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MELKEN ADF-Milking:Weniger Stressfü · PDF...

Date post: 06-Mar-2018
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Durch eine Steigleitung in der Becher- hülse werden Flüssigkeiten und Luft transportiert, die Düse sitzt im Zitzen- gummikopf. ADF-Milking: Weniger Stress für Melker und Kuh Das ADF-System dippt die Zitzen kurz vor dem Abnehmen und spült diese nach der Abnahme mit Wasser und Säure durch. Dadurch lässt sich die Melkzeit deutlich verkürzen. Wir haben uns das System im Praxiseinsatz näher angesehen. D ie Aussicht, das Dippen in Zukunft zu automatisie- ren, ist nicht nur für grö- ßere Milchviehbetriebe interes- sant. Manuelles Dippen ist zeit- aufwändig, pro Kuh müssen bis zu acht Sekunden kalkuliert werden. Besonders in größeren Gruppenmelkständen leidet beim manuellen Dippen der Durchsatz. In Karussellmelkanla- gen wird häufig sogar eine zusätz- liche Arbeitskraft benötigt, die das Dippen übernimmt. Um die Routinearbeitszeit pro Kuh in Karussellmelkanlagen zu senken, bieten mehrere Hersteller einen automatischen Sprayroboter an, der die Zitzen nach Abnahme der Melkzeuge mit desinfizierender Lösung einsprüht. Beim Sprayen passiert es allerdings häufig, dass die Zitze unvollständig oder gar nicht benetzt wird. Innerhalb von 30 Sekunden dippen! Wichtig ist, dass die Zitzen sofort nach der Melkzeugab- nahme gedippt werden, auf jeden Fall jedoch innerhalb von 30 Sekunden. Das Dippmittel reduziert zwar den Keimdruck am Euter, weniger Keimdruck bedeutet aber auch, dass die Kühe ihre Immunabwehr herab- setzen. Wird unregelmäßig gedippt, haben Krankheitser- reger deshalb doppelt gute Chancen. Deshalb gilt: Einmal dippen – immer dippen! Sieben Tage in der Woche, bei jeder Melkzeit, jede Kuh. Als Alternative zu Sprühbal- ken und Sprayroboter bietet sich das in Großbritannien entwi- ckelte ADF-Melkzeug an. Das Kürzel ADF steht für „Automatic Dipping and Flushing“. Im Gegensatz zum Sprühbalken und Sprayroboter verfügt das ADF-System zusätzlich noch über eine Zwischendesinfektion (Flushing). 60er Außenmelker umgerüstet Das innovative System ist bereits seit 2005 in Großbritan- nien im praktischen Einsatz. Zunächst wurden 197 Milchfar- men ausgestattet. Im Jahr 2010 entschied Entwickler James Duke, dass nun der richtige Zeitpunkt gekommen sei, das Melkzeug mit den gelben Becherhülsen einer breiteren Masse zugänglich zu machen. Die Markteinführung in Deutschland erfolgte auf der Euro- Tier 2012. Derzeit arbeiten in Deutschland laut dem Hersteller vier Milcherzeuger mit dem ADF-System, weltweit jetzt über 650 Anlagen. Als einer der ersten Milchvieh- betriebe hat die Dittmannsdorfer 56 Elite 4/2013 MELKEN
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Page 1: MELKEN ADF-Milking:Weniger Stressfü · PDF fileDurcheineSteigleitunginderBecher-hülsewerdenFlüssigkeitenundLuft transportiert,dieDüsesitztimZitzen-gummikopf. ADF-Milking:Weniger

MELKEN

ADF-Milking: WenigerStress für Melker und Kuh

Das ADF-System dippt die Zitzen kurz vor dem Abnehmen und spült diese nach derAbnahme mit Wasser und Säure durch. Dadurch lässt sich die Melkzeit deutlich verkürzen.

Wir haben uns das System im Praxiseinsatz näher angesehen.

Die Aussicht, das Dippen inZukunft zu automatisie-ren, ist nicht nur für grö-

ßere Milchviehbetriebe interes-sant. Manuelles Dippen ist zeit-aufwändig, pro Kuh müssen biszu acht Sekunden kalkuliertwerden. Besonders in größerenGruppenmelkständen leidetbeim manuellen Dippen derDurchsatz. In Karussellmelkanla-genwird häufig sogar eine zusätz-liche Arbeitskraft benötigt, diedas Dippen übernimmt. Um dieRoutinearbeitszeit pro Kuh inKarussellmelkanlagen zu senken,

Duhütragu

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bieten mehrere Hersteller einenautomatischen Sprayroboter an,der die Zitzen nach Abnahme derMelkzeuge mit desinfizierenderLösung einsprüht. Beim Sprayenpassiert es allerdings häufig, dassdie Zitze unvollständig oder garnicht benetzt wird.

Innerhalb von30 Sekunden dippen!

Wichtig ist, dass die Zitzensofort nach der Melkzeugab-nahme gedippt werden, aufjeden Fall jedoch innerhalb von

rch eine Steigleitung in der Becher-lse werden Flüssigkeiten und Luftnsportiert, die Düse sitzt im Zitzen-mmikopf.

30 Sekunden. Das Dippmittelreduziert zwar den Keimdruckam Euter, weniger Keimdruckbedeutet aber auch, dass dieKühe ihre Immunabwehr herab-setzen. Wird unregelmäßiggedippt, haben Krankheitser-reger deshalb doppelt guteChancen. Deshalb gilt: Einmaldippen – immer dippen! SiebenTage in der Woche, bei jederMelkzeit, jede Kuh.

Als Alternative zu Sprühbal-ken und Sprayroboter bietet sichdas in Großbritannien entwi-ckelte ADF-Melkzeug an. DasKürzel ADF steht für „AutomaticDipping and Flushing“. ImGegensatz zum Sprühbalken undSprayroboter verfügt dasADF-System zusätzlich nochüber eine Zwischendesinfektion(Flushing).

60er Außenmelkerumgerüstet

Das innovative System istbereits seit 2005 in Großbritan-nien im praktischen Einsatz.Zunächst wurden 197 Milchfar-men ausgestattet. Im Jahr 2010entschied Entwickler James Duke,dass nun der richtige Zeitpunktgekommen sei, das Melkzeug mitden gelben Becherhülsen einerbreiteren Masse zugänglich zumachen. Die Markteinführung inDeutschland erfolgte auf der Euro-Tier 2012. Derzeit arbeiten inDeutschland laut dem Herstellervier Milcherzeuger mit demADF-System, weltweit jetzt über650 Anlagen.

Als einer der erstenMilchvieh-

betriebe hat die Dittmannsdorfer
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Das markanteMerkmal desADF-Systemssind die gelbenBecherhülsen.

Fotos: Veauthier

Milch GmbH die neue Melktech-nik installiert. Ende Januar 2013wurde das 60iger Außenmelkerka-russell während des laufendenMelkbetriebes umgerüstet. FürHendrik Westert, dem Betreiberder Milchviehanlage, waren fürdie Installation des ADF-Systemsdie geringeren Arbeitskosten bzw.Einsparungen bei den Ver-brauchsmitteln ausschlaggebend.

„Beim manuellen Dippenmüsstenwir einen fünftenMelkerhinzuziehen“, erläutert derBetriebsleiter, „denn bei vier Mel-kern werden aus Zeitmangel nurrund 70% der Kühe gedippt.“Anzumerken ist in diesem Zusam-menhang, dass sich das Karussell22 Stunden täglich drehen muss,da sonst die 2250 Laktierendennicht gemolken werden könnten.Langsames Melken, weil ein Mel-ker mit dem Dippen nicht nach-kommt, ist nicht möglich.

So funktioniertdie Technik■ Nach dem Ende des Melkpro-zesses, nach der Absperrung desVakuums, wird eine genau defi-

nierte Menge Dippmittel demMelkzeug zugewiesen.■ Das Dippmittel wird durcheine in der Becherhülse fest inte-grierte Edelstahlleitung zunächstin Richtung Zitzengummikopftransportiert. Dort, im Gummi-kopf sitzt eine Plastikdüse, durchwelche die Flüssigkeit in dasInnere des Zitzengummisgesprüht wird. Ein kurzer Druck-luftstoß sorgt für eine Verwirbe-lung der Flüssigkeit, so dass dieDippflüssigkeit von oben an derZitze herabläuft.■ Noch während des Sprühvor-ganges wird das 1,95 kg schwereMelkgeschirr (300ml Sammel-stück) vom Euter abgezogen. Diezeitliche Verzögerung, mit derdie Melkbecher vom Euter abge-zogen werden, lässt sich zentraleinstellen.■ Unmittelbar nach der Ab-nahme beginnt die Zwischen-spülung. Sechs Mal werden Was-ser und Peressigsäure innerhalbkürzester Zeitabständemit Drucknach oben in das Innere des Zit-zengummis gesprüht. Da dieMelkbecher zu diesem Zeitpunktmit der Öffnung nach unten

hängen, kann das Wasser-Säure-gemisch ungehindert ablaufen.Zum Abschluss wird nochmalsetwas länger Druckluft in das Zit-zengummi geblasen.

Die gesamte Prozedur dauertca. 15 Sekunden. Für die opti-male Dosierung bzw. die richtigeSpritzfolge der Flüssigkeiten sorgtein Zentral-Prozessor, der imInneren des Karussells angeord-

KOMPAKT

■ Das ADF-System erlaubt das Dippen derZitzen imMelkbecher, nach der Melkzeugab-nahme werden die Becher nachgespült.■ Bei unserem Besuch des Melkzentrums (60erAußenmelker) der Dittmannsdorfer MilchGmbHmachte das System einen soliden Ein-druck.■ Nach Auskunft des Betriebsleiters konnte dieDippmittelmenge bis auf 6 ml/Kuh reduziertwerden.■ Interessant scheint das System für Milchvieh-betriebe, denen des öfteren kontagiöse Erreger(S.aureus) Probleme bereiten.■ Ob sich die Investitionskosten wiedereinspielen, hängt vor allem von der Verwertungder eingesparten Arbeitszeit ab.

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Der zentrale Prozessor steuert das Dippen und Zwischendesinfizieren aller 60Melkplätze im Karussell.

Jedes Melkgeschirr wird separat mit Wasser (Peressigsäu-re), Dippflüssigkeit und Luft angesteuert.

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net ist. Der Prozessor steuert diedrei Edelstahlmagnetventile fürWasser, Druckluft und das Dipp-mittel an, die im Ventilkasteneines jedenMelkplatzes angeord-net sind. Die Pumpstation unddie Vorratsbehälter für das Dipp-mittel und die Peressigsäurebefinden sich im Technikraum.

Der Hersteller empfiehlt auf-grund der hohen Beanspruchungder Zitzengummis durch dasDippmittel und die Peressigsäure,die Gummiteile sowie die Ventileim Zitzengummikopf nach 2000Melkungen auszutauschen.

Die gelben Becherhülsen sindaus einem Spezialkunststoff gefer-tigt, das Aufschlagen der Hülsenauf der Grubenkante (was durch-aus immermal wieder vorkommt)hinterlässt zumindest keine opti-schen Spuren. Auch sonst ist dasADF-Melkzeug sehr robust gefer-tigt, die Schläuche sitzen alle sehr

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fest. Mit normaler Muskelkraftlässt sich kein Schlauch abziehen.Das bestätigt uns auch Betriebslei-ter Hendrik Westert. Mit der Ver-arbeitung ist er sehr zufrieden,Defekte durch (ab)gerisseneSchläuche oder sonstige Schädenkonnte er bislang nicht beobach-ten. Einzig aufgefallen ist, dasssich das eine oder andere Melk-zeug beim Abziehen vom Euterverdreht, so dass die Schläucheabknicken und die vier Becher-hülsen nicht immer gleich nachunten hängen. Doch hierauf hatder Hersteller bereits reagiert. EinAbweisbügel ist entwickelt, schonbald soll dieser praxisreif sein.

Zellgehalt unverändertAuf den Zellgehalt der Kuh-

herde hatte die Umstellung aufdas ADF-System bislang nochkeine Auswirkungen. Dieser liegtnach wie vor unverändert bei ca.150000 Zellen/ml. Allerdingsweiß der Betriebsleiter zu berich-ten, dass sich der Verbrauch anDippmittel in etwa halbiert hat.Pro Kuh und Melkvorgang wer-den nur 6ml der jodhaltigenFlüssigkeit benötigt, beim Spray-roboter wären es 12 ml, rechnetWestert vor. Weiterhin schätzt eran der ADF-Technik das kom-plette Umspülen der Zitzen mitder roten Flüssigkeit. An jederZitzenkuppe ist denn auch tat-

sächlich ein Tropfen Flüssigkeitzu sehen.

Die Milchkühe scheinen sichebenfalls mit der Technik ange-freundet zu haben. Alle 60 Tierestehen entspannt im Karussellund kauen wieder, keine Kuhkotet ab. „Durch das Dippenwer-den dieMelkbecher sanfter abge-zogen“, glaubtWestert. Als weite-ren Pluspunkt führt er die verbes-serte Zitzenkondition an. ImWinter hat die Milchviehanlagewegen der speziellenHaltungsbe-dingungen (Cuccetten und freiliegender Futtertisch) immerwieder Problememit rissigen Zit-zen. Deshalb habe man bei Tem-peraturen von unter -8°C auchmit dem Dippen ausgesetzt,erklärt der Betriebsleiter. In die-semWinter sei das Problem, trotzdem lang anhaltenden starkenFrost, nicht aufgetreten.

KostenFür einen Fischgräten-Grup-

penmelkstand mit insgesamt 24Melkplätzen (2x12) gibt der Her-steller einen Grundpreis von30140 € an, soll Peressigsäure zurZwischendesinfektion eingesetztwerden, müssen noch 1712,50 €hinzugerechnet werden (Preisenetto, zzgl. Mwst.). Für den Ser-vice, der eine fortlaufende Liefe-rung der benötigten Betriebsmit-tel (Zitzengummis, Einspritzven-

Deutliche Arbeitszeiteinsparung

Farm Kühe Melker Einsparung Melkzeit (%)

Anzahl Anzahl absolut (min) in%

A 277 1–2 25 22

B 177 1 45 41

C 254 1 15 4,4

D 120 1– 17 19

E 551 2 62 27

Quelle: Ohnstad et al., 2012

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Deutlich zu sehen ist die vollständige BDippmittel. An der Zitzenkuppe bildet

tile, Dippmittel) beinhaltet, müssen jährlich 13 359 € einkal-kuliert werden (bei zwei Melkun-gen täglich). Unterstellt man eine zehnjährige Abschreibung errechnen sich jährliche Kosten in Höhe von 16 544 € (zzgl. Mwst) bzw. von rund 6,0 Cent pro Kuh und Melkung (300 Kühe). Diesem Betrag müssen die Kosten für Zit-zengummis und Dippmittel, die ohnehin verbraucht werden, gegenübergestellt werden. Erfah-rungsgemäß sind hierfür bei der beschriebenen Melkstandgröße

enässung der Euterstriche mit dem sich der erwünschte Tropf.

rund 10 000 € pro Jahr einzupla-nen. Ob sich der rund 6 500 € höhere jährliche Aufwand für das ADF-System rechnet, hängt davon ab, ob sich die eingesparte Arbeitszeit anderweitig entspre-chend gewinnbringend vergüten lässt bzw. ob die Eutergesundheit profitiert. Eine auf fünf britischen Milchviehbetrieben durchge-führte Studie belegt, dass durch-aus Zeiteinsparungen von bis zu 40 % beim Melken möglich sind (Übersicht 1).

Vor einer Umrüstung der vor-

Nach Abschluss des Dippens werden alle Melkbecher gespült bzw. zwischendesinfiziert.

handenen Melktechnik sollte mit der Molkerei abgeklärt wer-den, ob Bedenken wegen des jod-haltigen Dippmittels bestehen. Aufgrund der Rückstandsproble-matik ist das ADF-System z. B. in den Niederlanden bislang noch nicht zugelassen. In anderen Ländern wie Neuseeland, wo der Jodgehalt zunächst kritisch dis-kutiert wurde, hat die Molkerei-branche inzwischen ihre restrik-tive Haltung zurückgenommen, dort wird das ADF-System auch eingesetzt. G. Veauthier

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