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Mehr Halt für Implantate dank augmentiertem Weichgewebe

Date post: 23-Dec-2016
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Mehr Halt für Implantate dank augmentiertem Weichgewebe Gerade in den letzten Jahrzehnten ist das Wissen im Bereich der ossären Verankerung von Implantaten dramatisch angestiegen. Die knöcherne Einheilung von dentalen Implantaten (Osseointegration) ist mittler- weile vorhersagbar möglich. Und auch Langzeituntersuchungen konnten nachweisen, dass die Osseointegrati- on über Jahrzehnte aufrechterhalten werden kann, sofern eine korrekte Nachsorge durchgeführt wird. PD Dr. Stefan Fickl // Würzburg I mplantate können heute sogar bei richtiger Indikationsstellung erfolgreich sofort in Extraktionsalveolen eingesetzt werden und versorgt werden. Darüber hinaus ist die Augmentation von horizontalen Defekten vor oder während des Implantateingriffes mit unterschiedlichen Methoden möglich und geplant durch- führbar. Auf der anderen Seite ist der weichgewebige Abschluss der Implantatfixtur nach wie vor als eine Schwachstelle des den- talen Implantates anzusehen, da im Gegensatz zum natürlichen Zahn kein direktes Faserattachment zu beobachten ist (2). Erste Forschungsarbeiten versuchen ein direktes Attachment an der Implantat- und Abutmentoberfläche nachzuahmen, jedoch ist bis heute nicht klar in wie weit dieses Attachment vergleichbar ist zum natürlichen Zahn (7). Es zählen Quanität UND Qualität Dies hat in letzter Zeit dazu geführt, dass einige Forschungs- arbeiten sich der Beschaffenheit der marginalen Mukosa um Implantate gewidmet haben, um langfristig einen stabilen Weichgewebsabschluss zu gewährleisten. In diesem Zusam- menhang haben sich zwei wichtige Parameter herauskristal- lisiert: die Qualität der Weichgewebe (befestigte, keratinisier- te Mukosa) sowie die Quantität der Weichgewebe (Dicke der Weichgewebsmanschette) scheinen wichtig für den langfri- stigen Implantaterfolg. So zeigt eine Übersichtsarbeit, dass bei Fehlen von befestigter, keratinisierter Mukosa um Implan- tate langfristig mit mehr Plaqueakkumulation, mehr Blutung und mehr mukosaler Rezessionen zu rechnen ist (9). Diese kli- nischen Parameter sind gerade bei parodontal vorgeschädigten Patienten relevant, da Entzündungen um Implantate auch heute noch schwierig zu behandeln sind. Daneben ist durch Studien gezeigt worden, dass Patienten mit verdickten Weichgewebs- strukturen (z.B. mit einem dickem parodontalen Biotyp) weni- ger Rezessionen um Implantatfixturen zeigen (8). Diese ersten wissenschaſtlichen Anzeichen deuten auf die Notwendigkeit der Verbesserung der Weichgewebsstrukturen im Rahmen von implantat-chirurgischen Eingriffen hin. Xenogenes oder autologes Material? Jedoch ist bis heute das autologe Bindegewebstransplantat der Goldstandard im Bereich der Weichgewebsaugmentation (3, 4). Obwohl die Entnahmemorbidität bei subepithelialen Bin- degewebstransplantaten signifikant geringer ist als bei Frei- medizin 8 DER JUNGE ZAHNARZT 04 | 2013
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Mehr Halt für Implantate dank augmentiertem WeichgewebeGerade in den letzten Jahrzehnten ist das Wissen im Bereich der ossären Verankerung von Implantaten dramatisch angestiegen. Die knöcherne Einheilung von dentalen Implantaten (Osseointegration) ist mittler-weile vorhersagbar möglich. Und auch Langzeituntersuchungen konnten nachweisen, dass die Osseointegrati-on über Jahrzehnte aufrechterhalten werden kann, sofern eine korrekte Nachsorge durchgeführt wird.

PD Dr. Stefan Fickl // Würzburg

Implantate können heute sogar bei richtiger Indikationsstellung erfolgreich sofort in Extraktionsalveolen eingesetzt werden

und versorgt werden. Darüber hinaus ist die Augmentation von horizontalen Defekten vor oder während des Implantateingri�es mit unterschiedlichen Methoden möglich und geplant durch-führbar. Auf der anderen Seite ist der weichgewebige Abschluss der Implantat�xtur nach wie vor als eine Schwachstelle des den-talen Implantates anzusehen, da im Gegensatz zum natürlichen Zahn kein direktes Faserattachment zu beobachten ist (2). Erste Forschungsarbeiten versuchen ein direktes Attachment an der Implantat- und Abutmentober�äche nachzuahmen, jedoch ist bis heute nicht klar in wie weit dieses Attachment vergleichbar ist zum natürlichen Zahn (7).

Es zählen Quanität UND QualitätDies hat in letzter Zeit dazu geführt, dass einige Forschungs-arbeiten sich der Bescha�enheit der marginalen Mukosa um Implantate gewidmet haben, um langfristig einen stabilen Weichgewebsabschluss zu gewährleisten. In diesem Zusam-menhang haben sich zwei wichtige Parameter herauskristal-lisiert: die Qualität der Weichgewebe (befestigte, keratinisier-

te Mukosa) sowie die Quantität der Weichgewebe (Dicke der Weichgewebsmanschette) scheinen wichtig für den langfri-stigen Implantaterfolg. So zeigt eine Übersichtsarbeit, dass bei Fehlen von befestigter, keratinisierter Mukosa um Implan-tate langfristig mit mehr Plaqueakkumulation, mehr Blutung und mehr mukosaler Rezessionen zu rechnen ist (9). Diese kli-nischen Parameter sind gerade bei parodontal vorgeschädigten Patienten relevant, da Entzündungen um Implantate auch heute noch schwierig zu behandeln sind. Daneben ist durch Studien gezeigt worden, dass Patienten mit verdickten Weichgewebs-strukturen (z.B. mit einem dickem parodontalen Biotyp) weni-ger Rezessionen um Implantat�xturen zeigen (8). Diese ersten wissenscha�lichen Anzeichen deuten auf die Notwendigkeit der Verbesserung der Weichgewebsstrukturen im Rahmen von implantat-chirurgischen Eingri�en hin.

Xenogenes oder autologes Material?Jedoch ist bis heute das autologe Bindegewebstransplantat der Goldstandard im Bereich der Weichgewebsaugmentation (3, 4). Obwohl die Entnahmemorbidität bei subepithelialen Bin-degewebstransplantaten signi�kant geringer ist als bei Frei-

medizin

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en Schleimhaut Transplantaten (5), sorgt der zusätzliche Ent-nahmebereich für eine geringere Patientenakzeptanz, höhere Komplikationsmöglichkeiten und eine längere Operations-dauer. Aus diesen Gründen besteht schon seit längerer Zeit ein Bedürfnis des praktisch tätigen Zahnarztes, auf Ersatzmate-rialien auch im Bereich der Weichgewebschirurgie zurückzu-greifen. Gerade in letzter Zeit wurden verschiedene Materialien entwickelt, die als Ersatzmaterial für Weichgewebstransplan-tate in Betracht zu ziehen sind. Erste klinische Vergleichsun-tersuchungen zeigen klar auf, dass bei Verwendung von xeno-genen Ersatzmaterialien zur Rezessionsdeckung mit signi�kant geringerer Patientenmorbidität und kürzerer Operationszeit zu rechnen ist im Vergleich zur Verwendung von autologen Transplantaten (1).

Ersatzmaterialien zum Aufbau der befestigten, keratinisierten MukosaDa die Entnahme von Freien Schleimhaut Transplantaten mit der höchsten Morbidität verbunden ist, wäre ein Ersatzmate-rial für den Au�au der befestigten, keratinisierten Mukosa am dringlichsten. Aktuell die meiste wissenscha�liche Evi-

denz besteht in diesem Zusammenhang für eine zweischich-tige porcine Kollagenmatrix (Mucogra�®, Geistlich Biomate-rials, Wolhusen, Schweiz). Sanz et al und Nevins et al konnten nachweisen, dass diese Kollagenmatrix signi�kant die Menge an befestigter, keratinisierter Gingiva verbessern kann (10, 11). Vorteile dieser kollagenen Matrix sind die positive Beein-�ussung der Wundheilung und die mögliche Verbreiterung von befestigter, keratinisierter Gingiva. Die Volumenstabilität gerade bei dünnen parodontalen Biotypen ist in den meisten Fällen jedoch dem subepithelialem Bindegewebe unterlegen, so dass die Hauptindikation im Au�au von befestigter, kera-tinisierter Gingiva als Ersatz zum Freien Schleimhaut Trans-plantat liegt. Die Abbildungen 1-3 zeigen die Verbreiterung der befestigten Mukosa um Implantate mit einer kollagenen Matrix (Mucogra�®). Hierbei wird die kollagene Matrix als Platzhalter verwendet, um das nach bukkal verschobene Gewe-be apikal zu halten.

Ersatzmaterialien zur Verdickung der WeichgewebeEin deutlich derberes, und daher auch volumenstabileres, Ersatzmaterial stellt eine dermale Matrix porciner Herkun� dar

1 // Klinische Situation vor Implantatfreilegung mit insuffizienten Weichgeweben

3 // Freilegung der dentalen Implantate und Applikation eines Ersatzmaterials (Mucograft®)

2 // Apikalverschiebung der marginalen Mukosa als Spaltlappen

4 // Endgültige Situation mit verbesserten Weichgewebsstrukturen um die Healing Abutments

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(Osteobiol Derma®, Tecnoss, American Dental Systems, Vater-stetten). Laut Hersteller liegt die Resorptionszeit bei ca. 4-5 Monaten, eignet sich somit eher für die geschlossene Einhei-lung. Erste Untersuchungen aus der Arbeitsgruppe des Autors zeigen, dass diese dermale Matrix erfolgreich zur Deckung von gingivalen Rezessionen eingesetzt werden kann; die Ergebnisse sind vergleichbar mit denen von subepithelialem Bindegewebe, jedoch ist die absolute Menge an kompletter Wurzelabdeckung geringer (6). Da es sich um eine derbe Matrix handelt, sollte im Gegensatz zur Mucogra�® unbedingt auf eine geschlossene Einheilung geachtet werden.

Aus diesen Gründen (Volumenstabilität, gedeckte Einhei-lung) liegt das größte Potential dieser derben Ersatzmateri-alien aktuell im Bereich der Implantatfreilegung zur Korrek-tur von Weichgewebsdefekten und eventuell bei der Gingi-vaverdickung. Eine Langzeitdokumentation dieses Materials existiert jedoch bis dato nicht. Die Abbildungen 4-7 zeigen den Au�au der umgebenden Weichgewebe zum Zeitpunkt der Implantatfreilegung mit einer dermalen Matrix (Osteo-biol Derma®).

FazitDie erhöhte Morbidität und verlängerte Operationsdauer durch die Entnahme von subepithelialem Bindegewebe und Freien Schleimhauttransplantaten hat dafür gesorgt, dass verschie-dene Ersatzmaterialien erhältlich sind. Die bis dato meiste wis-senscha�liche Dokumentation ist zu einer zweischichtigen Kollagenmatrix (Mucogra�®) verfügbar. Diese Untersuchungen zeigen, dass der Au�au von keratinisierter, befestigter Mukosa auch mit einem Ersatzmaterial möglich ist und dieses Material auch bei o�ener Einheilung komplikationslos einheilen kann. Ob dieses Material jedoch ähnlich wie autologe Transplantate vorhersagbar und langfristig stabil befestigte, keratinisierte Mukosa au�auen kann, muss durch Langzeituntersuchungen noch geklärt werden.

Andere Materialien auf dem Markt sind ebenfalls porciner Herkun�, aber durch den Herstellungsprozess derber und �bröser, allerdings existiert hier kaum wissenscha�liche Doku-mentation. Die klinische Erfahrung zeigt bei diesen Materi-alien, dass autologes Bindegewebe nach wie vor fehlerverzei-hender ist, insbesondere wenn es zu einer sekundären Freile-

7 // Aufbau des bukkalen Bereiches mit dermaler Matrix (Osteobiol Derma®).

8 // Nahtverschluss nach Einbringen von Ersatzmaterial

5 // Klinische Situation mit Gewebseinziehung nach Implantation

6 // Einsetzen von Healing Abutment nach Implantatfreilegung

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Das sagt der Coach

Insgesamt muss jedoch konstatiert werden, dass das autologe Bindegewebe nach wie vor den Goldstandard

im Bereich der Weichgewebsaugmentation darstellt. Nicht nur die spärlichen klinischen und histologischen Unter-suchungen mahnen noch zur Vorsicht beim Einsatz von derben xenogenen Ersatzmaterialien, aber auch die noch fehlende Langzeitdokumentation muss aus wissenscha�-licher Sicht noch eingefordert werden, bevor insbesondere die derben porcinen Ersatzmaterialien für den täglichen Einsatz empfohlen werden können.

Priv.-Doz. Dr. Stefan Fickl // Abteilung für Parodontologie in der Poliklinik für Parodontologie und Zahnerhaltung Universitätsklinikum Würzburg

gung dieser Materialien kommt. Daher ist das Indikationsfeld aktuell eher beim geschlossenen Au�au von Weichgewebs-defekten im Bereich des zahnlosen/implantierten Kiefers zu sehen. Die Deckung ginivaler Rezessionen ist mit diesen Mate-rialien ebenfalls möglich, jedoch sollte das Indikationsspek-trum aktuell noch eher auf den Bereich der singulären Rezes-sionen beschränkt werden.

9 // Definitive Situation mit verbesserten Weichgewebsstrukturen

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