen entsprechend verschiedenzu behandeln“ sind, wird im Kommentardreimal (Einf Rn 9, 17, 19) erwähnt, bietet aber keinen irgendwie bindendenAnhalt, die Tiere in die Gerechtigkeits-gemeinschaft mit dem Menschen ein-zubeziehen und so den Gleichheitsgrund-satz auch auf die Ethik der Mensch-Tier-Beziehung anzuwenden.

Im Streit darüber, wie weit der Tier-schutz gehen soll, bedienen sich Be-fürworter und Gegner dennoch der Argumentation mit dem Gleichheits-grundsatz:● Für die Befürworter sind die Tiere Lebewesen, die Schmerzen bzw. Leidenempfinden und einen Lebenswillen oderLebensdrang haben wie wir: also ist ihr Leben und Wohlbefinden auch ingleicher Weise zu schützen.● Für die Gegner sind die Tiere zwarauch Lebewesen, aber in ihrem Empfin-dungsvermögen und Lebenswillen so anders, dass wir berechtigt sind, sie fürunsere Zwecke zu nutzen, wenn dafür einvernünftiger Grund vorliegt.

6.4.6 Würde der Kreatur,ein Begriff, zu dessen Bedeutung zwarzahlreiche Äußerungen vorliegen (vgl.G. M. Teutsch „Würde der Kreatur“,1995), der aber erst durch die Einbe-ziehung in die Verfassung der Schweizauch in der Tierethik diskutiert wurde.

Der Kommentar äußert sich mehrfachdazu; einmal gehört „die Anerkennungdes Eigenwertes und damit der geschöpf-lichen Würde der Tiere“ zu den allge-meinen Prinzipien der Tierethik (Einf Rn 12) sowie zum ethischen Tierschutz(§ 1 Rn 2) und wird dann in § 1 Rn 4 anhand der Verfassungslage in der

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Schweiz dargestellt. Inzwischen gehörtder Begriff zu den bevorzugten Diskussi-onsthemen der Tierethik und hat auch imLiteraturbericht einen festen Platz.

7 Erziehung zu art-übergreifender Humanität

7.1 Witja Neitzel: Tiere als Mitgeschöpfe – Eine päd-agogische HerausforderungTierethische Erziehungsfragen werdenim Literaturbericht zwar oft behandelt;die Berichte können sich aber nur aufquantitativ bescheidenen Nachschubstützen. Um so erfreulicher, dass auchfür diesen Bericht wieder eine entspre-chende Untersuchung vorliegt. Der Autorin geht es um eine vorläufig nuransatzweise mögliche Bestandesauf-nahme und Erschließung des bisher nie systematisch und kontinuierlich gesam-melten Materials.

In einem ersten Teil behandelt sie (9-38) in einem groben Durchgang denüberlieferten und in Auswahl auch denaktuellen Stand unseres abendländischenDenkens und Wissens über das Verhält-nis des Menschen zum Tier. Die Lektürevermittelt also einen ersten Einblick indie Ethik und das Recht des Umgehensmit den Tieren.

In einem zweiten, breiter angelegtenTeil (39-108) geht es um „Verstöße gegen das Ethos der Mitkreatürlichkeitanhand ausgewählter Beispiele“. Hierwird die Herausforderung an unsere Moral und pädagogische Verantwortungdrastisch verdeutlicht.

Im dritten Teil (109-164), dem Zen-trum der Arbeit und des Interesses daran,steht die tierethisch orientierte Erziehungetwa im Sinne der Mahnung von JeanPaul (Levana § 118): „Nämlich das Kindlerne alles tierische Leben heilig halten.“Hier hat die Autorin alles erreichbareMaterial zu problem- und alltagsnahenThemenkreisen gebündelt, wie sie mitschulischen und anderen pädagogisch relevanten Mitteln realisierbar sind.

Abschließend wird noch über Tiere als therapeutische Helfer (TiergestützteTherapie, 165-190) berichtet und die Zukunft ins Blickfeld genommen.

Gelegentlich gewinnt man den Ein-

druck, die Autorin befinde sich in einemKonflikt zwischen der anthropozentrik-verhafteten Mehrheitsmoral und ihrerpersönlich konsequenteren Position. Daswird nirgendwo deutlicher als in denAusführungen zur Nutztierhaltung, wozwar (143) ein artgerechtes Leben undmehr Schonung bei der Schlachtung verlangt werden, aber die Schlachtungals solche nicht angesprochen wird. Erst wenn im Schlusskapitel das mitge-schöpfliche Verhalten thematisiert wird,ist (208) auch von reduziertem Fleisch-genuss und Vegetarismus die Rede.

7.2 Erhard Olbrich und Carola Otterstedt, Hrsg.:Menschen brauchen TiereBuchliteratur zu diesem Thema ist im-mer noch relativ selten zu finden; so ist der hier vorliegende umfassende Sammelband mit insgesamt 39 Beiträgenfür alle an diesem Thema Interessierteneine enorme Hilfe. Um die Fülle wenig-stens anzudeuten, hier die Titel der sie-ben Hauptkapitel:● Tiergestützte Therapie undtiergestützte Pädagogik: Positionierungeines interdisziplinären Arbeitsfeldes(15-57) Grundlagen der Mensch-Tier-Beziehung (58-120)● Tiere in der Entwicklung undPsychotherapie (121-196)● Tiere in der Klinik und Therapie(197-252)● Tiergestützte Pädagogik (253-303)● Tiere und alte Menschen (304-347)● Tiere im therapeutischen undpädagogischen Feld (348-384)● Tiere in sozialen Projekten (385-437)

Für den Literaturbericht sind zweiBeiträge als Einführungen besonderswichtig. Da wird zum Anfang von Caro-la Otterstedt der kultur- und geistes-geschichtliche Hintergrund der entste-henden Mensch-Tier-Beziehung (15-31)aufgerollt, mit der Prähistorie beginnend,bis zur Gegenwart. So wird das Vertraut-werden mit dem Wesen der Tiere vor-bereitet und eine behavioristische For-schungsenge vermieden. Zugleich eröff-net sich ein Zugang zu so weitreichendenKonzepten wie der „Ehrfurcht vor demLeben“ Albert Schweitzers und der Bio-zentrik von Paul W. Taylor (27).

Aber die anthropozentrische Gegenpo-

sition ist weitaus stärker: John Passmoregibt „dem Menschen als Person, und derBedeutung der wissenschaftlich-techni-schen Tradition den Vorrang... Der Menschals Person ist der Zweck an sich. Die Natur dagegen ist das Mittel und kannsomit benutzt werden“ (27).

Aber dabei bleibt es nicht. Die Anthro-pozentrik verliert ihre unangefochten beherrschende Position: Es ist von „ge-mäßigtem Biozentrismus“ (27) die Rede.

Einen ganz anderen Weg der Ein-führung schlägt Erhard Olbrich (32-57)ein, indem er nicht von Ideen und philo-sophischen Konzepten ausgeht, sondern(33) „von dem Wissen über Verhaltenund Erleben sowie über die Verhaltens-möglichkeiten von Menschen und Tieren...“. Dabei geht es zunächst umBefunde zum lange vermeintlich oderimmer noch Trennenden zwischenMensch und Tier, wie Werkzeugge-brauch und Werkzeugherstellung (34-35), die erstaunliche Möglichkeit vonTieren, Krankheiten oder Wunden zu behandeln (35-37), die Sprache (38-40),das Ich-Bewusstsein (41) und schließlichdas Transzendenzbewusstsein (42), wo-bei gerade der letzte Bereich noch kaumdiskutiert wurde.

Die bisherigen von der Philosophiestammenden Auskünfte (42) sind „weni-ger von der Beobachtung des Verhaltensder Tiere... geprägt, als von einer Zen-trierung, ja einem Beharren auf einseitigmenschlichen Interpretationen und Wertungen... Horkheimer und Adornosagen in der ‚Dialektik der Aufklärung(1944/1980)‘, dass wir uns doch selbstam deutlichsten in der Abhebung vondem erkennen, was wir nicht sind. So be-weise der Mensch mit der Unvernunftder Tiere seine eigene Würde, und er ver-suche, mit der daraus abgeleiteten prinzi-piellen Verfügbarkeit der Tiere seine um-fassende Naturbeherrschung und dieÜberlegenheit seiner technischen Ratio-nalität zu rechtfertigen.“

Es leuchtet ein, dass hier (44) auf Forschungen zur „Biophilie“ (Affinitätdes Menschen gegenüber anderen For-men des Lebens) verwiesen wird, wasdann zum Kapitel „Mitleid mit dem Tier – Ehrfurcht vor dem Leben – Inne-re Einheit mit dem Leben“ (44-57)überleitet; eine Denkrichtung, die, aus

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nicht-philosophischem Erkenntnishin-tergrund stammend, besondere Beach-tung verdient.

8 Tierversuche

Seit Jahren tritt das ethische Problem der Tierversuche zugunsten forschungs-methodischer Fragestellungen (insbeson-dere solcher, die in der Weiterentwick-lung der 3R-Praxis eine Chance sehen) inden Hintergrund. Hier geht es schließlichum positiv bewertete erkennbare Fort-schritte, ohne dass der Forschung Ein-schränkungen oder Verzichtleistungenabverlangt würden. Ganz anders dieEthikdiskussion: Hier schleppt sich be-stenfalls ein Klärungsprozess weiter, abund zu angeregt durch Zuspitzungen wieetwa die in der Süddeutschen Zeitungvom 5.8.2003 als „Kindermund-Wahr-heit“ formulierte Frage „Bist du derMann, der die Mäuse umbringt?“

Für den aktuellen Berichtszeitraumsind es zwei Themen, die zur ethischenReflexion einladen; der ausführliche Beitrag von Heinrich W. Grosse und derim Kapitel 2 „Allgemeines zum Tier undTierschutz“ angesprochene Beitrag vonPeer Teuwsen.

8.1 Heinrich W. Grosse:Xenotransplantation auschristlich-ethischer SichtDer Aufsatz liefert vermutlich zum er-sten Mal einen zeitlich und inhaltlichüberblickenden Beitrag zur christlichenEthik in diesem Bereich und wurde inALTEX 20, 4, 2003, 259-269 ungekürztveröffentlicht. Der Text ist also immernoch nachlesbar und bedarf keiner be-sonderen Vorstellung.

Der Beitrag lässt jedoch – wie vieletheologische Äußerungen zum Tierver-such – eine zentrale Frage offen, wenndie Forderung nach „Minimierung derGewalt gegenüber den Tieren“ (263/64)erhoben wird, ohne Hinweise, wie weitdie Gewaltminderung gehen soll.

Fatal ist vor allem, wenn bei der Lektüre der Eindruck entstehen kann, dieGewalt sei als Zeichen der gefallenenSchöpfung unüberwindlich. Der Um-stand, dass „die Gewaltaspekte im Ver-hältnis zwischen Mensch und Tier in der

Bibel realistisch benannt“ werden (263),ist eine Ermessensnorm, weil der Ein-tretensfall von der Einschätzung abhängt,ob „es geht“ oder nicht.

8.2 Peer Teuwsen: WievieleRatten haben Sie getötet?In diesem bereits im Kapitel „Allgemei-nes zum Tier und Tierschutz“ Ziffer 2.6.1referierten Beitrag wird die Tierver-suchs-Ethik in sehr elementarer, aberdennoch nicht popularisierender Weiseangesprochen. Die (vermutlich fiktiven)Wissenschaftler werden hier nochmalszitiert:

Ein Doktorand sagt: „... ich muss alsWissenschaftler ganz tief innen über-zeugt sein, dass der Mensch mehr wertist als jedes andere Lebewesen. Das muss nicht richtig sein, aber ich mussdaran glauben...“

Ein Professor sagt: „Ich achte das Tier,aber der Mensch ist ihm übergeordnet.Das Tier hat keine Seele, der Menschschon. Wir dürfen das Tier in einem adäquaten Rahmen für unsere Zwecke,also im Kampf gegen Krankheiten, nut-zen. Ja, ich lebe im Bewusstsein, etwasSinnvolles zu tun.“

Daraus folgt: Was Menschen gegen-über als schweres Verbrechen gilt, istTieren gegenüber erlaubt, weil diese denMenschen untergeordnet und wenigerwert sind als diese.

Zwar ist es richtig, dass der Menschden Tieren an Intelligenz, Gewalt- undSchädigungspotenzial überlegen ist, unddass viele Menschen sich und ihresglei-chen deswegen für wertvoller halten.Aber ist das wirklich eine mit gutenGründen abgewogene Erkenntnis, dieauch einer unparteiischen Überprüfungstandhalten könnte?

Und selbst wenn der Nachweis derHöherwertigkeit gelänge, welche Argu-mente könnte man finden, um zu begrün-den, dass der Überlegene den Unter-legenen als Mittel für seine Zwecke ver-wenden darf?

Vielleicht wäre es hilfreich, die ange-wandte Ethik einmal in Bezug auf dassoziale Machtgefälle zu betrachten, oderist es wirklich gleichgültig, ob ich alshandelnder Mensch meiner belebten Mitwelt überlegen, gleichrangig oder unterlegen bin? Jedenfalls lohnt es sich,

über die drei Stufen der Bosheit, derenAutor leider unbekannt ist, nachzuden-ken, wonach:● es schlimm ist, Notleidenden nicht zu helfen,● es böse ist, aus dieser Not Nutzen zu ziehen,● es verwerflich ist, andere in solcheNot zu bringen, um sich dadurchVorteile zu verschaffen.

Auch wenn es noch so utopisch ist; einals richtig erkanntes Ziel darf nicht auf-gegeben werden, und die am Tierversuchhandelnd oder nutznießend Beteiligtensollten nicht versuchen, ihr schrecklichesTun mit dem Hinweis auf ihr damit ver-folgtes Ziel zu rechtfertigen, ja sie solltendie moralische Einsicht aufbringen, sichzu ihrer Schuld oder Mitschuld zu be-kennen. Zu ihrer Entschuldigung gibt es nur die in eine Frage gekleidete Fest-stellung des Arztes Helmut Piechowiak:„Was ist das für eine Welt, die von mas-senhaft produziertem Leid zu profitierenwünscht?“ (Evang. Kommentare 14,1981, 1, 28-29)

8.3 Brigitte Rusche: The 3Rsand Animal Welfare – Conflict or the Way Forward?Auch wenn die 3R-Ethik im Ergebnisnicht befriedigen kann, so ist sie dochaus der Einsicht erwachsen, dass es sichbeim Tierversuch um eine moralisch zuverurteilende und oft grausame Methodeder Erkenntnisgewinnung handelt.

Der Umstand, dass die 3R-Ethik einunzureichender Versuch ist, der ethi-schen Herausforderung zu begegnen,darf nicht dazu führen, das Unzureichen-de auch noch für überflüssig zu halten.Im Gegenteil, das Bemühen muss um ein Vielfaches verstärkt werden. DieseRichtung wird von Brigitte Rusche ver-folgt. Dabei ist sie auch den Gründen fürden bisher immer noch unzureichendenErfolg für die Tiere nachgegangen. IhrerAnsicht nach liegt es an der anthropozen-trischen Grundeinstellung der am Tier-versuch Beteiligten (63): „Diejenigen,die Tierversuche zulassen bzw. diesedurchführen, sehen nicht in erster Liniedas Tier, sondern das Ziel, das es zu erreichen gilt. Im Zentrum der 3R-For-schung steht daher auch die Frage: ‚Kannich mein Ziel mit weniger Belastung für

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das Tier, mit weniger Tieren oder garganz ohne Tiere erreichen?‘ Ausgangs-punkt ist dabei, dass die ethische Verant-wortung für den Menschen höher einge-schätzt wird als die für das Tier.“

9 Tier- und Nutztierhaltung

9.1 Agrarbündnis, Hrsg.:Landwirtschaft 2004 – Derkritische AgrarberichtDer Bericht enthält auf 270 DinA4-Seiten alles, was man unter dieser Über-schrift erwarten kann. Von Fachleutenverfasst, sinnvoll gegliedert, verständlichformuliert und mit einem hilfreichen Personen- und Sachregister ausgestattet.Als weitere Hilfe für Eilige bewährt sich die Gewohnheit, jedes Kapitel miteinem zusammenfassenden Rückblick zubeginnen. Das trifft auch für das unterLiteraturbericht-Aspekt zentrale Kapitel„Tierschutz und Tierhaltung“ (183-206)zu:● Im Teilkapitel „Rückblick 2003...“(183-192) werden die wichtigsten der zu-meist unbefriedigenden Entwicklungenreferiert. Verfasst von Heidrun Betz, InkeDrossé, Claudia Salzborn und KerstinSchniederkötter;● Im Teilkapitel „Zunehmende Ent-fremdung“ (193-196) wird der durchTechnisierung und Automatisierung derHaltungsformen bedingte Verlust an Zuwendung gegenüber den Tieren be-handelt. Verfasst von Wolfgang Apel;● Im Teilkapitel „Die falschen Ziele“(197-202) geht es um das Erkennen undAbbauen der Fehler bei den Vorgaben zurZucht. Autorinnen: Anita Idel und MaiteMatthes;● Im Teilkapitel „Bewilligungsverfahrenfür Stalleinrichtungen“ (203-206) wirdeine Möglichkeit aufgegriffen, die Tier-haltung zu Gunsten der Tiere zu be-einflussen, wenn dem nicht Gewinn-einbußen im Wege stehen. Verfasser: Beat Wechsler.

Zur Ethik der Nutztierhaltung kann der kritische Agrarbericht nur mittelbarbeitragen, indem er die herrschendenMissstände aufdeckt und über Abhilfe-,Verschleppungs- und Verhinderungsver-suche der verschiedenen Interessengrup-pen und beteiligten Institutionen berich-tet. Um so wichtiger sind dann Beiträge,

die eine ethische Orientierung erkennenlassen, auch wenn sie nur den Anlass für eine ergänzende Betrachtung bieten,wie dies im nachfolgenden Bericht derFall ist.

9.1.1 Renate Künast: Schritte zu mehr Gerechtigkeit (13 -17)Niemand konnte erwarten, dass die Ver-änderung des Grundgesetzes zu Gunstender Tiere sozusagen automatisch auchdie Wirklichkeit ihres ausgebeuteten Lebens ändern würde. Und wenn auchdie prominente Autorin bei der Formulie-rung der Überschrift in erster Linie anmehr Gerechtigkeit für benachteiligteBerufs- und Bevölkerungsgruppen oderLänder der Dritten Welt gedacht hat, soliefert sie doch das Stichwort zu der Frage, warum die Gerechtigkeit nur imzwischenmenschlichen Bereich ange-strebt wird, während in der Mensch-Tier-Beziehung immer noch tief verankert dieanthropozentrisch bedingte Ausbeuter-moral mit nur geringen Abmilderungenvorherrscht.

Am Anfang der Gerechtigkeit für Tiere steht die Nötigung des Gewissens,diese Gerechtigkeit zu wollen. Was diesbedeuten kann, ist bisher noch wenig be-dacht worden. Was hat es für einen Sinn,so fragt man sich, über Ziele nachzuden-ken oder gar zu streiten, die doch un-erreichbar bleiben? Jedenfalls den, sokönnte man sagen, dass man sich der ein-zuschlagenden Richtung immer gewisserwird, und dass man daraus auch die Be-reitschaft gewinnt, im eigenen Lebens-vollzug möglichst viel von dem durchzu-setzen, was tierethische Norm verlangt,also etwa:

(1) dass wir Tiere ohne Rücksicht aufihre Art oder anderer Unterschiede alsMitlebewesen mit eigenem Lebensrechtund eigener geschöpflicher Würde be-trachten und in ihrem artspezifischen undindividuellen Sosein respektieren;

(2) dass wir Tiere als Wesen anerken-nen, die bewusst oder unbewusst nachWohlbefinden streben und denen wir einen gleichen Anspruch auf Erfüllungdieses Strebens einräumen;

(3) dass wir Tiere, soweit sie gleicheBedürfnisse haben wie der Mensch, auchentsprechend gleich behandeln, aberauch ganz anders, wenn sie ihrer Artgemäß andere Bedürfnisse haben, d.h.

dass wir Tiere nicht nach Belieben, son-dern nach den Grundsätzen der Gerech-tigkeit behandeln;

(4) dass wir Tiere in ihrem Leben und Wohlbefinden nur dann und unterWahrung der Verhältnismäßigkeit beein-trächtigen, wenn Eingriffe im Interesseder Tiere notwendig sind, wenn eine Not-wehrsituation besteht, oder wenn eine Situation eintritt, in der jede denkbareEntscheidung, auch die zum Nichthan-deln, mit Verlusten an Leben oder Wohl-befinden verbunden ist.

10 Jagd, Meeressäuger,Stierkampf

10.1 Bundesministerium fürVerbraucherschutz, Ernährungund Landwirtschaft: Für einenachhaltige Jagd (Eckpunkte zurNovellierung des Bundesjagd-gesetzes) Stellungnahme vom19.3.2004„Die gesellschaftlichen Erwartungen anUmgang und Nutzung unserer natürlichenRessourcen haben sich geändert. (...) Wirwollen eine Jagd, welche die Natur unddie Tiere, die in ihr leben, als besonderssensible Ökosysteme pflegt. (...)“

Hier eine Zusammenstellung: „Auf einen Blick: Was ändert sich im Wesent-lichen am Bundesjagdgesetz?● Mit Neuformulierung von Ziel undZweck des Gesetzes wird klargestellt,dass sich die Jagd nach ökologischen und gesellschaftlichen Anforderungenausrichten muss, und dass sie Teil derNachhaltigkeitsstrategie der Bundesre-gierung ist.● Durch nähere inhaltliche Bestimmungvon Begriffen wie ‚Hege‘ und ‚Waidge-rechtigkeit‘ werden Grundbesitzer undJäger konkret verpflichtet, Lebensräumezu erhalten und zu verbessern, sowie denBelangen der naturnahen Waldwirt-schaft, des Tierschutzes und der Öffent-lichkeit zu entsprechen.● Die Liste der dem Jagdrecht unter-fallenden Tierarten wird entsprechendden heutigen Schutzerfordernissen ge-kürzt und ‚artenscharf‘ präzisiert.● Jagdpraktiken, die im Widerspruch zuBelangen des naturnahen Waldbaus unddes Tierschutzes stehen, werden generellverboten. Dies gilt z.B. für die Fütterung

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des Wildes, die Fallenjagd und das Töten freilaufender Hunde und Katzenwährend der Jagd.

Das Bundesjagdgesetz wird kräftig‚entschlackt‘. Zahlreiche Bestimmungenkönnen besser oder zielgenauer von denLändern durchgeführt werden und ent-fallen daher. Dies betrifft z.B. die Ab-schussplanung und eine Fülle weitererVerfahrensvorschriften.“

10.2 Bernadette Calonego: Jagdauf „blutlüsterne Barbaren“In Kanada waren in der abgelaufenenJagdsaison offenbar drei Kampagnengleichzeitig im Gange:● eine Dezimierungsaktion, um 350.000Jungrobbenfelle („die höchste Quote seit40 Jahren“) zu erbeuten,● weltweite Proteste der Tierschützer,und schließlich● vehemente Unterstützung der Jägerdurch Presse und Fernsehen.

„Viele Kanadier fühlen sich von aus-ländischen Tierschützern als ‚blutlüster-ne Barbaren‘ verurteilt, während dochweltweit Tiere in Schlachthöfen einen oftqualvollen Tod erlitten.“ Besser sein zuwollen als andere, steht uns also nicht an; außerdem ist Deutschland „in der EUder drittgrößte Importeur von Robbenfel-len aus Kanada und Norwegen“.

10.3 Thorsten Engelbrecht: DasMillionen-Dollar-TierAuf brutale Weise fangen Treibjäger lebende Delfine, um sie mit hohem Gewinn an Marineparks zu verkaufen

Im Boom der Tiersendungen kann manimmer wieder Berichte über Heilerfolgebei schwer geschädigten Kindern sehen.Das ist aber nur die Goldseite der Medaille; über die Kehrseite lesen Siehier einige Passagen aus dem Artikel inder Süddeutschen Zeitung.

„Die Retter und die Schlächter kom-men oft in einer Person. Wenn wie in jedem Jahr zwischen Oktober und Aprilin Japans Gewässern Tausende von Del-finen in die Lagunen getrieben und dortmit langen Messern zu Tode gehacktwerden, haben die Schlächter immerauch ein Auge auf besonders schöne Exemplare. Denn die Tiere, die jenes Gemetzel überleben, bei dem sich dasWasser der gesamten Bucht rot färbt,werden gewinnbringend an Swim with

Dolphins-Anlagen und Delfin-Streichel-zoos verkauft. Die vermeintlichen Delfin-Liebhaber arbeiten mit den TreibjägernHand in Hand.

‚Inzwischen werden jedes Jahr Hun-derte von Tieren an die Milliarden Dollar schwere Delfinfänger-Industrieverkauft‘, sagt Richard O’Barry... Vorkurzem hat der 64-jährige im japani-schen Taiji die Fänger bei der Arbeit gefilmt. ‚Es war das Grausamste, was ichin den letzten 40 Jahren gesehen habe‘.“

Was die erhoffte Heilwirkung der neuen Therapie betrifft, so äußert sichEngelbrecht eher skeptisch, denn„tatsächlich gibt es keine Studie von einer führenden Wissenschaftszeitschrift,die eine nachhaltige Wirksamkeit derDelfintherapie belegt oder ihr gar Über-legenheit über Therapieformen mit Haustieren bescheinigt.“

Entsprechend vorsichtig ist auch dieBewertung von Erwin Breitenbach undEva Stumpf (151): „Vorliegende Studien,die über Effekte der Delfintherapie be-richten... müssen sehr vorsichtig undzurückhaltend bewertet werden. Sie weisen zum Teil erhebliche methodischeMängel auf, wie zum Beispiel zu geringeStichprobengröße, fehlende Kontroll-gruppen, keine Aussagen über die Güteund Qualität der Messinstrumente.“ Derim Kapitel 7 des Literaturberichtes vor-gestellte Sammelband „Menschen brau-chen Tiere“ von Erhard Olbrich und Carola Otterstedt hält hier reiches Material parat.

10.4 Peter Laufmann: Lizenzzum Töten Weil die Tierhaltung in vielen Zoos immer besser geworden ist, stehen dieVerantwortlichen vor neuen Fragen. Wassoll mit alten Tieren oder zu viel Nach-wuchs geschehen? In manchen Zooswerden sie getötet.

Von Tierschutz in Zoos war zwar gelegentlich schon die Rede, aber diegenannten Probleme sind ungelöst undwerden immer dringlicher. Verdienst-voll und jenseits polemischer Vorwürfewerden hier die Konflikte beschrieben,aber konsensfähige Lösungen lassensich nicht erkennen. Insbesondere kannuns die Orientierung an der Natur nichthelfen. Oder was ist mit Löwen (11),„wenn die Kraft nachlässt und die

Zähne ausfallen? So lässt sich keineBeute mehr machen, und die alten Tierewerden leicht selbst zur Beute... Ein alter Wolf oder Bär wird nicht in Würdealt. Die Tiere zeigen deutliche Verfalls-erscheinungen, ihnen könnte mit demEinschläfern viel Leid erspart werden...Doch Tiere werden in Zoos nicht nur älter als in der Freiheit. Dank der Haltungsbedingungen bekommen sieauch mehr Nachwuchs. Was in derWildnis notwendig ist, wird im Zoo zumProblem. In der Natur bedeutet Über-schuss, dass mehr Tiere geboren wer-den, als sich schließlich fortpflanzen.Ein paar bleiben auf der Strecke, ver-hungern, sterben an Krankheiten oderwerden gefressen...“

Wildtiere in menschlicher Obhut ist eine in der Mensch-Tier-Beziehung seltene Situation, und die Tierethik hatsich damit noch nicht befasst.

10.5 Mario Vargas Llosa: Dieletzte Fiesta – Spaniens Streit umden Stierkampf: ein Plädoyerfür die CorridaNoch nie ist zu diesem Thema ein Artikelerschienen, der, als Verteidigung ange-legt, so gut geeignet ist, auch die Sachedes Tierschutzes zu vertreten.

Da ist zunächst die Frage, ob manwirklich „nur die im Stierkampf aus-geübte Grausamkeit ächten“ will, diesonst vorherrschende Gewalt aber als„geringeres Übel tolerieren sollte. (...)Es gibt praktisch kein essbares Tier, dasnicht um des menschlichen Appetitsund Geschmacks willen einer ganzenReihe von ausgeklügelten Quälereienund Greueltaten unterworfen wird, umdie sich wenige groß zu kümmernscheinen: Aus den unnatürlich ver-größerten Lebern von Gänsen und Enten macht man cremige Paté, Hum-mer werden lebend ins kochende Was-ser geworfen... Und was ist mit Jagdund Fischerei? Sie sind als Sportartenebenso weit verbreitet wie angesehen.Zwar gibt es in England von Zeit zuZeit Kampagnen gegen die Fuchsjagd,bei der diese Tiere gleich nach Saison-eröffnung aus purer Lust am Töten zuTausenden von Hunden in Stücke geris-sen werden...“

So wird auf einleuchtende Weise deutlich gemacht, dass sich ethisch

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begründeter Tierschutz allen gefähr-deten oder notleidenden Tieren mitgleicher Entschiedenheit zuwendenmuss, d.h. die Ablehnung des Stier-kampfes ist immer Teil einer gene-rellen Ablehnung aller Handlungen,durch die Leben und Wohlbefinden eines Tieres beeinträchtigt werden.

Darum wendet sich Llosa auchdurchaus kritisch an die katalanischenStierkampfgegner: „die sich von denGrausamkeiten der Corrida entsetztzeigen und nach der Schließung derStierkampf-Arenen schreien, aber zugleich keine Skrupel haben, dieleckeren katalanischen Butifarra-Wür-ste zu essen“, deren Zustandekommenaus millionenfachem Leiden unge-schönt beschrieben wird. Und hier istdie Nation nicht zerstritten, denn fürdas ganze neue Europa müssen dieWürste wohl sein. Und wer sich damitabfindet, hat auch kein glaubwürdigesArgument mehr gegen die Corrida, soder durchaus logische Gedanke beiMario Vargas Llosa. Der humaneMensch kann aber auch anders undebenso logisch: Corrida: nein, Butifar-ra usw.: zweimal nein!

10.6 Paul Ingendaay:Ein Kult aus Blut und EmpfindsamkeitNur wenige Wochen nach dem Er-scheinen des Artikels von Mario VargasLlosa in der Süddeutschen Zeitung hatPaul Ingendaay in der F.A.Z. kritisch und z.T. unmittelbar geantwortet. In derLektüre werden wir Zeugen einer so-wohl kontroversen als auch stilvollenDiskussion. Dabei bleibt auch Raum für unspektakuläre Einsichten, wie etwa beiIngendaay: „Tatsächlich gibt es wohlzwei Typen von Menschen. Die einenwenden sich schaudernd oder ange-widert ab..., die anderen dagegen ver-senken sich gebannt in das Geschehen...Die schlichte Wahrheit ist, dass Stier-kampffreunde und -gegner auf verschie-denen Planeten leben. Ihre Argumenteüberzeugen nur das eigene Lager, gera-de die, die nicht mehr überzeugt werdenmüssen.“

Trotzdem: Wer das Phänomen ver-stehen will, dem kann die Lektüre derbeiden Texte sehr hilfreich sein.

11 Tiertötung und Vegetarismus

11.1 Heike Baranzke: Utopieals „Lebensnahrung“Ein Festvortrag der Autorin zum 110-jährigen Bestehen des deutschen Vegeta-rierbundes 2002, der nicht nur die Chronik der äußeren Ereignisse referiert,sondern auch den geistig-moralischenHintergrund und Motor der vegetari-schen Humanität vermittelt.

Das geforderte „wahre Menschentum“orientiert sich, wenn auch oft unbewusst,an dem utopischen „Ideal des GoldenenZeitalters der griechischen Mythologie“und dem biblischen „Schöpfungsfriedendes Gartens Eden... mit der Botschaft,dass die Welt, wie sie ist, nicht die ist, diesie sein soll“ (Teil 2, 21).

Dass bei der vegetarischen Lebens-weise auch gesundheitliche Überlegun-gen eine Rolle spielen, ist eine Erkennt-nis der jüngsten Vergangenheit undnimmt noch immer an Bedeutung zu;denn Fleisch ist ein wichtiger Faktor beider Falsch- und Überernährung (3. Teil,15): „Nach Schätzungen der Bundes-anstalt für Ernährung waren Ende der1990er Jahre in der Bundesrepublikernährungsbedingte Folgekosten von 150Milliarden DM pro Jahr zu finanzieren.“

Aber mit dem Zuviel an Fleisch schaden wir nicht nur uns selbst, sonderndieses Zuviel kommt nur zustande durchein Zuwenig der 840 Millionen Hungern-den dieser Welt (Teil 5, 19): 36% derWelternte werden von den Industrie-nationen in das Fleisch der Masttiere verwandelt, deren Überproduktion dannzum Zwecke der „Stabilisierung der Finanzmärkte“ wieder vernichtet wird(Teil 3, 15).

11.2 Evangelische AkademieLoccum: Fleischverzehr undNutztierhaltung: Zwischen Lustund GewissenIm Vorgriff auf das wegen Arbeitsüber-lastung immer noch nicht verfügbare Tagungsprotokoll soll hier über ein Thema berichtet werden, das relativ selten behandelt wird, schon gar nicht,wenn dabei auch die Gewissensfrage„Fleischgenuss“ diskutiert werden soll.Eben dies hat aber auch im Rahmen dieser Tagung nicht stattgefunden. Undwenn sich diese Lücke im Programm

auch zufällig ergeben hat, der Umstand,dass sich kein Theologe dafür gefundenhat, lässt vermuten, für wie „dringlich“dieses Thema gehalten wird. Angenom-men, es fände eine Untersuchung überdas fachliche Herkommen der Vortragen-den an kirchlichen Akademien statt, dieTheologen hätten Seltenheitswert!

Die Tagung war bestens bestückt mitThemen und Experten aus dem Bereichder Nutztierhaltung, Ökologie undAgrarmarketing, aber auch mit Vor-trägen, die darauf abzielen, Verbraucher,Handel und Fleischproduktion für einverantwortliches Handeln zu gewinnen.

Soweit wir ein moralisch reflektiertesLeben führen können und wollen, habenwir in Bezug auf das Ernährungsverhal-ten zwei uns weitgehend unbewussteLeitbilder zur Wahl:● ein systemimmanentes, das unter denals gegeben hingenommenen Bedingun-gen der Fleischgenuss-Gesellschaft dasBestmögliche für Leben und Sterben derTiere erstrebt, und● ein systemkontroverses, das unter denals unerträglich abgelehnten Bedingun-gen der Fleischgesellschaft zumindest alle Fleischprodukte boykottiert.

Dass hier eine Entscheidung ansteht,ist nur den wenigsten Menschen be-wusst, weil die Essgewohnheiten in derKindheit entstehen, einem Lebensab-schnitt, in dem das Problem noch nichtgesehen wird, und wenn es dann spätererkennbar ist, wird es erfolgreich ver-drängt.

Das systemkontroverse Leitbild kannnur in Konfrontation mit der traditionel-len Umwelt entstehen und bleibt indivi-duell. Vegetarisch geprägte Sozietätensind in unserem Kulturkreis nicht hei-misch. Einzige Ansatzpunkte sind die vegetarischen Gruppen wie etwa der„Vegetarierbund Deutschland“ und ähn-liche Gruppierungen.

12 Tiere in den Medien

12.1 Evangelische AkademieBad Boll: Tiere in den MedienEin sachlich formuliertes Tagungsthema,das in der Ausführung mehr hält als esverspricht. Es geht nämlich nicht nur umdie Tiere in den Medien, sondern auchdarum, welche Rolle der Mensch dabei

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spielt, insbesondere, wenn er es als seine Aufgabe ansieht, im Umgehen mitden Tieren für mehr Gerechtigkeit zuwerben. Unter diesem Aspekt sind alle19 Beiträge von Belang, weil sie bishernoch nie in dieser Weise behandelt wurden.

Der Band – erstmals als ansprechendproduziertes Buch erschienen – enthältaber auch einen Beitrag, der über das Sachthema hinaus von speziell ethischem Interesse ist.

12.1.1 Simone Christine Ehmig:Tiere und Tierschutz in den Medien: Erkenntnisse der Medienpsychologie undLernpsychologie (42-57)Unter diesem Titel wird die tierschutz-in-teressierte Publizistik kritisch aufs Korngenommen wie etwa an diesem Beispiel(45): „In Beiträgen speziell über Tierver-suche werden Experimente mit Tierenmeist als Selbstzweck dargestellt, die vorallem den Eigeninteressen der beteiligtenWissenschaftlern und deren Unterneh-men dienen. Ein wissenschaftlicher Ertrag oder ein möglicher Nutzen für dieMenschen wird oft nicht erwähnt oderausdrücklich verneint.“

„Warum“, so fragt die Autorin (49),„stellen Journalisten Tierhaltung, Tier-transporte und Tierversuche in einer derart negativen und emotionalen Weisedar?“ Offensichtlich geht es dabei „nichtum eine nüchtern abwägende Informati-on“, sondern um „die Anprangerung dessen, was die Verfasser als geltendePraxis betrachten. Ihre Berichte sollenEmpörung hervorrufen und nach Mög-lichkeit einen Skandal auslösen, der diePraxis beendet.“

Hier könnte der Eindruck entstehen,dass die Anprangerung schon an sich abzulehnen sei. Aber die öffentliche Ver-urteilung von Zuständen kann sowohl geboten als auch verboten sein, je nach-dem, ob ein Zustand zugleich ein Miss-stand ist oder nur als ein solcher behaup-tet wird.

Ehmig beschreibt in ihrem Beitrag die Informationsarbeit der Tierschutz-publizistik – nicht wie eigentlich geboten– als „nüchtern-abwägend“ (49), sonderneben als „anprangernd“, und hat damitauch weitgehend recht. Die ethische Be-wertung hängt aber davon ab, ob jemand

im Interesse der öffentlichen Informati-on, im Dienste des Tierwohls oder zurVerteidigung legaler Nutzungsansprücheder Tierhalter arbeitet. Jede dieser Positionen hat ihre Berechtigung.

Auch der Tagungsleiter (Helmut Gei-ger) hat diese Problematik aufgegriffenund führte (112) aus: „Männer und Frau-en, die sich für Tiere einsetzen, befindensich oft in einer schwierigen Lage, dennsie können – trotz fließender Übergänge– eigentlich nur gemässigt oder radikalsein. Sind sie gemäßigt, werfen viele ihnen vor: ‚Du bist inkonsequent unddeshalb unglaubwürdig!‘ Sind sie radikal, dann heißt es: ‚Du bist intole-rant, unfähig zu einem Kompromiss.‘

Bei ihren öffentlichen Auftritten sitzensie in einer ähnlichen Zwickmühle. Sindsie maßvoll, so glauben andere: Mit denen habe ich leichtes Spiel. Ich kannsie mit unverbindlichen Versprechungenabspeisen. Erheben Tierschützerinnenund Tierschützer aber harte Forderungen,wird ihnen ihre Radikalität vorgehalten.

Noch schwieriger wird ihre Lage dadurch, dass sie eigentlich gar keineGegner haben: Wer lässt sich schon alsTierfeind oder Tierschutzgegnerin hin-stellen? Folglich streiten um besserenTierschutz immer nur Tierfreundinnenund -freunde untereinander: extremgemäßigte oder gemäßigte, progressive,konsequente und aggressiv-radikale.“

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KorrespondenzadresseProf. Dr. Gotthard M. TeutschLisztstrasse 5D-95444 Bayreuth


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