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Günter Mader, Elke Zimmermann Mauern
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Günter Mader, Elke Zimmermann

Mauern

Günter Mader, Elke Zimmermann

MauernElemente der Garten- und Landschaftsarchitektur

Deutsche Verlags-Anstalt

Steine erzählen uns immer lange Geschichten. Es sind Naturgebilde,

die das Werden und Vergehen im Laufe der Zeit widerspiegeln. Der

Mensch erahnt im Stein etwas Einmaliges, mit dem er seine Gedanken

auszudrücken vermag. In dieser Materie finden wir die Beziehung zum

Bewährten und zum Einklang mit der Natur.

Im Stein finden wir Schwere und Leichtigkeit, Natürlichkeit und Eleganz,

Schönheit und Einfachheit. Zu weiteren Merkmalen im Steingefüge

gehört eine tiefe Notwendigkeit von Perfektion, die sich als hoher

Anspruch äußert an den Gestaltenden mit seinem disziplinierten

Ausdruckswillen. Steine verbinden Althergebrachtes mit Neuem.

Werner Blaser, Basel 2003

Diese Ausgabe wurde auf chlor- und säurefrei

gebleichtem, alterungsbeständigem Papier gedruckt.

1. Auflage

Copyright © 2008 Deutsche Verlags-Anstalt, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Alle Rechte vorbehalten

Gestaltungskonzept, Satz und Layout: Iris von Hoesslin

Gesetzt aus der Univers

Lithographie: Wahl Media, München

Druck und Bindung: Printer Trento

Printed in Italy

ISBN: 978-3-421-03620-9

www.dva.de

6 Vorwort

8 Kulturgeschichtliches zum Mauerbau

12 Stadtmauern 14 Ufermauern 14 Gartenmauern 16 Mauern in der Kulturlandschaft 16 Terrassenmauern 16 Feldmauern 18 Befestigte Staatsgrenzen 18 Die Chinesische Mauer 20 Die Befestigungswälle des

Römischen Reichs 20 Die Berliner Mauer 20 Die Mauer zwischen Israel und

Palästina

22 Grundlagen der Gestaltung

24 Baukonstruktive Grundlagen 24 Das Fundament 26 Der Mauersockel 26 Das Mauerwerk 28 Die Mauerkrone 32 Dehnfugen 32 Entwurfsgrundlagen 32 Höhe 34 Mauerdicke 34 Mauern am Hang 34 Baurechtliche Belange

36 Natursteinmauern

40 Trockenmauern 46 Trockenmauern aus Spaltblöcken 48 Trockenmauern aus Findlingen

und Flusskieseln 50 Bruchsteinmauerwerk 50 Schichtenmauerwerk 52 Gemischtes Mauerwerk

54 Mauern im Edwardian Style 56 Die Stuttgarter Schule 58 Die Natursteinmauern von

Ian Hamilton Finlay und Andy Goldsworthy

64 Mauern aus Natursteinpalisaden 66 Mauern aus Krustenplatten 68 Mauern mit Natursteinvorsatzschale 68 Friedhofsmauern in Chur und

München-Riem 70 Die Stuttgarter IGA-Mauern 72 Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall

76 Mauern aus Beton

78 Oberflächengestaltung 82 Plastische Gestaltung 82 Statische Vorteile 82 Die Mauerkrone 84 Mauern aus Betonwinkelsteinen

86 Klinkermauern

88 Klinkerformate und Mauermaß 88 Verfugung 90 Mauerfundament und Mauerkrone 94 Klinkermauern in der Freiraumplanung 98 Sichtmauerwerk aus Kalksandsteinen

100 Verputzte Mauern

102 Grundputz und Oberputz 102 Mauersockel 104 Mauerkrone 104 Ursachen für Risse

106 Mauern mit Verkleidungen

108 Verkleidungen aus Stahl 110 Verkleidungen aus Glas 110 Verkleidungen aus Holz 112 Begrünte Mauern 112 Mauern mit vorgepflanzten Hecken

114 Gabionen

116 Verfüllung der Drahtgeflechte 116 Vor- und Nachteile von Gabionen 116 Gestaltung der Ansichtsflächen 118 Verschiedene Einsatzbereiche 118 Begrünte Gabionen

122 Stampflehmmauern

124 Der Baustoff Lehm 124 Gartenmauern in

Lehmstampfbauweise 126 Konstruktive Details

128 Mauern aus Recycling-Materialien und sonstigen Baustoffen

130 Die Mauern im Ziegeleipark Böckingen

132 Mauern aus Kaminholz und anderen Materialien

134 DIN-Normen 134 weiterführende Literatur 134 Planer, ausführende Handwerker 135 Abbildungsnachweis

Inhalt

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Mauern sind Grundelemente der Garten- und Landschaftsgestaltung. Sie definieren Grenzen, schaffen Räume, bieten Sicht- und Windschutz, und in Form von Stützmauern ermöglichen sie die Gestaltung der Topo-graphie.

Der Hortus conclusus, der sorgsam ein-gefriedete, von Mauern umschlossene Gar-ten ist ein archetypisches Bild, das sich als Idealvorstellung in allen Epochen seit Beginn unserer Zivilisation findet.

Im Rahmen vieler Projekte der Garten- und Landschaftsarchitektur sind auch heute Mauern zu planen und auszuführen, sei es aus technischer Notwendigkeit zur Abfan-gung von Höhenunterschieden oder aus gestalterischen Gründen zur Raumbildung. Die enorm vielfältigen Erscheinungsbilder von Mauern werden sowohl von den ver-wendeten Baustoffen und der jeweiligen Konstruktion als auch von unterschiedlichen Stilvorstellungen und nicht zuletzt von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ge-prägt. Mauern sind in der Regel eines der teuersten, aber zugleich auch langlebigsten

Elemente der Garten- und Landschaftsarchi-tektur. Schon aufgrund dessen verdienen sie bei Planung und Ausführung ein hohes Maß an Aufmerksamkeit.

Das Buch präsentiert zahlreiche Gestal-tungsmöglichkeiten für Mauern im Freiraum, gegliedert nach Bauweisen, Baumaterialien und Bearbeitungsformen. Die Beispiele rei-chen von regionaltypischen, traditionellen Trockenmauern in der Kulturlandschaft bis zu aktuellen Werken der Land Art, von der niedrigen Ziegelmauer eines Vorgartens, über formal anspruchsvoll gestaltete Fried-hofsmauern bis zu rein funktionalen Lärm-schutzmauern.

In der systematischen Aufarbeitung der enorm umfangreichen Beispielsammlung wird eine klar strukturierte Typologie ent-wickelt und dadurch ein gestalterisches Regelwerk abgeleitet. Das Buch soll dazu beitragen, ein neues Bewusstsein für die gestalterischen Potentiale von Mauern in der Garten- und Landschaftsarchitektur zu entwickeln. Es soll auf inspirierende Weise Vorbilder und Qualitätsmaßstäbe liefern.

Im Jahr 2006 erschien – in gleicher Auf-machung – unser erstes gemeinsames Buch »Zäune und Tore«. Schon während der Arbeit an diesem Thema wurde uns bewusst, dass Mauern ein eng verwandtes und ebenso grundlegendes, aber dennoch ein ganz anderes und eigenes Thema sind. So ist »Mauern – Elemente der Garten- und Landschaftsarchitektur« eine logische Fort-setzung unserer gemeinsamen Arbeit, denn auch bei diesem Thema verfügten wir beide über ein umfangreiches, im Laufe vieler Rei-sen zusammengetragenes Bildarchiv, das uns zu einer systematischen Aufarbeitung herausforderte.

Bei der Deutschen Verlags-Anstalt in Mün-chen danken wir Andrea Bartelt-Gering für die Befürwortung dieses Buchprojektes und Carla Freudenreich für das Verlagslektorat. Iris von Hoesslin danken wir für die aufmerk-same Gestaltung des Layouts.

Günter Mader, EttlingenElke Zimmermann, ItzlingsFebruar 2008

Vorwort

Lycée du Pic-Saint-Loup in Saint-Clément-de-Rivière,

Département Hérault, Frankreich. Das 2003 in der Nähe

von Montpellier fertiggestellten Schulprojekt zeigt das her-

vorragend gelun gene Zusammenspiel von minimalistisch

strengen Baukörpern und Natursteinmauern. Die Mauern

stehen in reizvollem Kontrast zur Architektur und stellen

zugleich eine sehr schöne Verbindung zur umgebenden

Landschaft her.

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Landschaftsprägende Kalksteinmauern und Oliventerrassen

in der Provence, Département Var, Frankreich Kulturgeschichtliches zum Mauerbau

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Kulturgeschichte und Baugeschichte sind untrennbar miteinander verbunden, und Mauern sind die wichtigsten und oft auch einzigen noch erhaltenen Zeugen der Bau-geschichte – seien es die Relikte einer archäologischen Grabungsstätte in Vorder-asien, die Zyklopenmauern einer Inkasied-lung in Peru oder die mit Schmuckverbänden dekorierten Klinkermauern eines mitteleu-ropäischen Industriedenkmals.

Hier jedoch soll das Augenmerk nicht auf Mauern im Zusammenhang mit Bauwerken gerichtet werden, sondern auf Mauern als

selbständige Elemente des Freiraums. Auch als solche sind sie allgegenwärtig, in der Kul-turlandschaft und im Städtebau wie auch in der Garten- und Landschaftsarchitektur. Auch hier haben sie eine ebenso weit zurückrei-chende Kulturgeschichte wie die Mauern der Architektur.

Der Begriff Mauer wird oft mit negativer Bedeutung verwendet, obgleich es doch zu den Urbedürfnissen des Menschen gehört, sich abzugrenzen und bestimmte Bereiche seines Lebensraumes mit Mauern zu umfrieden. Es gilt das rechte Maß zwi-

schen Schutz und Einengung zu finden. Ein Zuviel an Abgrenzungen und Mauern kann pathologisch sein, im Verhältnis zwischen einzelnen Menschen und Gruppierungen innerhalb einer Gesellschaft oder zwischen benachbarten Staaten. Ein Mensch, der sich verschließt und »mauert«, nimmt an den dynamischen Lebensprozessen nicht mehr teil, und ein Staat, der sich von den Entwick-lungen seiner Nachbarländer abschirmt und abschottet, riskiert seine politische Überle-bensfähigkeit.

Durch die jahrhundertelange Bewirtschaftung und den Bau

von unzähligen Terrassenmauern entstand ein sehr charak-

teristisches Landschaftsbild. Colca-Tal, Peru

Das gigantische Zyklopenmauerwerk aus der Zeit der Inka

ist immer noch in sehr gutem Zustand und beeindruckt mit

seinen sauber gefügten, bis zu neun Meter hohen Steinen.

Festungsruine Sacsayhuaman bei Cusco, Peru

Mit Terrassierung haben die Bewohner der »Cinque Terre«,

nördlich von La Spezia, den Steilhängen mühsam fruchtba-

re Anbauflächen abgerungen. Provinz Ligurien, Italien

Kulturgeschichtliches zum Mauerbau

Machu Picchu, die imposante Ruinenstadt der Inkas, wird

von zahlreichen Terrassenmauern geprägt. Bei Cusco, Peru

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Stadtmauern

Ab dem Beginn des Städtebaus, der mit dem Beginn unserer Zivilisation und Kulturge-schichte etwa 5 000 v. Chr. gleichzusetzen ist, bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts waren Stadtmauern ein wesentlicher und grundlegender Bestandteil aller städtischen Siedlungen als räumlich klar begrenzter, um friedeter und somit geschützter Lebens-bereiche. Die von Mauern umschlossenen Städte öffneten sich nur über einzelne Stadt-tore und ließen sich dadurch in hohem Maße kontrollieren. Die Stadtmauern wurden je nach örtlichen Gegebenheiten und tech-nischen Möglichkeiten aus Lese- oder Bruch-steinen, Ziegeln, Stampflehm, Holzpalisaden oder in Mischbauweisen errichtet. Sie garan-tierten die Sicherheit des Gemeinwesens, dienten zur Verteidigung und waren deshalb von größtmöglicher Solidität. Oft waren sie nicht nur einfache Stadtmauern, sondern Wehrmauern mit Wehrgängen, Zinnen, Schießscharten und Verteidigungstürmen.

Weltweit sind zahlreiche historische Stadtmauern überliefert, oft von großer ar-chitektonischer Schönheit und bester hand-werklicher Qualität. Wir haben nicht nur die Bilder der Stadtmauern von Troja, Jerusalem oder Marrakesch vor Augen, sondern auch viele gut erhaltene Stadtmauern oder Befes-tigungsanlagen aus Europa. Man denke an die Stadtmauern von Avignon, Avila, Dubrov-nik und Gerona oder, in Deutschland, an die fast vollständig erhaltenen Stadtmauern von Amberg, Dinkelsbühl, Feuchtwangen, Görlitz, Ingolstadt, Nördlingen oder Rothen-burg ob der Tauber. In allen Fällen sind die Mauern ein sehr einprägsames und städ-tebaulich bestimmendes Element, das den historischen Stadtkern umschließt.

Im 16. und 17. Jahrhundert boten einfache Stadtmauern keinen ausreichenden Schutz mehr, man baute daher ausgeklügelte Be-festigungsanlagen. Sie bestanden aus mas-siven Wällen, vorgelagerten Bastionen, Was-sergräben und einem freien Vorfeld, dem

Glacis. Wie die Stadtansichten von Matthäus Merian anschaulich belegen, hatten fast alle großen Städte Europas derartige Fortifika-tionen. Besonders eindrucksvolle Darstel-lungen sind von Mannheim, Frankfurt, Augs-burg, Ulm und Regensburg überliefert.

Im Laufe des 18. Jahrhunderts verloren diese Befestigungsanlagen ihre militärische Funktion, und überall in Europa entdeckte man ihre Eignung als Promenade. Die Wall-anlagen vieler deutscher Städte wurden mit Bäumen bepflanzt, so in Braunschweig, Celle, Erfurt, Frankfurt, Hamburg, Hanno-ver, Leipzig und Lübeck. Wie aus zeitge-nössischen Quellen hervorgeht, stand im Hintergrund dieser Maßnahmen sowohl die Absicht, die Stadt zu verschönern, als auch der Gedanke, dem bürgerlichen Leben Freiraum zu bieten. Ein besonders schönes, noch heute vollständig erhaltenes Beispiel für die zur Promenade umgebauten Wehr-anlagen zeigt die Stadt Lucca in der nörd-lichen Toskana.

In Paris ging man völlig anders vor. Hier wurden die Befestigungsanlagen bereits Ende des 17. Jahrhunderts vollständig abge-brochen und zu breiten, mit Alleebäumen geschmückten Ringstraßen, den Grands Boulevards (Boulevard = Bollwerk), umge-baut. Dem Vorbild von Paris folgend, ent-fernte man im 19. Jahrhundert auch in vielen anderen europäischen Städten die Festungs-anlagen vollständig. Die sich so ergebenden Freiflächen wurden zu Parkanlagen und die Wehrgräben zu Schwanenweihern umgestal-tet. Noch heute bestimmen diese, meist im Stil des Englischen Landschaftsgartens an-gelegten Freibereiche das Erscheinungsbild vieler Städte, in Deutschland zum Beispiel in Münster, Bremen und Lübeck. Ein heraus-ragendes Beispiel für die großmaßstäbliche Umgestaltung der Festungsanlagen ist die 1865 eingeweihte Wiener Ringstraße, die als baumgesäumte Prachtstraße und Ab-folge verschiedener Parkanlagen auf einer Länge von etwa vier Kilometern die Wiener Innenstadt umschließt.

In vielen kleineren Städten Europas blie-ben die mittelalterlichen Stadtmauern erhal-ten, weil der Entwicklungsdruck geringer war und die Abbruchmaßnahmen zu aufwen-dig erschienen. Im 19. und 20. Jahrhundert begriff man diese historischen Relikte dann als erhaltungswürdige Baudenkmäler und identitätsstiftende Elemente. Man unterstell-te sie der Denkmalpflege und bemühte sich um den Erhalt der Stadtmauern, was oft mit aufwendigen Restaurierungsmaßnahmen verbunden war.

Zu den städtebaulichen Traditionen gehö-ren aber nicht nur die als Rahmung und äu-ßere Begrenzung angelegten Stadtmauern, sondern auch die verschiedenen Begren-zungsmauern innerhalb des Stadtgefüges. In allen Stadtkulturen ist es üblich, einzelne gesellschaftliche Bereiche durch hohe Mau-ern vom umgebenden Leben abzugrenzen, seien es nun Tempel- und Klosteranlagen, Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, Ka-sernen, Gefängnisse, größere Produktions-stätten oder Kirch- und Friedhöfe. Mauern definieren klar umrissene Bezirke mit eige-nen Vorschriften und Gesetzmäßigkeiten. Sie tragen dazu bei, dass innerhalb dieser Bezirke die notwendige Ruhe und Ordnung aufrechterhalten werden kann.

rechts oben: Stadtmauer von Gerona, Katalonien; dicht vor

die Mauer gepflanzte Zypressen setzen sehr schöne verti-

kale Kontraste.

rechts unten: Die vollständig erhaltene Stadtmauer samt

vorgelagerten Freiflächen und Baumbestand prägt noch

heute das Stadtbild von Lucca, Toskana.

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Ufermauern

An Fluss- und Seeufern oder am Meer gele-gene Siedlungen müssen vor Hochwasser geschützt werden. In Überflutungsgebieten und sumpfigen Auenbereichen werden mit Hilfe umfassender Baumaßnahmen Flächen zur städtebaulichen Weiterentwicklung oder zur landwirtschaftlichen Nutzung gewonnen. So wurden die Begradigungen und Befes-tigungen von Bach- und Flussläufen, die Trockenlegungen von Sumpfgebieten und der Bau von sicheren Hafenbecken seit der Antike immer wieder als große Fortschritte und segensreiche Ingenieursleistungen ge-feiert. Sie schützten vor den Naturgewalten, sicherten die hygienischen Verhältnisse in den Städten und erleichterten das Leben der Bürger. Erst gegen Ende des 20. Jahr-hunderts wurden die Grenzen dieser Ent-wicklungen wie auch der Bumerangeffekt mancher Eingriffe in die komplizierten Öko-systeme erkannt. Nun begann man an be-stimmten Stellen mit Rück- und Umbaumaß-nahmen, das heißt, die verdohlten und ka-nalisierten Wasserläufe wurden renaturiert. Ehemalige Überflutungsflächen wurden – sofern dies noch möglich war – reaktiviert oder durch künstliche Überflutungsgebiete ersetzt, um dadurch in anderen Gebieten die Hochwassergefahr zu vermindern.

In vielen Städte gehören solide gebaute Ufermauern zum Stadtbild, man denke an die Tiberufer in Rom, die Themseufer in Lon-don, die Ufer von Rhône und Saône in Lyon, die Kanäle in Venedig oder die Grachten in

den historischen Stadtkernen der Niederlan-de. Besonders schön sind die von mächtigen Kaimauern eingefassten und von langen Baumreihen gesäumten Ufer der Seine in Paris. Die vier Kilometer lange Uferprome-nade zwischen Pont Sully und Pont d’Iéna wurde 1992 in die Liste des UNESCO-Welt-kulturerbes aufgenommen.

Nach der Wende wurden auch in Berlin viele innerstädtische Uferzonen einschließ-lich ihrer Ufermauern saniert und zu reprä-sentativen Promenaden ausgebaut. Vor allem die Spreeufer in der Nähe des Regie-rungsviertels wurden mit großer Sorgfalt neu gestaltet und stehen heute als ausge-dehnte Spazierwege mitten durch die Me-tropole zur Verfügung. Auch die Uferzonen des Berlin-Spandauer Schifffahrtskanals hat man in den neunziger Jahren saniert, für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht und zu einem 8 Kilometer langen Grünzug aus-gebaut. Die Kaimauern sind heute gründlich saniert und mit soliden, formschönen Um-wehrungen versehen.

Gartenmauern

Bis ins 17. Jahrhundert waren nicht nur die Städte, sondern auch viele Gärten von Mau-ern umschlossen. Über Jahrtausende wurde unter Garten stets ein abgesonderter, um-hegter und geschützter Bereich verstanden. Dies ist auch etymologisch erkennbar in der Verwandtschaft der Wortstämme des eng-lischen Wortes town (Stadt) und des hollän-

dischen tuin (Garten) mit dem deutschen Wort Zaun. In den slawischen Sprachen lässt sich Ähnliches nachweisen; hier wandelte sich der Stamm unseres Wortes Garten zu den Endungen -grad, -gard und -gorod für Stadt. Immer meint die zugrunde liegende Bedeutung Umwallung, Umwehrung. Stadt und Garten als Bereiche menschlicher Kultur waren beide ursprünglich durch Mauern von der umgebenden Natur abgesetzt und ge-schützt.

Mauern schützen den Garten vor uner-wünschten Eindringlingen, definieren seine Grenzen, bieten Sicht- und Windschutz und machen ihn zu einem Lebensraum mit eig e nen Gesetzmäßigkeiten. Ein Abbild des archetypischen Hortus conclusus findet man noch heute in vielen Kreuzgängen und Klos-tergärten, vor allem aber in der britischen Gartenkunst. Die Küchen-, Obstbaum- und Staudengärten sind in Großbritannien sehr häufig als mauerumschlossene Gärten, als walled gardens, angelegt.

In vielen Ländern sind Mauern als Wind-schutz eine Notwendigkeit. Sie schaffen das für ein gutes Gedeihen der Pflanzen not-wendige Kleinklima. An den Mauern selbst werden Spalierobst und Kletterrosen und viele andere Rankpflanzen gezogen, wobei die von den Mauersteinen abgestrahlte Wär-me das Wachstum außerordentlich begüns-tigt. Die Ummauerungen einzelner Garten-bereiche stellen zugleich ein wichtiges Mittel der Gliederung und Raumbildung innerhalb der Gesamtkonzeption einer Gartenanlage dar.

oben: Die Ufermauern des Berlin-Spandauer Schifffahrts-

kanals in Berlin-Mitte wurden vor einigen Jahren im

Rahmen eines Grünzugprojektes restauriert.

links: Die stimmungsvollen Uferanlagen der Seine mit

ihrem Baumbestand und den handwerklich hervorra-

gend ausgeführten Kaimauern prägen große Teile des

Stadtbildes von Paris.

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Mauern in der Kulturlandschaft

Terrassenmauern Die Aneignung und Urbarmachung des Landschaftsraums durch den Menschen ist von alters her mit massiven Bearbeitungen und Veränderungen des Bodenreliefs ver-bunden. Da sich ebene Flächen am besten bewirtschaften und bewässern lassen, die Topographie jedoch von Natur aus nur an wenigen Stellen den Wünschen entspricht, greift der Mensch gestaltend ein. So ent-standen im Laufe der Jahrtausende in den unterschiedlichsten Kulturen ausgeklügelte Terrassenlandschaften, man denke an die Reisanbauflächen im Fernen Osten oder die Maiskulturen in den fruchtbaren Tälern Zen-tral- und Südamerikas. Das Grundprinzip der Terrassierung ist überall das gleiche.

Auch in europäischen Landschaften, vor allem im gesamten Mittelmeerraum sind Terrassenkulturen weit verbreitet, vorwie-gend für Weinstöcke und Olivenbäume; auch für den Anbau von Obst und Gemüse hat die stufenweise Einebnung steiler Hänge eine jahrhundertelange Tradition. In den gut besonnten Flusstälern Mitteleuropas ent-standen charakteristische Terrassenkulturen für den Weinbau. Dabei entwickelte sich in vielen Landschaftsräumen eine handwerklich sehr hoch stehende Kultur des Baus von Trockenmauern, die noch heute ein regional stark prägendes Element darstellen. Bei-spiele sind die Weinbergterrassen in den Tälern von Donau, Mosel, Neckar und Rhein oder die Hänge des Genfer Sees. Neben der Erleichterung von Bewirtschaftung und Bewässerung der ebenen Flächen bietet die Terrassierung einen guten Erosionsschutz, denn der je nach Bewirtschaftung zeitweise offen liegende Boden würde in Hanglagen durch die Witterungseinflüsse schnell zu Tal befördert, und die wertvolle Humusschicht wäre verloren. Durch die Schaffung weitge-hend ebener Flächen mit Hilfe von Mauern wird den Erosionsprozessen vorgebeugt.Die mühsam erbauten Terrassenmauern

bedürfen regelmäßiger Pflege, um langfris-tig ihre Funktion zu erfüllen. Werden die Terrassen nicht mehr bewirtschaftet und die Mauern nicht mehr gepflegt, kommt es zum Verfall und schließlich zu irreversiblen Erosi-onsschäden.

FeldmauernIn vielen europäischen Landschaften, be-sonders in England, Irland und Schottland, aber auch auf den griechischen Inseln, den Balearen und in anderen Gebieten des Mittelmeerraums findet man trocken – das heißt, ohne die Verwendung von Mörtel – aufgeschichtete Feldmauern als prägende Elemente der Kulturlandschaft. Vor allem dort, wo die Schafzucht traditionell große Bedeutung hat und aufgrund des Standortes oder der Übernutzung der Ressourcen kein Bauholz für Zäune zur Verfügung stand, hat man die Landschaft mit einem Netz von Einfriedungsmauern überzogen. Diese wur-den entweder aus Lesesteinen oder aus dem vor Ort verfügbaren Bruchsteinmaterial gebaut. Sofern die alten Feldmauern immer noch ihre Funktion des Einhegens von Wei-deflächen erfüllen, werden sie auch heute noch in Ordnung gehalten und nicht durch Elektrozäune ersetzt. In Großbritannien sind oft auch kleine Trupps von ehrenamtlichen Landschaftspflegern mit der Sanierung von

Feldmauern befasst, oder die Bauern wer-den durch Subventionen zur Pflege der tradi-tionellen Trockenmauern motiviert.

Feldmauern als Windschutz statt der andernorts üblichen Hecken wurden vor allem dort angelegt, wo die Wachstumsbe-dingungen für eine Hecke wegen eines zu geringen Oberbodens zu ungünstig sind. Außerdem konnten beim Bau der Mauern die aus den angrenzenden Anbauflächen herausgelesenen Steine einer sinnvollen Verwendung zugeführt werden.

Trockenmauern, die sich von Kreta bis zu den schottischen Orkney-Inseln in vielen De-tails gleichen, haben eine jahrtausendealte Tradition und lassen sich zum Teil als prähi-storische Relikte nachweisen. Dies deutet auf das gemeinsame, in der Megalithkultur wurzelnde Erbe hin wie auf die vielfältigen Verbindungen während der Römerzeit, ist aber sicher auch das Ergebnis gleicher bau-konstruktiver Ausgangsbedingungen und handwerklicher Zwangsläufigkeiten.

Die schönsten und beeindruckendsten, mit Feldmauern gegliederten Landschaften findet man in den Yorkshire Dales in der mittelenglischen Grafschaft Yorkshire, in der Grafschaft Cumbria und in den Cotswold Hills, die zum größten Teil in der Grafschaft Gloucestershire liegen.

Ein bemerkenswerter Sonderfall sind die charakteristischen Feldmauern auf der

rechts oben: Trockenmauer des Friedhofs von Birsay auf den

Orkney-Inseln, Orkney Mainland, Schottland

rechts Mitte: Die Feldmauern im Weinbaugebiet La Geria auf

Lanzarote wurden 1960 vom Museum of Modern Art in New

York zum Gesamtkunstwerk erklärt.

rechts unten: In weiten Teilen Großbritanniens sind die

Weideflächen mit Feldmauern aus Naturstein eingefriedet.

Malham, North Yorkshire

links unten: Weinbergterrassen an den Steilhängen des

Neckartals

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Kanareninsel Lanzarote. Die Insel war schon in der Antike besiedelt und wird oft als der mythische Garten der Hesperiden gedeutet, zumal sich auch in Landkarten und Chroniken des 15. und 16. Jahrhun-derts Hinweise auf die große Fruchtbarkeit der Insel finden. Der Ausbruch des Vulkans Timanfaya 1730 hat die Landesnatur dann allerdings vollkommen verändert. Die Ve-getations- und Anbauflächen wurden mit einer zum Teil meterdicken Schicht von Vulkanasche überdeckt. Mit staatlichen Pro-grammen förderte man in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Landwirtschaft und fand zu einer sehr bemerkenswerten Art der Bodenkultivierung. Man hob muldenartige Pflanzflächen aus, sogenannte Arenados, die so tief waren, dass man wieder auf die einstmals bebauten Böden stieß. In Haupt-windrichtung wurden dann, meist auf halb-kreisförmigem Grundriss, kleine Schutzwälle aus vulkanischem Gestein um die Mulden errichtet. Hier entwickelte sich ein günstiges Kleinklima, vor allem dadurch, dass sich bei nächtlicher Abkühlung Kondenswasser in der Schicht aus Vulkanasche bildet. Das Wasser

zieht in der durchlässigen Asche schnell nach unten ab und kommt den Wurzeln der Pflanzen zugute. Im mittleren und nördlichen Teil von Lanzarote sind etwa 8 000 Hektar Anbaufläche in dieser Weise gestaltet. In den Pflanzmulden werden Melonen, Toma-ten, Kürbisse, Süßkartoffeln, Kichererbsen und Zwiebeln angebaut. Auch Feigen-, Pfir-sich- und Mandelbäume gedeihen hier sehr gut, doch die größte Bedeutung haben die Mulden für den Weinbau.

Befestigte Staatsgrenzen

Ein Blick auf die Geschichte zeigt, dass nicht nur Städte, sondern auch politische Systeme und Staatswesen nach wirksamen Begren-zungen suchten. Sofern diese nicht durch eine Insellage oder schwer überwindbare Flussläufe gegeben waren, kam es immer wieder zum Bau befestigter Staatsgrenzen in Form von Zäunen und Mauern, häufig auch in Verbindung mit »Todesstreifen«. Diese Einrichtungen hatten meist militä-rische wie auch wirtschaftliche Schutz- und

Kontrollfunktionen, sie dienten nicht nur der Abwehr feindlicher Truppen, sondern auch der Erhebung von Steuern und Zöllen.

Die Chinesische Mauer Die Chinesische Mauer, auch Große Mauer oder Der steinerne Drache genannt, be-steht aus einem Netz einzelner Mauerab-schnitte, deren Ursprünge zum Teil in der Zeit vor über 2 500 Jahren liegen. Sie ist die gewaltigste Verteidigungsanlage, die je gebaut wurde, und das größte Bauwerk der Erde. Die ersten mauerartigen Grenzbefes-tigungen datieren aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. und entstanden zwischen sich befehdenden chinesischen Volksgruppen. Im 3. Jahrhundert v. Chr. ließ der erste chinesische Kaiser dann weitere umfangreiche Befestigungsmauern errich-ten, die sein Reich gegen die von Norden eindringenden Mongolen schützen sollten. Seitdem wurde die Mauer immer wieder erweitert und umgebaut, ihre heutige Form erhielt sie im Wesentlichen zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert n. Chr.

In den meisten Streckenabschnitten hat die Chinesische Mauer, bei einer Höhe von 3 bis 8 Metern, am Fuß eine Breite von 6 bis 8 Metern, die an der Mauerkrone geringer wird. Je nach regionaler Verfügbarkeit wur-den behauene Natursteine, gebrannte Ziegel oder gestampfter Lehm als Baumaterial für die Sichtflächen verwendet, während das Innere mit Schüttgütern verfüllt ist. Die Mau-er diente auch als Fernstraße – Reiter konn-ten sich auf der gepflasterten, 4 bis 6 Meter breiten Mauerkrone schnell und bequem fortbewegen.

links: Die Chinesische Mauer, das größte Bauwerk der Erde

rechts: Sanierte Mauerreste des Hadrianswalls in der Nähe

des Römischen Forts Vercovicium bei Housesteads in der

nordenglischen Grafschaft Northumberland

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Die Befestigungswälle des Römischen ReichsDas Römische Kaiserreich, das zwischen dem 1. und 4. nachchristlichen Jahrhundert eine Ausdehnung von der Iberischen Halbin-sel bis Palästina und von Nordafrika bis Mit-telengland erlangt hatte, sah sich an seinen Grenzen von vielen feindlichen Völkern be-droht. Sofern es keine natürlichen Grenzen, wie zum Beispiel die 2 500 Kilometer lange Donau, gab, sahen sich die römischen Kaiser zum Bau von Befestigungswällen gezwun-gen. Diese dienten nicht nur der Verteidi-gung gegen die Übergriffe von »Barbaren«, sondern sicherten auch die Zolleinnahmen.

Der im 2. Jahrhundert im Auftrag von Kai-ser Hadrian (76–138) errichtete Hadrianswall war der nördlichste Befestigungswall des Römischen Reichs und ist heute das bedeu-tendste römische Baudenkmal in Großbri-tannien. Die 4 bis 5 Meter hohe und 3 Meter breite Mauer war mit Kastellen, Wachtürmen und achtzig Toren ausgestattet; sie zog sich über 120 Kilometer quer durch England, etwa auf Höhe der heutigen Städte Carlisle im Wes-ten und Newcastle upon Tyne im Osten. Der Hadrianswall, der auf etwa einem Drittel seiner ursprünglichen Gesamtlänge in Fragmenten erhalten ist, steht seit 1987 auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes und wird von einem sehr reizvollen Fernwanderweg begleitet.

Im 2. und 3. Jahrhundert entstand in den römischen Provinzen Germania superior und Raetia der Limes, eine etwa 550 Kilome-ter lange, zum Teil als Mauer ausgeführte Grenzbefestigung, die in einem nach wie vor etwas rätselhaften, mehrfach geknickten Verlauf vom Rhein zur Donau führte, vom heutigen Rheinbrohl in Rheinland-Pfalz bis zum bayrischen Regensburg. Die Archäolo-

gen konnten nachweisen, dass der Limes mit fast neunhundert Wachtürmen versehen war, die Sichtverbindung untereinander hatten und mit Hilfe von Licht- und Horn-signalen auch zur Nachrichtenübertragung dienten. Die verschiedenen, in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern erhaltenen Teilabschnitte des Obergermanisch-rä-tischen Limes wurden 2005 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.

Der zwischen dem 1. und 3. Jahrhundert erbaute, 1 500 Kilometer lange Limes Ara-bicus oder Limes Orientalis im heutigen Jordanien und Syrien war die östlichste Verteidigungslinie des Römischen Reiches. Er schützte die wohlhabenden Provinzen Syria und Arabia gegen die Wüstenvölker der Arabischen Halbinsel und gegen die Truppen aus dem Großreich der Parther, dem Gebiet des heutigen Irans und Iraks.

Die Berliner MauerUm dem enormen Abwanderungsdruck in Rich-tung Bundesrepublik entgegenzuwirken, veran-lasste die Regierung der DDR im Jahre 1961 den Bau der Berliner Mauer, die zum Symbol des geteilten Deutschlands wurde. Die Berliner Mauer hatte eine Gesamtlänge von 155 Kilome-tern, 43 Kilometer zwischen Ost- und West-Ber-lin und 112 Kilometer zwischen West-Berlin und den benachbarten Gebieten der DDR.

Die Veränderungen der weltpolitischen Lage führten im Herbst 1989 zum Fall der Berliner Mauer. An mehreren Stellen blie-ben kleine Abschnitte als Originalrelikte bestehen. Die East Side Gallery, die den stolzen Untertitel »International Memorial for Freedom« trägt und in Reiseführern als die »längste Open Air Galerie der Welt«

angepriesen wird, ist heute mit gut einem Kilometer das längste zusammenhängende Reststück der Berliner Mauer. Sie liegt an der Mühlenstraße im Stadtteil Friedrichshain und verläuft parallel zur Spree. Kurz nach der Wende wurden hier die Betonfertigteile der Mauer von jungen Graffitikünstlern aus aller Welt bemalt, und es entstand ein charakteris-tisches Gesamtkunstwerk, das seit einigen Jahren unter Denkmalschutz steht.

Die Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße wurde 1998 eröffnet: Ein kompletter Abschnitt der Grenzanlagen wurde zwischen zwei riesigen Stahlplatten gleichsam gerahmt. Hier sind Einzelbereiche wie Vorderlandmauer, Kiesstreifen, Kolon-nenweg, Lichttrasse und Hinterlandmauer original erhalten, und der Besucher kann sich im benachbarten Informationszentrum Einblick verschaffen in die Geschichte des geteilten Deutschlands.

Die Mauer zwischen Israel und PalästinaIm Sommer 2002, als Israel fast jede Woche von palästinensischen Selbstmordanschlä-gen getroffen wurde, beschloss die isra-elische Regierung den Bau einer fast 800 Kilometer langen Grenzbefestigung, von der bis heute etwa 600 Kilometer fertiggestellt sind. In der Nähe der größeren palästinen-sischen Städte wie Ramallah und Bethlehem besteht sie aus einer 8 Meter hohen, aus Fertigteilen errichtete Betonmauer, in den anderen Abschnitten aus einem elektronisch gesicherten Zaun und einem bis zu 60 Meter breiten Streifen, der mit Infrarotkameras und Bewegungsmeldern ausgestattet ist und kontinuierlich von Militärpatrouillen über-wacht wird.

Die East Side Gallery, die den stolzen Untertitel »Inter-

national Memorial for Freedom» trägt und in Reiseführern

als die »längste Open Air Galerie der Welt» angepriesen

wird, ist heute mit gut einem Kilometer das längste zusam-

menhängende Relikt der Berliner Mauer. Sie liegt an der

Mühlenstraße im Stadtteil Friedrichshain und verläuft

parallel zur Spree. Kurz nach der Wende wurden hier die

Betonfertigteile der Mauer von jungen Graffitokünstlern

aus aller Welt bemalt, und es entstand ein sehr charakteris-

tisches Gesamtkunstwerk, das seit einigen Jahren unter

Denkmalschutz steht.

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Grundlagen der Gestaltung

Feldmauer in Ayrshire, Schottland

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Baukonstruktive Grundlagen

Ein grundlegendes Differenzierungsmerk-mal von Mauern ist die Unterscheidung zwischen freistehenden Mauern und Stütz-mauern. Freistehende Mauern dienen der Abgrenzung und Raumbildung, während Stützmauern vor allem der Gestaltung des Bodenreliefs dienen. Freistehende Mauern müssen so konstruiert sein, dass sie dem Winddruck standhalten, während Stützmau-ern den Erddruck aufnehmen müssen.

Mauern sind Bauwerke und müssen als solche fachgerecht geplant und ausgeführt werden. Sie müssen den anerkannten Re-geln der Baukunst und den anerkannten Regeln der Technik entsprechen und die Forderungen der verschiedenen DIN-Nor-men erfüllen. Die verwendeten Baustoffe sind unter Beachtung der Herstellerangaben und nach den jeweiligen Richtlinien zu ver-arbeiten. Vor allem ist die Standfestigkeit der Mauern zu gewährleisten, das heißt, Konstruktion und Ausführung müssen den statischen Erfordernissen entsprechen.

Die einzelnen, aufeinander abzustim-menden konstruktiven Elemente einer Mauer sind: Fundament, Sockel, Mauerwerk und Mauerkrone. Diese Begriffe werden im Folgenden erläutert und die einzelnen Mauer-elemente hinsichtlich ihrer baukonstruktiven Besonderheiten genauer beschrieben.

Das FundamentMan unterscheidet zwischen starren und dynamischen Mauerkonstruktionen. Starre Konstruktionen gründen auf einem frostfrei ausgeführten Betonfundament der Güteklas-se C 20/25 (alte Bezeichnung B 25). In den meisten Regionen Mitteleuropas gilt eine 80 Zentimeter tiefe Gründung als frostfrei. Dy-namische Konstruktionen gründen unmittel-bar auf dem gewachsenen Boden oder auf einem Frostriegel, einer kapillarbrechenden Schotterpackung. Trockenmauern, das heißt Natursteinmauern, die ohne die Verwendung

von Mörtel errichtet werden, sind grundsätz-lich dynamische Konstruktionen, während Mauern aus künstlichen Steinen, seien es nun Klinkermauern oder verputzte Kalksand-steinmauern, stets als starre Konstruktionen ausgeführt werden. Trockenmauern gründen entweder auf Fundamentsteinen – das sind besonders großformatige und schwere Steine, die zum größten Teil in den Boden eingelassen sind –, auf einem Schotterbett oder auf einem Magerbetonstreifen der Gü-teklasse C 8/10 (alte Bezeichnung B 10).

Bei freistehenden Mauern muss das Fundament nur die vom Eigengewicht der Mauer resultierenden Kräfte aufnehmen. Die einwirkenden Windkräfte werden durch das Eigengewicht, durch regelmäßig ange-ordnete dickere Pfeiler und gegebenenfalls durch Queraussteifungen in Form von Mau-ervorlagen oder Mauerwinkeln abgetragen.

Bei Stützmauern hingegen muss das Fundament nicht nur die Last des Eigenge-wichtes, sondern auch die vom Erddruck resultierenden Schubkräfte aufnehmen. Freistehende Mauern bis 2,5 Meter Höhe und Stützmauern bis 1,5 Meter Höhe sind Standardkonstruktionen, die von jedem qualifizierten Planer bearbeitet werden kön-

nen. Bei höheren Mauern ist es ratsam und im Rahmen des Genehmigungsverfahrens gegebenenfalls ohnedies vorgeschrieben, einen Statiker hinzuzuziehen, damit eine bautechnisch zuverlässige Konstruktion der Mauer und der Fundamente gewähr-leistet ist.

Es wird zwischen Streifenfundamenten und Punktfundamenten unterschieden. Mau-ern gründen in der Regel auf Streifenfunda-menten, das heißt auf kontinuierlich durch-laufenden, linearen Fundamenten. Nur in be-sonderen Fällen werden Punktfundamente, zum Beispiel in Form von Pfahlgründungen, ausgeführt; diese Fundamente werden dann mit Betonbalken überspannt und dienen als Basis der Mauer. Diese Bauweise wird ge-legentlich für Friedhofsmauern angewandt, die in besonderem Maße setzungsgefährdet sind, weil in unmittelbarer Nachbarschaft der Mauer für Bestattungen immer wieder sehr tief ausgegraben wird.

Ein Fundament dient einerseits der Druck-verteilung, anderseits sichert es durch seine Breite die Mauer gegen Kippen. Bei einer 24 bis 36 Zentimeter breiten Mauer ist das Fundament üblicherweise 60 Zentimeter breit. Um die vom Erdreich resultierende

links oben: Vorbildliche Eckausbildung mit großen

Werksteinen; Beispiel aus der Altstadt von Passau

rechts oben: Außenanlagen des Lycée du Pic-Saint-Loup in

Saint-Clément-de-Rivière in der Nähe von Montpellier. Das

Zusammenspiel von minimalistisch strengen Baukörpern

und sehr lebendig gestalteten Natursteinmauern ist

bestens geglückt.

rechts unten: Die Mauer ist aus bossiertem Sandstein

errichtet. Die Abdeckplatten aus dem gleichen Material,

aber mit gesägten und sandgestrahlten Oberflächen

geben der Mauer einen soliden Abschluss. Beispiel aus

Oppenweiler, Rems-Murr-Kreis

Grundlagen der Gestaltung

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Auflast zu nutzen, werden Stützmauern mit einem Stiefelfundament versehen, einem im Querschnitt winkelförmigen, nur zum hinter der Stützmauer anstehenden Erdreich hin geführten Fundament. Bei freistehenden Mauern hingegen kragt das Fundament nor-malerweise gleichmäßig in beide Richtungen aus, sofern die Grundstücksgrenze nicht auch hier die Ausführung eines Stiefelfunda-ments notwendig macht.

Der Mauersockel Nur in besonderen Fällen wird bei Mauern im Freiraum ein Mauersockel ausgeführt, so zum Bespiel bei Klinkermauern oder ver-putzten Mauern. Dieser in Sichtbeton ausge-führte oder mit speziellem Sockelputz ver-sehene untere Mauerstreifen sollte wenigs-tens 20 Zentimeter über den angrenzenden Belag oder das Erdniveau reichen. Der So-ckel schützt die oberen Mauerschichten vor Spritzwassereinwirkungen und den damit verbundenen Verschmutzungen. Ein Mauer-sockel setzt sich von der Hauptmasse der Mauer deutlich ab, gliedert das Gesamtbild und nimmt der Mauer optisch an Höhe.

Auch bei Mauern aus Sichtbeton kann unter Umständen die Ausbildung eines So-ckels sinnvoll sein. Ist zum Beispiel mit ver-stärkten Verschmutzungen im Sockelbereich zu rechnen – etwa durch Auspuffgase gegen die Mauer zurückstoßender Autos –, bietet ein Sockel die Möglichkeit einer teilweisen Oberflächenbehandlung oder Reinigung. Schon durch das Einlegen einer Leiste in die Schalung entsteht eine feine Trennlinie, die bei Bedarf eine unterschiedliche Behandlung von Sockel und restlicher Mauerfläche er-möglicht.

Das MauerwerkSofern die Mauer nicht aus großen mono-lithischen Blöcken bestehen soll oder aus Beton gegossen wird, sondern aus Mauer-steinen errichtet werden soll, muss eine sta-bile Gefügestruktur sichergestellt werden. Diese hängt einerseits mit der Dicke der Mauer, andererseits mit der Verzahnung der Mauersteine zusammen. Künstliche Steine wie Klinker oder Kalksandsteine, sind unbe-dingt im Verband zu vermauern. Natursteine werden je nach Format und Beschaffenheit

so verarbeitet, dass sich eine möglichst opti-male Gefügestruktur und Verzahnung ergibt. Bei rechteckigem Ausgangsmaterial sind auch hier je nach gewähltem Mauerverband die entsprechend geltenden Verbandsregeln einzuhalten. Bei unförmigen Bruchsteinen und rundlichem Material wie Findlingen oder Flusskieseln versucht der Handwerker, durch geschickte Steinauswahl puzzleartig eine Struktur mit harmonischem Fugenbild herzustellen. Beim sorgfältigen Aufmauern muss eine möglichst ebenmäßige Ansichts-fläche ohne hervorstehende Buckel oder tiefer liegende Flächen entstehen. Hierbei ist das Errichten eines Schnurgerüstes oder das Arbeiten mit einer Profilschablone sehr hilfreich.

Während man Klinkermauern, Betonmau-ern oder verputzte Mauern immer lotrecht und mit rechteckigem Querschnitt ausführt, werden Natursteinmauern, sofern sie als Stützmauern dienen, mit Anlauf oder Dos-sierung ausgeführt. Das heißt, sie sind zum

rechts: Feldmauer mit ausgeprägtem Anlauf; man

verwendete sowohl Findlinge als auch plattenförmig

gebrochene Materialien. Beispiel aus der nordenglischen

Grafschaft Cumbria

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Hang hin um 10 bis 15 Prozent geneigt und können dadurch die Schubkräfte besser aufnehmen. Wenn sich eine mit Anlauf ausgeführte Mauer im Lauf von Jahrzehnten durch den Erddruck etwas nach vorne schiebt, ist dies nicht wahrnehmbar. Eine exakt lotrecht ausgeführte Mauer hingegen, die sich aufgrund des Erddrucks deutlich sichtbar nach vorne neigt, sieht nicht nur unat-traktiv und wenig Vertrauen erweckend aus, sondern ist auch instabil oder gar einsturzgefährdet.

Die Mauerkrone Jede Mauer braucht aus baukonstruk-tiven und gestalterischen Gründen an der Oberkante in irgendeiner Form einen soliden Abschluss, eine Mauerkrone. Dieser obere Mauerabschluss kann ein betonendes Element sein oder ein eher unauffälliges, untergeordnetes Detail. In den meisten europäischen Klimazonen müssen Mauern unbedingt eine Abde-ckung erhalten, um eindringendes Re-genwasser fernzuhalten und damit Frost-schäden vorzubeugen. Die Ausführung der Mauerkrone muss wohlüberlegt sein, denn sie bestimmt ganz wesent-lich das Erscheinungsbild und, langfristig gesehen, die Stabilität und Unversehrt-heit einer Mauer.

Mauerkrone bei NatursteinmauerwerkFür Natursteinmauern gibt es besonders vielfältige Möglichkeiten der Ausführung von Mauerkronen. Die einfachste und traditionellste ist der Abdeckstein. Der obere Abschluss von Mauern durch eine dickere letzte Schicht mit großer Einbindetiefe und relativ langen Steinen verlangt außergewöhnliches hand-werkliches Geschick. Eine passgenaue handwerkliche Bearbeitung sorgt für Fugenschluss auf der gesamten Einbin-

detiefe. Durch wechselnde Schichthöhen der Abdecksteine werden sie nahtlos in den Mauerverband integriert, wodurch der Cha-rakter des Mauerwerksverbandes bis hin zur Abdeckung konsequent beibehalten wird. Eine in dieser Art ausgeführte Mauerkrone hat keinen Überstand.

Bei Mauern mit Anlauf erhält der Abdeck-stein denselben Anlauf wie die Mauer. Um das Wasser abzuleiten wird der Abdeckstein mit Gefälle ausgeführt. Bei Stützmauern wird zum Hang hin entwässert. Die Abdeck-steine können auch in Satteldachform oder mit halbrund bearbeiteten Werksteinen aus geführt werden. Abdecksteine auf Tro-ckenmauern tragen durch ihr hohes Eigenge-wicht und die Verzahnung mit dem Mauer-werksverband wesentlich zur Stabilität des Gesamtgefüges bei.

Abdeckungen von Trockenmauern durch Rollschichten, wie man sie weltweit in vielen bäuerlichen Kulturlandschaften an Feldmau-ern findet, verleihen den Mauern einen ganz besonderen Charakter. Für die Rollschicht werden relativ gleichartige Steine als durch-gehende Lage auf einen ebenmäßig aus-geführten Abschluss der Mauer aufgesetzt. Während das Mauerwerk eine horizontale Schichtungsstruktur zeigt, stellt sich die Rollschicht als eine vertikale oder schräg ver-laufende Struktur dar. Durch Verkeilen oder Schrägstellen wird die Mauerkrone stabilisiert. Meist haben die Steine der Rollschicht ein paar Zentimeter seitlichen Überstand, so dass ein sattes Aufliegen gewährleistet ist. Ursprüng-lich wurden derartige Mauern vor allem als Einfriedung von Weideflächen errichtet. Die oft etwas ruppige und spitzige Rollschicht hatte den Vorteil, dass sie die Weidetiere daran hin-derte, die Mauern zu übersteigen.

Die Rollschichten können je nach dem verwendetem Material ganz unterschied-liche Strukturen haben. Werden nicht bear-beitete Feldsteinbrocken verwendet, wirken die Mauerkronen entsprechend grob, wer-den schiefrige Materialien in relativ feinen Platten verwendet, kann sich ein sehr schö-

oben links: Pultdachförmige Abdeckung mit 0,7 mm dickem

Titanzinkblech

oben rechts: Abdeckung mit Rollschicht aus sattelförmigen

Klinkern

2. Reihe links: Rinnenförmige Ausführung der Oberkante

einer Betonmauer

2. Reihe rechts: Abdeckung mit einer Stahlplatte

3. Reihe links: Abdeckung mit Rollschicht aus halbrunden

Formklinkern

3. Reihe rechts: Abdeckung mit Natursteinplatten; an den

Stößen sind Firstziegel unterlegt.

4. Reihe links: Abdeckung mit Rollschicht auf einer

auskragenden Schicht Biberschwanzziegel

4. Reihe rechts: U-förmige Abdeckung aus 4 mm dickem

verzinktem Blech

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ner, feingliedriger Mauerabschluss ergeben. Das Erscheinungsbild wird immer sehr stark vom verwendeten Gesteinsmaterial und weniger von der handwerklichen Ausführung geprägt.

Abdeckplatten sind heute die wohl gängigste Art der Ausführung von Mauerkronen auf Natur-steinmauern. Die Platten sind aus dem gleichen Natursteinmaterial wie die Mauer selbst und werden als vorgefertigte Elemente bezogen, meist mit bossierten Rändern und gestockten Oberflächen, in Längen von 1 Meter und mehr.

Unbedingt ist darauf zu achten, dass die Dicke der Abdeckplatte zu Schichtung, Höhe und Fugenbild der Natursteinmauer passt. Bei Mauern von mehr als 1 Meter Höhe sollten die Abdeckplatten eine Dicke von 8 bis 10 Zen-timetern haben. Eine zu dünne Platte wirkt unbefriedigend, und eine zu dicke Abdeckplatte kann die Mauer optisch erdrücken. Da die Mauer auf ganzer Breite von einem Stein abgedeckt wird, ist der Schutz vor eindringen-dem Wasser besonders gut. Nur die Fugen an den Stößen stellen Schwachstellen dar und

müssen besonders sorgfältig verfugt werden. Meist werden Abdeckplatten mit Über-

stand ausgeführt. Dann sollten sie immer eine Tropf- oder Wassernase haben. An der auf der Unterseite der Platte eingearbeiteten Längsrille tropft das Wasser frei ab, bevor es die Maueroberfläche erreicht. Bei Mauern mit Anlauf empfiehlt sich aber eine bündige Ausführung, da der Überstand extrem groß sein müsste, um das abtropfende Wasser wirklich effektiv von der Mauer fernzuhalten.

Mauerkrone bei SichtmauerwerkSichtmauerwerk, zum Beispiel aus Klin-ker oder Kalksandsteinen, wird traditionell mit einer Rollschicht abgeschlossen, das heißt mit einer hochkant vermauerten Steinschicht. Bei der Rollschicht ist auf ab-solut hohlraumfreie Vermörtelung und sehr sorgfältige Verfugung zu achten. Es dürfen keinesfalls gelochte Klinker verwendet werden. Sichtmauerwerkskronen mit Roll-schicht sind in den Niederlanden, England,

Dänemark und Norddeutschland Standard. Aufgrund des hohen Fugenanteils ist diese Ausführung jedoch durch Frost sehr stark gefährdet, und in den meisten Regionen Mittel europas ist sie nur unter Vorbehalt zu empfehlen. Eine Mauerkrone mit einer Abdeckplatte oder einer Blechabdeckung ist in jedem Fall ein besserer Schutz gegen ein-dringendes Wasser als eine Rollschicht.

Mauerkrone bei verputzten MauernBei verputzten Mauern ist der Anspruch an die Wasserundurchlässigkeit der Abde-ckung besonders groß, weil zwischen Putz und Mauerwerk eindringendes Wasser unvermeidlich zu enormen Schäden führt. Es kommt zu hässlichen Abplatzungen am Putz. Eine Abdeckung aus Edelstahl-, Zink- oder Alublech ist eine solide Lösung des Problems, sie kann bei entsprechender Planung und Ausführung sehr gut aussehen. Von einer Abdeckung mit Kupferblech ist im Hinblick auf viele Maueroberflächen eher

links: Die geschwungene Kontur der Natursteinmauer

fügt sich vorbildlich in das umgebende Gelände. Tucson,

Arizona, USA

rechts: Die sechs oberen Skizzen zeigen unterschiedliche

Ausformungen der Oberkanten von Mauern. Die sechs

unteren Skizzen zeigen verschiedene Möglichkeiten der

Linienführung im Grundriss.

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abzuraten, weil sie oft grünliche Streifen und Flecken verursacht.

Blechabdeckungen müssen gut propor-tioniert sein. Sie müssen im Abstand von wenigstens 5 Metern mit Schiebenähten ver-sehen und perfekt, ohne Dellen, ausgeführt werden, sonst ergibt sie kein be friedi gendes Bild. In der Regel wird ein auf der Mauer befestigtes Holz mit Blech bekleidet. Es emp-fiehlt sich, zur Befestigung mit Klemmprofilen zu arbeiten, so dass die Blechabdeckung nicht geschraubt werden muss, denn die not-wendigen Bohrungen wären Schwachstellen, an denen Wasser eindringen kann.

Sehr gebräuchlich, technisch korrekt und kostengünstig sind vorgefertigte Abdeckungen aus Naturstein- oder Beton-platten. Die Platten müssen Gefälle, Über-stand und Tropfnase haben. Eine Schwach-stelle sind die Stöße zwischen den ein-zelnen Elementen, denn die Mörtelfugen reißen unter Frosteinwirkung schnell auf, und hier dringt dann Wasser ein. Dieses Problem kann man durch eine dauerela-stische Verfugung nicht zufriedenstellend lösen, denn die synthetischen Verfugungs-materialien haben im Freiraum wegen der hohen UV-Einwirkungen nur eine be-grenzte Lebensdauer und verschmutzen außerdem sehr stark. Mörtelfugen ist der Vorzug zu geben, jedoch sollte an den Stö-ßen zwischen den einzelnen Abdeckplat-ten ein V-förmig gefaltetes Blech oder ein halbrundes, kaum sichtbares Kunststoff-profil unterlegt werden, um von oben ein-dringendes Wasser nach außen abzuleiten. Die Fugen sollten nicht zu schmal, eher reichlich bemessen werden (8 bis 10 Milli-meter), um sie einwandfrei mit Mörtel aus-fugen zu können. Es ist unbedingt darauf zu achten, dass auch in der Mörtelfuge mit der Fugenkelle eine kleine Tropfnase ausgebildet wird. Eine besonders schöne,

aber auch sehr teure Art der Verfugung ist das Ausgießen mit Blei, wie man es gele-gentlich bei sehr hochwertigen, denkmal-geschützten Objekten sieht.

Mauerkronen mit Ziegelabdeckungen – verwendet werden sowohl Profilziegel als auch Biberschwanzziegel – waren in den fünfziger und sechziger Jahren weit ver-breitet. Diese Art der Mauerkrone wirkt sehr rustikal und ist nur in einem stilistisch entsprechenden Umfeld anzuraten. Sie ist aber baukonstruktiv eine sehr zuverlässige, dauerhafte und vergleichsweise recht preis-günstige Lösung.

DehnfugenDa Mauern oft lang sind, hat man auch ther-mische und alterungsbedingte Schwind- und Dehnungsprozesse zu berücksichtigen. In regelmäßigen Abständen von 5 bis 8 Metern sind vom Fundament bis zur Abdeckung durchgehende Dehnfugen vorzusehen. Die-se fungieren als Sollbruchstellen und verhin-dern Rissbildungen im Mauerwerk.

Entwurfsgrundlagen

Beim Entwurf einer Mauer denkt der Planer nicht nur an Funktionalität und Konstruktion, sondern auch an ein optimales Erschei-nungsbild. Eine Mauer kann sich ganz dem Umfeld anpassen und stilistische Eigenarten der Umgebung fortschreiben, seien es nun historische Gegebenheiten oder ganz mo-derne Zusammenhänge. Eine Mauer kann aber auch – sofern eine bestimmte Größen-ordnung gegeben ist – als eigenständiges Element auftreten und einen gezielten Kon-trapunkt zur Umgebung schaffen.

Mauern als Gestaltungselemente bieten vielseitige Möglichkeiten und bedürfen ne-

ben der Materialauswahl zahlreicher plane-rischer Überlegungen: Neben der richtigen Dimensionierung ist vor allem die überzeu-gende Linienführung im Gelände eine wich-tige planerische Aufgabe.

HöheBei der Planung einer Mauer ergibt sich sehr schnell die Frage nach der richtigen und angemessenen Höhe. Statt in Zentimetern bezeichnet man die Höhen in der Entwurfs-phase besser mit den Kategorien: kniehoch, tischhoch, schulterhoch, übermannshoch, entsprechend in etwa den Höhen von 40, 70, 150, über 180 Zentimetern. Diese be-schreibenden Höhenangaben stehen den meisten Gesprächspartnern deutlicher vor Augen als eine abstrakte Zahl – so lässt sich vermeiden, dass die Bauherrschaft nach Fer-tigstellung mit der ausgeführten Höhe unzu-frieden ist. Es kann für alle Beteiligten sehr hilfreich sein, mit Hilfe von Latten, Schnüren, Pappen oder Schaltafeln den Entwurf der Mauer im Maßstab 1 : 1 vor Ort darzustellen und so die Planung vor Beginn der Bauarbei-ten zu überprüfen.

Die richtige Höhe ergibt sich letztlich immer aus den Gesamtzusammenhängen. Eine schulterhohe Mauer mag an vielen Stellen eine zu starke und unangenehme, an anderen Stellen eine zu wenig wirksame Trennung bedeuten.

Bei Stützmauern, die der topographischen Gestaltung dienen, kann, sofern genü-gend Platz zur Verfügung steht, auch eine Unterteilung der zu überwindenden Höhe in mehrere niedrigere Mauern, also eine Abtreppung ausgeführt werden. Dies ist meist wesentlich überzeugender als die Ab-stützung des Höhenunterschieds mit einem einzigen, entsprechend unmaßstäblichen Geländesprung.

oben: Die etwa 2,75 Meter hohe Bruchsteinmauer wird

durch die sich deutlich abzeichnenden horizontalen

Schichtungen und vertikale Dehnfugen sehr schön geglie-

dert. Beispiel aus Dublin, Republik Irland

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MauerdickeDie Mauerdicke oder Mauerstärke ist von der zu erwartenden Last abhängig und sollte im Zweifelsfall mit einem Statiker abgespro-chen werden. Insbesondere für freistehende Mauern gilt es jedoch auch, eine jeweils insgesamt stimmige Proportion zu finden. Abhängig vom verwendeten Material wirkt das Bauwerk sonst schnell zu wuchtig oder auch zu dünn. Bereits bei den Überlegungen zur Mauerstärke muss über die Abdeckung nachgedacht werden, um die Vorstellungen aufeinander abstimmen zu können. Vor allem an freistehenden Mauerendpunkten und im Bereich von Durchgängen wird die Abstim-mung von Mauerhöhe und Mauerstärke samt Abdeckung wie im Querschnitt sichtbar und muss daher überzeugend gelöst sein.

Mauern am HangAls Elemente der Garten- und Landschafts-architektur müssen Mauern in vielen Fällen auf die Topographie reagieren. Eine mit dem

Hang verlaufende Mauer hat in der Regel eine abgetreppte horizontale Kontur, die auf Basis von Geländeschnitten sorgfältig ge-plant werden muss.

Neue Mauern werden in Garten und Landschaftsraum durchaus als Bauwerke wahrgenommen. Damit sind sie den Geset-zen der Geometrie verpflichtet, verlangen materialabhängig nach einem gewissen Maß an Perfektion, nach Rechtwinkligkeit, nach lot- und waagrechten Linienführungen. Auch die Lagerfugen des Mauerwerks werden üblicherweise horizontal geführt, selbst bei Mauern, deren Gesamtkontur von der Horizontalen abweicht. Nur im landschaftlich geprägten Umfeld und nur bei Natursteinmauern oder in bestimmten, eindeutig beabsichtigten künstlerischen Zusammenhängen akzeptiert das Auge Mauerkonturen, die von der Horizontalen abweichen. Bei Feldmauern ist es jedoch eine Selbstverständlichkeit, dass sie sich dem Geländeverlauf anpassen und auf eine horizontale Kontur verzichten.

Baurechtliche BelangeDer Entwurf von Mauern ist unter Umstän-den auch mit baurechtlichen Fragen verbun-den, die in Deutschland von der Landesbau-ordnung geregelt werden. Wenn eine Mauer auf der Grundstücksgrenze geplant wird, ist bezüglich der Höhe das in Deutschland je nach Bundesland ganz unterschiedliche Nachbarrechtsgesetz zu beachten. In den meisten Bundesländern sind Grenzmau-ern, die im Unterschied zu Hecken als tote Einfriedungen bezeichnet werden, bis zu einer Höhe von 1,50 Metern zulässig. Soll die Mauer höher werden, muss sie um das Maß, um das die Höhe von 1,50 Metern überschritten wird, von der Grenze abge-rückt werden.

Oft wird nicht bedacht, dass auch das Fundament nicht über die Grenze hinaus-ragen darf. Um diese Überschreitung zu vermeiden, müssen gegebenenfalls Fun-damente mit winkelförmigem Querschnitt, sogenannte Stiefelfundamente, vorgesehen werden.

Die Gartenanlagen und Mauern unterhalb des Stockalper-

Palastes aus dem 17. Jahrhundert wurden erst vor wenigen

Jahren grundlegend saniert. Brig im Wallis, Schweiz

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Natursteinmauern

Feldmauer aus Findlingen und plattenförmigen

Bruchsteinen in der nordenglischen Grafschaft Cumbria

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Natursteinmauern sind wegen ihrer leben-digen, natürlichen Oberflächen, ihrer Dau-erhaftigkeit und ihres sympathischen Alte-rungsverhaltens im Garten- und Landschafts-bau besonders beliebt. Das Erscheinungs-bild von Natursteinmauern wird nicht nur vom verwendeten Material, sondern sehr stark auch von der Qualität der handwerk-lichen Bearbeitung bestimmt. Bis zur Indus-triellen Revolution wurden aufgrund der be-grenzten Transportmöglichkeiten vorwiegend Materialien aus der jeweils näheren Umge-bung für Natursteinmauern verwendet. In vielen Regionen fanden auch Lesesteine, die unmittelbar von angrenzenden Feldern zusammengetragen wurden, im Mauerbau Verwendung. Heute sind Natursteine längst eine weltweit gehandelte Ware, und auch Mauersteine werden zum Teil über sehr wei-te Entfernungen transportiert.

Die DIN 1053 liefert das für Naturstein-mauern gültige Regelwerk und unterschei-det zwischen Trockenmauerwerk, Bruch-steinmauerwerk, Zyklopenmauerwerk, ham-

merrechtem, unregelmäßigem und regelmä-ßigem Schichtenmauerwerk, Quadermauer-werk und Verblendmauerwerk. Die Grenzen zwischen den einzelnen Mauerwerksarten lassen sich allerdings nicht exakt definieren. Wie bei keinem anderen Mauertyp sind gerade beim Natursteinmauerwerk die Er-fahrungen des ausführenden Handwerkers wichtiger als die DIN-Normen.

In der Ausführung wird unterschieden zwischen freistehenden, zweihäuptigen Natursteinmauern und einhäuptigen Natur-steinmauern; letztere sind Stützmauern mit nur einer Sichtfläche und einer Hinterfüllung an der Rückseite. Zur Fachterminologie ge-hören auch die Begriffe Läufer (oder Läufer-stein) und Binder (oder Binderstein). Ein Läu-fer nimmt nicht die volle Tiefe der Mauer ein, hat nur eine Sichtfläche und wird rückseitig um andere Steine ergänzt. Mit dem Begriff Binder werden Steine bezeichnet, die über die volle Mauertiefe reichen und, im Fall einer zweihäuptigen Mauer, beidseitig eine Ansichtsfläche haben. Unter Überbindung

versteht man den Versatz der Stoßfugen in den einzelnen Steinlagen beziehungswei-se die Überdeckung der Stoßfugen durch die folgende Steinschicht. Gemäß den Re-gelwerken sind bei Natursteinmauerwerk wenigstens 10 Zentimeter Überbindung gefordert. Stoßfugen dürfen also nie direkt übereinander liegen, sondern sind immer versetzt anzuordnen. Kreuzfugen sind nicht zulässig. Zu den Fachbegriffen des Natur-steinmauerwerks zählt auch der Anlauf (oder die Dossierung). Damit wird der für Natursteinmauern typische, sich nach oben kontinuierlich verjüngende, keilförmige Quer-schnitt der Mauern bezeichnet. Die Stütz-mauer ist deutlich zum Hang hin geneigt und erlangt somit eine höhere Standfestigkeit.

Häufig werden Stützmauern aus Natur-stein im Zuge der Mauerarbeiten schicht-weise mit Beton hinterfüllt; man spricht dann von hinterbetonierten Mauern. Im Unterschied zu Mauern mit Vorsatzschale verzahnen sich beim Hinterfüllen Beton und Naturstein und bilden damit auch statisch

Natursteinmauern

links: Zur Fachterminologie Natursteinmauerwerk gehören

die Begriffe: Schichthöhe, Einbindetiefe, Ansichtsfläche,

Überbindung, Lagerfuge, Stoßfuge.

rechts: Die Mauern des Karlsruher Nordwestfriedhofs

bestehen aus Granit, haben eine sattelförmige Mauerkrone

und fügen sich mit ihren schwingenden Grundrisskonturen

hervorragend in die landschaftliche Umgebung ein.

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eine Einheit. Bei hinterbetonierten Mauern ist für den Einbau des Betons kein moder-nes Schalungssystem erforderlich. Frontsei-tig dient das Natursteinmauerwerk als Scha-lung, hangseitig kann mit Kanthölzern und einfachen Schaltafeln eine Schalung erstellt werden.

Abgesehen von Trockenmauern sollten Natursteinmauern eine solide Abdeckung erhalten, um eindringendes Regenwasser fernzuhalten und damit Frostschäden und gegebenenfalls Ausblühungen vorzubeugen. Die Ausführung der Mauerkrone muss gut überlegt sein, weil sie ganz wesentlich das Erscheinungsbild und langfristig die Unver-sehrtheit der Mauer bestimmt. Sehr ge-bräuchlich ist die Verwendung von Abdeck-platten. Ein Überstand mit Tropfnase und Gefälle ist die technisch beste Ausführungs-art. Eine sehr schöne, traditionelle Form der Abdeckung ist der Abdeckstein. Er fügt sich durch Größe und Bearbeitung nahtlos in das Gesamtbild der Mauer ein. Der obere Abschluss von Trockenmauern in Form von

schweren Abdecksteinen oder Rollschicht dient vorwiegend der Stabilität der Gesamt-konstruktion.

Trockenmauern

Trockenmauern gehören zum gewohnten Bild vieler europäischer Kulturlandschaften und sind dort immer in weit zurückrei-chenden regionalen Traditionen verwurzelt. In holzarmen Landschaften, zum Beispiel in Irland, England, Wales und Schottland, aber auch in Apulien, auf den Balearen oder auf den Kykladen, sind die Viehweiden meist mit Trockenmauern umfriedet, da kein Material für den Zaunbau zur Verfügung stand. In vielen europäischen Weinbaulandschaften oder Gebieten mit Oliven- und Obstkulturen sind die Hanglagen mit landschaftstypischen Trockenmauern terrassiert. Auch in den Alpen, vor allem in der Schweiz, Österreich und Italien, findet man hervorragend aus-geführte Trockenmauern. Hier erlebten die

handwerklichen Traditionen beim Bau der Eisenbahnstrecken im 19. Jahrhundert ei-nen beachtlichen Aufschwung und fanden in einschlägigen Normen und Regelwerken bemerkenswerte ingenieurtheoretische Grundlagen.

Die DIN 1053 macht Aussagen zum fach-gerechten Mauerwerksverband, fordert eine Überbindung der Stoßfugen und schreibt vor, dass auf zwei Läufersteine wenigstens ein Binderstein folgen muss. Die DIN fordert ferner: »Die Bruchsteine sind ohne Verwen-dung von Mörtel unter geringer Bearbeitung in richtigem Verband so aneinander zu fü-gen, dass möglichst enge Fugen und kleine Hohlräume verbleiben. Die Hohlräume zwi-schen den Steinen müssen durch kleinere Steine so ausgefüllt werden, dass durch Einkeilen Spannung zwischen den Mauer-steinen entsteht.«

Das heißt, beim Trockenmauerwerk entsteht die notwendige kraftschlüssige Verbindung allein durch Reibung und Ver-spannung. Die handwerkliche Kunst besteht

rechts oben: Trocken aufgesetzte Friedhofsmauer mit sat-

teldachförmiger Mauerkrone; Bolton in der nordenglischen

Grafschaft Cumbria

rechts unten: Feldmauer aus plattenförmigem Bruchstein-

material in der nordenglischen Grafschaft Cumbria

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in einem möglichst engen und einheitlichen Fugenbild. Überbreite Fugen werden immer mit kleinen Zwickelsteinen verkeilt und zwar nicht nachträglich als kosmetische Korrektur sondern direkt im Zuge des Aufmauerns.

Freistehende Trockenmauern haben tradi-tionsgemäß meist eine Höhe zwischen 1 Meter und 1,60 Meter und dabei, je nach Beschaffenheit des Materials, am Fußpunkt eine Dicke von 50 bis 80 Zentimetern. Die ideale Proportion des Mauerquerschnitts (Mauerhöhe zu Mauerbreite) liegt bei Wer-ten zwischen 1 : 0,33 und 1 : 0,5. Trocken-mauern werden mit einem Anlauf von 10 bis 15 Prozent ausgeführt. Das heißt, eine 1,50 Meter hohe Mauer, die am Fußpunkt 75 Zentimeter breit ist, hat an der Mauerkrone noch eine Breite von 30 bis 45 Zentimetern.

Für Trockenmauern, die als Stützmauern dienen, gilt allgemein eine Höhe von 1,50 Meter als Obergrenze, obgleich in der Fach-literatur des Ingenieurbaus Beispiele von er-heblich höheren Mauern aufgeführt werden. Der Anlauf ist bei Stützmauern üblicherwei-se deutlich ausgeprägter als bei freistehen-den Mauern und liegt bei 15 bis 20 Prozent. Dadurch wird der Schwerpunkt der Mauer

zugunsten einer höheren Stabilität, eines verminderten Materialverbrauchs und einer schlankeren Mauerkrone in Hangrichtung verschoben.

Trockenmauern sind mit gut drainage-fähigem Material zu hinterfüllen, um drü-ckendes Hangwasser abzuleiten und die daraus, vor allem bei Frost, resultierenden Krafteinwirkungen vom Mauergefüge fern-zuhalten.

Das Ausgangsmaterial für den Bau von Trockenmauern ist in der Regel gar nicht oder nur sehr wenig vorbereitet. Der Hand-werker bearbeitet jeden einzelnen Stein direkt vor Ort und nach Bedarf, um eine möglichst gute Passgenauigkeit und damit eine hohe Stabilität zu erzielen. Die bei der Bearbeitung entstehenden Scherben finden zum Auszwicken und in der Hintermauerung Verwendung.

Je nach Ausgangsmaterial entstehen die unterschiedlichsten Mauer oberflächen: von feinen, schiefrigen Schichten bis hin zu gro-ben, unförmigen Blöcken in Kombination mit kleinen Füllsteinen ist nahezu alles denkbar. Auch verschiedene Mischformen sind mög-lich. Am überzeugendsten sind, trotz heutzu-

tage günstiger Transportmöglichkeiten, nach wie vor die Mauern aus regionaltypischem Material, das sich hervorragend in die Um-gebung einfügt.

Die Mauerkronen von Trockenmauern werden meist mit großformatigen Abdeck-steinen ausgeführt, die durch ihr relativ ho-hes Eigengewicht auch wesentlich zur Stabi-lität der Mauer beitragen. Häufig wird auch eine Rollschicht aus einer Reihe senkrecht oder schräg aufgesetzter Steine oder Plat-ten ausgeführt. Struktur und Fugenbild der durchgehenden Rollschicht heben sich deut-lich vom Fugenbild der Mauer ab, wodurch ein sehr reizvolles Gesamtbild entsteht.

Als verhältnismäßig flexible Konstruk tionen sind Trockenmauern unempfindlich gegen leichte Setzungen, damit erübrigt sich ein aufwendiges Fundament. Kleine, setzungs-bedingte Veränderungen im Mauerwerksver-band fallen nicht ins Auge und werden nicht als Bauschäden registriert. Trockenmauern ge-winnen zwar mit zunehmendem Alter durch ihre Patina an Schönheit, müssen jedoch re-gelmäßig gepflegt werden, und hin und wie-der sind kleine Reparaturen vorzunehmen, um einem Verfall vorzubeugen.

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oben: Zyklopenmauer aus Raumünzacher Granit beim

Friedhof Heidenstücker Siedlung in Karlsruhe

links oben: Niedrige Einfriedungsmauer eines ländlichen

Wohnhauses im Bundesstaat Maine, USA

links Mitte: Die Muschelkalkmauer mit schräger

Ansichtsfläche besteht aus quaderförmigen Bruchsteinen.

Das Ausgangsmaterial wurde nach Höhen vorsortiert und

in horizontalen Schichten eingebaut. Beispiel aus Backnang

links unten: Bruchraue Muschelkalkmauersteine in ver-

schiedenen Sortierungen. Durch die handwerkliche

Nachbearbeitung des Materials wurden hohe Passgenauigkeit

und ein harmonisches Fugenbild erreicht. Itzlings, Allgäu

UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Günter Mader, Elke Zimmermann

MauernElemente der Garten- und Landschaftsarchitektur

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 136 Seiten, 25,0 x 28,0 cmISBN: 978-3-421-03633-9

DVA Architektur

Erscheinungstermin: März 2008

Ästhetik und Planung von Mauern im Freiraum Mauern sind etwas Elementares: sie definieren Grenzen, schaffen Räume und bieten Schutz.Der Hortus conclusus, der sorgsam eingefriedete, mauerumschlossene Garten ist einarchetypisches Bild und lässt sich als Idealvorstellung durch alle Epochen bis zum Beginnunserer Zivilisation zurückverfolgen. Günter Mader und Elke Zimmermann präsentierenMauern im Freiraum, gegliedert nach Bauweisen, Materialien und Bearbeitungsformen. DieBetrachtungen reichen von traditionellen Trockenmauern in der Kulturlandschaft bis hinzu aktuellen Werken der Land Art, von der niedrigen Ziegelmauer eines Vorgartens überFriedhofsmauern bis hin zu Lärmschutzmauern an der Autobahn. Auf der Grundlage dervorgestellten Beispiele entwickeln die Autoren ein systematisches Regelwerk, das dem Planerwie auch dem Bauherrn und Gartenbauer das gestalterische Potenzial von Mauern in derGarten- und Landschaftsarchitektur lebendig vor Augen führt. • Einführung in Kulturgeschichte und Konstruktionslehre des Baus von Mauern• Entwicklung einer klaren Typologie• Mit vielen anschaulichen Beispielen und Anregungen für Freiraumplaner, Architekten,Bauherren, Handwerker und Gartenbauer


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