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Medien im Globalisierungsrausch –

Date post: 01-Jan-2017
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Medien im Globalisierungsrausch – Kommt die Demokratie unter die Räder?
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Medien im Globalisierungsrausch –Kommt die Demokratie unter die Räder?

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stärker als der andere, dann ist dessen For-derung nach Freiheit nichts anderes als eineVerschleierung von Abhängigkeit. Andersformuliert: Das so ungeheuer wichtige unddurch nichts wegzudiskutierende Recht aufMeinungsfreiheit darf nicht mit dem Rechtauf Pressefreiheit verwechselt werden. Han-delt es sich bei der Meinungsfreiheit um einMenschenrecht, geht es bei der Pressefrei-heit um ein nachgeordnetes Recht auf Ge-werbefreiheit. Die Devise des Liedes „Die Ge-danken sind frei“ sind nicht mit der Kon-zernpolitik internationaler Medienkonzernezu verwechseln.Und weil den USA die Gewerbefreiheit wich-tiger als die Meinungsfreiheit ist, verließensie im Streit um die so genannte Internatio-nale Informationsordnung (NIIO) Ende 1984die UNESCO, und aus dem exakt gegentei-ligen Grund haben sich die Nichtregierungs-organisationen (NROs) Ende November 2003aus der bis dahin gemeinsamen Vorberei-tung auf den UN-Weltgipfel zur Informa-tionsgesellschaft (WSIS) in Genf (10.-12. De-zember 2003) zurückgezogen. Sie planen nuneine eigene und von den Regierungen unab-hängige Abschlussdeklaration. Hatten dieNROs Forderungen nach einer Demokratisie-rung der Massenmedien erhoben, hatten siedie Länder der Dritten Welt in deren Wunschnach umfangreichen Finanzleistungen ausden reichen Ländern unterstützt, so geht esden Industrieländern (unter der Maske vonBegriffen wie Cyberdemokratie) um nichtsanderes als einen möglichst schnellen undungehinderten Marktzugang zu den Märk-ten des Südens. Sie proklamieren „free-flow-of-information“, meinen aber die neoliberaleGewerbefreiheit.Was auf der internationalen Ebene schiefläuft, läuft zuhause nicht unbedingt besser.Die Berliner Regierung plant momentan eine

Mitte der fünfziger Jahre des letzten Jahr-hunderts sagte der damalige US-amerikani-sche Außenminister, John Foster Dulles, fol-genden Satz: „Wenn ich in der Außenpolitiknur einen Wunsch frei hätte und wirklich nureinen einzigen, dann würde ich mir wün-schen, dass es weltweit einen freien Flussvon Informationen geben würde.“ Rundzwanzig Jahre später kritisierte der aus Chilestammende Sozialwissenschaftler Juan So-mavia – heute Generaldirektor der Interna-tionalen Arbeits Organisation (IAO) in Genf –diesen Gedanken von Dulles mit folgenderÜberlegung: „Im Kultur- und Informations-bereich ist die Forderung nach einem ‚freienInformationsfluss’ das wichtigste Schlüssel-element zur Aufrechterhaltung von abhängi-ger und transnationaler Kommunikation. Un-ter den gegebenen Bedingungen kann dasPrinzip des ‚freien Informationsflusses’ nichtaufrechterhalten werden.“Um was genau geht es bei dieser Kontro-verse?Es geht bei dieser Kontroverse um den sim-plen Gedanken, dass eine echte Kommuni-kation zwischen zwei Partnern nur dannmöglich ist, wenn beide mit einigermaßenähnlich starken Ressourcen ausgestattetsind. Ist einer von beiden Partnern ungleich

Änderung des Pressefusionsgesetzes für2004. Die großen Zeitungsverleger wollenaufkaufen, und die Regierung schafft dafürden Rahmen. Die Folge wird sein, dass ins-besondere im Bereich niedriger Auflagen dieZeitungsvielfalt reduziert wird. Heute be-herrschen in Deutschland nur 10 Zeitungs-gruppen rund 60 Prozent der Auflage. Zei-tungskonzerne wie WAZ, Holtzbrinck, Axel-Springer wollen ihre regionale Marktführer-schaft verstärken. Eine Vielfalt der Meinun-gen wird dabei nicht herauskommen.Mit dieser Broschüre will das DGB Bildungs-werk dazu beitragen, die Diskussion überdas Verhältnis von Medienvielfalt und Demo-kratieentwicklung zu verstärken und fun-dierte Grundlagen dafür zu schaffen.

unpluggedVorwortJörg Becker Karl-Ludolf Hübener Werner Oesterheld

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I. Facetten medialer Realität 5

Die Internationalisierung der Medienlandschaft 7Jörg Becker

Nützliche Lügen 11Ignacio Ramonet

Der Schutz geistiger Eigentumsrechte in der Welthandelsordnung 16Albrecht Götz von Olenhusen und Jan Franzen

II. Konzentration undInternationalisierung der Medien 21

Medienkonzentration und Pressefreiheit in den USA 22Janet Wasko

Medienentwicklung und kultureller Wandel im asiatischen Zeitalter 29Kurt Luger und Jörg Becker

Medien und Demokratie in Afrika 33Emanuel Matondo D.

Glanz und Gloria aus Gütersloh: Der Bertelsmann-Konzern 37Jörg Becker und Christian Flatz

Deutsche Internationalisierungsstrategien im Zeitungs- undZeitschriftenmarkt Europas 40Holger Artus

Bella (Italia) ciao? Silvio Berlusconis Medienimperium 43Sylvia Riedmann

Televisa und der Tiger 45Karl-Ludolf Hübener

Rede Globo – „zum Wohle des Landes” 46Karl-Ludolf Hübener

Inhalt „Für Ordnung sorgende Operationen“anstelle des Wortes „Krieg“ 8Simone Andrich

Kuba oder die Instrumentalisierungder Menschenrechte 10Karl-Ludolf Hübener

Kolumbien: Wo Militärsdie Nachrichten diktieren 13Karl-Ludolf Hübener

Medienputsch in Venezuela oderMedien als Waffen 14Karl-Ludolf Hübener

Die Sonne darf nicht untergehen:Die Mediendiktatur in Birma 19U Kyi Win

Kambodschas Medienkönig ist einRote Khmer Soldat 20Raimund Weiss

Fernsehen in Indien: Subhash Chandraist der uneingeschränkte TV-Zar 24Jörg Becker

Business-TV 28Albrecht Götz von Olenhusen und Jan Franzen

De’ Deibel scheißt immer ’uf den größte’Haufe’: Der Dogan-Medienkonzern inder Türkei 32Günes Koc

Das Geld des Prinzen Al Waalid 35Christian Flatz

Diamanten und Pistolen: Die „kleinen Auf-merksamkeiten“ des Prinzen Al Waalid 36Christian Flatz

Beratervertrag zwischen Leo Kirchund Helmut Kohl 39

Die zehn größten Medienkonzerneder Welt 41

Telenovela – künstlerischer Kitsch? 44Karl-Ludolf Hübener

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III. Alternativen 47

Taugt der öffentliche Rundfunk als deutsches Exportmodell? 49Gunter Lehrke

Eckpunkte für eine neue und radikale Medienethikin interkultureller Absicht 52Jean-Pierre Wils

Gründungsaufruf 55Media Watch Global

Alternative (Radio-)Kommunikation in Lateinamerika 57Karl-Ludolf Hübener

Entwicklung durch Internet? 60Uwe Afemann und Simone Andrich

Nord-Süd-Medien und die Gefährdung der Demokratie:Das Medium ist nicht die Botschaft 62Urs Jaeggi

Autorenverzeichnis 65

www.-Links 65

Literaturauswahl 66

Impressum 67

Rechts: Höhlenmalerei Cueva de las Manos,Argentinien, Patagonien, ca. 9000 Jahre alt

Mail delivery failed? Frauenorganisationenim Süden und das World Wide Web 51Christine Höbermann

Botschaft zum 37. Welttag der sozialenKommunikationsmittel am 1. Juni 2003 54Papst Johannes Paul II.

Subcommandante Marcos und das Internet 56Karl-Ludolf Hübener

Deutscher Kulturrat, ARD undHeinrich Böll-Stiftung auf der Welthandels-konferenz in Cancún 64Simone Andrich

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I. Facetten medialer Realität

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Die Internationalisierung der MedienlandschaftJörg Becker

Die ersten Aufzeichnungen schriftlicher Nachrichten reichen überzweitausend Jahre zurück, zur Han-Dynastie in China und zur Herr-schaft Julius Cäsars im alten Rom. Handgeschriebene Nachrichten,die die Regierung täglich in Umlauf brachte, informierten über Ge-richtsverfahren, Feldzüge und politische Ereignisse. Nach der Erfin-dung einer Druckerpresse mit beweglichen Lettern in der Mitte des15. Jahrhunderts wurde der internationale Handel zur wichtigstenAntriebskraft für Zeitungen in Europa. Zeitungen mit kommerziellenNachrichten aus aller Welt und mit Anzeigen erschienen 1609zunächst in Deutschland und verbreiteten sich dann schnell in ganzEuropa. Solche Zeitungen erschienen in der Schweiz (1610), in denNiederlanden (1616), in England (1621), in Frankreich (1631), inItalien (1636) und in Polen (1661).Seitdem entwickelte sich die Presse ihrerseits zu einer Triebkraft desHandels. Zeitungen berichteten über Handelsreisen und die Risikenund Chancen neuer Handelswege. Anzeigen förderten die Nachfra-ge nach Produkten. Häufige Veröffentlichungen über Finanzberich-te, Insolvenzverfahren und Prozesse gegen Kaufleute und Produ-zenten halfen den Unternehmern, sich verlässliche Geschäftspart-ner auszusuchen. All diese Informationen ermöglichten die Ausdeh-nung des Handels über die eng verflochtenen Handelsverbände undGemeinschaften hinaus. Dies förderte den Wettbewerb zwischenHändlern und Produzenten aus verschiedenen Staaten.Heute kommt angesichts höherer Alphabetisierungsraten, niedrige-rer Druckkosten und neuer Techniken der elektronischen Nachrich-tenverbreitung (mit dem Internet) den Medien eine noch stärkereBedeutung für die Information von Unternehmern, Verbrauchernund Investoren zu. Auf Grund ihrer Reichweite können Medien ar-me und ausgegrenzte Bevölkerungsgruppen informieren und auchihnen eine Stimme geben. In Nicaragua etwa wurde im Mathema-tikunterricht für Grundschüler ein innovatives Radioprogramm ein-gesetzt, das ihre Prüfungsergebnisse verbesserte. Es wirkte sich vorallem für Kinder in ländlichen Gebieten positiv aus, die kaum Zu-gang zu guten Schulen haben. Indem die Medien bestimmte Infor-mationen publik machen, erreichen sie auch, dass die Dienstleistun-gen der öffentlichen Hand stärker auf die Bedürfnisse der Armenausgerichtet werden. So kosteten in Brasilien die Schulmahlzeiten ineinem Bundesstaat achtmal so viel wie in einem anderen Staat.Als die Medien darüber berichteten, wurden innerhalb von zweiWochen die Preise nach unten korrigiert.Wie aber verhalten sich nun Begriffe wie Globalisierung und Nord-Süd-Konflikt und innerhalb des Prozesses der internationalen Ent-

wicklung der Medienlandschaft? Eins ist, unabhängig von der Artdes Mediums, klar: Der Prozess der Globalisierung weltweit verläuftsystemimmanent ungerecht, und zwar auf Kosten der Entwick-lungsländer, weil es nach wie vor Unterschiede der Realentwicklun-gen zwischen Ländern im Norden und Süden gibt. So ist das Pro-Kopf-Einkommen zwischen Nord und Süd größer geworden, dergrößte Teil der Dritten Welt stagniert ökonomisch, die meisten Ent-wicklungsländer wurden vom Welthandel abgekoppelt, und das Be-völkerungswachstum in der Dritten Welt frisst sämtliche Erfolge inallen Lebensbereichen wieder auf. Als Folge dieser wirtschaftlichenUnterschiede kann eine Auseinandersetzung mit globalen Informa-tions- und Kommunikationsprozessen sinnvollerweise auch nur vordem Hintergrund solcher Realentwicklungen gesehen werden. Wieschwierig diese Prozesse auch sein mögen, sie können kein Grunddafür sein, nicht über globale Kommunikation nachzudenken.Betrachtet man internationale Medienpolitik aus kultureller Sicht,sind Medien Träger von Inhalten und Ideologien; aus ökonomischerund industrieller Sicht sind Medien aber auch Teil von informationel-len Infrastrukturen. Gerade der infrastrukturelle Aspekt gewinnt mitden neuen vernetzten elektronischen Medien wie dem Internet im-mer mehr an Bedeutung. Die zwei Dimensionen von Medien – Inhaltund Infrastruktur – im Nord-Süd-Kontext zu untersuchen, ist einebleibende Aufgabe im Kontext solcher Forschung, die nach wie vorvon medienimperialistischen Strukturen ausgeht. Sehr eindrücklichund mit vielfältigen Arbeiten aus vielen Ländern und für viele Medi-en hat genau dieses der Diskurs um die so genannte Neue Interna-tionale Informationsordnung (NIIO) geleistet, der im „MacBride-Re-port“ an die UNESCO 1980 seinen vorläufigen Abschluss fand. Ausdiesem Bericht geht hervor, dass die Nord-Süd-Kommunikation anfolgenden Strukturen krankt:1. Informationen verlaufen einseitig und hierarchisch-vertikal von

Nord nach Süd.2. Jedes Zentrum im Norden kommuniziert horizontal und direkt

mit jedem anderen nördlichen Zentrum.3. Der Informationsaustausch zwischen zusammengehörigen Pe-

ripherien funktioniert nur indirekt über das jeweilige Zentrum.4. Eine horizontale Kommunikation der Peripherien untereinander

findet nicht statt. Größtes Problem ist, während viele Informa-tionen von Nord nach Süd fließen, entspricht dem nur ein sehr,sehr kleiner Rückfluss.

Gegen dieses Einbahnstraßenprinzip sprach sich 1978 vor der UNES-CO der damalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher

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aus. Zehn Jahre später zog der Senat in Berlin eine praktische Konse-quenz aus solchen Beobachtungen. In der auswärtigen Kulturpolitikgäbe es ein „Defizit”, so hieß es in der damaligen Senatsvorlage,da keine deutsche Institution vorhanden sei, die kontinuierlich dieKulturen der Entwicklungsländer in Deutschland präsentiere.Aus die-sem Grund wurde 1989 das Haus der Kulturen in Berlin gegründet.Betrachtet man nach zehn weiteren Jahren die finanziellen Realitä-ten in Deutschland, lässt sich ohne Polemik festhalten, dass das Ein-bahnstraßenprinzip der Informations- und Kommunikationsflüssezwischen Deutschland und der so genannten Dritten Welt heute beiweitem stärker ist als vor zwanzig Jahren. Während in Deutschlanddas Auswärtige Amt mit einem Budget von 600 Mio. DM 1996 beider Deutschen Welle sehr viel tut, sich im Ausland zu präsentieren,gibt es mit 2,5 Mio. DM beim Haus der Kulturen der Welt nur einenAlibibetrag aus, fremde Kulturen in Deutschland zu präsentieren.Diese Relation hat sich seither kaum verändert.Aus diesem Grund hat Wolf Lepenies nach wie vor Recht mit seinerForderung: „Im Bereich der auswärtigen Kulturpolitik ist der Primatdes Exports überholt: Jetzt geht es um die Stärkung einer import-orientierten Kulturpolitik.” Diese Forderung bricht sich aber mit derRealität: Während die USA in den siebziger Jahren „nur” 150.000Programmstunden amerikanischer Filme pro Jahr exportierten, errei-chen sie gegenwärtig das gleiche Exportvolumen in jeder Woche.An-gesichts solcher weltweiten Verstärkungen im Ungleichgewicht derInformations- und Kommunikationsflüsse zu Ungunsten der Entwick-lungsländer und/oder aber auch zum Nachteil der deutschen Bevöl-kerung, die wenig Zugang zu Informationen aus dem Süden hat, soll-te darüber nachgedacht werden, ob die Existenz westlicher Auslands-sender überhaupt sinnvoll ist. Wahrscheinlich wäre es sinnvoller, dieMenschen in Deutschland über auswärtige Kulturentwicklungen zuinformieren, als einen teuren Auslandssender zu betreiben. Gäbe esausgewogenere Informationsflüsse zwischen Nord und Süd, würdenalso mehr Informationen aus dem Süden nach Deutschland hineinfließen, gäbe es also mehr Journalisten aus dem Süden, die sich indeutschen Massenmedien zu Wort melden könnten, so wäre die Be-richterstattung über die Dritte Welt bei weitem besser. Schon dieGeschichte hat gezeigt, dass Presse, Rundfunk und neue Medien wiedas Internet den wirtschaftlichen und politischen Wettbewerb überIndustrie- und Entwicklungsländer hinweg beeinflussen können. Siekönnen mithelfen,Vertreter der öffentlichen Hand und private Akteu-re zu mehr Verantwortlichkeit zu bewegen und das Interesse einzelnerGruppen an Veränderungen und institutionellen Reformen zu wecken.

„Für Ordnung sorgende Operationen“ anstelledes Wortes „Krieg“: Drei Beispiele für Sprachlenkungund Sprachzensur in der PresseSimone Andrich

– DDR schrieb man nicht, sondern es hieß „DDR“ – stets mitGänsefüßchen. Um die Nichtanerkennung der DDR als zweitendeutschen Staat zu betonen, wurde in den Zeitungen des AxelSpringer Verlages von 1967-1989 der Begriff DDR in Anführungs-zeichen geschrieben. „Überall, wo unser Land in den Spalten derBild-Zeitung, der Welt oder der Morgenpost auftauchte, hatte es inGänsefüßchen gedruckt zu werden“, schrieb die Berliner Zeitung imJahr 1989, ein paar Tage, nachdem man dieses kuriose Verfahrenaufgegeben hatte. Die Chefredakteure des Springer Verlags begrün-deten damals das Weglassen der Anführungsstriche für DDR damit,dass sie künftig seriöser und glaubhafter bei den Menschen imOsten wirken wollen, „ohne mit den ollen Kamellen von Einheit undFreiheit zu kommen“, so die Berliner Zeitung weiter. Man habe derDDR im Oktober 1949 höchstens drei Monate, dann zwei bis dreiJahre gegeben. Inzwischen seien es vierzig.– Die politische Relevanz von Kommunikation über den Kriegwurde im Sommer 1999 besonders deutlich: Zum ersten Mal nann-te ein französisches Gesetz in einer Debatte der Nationalversamm-lung den Algerienkrieg (1954-1962) „Krieg“ und nicht – wie bis-lang – „Bruderkampf“, „koloniale Strafaktion“ oder „Offensivope-ration“.Am 10. Juni 1999 nahm die Nationalversammlung den Vor-schlag einer Gesetzesänderung semantischer Art an. Wortwörtlichübersetzt heißt es in einem Schriftsatz der Nationalversammlungvon diesem denkwürdigen Tag, dass die bisherige Bezeichnung derAuseinandersetzungen in Algerien – „für Ordnung sorgende Opera-tionen im Norden Afrikas“ – in allen Gesetzestexten durch die Be-zeichnung „Krieg in Algerien“ ersetzt werde. Mit dieser Gesetzes-änderung war die Anerkennung Frankreichs, „kriegerisch“ in Alge-rien vorgegangen zu sein, endlich besiegelt.– In Israel hat jetzt der Rundfunkrat beschlossen, nicht mehr denarabischen Begriff der „Hudna“ zu gebrauchen, so die FAZ im Au-gust 2003. Für den Begriff der Waffenruhe solle künftig ein hebräi-sches Wort verwendet werden. Anlass zu diesem Umdenken gabder Historiker Ilan Asia: Wenn man die Terminologie der anderenSeite übernehme, dann lasse man auch zu, dass diese andere Seitedie eigene Geschichte begrifflich mitgestalte, und das sei ein Feh-ler.Aber nicht nur das Wort „Hudna“ dürfe nicht mehr benutzt werden,auch der Begriff der „zweiten Intifada“ solle wegzensiert werden,so die FAZ. Denn „Intifada“ bedeutet „Abschüttelung“ und dasbetraf nur die Zeit 1987 und 1991. Der Prozess der „Abschüt-telung“ habe aber nach den Autonomieverträgen von 1993 und1995 stattgefunden, als die Autonomiebevölkerung die israelischeBesatzung sozusagen „abgeschüttelt“ hätte. Es solle auch nichtmehr wertfrei von „Hisbollah“ oder „Hamas“ geredet werden,sondern von der „Terrororganisation Hamas“. Westlichen Medienallerdings werde es aber verziehen, wenn sie von „Hamas-Kämp-fern“ redeten anstelle von „Terroristen“, das sei einfach objektiv,so die FAZ. Diese Sprachzensur in Israel zeigt, dass der Kriegzwischen beiden Nationen seit Jahrzehnten nicht mehr nur eineAuseinandersetzung um dasselbe Land ist, sondern auch eine umIdentität und Sprache.

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Oben: Frühe Form der Keilschrift mit nurwenigen Zeichenelementen, die stark durchdie Schreibtechnik bestimmt sind, das Einfur-chen eines Griffels in den Ton.

Rechts oben: Drehbarer chinesischer Setzkas-ten, 1314

Rechts: Schon 70 Jahre vor Gutenberg wurdein Korea mit beweglichen Metallbuchstabengedruckt: Buchseite aus der Koryo-Periodevon 1377.

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Kuba oder die Instrumentalisierungder MenschenrechteKarl-Ludolf Hübener

Die harten Strafen für Dissidenten, für tatsächliche oder vermeintli-che Journalisten in Kuba haben neben dem Chor der rechten Castro-Kritiker auch manchen Linken auf den Plan gerufen: Jede Bestrafungeiner anderen Meinung, die die Freiheit der Meinungsäußerung ein-schränkt, stellt einen eindeutigen Verstoß gegen grundlegende Men-schenrechte dar. Also ein sonnenklarer Fall oder etwa doch nicht?Die Menschenrechte sind immer wieder instrumentalisiert worden –in letzter Zeit auch als Vorwand für militärische, so genannte huma-nitäre Interventionen benutzt worden. Die „Allgemeine Erklärung derMenschenrechte“, von der UN-Vollversammlung 1948 verabschie-det, hatte zunächst keinen bindenden Charakter. In der Erklärungwerden die politischen und bürgerlichen Rechte, die klassischen Men-schenrechte, festgeschrieben. Damals waren die meisten Länder derDritten Welt noch nicht dabei, sie waren noch weitgehend kolonisiertund hatten deshalb kein Stimmrecht. Ihre Sicht der Menschenrechtezählte nicht. Erst 1966 wurden der „Internationale Pakt über die wirt-schaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte“ (Pakt I) und der „Inter-nationale Pakt über die politischen und bürgerlichen Rechte“ (Pakt II)angenommen, die aber erst 1976 in Kraft treten konnten. Beide Pak-te sind gleichrangig und voneinanderabhängig.Aber schon wenige Jahre später setzte im Zuge des neoliberalenRollback eine selektive Sicht der Menschenrechte ein. Den klassi-schen Menschenrechten wird ein höherer Rang eingeräumt als denwirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten. Diesewurden zu Menschenrechten zweiter Klasse, zu vernachlässigenden,wenig realistischen Wunschvorstellungen herabgestuft – wie übri-gens auch die Forderung nach einer neuen Informationsordnung.Wenn man das Paket der beiden Pakte allerdings als gleichrangigund voneinander abhängig begreift, müssten sich einige der selbsternannten Menschenrechtsanwälte in Frage stellen. Beispielsweisedie Mächte, die im Internationalen Währungsfonds den Ton angebenund mit ihren Rezepten und Diktaten immer mehr Krankheit, Ob-dachlosigkeit und Hunger in der Welt verbreiten. Dem Menschensteht aber auf Grund seiner Würde das unverletzliche und unveräu-ßerliche Recht auf Nahrung, Wohnung, Arbeit und Gesundheit zu.Auch Regierungen der Dritten Welt, die sich an der Verurteilung Ku-bas beteiligen, treten die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellenMenschenrechte mit Füßen. In sozial tief gespaltenen Ländern wer-den die wirtschaftlichen Menschenrechte in besonders krasser Weiseverletzt.Wenn die Menschenrechte zudem interdependent sind, dannist sicherlich eine Voraussetzung für die Freiheit der Meinungsäuße-rung und andere demokratische Freiheiten, dass ein Mensch nichtschon als Kind durch Unterernährung, Krankheit und Hunger phy-sisch, psychisch und geistig geschädigt wird und damit in der Wahr-nehmung seiner klassischen Menschenrechte eingeschränkt ist.Was die wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechte angeht,braucht Kuba in Lateinamerika sicherlich keine Konkurrenz zu fürch-ten. Eine differenzierte, gleichrangige Sicht der Menschenrechte wür-de sicherlich nicht nur die karibische Insel auf die Anklagebank brin-gen: „Die internationalen Menschenrechte sind viel mehr als diezivilen und politischen Rechte. Sie gehen über ein Konzept hinaus,das sich auf den Schutz des Bürgers vor den Einmischungen desStaates in seine fundamentalen Rechte beschränkt. Die Menschen-rechte legen ebenso viel Wert auf die Idee von der menschlichenWürde... Allzu lange Zeit ist den wirtschaftlichen und sozialen Rech-ten zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Da hat auch Am-nesty International ein wenig Schuld auf sich geladen“ (Der Präsi-dent von AI auf dem 3. Weltsozialforum in Porto Alegre)

Flugblatt aus dem Bauernkrieg, 1525

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Ein jeder kennt die Geschichte des Diebes, der„Haltet den Dieb!“ ruft. Was meinen Sie, welchenTitel George Bush der berühmten Anklagerede ge-gen Saddam Hussein gab, die er am 12. Septem-ber 2002 vor der Generalversammlung der Verein-ten Nationen hielt? „Ein Jahrzehnt der Lügen und

der Widersetzlichkeit.“ Und was brachte er darin vor, angeblich auf„Beweise“ gestützt? Lauter Lügen. Der Irak, so behauptete er allenErnstes, unterhalte enge Beziehungen zum Terrornetzwerk al-Qaidaund bedrohe die Sicherheit der Vereinigten Staaten, weil er „Mas-senvernichtungswaffen“ besitze – ein Ausdruck, der Angst machensoll und von Bushs PR-Beratern gern benutzt worden war.Drei Monate nach dem Sieg der US-Streitkräfte und ihrer britischenHilfstruppen im Irak wissen wir, dass diese Behauptungen, derenStichhaltigkeit wir schon früher angezweifelt hatten, falsch waren.Immer deutlicher zeigt sich, dass die US-Regierung die Informatio-nen über die Massenvernichtungswaffen manipuliert hat. Eine zen-trale Rolle bei dieser gewaltigen Manipulation spielte das Office ofSpecial Plans. Das Office of Special Plans verließ sich ganz auf dieBerichte von Exilirakern, die dem (vom Pentagon finanzierten) Ira-kischen Nationalkongress und seinem zwielichtigen Präsidenten Ah-med Tschalabi nahe standen.Selbst Colin Powell wurde manipuliert. Vor seiner berühmten Redeam 5. Februar 2003 im Weltsicherheitsrat las Powell den Entwurf,den Lewis Libby, Stabschef des Vizepräsidenten Richard Cheney, ver-fasst hatte. Er enthielt derart zweifelhafte Informationen, dass Powell– laut International Herald Tribune vom 5. Juni 2003 einen Wutanfallbekam, die Blätter in die Luft warf und erklärte: „Das werde ich nichtvortragen. Das ist Sch...“. Der Präsident der Vereinigten Staaten hatalso gelogen. Auf der verzweifelten Suche nach einem Casus Belli,mit dem er die Vereinten Nationen umgehen und ein paar Verbün-dete (Großbritannien, Spanien) für sein Eroberungsprojekt findenkonnte, zögerte Bush nicht, eine der größten Staatslügen der Ge-schichte zu fabrizieren.Und damit stand er nicht allein.Vor dem Unterhaus in London erklär-te sein Verbündeter, der britische Premierminister Blair, am 24. Sep-tember 2002: „Der Irak besitzt chemische und biologische Waffen. Sei-ne Raketen sind binnen 45 Minuten einsatzbereit.“ In einer Ansprachevor Journalisten am 8. Februar 2003 ging Präsident Bush nach einemTreffen mit Powell so weit, folgende Einzelheiten bekannt zu geben:„Der Irak hat al-Qaida Sprengstoffexperten und Fachleute für die Fäl-schung von Ausweispapieren zur Verfügung gestellt. Er hat al-Qaida

Nützliche LügenIgnacio Ramonet

Druckerstube im 16 .Jahrhundert

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im Gebrauch chemischer und biologischer Waffen unterwiesen. Endeder 90er Jahre hielt sich mehrfach ein Al-Qaida-Agent im Irak auf,um Bagdad bei der Beschaffung von Giften und Gasen zu helfen.“All diese Anschuldigungen wurden von kriegstreiberischen US-Me-dien wiedergekäut, sowohl von den großen FernsehgesellschaftenFox News, CNN und MSCN als auch von der Radiokette Clear Chan-nel (mit 1.225 Radiostationen in den USA) und selbst von angesehe-nen Tageszeitungen wie Washington Post und Wall Street Journal.In der ganzen Welt bildeten die erlogenen Behauptungen dasHauptargument für alle Kriegsbefürworter.Das Lügen aus Gründen der Staatsräson hat in der Geschichte derUSA Tradition. Zu den finstersten Beispielen gehört die Zerstörung desamerikanischen Schlachtschiffs „Maine“ in der Bucht von Havannaim Jahr 1898, die als Vorwand für die Kriegserklärung an Spanien unddie Annexion Kubas, Puerto Ricos, der Philippinen und der Insel Guamdiente. Mit den Lügen des Golfkriegs 1991 brauchen wir uns hiernicht weiter zu beschäftigen. Sie sind eingehend analysiert worden(Siehe John MacArthur: Die Schlacht der Lügen. Über Medienzensurund Propaganda während des Golfkriegs 1991, München 1993) undals Paradebeispiele politischer Irreführung im Gedächtnis geblieben.Seit Bush juniors umstrittenem Wahlsieg bei den Präsidentschafts-wahlen im November 2000 gehört die Manipulation der öffentlichenMeinung zu den zentralen Aktivitäten der neuen Regierung.Nach denverabscheuungswürdigen Anschlägen vom 11. September 2001 istdieses Verhalten geradezu obsessiv geworden. Michael K. Deaver, einFreund von Rumsfeld und Spezialist für „psychologische Kriegsfüh-rung“ (psy war), fasste das neue Ziel folgendermaßen zusammen:„Die militärische Strategie hängt in Zukunft von der Fernsehberichter-stattung ab, denn wenn die öffentliche Meinung auf deiner Seite ist,kann dir nichts widerstehen; ohne sie ist die Macht ohnmächtig.“Am 20. Februar 2002 enthüllte die New York Times das bislang aber-witzigste Projekt zur Manipulation der Köpfe. Um den „Informations-krieg“ führen zu können, hatte das Pentagon auf Anweisung vonVerteidigungsminister Rumsfeld und seinem Stellvertreter DouglasFeith heimlich ein mysteriöses, von dem Air-Force-General Simon Wor-den geleitetes Office for Strategic Influence (Amt für strategische Be-einflussung) geschaffen, das die Aufgabe hatte, im Interesse der Ver-einigten Staaten nützliche Desinformationen zu verbreiten, und zwarinsbesondere gegenüber ausländischen Medien. Das Office for Strate-gic Influence wurde zwar nach den Enthüllungen in der Presse offiziellaufgelöst, ist aber ohne Zweifel immer noch aktiv.Wie sollte man sichsonst die grobschlächtigen Manipulationen während des jüngsten

Irakkriegs erklären? Vor allem die ungeheuerliche Lüge über die spek-takuläre Befreiung der Soldatin Jessica Lynch. Wie man sich gewissnoch erinnert, berichteten die amerikanischen Medien Anfang April2003 in großer Aufmachung und allen Einzelheiten über ihre Ge-schichte. Jessica Lynch gehörte zu den zehn Soldaten, die von iraki-schen Einheiten gefangen genommen wurden.Am 23. März sei sie ineinen Hinterhalt geraten; sie habe bis zum Schluss Widerstand geleis-tet und auf die Angreifer gefeuert, bis sie keine Munition mehr gehabthabe. Sie sei schließlich niedergestochen, gefesselt und in ein Kran-kenhaus hinter den feindlichen Linien in Nassirija gebracht worden.Dort sei sie von einem irakischen Offizier geschlagen und misshandeltworden. Eine Woche später sei es amerikanischen, mit Hubschraubernausgerüsteten Spezialeinheiten gegen den Widerstand von irakischenWachen gelungen, in das Krankenhaus einzudringen, Jessica aufzu-spüren und nach Kuwait zu bringen. Am selben Abend verkündetePräsident Bush der Nation aus dem Weißen Haus die Nachrichtvon Jessicas Befreiung. Acht Tage später übergab das Pentagon denMedien eine bei der Befreiungsaktion gedrehte Videoaufzeichnung mitSzenen, die der besten Kriegsfilme würdig gewesen wären.Doch am 9.April ging der Irakkrieg zu Ende, und einige Journalisten –vor allem von der Los Angeles Times, vom Toronto Star, von El País undvon BBC World – fuhren nach Nassirija, um die vom Pentagon gege-bene Darstellung zu überprüfen.Sie fielen aus allen Wolken. Ihre Nach-forschungen bei den irakischen Ärzten, die Jessica versorgt hatten, er-gaben, dass die Verletzungen der jungen Frau nicht auf Feuerwaffenzurückzuführen waren, sondern auf einen Unfall mit dem Lastwagen,in dem sie gefahren war.Auch war sie nicht misshandelt worden.Die Geschichte der Jessica Lynch wird in die Annalen der Kriegspropa-ganda eingehen. In den Vereinigten Staaten wird ihre Befreiung mög-licherweise auch weiterhin als der heroischste Augenblick dieses Kon-flikts gelten. Obwohl inzwischen bewiesen ist, dass es sich dabei umeine ähnliche Art der Erfindung handelt wie bei den „Massenvernich-tungswaffen“, die Saddam Hussein angeblich besessen hat oder beiden Verbindungen zwischen dem irakischen Regime und al-Qaida.Im Rausch ihrer Macht haben Bush und seine Umgebung die BürgerAmerikas und die gesamte Weltöffentlichkeit hinters Licht geführt.Ihre Lügen sind, wie Professor Paul Krugman meint, „der schlimmsteSkandal in der politischen Geschichte der Vereinigten Staaten, schlim-mer noch als Watergate, schlimmer noch als Irangate“.

Quelle: Gekürzte Fassung aus „Le Monde diplomatique“ (deutscheAusgabe) vom 11. Juli 2003

Zeitungsrotation um 1910

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Kolumbien: Wo Militärs die Nachrichten diktierenKarl-Ludolf Hübener

Neben Recorder, Kugelschreiber und Fotoapparat empfiehlt dasHandbuch, Schutzhelm, kugelsichere Weste und Erste-Hilfe-Ausrüs-tung einzustecken. In Kolumbien sind seit 1995 fast 40 Journalistenermordet worden – in einem Land, in dem ein Großteil der Bevölke-rung in Armut lebt und in dem sich seit über vierzig Jahren Gueril-leros und staatliche Sicherheitskräfte, unterstützt von paramilitä-rischen Verbänden, einen blutigen Krieg liefern. Die „Stiftung für diePressefreiheit“ in Bogotá hat zum besseren Selbstschutz ein „Hand-buch für Journalisten“ herausgegeben. Sie warnt davor, mit irgend-einer der Parteien Abmachungen einzugehen, um besser an Nach-richten heranzukommen. Doch die meisten Medien Kolumbiens ver-halten sich keineswegs neutral.Traditionsgemäß konzentriert sich die Mehrzahl der kolumbiani-schen Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen in den Händen vonFamilienclans, von aktiven oder ehemaligen Politikern des Landes.Inzwischen haben sich aber auch Wirtschaftsunternehmen in dieWelt der Massenmedien eingekauft. Diese Konzerne finanzierenauch die Wahlkampagnen der beiden großen Parteien, die seit übereinem halben Jahrhundert die Regierungen unter sich ausmachenund bislang jede oppositionelle Alternative herübergezogen, ge-kauft oder mit mörderischer Gewalt den Weg zur Macht versperrthaben. So zog beispielsweise der frühere Präsident Andrés Pastra-na, dessen Familie selbst über ein Mediennetz verfügt, mit finanziel-ler Unterstützung des Großunternehmers Ardila Lülle ins Präsiden-tenamt ein. Lülle ist Eigentümer der größten Getränkefirma und von„RCN Television“.Aber Druck wird auf Journalisten nicht nur von Politikern und Wirt-schaftskapitänen ausgeübt, sondern noch direkter von der Armee,die das Zweiparteiensystem bislang militärisch abgesichert hat unddie gemeinsam mit den Paramilitärs das Gros der Menschenrechts-verletzungen auf ihrem Konto verbucht. Es sei schon bemerkenswert– so einer der Autoren des Handbuchs –, dass als Hauptquellenfür Informationen Heer, Geheimdienst und Polizei zitiert würden.Das macht sich sogar bei internationalen Nachrichtenagenturen be-merkbar.Das Heer hat seine eigenen Informationsbüros, in denen Meldungenfabriziert und manipuliert werden. Wer diese in seinen Artikeln nichtverarbeitet oder gebührenden Platz einräumt, riskiert, nicht mehrvom Heer eingeladen und von weiteren Informationen ausgeschlos-sen zu werden. Das kann das berufliche Aus für freie Journalisten,für die soziale Sicherheit ohnehin ein Fremdwort ist, bedeuten.Es sind vor allem diese, die die großen Medien und Provinzblätter mitReportagen und Nachrichtenstoff versorgen. Die Einschüchterungführt zu versteckter und offener Selbstzensur. Mancher Journalisttraut sich schon nicht mehr, auf eigene Faust zu recherchieren –schon gar nicht bei der Armee.Um Journalisten unabhängiger von Heeresquellen zu machen undbesser schützen zu können, empfiehlt das Handbuch eine Inves-tition, die wohl kein Medienunternehmen ernsthaft in Betracht zie-hen dürfte: eine Lebensversicherung oder ein eigenes Fahrzeug,damit die Sonderkorrespondenten ihre Eindrücke über den Konfliktnicht notgedrungen aus Helikoptern des Heeres sammeln müssen!Die panzerfahrenden Kriegsberichterstatter des Irak-Krieges lassengrüßen.

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Medienputsch in Venezuela oder Medien als WaffenKarl-Ludolf Hübener

Wenn auch Venezuelas Präsident Hugo Chavez kein Salvador Allen-de ist, so fallen doch einige Parallelen zum Putsch 1973 in Chile insAuge, vor allem im Medienbereich. Im Kampf gegen den chileni-schen Präsidenten spielte die auflagenstärkste Tageszeitung „ElMercurio“ eine herausragende Rolle. Heute sind es vor allem priva-te Fernsehanstalten, die unliebsame Regierungen oder Präsidentenzu destabilisieren und zu stürzen versuchen.Die Kommunikation sei „der Herrschaft von Wirtschaftsgruppen un-terworfen – in einem Prozess beschleunigter Konzentration“, fürch-tet der keineswegs radikale Ex-Präsident Portugals, Mario Soares:„Damit werden fundamentale demokratische Prinzipien in Fragegestellt.“ Regierungen, die die Macht dieser Gruppen einschränkenund tiefgreifende soziale und wirtschaftliche Reformen in Angriffnehmen wollen, um schreiende Ungleichheit und Ungerechtigkeitzu beseitigen, müssen mit einer offenen medialen Kampfansagerechnen.Venezuela und der Putsch gegen Hugo Chavez im April 2002 warenein lehrreiches Beispiel, das in den Nachbarländern durchaus wahr-genommen wurde. Der „schmutzige Medienkrieg“ ist „paradigma-tisch“, meinte Ignacio Ramonet in „Le Monde diplomatique“.Als 1998 Hugo Chavez mit großer Mehrheit zum Präsidenten ge-wählt und bald deutlich wurde, dass er seine Versprechungen –u. a. eine Agrarreform – durchaus ernst nahm, begannen die Medienin die Rolle der Oppositionsparteien zu schlüpfen. Diese hatten überJahrzehnte hinweg das reiche Erdölland regiert, aber einen Sumpfaus Korruption und Misere hinterlassen. In den Wahlen waren dieehemaligen Regierungsparteien fast pulverisiert worden.An die Spitze der „Antichavisten“ rückten die vier großen privatenFernsehkanäle: „Venevision“, RCTV, „Globovision“ und „Televen“,unterstützt von neun der insgesamt zehn großen nationalen Tages-zeitungen, u. a. „El Universal“ und „El Nacional“. Eine zentrale Me-dienfigur ist Gustavo Cisneros, der ein internationales Medienimpe-rium besitzt: Er ist an 70 Unternehmen in 35 Ländern beteiligt,darunter „Univision“ (strahlt 80 Prozent aller spanischsprachigenProgramme in den USA aus), „Direct-TV“, „Canal 13“ in Chile,Playboy-TV, AOL Latin America. Sein Fernsehkanal „Venevision“ istder am meisten in Venezuela eingeschaltete Sender. Der gebürtigeKubaner ist mit Ex-Präsident George Bush senior befreundet. Beideeint das Interesse am Erdölgeschäft, dem von der neuen Bolivaria-nischen Verfassung – nach Chavez Vorbild Simon Bolivar benannt –allerdings ein Riegel vorgeschoben worden ist. Das Erdöl gehörtallen Venezolanern und kann nicht privatisiert werden. Die Putschis-ten hatten denn auch nichts Eiligeres zu tun, als die Verfassung zuannullieren.Mit einer gezielten Kampagne voller Lügen, Halbwahrheiten undManipulationen heizten die verschworenen Medien das politischeKlima auf. Chavez wurde wechselweise als Tyrann, Diktator,Kommunist oder Terrorist bezeichnet. Die Anhänger von Chavez,die vornehmlich aus den ärmeren Vierteln Venezuelas kommen,wurden als Horden,Talibane und Pöbel beschimpft.An der verbalenEskalation war Chavez nicht ganz unbeteiligt, ritt er doch in seinersonntäglichen Sendung „Alo Presidente“ im staatlichen Fernsehenscharfe Attacken gegen seine Gegner. Allerdings keine Recht-fertigung für die „vier apokalyptischen Reiter“ (Chavez über dievier Privatkanäle), offen und verdeckt zum Umsturz aufzurufen.Der „Diktator“ hat bis heute weder eine Zeitung noch einen Fern-sehkanal geschlossen und keinen Journalisten ins Gefängnis ge-steckt. Vor Chavez wurden allerdings Journalisten verfolgt, bedrohtund eingeschüchtert.

„Wir hatten eine fundamentale Waffe: die Massenmedien“, be-kannte ein hochrangiger militärischer Verschwörer in der Putsch-nacht. In dieser Nacht versammelten sich einige Putschisten, darun-ter Pedro Carmona, Chef des Unternehmerverbandes und Kurzzeit-Diktator, im Kanal Cisneros’ „Venevision“. Während die vier Kanäleden „Rücktritt“ des legalen Präsidenten verkündeten – ohne einenHauch von Beweisen – , stürmten Sicherheitskräfte der Putschregie-rung den staatlichen Kanal, wurden kommunitäre Radio- und Fern-sehsender heimgesucht und alternative Journalisten misshandelt.RCTV rief zur Menschenjagd auf, in dem der private Fernsehsendereine Namensliste gesuchter Politiker und Chavez-Anhänger veröf-fentlichte.Als allerdings Chavez-Anhänger (organisiert über kommunitäreSender und Handys!) auf die Straßen gingen, verhängten die Vierein totales Informationsverbot. Andrés Izarra, bei CNN in Atlantaverantwortlich für die spanische Nachrichtenausgabe und bis zudiesem Zeitpunkt Produzent der wichtigsten Tagesschau „El Obser-vador“ (RCTV), hat den „Black-out“ miterlebt: Am Tage des Staats-streichs lag bereits die Nachricht in der Redaktion vor, dass Chaveznicht zurückgetreten sei, sondern entführt und verhaftet wordenwar.Aber diese Meldung wurde nicht veröffentlicht, genauso wenigwie die Meldung, Mexiko, Frankreich und Argentinien verurteiltenden Putsch. Izarra wurde angewiesen, keine Informationen überChavez, seine Anhänger noch über seine Minister oder Personen,die irgendetwas mit Chavez zu tun haben, zu senden. Stattdessenzeigten die Vier unisono Zeichentrickfilme, Telenovelas und Spiel-filme. Selbst CNN staunte: „Die Massenmedien sagen gar nichts.“Izarra protestierte ein letztes Mal gegen die Totalzensur, wäh-rend sein Chef beim Putschpräsidenten Carmona saß. Vergeblich.Er räumte daraufhin seinen Platz im Sender.Die wissentliche Unterdrückung von Nachrichten ist nach der vene-zolanischen Verfassung verboten. Doch Chavez verzichtete auf dendurchaus möglichen Lizenzentzug. Die vier Privatsender setzen,als sei nichts geschehen, ihre Angriffe auf den Präsidenten fort undrufen zum Umsturz auf.Während der ganzen Zeit konnten die Putschmedien mit internatio-naler medialer Unterstützung rechnen – allen voran durch die„Interamerikanische Pressevereinigung“ (SIP/ISP), die Unternehmer-vereinigung der amerikanischen Presse. 1943 in Havanna gegründetvertritt sie nach eigenen Angaben rund 1.300 Zeitungen und Zeit-schriften von Patagonien bis Alaska – mit einer geschätzten Auflagevon 43 Mio. Exemplaren. Sie hat die Verteidigung der Pressefreiheitauf ihr Banner geschrieben und spielt sich zum alleinigen Anwalt indieser Hemisphäre auf, was sicher nicht schwer fällt, haben sie dochdie publizistische Kommandogewalt in fast allen Printmedien. ImEinklang mit der Bush-Regierung in Washington sah und sieht sie diePressefreiheit in Venezuela in Gefahr.Als aber von den Putschisten Alternativsender verfolgt wurden unddie großen Vier die totale Zensur diktierten, kein Wort des Protestesaus SIP-Reihen. Genauso schweigsam waren einige SIP-Vertreterals die Militärregierungen alle Menschenrechte mit Füßen traten. Inden Reihen der Zeitungsbesitzer schwingen sich Unternehmer zuVerteidigern der Pressefreiheit auf, die während der Militärdiktatu-ren das Lied der Gewaltherrscher sangen. „El Mercurio“ aus Chileist nur ein Beispiel. Der vorletzte Präsident der SIP, der UruguayerDanilo Arbilla, Herausgeber der Wochenzeitung „Busqueda“, warwährend der Militärdiktatur von 1973 bis 1976 Direktor für Presse-und Öffentlichkeitsarbeit. In dieser Zeit wurden zahlreiche Medien-organe verboten und zahlreiche Journalisten verhaftet.Während die Massenmedien jede Stellungnahme der SIP groß her-ausstellen, werden dagegen die Ansichten lateinamerikanischerJournalistenorganisationen oder internationaler Organisationen der

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kommunitären Radios verschwiegen oder höchstens in Ausnahme-fällen am Rande erwähnt.Wenn es um Chavez und Venezuela geht, werden auch die rechteinäugigen „Reporter ohne Grenzen“ hellhörig. Sie gehen offen-sichtlich von dem Grundsatz aus, dass alle Journalisten allein dieWahrheit verbreiten wollten. In ihren Protesten übernahmen sie oh-ne weitere Recherche wortwörtlich die Version der venezolanischenMedien. Kein Wort dagegen über die Repression gegen zahlreicheJournalisten in alternativen Medien.Die eigentlichen Feinde – nicht nur der Pressefreiheit – stellten dieMassenmedien dar, die ihre eigenen und fremde wirtschaftliche In-teressen vertreten, merkt Naomi Klein, renommierte US-Kritikerin,an. Aber nicht nur in Venezuela „benötigen wir mutige Verteidigerder Pressefreiheit“. Naomi Klein kurz vor der Irak-Invasion: „LetztenEndes wird nicht nur in Venezuela ein Krieg um das Erdöl entfachtund sind die Medienbesitzer unauflöslich mit den Kräften verbün-det, die einen ‘Regimewechsel’ verlangen.“ Der Unterschied zuVenezuela: in den Vereinigten Staaten „sitzen Regierung und Mas-senmedien auf derselben Seite.“Die Massenmedien – ursprünglich als Träger der Meinungs- und In-formationsfreiheit gegen wirtschaftlichen und politischen Macht-missbrauch gedacht, heute größtenteils zum Verteidiger der Interes-sen einer Handvoll von Megamedien und neoliberaler Globalisie-rung verkommen – bedürften dringend, so Ignacio Ramonet, derKontrolle und einer Gegenmacht: Auf dem Weltsozialforum 2003 inPorto Alegre wurde das „Internationale Observatorium der Massen-medien“ gegründet.

Eduardo GaleanoKrieg, Gewalt und Medien

Der Krieg ist die Fortführung des Fernsehens mit anderenMitteln, würde Karl von Clausewitz sagen, wenn der Generaleineinhalb Jahrhunderte nach seinem Tode auferstünde undsich durch die Kanäle „zappen“ würde. Die wirkliche Wirk-lichkeit imitiert die virtuelle Wirklichkeit, die die wirklicheWirklichkeit imitiert, in einer Welt, die die Gewalt aus allenPoren schwitzt. Die Gewalt bringt neue Gewalt hervor, dasweiß man; doch bringt sie auch Gewinne für die Industrie derGewalt, die sie wie ein Schauspiel verkauft und sie zu einemKonsumgegenstand macht.

Im anscheinend schriftlosen Afrika erfand in Kamerun König Njoya(1889-1933) 1906 die so genannte Bamum-Schrift mit mehr als500 Ideogrammen.

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Der Schutz geistiger Eigentumsrechtein der WelthandelsordnungAlbrecht Götz von Olenhusen und Jan Franzen

Bücherstände auf dem Rustaweli-Prospekt in Tbilissi, Georgien

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I. „Das geistige Eigentum ist das Öl des21. Jahrhunderts.“

Dieses Zitat von Mark Getty, Enkel des ame-rikanischen Ölmagnaten Jean Paul Getty,Gründer und Eigentümer der Firma „GettyImages“, in deren Archiven 30 Mio. Bilderlagern und deren Marktvolumen für digitaleBildrechte im Jahr 2000 auf 20 Mrd. Dollargeschätzt wurde, dieses Zitat also illustriertdie heutige Wertschätzung und Bedeutungdes geistigen Eigentums. Es legt zugleicheine historische Parallele offen. Die zen-trale weltwirtschaftliche Bedeutung des„schwarzen Goldes“, um das die davon ab-hängigen Industrieländer – allen voran dieUSA – nach wie vor mit allen wirtschaftli-chen, politischen und auch aggressiven Mit-teln kämpfen, macht deutlich, für wie hochdas geistige Eigentum ökonomisch einge-schätzt wird. Zugleich liegt jedoch auch eineandere Deutung nahe: Wer die Vormacht-stellung in der Nutzung des geistigen Eigen-tums innehat, wird, wie der Ausgang desKampfes um das Öl im 20. Jahrhundert ge-zeigt hat, auch die Weltwirtschaft und somitdie Politik des angebrochenen 21. Jahrhun-derts maßgeblich bestimmen. Schätzungenzufolge könnte der Handel mit geistigemEigentum in Zukunft rund 50 Prozent desgesamten Güterumsatzes ausmachen.Im Rahmen eines liberalisierten Welthan-dels und freier Produktions- und Absatz-märkte haben die Schöpfer, Produzentenund berechtigten Vermarkter von immate-riellen Gütern, wie Werken der Literatur undKunst, Erfindungen, Marken usw., die durchdas Internet verbreitet überall auf der Weltgenutzt werden können, ein Interesse anweltweitem Schutz.Demgegenüber steht etwa das Interesse vonNutzern in Entwicklungsländern, für die na-

mentlich das Internet bzw. dessen freie Nut-zung ein Ersatz für fehlende Bibliothekensein kann. Mittlerweile bieten weltweitVerlage Millionen von Artikeln aus ihrenTausenden von Fachzeitschriften online an.Dennoch bleibt den meisten Wissenschaft-lern und anderen Wissensdurstigen der Drit-ten Welt der Nutzen dieses globalen Archivsverwehrt, denn die wenigsten können dieKosten etwa einer Freischaltung für dieseArchive aufbringen.

II. Das TRIPs-Abkommen:Das geistige Eigentum als Handelsware

a. Das TRIPs-Abkommen als Verhand-lungsziel und -erfolg der Industrie-staaten einschließlich Deutschlands

Das Abkommen zum Schutz handelsrele-vanter geistiger Eigentumsrechte TRIPs (Tra-de Related Intellectual Property Rights) bil-det neben dem Güter- und dem Dienstleis-tungsabkommen die dritte Säule der Welt-handelsorganisation WTO (World Trade Or-ganization). Es zählt zu den Bereichen derWelthandelsordnung, die zwischen Indus-trie- und Entwicklungsländern heftig um-stritten sind.Die Unterzeichnung des WTO-Übereinkom-mens (Schaffung der WTO als Rahmenorga-nisation für den internationalen Handel)und seiner Bestandteile einschließlich desTRIPs-Übereinkommens am 15. 4. 1994 bil-dete den Abschluss der ab September 1986organisierten so genannten Uruguay-Run-de des GATT (General Agreement on Tariffsand Trade; Allgemeines Zoll- und Handels-abkommen. Die Aufnahme des Schutzesdes geistigen Eigentums als generelles The-ma in diese Verhandlungsrunde und dann

in das WTO-Vertragswerk stellte für dasGATT ein Novum dar.

b. Der Inhalt des TRIPs-Abkommens:der internationale Schutz des geisti-gen Eigentums im Zeichen der Globa-lisierung aus der Sicht der Industrie-staaten

Das Abkommen setzt relativ hohe Mindest-standards für den geistigen Eigentums-schutz in den wichtigsten Schutzbereichen(Art. 1, 9-39, 62 TRIPs). Neben den der Har-monisierung der nationalen Urheberrechtedienenden Mindeststandards erlangt derGrundsatz der so genannten Inländergleich-behandlung (Art. 3) wesentliche Bedeutung.Er dient der Gleichstellung der konventions-geschützten Schutzinteressenten, also denjeweiligen ausländischen Rechteinhabern,mit den Inländern des jeweiligen Schutzlan-des. Zudem enthält das TRIPs detaillierteVerfahrensrichtlinien, um die tatsächlicheDurchsetzung der Rechte zu gewährleisten(Art. 41-61). Es unterwirft die WTO-Mit-gliedsländer in Streitfällen dem WTO-Streit-schlichtungsverfahren (Art. 63, 64). Insge-samt führt das TRIPs-Abkommen damit zueiner internationalen Rechtsangleichung imBereich des geistigen Eigentumsschutzesund damit unisono zu einer deutlichenVerschärfung des Schutzes in den meistenEntwicklungsländern.Der Umfang des TRIPs-Abkommens ist be-trächtlich: neben dem Urheberschutz werdenPatente, Handelsmarken, geographische Her-kunftsangaben usw. erfasst. Die Schutzstan-dards sind hoch und orientieren sich in vie-len Fällen am Niveau der Industrieländer.Wenn ein Staat der WTO beitreten möchte,ist es für ihn bindend, die WTO-Überein-

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So verwundert es auch nicht, dass von vie-len Seiten eine Reform des TRIPs gefordertwird: Industrieländer sollen ihre Abkom-menverpflichtungen zur Förderung des Wis-senstransfers in Entwicklungsländer erfül-len, indem sie geeignete Anreize (Subven-tionen, Prämien, Steuererleichterungen) fürForschungsinstitutionen und private Unter-nehmen vorsehen oder davon absehen, denAbkommenstext restriktiver als nötig aus-zulegen.Die Enquête-Kommission des Bundestages„Globalisierung der Weltwirtschaft – Her-ausforderungen und Antworten“ kommt inihrem Schlussbericht (Abschnitt über dieglobale Wissensgesellschaft) zu dem Ergeb-nis, das die fortschreitende Privatisierungvon Wissen in Bezug auf ihre Folgen für dieBildung und Wissenskluft zwischen den In-dustrie- und Entwicklungsländern verstärktin den Fokus gerückt werden muss. Zudemempfiehlt sie die Entwicklung eines Konzep-tes für nachhaltiges Wissensmanagementund informationelle Grundversorgung (dasRecht der informationellen Grundversor-gung wird in der BRD aus Art. 5 Abs. 1 S. 1des Grundgesetzes abgeleitet) und schließ-lich eine Überprüfung des TRIPs-Überein-kommens.

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kommen, also auch das TRIPs, in nationalesRecht umzusetzen. Zudem prägt das TRIPsbereits dann schon das Recht der Beitritts-kandidaten zur WTO, weil diese nur dannmit erfolgreichen Beitrittsverhandlungenrechnen können, wenn sie die vom TRIPs-Übereinkommen vorgegebenen Schutzan-forderungen erfüllen oder sich ihnen zumin-dest nähern. Die Entwicklungsländer habennur noch bis zum Jahr 2006 Zeit, die Anfor-derungen des TRIPs zu erfüllen.

III. Die Kritik am TRIPs-Abkommen

Der Umstand, dass Entwicklungsländer, dieein natürliches Interesse an der Aufnahmein die WTO haben, bei der Umsetzung desTRIPs vor großen Problemen stehen, ist derKern der Kritik am TRIPs. Viele Entwick-lungsländer benötigen Hilfe bei der Umset-zung der Abkommensverpflichtungen in ei-ne nationale Gesetzgebung. Nicht zuletztdeshalb wird das TRIPs von Entwicklungs-ländern als unzulässige Einschränkung ihrernationalen Wirtschaftspolitik aufgefasst.Das Hauptaugenmerk der Entwicklungslän-der liegt dabei auf dem Technologietransfer:wissensintensive Güter würden teurer, derSchutz der Rechte käme in erster Linie denKonzernen der Industrieländer zugute, dietechnologische Spaltung der Welt würdeletztendlich verschärft.Vor diesem Hintergrund erklärt sich dasSpannungsfeld zwischen dem Interesse derEntwicklungsländer an einem kostengünsti-gen Zugang zu Information und Wissen, derVoraussetzung für eine nachhaltige positiveEntwicklung und Verbesserung der Lebens-qualitäten und dem Interesse der Industrie-länder an einem starken und durchsetzba-ren Schutz der Urheberrechte.

Bratislava, 1968: Die EinwohnerInnen infor-mieren sich über die aktuelle Situation nachdem Einmarsch sowjetischer Truppen in derCSSR. Nachrichten sind in Schaufenstern etc.über die ganze Stadt verteilt.

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(DVB) empfangen. Doch ist der Empfangschlecht: „Oft fällt der Strom aus, undnachts brennen die meisten Straßenlaternennicht. Zur Zeit sind sogar alle Transistorradi-os ausverkauft, und es gibt keine Batterienmehr. Ähnliches gilt für das Fernsehen. Aufden Dörfern flimmert das TV nur an Genera-toren oder alten Autobatterien“, erzählt derInhaber eines Elektrowarengeschäfts in derHauptstadt Rangun. Auch das Satelliten-TVist in der Regel nur für Touristen, Militärsund ihre Geschäftspartner erschwinglich.Andere trifft die Zensurpolitik. So kann esdurchaus passieren, dass ein Trupp Soldatendurch die Hauptstadt zieht und einfach diewenigen vorhandenen Satelliten-TV-Anten-nen demonstrativ und mit viel Aufmerksam-keit von Hausdächern reißt. Für Birmas Be-völkerung bleibt dann nur das staatlicheFernsehen. In Dauersendungen werden dortmilitärische Eitelkeiten und Narzissmen ge-predigt. Generäle, Offiziere und Soldateneröffnen Kanäle, Brücken und Fabriken, hal-ten Reden ans Volk, das applaudieren muss,und marschieren über den Bildschirm. Selbstals Kulisse bei Werbespots für einen Soft-

Die Sonne darf nicht untergehen:Die Mediendiktatur in BirmaU Kyi Win

Birma, das heute Myanmar heißt, kennt kei-ne Medienfreiheit. Medien folgen den Mi-litärs. Ihre Politik heißt restriktive Medien-zensur. Und die kann tödlich sein. Noch imJahr 1999 wurden zwei Journalisten ermor-det. Nach dem jüngsten Bericht von Repor-ter ohne Grenzen aus dem Jahr 2003 sitzenderzeit achtzehn Journalisten in Haft, vielevon ihnen seit Jahren. Selbst Sportreportersind vor der Medienzensur der Militärs nichtgefeit. Eine Zeitung etwa hatte im Juli 2003kritisch hinterfragt, wie sich das birmanischeFußballteam für die Asian Champion ClubLeague finanziert.Vier Sportreporter wurdendaraufhin verhaftet. Zwei sitzen noch immerim Gefängnis. „Unsere Zensurleute sind bru-tal und dumm“, sagt ein resignierter Jour-nalist in der Hauptstadt Rangun, und fährtfort: „Alles, was ihnen nicht passt, ist ver-boten. Das gilt schon für das kleine WortSonnenuntergang. Da in Birma die Sonnescheint, darf sie in einem Gedicht auch nichtuntergehen.“Schrift und Wort sind in Birma auf Militär-linie getrimmt. Dies ist ein Traditionsbruchmit dem birmanischen Buddhismus, der imgeschriebenen und gedruckten Wort etwasHeiliges sieht. Unter Militärgeneral Ne Winwurde seit Anfang der 90er Jahre eineMilitarisierung des birmanischen Buddhis-mus versucht. Dabei sollte die Organisationder Nationalen Buddhistischen Äbte den Mi-litärs eine religiöse Legitimationsbasis schaf-fen. Und so sind denn die birmanischenMedien heute voll mit Bildern, auf denenGeneräle und Äbte gemeinsam religiöseZeremonien feiern. Seit Anfang der 90erJahre gehören auch die auflagenstärkstenZeitungen des Landes, die Myanma AlinDaily, die Kyemon Daily und The New Lightof Myanmar den Generälen. Am 7. April2000 verbrannten Militärs während desThingyan-Festes – das traditionelle Neu-jahrs- und Wasserfest – 14.305 Videokas-setten, 21 Laser-Disketten, 36.132 Video-CD-Roms und 1.065 modische Kleidungs-stücke. Oberst Than Tun erklärte hierzu derÖffentlichkeit: „Diese unzensierten Medienhätten unsere nationale Kultur zerstörenkönnen.“Die Medienpolitik setzt sich auch in BirmasFernseh- und Radiounternehmen fort. Siestehen alle im Besitz der Militärs. Birmas Be-völkerung kann regierungskritische Rund-funksender nur über den Auslandshörfunkvon BBC, Voice of America, All India Radio,Radio Free Asia (RFA) oder das in Norwegenangesiedelte Democratic Voice of Burma

drink tauchen Militärs auf. Nur Unterhal-tungssendungen lassen die Militärdiktaturvergessen.Und auch für das Internet gilt: nur mit einerspeziellen Genehmigung des von den Mi-litärs kontrollierten Postministeriums darfman einen PC importieren, besitzen oder be-nutzen. Untersagt ist der Import und Exportvon Computersoftware. Noch strenger sinddie Bestimmungen für den Besitz eines Mo-dems oder auch nur eines Kopier- und Fax-gerätes. Dort heißt es, dass Informations-tätigkeiten verboten sind, welche die Staats-sicherheit, die Ruhe, Ordnung, den Friedenund die staatliche Einheit gefährden. Verge-hen gegen diese Bestimmungen können mitGefängnis zwischen sieben und 15 JahrenHaft bestraft werden. Im April 1996 koste-ten einem Geschäftsmann, der auch Ho-norarkonsul für die Schweiz und einigeskandinavische Länder war, diese Bestim-mungen das Leben. Wegen des Besitzes ei-nes Kopier- und Faxgerätes ohne Genehmi-gung wurde er zu drei Jahren Haft verurteilt.In einem der Militärgefängnisse Birmas ver-starb er nach nur zwei Monaten.

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Kambodschas Medienkönig ist einRote Khmer SoldatRaimund Weiss

Kambodschas Premierminister Hun Sen besitzt eine eigene Fernseh-station. Sie zählt zu den Modernsten des Landes. Im Büro des dorti-gen Fernsehdirektors strahlt dem Besucher das Lächeln von HunSen und seiner Frau entgegen. Hun Sen ist ein ehemaliger RoteKhmer Soldat. Langjähriges Mitglied jener Partei, die unter Pol Potim Jahr 1975 die Macht ergriff und nach jüngsten Schätzungenzwei Millionen Tote auf dem Gewissen hat. Bis heute ist keiner derMassenmörder verurteilt worden. Sie leben in Kambodscha ein Le-ben in Freiheit. „Wir berichten nicht über die Opposition, das könn-te die Bevölkerung aufhetzen“, erklärt der Fernsehdirektor. Damitnicht genug: Auch die kambodschanische Volkspartei von Hun Sensendet über die Fernsehstation Apsara TV ihr Politprogramm. Zwardementiert der dortige Fernsehdirektor, „die Fernsehstation gehörenicht der Partei“. Um nach langem Zögern dann doch die Finanz-quelle zu nennen: „Ein ranghohes Mitglied der Hun Sen-Partei“.Auch die Fernsehstation CTN, welche im März 2003 die Türen öff-nete und CTV 9 folgen Hun Sen. CTN gehört einem engen Wirt-schaftsverbündeten des Premiers. Bei CTV 9 hat sich der Premier-minister mit 50 Prozent Eigentum beteiligt. Damit ist die Vorherr-schaft in allen privaten Medienunternehmen des Landes gesichert.Um das Medienmonopol weiter zu stützen, sind auch die drei staat-lichen Fernsehstationen von Hun Sen dominiert. Eine von ihm ge-gründete Fernsehorganisation und das Ministerium für Informationsorgen für Parteilinie. So werden alle Zeitungen, Fernsehsender undRadiostationen im Informationsministerium observiert und kontrol-liert sowie in der Fernsehorganisation die politische Programmge-staltung abgestimmt.Laut Verfassung ist Kambodscha eigentlich eine liberale Demokra-tie. Und es gibt auch Parteikonkurrenten. Sie heißen Königsparteiund Sam Rainsy Partei. Doch in den Medien haben sie nichts zu sa-gen. Zwar gründete die Königspartei nach Beendigung des Bürger-kriegs im Jahr 1991 noch ihre eigene Fernsehstation und koaliertemit Hun Sen. Doch im Juli 1997 war die Einparteienherrschaft inKambodschas Medien zurückgekehrt. Die Regierungskoalition zer-brach und neue militärische Auseinandersetzungen folgten. Pre-mierminister Hun Sen hatte endgültige Machtverhältnisse geschaf-fen. Die Fernsehstation der Königspartei wurde zerstört, dann wie-deraufgebaut und steht nun zur Hälfte in seinem Privatbesitz.Kambodschas Fernsehstationen sind wichtig. In einem der zwanzigärmsten Länder der Erde mit einer Analphabetenquote von 40 Pro-zent spielen Zeitungen nur eine untergeordnete Rolle. Das weißauch Hun Sen. Am 27. Juli 2003 fanden in Kambodscha Parla-mentswahlen statt. Für den Wahlkampf war man gerüstet. Noch be-vor dieser offiziell im Juni 2003 begonnen hatte, sendeten sechs dersieben Fernsehstationen zeitgleich einen Propagandafilm für denPremierminister. Die Königspartei wurde für die militärischen Aus-einandersetzungen im Juli 1997 verantwortlich gemacht und derKooperation mit den Massenmördern der Roten Khmer beschuldigt.Dass Hun Sen und mehrere seiner hochrangigen Partei- und Regie-rungsangehörigen Mitglieder der Roten Khmer waren, blieb uner-wähnt. Die Königspartei konnte diesen mit nur zwei Radiostationenund begrenzter Reichweite wenig entgegensetzen. Noch benachtei-ligter ist die Oppositionspartei Sam Rainsy. Nur eine Radiostationsendet für sie. Ein Geschäftsrisiko, wie deren Direktor zuletzt im Ja-nuar 2003 erfahren musste. Für achtzehn Tage saß er im Gefängnis.Der Vorwurf der Hun-Sen-Partei: Seine Radiostation habe die Bevöl-kerung mit Gerüchten aufgehetzt und zu den anti-thailändischenAusschreitungen im Januar 2003 beigetragen. Damals wurden

mehrere thailändische Unternehmen und die thailändische Bot-schaft in Brand gesetzt. Dabei soll ein Anrufer, in der Radiostationlive-geschaltet, dies mit der Behauptung bewirkt haben, in Bangkokstehe die kambodschanische Botschaft in Brand und mehrere Kam-bodschaner seien ums Leben gekommen. Doch hatten die Demon-strationen bereits vor dieser unglücklichen Live-Schaltung begon-nen und waren eskaliert. Erst auf Intervention von Journalisten-gewerkschaften konnte die Befreiung des Mannes erwirkt werden.„Hun Sen ist der König der Informationen. Glauben Sie mir.Ich spreche die Wahrheit“, erklärt der Radiodirektor eingeschüch-tert und verängstigt. Das Medienmonopol hat seine Wirkung nichtverfehlt: Premierminister Hun Sen hat die Parlamentswahlen im Juli2003 gewonnen.

Eduardo GaleanoDie militärische Manipulation der Kommunikation

Die militärische Manipulation der Information auf der Weltüberrascht nicht, wenn man sich die jüngste Geschichte derKommunikationstechnologie anschaut. Das Pentagon ist im-mer der wichtigste Geldgeber und Hauptabnehmer all dieserNeuheiten gewesen. Der erste elektronische Computer wurdeauf Bestellung des Pentagon entwickelt. Die Kommunika-tionssatelliten entstanden aus militärischen Projekten, und eswar das Pentagon, das zum ersten Male das Internet nutzte,um seine Operationen im internationalen Maßstab zu koordi-nieren. Die multimillionenschweren Investitionen der Streit-kräfte in die Kommunikationstechnologie haben ihre Auf-gaben vereinfacht und beschleunigt, und sie haben es mög-lich gemacht, ihre kriminellen Taten weltweit so zu verbrei-ten, als seien es Beiträge zum Frieden unseres Planeten.

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II. Konzentration undInternationalisierung der Medien

Symbiose zwischen Filmindustrie undPolitik: Am 8. Oktober 2003 gewannder Filmschauspieler Arnold Schwar-zenegger die Wahl um die Positiondes Gouverneurs von Kalifornien

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Konzentration in derUS-amerikanischen MedienlandschaftJanet Wasko

Die wichtigsten Medienkonzerne der USA 2002/2003

Unternehmen Umsatz Wichtigste Unternehmensbereichein Mrd. $

Time Warner $ 40,9 Verlage, Fernsehen, Internet, Film, Video, MusikWalt Disney $ 25,3 Film, Fernsehen, Kabelfernsehen, Rundfunk,

Freizeitparks, SportVivendi Universal $ 61,0 Film, Fernsehen, Verlage, MusikViacom $ 24,6 Fernsehen, Film, Kabel, VideoNews Corp. $ 17,4 Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen, KabelSony $ 63,2 Film, Video, elektronische GeräteComcast $ 12,4 Kabel, SportCox Enterprises $ 9,9 Verlage, Fernsehen, Rundfunk, KabelClear Channel $ 8,4 Rundfunk, Fernsehen, Live-Unterhaltung, WerbungTribune Co. $ 5,3 Zeitungen, Fernsehen, Rundfunk, Sport

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Beispiel auch Unternehmen, die eine beherrschende Stellung in derKabel-, Film-, Video- und Musikindustrie innehaben. Eine dieser Un-ternehmenstöchter ist Eigner eines Rundfunknetzes, das über 25Prozent der Bevölkerung erreicht, eine andere betreibt eine Kette von8.500 Videoläden und eine dritte hat eine marktbeherrschende Stel-lung beim Internet-Zugang und unterhält das Kabelnetz, das Millio-nen US-amerikanischer Haushalte versorgt.In dieser eng umgrenzten Medienlandschaft drängen sich auch ei-nige der weltgrößten Medien- und Unterhaltungskonzerne. Auf Ti-me Warner und die Walt Disney Company, nach eigenem Bekundendie weltweit größten Medienkonzerne, werde ich im Folgendennäher eingehen. Viacom, mit einer der größten Filmfirmen (Para-mount), einem der wichtigsten Fernsehsender (CNN), dem größtenVertreiber von Videos (Blockbuster) sowie Kabelnetzen, Rundfunk-sendern und Verlagen zählt ebenfalls zu diesen Giganten.Auch wenn einige der großen Medienkonzerne der USA tatsächlichim Besitz transnationaler Konglomerate mit Sitz im Ausland sind,spielen sie in der stark konzentrierten US-amerikanischen Medien-industrie eine wichtige Rolle. News Corp., nach eigenen Angabender größte englischsprachige Zeitungsverlag der Welt, macht einengroßen Teil seines Umsatzes im US-amerikanischen Markt mit Ver-lagen, Fernsehen, Kabelnetzen, Filmen, Videos und Satellitensta-tionen. Die Sony Corp. besitzt ein großes Film- und Fernsehunter-nehmen in den USA und vertreibt Musik, Spiele und eine breite Pa-lette von Hard- und Softwareprodukten. Auch zu Vivendi-Universalgehört eine Vielzahl von Unternehmen im US-amerikanischenMedienmarkt, hauptsächlich im Bereich Musik, Verlagswesen, Fern-sehen, Film, Telekommunikation und Internetdienste.Signifikante Anteile am US-amerikanischen Mediensystem habenauch einige andere, relativ kleinere Unternehmen. Clear Channelhat über 1.200 lokale Radiosender; dazu kommen Fernsehsender,

Die Privatisierung und Kommerzialisierung derMedien ist in vielen Teilen der Welt relativ neu.Aber in den Vereinigten Staaten waren die Me-dien immer schon in Privatbesitz und folgtenkommerziellen privaten Interessen. Die jüngstenEntwicklungen auf dem US-amerikanischen Me-

dienmarkt hängen mit Globalisierungs- und Konzentrationsprozes-sen zusammen.Die US-amerikanischen Medien haben ihre Produkte auch in derVergangenheit exportiert, aber die globale Reichweite US-amerika-nischer Medienunternehmen hat sich in den letzten Jahrzehnten dra-stisch erweitert. US-amerikanische Fernsehserien und Filme samtden damit verbundenen Produkten werden in der ganzen Weltverkauft und beherrschen auch viele Medienmärkte im Ausland.Außerdem sind dieselben Unternehmen oft auch Eigner und Betrei-ber von Medienkanälen in anderen Teilen der Welt.In den USA ist die Medienlandschaft heute extrem konzentriert.Schon seit den 50er Jahren haben große Konzerne, die die verschie-densten Produktbereiche unter ihrem Dach vereinigten, die US-amerikanischen Medien kontrolliert. Anders ausgedrückt: Die Me-dienkonzerne haben eine breite Palette von Produkten und Dienst-leistungen in den Bereichen Nachrichten, Information und Unter-haltung angeboten und vertrieben, von Zeitungen und Zeitschriftenbis zu Fernsehsendern und audiovisuellen Produkten. Die staatlicheDeregulierung und die technischen Entwicklungen, aber auch dieÖffnung neuer internationaler Medienmärkte haben dann seit denachtziger Jahren zu Fusionen und einer Konsolidierung im Medien-geschäft geführt, mit anderen Worten: zu weiterer Konzentration.Heute beherrschen einige wenige transnationale Konzerne die US-amerikanische Medienlandschaft. Unter dem Dach der vier Konzer-ne, die die wichtigsten Fernsehkanäle besitzen, befinden sich zum

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Fernsehen in Indien: SubhashChandra ist der uneingeschränkteTV-ZarJörg Becker

Von Journalisten immer wieder befragt,welche Management-Universität er besuchthabe, verweist Subhash Chandra,Vorstands-chef des in Mumbai (Bombay) residieren-den Unternehmens Zee Telefilm, auf die Ja-ganath-Goenka-Universität. Und da es einesolche Universität gar nicht gibt, fügt erlächelnd hinzu, dass er sein gesamtes Wis-sen als Geschäftsmann seinem verstorbe-nen Großvater, Jaganath Goenka, zu ver-danken habe.Von ihm habe er vor allem ge-lernt, dass es dumme Fragen nicht gebe unddass man einfach überall – wie in einem in-dischen Basar – Informationen sammelnmüsse.Der von Subhash Chandra gegründete Fern-sehsender Zee Television strahlte am 2. Ok-tober 1992 seine erste Sendung aus. Inzwi-schen kennt seine indische Entertainment-Holding Zee Network viele Superlative.Hunderte Unternehmen von Zee Networkstrahlen Programme über mehr als siebenKanäle aus, vornehmlich in Hindi, aber auchin Bengali, Marathi und Punjabi. Zee Tele-film zielt mehr als erfolgreich auf den an-wachsenden indischen Mittelstand, mit an-

spruchsloser Unterhaltung, mit Talk-Shows,mit Seifenopern und melodramatischenSpielfilmen.Als die indische Ökonomie Ende der achtzi-ger Jahre insgesamt stagnierte und die alteAbschottungspolitik Indiens, die weder IBMnoch Coca-Cola ins Land gelassen hatte,nicht länger funktionierte, hatte der damali-ge indische Premierminister Rajiv GandhiIndiens Wirtschaft dem Weltmarkt geöffnet– die Geburtsstunde des privaten Fernse-hens in Indien.Die heutigen Erfolgsserien bei Zee heißen:Amanat (Das Erbe), eine Seifenoper über ei-nen alleinerziehenden Vater mit sieben hüb-schen Töchtern; „Aap ki Adalat“ (Der Hof),eine Talk-Show, in der die Zuschauer Promi-nente mit frechen Fragen in die Enge trei-ben dürfen, und „Antakshri“, eine unge-heuer populäre Show, in der die Teilnehmerversuchen, sich im Singen zu übertreffen.Tausende Inder warten regelmäßig in lan-gen Schlangen vor den Studioräumen vonAntakshri in der Hoffnung, bei der nächstenSendung mitsingen zu können.Die indischen Medien nennen SubashChandra „Zee-Zar“, „Indiens Murdoch“oder einfach „Medienmogul“. Der zweit-reichste Mann Indiens sieht sich selbst lie-ber als Macher. Bei Teilen der indischen Ju-gend hat seine Philosophie des „just do it

now“ ausgesprochene Kultzüge angenom-men. Da praktisch jeder indische Kabelbe-treiber Zee einspeist, wird Zee TV von allenfünfundzwanzig Millionen indischen Haus-halten, die Satellitenfernsehen empfangenkönnen, gesehen. Zee geht von weiterenfünfzehn Millionen Haushalten in Europa,Afrika und den Vereinigten Staaten aus.Selbstbewusst verkündete Chandra in ei-nem Interview: „Mein Ziel ist es, dass ZeeTV und Zee Internet jederzeit an jedem Ortfür jedermann zur Verfügung stehen.“Vor dieser heimischen Macht mussten auchinternationale Medienmogule die Segelstreichen. So hat auch Rupert Murdoch In-dien verlassen. 1992 vereinbarten dessenStar TV und Zee TV ein Joint-Venture mit ei-ner je hälftigen Beteiligung. Als sich Star TVanschickte, seine Programme von Englischauf Hindi umzustellen, erhob Chandra Kla-ge gegen Rupert Murdoch: „Wenn sich je-mand an getroffene Vereinbarungen nichthält, dann habe ich keinerlei Erbarmen.“ ImMärz 2000 beendeten die Partner jeglicheKooperation. Eine Pressemitteilung von ZeeTV vom 28. März 2000 endete mit demSatz: „Nun können wir uns endlich auf eineaggressive Investitionsstrategie in allen Ge-schäftsbereichen konzentrieren.“Subhash Chandra will in Indien westlichenEinfluss verhindern. Chandra ist ein bewuss-ter Hindu, ein indischer Nationalist, jemand,der sich in alter indischer Geschichte hervor-ragend auskennt, ein praktizierender Yoga-Schüler, ein Meister der Meditation, ein mo-derner indischer Manager, der aber trotz-dem gerne seinen seidenen dhotikurta trägt,der statt einer Zigarette gerne eine indischebidi raucht. Chandras Geschäftsphilosophieruht in der Tradition des alten Indien:„Im neunzehnten Jahrhundert wickelte In-dien fünfundzwanzig Prozent des damaligenWelthandels ab. Dahin wollen wir zurück“,sagte er in einem Interview mit dem indi-schen Magazin „The Week“. Chandra ist füh-rendes Mitglied der religiösen VipassanaGlobal Foundation. „Wir dürfen uns wedervon Erfolg noch von Misserfolg leiten lassen;wir müssen nur unserem Karma folgen.“Subhash heißt in Hindi „der gute Kommuni-kator“. Chandra kokettiert vor Journalistengerne mit dieser Bedeutung: Im November1999 rief er das Internetportal E-Connect In-dia Ltd. (ECIL) ins Leben. Die Firma Zee In-teractive Learning Systems Ltd. soll eine In-tegration von Fernsehen, Multimedia, Inter-net und Druckmedien in Angriff nehmen.Jetzt will Subhash Chandra mit einem Bud-get von knapp achthundert Millionen Dollarsein Agrani-Projekt verwirklichen. Er glaubtan dieses Satelliten-Telefonprojekt für In-dien. Bisher hat er sich nicht oft getäuscht.

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Seit dieser Zeit wuchs die Disney Company beträchtlich. Heute ver-sammelt sie viele unterschiedliche Geschäftsbereiche der Medienin-dustrie unter ihrem Dach.Das Unternehmen hat viele Untergruppen, zum Beispiel „Studio En-tertainment“ (24 Prozent der Einnahmen 2001), „Parks und Re-sorts“ (28 Prozent), „Consumer Products“ (10 Prozent) und „MediaNetworks“ (38 Prozent). Zum Bereich „Studio Entertainment“gehören Walt Disney Pictures, Touchstone, Hollywood Pictures undder Buena Vista Verleih. Das Unternehmen produziert und vertreibtSpiel- und Animationsfilme wie Atlantis und Pearl Harbour.Auch Mi-ramax und Dimension Films gehören zu Disney.Weitere Geschäftszweige sind die Disney-Parks (in den USA, Frank-reich, Japan und ab 2004 auch in Hongkong) und die schon legen-dären Aktivitäten bei der Vermarktung der dazugehörenden Produk-te. Das Unternehmen ist außerdem im Rundfunk- und Kabelbereichtätig und mit ABC Eigentümer eines der größten Fernsehsender.Dazu kommen ein wachsendes Rundfunknetz sowie erfolgreicheKabelkanäle wie ESPN, Disney Channel, A & E, History Channel usw.Disneys Konsumprodukte, die meist aus den Medienprodukten ent-wickelt werden, werden weltweit vertrieben. Damit steigert der Kon-zern nicht nur seine Einnahmen, sondern auch seinen Ruf – und da-mit wiederum den Verkauf.

Konzentration der Medienmacht

Man darf nicht übersehen, dass das vorrangige Ziel dieser Konzerneder Profit für die Investoren ist, auch wenn sich das nicht immer mitverantwortlichem Journalismus und den Bedürfnissen der Öffent-lichkeit vertragen mag. Durch die Konzentration verringert sich zu-dem die Meinungsvielfalt der Medien; einige wenige Konzerne be-kommen eine enorme Macht. Sobald Medien, die Nachrichten ver-breiten, in Händen großer Konzerne mit Interessen in vielfältigen

Außenwerbung und ein Großunternehmen der Live-Unterhaltungs-branche. Comcast ist der größte Betreiber des Kabelfernsehens inden USA und hat daneben mehrere Sportvereine aufgekauft.Cox Enterprises besitzt Zeitungen, Fernseh- und Radiosender undbetreibt daneben eines der größten amerikanischen Kabelsysteme.Zur Tribune Company gehören 12 einflussreiche US-amerikanischeTageszeitungen sowie, neben anderen Medienbeteiligungen, Fern-seh- und Radiosender.Ein kurzer Blick auf zwei der größten Medienkonzerne mit Sitz in denUSA soll den vielfältigen Charakter dieser Mediengiganten zeigen.

Times Warner

Im Januar 1990 fusionierten Time Inc. und Warner CommunicationsInc. zu einem der weltweit größten Kommunikationskonzerne. Die-se Fusion sei trotz der damit verbundenen gigantischen Schulden,so die Begründung, notwendig gewesen, um global konkurrenz-fähig zu werden und die technologischen, politischen und gesell-schaftlichen Chancen nutzen zu können. 2001 fusionierte TimeWarner dann mit America Online (AOL) zum angeblich weltgrößtenKonzern der Unterhaltungsindustrie. Vor kurzem hat der Konzernseinen Namen wieder in Time Warner geändert.Time Warner hat mehrere Unterabteilungen: „AOL“, „Cable“, „Fil-med Entertainment“, „Networks“, „Music“ und „Publishing“. AOL,mit mehr als 30 Millionen Kunden der größte Internet-Provider derWelt und Anbieter weiterer Dienste wie Online-Shopping usw., trägttrotz des jüngsten Konjunkturrückgangs in der Branche auch weiter-hin beträchtlich zum Umsatz von Time Warner bei. „Warner BrothersPictures“ produziert und vertreibt Filme wie Harry Potter und derStein der Weisen, die dann von „Warner Home Video“ auf Video undDVD weitervermarktet werden. Im Besitz von Time Warner sind aberauch noch weitere Filmfirmen, zum Beispiel „New Line Cinema“,„Fine Line Features“ und „Castle Rock Entertainment“.Zu den Fernsehsendern des Konzerns gehören das „Warner TelevisionNetwork“, aber auch Produktionsfirmen wie „Warner Television“ und„New Line Television“. „Time Warner Cable“ ist das zweitgrößte Ka-belunternehmen der USA und verkauft Kabelanschlüsse an fast 13Mio. Kunden. Zu Time Warner gehören außerdem zahlreiche Fernseh-sender, vor allem CNN, aber auch TNT und Turner Classic Movies.Die „Warner Music Group“ umfasst Plattenlabels wie Atlantic, Elek-tra und Reprise und eine Reihe weiterer Firmen der Musikbranche so-wie DC Comics und mehrere amerikanische Sportvereine.

Walt Disney Company

Es ist kein Witz, wenn man sagt, dass die Disney Company keinMickymaus-Betrieb mehr ist. Die Walt Disney Company ist nach ei-gener Darstellung der zweitgrößte Medienkonzern der Welt und hataußerdem die meisten Synergien gebildet, das heißt, die verschiede-nen Geschäftszweige überlappen und fördern und verstärken sichwechselseitig. Dafür ließen sich viele Beispiele anführen, in jüngsterZeit vor allem der Film „Fluch der Karibik”, der von der gleichnami-gen Geisterbahn im Disney-Park inspiriert wurde.In den Anfängen der 20er Jahren war das Unternehmen eine unab-hängige Produktionsgesellschaft in Hollywood, die Comicfilme pro-duzierte und von anderen Firmen vertreiben ließ. (Auch wenn dieDisney-Filme unter den Nazis offiziell nicht verboten waren, wurdensie im Deutschen Reich nach 1937 nicht mehr gezeigt. Goebbels Ta-gebücher bezeugen aber, dass sich sowohl Hitler als auch Goebbelsselbst im Ausland erbeutete Disney-Filme häufig vorführen ließen.)

Chile, September 1973

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Bereichen sind, entsteht die Möglichkeit, dass die Berichterstattungdurch Interessenkonflikte beeinflusst wird.So sagt der amerikanische Medienkritiker Jeff Cohen: „Die Konzen-tration der Medienmacht, der Macht zur Meinungsbildung, in denHänden weniger Konzerne führt sehr leicht und ganz natürlich zuZensur und Konformität im Denken und in der Kultur.“ Dieser Mei-nung stimmen selbst führende Manager der Medienindustrie zu.Barry Diller, der einige der genannten Unternehmen geleitet hat,antwortete auf die Frage, ob der explosionsartige Anstieg der Zahlder Kanäle zu mehr Vielfalt geführt habe: „Nein. Tatsache ist, dass90 Prozent davon von fünf Konzernen kontrolliert werden. Man hatumgeschichtet. Früher haben ein paar Leute drei Kanäle kontrolliert,heute kontrollieren sie eben 500.“Diese Mediengiganten verlassen sich aber nicht einfach auf die Lau-nen des Markts. Die wichtigsten Medienkonzerne in den USA schüt-zen ihre Interessen durch politische Verbindungen und umfassen-den Lobbyismus. Der Hollywood-Star Arnold Schwarzenegger, dergerade zum Gouverneur des Staates Kalifornien gewählt wurde, istnicht der erste Medienstar in der Politik (man denke nur an RonaldReagan). Dazu überlassen die Medienkonzerne politische Ent-scheidungen keineswegs dem Zufall, sondern bemühen sich, durchLobbyarbeit und Unterstützung von Wahlkampagnen die Gesetz-gebung zu beeinflussen. Politiker, die mit Hilfe der Wahlkampfspen-den der Medienindustrie gewählt wurden, haben sich zum Beispielan vorderster Front für die jüngste Deregulierung der Medien ein-gesetzt.Man könnte jetzt einwenden, dass diese marktbeherrschendenKonzerne weder allmächtig noch unfehlbar sind. Sie sind abhängigvom wirtschaftlichen Auf und Ab, von Rezession, Depression undanderen Problemen, auch wenn sie in der Regel über ausreichendeMittel verfügen, um auch schwierige Phasen zu überdauern. Es istzum Beispiel durchaus möglich, dass einige der oben genanntenUnternehmen bei Erscheinen dieses Artikels schon wieder den Be-sitzer gewechselt haben.Unstrittig aber bleibt, dass wenige große Konzerne die wichtigstenMedien, die die amerikanische Öffentlichkeit mit Nachrichten, Infor-mationen und Unterhaltung versorgen, kontrollieren – und auch inZukunft kontrollieren werden.

Karikatur: Walter Hollenstein

NWDR, 1954

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Reina Pèrez, eine Maya aus Carrizalito in Honduras, lässt sich den Gebrauch einer Videokamera zeigen.

Eduardo GaleanoTV in Lateinamerika: Familienoligopole und schlechte Auslandskonserven

Es gibt in vielen lateinamerikanischen Ländern Fernsehkanäle, die behaupten, öf-fentlich zu sein, doch ist dies nicht mehr als eines dieser typischen Manöver, die derStaat unternimmt, um den Staat schlecht zu machen. Im Allgemeinen ist das Pro-gramm, außer einigen heldenhaften Ausnahmen, ein Schlafmittel, man arbeitet dortmit vorsintflutlichen Geräten und für lächerliche Gehälter, und oft genug kann manden offiziellen Kanal nur verschwommen auf dem Schirm erkennen. Es ist das Pri-vatfernsehen, das über die Mittel verfügt, ein Massenpublikum anzuziehen. In ganzLateinamerika ist diese wundervolle Quelle von Geld und Wählerstimmen in ganzwenigen Händen. In Uruguay verfügen drei Familien über das normale, das privateund das Kabelfernsehen. Dieses Familienoligopol schluckt Geld und spuckt Wer-bung aus, kauft die Konservenprogramme im Ausland für lächerliches Geld undgibt nur äußerst selten den einheimischen Künstlern Arbeit oder produziert einmalein eigenes Programm von hoher Qualität; wenn dieses Wunder geschieht, halten esdie Theologen für einen Gottesbeweis. Zwei große Medienkonzerne teilen sich denLöwenanteil im argentinischen Fernsehen. Auch in Kolumbien sind es zwei Grup-pen, die das Fernsehen und die anderen wichtigen Medien in ihren Händen halten.Die Firmen Televisa in Mexiko und Red Globo in Brasilien stehen an der Spitze vonMonarchien, die durch die Existenz kleinerer Könige nur schlecht verhüllt werden.

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Business-TV – Eine Form moder-ner Unternehmenskommunikationam Beispiel des Firmen-TV derDaimlerChrysler AGAlbrecht Götz von Olenhusen undJan Franzen

I. Business-TV als Unternehmens-kommunikation

Die Unternehmenskommunikation hat inden letzten Jahren deutlich an Bedeutunggewonnen. Der Grund dafür ist vor allemin einem sich wandelnden öffentlichen Be-wusstsein und Gesellschaftsumfeld zu su-chen. Eine zunehmend kritischer werdendeÖffentlichkeit fordert mehr Offenheit undTransparenz von Unternehmen. Daher schaf-fen Unternehmen verschiedenster Branchenzunehmend eigene Medienangebote. Nebenden mittlerweile fast schon traditionellen in-ternen Mitarbeiter- und Kundenzeitschriftenund den in jüngerer Zeit breitflächig einge-führten Internetauftritten, wird immer häufi-ger Business-TV produziert. Bei Letzteremlässt sich in letzter Zeit eine Zielgruppen-erweiterung vom internen Mitarbeiter zumexternen Interessenten, den Kunden und derallgemeinen Öffentlichkeit beobachten.

II. Unterschiedliche Erscheinungs-formen des Business-TV

Business-TV ist lediglich ein Sammelbegrifffür unterschiedliche Formen der von Unter-nehmen betriebenen TV-Kommunikation.Business-TV in ursprünglichem Sinne um-fasst Sendungen nur zu internen Informa-tionen für geschlossene Benutzergruppenwie z. B. Mitarbeiter, Filialen, Händler undAuslandsniederlassungen. Infomercials sindSendungen von Unternehmen mit Firmenin-formationen für Kunden und die allgemeineÖffentlichkeit, die als Dauerwerbesendungausgewiesen im Programm von Fernsehsen-dern wie etwa n-tv ausgestrahlt werden.Unter Verlags-TV werden Sendungen ver-standen, die von Medienunternehmen imProgramm eines Fernsehsenders ausge-strahlt werden. Dabei handelt es sich imNormalfall um „Ableger“ großer Verlags-häuser, die die gleichnamigen Printproduktewie z. B. den „Stern“, den „Focus“ oderauch „Fit for Fun“ verlegen. Sendungen, diean Verkaufsstellen mit Publikumsverkehrausgestrahlt werden („Schlecker-TV“) undausschließlich Unternehmensprodukte be-werben, werden unter dem Begriff des Kun-den-TV zusammengefasst. Zielgruppen- oderBranchen-TV ist ein Angebot für bestimmteBerufsgruppen wie z. B. Anwälte, Ärzte oder

Architekten. Diese Sendungen sind speziellauf eine Branche oder Berufsgruppe zuge-schnitten. Sendungskonzepte der KategorieFirmen-TV richten sich an die Öffentlichkeitund somit an „jedermann“ („jedermann“ist eines der Merkmale, das aus juristischerSicht vorliegen muss, um einen Medien-dienst als Rundfunk im Sinne der Rund-funkgesetzgebung einordnen zu können).

III. Die rechtliche Einordnungvon Business-TV

Die juristische Einordnung solcher Fernseh-angebote ist nicht unproblematisch.Denn ei-ne Klassifizierung als Rundfunk hat andereAnforderungen an den Inhalt des Pro-gramms zur Folge. Der aus Art. 5 GG abgelei-tete Informationsauftrag würde ein breiteresAngebot voraussetzen. Eine Einordnung alsMediendienst hat juristisch geringere Anfor-derung für die Zulassung und Regulierung.

IV. Das Firmen-TVder DaimlerChrysler AG

Die DaimlerChrysler AG bietet ihren Mitar-beitern gleich drei Programme eines klassi-schen Business-TV-Formates: als weltweites,unternehmensinternes Fernsehprogramm be-dient „DaimlerChrysler-TV“ alle Mitarbeiterdes Konzerns mit täglich aktuellen Informa-tionen über und rund um das Unternehmen,zum Beispiel mit Live-Übertragungen wichti-ger Reden oder der Hauptversammlung unddies in sieben Sprachen. Das Programm rich-tet sich an die Mitarbeiter der insgesamt464 Standorte in 40 Ländern auf 5 Konti-nenten (Stand 2002). Heutzutage kann„DaimlerChrysler-TV“ darüber hinaus auchvon „jedermann“ empfangen werden. Satel-litenübertragung und die Genehmigung derLandesmedienanstalten machen nun denunverschlüsselten, privaten Empfang desHaussenders von DaimlerChrysler möglich.Durch die Zugänglichmachung für dieÖffentlichkeit hat sich „DaimlerChrysler-TV“vom klassischen internen Business-TVzum Firmen-TV-Angebot gewandelt. Neben„DaimlerChrysler-TV“ gibt es zwei weitereKanäle, die für spezielle Anwendungen wieSchulungen und Informationsveranstaltun-gen für geschlossene Benutzerkreise desKonzerns vorbehalten sind. Sie werden überSatellit und teilweise über digitales terrestri-sches Fernsehen (DVB-T) übertragen, sindallerdings nicht für „jedermann“ emp-fangbar (für Mitarbeiter erfolgt eine optio-nale Freischaltung). Die drei Fernsehpro-gramme werden alle von der konzerneige-nen Produktionsgesellschaft DaimlerChrys-ler-TV-Produktions-GmbH hergestellt.

Rechts: Fernsehzimmer im Haus einermittelständischen Familie im chinesischenGuangzhou

Es geht los! Fernsehen in Österreich! Als inÖsterrreich 1957 das Fernsehen startete,wurde dies mit großer Aufmerksamkeit ver-folgt. Es entwickelte sich rasch zu dem zen-tralen Massenmedium.

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Medienentwicklung und kultureller Wandelim asiatischen ZeitalterJörg Becker und Kurt Luger

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Trotz der ökonomischen Asienkrise vor einigen Jah-ren, blieb die asiatische Medienlandschaft in ihremKern stabil. „Bollywood goes global“ lautete dieHeadline von Newsweek Asia am 28. 2. 2000.„America is not the only country that knows –how to spin and export fantasies.“ In der Tat, In-

diens Popkultur eroberte unübersehbar die Herzen und die Märkteganzer Kontinente. Time Asia titelte am selben Tag: „Struggle.com –Can China’s Bureaucrats hold back the Internet Revolution?“ Das In-ternet penetriert nicht allein das Reich der Mitte, in vielen Ländern giltes bereits als das schnellste und verlässlichste Medium.Unternimmt man den Versuch, die asiatische TV- und Medienland-schaft in ihrer Gesamtheit zu beschreiben, dann lassen sich folgen-de Charakteristika erkennen:1. Eine zunehmende Amerikanisierung des asiatischen Medien-marktes ist zu beobachten. Es gibt eine wachsende VorherrschaftUS-amerikanischer (und britischer, anglophoner) Titel, Sender undNachrichtenagenturen. Das gilt für AP, CNN, Week, Time, Time Asia,Asiaweek, Fortune (alle zu Time gehörig), Far Eastern EconomicReview und Wall Street Journal (beide sind im Dow-Jones-Index ge-listet), International Herald Tribune, Business Week und USA Today.Gegenüber dem englischsprachigen Medieneinfluss ist der aus ande-ren europäischen Ländern in Asien so klein, dass er kaum gemessenwerden kann. Allerdings werden zwei weitere wichtige Akteure inder asiatischen Medien- und Fernsehlandschaft oft übersehen: Japanund Australien.2. Der Trend zur Amerikanisierung ist Teil eines umfassenden Pro-zesses von Globalisierung gerade auch der asiatischen Medienland-schaft. Beispielhaft dafür steht zum einen die Ausdehnung eines

Musikfernsehkanals wie MTV auch in Asien, dort allerdings in at-traktiver Form, als Cross-over „asiatisiert“. Zum anderen wird dieserTrend durch den Erfolg des seit 1991 laufenden panasiatischen Sa-tellitensenders STAR TV von Rupert Murdoch gekennzeichnet. STARTV gibt seine Reichweite inzwischen mit mehr als 60 Mio. Haushal-ten, verteilt über ganz Asien und den Nahen Osten, an, wenngleichdiese von vielen Marktforschern skeptisch beurteilt werden.3. Ein weiterer Trend der asiatischen Fernsehlandschaft ist dieausgeprägte Kommerzialisierung. Dies verdeutlicht sich am rasan-ten Wachstum der TV-Werbemärkte. Asien nimmt in der Gegenwartmit 24,7 Prozent des gesamten Werbevolumens den dritten Platzhinter Europa (28,8 Prozent) und Nordamerika (39,8 Prozent) ein.Das asiatische Werbevolumen ist seit 1987 kontinuierlich gestiegen,während es sich innerhalb dieses Zeitraums in Europa und Nord-amerika ständig verringerte. 1987 beanspruchte Asien 18,8 Pro-zent des weltweiten Werbevolumens, in Nordamerika waren es48,3 Prozent und in Europa 29,3 Prozent.4. Ein Trend sticht besonders ins Auge: Einige asiatische Akteuresind in der Lage, globale Strategien zu verfolgen. Dies gilt besondersfür die Bereiche der Telekommunikation, der Informations- undKommunikationstechnologien und zum Teil sogar für den Bereich derMassenmedien: Der Singapore Telecom gehören Teile des TV-Ka-belsystems in Stockholm, der thailändische Fernsehsender Thai TV 5strahlt seit Anfang 1998 durch den TV-Satelliten Hot Bird 1 digitaleund uncodierte Programme nach Westeuropa aus.5. Den asiatischen Kontinent bestrahlen gegenwärtig mindestens36 direkt empfangbare Rundfunksatelliten, die insgesamt über 800Fernsehprogramme rund um die Uhr anbieten. Der TV-Satelliten-Boom über Asien ist weniger ein Trend zur Internationalisierung, das

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Gegenteil scheint genauso richtig. Denn der TV-Satelliten-Boom,besonders beim geplanten digitalen Direct-to-home-Fernsehen(DTH), geht zum größten Teil auf asiatische Akteure zurück.6. Globalisierung und Internationalisierung von Information undKommunikation produzieren einen Außendruck auf die nationalenasiatischen Medien. So ist das möglicherweise wichtigste Charak-teristikum der gegenwärtigen asiatischen Fernsehlandschaft, dasseinheimische TV-Programme fremden Programmen immer vorgezo-gen werden. Aus diesem Grund ist der Versuch des vor einigen Jah-ren gegründeten TV-Kanals YATV von Interesse. Von seinem Haupt-sitz in Sri Lanka sendet dieser Kanal nach Indien, Malaysia, Nepal,Bangladesch, Thailand, Libanon und in die VR China.7. Ein Großteil der asiatischen Medienpolitik ist sehr eng anMacht, Finanzen, Reputation und Geschichte weniger grenzüber-schreitend tätiger asiatischer Familien gebunden. Auf den Philippi-nen ist eine solche Familie der Lopez-Clan mit der Benpres HoldingCorp. in Manila. Eugenio Lopez gehört der größte private TV-SenderABS-CBN, der 40 Prozent des gesamten philippinischen Werbeum-satzes abschöpft. Das größte private Kabel-TV-Netz SkyCable gehörtdieser Familie ebenso wie ICC, die größte private Telekommunika-tionsgruppe des Landes. An Einfluss und Macht steht dieser Familiedie Koo-Familie aus Taiwan nicht nach. Das Familienoberhaupt Jef-frey Koo ist nicht nur der wichtigste Bankier in Taiwan (China TrustCommercial Bank), der viele US-Kongress-Mitglieder zu seinen Freun-den zählt, sondern auch Eigentümer des größten taiwanesischen Ka-bel-TV-Betreibers United Communications Group (UCG). Aber dieseasiatischen Familienclans werden möglicherweise von der Li-Familieaus Hongkong noch in den Schatten gestellt. Mit einem Privat-vermögen von weit über vier Milliarden US-$ ist Vater Li Ka-shingeiner der reichsten Männer der Erde. Sein Sohn Richard Li wurde1990 durch den Millionenkredit an Rupert Murdoch und seinpanasiatisches TV-Satellitennnetz STAR TV bekannt. Spektakulär warauch der Rückkauf der STAR TV-Anteile durch Murdoch 1993, die Lieinen Nettogewinn von 400 Mio. US-$ bescherte.Die mediale, wirtschaftliche und politische Macht des Firmenimpe-riums der Li-Ka-shing-Familie lässt sich ablesen an ihrem Anteil anAsiaSat, den sie durch die Gesellschaft Hutchison Whampoa Limitedin Hongkong hält. Die Aktiengesellschaft mit Sitz in Hongkong, derenAktien an den Börsen von New York und Hongkong gehandeltwerden, besitzt noch vier weitere Satelliten: AsiaSat 1, AsiaSat 2,AsiaSat G und AsiaSat 3S. Mehrheitsaktionäre sind die britische Tele-kommunikationsgesellschaft Cable & Wireless (C & W), die aus der VRChina stammenden Gesellschaften China International Trust undInvestment Corporation (CITIC) sowie die oben erwähnte HutchisonWhampoa Limited.Asiatische Medienkonzerne der beschriebenen Art unterliegen nichtden Mustern westlicher Rationalität. Familientradition, gemeinsameSprache, Kultur und ethnische Zugehörigkeit, Freundschaften, Ver-pflichtung, Verantwortung und Ehre dominieren, so macht es denEindruck, die Dimensionen von Betriebswirtschaft, Managementund auch Arbeitnehmerloyalität. Unabhängig von der Frage nachSchwäche und Stärke solcher Konzerne ist jedoch ein Prinzip klar:Die Unternehmen sind von außen nicht durchschaubar, kontrollier-bar und käuflich – schon gar nicht für Nichtasiaten.Das „asiatische Zeitalter“ hat insgesamt zu einem neuen kulturel-len Selbstverständnis geführt: Amerikanisierung der Medien undKritik an amerikanischen Hegemonien gehen in Asien Hand inHand. Das Durcheinander eines Kontinents, der sich in höchstverschiedenen Geschwindigkeiten und Richtungen entwickelt, setztauch dem Fremdverstehen relativ enge Grenzen. Zu verschiedensind die globalen Dynamiken wie die inneren Logiken der Länder,zu bunt die Kulturen, die „Formenprogramme der Gesellschaften“.

Kandahar, Afghanistan. Die Religion der Taliban beinhaltete dastotale Verbot aller Darstellungen von Lebewesen.

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Vernehmung zu laden. Seit dieser Vorladung ist der mittlerweile 71Jahre alte Familienchef Kemal Uzan auf der Flucht.Ist dies der Beginn der Entwicklung des türkischen Medienmarktsvon einem Duopol zu einem Monopol? Eines steht jedenfalls fest,das Imperium der Familie Uzan ist kräftig am wackeln. Dazu trugmit Sicherheit auch die Gründung der Genc-Parti von einem derUzan-Söhne im Jahr 2002 bei. Die taz beschrieb genau diesenSchritt als „ein Überschreiten der roten Linie“ – MinisterpräsidentErdogan konnte nicht länger einer neuen und durchaus erfolgrei-chen politischen Konkurrenz tatenlos zusehen. Laut taz liegt dieGenc-Partei nach einer Meinungsumfrage bei bereits 15 Prozent.Schon jetzt ist eins mit Sicherheit klar: Aydin Dogan wird als Siegeraus dieser Schlammschlacht um Uzan hervorgehen. Denn vorläufigaus dem Weg geräumt sind die immer wieder heftigen Diskussionenund gegenseitigen Beschuldigungen beider Clans, ungerechte Ex-pansionspolitik zu betreiben. Dogan hat nun freie Bahn, seine en-gen Beziehungen zum türkischen Staat, zu den politischen Parteienund zu vielen Kapitalbesitzern zu nutzen, um vielleicht irgendwannals Monopolist den türkischen Medienmarkt ganz zu beherrschen.Auf internationaler Ebene kooperiert die Dogan-Gruppe mit dem RCSRizzoli-Medienkonzern (La Stampa und Corriere della Sera und derfrz.Verlag Flammarion) in Italien,mit CNN in den USA, in Deutschlandals Rebroadcasting-Partner mit der Deutschen Welle (DW) und imZeitschriftensektor mit der Hubert Burda Medien-Gruppe in Mün-chen.Die Burda-Gruppe übernahm 1997 eine 40-prozentige Beteili-gung an den Dogan-Zeitschriften, und so gibt es eben seit dieser Zeittürkische Ausgaben von Burda Moden, Capital oder Amica.

De’ Deibel scheißt immer ’uf den größte’ Haufe’:Der Dogan-Medienkonzern in der TürkeiGünes Koc

Was der Volksmund in Hessen recht drastisch formuliert, gilt durch-aus auch für die Türkei:Die mächtige Dogan-Medien-Gruppe (DMG)gehört Aydin Dogan, dem drittreichsten Mann in der Türkei. SeinStellvertreter in der DMG-Holding und zugleich Chefredakteur vonHürriyet, der größten türkischen Zeitung, Ertugrul Özkök, steht aufPlatz zehn der türkischen Reichtumsliste. Hatte Dogan zu Beginnseiner Karriere noch mit dem Industrieunternehmen der allerreich-sten türkischen Familie kooperiert, nämlich der Familie von RahmiKoc, so zieht es ihn heute an die Seite der drittreichsten türkischenFamilie, nämlich der von Sakip Sabanci, Chef der Industrie- undFinanzholding Sabanci. Denn mit einem Sohn aus dieser Sabanci-Familie ist Dogans Tochter, Vuslat Dogan Sabanci, führende Mana-gerin bei Hürriyet, verheiratet.Die einleitenden Worte machen es deutlich: Der Dogan-Clan ist eineder einflussreichsten Familien in der Türkei.Aber sie ist nicht die ein-zige. Denn seit Anfang der 90er Jahre haben vor allem zwei Konzer-ne die Medienlandschaft der Türkei unter sich aufgeteilt: die Aydin-Dogan-Holding und die Star-Gruppe der Uzan Familie.Die Dogan-Familie dominiert, obwohl sie auch den großen Fernseh-sender Kanal D besitzt, hauptsächlich den Printmedienmarkt, dennihr gehören die wichtigsten Zeitungen des Landes, Hürriyet, Milliyet,Radikal und die Sportzeitung Fanatik. Hürriyet etwa ist mit einerAuflage von 150.000 nicht nur die am meisten verkaufte Zeitungder Türkei, sondern auch die auflagenstärkste türkisch-sprachigeZeitung Europas. Täglich wird sie in die USA und mehrere Länder inEuropa versandt, von England bis Rumänien und von Skandinavienbis nach Italien. Dogan ist damit nicht nur Inhaber der bedeutend-sten türkischen Printmedien, er kontrolliert auch die folgendenMedien: Im Film-Bereich die Firma Vatan, die beiden Radio-SenderForeks und Radio Radikal D, den TV-Sender Euro D, die beidenDruckereien Dogan-Offsetdruck und die Dogan-Druckerei.Im Gegensatz zum Dogan-Clan hat die konkurrierende Uzan-Grup-pe großen Einfluss auf den privaten TV-Markt. Mit dem 1989gegründeten ersten privaten Fernsehsender Star-TV besitzt sie einenSender, der sehr beliebte, seichte Unterhaltung bietet und zudemseit Jahren über die Rechte für Fußballübertragungen verfügt.Mit dem 1999 gegründeten Boulevardblatt Star liefert sich derUzan-Clan im Printbereich einen erbitterten Kampf mit der Dogan-Gruppe.Weiterhin gehört der Uzan-Gruppe das zweitgrößte Handy-netz Telsim und nicht nur das, ihr gehört mit der Genc Parti sogareine politische Partei.Mittlerweile aber scheint es schlecht auszusehen für die Uzan-Fami-lie. Alles fing mit einem Rechtsstreit zwischen Uzan und den Kon-zernen Motorola und Nokia an. Es ging um Telsim, das Handynetzder Uzans. Beide Konzerne hatten den Uzan-Clan zunächst bei derGründung von Telsim mit zwei Milliarden Dollar unterstützt. Mit derFolge, dass Motorola 66 Prozent der Telsim-Aktien erhielt. DochUzan ließ dann das Kapital der Handy-Gesellschaft so weit auf-stocken, dass Motorolas Aktienanteil schließlich nur noch 22 Pro-zent betrug. Mittlerweile wurde jedoch Uzan deswegen zu zwei Mil-liarden Dollar Strafe und zwei weiteren Milliarden Dollar Schaden-ersatz verurteilt. Zudem wurde dem Uzan-Konzern durch das Ener-gieministerium die Konzession zum Betrieb zweier großer Kraftwer-ke entzogen. Schließlich erging ein Haftbefehl gegen den ClanchefKemal Uzan, weil sein Unternehmen versucht hatte, mit dem Geldaus den Stromkonzernen die Liquidität der eigenen Imar-Banksicherzustellen. Vergeblich hatte die Staatsanwaltschaft versucht,den Vorstand der Bank, drei Mitglieder der Familie Uzan, zu einer

Titelblatt einer türkischen Ausgabe von „Capital”: Eine Koproduk-tion von Hubert Burda Media (München) und Dogan Media Group,Istanbul

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Medien und Demokratie in AfrikaEmanuel Matondo D.

„At crossroads”: Linoldruck vonAzariah Mbatha (1990)

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Analysiert man die Medienentwicklung in Afrikaaus der Perspektive eines Außenstehenden,könnte man sagen, dass Afrika erst im Zuge desDemokratisierungsprozesses Anfang der 90erJahre zu einer Kultur der freien Meinungsäuße-rung also der Gedankenfreiheit gekommen ist.

Wer aber den Kontinent gut kennt, insbesondere seine alten Kultu-ren, weiß, dass die Menschen schon in der vorkolonialen Zeit ihreMedien zur Übermittlung und Verbreitung von Nachrichten hatten.Als wichtigstes Kommunikationsmittel diente die Trommel, aber esgab auch andere Mittel, um sowohl frohe als auch schlechte Bot-schaften über Grenzen hinweg zu verschicken.So spielte neben der Trommel auch die Musik eine große Rolle,wenn es darum ging, Gedanken frei zu äußern, die Bevölkerung auf-zuklären oder alltägliche Schwierigkeiten und gesellschaftliche Pro-bleme anzusprechen. Hier traten dann die Griots, so genannte Poe-ten und Sänger, Barden und Liedermacher als Alleinunterhalter inAktion. Sie zogen meistens mit Daumenklavier oder Kora durch dieDörfer und Städte und nahmen die afrikanische Gesellschaft kritischunter die Lupe, indem sie etwa auch die Dorfältesten und sonstigeWürdenträger vor versammeltem Dorfpublikum oder auf Marktplät-zen an den Pranger stellten. Die Griots galten als furchtlos gegen-über allem. Sie wurden von der Bevölkerung gefeiert und von denWürdenträgern und Mächtigen gehasst und verfolgt.Bis zur Kolonialzeit war diese Kunst die einzige Form der freien Mei-nungsäußerung, besonders in den überwiegend ländlichen Gebie-ten Afrikas. Mittlerweile kann man sagen, dass die Griots verkann-te Vorkämpfer der Gedankenfreiheit oder freien Gedankenäußerungsind, die es sehr gut verstanden, schon vor der Erfindung modernerMedien, die afrikanische Bevölkerung aufzuklären. Mit dem Vor-marsch neuer Techniken wie etwa dem Radio begann jedoch eineneue Ära. Heute trifft man nur noch vereinzelt, zumeist in westafri-kanischen Ländern, auf Griots.Während der 50er Jahre, als das Radio noch von Kolonialherrenkontrolliert wurde, bedienten sich fast alle „Befreiungsbewegun-gen“ der populären Musik und propagierten damit ihre Ideologieunter dem Volk. Mit revolutionären Liedern versuchten die „Her-ren“, ähnlich wie die Griots, Menschen zu sensibilisieren, dies abernicht selten verbunden mit einem Personenkult um ihre Anführer.Nach der Unabhängigkeit vieler afrikanischer Länder in den 60erund 70er Jahren etablierte sich allerorts das Radio zum meist be-nutzten Medium, doch noch immer hatte nur der Staat das exklusi-

ve Recht, Informationen zu sammeln und zu verbreiten. Das Gleichegalt auch für Fernsehen und Printmedien.Radio, Fernsehen und Zeitung gehörten den Staatsorganen und wa-ren das Sprachrohr der jeweiligen Regierungspartei. In den damali-gen Einparteiensystemen Afrikas hatten konträre Meinungen kei-nen Platz. Es herrschte überall die Kultur der Unfreiheit und der Aus-blendung von freien Gedanken. In vielen Ländern Afrikas gab es nureinen Radiosender, einen Fernsehkanal, in dem der Staatspräsidentallgegenwärtig war und eine Tageszeitung. Alle von Propagandageprägt. In seltenen Fällen traf man auf Radiosender oder Zeitun-gen, die den Kirchen angehörten. So gehörten ausländische Sender,wie etwa BBC, Voice of America (VOA), Radio France Internationalund sogar Radio Moskau International zu den am meisten rezipier-ten Medien in Afrika, auch wenn diese ihre eigene Propaganda imKontext des Kalten Krieges betrieben und so die Zuhörerschaft zubeeinflussen versuchten. Bei aller Kritik, wurden viele dieser auslän-dischen Medien aber als zuverlässige Informationsquellen von einerMillionen Zuhörerschaft angesehen, merkwürdigerweise auch vonden Zensoren selbst. Warum eigentlich?Bis Ende der 80er Jahre war es um Afrika bezüglich des freien Infor-mationsflusses sehr schlecht bestellt. Der Staat oder die Regie-rungspartei kontrollierte alle Medien, sogar die Bibliotheken. Meis-tens hatten die Parteizentralen die Entscheidungsbefugnis über dieBesetzung von Stellen in diesen Bereichen, und die JournalistInnenwaren gleichzeitig auch Parteifunktionäre und Staatsbeamte, derenGehälter jedes Jahr im Staatshaushalt geplant und gesichert wur-den.Mit der Entstehung von Zivilgesellschaften Anfang der 90er Jahrebegann vielerorts ein Veränderungsprozess in der afrikanischen Me-dienwelt. Jetzt nämlich gründeten die Menschen unabhängige unddemokratische Medien, denn jahrzehntelang war ihnen der Zugangzu den staatlichen Medien verwehrt worden. Ihnen ist es zu ver-danken, dass in Afrika private Medien zunächst als kommerzielleMedien oder als Projekte entstanden. Mancherorts handelte es sichhierbei um von Kirchen gegründete Medien, die dann in der Ent-stehungsphase afrikanischer Zivilgesellschaften einfach in unab-hängige und quasi private Medien umfunktioniert wurden. Damitbekamen die Staatsmedien endlich eine starke Konkurrenz.Obwohl viele Mitbegründer dieser freien Presse nur wenig mit Jour-nalismus am Hut hatten und ihre Medienprojekte eher aus kleinerOppositionsarbeit entstanden, etablierten sie sich dann doch sehrschnell als Alternative zu den bisherigen Propagandamedien. Es ist

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folgenden Dekade um das 18-fache. Mit diesem Coup legte Al Waa-lid den Grundstein für sein weit verzweigtes Imperium, dessen Wertheute auf rund 18 Mrd. US-$ geschätzt wird. Freilich war der arabi-sche Prinz mit seinen Investitionen nicht immer so erfolgreich. 1994kostete ihn die Rettung von Euro Disney 346 Mio. US-$. Auch seinEngagement bei Planet Hollywood, Teledensic, TWA oder Saks warwenig erfolgreich. Sein Trumpf-As bleibt die Citigroup-Beteiligung,die rund die Hälfte seines Vermögens ausmacht. Obwohl er seinenEinstieg in die Politik bisher ausschloss, wurde Al Waalid unlängst alsNachfolger des libanesischen Premierministers Hariri gehandelt.Auch in der amerikanischen Politik ist der Name Al Waalid immerwieder zu finden. Zuletzt stiftete er eine halbe Million US-$ für einGeorg-Bush-Stipendium an der Universität in Andover, der Heimatu-niversität von Georg Bush jun. und sen.

Das Geld des Prinzen Al WaalidChristian Flatz

Er gilt als einer der zehn reichsten Männer der Erde: Prinz Al Waalidbin Talal bin Abdulaziz al-Saud. Der 46-jährige saudische Multimilli-ardär nennt neben Banken, Baufirmen, Hotelketten und Aktienpake-ten internationaler Konzerne auch zahlreiche Beteiligungen im Me-dien- und Unterhaltungsbereich sein Eigen. Al Waalids Geld floss inden 90er-Jahren in die Medienimperien von Silvio Berlusconi, RupertMurdoch und Leo Kirch.Schlüsselfigur dieser Transaktionen war Tarak Ben Ammar. Der Neffedes tunesischen Unabhängigkeitshelden Habib Bourguiba produ-zierte über 50 internationale Spielfilme mit Größen wie Polanski, Zef-firelli und Redford. Seit 1983 stellte er mit Berlusconi Fernsehserienher. 1989 gründeten die beiden die Produktionsfirma Quinta Com-munications, an der sich 1991 auch Leo Kirch mit 10 Prozent betei-ligte. Anfang der 90er-Jahre sammelte Berlusconi seine Fernsehbe-teiligungen in der Firma Mediaset, an der sich nach seinem Wechselin die Politik auf Vermittlung von Ammar Leo Kirch und Al Waalid be-teiligten. Vier Jahre später übernahm Prinz Al Waalid 5 Prozent anRupert Murdochs News Corporation.Als Projekt „Traviata“ wurde jenes Geschäft bekannt, in dem 1999Berlusconi, Al Waalid und Lehman Brothers 1,3 Mrd. US-$ in Kirch-Media und Rupert Murdoch 1,4 Mrd. US-$ in KirchPayTV investier-ten. Auch hier zog Tarak Ben Ammar als Berater von Prinz Al Waalidund als enger Freund von Berlusconi und Kirch die Fäden. 2000 stiegWaalid noch einmal mit 3,2 Prozent bei KirchPayTV ein. Seit vergan-genem Jahr ist das internationale Medienquartett Berlusconi, Mur-doch,Al Waalid und Kirch freilich um einen Namen ärmer. Leo Kirchsverzweigtes Firmenimperium musste Insolvenz anmelden.Prinz Al Waalid ist auch im arabischen Mediensektor fest verankert.1993 unterstützte er Scheich Saleh Kamel beim Aufbau von Arab Ra-dio and Television (ART), dem heute führenden arabischen Film- undFernsehproduzenten. ART sendet seine arabischen Programme vonAvezzano (Italien) über Satellit in alle Teile der Erde. Die saudischeHerrscherfamilie, in der Al Waalid seit seinen internationalen Erfol-gen fest verankert ist, kontrolliert darüber hinaus weite Teile der Me-dien- und Unterhaltungsmärkte im Nahen Osten.1996 gründete Prinz Al Waalid gemeinsam mit dem amerikanischenPopidol Michael Jackson das Unternehmen Kingdom Entertainment,das auf einer „Philosophie des Respekts vor den familiären Werten“gründen sollte. Bisher hat sich die Firma aber vor allem als Veran-stalter von Jacksons Welttourneen hervorgetan. Als Produzent fun-gierte auch hier die Firma Quinta Communications. Prinz Al Waalidbesitzt Anteile am Disney-Park Paris, dem Walt Disney-Konzern undan Time Warner. Seit einigen Jahren erwirbt Prinz Al Waalid auch ver-mehrt Beteiligungen an Elektronik- und Internetunternehmen, wieApple, eBay, Amazon, HP und Motorola.Die Quellen seines Reichtums sind zumindest obskur.Al Waalid ist ei-ner der zahlreichen Enkel des saudischen Staatsgründers König Ab-dulaziz al-Saud, sein Großvater mütterlicherseits war Riad al-Sohl,der erste Premier des unabhängigen Libanon. Eingebettet in die sau-dische Herrscherfamilie nahm er zunächst nur eine untergeordneteRolle ein und verdiente nach dem Besuch des Menlo-Colleges in SanFrancisco sein Geld mit der Vermittlung von Auslandsgeschäften.Dass dabei für ihn lukrative Provisionen – manche würden sagenSchmiergelder – abfielen, ermöglichte ihm den Einstieg ins Immobi-lien- und Baugeschäft. Das saudische Establishment überraschte ererstmals 1986, als er die Mehrheit an der kränkelnden United SaudiCommercial Bank (USCB) übernahm.Den Sprung ins Ausland wagte er 1990/91, in dem er insgesamt über14 Prozent der Citicorp-Bank erwarb. Der Wert der Aktien stieg in der

Auswahl der Beteiligungenvon Prinz Al Waalid

Amazon > 1,0 %Time Warner ca. 1,0 %Apple Computers 5,0 %Canary Warf London ca. 2,0 %Citigroup 4,0 %Disneyland Paris 17,3 %Ford > 1,0 %Hewlett Packard ca. 1,0 %Kodak 1,0 %Motorola 1,0 %Pepsi > 1,0 %Procter & Gamble > 1,0 %Walt Disney Company > 1,0 %

Quelle: Middle East Economic Digest,2. Mai 2003

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bemerkenswert, wie diese freien Medien, fast ohne große Investi-tionen initiiert und oft mit sehr bescheidenem Kapital, von Privat-leuten finanziert wurden. So fingen etwa einige Zeitungsprojektemit Auflagen von nur 500 bis zu 5.000 Exemplaren an.Welche Rolle aber spielte die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) inAfrika in den letzten 40 Jahren zur Förderung der unabhängigenund demokratischen Medien? Gar keine, wenn man bedenkt, dassdiese Aufgabe nie zum Schwerpunkt der EZ gehörte und nach wievor auch nicht gehört: Seit ihrer Gründung kämpfen diese neuenMedienmacherInnen um Unterstützung aus den verschiedenen Ent-wicklungskassen. Von Anfang an waren sie politischen wie wirt-schaftlichen Repressionen ausgesetzt, und der Tod blieb ihr ständi-ger Begleiter. Dennoch verdankt ihnen heute die Bevölkerung Afri-kas den direkten Zugang zu den Medien, denn mit den neuen Me-diengründungen wurde ein freies Denken möglich. Allerdings neigtseitdem der Staat dazu, die Pressefreiheit gesetzlich einzuschränkenoder im extremsten Fall die Gründung unabhängiger Medien mit al-len repressiven Mitteln gar nicht erst zu ermöglichen.Ein wichtiger Faktor zur Stärkung und Entwicklung demokratischerMedien in Afrika war die Gründung von Medieninstituten auf regio-naler Ebene. Diese widmen sich der Förderung einer pluralistischenPresse. Solche Institute haben sich mittlerweile in ganz Afrika alsprofitable Institutionen im Kampf für die Pressefreiheit etabliert.Sie treten nicht nur gegen staatliche Repression und willkürlicheMaßnahmen in der Gesetzgebung in Bezug auf unabhängige Me-dien und freie Meinungsäußerung auf, sondern helfen auch in fi-nanzieller Hinsicht. Mit dem Medieninstitut für Südliches Afrika(MISA), mit seinem Hauptsitz in Windhoek/Namibia, und dem west-afrikanischen Panos-Institut seien hier nur zwei Beispiele für solcheaktive Institutionen genannt.MISA, gegründet im September 1992, gelang es, elf eigenständigeStandorte im Süden Afrikas zu gründen. Von hier aus wird die Ent-wicklung der Medien genau beobachtet, wird die Förderung unab-hängiger wie pluralistischer Medien aktiv unterstützt. Mit der Grün-dung eines Medienentwicklungsfonds namens SAMDEF, einer ArtMedienentwicklungsbank, hat das MISA-Institut jetzt sogar ein bishereinzigartiges Modellprojekt in Afrika geschaffen. Medienschaffendeim privaten Bereich erhalten hier Beratung jeglicher Art, besonders beider Gründung neuer Medien. Hinzu kommen Qualifizierungsmaß-nahmen für JournalistInnen sowie die Übernahme von Bürgschaftenfür unverschuldet in Not geratene Medien. Sehr ehrwürdig sind solcheProjekte für die demokratische Entwicklung in Afrika!

Diamanten und Pistolen: Die „kleinen Aufmerksam-keiten” des Prinzen Al WaalidChristian Flatz

Im „Focus“ vom 17. Juli 1995 findet sich die folgende kleine Ge-schichte: Eines Tages schwebte der saudische Milliardär Prinz Al Waa-lid gleich mit drei Flugzeugen und 50 Dienern im Gefolge zu Ver-handlungen mit dem italienischen Regierungschef und Medienzam-pano Silvio Berlusconi in Mailand ein. In welcher der drei Maschinender blaublütige Businessmann bei seinen Reisen rund um den Globusjeweils sitzt, bleibt aus Angst vor Attentaten stets streng geheim.Die Geschenke des Prinzen sind üppig. Bei seinem Besuch in der luxu-riösen Berlusconi-Villa in Arcore bei Mailand Anfang Juni 1995 brach-te Al Waalid ein Diamantencollier mit. Der Hausherr packte bei diesemAnblick sein Präsent für Al Waalid – eine Kristallvase für „nur“ 15.000Mark – schnell weg, berichtete die Zeitung „Il Messaggero“ spöttisch.Schon vorher beeindruckte der Prinz Berlusconi mit einer goldenen,voll funktionsfähigen Maschinenpistole Marke Kalaschnikow undeinem goldenen Krummsäbel: Gesamtwert: 200.000 Mark.

Michael Jackson und Prinz El Waalid grün-deten 1996 das Unternehmen Kingdom Ent-ertainment.

Eduardo GaleanoDer Preis der Meinungsfreiheit

Das Fernsehen und Kabelfernsehen, die Filmindustrie, dieMassenpresse, die großen Buch- und Schallplattenverlageund die weitreichenden Radiosender schreiten mit Sieben-Meilen-Stiefeln dem Monopol entgegen. Die „Mass Media“haben den Preis der Meinungsfreiheit in ungekannte Höhengetrieben. Immer zahlreicher sind jene Gruppen, die nur dasRecht aufs Zuhören haben, und immer weniger werden dieMeinungsmacher, die das Recht haben, gehört zu werden.

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tionskonzern entwickelt. 1977 wagte der Konzern erstmals denSprung in die USA und erwarb mit Bantam Books den weltgrößtenTaschenbuchverlag. 1984 erfolgte der Einstieg ins deutsche Privat-fernsehen, das sich bis heute zum strategischen und wirtschaftli-chen Mittelpunkt des Konzerns entwickelt hat. Die RTL Group er-wirtschaftete 2002 bei einem Umsatzanteil von 23 Prozent fast dieHälfte des Konzerngewinns. Finanziert hat Bertelsmann den Ein-stieg in die neuen Informationstechnologien durch den Ressourcen-transfer aus seinem Auslandsgeschäft. Bereits ab 1962 gründeteBertelsmann im Spanien Francos Verlage, Buchklubs und Drucke-reien und penetrierte von dort auch den lateinamerikanischenMarkt. In Kolumbien, dem wichtigsten Standbein des Konzerns inSüdamerika, kam 1985 jedes zweite Buch aus einer der beiden ko-lumbianischen Bertelsmann-Druckereien.1986 expandierte Bertelsmann erneut, als es die Radio Corporationof America (RCA) erwarb und quasi über Nacht zu einem „GlobalPlayer“ im Musikgeschäft aufstieg. Mit dem Kauf des DoubledayVerlags erwarb der Konzern Amerikas größten Buchklub, The Liter-ary Guild. Außerdem öffneten sich Bertelsmann damit die Buch-märkte Kanadas, Australiens und Neuseelands. 1990 gründetenBertelsmann, Leo Kirch und Canal Plus mit Premiere den ersten Pay-

Der multinationale Informationskonzern Bertels-mann mit Stammsitz in Gütersloh ist heute zu57,6 Prozent im Besitz der Bertelsmann Stiftung,17,3 Prozent gehören der Gründerfamilie Mohnund 25,1 Prozent liegen in den Händen derFinanzholding Groupe Bruxelles Lambert (GBL).

Seit 2001 wird der Konzern damit erstmals in der Unternehmens-geschichte nicht mehr ausschließlich von der Familie Mohn kontrol-liert. In einem Aktientausch erhöhte Bertelsmann damals seineBeteiligung an der Privatsenderkette RTL Group auf über 90 Pro-zent. Im Gegenzug ging ein Viertel der Bertelsmann-Aktien an GBL,die diese ab 2005 an die Börse bringen darf. Zu Bertelsmann gehö-ren heute neben der größten europäischen Radio- und TV-HoldingRTL Group und dem Musikgiganten BMG unter anderem der welt-größte Buchverlag Random House und der zweitgrößte Zeitschrif-tenverlag Gruner+Jahr. Die Buch- und Musikklubs des Konzernszählen weltweit 40 Mio. Mitglieder. Der Konzernumsatz liegt beirund 18 Mrd.€. Über 80.000 Mitarbeiter werden in knapp 400 Un-ternehmen in 60 Ländern beschäftigt.Bertelsmann hat sich in den 1970/80er-Jahren vom Großverlag mitBuchklub-Geschäft zu einem international agierenden Informa-

Glanz und Gloria aus Gütersloh: Der Bertelsmann-KonzernJörg Becker und Christian Flatz

SoapSpace. Installation auf der EXPO2000 in Hannover

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die Privatisierung der Universitäten oder die der öffentlichen Schu-len: Die Stiftung ist mit ihren Gutachten und Experten stets dabei,wenn es darum geht, öffentliches Eigentum dem Markt zuzuführen.Ließ es die Stadt Gütersloh bereits 1979 zu, dass ihre öffentlicheStadtbibliothek von Bertelsmann in eine GmbH umgewandelt wur-de, so bemächtigt sich die Stiftung z. Zt. des öffentlichen Schulwe-sens in Nordrhein-Westfalen. Seit 2002 läuft dort per Vertrag zwi-schen der Bertelsmann-Stiftung und dem Schulministerium das sogenannte Modellvorhaben „Selbstständige Schule“, das die Verant-wortung für die chronische Unterfinanzierung des Schulwesens deneinzelnen Schulen zuschiebt. So spielen Bertelsmann und Nordrhein-Westfalen den Kräften in den GATS-Verhandlungen der Welthan-delsorganisation (WTO) zu, für die die globale Privatisierung vonKultur, Bildung und Schulwesen bereits beschlossene Sache ist.Wer fragt schon danach, ob diese Kooperation zwischen einem pri-vaten Konzern und einem öffentlichen Ministerium wettbewerbs-widrig (Ausschluss konkurrierender Konzerne) und verfassungswid-rig (Aushöhlung der staatlichen Verantwortung für das Schulwesen)ist?Auf Grund der gegenwärtigen Steuergesetzgebung forderte Ber-telsmann im April 2002 Gewerbesteuervorauszahlungen an dieStadt Gütersloh in Höhe von 15 Mio. € mit Erfolg zurück. Mit einerähnlich hohen Rückzahlungsforderung ist auch für das Jahr 2003zu rechnen. Bezeichnet der Bertelsmann-Konzern seine Befreiungenvon der Gewerbesteuer als „normal“, „orientiert an gesetzlichenVorgaben“ und „legitim“, spricht Münchens OberbürgermeisterChristian Ude eine andere Sprache: „Der steuerliche Gewinn gera-de von international agierenden Unternehmen kann durch legaleFinanzkunststückchen aller Art geradezu nach Belieben manipuliertwerden – mit desaströsen Folgen für die Kommunen.“Außer Bertelsmann hat in Gütersloh der Hausgerätehersteller Mieleseinen Firmensitz. Und so kennt der Gütersloher Volksmund folgen-den Witz. „Treffen sich Reinhard Mohn von Bertelsmann und RudolfMiele. Sagt Miele: ‚Ich bin so reich, ich könnte ganz Gütersloh kau-fen!’ Antwortet Mohn: ‚Ich verkaufe aber nicht.’“

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TV-Sender in Deutschland. Der nach langwierigen VerhandlungenMitte der 90er-Jahre zustande gekommene Zusammenschluss vonBertelsmann, Leo Kirch und der Deutschen Telekom zu einem allesbeherrschenden Informationsgiganten (von dem Konzern nahe ste-henden Experten wie Peter Glotz auf das Eifrigste unterstützt) wur-de von der EU aus Wettbewerbsgründen untersagt.Nachdem Bertelsmann bereits seit Anfang der 80er Jahre im Daten-bank- und Dienstleistungssektor aktiv war, stieg es 1995 gemein-sam mit America Online ins Internetgeschäft ein (AOL Europe). Imselben Jahr übernahm der Konzern die damals führende Multime-diaagentur Pixelpark. 1999 wurde der Online-Händler BOL gegrün-det und der Wissenschaftsverlag Springer erworben. Nach dieserdramatischen Expansion, die den Konzernumsatz zwischen 1981(3 Mrd. €) und 2002 (18 Mrd. €) versechsfachte, setzte ab 2002eine Konsolidierung ein, die mit dem Verkauf zahlreicher Unterneh-mensbereiche einherging. So wurden die Fachverlage Bertelsmann-Springer, die Berliner Zeitung und zahlreiche kleinere Tochterunter-nehmen verkauft. Dies war nicht zuletzt notwendig, um die Schul-den des Konzerns (3 Mrd. € im Jahr 2002) abzubauen, die durchÜbernahmen und Internetverluste (ein Minus von 880 Mio. € allein2001) angehäuft worden waren. Seither hat der Konzern einenGroßteil dieser Firmen abgegeben. Das Internet wurde bei Bertels-mann auf eine „dienende Funktion für die Stammgeschäfte“ be-schnitten. Neben AOL Europe, den Online-Händlern BOL undbn.com und der Netzeitung reduzierte der Konzern auch die Beteili-gung an Pixelpark auf 20 Prozent und zog sich 2003 vollständig ausdem e-Commerce mit Medienprodukten zurück. Auf Grund der sin-kenden Verkaufszahlen tobt derzeit in der Musikbranche ein wilderÜbernahmekrieg. Neben EMI, Time Warner, Universal und Sonyzählt die mit Verlusten bilanzierende BMG zu den fünf größten Mu-sikvertrieben der Welt. Die Konzernvorgaben für die einzelnen Un-ternehmensbereiche bei Bertelsmann sind simpel. „In der Regelmüssen die Betriebe eine Gesamtkapitalrendite von 15 Prozent ab-liefern. Wo das nicht erreicht wird, werden die Beschäftigten zuOpfern gezwungen“, so Franz Kersjes von der IG Medien.Erst in den letzten Jahren und nach öffentlichem Druck hat sich Ber-telsmann mit seiner dunklen Vergangenheit beschäftigt. Die „ge-schäftlich nützliche“ Legende vom Widerstandsverlag im DrittenReich war nicht mehr haltbar. Eine historische Kommission bestätig-te inzwischen, dass Bertelsmann sein Geschäft im Zweiten Welt-krieg stark ausgebaut und die Besitzerfamilie Mohn enge Kontaktezu den Nazis gepflegt hatte. Heinrich Mohn soll bereits 1921 be-trächtliche Summen an diese gespendet haben.Angesichts des wei-teren Aufkaufs von Buchverlagen in Deutschland schreibt MichaelKrüger, Leiter des Hanser Verlages: „Aus einem winzigen Verlag, dersein erstes Geld mit Millionenauflagen für unsere Soldaten im Drit-ten Reich verdient hat, ist nun ein Riese geworden, der mit Verlagenspielt wie mit Klötzchen.“Während Bertelsmann sein Glanz und Gloria vor allem auf Aus-landsmärkten verdient, hat sich die Bertelsmann-Stiftung zu einerder wichtigsten neo-liberalen Denkfabriken innerhalb Deutschlandsentwickelt. Denken viele beim Wort „Stiftung“ an Interessen des Ge-meinwohls, so sehen die Dinge bei Bertelsmann anders aus: Die Ber-telsmann-Stiftung ist Haupteigentümer des Gesamtkonzerns. Sei es

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Beratervertrag zwischen Leo Kirch und Helmut Kohlin Auszügen (1999)

§ 1 VertragsgegenstandGegenstand des Vertrages ist die Beratung zu aktuellen sowiestrategischen politischen Entwicklungen in Deutschland und Euro-pa.

§ 2 Leistungen des Auftragnehmers[...] Der Auftragnehmer trägt dafür Sorge, dass die Beratungslei-stungen ausschließlich durch Herrn Dr. Helmut Kohl persönlich er-bracht werden. Die Beratung gliedert sich in Standard-Beratung undsituative Beratung.2.1. Die Standard-Beratung umfasst bis zu 12 persönliche Ge-

spräche pro Jahr [...]. Mit dem Einverständnis von HerrnDr. Helmut Kohl können diesen Gesprächen weitere Personenhinzugezogen werden.[...] Der Veranstaltungsort liegt in Deutschland. [...]

2.2. Der Auftragnehmer wird auf Weisung des Auftraggebers überdie kontinuierliche Standard-Beratung hinaus bei gegebenempolitischen oder wirtschaftlichen Anlass auch kurzfristig zu-sätzliche Beratungsdienstleistungen im Hinblick auf aktuelleEntwicklungen oder Probleme erbringen. [...]

2.3. Der Auftragnehmer ist insbesondere nicht verpflichtet, folgen-de Dienstleistungen zu erbringen: [...]iii) Teilnahme an Veranstaltungen des Auftraggebers; [...]

§ 4 Vertraulichkeit[...] Weder der Auftraggeber noch der Auftragnehmer oder Herr Dr.Helmut Kohl sind berechtigt, ohne vorherige schriftliche Zustim-mung der jeweils anderen Vertragspartei Dritte über das Auftrags-verhältnis zu informieren.

§ 5 Vergütung1. Der Auftragnehmer erhält vom Auftraggeber ein jährliches Ho-

norar von DM 600.000,– (in Worten: sechshunderttausend).[...]

2. Der Auftraggeber erstattet dem Auftragnehmer alle angemes-senen Kosten und Spesen im Zusammenhang mit seiner Be-ratertätigkeit. Hierzu gehören insbesondere Reisespesen fürHerrn Dr. Helmut Kohl sowie dessen Mitarbeiter. [...]

§ 6 Laufzeit/Kündigung1. Die Laufzeit dieses Vertrages beträgt drei Jahre; [...]2. Eine vorzeitige Kündigung dieses Vertrages ist nur aus wich-

tigem Grund möglich. Ein wichtiger Grund ist beispielsweiseeine langfristige Erkrankung von Herrn Dr. Helmut Kohl, diediesen daran hindert, als Berater tätig zu werden. [...]

§ 8 HaftungDer Auftragnehmer haftet für Vorsatz, nicht jedoch für Fahrlässig-keit.

Quelle: Leyendecker, Hans: Die Korruptionsfalle. Wie unser Land imFilz versinkt, 2. Auflage, Reinbek: Rowohlt 2003, S. 89ff.III

Putschversuch in Spanien, 1981

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Zu den grundlegendenRahmenbedingungen derZeitschriftenverlage ge-hört es, dass erfolgreicheTitel nicht einfach über-setzt werden können. Es

gibt einen hohen „Lokalisierungs“-Auf-wand – eine 1:1 Übersetzung ist nicht mög-lich. Dazu kommen die unterschiedlicheGröße der Medienmärkte und Volumina zwi-schen den Mediengattungen (Print, TV) vonLand zu Land. In den Anzeigenmärkten derwesteuropäischen Staaten lassen sich Markt-anteile nur durch Verdrängung erreichen.Entsprechend entwickelten sich die Verhält-nisse in den osteuropäischen Kernländern(Slowakei, Tschechien, Polen und Ungarn).

Gruner + JahrÜber 60 Prozent des Umsatzes realisiert G+Jim internationalen Geschäft. 70 Titel werdenin 13 Ländern herausgegeben. In Frankreichgehört die Verlagsgruppe zu den führendenAkteuren. In den USA ist sie die Nummer fünfunter den Zeitschriftenverlagen. In Italien gibtes ein Joint-Venture mit dem größten italieni-schen Zeitschriftenverlag, Mondadori (Berlus-coni). Die Strategie ist es, jeweils Marktführerzu werden. G+J stieg als erster deutscherVerlag mit einer Auto-Zeitschrift in den chine-sischen Markt ein.

Bauer VerlagsgruppeDas Unternehmen ist nach eigenen Anga-ben der Zeitschriftenverlag, der den zweit-größten Auslandsanteil am Umsatz hält(665 Mio. € = 37,3 Prozent). Die Basis desGeschäftserfolges: Export erfolgreicher Titel.Bauer publiziert 121 Zeitschriften in zwölfLändern, ist in Großbritannien, dem zweit-

größten Medienmarkt der Welt, drittgrößterVerlag (u. a. „Take a break“). Zu den wichti-gen Auslandsaktivitäten gehört die USA,außerdem werden auch in Frankreich undSpanien Zeitschriften herausgegeben. In Po-len nimmt die Bauer Verlagsgruppe die PoolPosition unter den Zeitschriftenverlagen ein.In Mexiko ist sie mit einer Jugendzeitschrifterfolgreich in den lateinamerikanischenMarkt eingestiegen.

Axel Springer AGDie Axel Springer AG gibt international rund120 Zeitschriften- und Zeitungstitel heraus.Als größtes europäisches Zeitungsunterneh-men agiert die Axel Springer AG mit einergroßen Anzahl im ungarischen Zeitungs-markt. Aktuell kommt sie mit einer Boule-vard-Zeitung in Polen auf den Markt. DieAxel Springer AG realisiert mit 19 Prozentden geringsten Umsatz unter den deutschenVerlagsgruppen im internationalen Geschäft.Axel Springer setzt stark auf den Marktzutrittmit Lizenzen bekannter Marken (AUTOBILD). Marktführerschaft will das Unterneh-men in den nächsten Jahren durch Marktbe-reinigungen und Allianzen erreichen.

Hubert Burda MediaDie Verlagsgruppe Burda realisiert 31,3 Pro-zent (436 Mio. €) ihres Umsatzes im Aus-land. Nach eigenen Angaben gibt man welt-weit 230 Titel heraus. Kern des internationa-len Geschäfts ist eine Kooperation mit demzweitgrößten italienischen Medienunterneh-men Rizolli. Die osteuropäischen Aktivitätensind in einer eigenen Gesellschaft gebün-delt, an der Rizolli 20 Prozent hält – sie gibt90 Zeitschriften heraus (u. a. in Polen,Tsche-chien, Rumänien, Slowenien, Kroatien, Ser-

bien). Im Markt der Computer-Zeitschriftenbesteht ein Joint-Venture mit der deutschenVogel Mediengruppe (u. a. CHIP).Vogel Bur-da Media ist in 16 Ländern aktiv. Ein Ausbauist in Russland, China und Südostasien ge-plant.

Verlagsgruppe Motorpresse StuttgartDie Motorpresse in Stuttgart realisiert rund40 Prozent ihres Umsatzes im internationa-len Zeitschriftengeschäft, 83 Titel. Die Inter-nationalisierung soll insbesondere in Ost-europa und China vorangetrieben werden.In ihrer Kernkompetenz, Auto und Motor,will die Gruppe europäischer Marktführerwerden. Die Gruppe ist schwerpunktmäßigin Ungarn, Tschechien, Slowakei und Polenaktiv. Über ihre Unternehmungen in Spanienund Portugal streckt sie sich auch nach demsüdamerikanischen Medienmarkt aus.

RingierDie Schweizer bauten in den letzten Jahrenihr Engagement in Osteuropa erfolgreichaus. In Ungarn, Tschechien, Slowakei undRumänien lesen täglich 5,2 Millionen Men-schen ihre Kaufzeitungen. 20,5 Prozent(144 Mio. €) des Gesamtumsatzes realisiertman in den osteuropäischen Staaten. Durchden Ausstieg von Bertelsmann und G+J ausdem ungarischen Zeitungsmarkt erwarbRingier die größte Zeitung, NEPSZABAD-SAG. In partnerschaftlichem Einvernehmenagiert G+J seitdem in der Slowakei undTschechien bei den Zeitschriften-AktivitätenRingiers. Durch den Kauf der G+J-Boule-vard-Zeitungen (10/03) in Rumänien, Ser-bien und der Slowakei dürfte die Verlags-gruppe eine der größten Boulevardzeitungs-Gruppe in Europa sein.

Deutsche Internationalisierungsstrategien imZeitungs- und Zeitschriftenmarkt EuropasHolger Artus

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Deutsche Zeitungsgruppenin OsteuropaHistorisch einmalig nutzten die deutschenVerleger die Gunst der Stunde: Nach dempolitischen Umbruch kaufte man Verlage aufbzw. beteiligte sich an ihnen. Mittlerweilehat sich das Geschäft konsolidiert. Die gro-ßen Zeitungsgruppen teilten sich die Märkteuntereinander auf:

Verlagsgruppe PassauDie Verlagsgruppe Passau wurde als einzi-ges Regionalunternehmen zu einer Zeitungs-gruppe mit internationaler Ausrichtung undbeherrscht mit Orkla-Media (Norwegen) denpolnischen Zeitungsmarkt. Mit elf regiona-len Tageszeitungen und 13 regionalen Wo-chenzeitungen ist die Verlagsgruppe Passaueiner der größten Zeitungsverlage in Tsche-chien.

WAZ-MediengruppeDie WAZ-Mediengruppe stieg in den schwe-ren Zeitungsmarkt erfolgreich in den Balkan-Staaten ein und beherrscht den bulgarischenZeitungsmarkt zu 80 Prozent. In Kroatien istsie zu 49 Prozent an der größten Zeitungs-gruppe (EHP) beteiligt, in Serbien stieg sievor kurzem mit einem 50 Prozent Anteil beider größten Zeitungsgruppe POLITIKA ein.In den ehemaligen jugoslawischen Bundes-staaten gehört noch die österreichische Sty-ria-Gruppe zu den internationalen Akteuren.Sie ist der drittgrößte Medienkonzern Öster-reichs. In Kroatien gehört ihr die größte Ta-geszeitung „Vecernji list“. 14 Regionalausga-ben sorgen heute dafür, dass 91 Prozent derAuflage im ganzen Land verkauft werden.Im November 2003 tritt sie mit einer Gratis-zeitung in den slowenischen Markt ein.In Ungarn und Rumänien gehört Ringier zuden Marktführern bei den Kaufzeitungenund überregionalen Zeitungen. In Estland,Litauen und Lettland bauten die skandina-vischen Zeitungsverlage Schibstedt, Orklaund Metro ihren Einfluss aus. Die Axel Sprin-ger AG verfügt über eine bedeutende Stel-lung im regionalen ungarischen Zeitungs-markt. Mit der Herausgabe von FAKT im pol-nischen Zeitungsmarkt startet das Unter-nehmen einen Versuch im überregionalenZeitungsmarkt.

AusblickDas internationale Wachstum der Medien-unternehmen erfolgt überwiegend über Auf-käufe. Die Auseinandersetzungen in demAnzeigen- und Vertriebsmarkt erfolgen überdie Neueinführung von Titeln. Erfolgreiche

Titel-Konzepte werden schneller in anderenLändern spezifisch umgesetzt, manchmalmit dem gleichen Namen, manchmal mitanderen. Rückzüge aus einzelnen Ländernwird es auch weiterhin geben. Der Markt-zutritt in Russland wird weiter vorsichtigausgebaut werden. China wird vermutlichmit Konsumtiteln in den kommenden Jah-ren überflutet werden. Mittelfristig rechnendeutsche Verleger auch mit dem südameri-kanischen Markt als umsatzstarkes Feld –wenn sich die politischen und wirtschaft-lichen Probleme gelöst haben.Im osteuropäischen Zeitungsmarkt kommtes zu weiteren Veränderungen. So trenntsich G+J in 2004 von seinen Zeitungen inTschechien, Serbien und Rumänien. AndereVerlage werden das Ziel verfolgen, aus Be-teiligungen Mehrheiten zu machen. Wachs-tum werden die Gratiszeitungen verzeich-nen, die sich bereits in vielen Hauptstädten

Die zehn größten Medienkonzerne der Welt

Rang Rang Unternehmen/Hauptsitz Medienumsatz 20012001 1999 (in Mrd. Euro)

1. (1.) AOL Time Warner Inc., New York/USA 42.6912. (6.) Microsoft Corp., Redmond/USA 31.6723. (2.) Walt Disney Co., Burbank/USA 28.2004. (9.) Vivendi Universal S.A., Paris/F 28.1155. (3.) Viacom Inc., New York/USA 25.9306. (7.) AT&T Comcast Corp., Philadelphia/USA 21.7437. (8.) Sony Corp., Tokio/J 21.0078. (4.) Bertelsmann AG, Gütersloh/D 20.0369. (5.) News Corp. Ltd., Sydney/AUS 14.769

10. (49.) EchoStar Communications Corp., Littleton/USA 13.693

Quelle: Hachmeister, Hans und Rager, Günther: Wer beherrscht die Medien? Die 50 größ-ten Medienkonzerne der Welt. Jahrbuch 2003, München: Beck-Verlag, S.31ff

Europas etabliert haben. Nicht vergessenwerden darf, dass für die großen deut-schen Zeitungs- und Zeitschriftenverlagedas Back-up „Druck“ wichtigster Garantdes wirtschaftlichen Erfolgs ist. Der europä-ische Tiefdruckmarkt befindet sich in einerKonsolidierungsphase, verbunden mit einemverstärkten Konkurrenzkampf um Anteile imwest- und osteuropäischen Tiefdruckmarkt.Gegenüber der differenzierten Vorgehens-weise der deutschen Printmedien-Unter-nehmen agiert die internationale Gewerk-schaftsbewegung in der Medienwirtschaftschwerfällig. Sie lässt sich von Motiven derinternationalen Produktion und internatio-naler Arbeitsteilung leiten. Bewegung könn-te sich ergeben, würde man sich aufdie Hauptakteure in der Medienwirtschaftkonzentrieren und die nationalen Interes-senvertretungsstrukturen zu Arbeitsgemein-schaften bündeln.

Friedensdemonstration 80er Jahre

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Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi (r.) gemeinsammit dem Sänger Mariano Apicella während einer Sangesdarbietungim Fernsehen

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„Una mattina... mi son svegliato. Ho trovato l’in-vasor... O bella ciao, bella ciao, bella ciao ciaociao...“, so intonierte im April 2002 eine brüchi-ge, ungeübte Stimme im staatlichen Fernsehka-nal RAI. Ungewohnt leise und bedächtig töntedas alte Partisanenlied aus Italiens Fernsehgerä-

ten, deren Programme üblicherweise nicht durch intellektuelle Ver-haltenheit auffallen. Mittlerweile ist der Widerstandsklassiker gegenden Faschismus zur Hymne der zivilgesellschaftlichen Gegnerschaftdes Regierungschefs Silvio Berlusconi geworden.Italiens politisches System war seit dem Ende des Zweiten Welt-kriegs auf seine Sonderstellung unter den europäischen Demokra-tien abonniert. Seit 1945 gaben sich am Römischen Regierungs-sitz, dem Palazzo Chigi, immerhin 58 Kabinette die Klinke in dieHand. Eine Regierungskrise löste die andere ab, ein Skandal jagteden nächsten. Parteiabsprachen, schwer nachvollziehbare Geld-flüsse sowie enge Kontakte der Politiker zu Wirtschaftsbossen undPersönlichkeiten aus dem Mafiaumfeld stellten immer wieder poli-tische Stolpersteine für die italienischen Regierungen dar. DerHöhepunkt war jedoch unter dem sozialistischen RegierungschefBettino Craxi erreicht.Als die Mani Pulite (eine Gruppe von Mailän-der Staatsanwälten) die Korruptionsaffäre Tangentopoli aufdeck-ten, kamen seine Kontakte zur Mafia ans Licht. Diese Machen-schaften kosteten Craxis politischen Kopf und ließen ihn nach Tu-nesien fliehen.Unterdessen vollzog sich ungehindert der wirtschaftliche AufstiegSilvio Berlusconis. Als er mit seinem Bauunternehmen Edilnord diemailändische Trabantenstadt Milano 2 mit Wohnraum für rund10.000 Menschen errichtete, legte er damit die Basis für seinenspäteren Erfolg als Medienunternehmer. Eine eigens installiertezentrale Empfangsantenne versorgte die einzelnen Wohneinheitenüber Kabel mit vier Fernsehprogrammen: zwei der öffentlich-recht-lichen RAI, eins des Auslandssenders Telemontecarlo sowie einProgramm des regionalen Fernsehsenders Telemilano.An letzteremerwarb Berlusconi bald darauf Anteile und stieg so in das Fernseh-geschäft ein. Die Finanzierung dieser frühen unternehmerischenAktivitäten ist bis heute unklar. Deshalb wird auch immer wiederüber Berlusconis Nähe zur Mafia spekuliert. Sein Aufstieg zumreichsten Mann Italiens mit einem geschätzten Vermögen vonsechs bis zehn Milliarden Euro steht jedoch in engem Zusammen-hang mit der Gründung zweier Fininvest-Finanzgesellschaften. Einreger Finanztransfer zwischen diesen – später zu einer Gesellschaft

zusammengeführten – Unternehmen und diversen Holdinggesell-schaften ließ eine kaum nachvollziehbare Unternehmensstrukturentstehen.Berlusconis Engagement im Fernsehgeschäft verstärkte sich zu Be-ginn der 80er Jahre. Das italienische Mediengesetz erlaubte damalsnur ein landesweit ausgestrahltes Fernsehen: die öffentlich-rechtli-che Radio Televisione Italiana (RAI); es ließ aber regionales Fernse-hen zu, um die pluralistische Medienvielfalt im Lande zu gewähr-leisten. Berlusconi, das Mediengesetz einfach umgehend, brachtezu dieser Zeit Sender um Sender unter seine Kontrolle: Er stellte denRegionalsendern Videokassetten mit identischem Inhalt zur Verfü-gung, die zeitgleich ausgestrahlt wurden. So erschloss er einen na-tionalen Werbemarkt, den seine Agentur Publitalia schon bald über-aus erfolgreich bewirtschaftete. Ein 1984 gefälltes Gerichtsurteil,das diese Sendepraxis untersagte, wurde vom Regierungschef Craxiaufgehoben. Zu Berlusconis erstem landesweiten Sendernetz Cana-le 5 gesellten sich bald zwei weitere: Italia 1 und Rete 4, die nochheute – zusammengefasst zum gruppo Mediaset – den Grundstockseines Imperiums bilden. Ebenso unter dem Dach der Fininvest ver-sammelt sind die Mondadori-Gruppe (Italiens größter Zeitschriften-und Buchverlag), Beteiligungen an Zeitungen, eine Kinokette, eineVideothekenkette, Produktionsfirmen, der Fußballclub AC Milan undviele weitere Unternehmensbereiche. Zum Kerngeschäft gehörenaber auch Beteiligungen in Spanien, etwa am Fernsehsender Tele-cino oder an der Zeitung El Mundo. Auch vor Deutschland machteBerlusconis Investitionslust nicht Halt: Gemeinsam mit dem saudi-schen Prinzen Al-Waalid hielt er Anteile am mittlerweile insolventenKirch-Konzern. Nach dessen Zusammenbruch setzte Berlusconi zurEroberung des deutschen Fernsehmarktes an und musste kapitulie-ren. Zu groß waren die Befürchtungen der Deutschen vor einer nichtkontrollierbaren Verflechtung der italienischen Politik mit dem de-mokratiepolitisch sensiblen Medienmarkt.In Italien allerdings baute Berlusconi ein Quasi-Monopol amFernsehmarkt auf. Dieses diente 1990 nicht zuletzt als Anlass, dieMedienlandschaft in Italien gesetzlich neu zu strukturieren undden Mediensektor nach pluralistischer und antimonopolistischerLogik neu zu ordnen. Die daraus resultierende Legge Mammi be-stätigte jedoch lediglich den Status Quo und legitimierte nachträg-lich Berlusconis Imperium. In zahlreichen anderen Geschäftsberei-chen hingegen kam Berlusconi zunehmend mit dem Gesetz in Kon-flikt und musste sich immer öfter vor Gericht für seine Geschäfts-praktiken rechtfertigen. Seit 1990 wurde er in 14 Strafverfahren

Bella (Italia) ciao? Silvio Berlusconis MedienimperiumSylvia Riedmann

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angeklagt, die jedoch durchwegs ergebnislos blieben. Wie gelingtes ihm immer wieder aufs Neue, den Kopf aus der Schlinge zuziehen?Als seine politischen Beschützer wegen diverser Irregularitäten ih-re Sessel räumen mussten, blieb Berlusconi nur noch selbst derWeg in die Politik, um der lästigen Justiz aus dem Weg zu gehen.1994 betrat er mit seiner Sammlungsbewegung Forza Italia die po-litische Bühne Italiens. Sein erstes Premierministeramt verlor er1994 aufgrund eines Koalitionskrachs mit Umberto Bossi von derLega Nord schon nach neun Monaten. Im Mai 2001 kehrte er alsneuer, alter Ministerpräsident und Vorsitzender einer Casa delle li-bertà genannten Koalition zurück. Seither macht Silvio Berlusconinicht nur durch skandalträchtige Aussagen Schlagzeilen, sondernauch durch sein System der Rechtsbeugung. Die Rückkehr an dieMacht war gerade noch rechtzeitig erfolgt: Gefährlich viele Ge-richtsverfahren mit einer drohenden Verurteilung näherten sichihrem Ende. Die Neuregelung der Medienlandschaft stand wiederauf der politischen Agenda, auch wenn die Mitte-Links-Koalitiondes vorher regierenden Ulivo zu schwach gewesen war, um die not-wendige Entflechtung und Entmonopolisierung ernsthaft voranzu-treiben. Mindestens vier seit Mai 2001 erlassene Gesetze nahmendirekt Einfluss auf laufende Strafverfahren gegen den amtierendenMinisterpräsidenten. Ein neues Mediengesetz bildet nunmehr dierechtliche Basis für die Kontrolle von nahezu 95 Prozent des Fern-sehmarktes durch Berlusconi.Zu den schärfsten Kritikern dieses Systems gehört das britische Ma-gazin The Economist, das wegen seiner Berichterstattung mit Ber-lusconi bereits vor Gericht die Klingen kreuzt. Ein weiterer gewich-tiger Kritiker ist der OSZE-Beauftragte für die Freiheit der Medien,Freimut Duve. Seit Berlusconis Amtsantritt weist er immer wiederauf die demokratiepolitisch unhaltbare Situation in Italien hin. Ber-lusconi kontrolliere nicht nur nahezu den gesamten privaten Fern-sehsektor sondern auch die RAI – eine saubere Trennung müsseunbedingt herbeigeführt werden.Jene brüchige und ungeübte Stimme, die den Klassiker Bella ciaowieder ins kollektive italienische Bewusstsein zurückgeholt hatte,gehört dem Journalisten und Moderator Michele Santoro. DessenFernsehsendung war nach einer Frontalattacke des Regierungs-chefs auf den beliebten Moderator vom neu eingesetzten RAI-Di-rektorium abgesetzt worden. Ein Beweis für Berlusconis Umgangmit politischen Kritikern sowie für seine direkte Einflussnahmeauch auf das staatliche Fernsehen.

Telenovela – künstlerischer Kitsch?Karl-Ludolf Hübener

„Die Telenovela ist der gefühlvolle Nachtisch nach Feierabend“,meinte ein Kritiker. Ohne Telenovela kann kaum ein kommerziellerFernsehsender in Lateinamerika bestehen. Schon wegen der Ein-schaltquoten und der lukrativen Werbeblöcke. So undenkbar dasFernsehleben ohne Telenovela, so heiß umstritten ist das Genre.Die Telenovela ist aus der Radionovela der vierziger und fünfzigerJahre hervorgegangen, die auch bekannte lateinamerikanischeSchriftsteller in ihrer Kindheit fasziniert hat. Wie im Fortsetzungs-roman werden endlose Geschichten in Folgen gestückelt. Oft überein halbes Jahr lang,Abend für Abend, außer am Sonntag. Das Fern-sehen hat diese Erzählform mit teilweise anspruchsvollen Bildernund Sequenzen angereichert.Mit der Verbreitung des Fernsehens in Lateinamerika setzte sichauch die Telenovela wie ein Flächenbrand durch. Zunächst in Kubaund Mexiko, aber bald auch in Brasilien, allen voran in „Rede Glo-bo“, dem Fernsehgiganten, der seine Langzeitserien mittlerweile inalle Welt exportiert. Der Familienkonzern erwarb sich auch den Ruf,mit der Telenovela zur Prime Time am Abend neue künstlerischeMaßstäbe im Genre gesetzt zu haben.Allerdings werfen Kritiker „Rede Globo“ vor, in der Telenovela vorallem das reiche oder mittelständische Fernsehen vorzuführen. Fa-velas und Armut würden nur gestreift. Im Mittelpunkt stehe zudemdas weiße Brasilien, das dunkelhäutige Land spiele nur eine Neben-rolle. Das stimmt und stimmt auch wieder nicht. Die „Sklavin Isau-ra“, in über vierzig Länder, auch nach Deutschland exportiert, istwährend der Militärdiktatur gedreht worden und übte versteckteKritik an autoritärer Herrschaft. Während der Diktatur fanden linkeTheatermacher und Schauspieler bei Rede Globo Unterschlupf undin der Telenovela eine künstlerische Betätigung.Die Telenovela Globos blendet die soziale Realität sicherlich in dennachmittäglichen Novelas aus, allerdings nicht immer in den großenNovelas am Abend, wenn auch oft nur in kleinen Dosen serviert.Selbst die Landlosen besetzten Land auf dem Bildschirm. Folter, Kor-ruption, politische Hemmungslosigkeit wurden mit Leidenschaften,amourösen Abenteuern und familiären Konflikten gemixt.Gefährlich ist eher wie eine renommierte Anthropologin meint, dasssich viele Brasilianer daran gewöhnt hätten, „ihr Land durch die Op-tik der Telenovela zu diskutieren.“ Sie wird so zu Information undNachricht. Fiktion und Realität vermischen sich in den Köpfen derZuschauer.Neben der anspruchsvolleren Telenovela flimmern allerdings mehr-heitlich eher billige, nicht selten kitschige Melodramen über dielateinamerikanischen Bildschirme. Sie werden gezielt auf Heran-wachsende, Hausgehilfinnen und Hausfrauen am Nachmittag ange-setzt. Soziale Widersprüche werden in Tränen und Intrigen ertränkt.Es handelt sich dabei vor allem um Produktionen aus Kolumbien,Venezuela, Argentinien, Chile und Mexiko: „Wir verkaufen Träu-me“, meinte der mexikanische „Televisa“-Chef Azcárraga: „Auf kei-nen Fall wollen wir die Wirklichkeit abbilden. Wir verkaufen Träume,die so aussehen wie die Träume von Aschenputtel.“

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„Televisa“ schuf das Spanische Internatio-nale Fernsehnetz (SIN), um seine Program-me in die USA weiterzuleiten. Produktionen,vor allem aus den USA, werden wiederumvon „Televisa“ eingekauft und in riesigenStudios in der mexikanischen Hauptstadtsynchronisiert. „Televisa“ ist das Nadelöhrfür den Programmfluss nach Lateinamerika.Mit Musiksendungen, „telenovelas“, We-stern, Komödien und Krimiserien aus denUSA überschwemmt der Fernsehkonzernden mexikanischen, aber auch den latein-amerikanischen Markt.Die Entwicklung zum größten Medienkon-zern Mexikos wäre ohne ausgezeichnete Be-ziehungen zu den jeweiligen RegierungenMexikos nicht möglich gewesen. Diese sa-hen lange Zeit keinen Grund, der reichenAzcárraga-Familie zu misstrauen. In denInformationssendungen wurde und wirddirekte Kritik an den Regierenden vermie-den. Nachrichtensendungen unterliegenstraffer Selbstzensur. Die Hintergründe dervom schweren Erdbeben 1985 aufgedeck-ten sozialen Missstände und Korruptionblieben beispielsweise im Dunkeln. Werden,wenn überhaupt, sozialkritische Themen an-gepackt, werden sie ab Mitternacht aus-gestrahlt.Die 70 Jahre lang mit Korruption, Verspre-chungen und Gewalt autoritär in Mexiko

Die Anfänge des mexika-nischen Fernsehens rei-chen in die 50er Jahre zu-rück: Im südlichen Nach-barland der USA wurde1950 die erste Fernseh-

station Lateinamerikas gegründet, gefolgtvon TV Tupi in Brasilien und „Unión Radio TVde Cuba“. Diese Station ging in „Telesiste-ma Mexicano“ auf. „Telesistema“ war derZusammenschluss von mehreren Familien-unternehmen. Darunter auch der Kanal Emi-lio Azcárragas und der Kanal des Präsiden-tensohns Miguel Aleman. 1973 fusionierteschließlich „Telesistema“ mit dem größtenKonkurrenten TIM zu „Televisa“. 1991 ver-kauften die anderen Familien ihre Anteile,sodass Azcárraga der unumschränkte Herr-scher über Tausende von Mitarbeitern wird.„El tigre“, wie er genannt wird, baute „Tele-visa“ zum größten Medienunternehmen inder spanischsprachigen Welt aus.„Televisa“, das seit den 70er Jahren von Az-cárraga jr. geleitet wird, mischt sowohl na-tional als auch international in nahezu je-dem denkbaren Bereich medialer Kommuni-kation mit: Hörfunknetze, Verlage, Kinoket-ten, CD- und Videokassetten-Produktion, Sa-tellitenbetreiber gehören genauso zum Kon-zern wie Fußballmannschaften und das Az-tekenstadion.

Televisa und der TigerKarl-Ludolf Hübener

regierende „Partei der InstitutionalisiertenRevolution“ (PRI) konnte sich auf die Loya-lität „Televisas“ und der Eigentümer verlas-sen: „Wir sind Parteimitglieder PRI und wirhaben immer zur PRI gehört“ bekannte Emi-lio Azcárraga jr.: Sein „einziger Chef“ sei derPräsident der Republik. Und als Mitgliederder Partei „werden wir alles tun, was wirkönnen, um zu garantieren, dass unser Kan-didat gewinnt.“ Als die Macht der PRI aller-dings zu schwinden begann, setzte sich derMedienzar vorsichtig ab, ohne allerdings mitden nach wie vor mächtigen PRI-Fürsten zubrechen. Eine Alternative, die nicht mit demWirtschaftssystem brach, stand bereit: dieerzkonservative Partei PAN des heutigenPräsidenten Vicente Fox.

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ten Winkel Brasiliens vor. „Von 3991 Ge-meinden erreicht Rede Globo 3919“, ver-kündete der Hausprospekt. „Rede Globo“ist der einzige Fernsehsender Brasiliens, derdas gesamte Territorium Brasiliens mit sei-nen Programmen beliefert. Kein Wunder,dass sechs von zehn Reales, die für Werbungin Brasilien ausgegeben werden, in die Kas-sen des Giganten fließen.Zum „Globo“-Imperium gehören zwei Ta-geszeitungen mit nationaler Reichweite,Pay-TV, Zeitschriften und Buchverlage, Film-und Videoproduktionen, das größte Radio-netz Brasiliens und natürlich der Fernseh-sender „Globo“. Bedeutung und Einflussvon Fernsehen und Radio und damit die Be-deutung des „Globo“-Konzerns kann nichtüberschätzt werden: Nur 26 Prozent derBrasilianer sind nach neuesten Studien inder Lage, ein Buch oder einen längeren Zei-tungsartikel zu lesen und den Inhalt zu ver-stehen.

Mit der Militärdiktaturbegann auch der Auf-stieg von „Rede Globo“zum größten Fernseh-konzern Lateinamerikasund zu einem der fünf

wichtigsten der Welt. Der zielstrebige Aus-bau des Medienkonzerns ist das Werk deskürzlich verstorbenen Roberto Marinho, Ei-gentümer und Präsident des Medienunter-nehmens. Die Leitung des Familienunter-nehmens haben seine drei Söhne übernom-men.1962 hatte „Globo“ mit dem US-Konzern„Time-Life“ einen zunächst geheimen Ko-operationsvertrag abgeschlossen. Es war eineindeutiger Verstoß gegen die damalige Ver-fassung, die ausländisches Kapital in brasi-lianischen Massenmedien ausdrücklich un-tersagte. Parlamentarische Untersuchungenwurden immer wieder verzögert – begleitetvon Vernebelungsaktionen der „Globo“-Spitze. Rettung kam von der Militärdiktatur,die ab 1964 Brasilien drangsalierte und inder Verfassung von 1967 die Zensur vonPresse, Funk und Fernsehen verankerte. Mi-litärdiktator Castelo Branco legalisierte diegeschäftliche Kooperation mit „Time-Life“.Fortan zeigte Marinho großes Verständnisfür das Militärregime. Wenn der Konzern-patriarch später den Putsch erwähnte, spracher stets von der „Revolution“.Die Zusammenarbeit mit dem US-Konzernspielte beim rasanten Aufstieg von „TV-Globo“ eine wesentliche Rolle. Aus denUSA kamen modernste Ausrüstungen, tech-nische Beratung und Millionenbeträge.„Globo“ sicherte sich damit gegenüber sei-nen Konkurrenten einen schier uneinholba-ren Vorsprung.1983 stieg „Rede Globo“ ins Satellitenzeit-alter ein. Nun drang Marinho bis in den letz-

Rede Globo – „zum Wohle des Landes“Karl-Ludolf Hübener

Von seinem Einfluss büßte Roberto Marinhonichts ein, als sich die Militärs 1985 in dieKasernen zurückzogen. Er griff immer wie-der direkt in Nachrichtensendungen ein, vorallem ins „Jornal Nacional“, dem journalisti-schen Paradepferd des Konzerns. Als Millio-nen Brasilianer 1984 auf die Straße gingen,um den scheidenden Militärs Direktwahlenfür den Präsidenten abzuzwingen, ver-schwieg die Nachrichtenshow lange Zeit dasEreignis. Um den Vormarsch Lula Ignacio Lu-la da Silva zu stoppen, baute der Konzernden völlig unbekannten Collor de Melo, derspäter wegen Korruption aus dem Amt ge-jagt wurde, als Gegenkandidaten auf. Der Fi-nanzminister Brasiliens wurde fast immerin Absprache mit Marinho bestimmt. „Ichglaube nicht, dass ich der einflussreichsteMann Brasiliens bin“, wiegelte der Milliar-där ab: „Ich gebe zu, dass ich Einfluss aus-übe – aber mit Blick auf das Wohl des Lan-des.“

Vorleserin in einer Zigarrenfabrik (Kuba)

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III. Alternativen

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Märchenerzählerin in Kairo

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Medienentwicklung ist heute leider nicht mehrautomatisch Teil der deutschen Entwicklungszu-sammenarbeit; nur hier und da wird sie noch vonpolitischen Stiftungen in Kontakten mit Journali-stenverbänden, Universitäten und Menschen-rechtsorganisationen aufgegriffen. Die Friedrich-

Ebert-Stiftung (FES) übernahm hierbei eine Vorreiterrolle und hattebis Mitte der 90er Jahre ein sehr erfolgreiches internationales Netzvon Medienprojekten. Von einer wohlgemeinten Integration derMedienförderung in die gesellschaftspolitischen Fördermaßnah-men weltweit im Jahr 1997 blieb letztendlich nicht viel übrig.Gerade im Sinne des europäischen Gedankens gäbe es nach wievor sehr viel zu tun, um etwa bürgernahe Medien entstehen zu las-sen und sie als Kulturgüter zu gestalten und abzusichern.Auch, umden Journalismus vom Internet bis zum Fernsehen qualitativ zuverbessern und, um vor allem daran mitzuwirken, dass die Medienihre gesellschaftspolitische Funktion wahrnehmen können.Anfang der 90er Jahre kam im Zusammenhang mit der Rundfunk-förderung im Rahmen der internationalen Entwicklungszusam-menarbeit weltweit die Frage auf, in welche Richtung staatlicheRundfunksysteme gewandelt werden sollten und könnten. Im Jahr1991 startete die FES in sporadischer Zusammenarbeit mit der eu-ropäischen Rundfunk-Union (EBU/UER), ARD und ZDF sowie demIPDC der UNESCO ein Beratungsprogramm für Länder in Mittel-,Südost- und Osteuropa. Alles mit dem Ziel, dort öffentlich-recht-liche Strukturen zu schaffen, um die totale Kommerzialisierung zuverhindern und Chancen für Qualitätsrundfunk mit hohem journa-listischen Anspruch entstehen zu lassen.So ließ die EBU/UER eine beispielhafte Rundfunkverfassung ent-werfen, und die FES publizierte ein Handbuch in englischer Sprachemit einer Auswahl deutscher gesetzlicher Grundlagen für die Me-dien, Rundfunkstaatsverträge und interne Regelungen des Rund-funks. Das Werk, mit einer Auflage von 5.000 Exemplaren, dienteder Orientierung darüber, was man im Rundfunk regeln kann undsollte. Nach und nach fand es Verwendung in vielen Entwicklungs-ländern Afrikas und Asiens. Noch heute dient es als Grundlagen-material bei der Diskussion um die Schaffung von „Public ServiceBroadcasting“ (PSB). Für das Asia-Pacific Institute for BroadcastingDevelopment (AIBD), einer interstaatlichen Einrichtung Asiens inKuala Lumpur/Malaysia steht die Frage der Entwicklung von „Pu-blic Service Broadcasting“ in den Ländern Asiens nach wie vorganz oben auf der Liste der Konferenzthemen.Wir FES-Vertreter und unsere Berater hatten uns schon sehr frühdavon verabschiedet, bei Beratungsmaßnahmen zu eng am deut-schen Modell zu argumentieren. Grund dafür sind die Schwächendes Modells, die unsere Partner in der zunehmend globalisiertenWelt in vager Form sowieso schon mitbekommen hatten. Wir spra-chen auch über den zu starken Parteieneinfluss auf ARD und ZDF,über deren Tendenzen zu Selbstkommerzialisierung und Infotain-ment, über die zunehmende Vernachlässigung des Grundversor-gungsauftrages nach Bildung und politischer Information sowieüber die bürokratischen Wasserköpfe in der Verwaltung des öffent-lich-rechtlichen Rundfunks. Oft war gerade unsere Selbstkritik einegute Plattform für einen ehrlichen Dialog. Als beispielhaft wurden

aber immer die demokratische Verfassung des Rundfunks und dieProgrammaufträge dargestellt. In der derzeitigen Diskussion überPSB wird „öffentlich-rechtlicher Rundfunk“ mit „public servicebroadcasting“ gleichgesetzt. In Asien wird auf Seiten der Kommer-zialisierungsgegner offensichtlich dem Modell einer Rundfunkstif-tung der Vorzug gegeben, die Förderung von verschiedenen Seitenerfährt und deren Kuratorium von „stakeholders“ aus den ver-schiedensten Teilen der Gesellschaft gebildet wird.Ich selbst habe in Pakistan fast vier Jahre lang die Diskussion umdie Zukunft des Rundfunks im Lande immer wieder vorangetrie-ben. Dabei hatte ich in dem international bekannten pakistani-schen Medienexperten Javed Jabbar, der unter dem Militärherr-scher Musharraf für rund ein Jahr auch Informationsminister war,einen sehr guten Partner. Er war der Verfasser eines Auftrages für

Taugt der öffentlich-rechtliche Rundfunkals deutsches Exportmodell?Gunter Lehrke

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eine zu schaffende „Broadcasting Regulatory Authority“, die öf-fentlich-rechtliche Strukturen im ganzen Lande gewährleisten undLizenzen an private Rundfunkveranstalter auf der Basis von Pro-grammaufträgen vergeben sollte. Zur Amtszeit von Javed Jabbarals Informationsminister hatte sich im staatlichen nationalen Rund-funk von Pakistan bei den Programm-Machern schon fast eupho-risch Optimismus in Bezug auf eine unabhängige journalistischeZukunft breit gemacht. Aber der Militärherrscher selbst hat dasProjekt dann auf den Boden pakistanischer Tatsachen zurückge-führt, indem er den gesamten nationalen Rundfunk propagan-distisch für das Referendum über seine Person als Präsident desLandes einsetzte und gleichschaltete. Davon hat sich der Rundfunkbis heute nicht wieder erholt. Die mangelhafte finanzielle Ausstat-tung und der offenbar unveränderbare bürokratische Apparat desRundfunks tun ein Übriges.Der Bürger von Pakistan bezieht seine Informationen aus der mehroder weniger gut funktionierenden Presse und dem Hörfunk- undFernsehangebot aus dem Ausland (Pakistanische Privatprogram-me, BBC und Deutsche Welle sind die Favoriten). Schwache Hoff-nung auf eine bessere Rundfunklandschaft in Pakistan ist heutedurch aufkommende „Community Radio“-Programme gegeben.Ich habe in Pakistan, einem Land mit sehr hoher Analphabetenrate(vermutlich über 70 Prozent) und dem weitestgehend weggesperr-ten weiblichen Teil der Bevölkerung, immer wieder auf die ent-wicklungspolitische Rolle des Radios hingewiesen und über meineProjektarbeit Hörfunkinitiativen gefördert. Mehrere Ansätze fürBürgerradio lassen bescheidenen Optimismus hinsichtlich einer„Public Service“-Funktion von Hörfunk zu.Bei meiner Arbeit musste ich mir immer wieder vergegenwärtigen,dass man es oft mit Ländern zu tun hat, in denen über 90 Prozentder Bürger keinen Zugang zu Zeitungen hat, in denen oft nur eineinziger staatlicher Verlautbarungs-Radiokanal über Mittelwelle zuempfangen ist und in denen man ein müdes Fernsehprogramm ge-meinschaftlich in Kneipen oder Teehäusern ansehen kann, das weitdavon entfernt ist, informieren zu wollen. In Pakistan z. B. wird keinschreibender Journalist das Programmpersonal des Hörfunks undFernsehens als Kollegenschaft ansehen.Wozu also taugt heute das deutsche Modell des öffentlich-recht-lichen Rundfunks in der Medienentwicklung von Staaten mit hohenDemokratiedefiziten? Wohl kaum ein anderes Land der Welt hat soviele Gesetze, Staatsverträge und Regeln zur Gestaltung des Rund-funks und nicht viele Länder können über ihr Rundfunksystem so

froh sein wie Deutschland. Von der spezifisch deutschen Entwick-lung – und natürlich auch aus ihren Fehlern – kann man lernen undeinen Nutzen ziehen. So übernahmen schon viele Initiativen welt-weit, die sich um demokratische Medienstrukturen bemühen, einigePassagen aus dem Handbuch der FES, um Vorschläge für positiveEntwicklungen zu machen. Das deutsche Modell ist zumindest lehr-reich. Und alle, die damit gearbeitet haben, mussten auch feststel-len, dass eine Orientierung daran nur möglich ist, wenn gleichzeitigrechtsstaatliche Strukturen geschaffen werden und die Rundfunk-entwicklung – wie im Übrigen die gesamte Medienentwicklung –zum festen Bestandteil dessen gemacht wird, was man die Ent-wicklung einer demokratischen Kultur nennt. Und dass dies einlanger Prozess ist, haben auch viele dabei gelernt.

Optischer Flügeltelegraph in Algerien,1844 Fernschreiber 1954Japanisches Plakat zur Propagierung desSelbstwählverkehrs für Ferngespräche, 1926

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Mail delivery failed?Frauenorganisationen im Südenund das World Wide WebChristine Höbermann

Seit Tagen flitze ich beijeder Gelegenheit an dennächsten Rechner, um zusehen, ob die Mail an dienicaraguanische Frauen-gruppe endlich rausge-

gangen ist: Wieder nicht geklappt: „Maildelivery failed.“Klar, die Adresse hat sich in den letzten Jah-ren öfter geändert. Sogar einer der erstenAnbieter von E-Mail in Lateinamerika, dervon sozialwissenschaftlichen Forschungs-instituten betriebene Knoten Nicarao, istscheinbar von kapitalkräftigeren Unterneh-men verdrängt worden. Aber die neuenDaten müssten eigentlich stimmen..., dahilft nichts als dranbleiben, oder?Welche Probleme stellen sich eigentlichFrauenorganisationen aus dem globalenSüden im männlich und „westlich“ domi-nierten Cyberspace?Die feministische NRO Isis InternationalManila (www.isiswomen.org) hat 2001 dieBedeutung von Informations- und Kommu-nikationstechnologien (ICT) für Frauenor-ganisationen in 24 Staaten in Asien, aufdem Kaukasus und den pazifischen Inselnuntersucht. Obwohl die befragten Gruppendurchaus von der Nutzung von ICT pro-fitiert haben, besonders was den Zugangzu Informationen, Teilnahme an globalenKampagnen, regionale Vernetzung und –last but not least – Kontakte zu internatio-nalen Finanzierungsquellen betrifft, tratendoch erhebliche Barrieren zu Tage.Die Hindernisse waren vielfältig: Mangeln-de politische, soziale und wirtschaftlicheStabilität wurde beispielsweise auf demKaukasus beklagt. In fast dem gesamtenUntersuchungsgebiet behinderte die spär-lich vorhandene Infrastruktur (Strom, Tele-fon) außerhalb der städtischen Ballungs-gebiete den Zugang zum Internet. EinigeGruppen hatten Schwierigkeiten, die Ein-stiegskosten zu finanzieren. Die Ausrich-tung des Internets auf westliche Kultur undenglische Sprache erschwerte seine Aneig-nung in anderen Kulturkreisen. Obendreinwar vielen Frauen die Technologie einfachunangenehm. Persönliche Treffen fandensie effizienter.All diese Blockaden treffen auch großeTeile der männlichen Bevölkerung in derglobalen Peripherie. GeschlechtsspezifischeUnterschiede ergaben sich hingegen hin-sichtlich der Beherrschung der Technologie.Die meisten Frauenorganisationen waren

in Bezug auf Homepage, den Mailserverund die Wartung der empfindlichen Tech-nik von männlichen Spezialisten abhän-gig, denen im privaten Sektor oder imAusland weitaus attraktivere Honorarewinken.Einige NROs boten ICT-Kurse für ihre Mitar-beiterinnen an, doch etliche Frauen scheu-ten vor dem Eintritt in die „Männerdomä-ne“ zurück, besonders, wenn – wie eigent-lich immer – Familienpflichten riefen. Einweiteres Problem war der hohe Anteil por-nographischer, frauenfeindlicher Inhalte imInternet. Der internationale Frauenhandelwird u. a. über einschlägige WebSeiten ab-gewickelt!Um die geschlechtsspezifische Benachteili-gung in Zukunft zu verringern, fordert Isis,dass staatliche Politik explizit darauf abzie-len soll, die Technologien für Frauen nichtnur zugänglich, sondern auch relevant undnützlich zu machen. Geschlechtergerech-tigkeit muss Querschnittsaufgabe in ICT-Programmen werden. Dazu müssen u. a.mehr engagierte Frauen in die Entschei-dungsgremien.International sollen diese Forderungenbeim Weltinformationsgipfel (WSIS) im De-zember 2003 in Genf durchgesetzt werden.Bei der Vorbereitungskonferenz im Septem-ber schrieben sich AktivistInnen die ver-langten Paragraphen aufs T-Shirt, denn siewurden in den offiziellen Dokumenten „ver-gessen“.Als alternatives Forum fand im Ok-tober 2003 in Wien die Tagung: „Womencrossing the Digital Divide“ statt.Der gerechte Zorn über die Diskriminie-rung von Frauen sollte nicht den Blickdarauf verstellen, dass die Verfügung überICT nicht automatisch Demokratisierungoder gar „Empowerment“ mit sich bringt.Die globale High Tech-Kommunikationmuss für die alltäglichen, lokalen Zusam-menhänge brauchbar gemacht werden.Das Colectivo de Mujeres aus Matagalpa(www.cmmatagalpa.cjb.net), einem Pro-vinznest in Nicaragua, schafft es zum Bei-spiel, den Kampf für eine gerechtere, weni-ger gewaltförmige Gesellschaft mit Radio-sendungen, Kursen, Broschüren, Theater-vorstellungen, aber auch über seine Web-Seite an Frau, Kind – und „den Mann“ –zu bringen. Die elektronisch vermittelteKommunikation ersetzt andere Formen desAustausches nicht, kann sie aber sinnvollergänzen.Meine Mail ist endlich durchgekommen.Mein Fehler: Ein Punkt zuviel in der Adres-se. Die Antwort ist auch schon da. Aber dieFotos schick ich doch lieber mit einer Be-kannten, die in zwei Wochen rüberfliegt.Frau muss ja nicht alles digitalisieren.

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Psychologen festgestellt werden, als ein erschreckendes Indiz für ei-ne Fehlentwicklung auch nur zu nennen wagt, wird mit dem Vor-wurf konfrontiert, dass es sich hier um eine Bevormundung undMissachtung der Privatsphäre des freien Bürgers handelt. Wer imBereich der Schule die Verwechselung von digitaler Vernetzung mitkindgerechter Pädagogik feststellt, wird als Verhinderer einermarktgerechten Ausbildung an den öffentlichen Pranger gestellt.Zugegeben – Medienkritik kann – wie im Übrigen jede Kritik – einenRückschritt bedeuten. Es existiert tatsächlich eine Art Verweigerung,die Realitäten der neuen Medien zur Kenntnis zu nehmen und ihreChancen zu würdigen.Aber ebenso verbreitet sind auch die zynischeAbdankung aller Kritik und die rest- und schamlose Zustimmungzum Zustand der Medien. Als Folge eines verstärkten Relativismus,demzufolge alle Medienprodukte gleichgültig sind, weil uns Maßstä-be zu deren kritischer Beurteilung ohnehin nicht mehr zur Verfügungstehen (sollten), wird eine differenzierte kultur- und sozialkritischeAnalyse der Medienwirklichkeit zum Schweigen verurteilt.

2. Interkulturelle VerwerfungenDie Dominanz westlicher Medienstandards ist mittlerweile ein glo-bales Phänomen. Nicht nur die Medienkonzentration, sondern auchdie inhaltlichen und ästhetischen Aspekte der Medien lassen dieTendenz zur Uniformisierung und Gleichschaltung deutlich erken-nen. Trotz der richtigen Beobachtung, dass die Globalisierung auchim Medienbereich vereinzelt zur „Glokalisierung” führt, d.h. zueiner erneuten Besinnung auf den Wert des Lokalen Anlass gibt,lässt sich kaum von der Hand weisen, dass im „globalen” Maßstabdie Entwicklung andersartige Gesetzlichkeiten aufweist. Lokale Kul-turen stehen unter erheblichem Anpassungsdruck. Die Auswahl des-sen, was als „medienwürdig” betrachtet wird, hat einen beängsti-genden Rückgang von inhaltlicher und ästhetischer Vielfalt zur Fol-ge. Soziale Kritik, aber auch die Wertigkeit von Bildung und Erzie-hung geraten geradezu aus dem Blickfeld und werden fallweisesogar verurteilt. Das Oberflächenbekenntnis zu kulturellen Unter-schieden wird andauernd ausgehöhlt durch die Praxis der Missach-tung und der respektlosen Ausblendung von kultureller Andersheit,sobald diese nicht länger in unser politisches oder freizeitgeleitetesSchema passt.Es lassen sich auch Beispiele gelungener interkultureller Medien-Verständigung aufführen.Trotzdem bleibt die Diagnose richtig, dasssolche Beispiele in einem nahezu grotesken Missverhältnis zu derimmer geringeren kulturellen Vielfalt in den neuen Medienwelten

1. Die Verunglimpfung der KritikSeit dem Aufkommen der neuen Medien, der Signatur des „digita-len Kapitalismus”, reißen die Diskussionen nicht ab, ob diese Me-dien einen Forschritt für die Menschen bedeuten oder eine Banali-sierung des Lebens hervorgerufen haben. Allerdings wird sich dieseFrage, solchermaßen pauschal gestellt, kaum beantworten lassen.Es müssen nämlich die plitischen, ökonomischen, ästhetischen undethischen Aspkte unterschieden werden. Was für die Ökonomie einGewinn bedeutet, braucht noch längst nicht ethisch angemessen zusein. Was ästhetisch wirkungsvoll und neu zu sein scheint, kann aufder Bühne demokratischer Entscheidungsfindung Bedenkliches aus-lösen. Zunächst sei aber ein kurzer Rückblick erlaubt, der das Klimasolcher Diskussionen auf den Begriff bringen möchte. Das Stichwortlautet hier: Die Verunglimpfung der Kritik.Wenn man auf die Diskussionen der jüngsten Vergangenheitzurückschaut, in denen die neuen Medien auf dem kulturellen undethischen Prüfstand standen, fällt sofort die Aggression auf, mit derdie Kritik an diesen Medien offenbar in die Schranken gewiesenwerden sollte. Nun mag eine harsche Medienkritik, zumal dort, wosie in eine Medienschelte ausartet, eine ebenso harsche Reaktionhervorrufen. Aber im Unterschied zu zahlreichen anderen „ethi-schen” Diskussionsfeldern, wo Meinungsverschiedenheiten zwargelegentlich, aber nicht grundsätzlich den Charakter von kulturellenVerwerfungen annehmen, lässt sich auf dem Gebiet der Medienein ganz anderer Ton vernehmen. Medienkritiker werden als „Zivi-lisationspessimisten”, als Handlanger einer „Kontramoderne”, alsBetreiber einer „Verstaatlichung”, als Schürer von „Zivilisations-angst”, als „Datendichter”oder als Träger von „Zivilisationsangst”ge-brandmarkt.Wer auf die Realitätsverzerrung oder auf den Realitätsverlust auf-merksam zu machen versucht, die sich in den Medien vollziehen,wird beschuldigt, noch nicht verstanden zu haben, dass der Über-gang vom „Sein” zum Triumph des „Scheins” endgültig und be-grüßenswert sei. Eine Gesellschaft, in der ein unablässiges Medien-rauschen die Gemüter besänftigt, und die digitalen Medien die Kon-frontation mit den harten Fakten überflüssig machen, wird alsAlternative zu jenen vergangenen Organisationsformen gepriesen,deren Konflikte offenbar zu realem Widerstand Anlass gaben.Wer die Unterscheidung zwischen Unterhaltung und Bildung auf-rechterhalten möchte, erntet nicht selten – auf nahezu allen Ka-nälen – ein Gelächter. Wer die physischen und psychischen Folgenunablässigen Medienkonsums, die mittlerweile von Medizinern und

Eckpunkte für eine neue und radikale Medienethikin interkultureller AbsichtJean-Pierre Wils

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stehen. Angesichts der brutalen und kalkulierten Banalisierungs-offensive, des „Bohlen-Effekts”, den man überall sehen kann, mussman feststellen, dass kulturelle Aspekte begonnen haben unter-zugehen. Die Gewalt des Tabubruchs ist allgegenwärtig. Schonungs-los werden Rücksichten auf kulturell motivierte Normen und Wert-gefüge niedergemacht. Trotz der Explosion des Informationsange-botes sind die Klischees über andere Kulturen keineswegs in erheb-lichem Maße verringert worden. Stattdessen sind die Unhöflichkeit,die gezielte Respektverweigerung und die Verhöhnung von gesell-schaftlich an den Rand gedrängten Personen auf dem Vormarsch,zumal dort, wo kulturelle Unterschiede diesen „neuen” Tugendenzusätzliche Legitimation zu geben vermögen. Sowohl in intra-kultu-reller Hinsicht, also innerhalb unserer eigenen Kultur, als auch in in-ter-kultureller Perspektive, also zwischen den Kulturen, zwingen dieMedien, sich den monotonen ästhetischen und thematischen Stan-dards anzugleichen.

3. Elemente einer Ethik des WiderstandsAngesichts des Niedergangs der „New economy” scheint auchnach der Medien-Besoffenheit der letzten zwei Jahrzehnte eineBesinnung auf das menschliche Maß erforderlich. Wer ein solchesInnehalten für unmöglich erklärt oder das Nachdenken über dieEthik als antiquiert betrachtet, sollte die Augen für die zahlreichenund verschiedenen Leiden öffnen, die durch die Gleichheit der Me-dien sowohl verursacht als auch ausgeblendet werden. Diese Lei-den fangen bei der physischen und mentalen Verkrüppelung unse-rer Kinder an und enden (nicht einmal) bei den gewaltigen Selek-tionsmechanismen, welche zum „Verschwinden” der Verelendungganzer Völker führen.Wer dies bestreitet, ist bereits verstrickt in denErsatzwelten, in den Halb- oder Teilrealitäten, worin zahllose Men-schen sich behaglich eingerichtet haben.Wer von einer Widerstands-ethik im Zusammenhang mit den neuen Medien spricht, macht sichkeiner Vereinfachung der „wirklichen” Verhältnisse schuldig, son-dern zeigt schlichtweg einen Realitätssinn, dessen Anforderungenanderenorts verneint werden.Die erste Maxime dieser Ethik lautet dann auch: Medienethik ist Me-dienkritik. Sie leistet Widerstand gegen die Realitätsverweigerungund gegen die strukturelle und institutionelle Bevormundung als Fol-ge der Medienkonzentration. Diese Kritik ist nicht naiv, sondern sieist sich der Unerlässlichkeit und der Unhintergehbarkeit der medialenVermittlung bewusst. Medienprotest ist Medienprotest. Sie nimmtaber den Zustand der Medien nicht für bare Münze und betrachtet

diesen weder als Schicksal noch als Durchbruch zu einer Welt ohneGrenzen und ohne notwendige Bemühungen um Begrenzungen.Die zweite Maxime lautet: Medienethik ist advokatorische Verteidi-gung der Humanität. Angesichts der schrillen Stimmen, die die neu-en Medien als Foren einer sich ankündigenden Post-Humanität be-jubeln, gilt es, jenseits einer schlichten Rechtfertigung vergangenerMenschenbilder, den Faktor „Menschlichkeit” als ein Sinngebilde zuverteidigen, worin Menschen auf der Suche nach einer ihnen an-gemessenen und zuträglichen Lebensweise sind. Gerade weil dieMedien die Alltagswirklichkeit in zunehmendem Maße bestimmenund besetzen, muss ihre humanitätsfördernde und -zerstörendeKraft mit großer Aufmerksamkeit betrachtet werden.Die dritte und (vorläufig) letzte Maxime heißt: Medienethik ist inter-kulturelle Medienkommunikation. Sie ist Kommunikation über undanhand von Medien in der Perspektive von interkulturellen Bezie-hungen und deren Konflikte. Globalisierung bedeutet nämlich auch,dass die Dominanzen und Unterordnungsverhältnisse, die in Me-dien verfestigt, aber auch genannt und kritisiert werden können, dieGrenzen einiger Kulturen sprengen. Nicht nur die pessimistischenKlischees sind hier zu vermeiden, sondern auch – was mittlerweileimmer sichtbarer wird – die schlichten Vorstellungen einer Welt,die sich zum „globalen Dorf” entwickelt, worin Barrieren medien-praktisch aufgehoben seien und unbegrenzte Kommunikation „vongleich zu gleich” alltäglich geworden sei.

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Botschaft zum 37. Welttag dersozialen Kommunikationsmittel am 1. Juni 2003Papst Johannes Paul II

Aus Anlass des 37. Welttags der sozialen Kommunikationsmittelmeldete sich der Vatikan mit einer Botschaft von Papst JohannesPaul II. zu Wort. Ausgangspunkt dieser Botschaft war die EnzyklikaPacem in terris von Papst Johannes XXIII, die dieser auch angesichtseiner zunehmenden Macht der Massenmedien veröffentlicht hatte.Papst Johannes XXIII dachte besonders an die Medien, als er „vor-nehme Sachlichkeit“ forderte beim Einsatz der von Wissenschaft undTechnik vorangetriebenen „Publikationsmittel zur Förderung undVerbreitung des gegenseitigen Einvernehmens zwischen den Völ-kern“. Er verwarf „Formen der Nachrichtengebung, durch die unterMissachtung der Gebote der Wahrheit und Gerechtigkeit der Rufeines anderen Volkes verletzt wird“.Zum Thema Medien und Freiheit ließ Papst Johannes Paul II.am 1. Juni 2003 verlauten:„Freiheit ist sowohl eine Voraussetzung für den wahren Frieden wieeine seiner kostbarsten Früchte. Die Medien dienen der Freiheit, wennsie der Wahrheit dienen: Sie blockieren die Freiheit in dem Grad,in dem sie durch die Verbreitung von Unwahrheiten oder durch dieErzeugung eines Klimas fragwürdiger emotionaler Reaktionen auf dieEreignisse von dem abweichen, was wahr ist. Nur dann, wenn dieMenschen freien Zugang zu einer wahrheitsgetreuen und ausreichen-den Information haben, können sie für das Gemeinwohl eintretenund die Verantwortung der öffentlichen Stellen anmahnen.Wenn die Medien der Freiheit dienen sollen, müssen sie selbst freisein und jene Freiheit richtig gebrauchen. Ihre privilegierte Stellungverpflichtet die Medien, sich über rein kommerzielle Anliegen zu er-heben und den wahren Bedürfnissen und Interessen der Gesellschaftzu dienen.Auch wenn eine gewisse öffentliche Regelung für die Me-dien im Interesse des Gemeinwohls angebracht ist, so gilt das nichtfür eine Kontrolle durch Regierungsstellen. Reporter und insbeson-dere Kommentatoren haben die schwerwiegende Pflicht, den Forde-rungen ihres moralischen Gewissens zu folgen und dem Druck zu wi-derstehen, durch ‚Anpassung’ der Wahrheit die Forderungen derMacht des Geldes oder der Politik zu befriedigen.Es müssen praktisch nicht nur Wege gefunden werden, um denschwächeren Kreisen der Gesellschaft Zugang zu der Informationzu verschaffen, die sie für ihre individuelle und soziale Entwicklungbenötigen, sondern auch um sicherzustellen, dass ihnen nicht einewirksame und verantwortungsvolle Rolle bei der Entscheidung überMedieninhalte und bei der Festlegung der Strukturen und Politik dersozialen Kommunikationsmittel vorenthalten wird.”Zu den Begriffen Medien und Liebe fand Papst JohannesPaul II. sowohl fordernde als auch besänftigende Worte:„So herausfordernd das alles klingen mag, verlangt es doch keines-wegs zu viel von den für die Medien Tätigen. Denn sowohl aufgrundihrer Berufung wie ihres Berufes sind sie dazu angehalten, als Ver-fechter der Wahrheit, der Gerechtigkeit, der Freiheit und der Liebeaufzutreten, indem sie durch ihre wichtige Arbeit zu einem sozialenOrdnungsgefüge beitragen, das in der Wahrheit gegründet, nach denRichtlinien der Gerechtigkeit erbaut, von lebendiger Liebe erfüllt istund sich schließlich in der Freiheit verwirklicht’ (Pacem in terris,Nr. 167). Deshalb bete ich am diesjährigen Welttag der Sozialen Kom-munikationsmittel dafür, dass die im Medienbereich tätigen Männerund Frauen der Herausforderung ihres Berufes immer vollkommenergerecht werden mögen: dem Dienst am universalen Gemeinwohl.Ihre persönliche Erfüllung und der Friede und das Glück der Welthängen weitgehend davon ab. Gott segne sie mit Erleuchtung undMut!“

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Ende Januar dieses Jahres finden in Porto Alegrezwei wichtige Foren statt. Zum dritten Mal emp-fängt die Hauptstadt des südbrasilianischen Bun-desstaats Rio Grande do Sul das Weltsozialforum(23.-28.Januar). Erwartet werden rund 30.000Vertreter von fast 5.000 Organisationen aus 121

Ländern. Auf der Tagesordnung stehen Dutzende von Vorträgen,Panels, Augenzeugenberichten und Podiumsdiskussionen sowieknapp 1.500 Workshops und Arbeitsgruppen.Le Monde diplomatique wird mit Vertretern der französischen undmehrerer ausländischer Redaktionen vor Ort sein. In Zusammenar-beit mit der alternativen Nachrichtenagentur IPS (InternationalPress Service) haben die französische und die brasilianische Redak-tion von Le Monde diplomatique eine Webseite eingerichtet zu The-men, die auf dem Weltsozialforum 2003 diskutiert werden sollen(www.portoalegre2003.net). Darüber hinaus beteiligt sich Le Mon-de diplomatique am 27. Januar an der Gründung der internatio-nalen Medienbeobachtungsstelle Media Watch Global, die aufeinen Vorschlag des Weltsozialforums 2002 zurückgeht. Da mit demInformationsüberfluss der Internet-Ära das Manipulationspotenzialin exponentieller Weise steigt, will Media Watch Global einen Bei-trag leisten zur Ausarbeitung einer „Informationsökologie“.

Media Watch GlobalGründungsaufruf

Streik von Zeitungsmitarbeitern in Seoul in Südkorea

In der Vergangenheit fungierte die Presse in den demokratischenLändern als „vierte Gewalt“ und verstand sich als Korrektiv gegenMachtmissbrauch in Legislative, Exekutive und Judikative. Heute da-gegen treten die großen Medien unserer Meinungs- und Informa-tionsgesellschaften ihrerseits als Machtzentren auf, die wirtschaft-liche Macht mit ideologischer Hegemonie vereinen. Unerlässlichscheint daher die Erfindung einer „fünften Gewalt“, die in der Lageist, die Öffentlichkeit gegen Machtmissbrauch der Medien zu schüt-zen, verlässliche Informationen als öffentliches Gut zu verteidigenund das Recht der Bürger auf Wissen zu unterstützen.Media Watch Global versteht sich in erster Linie als Unterstützerfür den Aufbau einer solchen „fünften Gewalt“. Sie wird ethischeRügen aussprechen und Berichte über Verstöße gegen den journa-listischen Ehrenkodex veröffentlichen. Wahrheitsgetreue Informa-tionen können jedoch nicht allein durch Organisationen garantiertwerden, in denen ausschließlich Journalisten sitzen. Deshalb legendie Statuten der Beobachtungsstellen fest, dass jeder interessierteBürger als aktives Mitglied beitreten kann.

Quelle: Le Monde diplomatique (deutsche Ausgabe), 17. Januar 2003

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Subcomandante Marcos und das InternetKarl-Ludolf Hübener

„Ya Basta!“ war wohl nicht nur politisch gemeint, als sich am 1. Ja-nuar 1994 die Zapatisten gegen die mexikanische Zentralgewalterhoben. Es galt wohl auch für die traditionelle Medienpolitiklateinamerikanischer Guerilleros, die mit Flugblättern, Interviewsund Kommuniqués ihre Informationen und Meinungen in denMedien zu platzieren hofften. Subcomandante Marcos und dieZapatisten setzten im Kampf um Köpfe auf moderne elektronischeMedien.Das „Zapatistische Nationale Befreiungsheer“ (EZLN) unterschiedsich auch in seinen Forderungen von anderen Guerilla-Bewegungenauf dem Subkontinent: Keine Machtübernahme als endgültiges Ziel,sondern die Verfassung Mexikos endlich in die Tat umzusetzen:„Die nationale Souveränität liegt vor allem und ursprünglich in denHänden des Volkes“. Das hieß praktizierte Gerechtigkeit und Gleich-heit, mehr Demokratie – auch in der Medienlandschaft –, mehrRechte, mehr Land und eine Agrarreform nicht nur für die india-nischen Bauern im südmexikanischen Chiapas.Aber die alten Methoden der über siebzig Jahre herrschenden PRIund der konservativen Nachfolgeregierung Vicente Fox’, Forderun-gen und Konflikt totzuschweigen oder zu manipulieren und vom aus-ländischen Echo zu isolieren, verfingen nicht mehr. Mit dem Internetdurchbrachen die Zapatisten die bewaffnete Umzingelung und dieNachrichtensperre in nationalen wie internationalen Medien. In Se-kundenschnelle werden die Informationen des EZLN und des Sub-comandante Marcos in jeden Winkel der Erde verschickt: Ob dasMassaker an Tzotzil-Indianern in Acetal 1997 oder die „Zapatour“2001, der Marsch der Zapatisten in die Hauptstadt. Wer sich überBewegung und ihre Ziele informieren möchte, kann sich in die Web-site der Zapatisten einloggen, wer die poetische, von den Nachkom-men der Maya inspirierten Sprache Marcos’ oder Reden der indiani-schen Zapatista-Comandantes im Original hören möchte, kann sichden Ton herunterladen. Täglich besuchen rund 200 Cybernauten dieWebsite; insgesamt sind es bereits weit über vier Millionen. – Main-stream-Medien können nicht mehr umhin, den Zapatisten mehrPlatz einzuräumen.Der Zapatismus hat seit seinen Anfängen neue Technologien undMedien für seinen revolutionären Kampf eingespannt. Geholfen ha-ben ihnen dabei Professoren der Universität von New York, die das„Massenmedienprojekt für Chiapas“ entwickelt haben. Die auf-ständischen Indianer in Chiapas haben so gelernt, Information alsWaffe in ihrem Kampf für Menschenrechte und Agrarreform zu ver-wenden. Mit geschenkten Videokameras und Computern ausge-rüstet, trainiert im journalistischen ABC filmen Indianer den „Kriegmit schwacher Intensität“, den das mexikanische Heer in der „Sel-va Lacadona“ gegen sie führt. Im Internet ist anschließend zu sehenund zu hören, wie Kampfflugzeuge im Tiefflug indianische Dörferterrorisieren oder Maisernten vernichten.PS: Ungerechtigkeit und Misere in Chiapas können über Internetbekannt gemacht, allerdings nicht im Cyberspace gelöst werden.

Graffiti mit einem Bild von Subcommandante Marcosim mexikanischen Dorf Tepoztlán

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Alternative (Radio-)Kommunikation in LateinamerikaKarl-Ludolf Hübener

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Die Briefe konnten zu-nächst nicht ausgeliefertwerden, denn in der Ar-mensiedlung in der Pro-vinz Buenos Aires gab esweder Straßen noch Haus-

nummern. Für die Post ein Labyrinth mit30.000 Einwohnern, die aus noch ärmerenGegenden in Nordargentinien, aus Bolivienund Peru in die Nähe der argentinischenHauptstadt geflüchtet waren und sehnlichstauf Post von ihren Familien warteten. In ei-nem Laden wurde schließlich die Briefaus-gabe organisiert. Einmal in der Woche. Aberwie den Leuten Bescheid geben, wenn einBrief angekommen war? Da montierten ei-nige Einwohner zwei Lautsprecher auf einenMast und verbanden sie mit einem Mikro-fon. Der Ladenbesitzer bot schließlich an, einNetz von Masten und Lautsprechern zuknüpfen, wenn er für seinen Laden werbendürfe. Man könne doch noch mehr über die-ses Netz verbreiten, meinten andere Ein-wohner: Bald klang andine Musik aus derHeimat über die Lautsprecher, wurden Kin-derprogramme gesendet und Fußballspielezwischen Mannschaften der Siedlung über-tragen. Das Lautsprecher-Radio, „Villa 21“,genannt, erreichte bald alle Einwohner.Ein ähnliches System bauten Indianer in Pe-ru in einem von der Außenwelt isoliertenDorf auf 5.000 Meter Höhe auf. So erfuhrendie Dörfler, was in der Welt, in Peru und inder Nachbarschaft geschah. Daraus ent-wickelte sich schließlich das höchst gelege-ne Radio der Welt.In Lateinamerika gibt es schätzungsweiseüber 30.000 Radiostationen, mehr als inallen anderen Regionen der Welt, was aberkeineswegs auf größere demokratische Kom-munikation und informativen Pluralismushindeutet. 95 Prozent sind gewinnorientier-te Unternehmen oder in den Händen vonPolitikern, die so Geld verdienen und gleich-zeitig ihren Einfluss auf die Bevölkerung zusichern versuchen. Die restlichen Prozenteteilen sich Sender, die im Gegensatz zu denkommerziellen Sendern auf Gewinne ver-zichten und Einnahmen aus Werbung in dasProjekt stecken. Sie werden mal als illegal,frei, aufständisch oder kommunitär bezeich-net.Was Alternativmedien angeht gilt Lateiname-rika als Avantgarde. In den letzten drei Jahr-zehnten sind in dieser Region einzigartige Er-fahrungen gesammelt worden – von gehei-mer Presse unter den Militärdiktaturen, be-weglichen Sendern der Guerilla, über univer-sitären Rundfunk bis hin zur Internet-Kom-munikation der Zapatisten in Südmexiko.Alternative Kommunikation ist eine Antwortauf Massenmedien, die das Recht großer

Teile der Bevölkerung auf Informierenund Informiertsein beschneiden. Beispiels-weise werden unbequeme Nichtregierungs-,Frauen-, Schwarzen-, Indianerorganisatio-nen und Bewohner von Armenvierteln im-mer wieder ausgegrenzt. Sie kämpfen füreine Demokratisierung der Kommunikation,die zusehends in immer weniger, aus-schließlich gewinnorientierten Händen liegt.Es sind immer wieder alternative Zeitungenund Zeitschriften veröffentlicht worden.Aber ihr Aktionsradius blieb stets be-schränkt – nicht nur, wenn sie sich an Men-schen wenden, die kaum oder gar nicht le-sen können. Dem einseitigen Informations-fluss der großen Nachrichtenagenturen ha-ben sich auch alternative Agenturen ent-gegengestemmt – mit begrenztem Erfolg,denn zu den Abnehmern zählten nur seltengroße zahlungskräftige Medienunterneh-men. Zwar gibt es inzwischen mehrere kom-munitäre TV-Stationen, aber einer nochgrößeren Verbreitung alternativer Bildersind natürliche Grenzen gesetzt. Sie sindaufwändig und teuer in Ausstattung undUnterhalt. Das Radio ist von den drei klassi-schen Medien – Zeitung, Rundfunk undFernsehen – am besten für die alternativeKommunikation geeignet. Es ist einfach zuhandhaben, relativ billig in der Ausstattungund erreicht auch Menschen, die nicht lesenund schreiben können. Die Anfänge reichenüber ein halbes Jahrhundert zurück:Eine Gruppe von Lehrern begann 1947 inden bolivianischen Anden die Minenarbeitermit alternativen Nachrichten zu versorgen.„Radio Sucre“ fand schnell Nachfolger.1956 waren es bereits 19 Rundfunksender,einige Jahre später gar 30. Sie machten ge-gen Putschversuche verbal mobil, verbreite-ten die Forderungen der ausgebeuteten Mi-nenarbeiter. Staat und Militär antwortetenmit Schließung der Sender, Beschlagnahmeoder Zerstörung der Geräte, Gefängnis undgar Mord. Aber erst als die Zinnminen Mitteder 80er Jahre zusammenbrachen und dieentlassenen Minenarbeiter in die Coca-Fel-der des Chapare abwanderten, schaltetenviele Mikrofone ab.„Da passierte etwas in unseren Versamm-lungen und unserer Gewerkschaft unddie Radio- und Fernsehsender beschriebenetwas ganz anderes“, beklagte sich 1987der Kongress der Metallarbeiter in der bra-silianischen Industriemetropole Sao Pauloüber die „Manipulation der Information“.Die Metaller bemühten sich um ein eigenesSprachrohr. Doch der Kommunikationsmi-nister verweigerte die Lizenz für einen Ge-werkschaftssender. Wenig später vergabderselbe Minister weit über tausend Fern-seh- und Radiolizenzen an Abgeordnete,

Senatoren und politische Freunde – auf Ge-heiß des Präsidenten, der sich so die Ver-längerung seines Mandats um ein Jahr er-kaufte.Wenig Schwierigkeiten mit Lizenzen hattedie Katholische Kirche. In den 60er Jahrenschwappten christliche Wellen über ganz La-teinamerika. Fast 500 Stationen in 15 Län-dern wandten sich an Kleinbauern und Indi-aner und später in den 70er Jahren auch andie Bevölkerung in den Vororten und Slumsder großen Städte. Ab 1962 setzten sichchristliche Basisgruppen in Ecuador für einegrößere Unabhängigkeit der Sender ein.Nach einer Alphabetisierungsphase über Ra-diale Volksschulen begannen Kleinbauernund Indianer eigene Programme zu gestalten.Die Ureinwohner waren lange Zeit nur Rand-notiz in den Mainstream-Medien. Es gab im-mer wieder Versuche des Staates, die India-ner einzubinden – so auch mit der „Stimmeder Berge“ im mexikanischen BundesstaatGuerrero, finanziert vom „Nationalen India-ner-Institut“. Die Stimme erreicht drei Millio-nen Menschen und überträgt in 28 autoch-thonen Sprachen. Die Programme werdenvon indianischen Redakteuren und Korres-pondenten gestaltet, doch das Institut hatdie wichtigsten Posten besetzt. Und die na-tionalen und internationalen Nachrichten lie-fert die staatliche Nachrichtenagentur Noti-mex. – Inzwischen haben sich aber die India-ner in den meisten Ländern Lateinamerikasalternativ Gehör verschafft. Ob über die boli-vianischen „Wellen des Titicaca“ oder Statio-nen der chilenischen Mapuche, die in Mapu-dungun und Spanisch über Landprobleme,Heilkunde, Erziehung und eigene Werteweltinformieren und diskutieren. Die Rundfunk-kette „Huanache“ erreicht 4.000 Menschen,die auf einer kargen, öden Hochebene imNordosten Argentiniens verstreut leben. Als1997 die erste Sendung über den Äther ging,waren die Hörer erstaunt darüber, dass sie„ihre eigene Stimme hören konnten.“Ausgegrenzt von der Kommunikation wur-den auch lange Zeit die Frauen. „Man kannFrauen, die eine Zeitung, einen Fernsehkanaloder eine Rundfunkstation leiten, an denFingern abzählen“ stellte das „FeministischeRundfunkkollektiv“ in Peru fest. Es bliebnicht beim Klagen: In Costa Rica haben femi-nistische Gruppen den Sender „FIRE“ auf-gebaut. „FIRE“ kann in sechzig Ländern derWelt gehört werden und ist inzwischen auchim Internet präsent. Der Sender produzierteigene Programme, sendet Kassetten von25 bis 50 Minuten Dauer, die von Frauen ausaller Welt geschickt werden. – Nach demEnde der Militärdiktatur Pinochets wurde1989 in Santiago de Chile der erste Frauen-sender gegründet: „Radio Tierra“. „Radio

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Öffentliche Überwachungskameras

Eduardo GaleanoDie südliche Welt zwischen Gesichts-crèmes und Färbemitteln

Wenig wird über die südliche Welt be-richtet und niemals oder beinahe nie, ausihrem Blickwinkel. Die Masseninfor-mation gibt im Allgemeinen die Vorur-teile des fremden Blicks wieder, der vonoben herab und von draußen hereinsieht. Zwischen Werbespot und Werbe-spot blendet das Fernsehen Bilder vonHunger und Krieg ein. Diese Grässlich-keiten, diese fatalen Schicksalsschläge,kommen aus jener Welt dort unten, wodie Hölle stattfindet und tun nichts wei-ter, als den paradiesischen Zustand derKonsumgesellschaft zu zeigen, die Au-tos bietet, die die Entfernungen verrin-gern, Gesichtscrèmes, die die Falten ver-ringern, Färbemittel, die die grauen Haa-re verringern, Pillen, die die Schmerzenverringern und viele andere Wunder-mittel mehr.

Tierra“ ist Eigentum von 20 Journalistinnen,deren Arbeit von so genannten Volksrepor-terinnen unterstützt wird. Sie stellen Fragenzur Sexualität, Ehescheidung, die nach wievor in Chile nicht erlaubt ist, zur Abtreibungund Gleichstellung am Arbeitsplatz, zu Pro-blemen der Kinder und Alten. Beileibe keinProgramm nur für Frauen der Mittelklasse,sondern auch für Frauen aus den Armenvier-teln, den „poblaciones“.In den „poblaciones“ Santiago de Chileswaren nach der Diktatur zahlreiche „radiopopulares“ aus dem Boden geschossen.Aber chronischer Geldmangel machte ihnenvon Anfang an zu schaffen. In anderendurchaus demokratischen Ländern machtdie Polizei den alternativen Sendern zuschaffen. In Uruguay stürmte die Polizeimehrfach kleine Radiostationen und be-schlagnahmte alle Geräte.Andere Regierungen gehen geschickter vorund bauen gesetzliche Hürden auf, um deralternativen Kommunikation das Sendenschwer zu machen. Da werden die Reichwei-ten begrenzt. Netzwerke sind verboten, aller-dings nicht für die Kommerziellen. In Kolum-bien darf nur ein kommunitärer Sender proGemeinde zugelassen werden. In Bogotá mitseinen sieben Millionen Einwohnern dürftedemzufolge nur ein Sender zugelassen wer-den, aber 70 kommerzielle Stationen, denndiese dürfen pro 100.000 Einwohner einStudio einrichten. In Paraguay kommt nurzum Zuge, wer das Geld für eine Lizenz hat,denn dort werden die Lizenzen versteigert.Die „radio populares“ hofften im demokra-tisierten Chile auf mehr Verständnis. Zu-nächst war die Frequenzvergabe für Radiosmit geringer Reichweite noch mit derErlaubnis von Werbeeinnahmen geplant.Doch einflussreiche Medienbetriebe betrie-ben Lobby-Arbeit gegen die unliebsameKonkurrenz. Als das chilenische Parlamentim Oktober 1993 das „Allgemeine Gesetzder Telekommunikation“ verabschiedete,war die Enttäuschung groß. Radios mit ge-ringer Reichweite, also einer Sendeleistungvon höchstens einem Watt, dürfen keineWerbegelder einnehmen und nicht überdie Grenzen der Kommune hinweg senden.Es war ein Sieg der etablierten Medien.ANARAP, der Dachverband der „radio po-pulares“: „Dieselben wirtschaftlich und poli-tisch einflussreichen Gruppen, die unter derMilitärdiktatur den Medienmarkt unter sichaufteilten, ersticken damit jeden Versuch ei-ner Demokratisierung der Kommunikation.“Noch nie ist einem kommerziellen Senderdie Lizenz entzogen worden, weil er wäh-rend Diktatur und Gewaltherrschaft Sprach-rohr der Staatsterroristen war. Ob nun inChile oder anderen Ländern.

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„E-velopment“ heißt dasneue Kunstwort, einezusammengesetzte Formder Begriffe E-Commerceund Entwicklung. Es ent-stand auf der Handels-

und Entwicklungskonferenz der VereintenNationen (UNCTAD) in Bangkok im Februar2000. „E-velopment“ soll suggerieren, dassdurch Internet und elektronischen Handel dieDritte Welt-Länder ihre Entwicklungsproble-me lösen könnten. Auch die Okinawa-Er-klärung der G7/G8-Länder vom Sommer2000 ließ Ähnliches verlauten. Die von denG8-Staaten eingesetzte Digital OpportunityTask Force, kurz DOT Force genannt, formu-liert dies in ihrem Bericht vom Mai 2001allerdings etwas vorsichtiger. Das Internetals Allheilmittel für Entwicklungsländer?Die Meinungen dazu sind kontrovers.Was aber steckt hinter den Plänen der In-dustrieländer? Vielleicht war es der sinkendeAbsatz von PCs in den Industrieländern.Weltweit wurden im dritten Quartal 2001zwischen 11,6 Prozent und 13,7 Prozentweniger PCs verkauft als im Vergleichszeit-raum im Vorjahr, in den USA sogar 21 Pro-zent weniger und in Deutschland immerhin17,2 Prozent. Oder sind es die noch nichtvöllig ausgeschöpften Möglichkeiten der Pri-vatisierung des Telekommunikationsmarkteszu Gunsten der großen Telefongesellschaf-ten aus dem Norden? So sind etwa, vor al-lem in Afrika, mit nur 28 Prozent Privatisie-rung, noch Märkte zu erobern.Privatisierung und Liberalisierung sind eineder Forderungen an die Entwicklungsländer,um in den Genuss von Fördergeldern im Be-reich von Informations- und Kommunika-tionstechnologien zu kommen. Dies führt je-doch zu einem massiven Arbeitsplatzabbauund zu einem Verlust von Ausgleichszahlun-

gen im Telefonverkehr an die Dritte Welt-Län-der, oft die einzige größere Deviseneinnah-mequelle dieser Staaten. Auch die schon er-wähnte Okinawa-Charta fordert von den Ent-wicklungsländern die Privatisierung und Libe-ralisierung des Telekommunikationsmarktes.Doch Ungerechtigkeit und Armut, ungleicheEinkommensverhältnisse in und unter denLändern haben fast nichts mit fehlender Tech-nik zu tun. Hauptursache sind die politischenund sozialen Bedingungen, die von den Re-gierungen und den weltweit agierenden Kon-zernen bestimmt werden. So erklärte PoulNielsen, der europäische Kommissar für Ent-wicklung und menschliche Hilfe, im Juni 2001in Bonn: „Der Einsatz von Informationstech-nologie macht aus einem schlechten Projektkein gutes Projekt. Ein gutes Projekt ist einProjekt, das einen spürbaren Beitrag zurArmutsreduzierung liefert, und nicht eins,das dazu dient, die Informationstechnologiezu befördern.“ So stellt sich denn die Frage,wie es überhaupt mit der gegenwärtigen In-frastruktur des Internet weltweit aussieht.Die Zahl der Internet-Hosts, der Rechner, dieInternetdienste anbieten, ist in den letztenJahren stark angestiegen. Anfang 2003 gabes rund 172 Mio. solcher Rechner.Von diesenbefinden sich 80,4 Prozent in den G7-Staa-ten, welche knapp 12 Prozent der Weltbevöl-kerung ausmachen. Die vier bevölkerungs-reichsten Länder der Welt China, Indien,Nigeria und Brasilien sind Heimat von nichteinmal 1,5 Prozent aller Rechner und 90 Pro-zent dieser Rechner wiederum kommen ausBrasilien. Fakt ist: Diese Staaten beherbergenaber etwa 43 Prozent der Weltbevölkerung.Der Internetzugang in Entwicklungsländernist überwiegend nur in den Hauptstädtenmöglich. Der Bevölkerungsanteil mit Zugangzum Internet ist in den Industrienationen re-lativ hoch, über 55 Prozent der Erwachsenen

Entwicklung durch Internet?Uwe Afemann und Simone Andrich

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in Deutschland, in den Entwicklungsländernaber extrem niedrig. In Lateinamerika sind esvon rund 520 Mio. Menschen, nach neues-ten Zahlen vom September 2002, nur etwa33,4 Mio. Menschen, d. h. nicht einmal sie-ben Prozent der Bevölkerung, in Afrika nurca. 1 Prozent. Für die bevölkerungsreichstenStaaten der verschiedenen Kontinente geltenfolgende neuste Zahlen zur Internetnutzung:China 4,6 Prozent, Indien 1,6 Prozent, Nige-ria 0,17 Prozent, Brasilien 8,2 Prozent.Um überhaupt Zugang zum Internet zu ha-ben, bedarf es einiger technischer Vorausset-zungen, und hier liegt mit Sicherheit eines dergrößten Probleme der Entwicklungsländer:Erstens braucht man ein Telefon, doch 80Prozent der Weltbevölkerung kennt kein Tele-fon.Als zweites braucht man einen Computermit Modem. Nach Zahlen der ITU vom Okto-ber 2003 besaßen die USA und Kanada alleinschon 35 Prozent aller Computer im Jahr2002. In Afrika sind es gerade einmal 1,26Prozent der Bevölkerung, die einen Computerbesitzen. In Asien haben 4,43 Prozent der Be-völkerung einen PC, wobei es in Indien nur0,72 Prozent sind. Drittens braucht ein Com-puter elektrischen Strom. 70 Prozent des afri-kanischen Kontinents ist ohne Strom, und woes Strom gibt, ist das Versorgungsnetz sehrunstabil. In Südasien etwa, mit mehr alseine Milliarde Menschen, hat die Hälfte allerHaushalte auf dem Lande keinen elektrischenStrom. Der Anteil der städtischen Bevölke-rung beträgt hier nicht einmal 30 Prozent.Mittlerweile gibt es einige Untersuchungenzur Auswirkung von IT auf die Wirtschaftder Entwicklungsländer. Eine solche Untersu-chung stammt z. B. von Rodriguez und Wil-son vom Mai 2000, die für die Weltbank er-stellt wurde; andere Untersuchungen kom-men von David Canning aus Belfast oderRichard Heeks aus Manchester. Die Ergebnis-

se dieser Untersuchungen sind im Folgendenkurz zusammengefasst.Die Einführung der IT stärkt vor allem diestädtischen Regionen in Entwicklungsländernund hat weniger Auswirkungen auf die länd-lichen Bereiche. Insbesondere haben Inves-titionen im IT-Bereich bis jetzt nur in denOECD-Ländern zu einem wirtschaftlichenWachstum geführt bei gleichzeitigem Anstei-gen der Ungleichheiten innerhalb der Länder.Solche Investitionen in Entwicklungsländernhatten keine Auswirkungen auf das wirt-schaftliche Wachstum in diesen Ländern.Viel-leicht liegt es auch daran, dass Investitionenin diesem Bereich als Gewinn in den Nordengehen, denn Soft- und Hardware werden vondort geliefert. Die treibende Kraft in der IT-Ökonomie ist die Produktion, nicht der Kon-sum. Die Investitionserlöse kommen fast aus-schließlich dem produzierenden Teil zugute.Vielleicht ist da Brasilien als Entwicklungslandbzw. Schwellenland, das mit der Produktionseiner Volkscomputer Gewinne aus dem Ver-kauf von Hardware im eigenen Land zu be-halten versucht, auf dem richtigen Weg.Richard Heeks hat in mehreren Aufsätzen dieErfolgsrate von Initiativen zur Informations-und Kommunikationstechnologie in Entwick-lungsländern untersucht. So stellte er schonim Jahr 2000 fest, dass mindestens 80 Pro-zent dieser Projekte in irgendeiner Weisefehlschlugen und so zu einer massiven Ver-schwendung von Investitionsgeldern führ-ten. In einer neueren Untersuchung vomJanuar 2002 stellte Heeks genauer aufge-schlüsselte Zahlen für die Industrienationenvor und nimmt dies als Anhaltspunkt für denErfolg bzw. Misserfolg in Entwicklungslän-dern. Heeks sieht keine Anzeichen dafür, dassdie Misserfolgsraten in Entwicklungsländernniedriger sein könnten. Ganz im Gegenteil,auf Grund fehlender technischer und huma-

nitärer Infrastruktur sei von höheren Miss-erfolgsraten auszugehen.Es gibt zwar keine Zahlen zum Misserfolgvon IT-Projekten in Entwicklungsländern,aber die Gründe, warum die Projekte häufigscheitern, so Heeks, liegen an zu „ehrgei-zigen und komplexen“ Zielvorgaben. „Be-scheidenere“ Projekte mit weniger Verände-rung haben größere Erfolgsaussichten. Einweiterer Grund für das Scheitern liegt darin,dass viele Projekte durch den „Norden“ be-stimmt sind. Falls eine Lösung vom Nordenin den Süden transferiert wird, so werden„nicht nur Maschinen, Hardware oder Wis-sen transferiert, sondern auch eine ganzeSammlung von Haltungen, Werten, sozialen,politischen und kulturellen Strukturen“. DieFolge: Es entsteht eine Kluft zwischen denZielen und der Wirklichkeit.Sicher wichtig hinzuzufügen ist, dass das In-ternet eine internationale Elite schafft, diesehr gut vernetzt ist. Arbeitslose werden ver-mutlich nur wenig wirtschaftlichen Nutzenaus dem Internet ziehen können. Bisher je-denfalls ist der Beweis noch nicht erbrachtworden, dass durch das Internet Wohlstandfür die breite Masse, wo auch immer, erreichtworden ist.Die begrenzten Möglichkeiten desComputereinsatzes für die Lösung der Ent-wicklungsprobleme macht ein Zitat aus demBericht „Spanning the Digital Divide“ der Or-ganisation bridges.org (http://bridges.org)von 2001 deutlich: „Die digitale Kluft ist einSpiegel der fehlenden Grundkenntnisse be-züglich Schreiben und Lesen,Armut, Gesund-heit, Wohlstand und anderer sozialer Ange-legenheiten – Computer sind zwar nützlich,aber nichts kann zuvor die digitale Kluft in ei-ner Gesellschaft überbrücken, wenn nicht dieProbleme der Grundkenntnisse im Schreibenund Lesen, Armut und Gesundheitsversor-gung entsprechend angegangen werden.

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Nord-Süd-Medien und die Gefährdung der Demokratie:Das Medium ist nicht die BotschaftUrs A. Jäggi

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Das Ziel ist ebenso ambitiös wie hehr: Bis 2005sollen sämtliche Universitäten und bis 2010 alleDörfer der Welt im Internet vernetzt sein. Geregeltwerden soll dieses Vorhaben an den beiden UNO-Weltkonferenzen zur Informationsgesellschaft inGenf (10.-12. Dezember 2003) und Tunis (16.-18.

November 2005). Wird damit der digitale Graben überwunden?Im Vorfeld von Genf, bei den so genannten Prepcoms, wurde die Fra-ge, was denn die Informationsgesellschaft überhaupt ist, nach kurzerDebatte schlicht ausgeblendet. So zumindest im Plenum, das sich imWesentlichen allein auf den Grundsatz zu einigen vermochte, dassauf dem Globus jede Frau und jeder Mann, überall und zu jeder Zeiterreichbar sein soll. Der Aufbau einer Infrastruktur für neue Informa-tions- und Kommunikationstechnologien (IKTs) und eine möglichstliberalisierte Marktwirtschaft sollen es richten. Verwundern tut dasniemanden. Regierungen – sowohl jene, die immer deutlicher unterdem Diktat der Wirtschaft stehen, wie auch die, denen der freie Aus-tausch von Meinungen und Gedanken als eine Form von Subversionerscheint – zeigen wenig Lust auf eine Diskussion um eine Informa-tionsgesellschaft, wie sie in Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung derMenschenrechte gefordert wird: Mit dem Recht auf freie Meinungund Meinungsäußerung und der Freiheit, ohne Rücksicht auf Staats-grenzen Informationen und Gedankengut durch Mittel jeder Art sichzu beschaffen.Dass sich dennoch etwas bewegt, ist der Zivilgesellschaft, einemKonglomerat aus Nichtregierungsorganisationen (NRO), Gewerk-schaften, Kirchen usw. zu verdanken. Sie verlangt, dass die Ge-staltung einer zukünftigen Informations- und Wissensgesellschaftnicht alleine den Regierungen unter Einbeziehung des von seineneigenen Interessen geprägten Privatsektors überlassen werden kann.Vielmehr, postulieren sie, müssten die Bedürfnisse der Menschen, diejenseits des digitalen Grabens leben, der Ausgangspunkt der Bedürf-nisse sein. Der ungenügende oder gar fehlende Zugang zu Infor-mationen und Wissen, aber auch das Faktum, sich als Gesellschaftmit andern Gesellschaften nicht austauschen zu können, sind ein Teilihrer Armut. Um dagegen anzutreten, müsse neben den Regierungenund der Wirtschaft auch die Zivilgesellschaft in die Diskussion um dieZukunft der Informationsgesellschaft miteinbezogen werden.Die Organisationen der Zivilgesellschaft und unter ihnen insbeson-dere die entwicklungspolitisch engagierten NROs fordern vom UNO-Informationsgipfel die Entwicklung einer Informationsgesellschaft,die nicht einzig ökonomische und technische Kriterien berücksich-

tigt, sondern Inhalte in den Mittelpunkt stellt. Sie verlangen deshalbfür die beiden Weltkonferenzen eine Tagesordnung, die nicht alleintechnische und ökonomische Aspekte zur Diskussion stellt, sondernauch ethische und soziale Aspekte aufgreift. Die Anliegen der Zivil-gesellschaft lassen sich etwa folgendermaßen zusammenfassen:

– Der Zugang zu den Informationsmedien muss sowohl auf derEmpfänger- wie auch auf der Produzentenseite, besonders auch inEntwicklungsländern und benachteiligten Randregionen, ermög-licht werden.– Der Zugang zu den Kommunikationsmedien beinhaltet auchden Zugang zu Medieninhalten. Dabei muss die Wahrung der kul-turellen Identität, ein ausreichender Public Service auch in Entwick-lungsländern und die Förderung von Gemeinschaftsmedien sicher-gestellt werden. Anzustreben ist zudem eine Verminderung derMachtkonzentration in weltweit tätigen, aber auch in nationalenund regionalen Medienkonzernen durch Diversifikation.– Die Partizipation jedes Individuums – vor allem auch derFrauen – und der Gemeinschaft am öffentlichen Leben mussgewährleistet sein. Dabei ist die Rolle der so genannten CommunityMedia wie Gemeinschaftsradios, lokale TV-Stationen, Videos undPrintmedien zu berücksichtigen– Der Austausch von Inhalten, die menschliche Intervention, dieBildung und die soziale Entwicklung müssen im Vordergrund stehen.– Faire Patent- und Urheberrechte sollen den freien Zugang zuInformationen und Wissen sichern.– Die Teilnahme von Entwicklungsländern an internationalen Re-gulierungsentscheiden, wie sie im Bereich der Telekommunikation et-wa in der Welthandelsorganisation (WTO) oder der InternationalenFernmeldeunion (ITU) getroffen werden, muss gewährleistet sein.

Die NROs und weitere Organisationen der Zivilgesellschaft sind nichtzuletzt durch ihre Vernetzung zu einer unüberhörbaren Stimmegeworden, auch wenn das einige Regierungen nach wie vor nichteinsehen wollen. Die Nichtberücksichtigung würde klar das Schei-tern des Welt-Informationsgipfels bedeuten.

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Eduardo GaleanoInternet, Kommunikation und Handel

In jüngster Zeit hat die Internet-Galaxisunerwartete, wertvolle alternative Aus-drucksmöglichkeiten geschaffen. Durchdas Internet strahlen zahlreiche Stim-men ihre Botschaften aus, die kein Echoder Macht sind. Doch ist die Zufahrt zudieser neuen Informationsautobahn im-mer noch das Vorrecht der entwickeltenLänder, wo fünfundneunzig Prozent ih-rer Benutzer wohnen; und die Waren-werbung ist fleißig dabei, das Internet inein Businessnet zu verwandeln. Das In-ternet, ein neuer Raum für die Kom-munikationsfreiheit, ist auch ein neuerRaum für die Handelsfreiheit. Auf demvirtuellen Planeten läuft man keine Ge-fahr, auf Zollschranken zu stoßen, nochauf Regierungen mit Unabhängigkeits-flausen.

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– unter Betonung, dass kulturelle Vielfalt auf der Freiheit derMeinungsäußerung, Medienpluralismus und Sprachenvielfalt undeinem ausgewogeneren Austausch zwischen Kulturen beruht; unddass sie einen ebenbürtigen Zugang zu allen Formen des kulturellenAusdrucks und den Mitteln ihrer Artikulation, Produktion und Ver-breitung, auch in digitaler Form, voraussetzt;– Politiken, die geeignete Existenzbedingungen für audiovisuelleund andere kulturelle Güter und Dienstleistungen auf nationalerund lokaler Ebene sichern sollen, zu erhalten und zu stärken;– innovative Kulturpolitiken zu entwickeln und umzusetzen, da-mit kulturelle Vielfalt in einem globalisierten Umfeld bewahrt undgefördert wird;– alle notwendigen Schritte in den laufenden GATS-Verhandlun-gen und allen künftigen Verhandlungen über Investitionen, Wett-bewerbspolitik oder öffentliche Auftragsvergabe zu unternehmen,damit Kulturpolitiken zum Schutz und zur Förderung kultureller Viel-falt als Folge internationaler Handelsregelungen weder gefährdetnoch geschwächt werden;– Kulturexperten und alle relevanten Organisationen der Zivil-gesellschaft vollständig in einen Dialog über mögliche Handelsver-pflichtungen, die die kulturelle Vielfalt betreffen, einzubeziehen;– solche Politiken zu fördern, die die am wenigsten entwickeltenLänder, die Entwicklungsländer sowie die Schwellenländer dabeiunterstützen, vor Ort nachhaltige Entwicklungsbedingungen zuschaffen, damit sich einheimische kulturelle Ausdrucksformen inallen Medien und allen Künsten entfalten können.

Deutscher Kulturrat, ARD und Heinrich Böll-Stiftungauf der Welthandelskonferenz in CancúnSimone Andrich

Über 1.600 Teilnehmer nahmen vom 10. bis 14. September 2003 ander 5. Ministerkonferenz der Welthandelskonferenz (WTO) im mexi-kanischen Cancún teil. Grundlage der Tagung bildete die im Jahr2001 nach ersten Verhandlungen aufgesetzte Erklärung von Doha,die besagt, dass Entwicklungsländer stärker in den Welthandel ein-gebunden werden sollen, um so die Chancen zur Armutsbekämp-fung zu erhöhen.Obwohl die Erwartungen der Mitglieder der Tagung an Cancún sehrhoch waren, kam es ganz anders. Aufgrund schwer wiegender Dif-ferenzen zwischen den WTO-Mitgliedsstaaten wurde die Konferenzam frühen Abend des 14. September abgebrochen. Die Industrie-und Entwicklungsländer hatten sich nicht darauf einigen können,über welche konkreten Inhalte auf den laufenden Verhandlungenbis Ende 2004 gesprochen werden sollte.Ein anderes nicht zu vernachlässigendes Thema der Ministerkonfe-renz war das der kulturellen Vielfalt.Vertreter des Deutschen Kultur-rates, der ARD, der Heinrich Böll-Stiftung (hbs) und des Internatio-nalen Netzwerks für Kulturelle Vielfalt forderten in einer Erklärungam Rande der Tagung der WTO unter anderem, dass die kulturelleVielfalt für die Menschheit genauso wichtig sei wie die Artenvielfaltfür die Natur:

Erklärung von Cancún zur kulturellen Vielfalt

Aus Anlass der 5. Ministerkonferenz der WTO im September 2003in Cancún, Mexiko, erklären die unterzeichnenden Repräsentantender Zivilgesellschaft, dass kulturelle Vielfalt einen unabdingbarenBestandteil der Menschheit darstellt, den wir jetzt und in der Zu-kunft unterstützen und fördern werden. Wir nehmen daher folgen-de Erklärung an:– In Anerkennung, dass kultureller Ausdruck ein elementaresMenschenrecht und die Grundlage für eine funktionierende Demo-kratie ist;– als Bestätigung, dass kulturelle Vielfalt ebenso notwendig fürdie Menschheit ist wie biologische Vielfalt für die Natur und dassdaher eine Politik, die kulturelle Vielfalt sichert und fördert, wesent-licher Bestandteil einer Politik der nachhaltigen Entwicklung ist;– in der Erwägung, dass kulturelle Dienstleistungen einzigartigegesellschaftliche Werte widerspiegeln und vermitteln, die weit überkommerzielle Interessen hinausgehen und dass entsprechende han-delspolitische Maßnahmen diese Werte voll berücksichtigen müs-sen;– unter Berücksichtigung, dass die Möglichkeit des Einzelnen,sich über die eigene Kultur zu bilden, zu ihr Zugang zu finden undan ihr teilzuhaben, die Grundlage für den Schutz und die Förderungkultureller Vielfalt darstellt;– in Erwägung von Fällen, in denen Handelspolitik negativeAuswirkungen auf Kulturpolitik gehabt hat und dass daher dieEvaluierung möglicher Auswirkungen von Handelspolitiken aufkulturelle Vielfalt ein wesentliches Instrument jeder Verhandlung imHandelsbereich sein muss;– unter Berufung auf und in Bestätigung der UNESCO-Erklärungzur kulturellen Vielfalt vom November 2001 sowie der Erklärung desEuroparats zur kulturellen Vielfalt vom Dezember 2000;– unter Berücksichtigung, dass die Globalisierung auf unter-schiedliche Weise neue Herausforderungen stellt, wie Kulturenbewahrt und entwickelt werden können;

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Dipl.-Math. Uwe Afemann, geboren 1947; Studium der Ma-thematik und Elektrotechnik an der Universität Bochum; seit1979 wissenschaftlicher Angestellter im Rechenzentrum derUniversität Osnabrück; seit vielen Jahren gewerkschaftlich or-ganisiertes Personalratsmitglied; 1987-1989 Professor für In-formatik an der Universidad Nacional de Ingenieria in Lima/Pe-ru; stellvertretender Sprecher der Fachgruppe „Informatik undDritte Welt“ der Gesellschaft für Informatik e. V. und freier Mit-arbeiter des Solinger KomTech-Instituts.

Simone Andrich, geboren 1976; Studentin der Kommunika-tionswissenschaft an der Universität Münster und Mitarbeiterinder Agentur macondo (www.macondo.de), ebenfalls in Münster.

Holger Artus, 47; seit 1994 Betriebsratsvorsitzender einerHamburger Tageszeitung, stellvertretender Vorsitzender derFachgruppe Verlage in ver.di und Mitarbeiter am Internet-Auf-tritt www.verdi-verlage.de.

Prof. Dr. Jörg Becker, geboren 1946; Honorar- und Gastpro-fessor für Politikwissenschaft an den Universitäten Marburgund Innsbruck/Österreich; Geschäftsführer des KomTech-Insti-tuts für Kommunikations- und Technologieforschung in Solin-gen (www.komtech.org), stellv. Bezirksvorsitzender des ver.di-Bezirks Rhein-Wupper und stellv. Vorstandsmitglied im DGB-Kreis Solingen.

Mag. Dr. Christian Flatz, freier Sozial- und Kulturwissen-schaftler in Innsbruck/Österreich; Arbeitsschwerpunkte: Me-dienanalysen, Internet in Afrika, Politische Theorie (homepa-ge.uibk.ac.at/homepage/c115/c11527).

Jan Franzen, jurist. Mitarbeiter im Büro der Anwaltskanzlei RAAlbrecht Götz von Olenhusen, Freiburg i. Br.

Eduardo Galeano, geboren 1940 in Montevideo; bedeuten-der uruguayischer Karikaturist, Journalist, Schriftsteller, Kultur-kritiker und „trauriger Fußballpoet“ (so die FAZ); 1973-1985Exil in Argentinien und Spanien; seitdem wieder in Uruguaytätig; Buchveröffentlichungen u. a.: „Die offenen Adern La-teinamerikas“, „Erinnerungen an das Feuer“, „Tage undNächte von Liebe und Krieg“, „Wandelnde Worte“, „Das Buchder Umarmungen“, „Von der Notwendigkeit, Augen am Hin-terkopf zu haben“, „Der Ball ist rund und Tore lauern überall“,„Die Füße nach oben. Zustand und Zukunft einer verkehrtenWelt“.

Albrecht Götz von Olenhusen, Rechtsanwalt, Freiburg i. Br.,Vorstandsmitglied der Landesanstalt für Kommunikation Ba-den-Württemberg; Spezialisiert auf Urheber-,Verlags-, Medien-recht, Arbeitsrecht und insbesondere Arbeitsrecht der Medien.

M.A. Christine Höbermann, geboren 1962; Soziologin,wohnt in Hannover und arbeitet beim Dritte Welt-Forum inHannover e.V. (www.3wfhannover.de) und dem KomTech-Insti-tut in Solingen.

Dr. Karl-Ludolf Hübener, geboren 1940; freier Journalist fürARD-Rundfunkanstalten mit Sitz in Montevideo/Uruguay.

Urs A. Jaeggi, geboren 1941; Redakteur und Journalist bei derEntwicklungsorganisation „Brot für alle“ in Bern. Er beschäftigtsich seit vielen Jahren mit Medienpolitik und Medienentwick-lung im Besonderen auch unter Berücksichtigung des Nord-Süd-Aspekts.

Günes Koc, geboren 1980; 1999 Matura am österreichischenSankt Georg-Kolleg in Istanbul; Studentin der Politikwissen-schaft an der Universität Innsbruck/Österreich.

U Kyi Win, Assistenzprofessor für Black Studies, Temple Uni-versity in Philadelphia, Pennsylvania/USA.

Gunther Lehrke, langjähriger Mitarbeiter der Friedrich Ebert-Stiftung (FES) für die Medienförderung in der Entwicklungs-zusammenarbeit, von 2000 bis 2003 Leiter des Büros in Isla-mabad/Pakistan; zur Zeit Leiter der Journalisten-Akademie derFES in Bonn.

Prof. Dr. Kurt Luger, Professor am Institut für Kommunika-tionswissenschaft der Universität Salzburg, Vorsitzender derGesellschaft für Kommunikation und Entwicklung (KommEnt)(http://komment.nikt.at), Salzburg, und Vorsitzender von ÖkoHimal, Gesellschaft für ökologische Zusammenarbeit Alpen-Hi-malaya (www.ecohimal.org), Salzburg/Österreich.

Emanuel Matondo D., geboren 1966 in Angola; Journalistund Autor in Dortmund;Vorstandsmitglied der entwicklungspo-litischen Medieninitiative „Dritte Welt JournalistInnen Netz e.V.– DWJN“, Mitbegründer der Friedens- und Menschenrechtsor-ganisation Angolas „I.A.A.D.H. e. V. – Angolanischen Antimili-taristischen Menschenrechtsinitiative“, Mitarbeiter der StiftungUmverteilen/Arbeitsgruppe Afrika und Mitglied beim Vorberei-tungsgremium des „Deutschen Evangelischen Kirchentages(DEKT)“.

Ignacio Ramonet, geboren 1943 in Spanien; Direktor der inParis erscheinenden Monatszeitung für internationale Politik„Le Monde diplomatique“. Er unterrichtet Kommunikations-wissenschaften an der Pariser Universität Denis-Diderot. Ramo-net ist außerdem Ehrenpräsident von attac International.

Mag. Sylvia Riedmann, geboren 1975; PR-Beraterin, Autorinund freie Kultur- und Sozialwissenschaftlerin; Lektorin am Insti-tut für Soziologie der Universität Innsbruck/Österreich.

Prof. Dr. Janet Wasko ist Lehrstuhlinhaberin des Knight Chairfür Kommunikationsforschung an der Universität von Eugene,Oregon/USA. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die politischeÖkonomie der Medien, die Filmindustrie und der Walt Disney-Konzern. Ihr letztes Buch „How Hollywood Works” erscheint inkürze beim Sage-Verlag in Thousand Oaks, Kalifornien/USA.

Mag. Raimund Weiss, geboren 1973; Politologe und freierJournalist mit dem Forschungsschwerpunkt Demokratisierungin Wien und Innsbruck/Österreich. Er verbrachte kürzlich siebenMonate für einen Forschungs- und Rechercheaufenthalt inPhnom Penh/Kambodscha.

Univ.-Prof. Dr. Jean-Pierre Wils, geboren 1957; Studium derPhilosophie und Theologie in Leuven/Belgien und Tübingen;Promotion 1987, Habilitation 1999; seit 1996 Ordinarius fürEthik unter besonderer Berücksichtigung der Kulturwissen-schaften; Direktor des Zentrums für Ethik der Universität Nijme-gen/Niederlande.

Article 19www.gn.apc.org/article19/

The Association for ProgressiveCommunication (APC)www.apc.org

Authors Rights for Allwww.authorsrights.org

Committee to Protect Journalists (CPJ)www.cpj.org

Communication Rightsin the Information Society (CRIS)www.crisinfo.org

Europäische Journalisten-Föderation (EJF)www.ifj-europe.org

Europäische Audiovisuelle Informationsstellewww.obs.coe.int

Global Journalistwww.globaljournalist.org

Heinrich Böll-Stiftung (HBS)www.worldsummit2003.de

Internationale Journalisten-Föderation (IFJ)www.ifj.org

Internationales Presse-Institut (IPI)www.freemedia.at

KomTech-Institut für Kommunikations-und Technologieforschungwww.komtech.org

Der OSZE-Beauftragte für Medienfreiheitwww.osce.org

P.E.N.-Zentrum Deutschlandwww.pen-deutschland.de

Reporter ohne Grenzen (RSF)www.reporter-ohne-grenzen.de

Weltvereinigung fürChristliche Kommunikation (WACC)www.wacc.org.uk

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Ramonet, IgnacioDie Kommunikationsfalle.Macht und Mythen der Medien,Zürich: Rotpunktverlag 1999

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Hachmeister, Lutz und Rager, GüntherWer beherrscht die Medien?Die 50 größten Medienkonzerne der Welt,München: Beck-Verlag 1997

Jouhy, ErnestBleiche Herrschaft – Dunkle Kulturen.Essays zur Bildung in Nord und Süd,Frankfurt: IKO-Verlag 1985

Katzenberger, PaulGeistiges Eigentum und Urheberrecht im Zeichender Globalisierung. Sachstandsbericht aus Sichtder Industriestaaten und Deutschlands im Auftragder Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages„Globalisierung der Weltwirtschaft –Herausforderung und Antworten“,in: www.bundestag.de/gremien/welt/gutachten/vg5.pdf(Abruf am 21. 10. 2003)

Koschnick, Wolfgang J.Rupert Murdoch. Der Medientycoon,Düsseldorf: Econ 1990

Latouche, SergeDie Verwestlichung der Welt: Essay über dieBedeutung, den Fortgang und die Grenzen derZivilisation,Frankfurt: Dipa-Verlag 1994

Liebig, KlausDer Schutz geistiger Eigentumsrechte in der Welt-handelsordnung: Entwicklungspolitischer Reform-bedarf für das TRIPs-Übereinkommen,in: www.diegdi.de/die_homepage.nsf/0/1B7569FADF2C806EC1256A65002B317B/$File/TRIPS3.pdf?OpenElement(Abruf am 21. 10. 2003)

Luger, Kurt und Renger, Rudi (Hrsg.)Dialog der Kulturen. Die multikulturelleGesellschaft und die Medien,Wien: Österreichischer Kunst- und Kulturverlag 1994

MacBride, Séan (Vorsitzender)Viele Stimmen – eine Welt. Kommunikation undGesellschaft – heute und morgen. Bericht der Inter-nationalen Kommission zum Studium der Kommuni-kationsprobleme an die UNESCO,Konstanz: Universitätsverlag 1981

Maletzke, GerhardInterkulturelle Kommunikation. Zur Interaktionzwischen Menschen verschiedener Kulturen,Opladen: Westdeutscher Verlag 1996

Mattelart, ArmandKommunikation ohne Grenzen? Geschichte der Ideenund Strategien globaler Vernetzung,Rodenbach: Avinus Verlag 1999 (Bezug: Avinus Verlag,Gustav Adolf-Str. 10, 13086 Berlin)

Medienwelten – Informationen und Macht,in: der überblick, 4/2003

LiteraturauswahlZusammengestellt von Jörg Becker

Page 67: Medien im Globalisierungsrausch –

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Impressum

DGB Bildungswerk e.V.Hans-Böckler-Straße 3940476 DüsseldorfTel: 0211/4301-258E-Mail: [email protected]: www.nord-sued-netz.de

1. AuflageDezember 2003

Redaktion:Prof.Dr. Jörg Becker, Karl-Ludolf Hübener, Werner Oesterheld

Textkorrektur:Chris Künster

Layout:Georg Temme

Fotonachweis:S.5: Gonzalez/laif; S.6: Katschmareck/KaT-Bild;S.9: Quellen: Aicher, Otl: Typografie, Berlin: Ernst+Sohn 1989,S.32; Carter, Thomas F.: The invention of printing in China,New York: Columbia University Press 1925, in: Kapr, Albert:Johannes Gutenberg, München: Beck 1987, S.110; Ch`ongjuEarly Printin Museum, Provinz Ch`ungbuk, Süd-Korea;S.10: Quelle: Kapr, Albert: Schriftkunst, München: Saur 1983;S.11: Katschmareck/KaT-Bild; S.12: Quelle: Stadtarchiv Hattin-gen; S.13: Wegner/laif; S.15: Quelle: KomTech-Archiv;S.16: Karl Schlüter, Hennef; S.18: Quelle: KaT-Bildarchiv; Copy-right: Votava, Wien; S.19: Bouret/REA/laif; S.20: Hahn/laif;S.21: Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung;S.23: Quelle: EU-Kommission; S.24: Quelle: Kat-Bildarchiv;S.25: Fotoarchiv: Ullstein-Reuters; S.26: Quelle: KaT-Bildarchiv;S.27: Fotoarchiv: National Indigenous Maya Chorti Council ofHonduras; S.28: Copyright: Votava; S.29: Quelle: KomTech-Archiv; S.30: Fritz Rupp; S.31: Trappe/epd-bild;S.32: Quelle: KomTech-Archiv; S.33: Krause/laif; S.35: Spam-pinato/laif; S.36: Quelle: Handelsblatt; S.37: Andrea von Lü-dinghausen; S.39: dpa-Bild; S.41: Braun/Interfoto;S.42: Quelle: Financial Times Deutschland; S.45: van Cappel-len/Reporters/laif; S.46: Hauser/laif; S.47: Quelle: KomTech-Archiv; S.48: Krause/laif; S.49: Hahn/laif; S.50: Bessard/REA/laif; S.53: Linker/laif; Tatlow/laif; S.55: IFJ; S.56: Ulli Becker,Solingen; S.57: Moacin A. Turmina; S.59: Kuugel, Innsbruck;S.60: Maro/Version/epd-Bild; S.61: William Matlala;S.63: action press; Clajot/Reporters/laif; S.64: Dumont/REA/laif

Textnachweis:S. 15, 20, 27, 36, 59, 63: Galeano, Eduardo: Die Füßenach oben. Zustand und Zukunft einer verkehrten Welt,Wuppertal: Peter Hammer Verlag 2000

Druck:DSZ-Druckzentrum GmbH, Essen

Diese Broschüre wurde mit finanzieller Unterstützungdes BMZ erstellt.

Die Dritte Welt vor den Toren Europas (31)

Nachhaltige Entwicklung – Zur politischen Anatomie eines Schlagwortes (32)

Baumwolle – Mehr als eine Faser (33)

Tabak – Rauchsignale auf dem Weltmarkt (34)

Informeller Sektor – Marktwirtschaft im Schatten (36)

Gewerkschaftsrechte durch Sozialklauseln? (42)

Zukunftsfähige Eine Welt? (43)

Übernationale Vernetzung – Medien in der Dritten Welt (45)

Freie ProduktionsZonen – Grenzenlose Gewinne! (46)

Zukunftsfähiges Europa – Europa Zukunftsfähig (48)

Kleider aus der WeltFabrik (49)

Sprinten mit Weltmarktschuhen (deutsch/englisch) (51)

Auf dem Holzweg – über die Zerstörung unserer Wälder (52)

Spielzeug: Weltmarkt im Kinderzimmer (deutsch/englisch) (53)

Welt der Arbeit – Weltarbeit (58)

Globalisierung von unten gestalten (deutsch/portugiesisch) (60)

Panthersprung in den Weltmarkt (deutsch/englisch) (61)

Leder: Weltumspannend gerben (62)

„Rohstoff“ Geld: Wer hat, dem wird gegeben (65)

IWF/Weltbank: Antriebskräfte der Globalisierung (66)

Regionale Integration im Süden (deutsch/englisch) (67)

Im Spagat in die Zukunft – Südafrika zwischen Weltmarktund African Renaissance (68)

Diamanten – Schattenseiten des Glanzes (69)

Vom Süden lernen – Porto Alegres Beteiligungshaushalt wirdzum Modell für direkte Demokratie (70)

Schattenwirtschaft und Gewerkschaften (deutsch/englisch) (71)

Internet-Zeitalter: online oder weg vom Fenster (72)

Kautschuk/Kunststoff im Räderweg der Global Player (73)

Radio-Kommunikation in Afrika

Wo die Rosen blühen - Kolumbien zwischen Schmerz und Hoffnung

Arbeitnehmerechte globalisieren - Gewerkschaften und Arbeitsbeziehungen

Medien im Globalisierungsrausch – Kommt die Demokratie unter die Räder?

Materialien

Page 68: Medien im Globalisierungsrausch –

ISSN 1615-3464


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