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Mathematik - medien-und-bildung.lvr.de · > Geometrie lehren und lernen – kompetenzorientiert und...

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02 MEDIENBRIEF Mathematik Schwerpunkt Mathematik Zeitgemäßer Mathematikunterricht – mehr als Rechnen 1914 – Mitten in Europa Das Rheinland und der Erste Weltkrieg Das LVR-Verbundprojekt Düsseldorfer Fenster Begleiten – Qualifizieren – Beraten Medienscouts in Düsseldorf Die Ausstellungen im 2. Halbjahr 2014 MEDIENBRIEF | N° 02.2014
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02MEDIENBRIEFMathematik

Schwerpunkt Mathematik Zeitgemäßer Mathematikunterricht –

mehr als Rechnen

1914 – Mitten in Europa Das Rheinland und der Erste Weltkrieg

Das LVR-Verbundprojekt

Düsseldorfer Fenster Begleiten – Qualifizieren – Beraten

Medienscouts in Düsseldorf

Die Ausstellungen im

2. Halbjahr 2014

MEDIENBRIEF | N° 02.2014

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Impressum

Herausgeber

Landschaftsverband Rheinland

Landeshauptstadt Düsseldorf

LVR-Zentrum für Medien und Bildung

Medienzentrum für die

Landeshauptstadt Düsseldorf

Medienberatung NRW

Schulmanagement NRW

Redaktion

Michael Jakobs, Claudia Hopstein

Layout & Reinzeichnung

Michael Jakobs

Postanschrift

Postfach 103453

40025 Düsseldorf

Besucheranschrift

Bertha-von-Suttner-Platz 1

40227 Düsseldorf

Kontakt

Telefon 0211 27404-2131

Fax 0221 8284-3463

E-Mail [email protected]

Internet www.medien-und-bildung.lvr.de

Titelbild

Grafikfähige Taschenrechner an Schulen

Foto: Rolf Vennenbernd, picture alliance/dpa

Druck

msk marketingservice köln GmbH

Bischofsweg 48-50, 50969 Köln

Auflage

6.000

Der MEDIENBRIEF erscheint zweimal jährlich und

kann kostenlos beim LVR-Zentrum für Medien und

Bildung abonniert oder als Einzelheft bestellt werden.

ISSN 1615-7257

MEDIENBRIEF | N° 02.2014

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Als Vorsitzende des Beirates des

LVR-ZMB, der die partnerschaftliche

Zusammenarbeit zwischen der Landes-

hauptstadt Düsseldorf und dem Land-

schaftsverband Rheinland gewährleistet,

freue ich mich über die neue Rubrik

»Düsseldorfer Fenster«, die sich im

Besonderen den Aufgaben und Projek-

ten des LVR-Zentrums für Medien und

Bildung als kommunales Medienzentrum

der Stadt Düsseldorf zuwendet.

Zum Schluss möchte ich mich bei

allen Autorinnen und Autoren für ihre

Beiträge bedanken und wünsche

Ihnen, liebe Leserinnen und Leser,

eine anregende Lektüre,

Ihre

Ulrike Lubek

Düsseldorf, im August 2014

Ulrike Lubek

LVR-Direktorin

Liebe Leserinnen und Leser,

als im vergangenen Dezember die

Ergebnisse des internationalen Pisa-

Tests von 2012 veröffentlicht wurden,

hat sich gezeigt, dass die Reformbe-

mühungen der vergangenen Jahre im

Fach Mathematik zu erfreulichen

Fortschritten geführt haben: Die

deutschen Schülerinnen und Schüler

haben deutlich bessere Leistungen

erbracht als bei der ersten Pisa-Erhe-

bung und liegen nun über dem Durch-

schnitt der teilnehmenden Länder.

Das haben wir zum Anlass genommen,

Mathematik zum Schwerpunktthema

dieses Medienbriefes zu machen.

Es werden neben anderen so unter-

schiedliche Aspekte wie die ge-

schlechtsspezifischen Unterschiede

beim Mathematiklernen, die Bedeutung

der Sprachkompetenz für den Mathe-

matikunterricht, das Thema Rechen-

schwäche oder auch Mathematik in der

Förderschule in den Blick genommen.

Außerdem stellen wir neue Fortbildungs-

angebote des Deutschen Zentrums für

Lehrerbildung Mathematik (DZLM) und

der Medienberatung NRW vor.

Zur Halbzeit des LVR-Verbundprojektes

»1914 – Mitten in Europa« möchten wir

auf die zahlreichen Ausstellungen und

Veranstaltungen entlang der Rhein-

schiene, von Bonn bis Wesel, aufmerk-

sam machen, die für den Herbst und

Winter anstehen. Auch von der geplan-

ten zweitätigen internationalen

Abschlusstagung mit Schüler-Konvent

im Februar 2015 im LVR-Industriemu-

seum Oberhausen werden wir berichten.

In einem weiteren Kapitel wollen wir die

neue Bildungspartnerschaft »Gedenk-

stätte und Schule«, die sich der landes-

weiten Förderung der Erinnerungskul-

tur verpflichtet hat, vorstellen.

Mathematik – Schülerinnen und Schüler für die Zukunft stärken

Foto: Dominik Schmitz, LVR-ZMB

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VORWORT

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Impressum 02

Vorwort 03

Inhaltsverzeichnis 04

Kurzinformationen 06

01 Schwerpunkt Mathematik

> Zeitgemäßer Mathematikunterricht –

mehr als Rechnen 09

> Geschlechterdifferenzen in Mathematik 12

> Mathematik im und am Rollstuhl.

Praxisbeispiele aus der LVR-Anna-Freud-Schule 14

> Dyskalkulie in der Primar- und Sekundarstufe 16

> Diagnose »Rechenschwäche« 18

> Sprache im Mathematikunterricht –

Eine aktuelle Herausforderung für die

Unterrichtsentwicklung und Ausbildung 20

> KIRA – eine Lernplattform für Lehrer 22

> Digitale Werkzeugkompetenzen im Mathematikunterricht 24

> Hilfen zur Entwicklung eines Lernmittelkonzepts 26

> Das DZLM: Qualifizieren – Forschen – Netzwerke bilden

> Mathematikunterricht der Zukunft –

Tagung am 24.09.2014 in Düsseldorf 28

> Geometrie lehren und lernen –

kompetenzorientiert und dynamisch 29

> Stochastik kompakt. Stochastik anwendungs-

und verstehensorientiert unterrichten 31

> GTR kompakt, Basiswissen kompakt 33

> Arithmeum – Museum für Rechenkunst

> Heinz Nixdorf MuseumsForum 34

> Mathe lernen mit YouTube??? 35

02 1914 – Mitten in Europa

> »Wir ungereimten Rheinländer...«

Zwischen Aufbruch und Beharrung. Die Rheinlande

und das literarische Leben 1900 – 1914 37

> Das (verlorene) Paradies.

Expressionistische Visionen zwischen Tradition und Moderne 38

> Playing Lawrence On The Other Side.

Die Expedition Klein und das deutsch-osmanische

Bündnis im Ersten Weltkrieg 39

> Zeichen gegen den Krieg.

Antikriegsplastik von Lehmbruck bis heute 40

> Köln 1914. Metropole im Westen 41

> Orte der Utopie.

Theater- und Raumkonzepte in Zeiten

des Krieges. Ein Europaprojekt 42

> Eurovision – Eine Zwischenbilanz.

Internationale Tagung mit Schüler-Konvent 43

Inhalt – unsere Themen

MEDIENBRIEF

N° 02.2014

Winslow Homer: Blackboard, National Gallery of Art, Washington DC

MEDIENBRIEF | N° 02.2014

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> Podcast WK I. Der Erste Weltkrieg

in Literatur und Öffentlichkeit 44

> 1914 – 1918: Ein rheinisches Tagebuch.

Quellen aus Archiven des Rheinlands 45

> Gabriel Chevalier: Heldenangst 45

03 Berichte

> Lehrerausbildung an der Schnittstelle

zwischen Fachdidaktik und Schulpraxis:

Digitale Medien im Geschichtsunterricht 47

> Das öffentliche Erinnern gestalten:

Bildungspartner NRW – Gedenkstätte und Schule 49

04 Partner im Verbund

> Planet Schule wird inklusiv 51

> Gelungene Premiere:

Erstes Schulfilmfest NRW macht Lust auf mehr 52

05 Quergedacht

> Denkanstöße! Ein psychologisches

Unterstützungsprogramm für Kollegium und Leitung 54

06 LVR-ZMB intern

> Neue Medien im Verleih 57

> Neue Landeslizenzen bei EDMOND NRW 58

> learn:line NRW – neues Design, verbesserter Service 59

07 Düsseldorfer Fenster

> Begleiten – Qualifizieren – Beraten.

Medienscouts in Düsseldorf 61

08 Besprechungen

> Michael Ballhaus: Bilder im Kopf. 64

09 Lernort Kultur

> Blick in den Spiegel.

Eine Projektwoche für Schülerinnen und Schüler 66

> Das Spiel der Masken.

Ein intergenerationelles Projekt für Menschen

mit Demenz und Vorschulkindern 67

Hinweis

Wir sind bemüht, in unseren Beiträgen Aspekte

des »Gender Mainstream« zu beachten und nach

Möglichkeit auf Personen bezogen sowohl die

weibliche als auch die männliche Form zu nutzen.

Aus Gründen der Vereinfachung und besseren

Lesbarkeit wird dies nicht von allen Autorinnen

und Autoren so gehandhabt. Das möchten wir

respektieren, legen jedoch Wert auf den Hinweis,

dass in der Regel das jeweils nicht erwähnte

Geschlecht mit einbezogen ist. Die Redaktion.

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INHALT – UNSERE THEMEN

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Foto: Stefan Arendt / LVR-Industriemuseum

Kurzinformationen –Wichtiges ganz schnell

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MEDIENBRIEF | N° 02.2014

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»Freizeit inklusiv gestalten!«

Menschen mit Handicap fällt es immer

noch schwer, adäquate Freizeitange-

bote zu finden. Viele Anbieter von

Freizeit- und Ferienmaßnahmen

bemühen sich jedoch um die Integrati-

on behinderter Menschen. Was aber

zeichnet inklusionsorientierte Freizeit-

angebote aus? Welche Erwartungen

haben Menschen mit Beeinträchtigun-

gen an ein gutes Freizeitangebot? Wie

können wir entsprechende Angebote

zum Regelfall machen?

Antworten auf diese Fragen suchten

im Frühjahr 2013 Expertinnen und

Experten in einem Workshop sowie

bei einem Fachdialog »Freizeit

inklusiv gestalten!« in Köln im Herbst

2013.

Die Dokumentation »Freizeit inklusiv

gestalten! Auf dem Weg zu kreativen

und partizipativen Freizeitangeboten«

fasst die Beiträge aus Wissenschaft

und Praxis zusammen. Auf Grundlage

dieser Expertise werden Fortbildungs-

module erarbeitet und erprobt, die

helfen sollen, Freizeit inklusiv zu

gestalten.

Die Dokumentation steht auf www.

mdien-und-bildung.lvr.de zum

Download zur Verfügung.

museum. wie geht das?

Junge Kulturreporterinnen und Kultur-

reporter machen sich auf den Weg in

Museen und fragen: »Museum, wie

geht das?«, »Was machen die Men-

schen, die im Museum arbeiten, den

ganzen Tag?« oder »Woher kommen

die Ideen für Ausstellungen?«

Ausgestattet mit Kamera und Mikrofon

besuchen die Kinder die drei Schau-

plätze des LVR-Industriemuseums in

Oberhausen, Bergisch-Gladbach und

Solingen. Sie schauen sich die

Ausstellungen an, werfen einen

kritischen Blick auf die Mitmach-Stati-

onen und interviewen die Mitarbeite-

rinnen und Mitarbeiter. Nach ihrer

Recherche entscheiden sie, ob sie

dem Museum das Prädikat »kultur.

gut« verleihen.

Ziel des Projektes ist es, die Bereiche

digitale Medien und Museen, die

Kinder und Jugendliche oft nur

getrennt voneinander erfahren, zu

verbinden. Der Umgang mit diesen

Medien prägt Art und Inhalt kindlicher

und jugendlicher Wahrnehmung und

Weltaneignung und ist damit ein

bedeutender Sozialisationsfaktor.

Nachhaltige kulturelle Bildungsarbeit

mit Kindern und Jugendlichen setzt

sich daher mit digitalen Medien in

ihrer Wechselwirkung zur analogen

Welt konstruktiv auseinander.

Die Ergebnisse der Entdeckungstou-

ren sind auf DVD erschienen. Diese

kann kostenfrei bestellt werden - so-

lange der Vorrat reicht. Kontakt: Stefa-

[email protected] oder Tel: 0211

27404-2030.

KinderKinoFest Düsseldorf

Vom 13.-19. November 2014 heben sich

in sieben Düsseldorfer Kinos wieder

die Vorhänge zum 29. KinderKinoFest.

Das diesjährige Motto lautet »Fürein-

ander stark!«. Gezeigt werden aufre-

gende Kinder- und Jugendfilme die

beweisen, dass man gemeinsam viel

erreichen kann. Ein großes Angebot

von Mitmachaktionen beschäftigt sich

mit dem Thema Medien und Film.

Kinder und Jugendliche können bei

diesem Programm selbst aktiv werden

und gemeinsam hinter die Kulissen der

Filmwelt blicken.

Weitere Informationen finden Sie auf

www.kinderkinofest.de

EDMOND NRW personell verstärkt

Mit multimedialen Materialien, Schul-

fernsehsendungen oder Zeitzeichen-

sendungen des WDR guten Unterricht

gestalten, das gelingt mit den vielfälti-

gen Angeboten von EDMOND NRW.

Lehrkräfte, die sich mit einer Schul-

nummer einmal bei EDMOND NRW

angemeldet haben, können per Maus-

klick und Download auf den Medien-

service zur Unterrichtsvorbereitung

und für die Arbeit mit den Schülerin-

nen und Schülern kostenlos und

rechtlich sicher zugreifen.

EDMOND NRW ist ein kommunal-

staatlich finanziertes gemeinsames

Angebot vom LVR-Zentrum für Medien

und Bildung und dem LWL-Medienzen-

trum für Westfalen sowie den kommu-

nalen Medienzentren.

Seit dem 1. Juni 2014 verstärkt Georg

Weber als wissenschaftlicher Referent

das EDMOND NRW-Team im LVR-

Zentrum für Medien und Bildung in

Düsseldorf und steht Ihnen für Fragen

zu EDMOND NRW zur Verfügung.

Kontakt:

[email protected]

Tel: 0211 27404-3183

www.edmond.nrw.de

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KURZINFORMATIONEN – WICHTIGES GANZ SCHNELL

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Zeitgemäßer Mathematikunterricht – Geschlechterdifferenzen –

Sprache im Mathematikunterricht – Dyskalkulie –

Digitale Werkzeugkompetenz – Fortbildungsangebote

01 Schwerpunkt Mathematik

Foto: Inkeri Tunnigkeit

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MEDIENBRIEF | N° 02.2014

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Zeitgemäßer Mathematikunterricht – mehr als Rechnen

Was sind eigentlich zentrale Ziele des Mathematikunter-

richts? Warum wird Mathematik durchgehend von Klasse 1

bis zum Abitur mit hoher Stundenzahl unterrichtet,

während sich etwa der Musikunterricht mit dem Kunstun-

terricht abwechseln muss und auch nur mit geringerer

Stundenzahl gegeben wird? Wie sollte Mathematikunter-

richt heute gestaltet sein?

Wer Menschen auf der Straße solche Fragen stellt, erhält

Antworten, die durch deren subjektive Erfahrungen im

Mathematikunterricht geprägt sind. Einige empfinden

Mathematik als »schwierig«, andere als »unverständlich«,

manche mussten kaum lernen und haben trotzdem »alles

verstanden«. Erinnert werden dann häufig klassische Sätze

und Rechenschemata wie der Satz des Pythagoras in einer

zu stark verkürzten Form oder die »drei Grundformeln« der

Prozentrechnungen; auch die Bedeutung des Kopfrechnens

wird immer wieder betont. Häufig entsteht dabei der

Eindruck als habe sich im Mathematikunterricht in den

vergangenen Jahrzehnten kaum etwas verändert und läge

der Schwerpunkt auf Rechen- und Fertigkeitstraining!

Tatsächlich stellt das sichere Rechnen und Anwenden von

Formeln ein unstrittiges Ziel des Mathematikunterrichts

dar und kommt daher der »Kopfmathematik« eine wichtige

Bedeutung zu, aber für ein flexibles Anwenden mathemati-

scher Begriffe und Routinen ist mehr nötig. Hierzu ist es

notwendig, zu verstehen, was hinter den Begriffen und Ver-

fahren steckt, welche Bedeutung und welchen Sinn sie

haben. Und dieses Verstehen ist wichtig für weitergehende

Anwendungen von Mathematik oder Erkundungen in der

Mathematik, die im allgemeinbildenden Mathematikunter-

richt zentral sind und seinen hervorgehobenen Stellenwert

mit begründen. Auch jenseits der Schule braucht es die

Flexibilität mit Mathematik umgehen zu können, weder

Schulbuch noch Lehrperson geben einem vor, welches

Rechenverfahren angewendet werden muss. Wer zwei

Finanzierungsmodelle für eine größere Anschaffung

miteinander vergleichen möchte, muss selbst herausfin-

den, welches mathematische Handwerkszeug hierbei

nützlich ist – und dieses sicher anwenden können.

Der flexible und verständige Umgang mit mathematischen

Begriffen und Konzepten sowie die sichere Anwendung von

Rechenverfahren entfalten ihr Potenzial nur gemeinsam.

Dies wird in aktuellen Bildungsstandards und Kernlehrplä-

nen dadurch berücksichtigt und gestärkt, dass neben

»inhaltsbezogenen Kompetenzen« auch »prozessbezogene

Kompetenzen« als verbindliche Ziele vorgegeben werden.

Dabei geht es um typische Prozesse für das Anwenden und

Betreiben von Mathematik wie Modellieren, Argumentieren

und Problemlösen, aber auch um das fachtypische Kom-

munizieren und das Nutzen von (klassischen und digitalen)

Werkzeugen.

Für einen allgemeinbildenden Mathematikunterricht ist

aber auch von Bedeutung, dass die Schülerinnen und

Schüler erfahren, dass Mathematik nicht nur der direkten

Alltagsbewältigung dient, sondern eine große kulturhistori-

sche Errungenschaft darstellt, zu der sie genauso einen

Zugang wie etwa zur Literatur finden sollten. Mathematik

kann in gewisser Hinsicht als eigene Kultur verstanden

werden, in der mit einer eigenen Sprache und Symbolik vor

allem in Quantitäten oder in Formen erfassbare Sachver-

halte verstanden und gestaltet werden können. Nicht

umsonst zählt der basale Umgang mit Zahlen, Grundre-

chenarten und geometrischen Formen zu den Kulturtechni-

ken. Dabei sind die Objekte der Mathematik grundsätzlich

theoretischer Natur und können dennoch schon auf dem

Niveau der Grundschule hervorragend verdeutlichen, wozu

der menschliche Geist imstande ist und damit eine Faszina-

tion für Mathematik wecken. Gibt es eine größte Zahl? Wenn

Schülerinnen und Schüler zum Ende der Grundschulzeit

verstanden haben, wie Zählen funktioniert und wie schritt-

weise größer werdende Zahlen in unserem Dezimalsystem

gebildet werden, gelangen sie schnell zur Antwort, dass

man doch immer weiterzählen kann. Es kann also keine

größte Zahl geben. Man kann immer noch »Eins dazutun«!

An diesem einfachen Beispiel lässt sich auch mit Schülerin-

nen und Schülern der Unterschied zwischen mathemati-

schem und experimentell-naturwissenschaftlichem

Erkenntnisgewinn diskutieren: Keine Messung, kein

naturwissenschaftliches Experiment kann Belege dafür

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01 | SCHWERPUNKT MATHEMATIK

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MEDIENBRIEF | N° 02.2014

liefern, dass unendlich viele natürliche Zahlen »existieren«.

Beim Umgang mit nur gedanklich präsenten natürlichen

Zahlen, die den Prozess des Zählens mit der Möglichkeit

des fortwährenden Weiterzählens berücksichtigt, sind

beliebig große Zahlen aber eine zwangsläufige Konsequenz.

Da die Objekte der Mathematik theoretischer Natur sind, ist

ein Ringen um die Bedeutung umso wichtiger, sollte die

Frage nach dem Sinn der jeweiligen Thematik eine wichtige

Rolle spielen. Wenn Schülerinnen und Schüler flexibel und

verständig mit Mathematik umgehen können sollen,

müssen sie Mathematik als Antwort auf herausfordernde

Fragestellungen unter Anleitung der Lehrkräfte selbst

entwickeln und sich aneignen können: Für welche Problem-

stellungen wurde die Prozentrechnung erfunden? Wie

erhalte ich einen guten Überblick über eine Fülle von

Daten? Welche Fragestellungen führen auf den Umgang mit

Wahrscheinlichkeiten? Welche Informationen kann einem

die Ableitung einer Funktion liefern? Das Ringen um die

Bedeutung weitergehender Konzepte benötigt einerseits

bestimmte individuell verfügbare fachliche Voraussetzun-

gen, andererseits aber auch den sozialen Austausch. Die

mathematikdidaktische Forschung weist seit langem

darauf hin, dass mathematisches Wissen in einem Prozess

sozialer Konstruktion gewonnen wird. Das heißt, dass der

Kommunikation im Mathematikunterricht eine entscheiden-

de Rolle zukommt: Ich verstehe das so – wie verstehst du

das? Ein verstehensorientierter Mathematikunterricht

benötigt Raum für die Klärung von Verstehensfragen:

Warum können zwei Rechtecke mit ganz unterschiedlichen

Seitenlängen den gleichen Flächeninhalt haben?

Auf der einen Seite ist das gemeinsame Arbeiten an

gleichen Fragestellungen im Mathematikunterricht

wichtig, damit entsprechende Diskussionen – das gemein-

same Ringen um Verstehen – angeregt werden. Auf der

anderen Seite ist erkennbar, dass die seit jeher heteroge-

nen Lerngruppen in unseren Schulen immer heterogener

werden. Die Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und

Schüler unterscheiden sich in immer mehr Bereichen

immer stärker voneinander. Dies beginnt bei den fachli-

chen Voraussetzungen für fortgesetzte Lernprozesse im

Mathematikunterricht, geht über die Frage des Unterstüt-

zungspotenzials des sozialen Umfelds, über unterschiedli-

che Kompetenzen in der Unterrichtsprache, hin zu

genderspezifischen Einstellungen zum Fach, weiter über

unterschiedliche Lerngewohnheiten, –strategien und

Zugangsweisen. Durch die schrittweise Umsetzung von

Inklusion werden die Herausforderungen in diesem

Bereich noch größer. Neben der oben betonten Notwen-

digkeit gleicher Fragestellungen im Mathematikunterricht

ist also auch ein großer Bedarf an effektiver Differenzie-

rung vorhanden, die dafür sorgt, dass Schülerinnen und

Schüler gleichermaßen herausfordernde wie zugängliche

Lernumgebungen erhalten. Hier kommt vor allem der

natürlichen oder Selbst-Differenzierung eine wichtige

Rolle zu. Neben der Stufendifferenzierung als Sequenz von

schrittweise schwieriger werdenden Aufgaben und der

Paralleldifferenzierung mit einem Parallelangebot von

zwei oder drei Aufgaben unterschiedlichen Schwierig-

keitsgrads wird hier die Gefahr der zu starren und zu

groben Einteilung nach »gut-schlecht« vermieden und

spielen alle der oben genannten Kriterien zur Differenzie-

rung eine Rolle. Selbstdifferenzierende Aufgaben ermögli-

chen bei gleichen Fragestellungen unterschiedliche

Herangehensweisen und Lösungen auf verschiedenen

Niveaus. Wie dies gehen kann, soll das abgebildete

Beispiel verdeutlichen.

Jonas soll am Wochenende noch zwei ungeliebte

Dinge erledigen und hat sich zwei schöne Dinge

vorgenommen: Zimmer aufräumen, Fußballschuhe

putzen, Schwimmen gehen und Eis essen.

Nun überlegt er, in welcher Reihenfolge er die vier

Dinge erledigen soll.

Wie viele unterschiedliche Reihenfolgen sind

möglich? Gib einige unterschiedliche Reihenfolgen

an!

> Findest du alle möglichen Reihenfolgen?

> Kannst du begründen, warum es keine weiteren

Reihenfolgen geben kann?

> Wie viele Reihenfolgen gibt es, wenn Jonas dem

Grundsatz folgt »Erst die Pflicht – dann das

Vergnügen!«?

> Wie viele Möglichkeiten würde es geben, wenn

Jonas insgesamt sechs Dinge erledigen sollte?

Bei der Aufgabe im Beispiel werden alle Schülerinnen und

Schüler einige mögliche Reihenfolgen angeben können.

Viele werden alle 24 Möglichkeiten finden. Einige verwen-

den dabei vielleicht eine strukturierte Auflistung und

können begründen, dass es keine weiteren geben kann.

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Diese Struktur kann wiederum Ausgangspunkt für das

Finden einer Formel (4 x 3 x 2) sein, die eine Übertragung

des Ergebnisses auf »sechs Dinge« und eine darüber

hinausgehende Verallgemeinerung ermöglicht. Eine

gemeinsame Fragestellung kann also auf unterschiedli-

chen Niveaus bearbeitet werden und zu unterschiedlich

tiefer Erkenntnis führen. Der Vorteil der gemeinsamen

Fragestellung ist dabei, dass auch diejenigen, die nur

einige Möglichkeiten gefunden haben, beim Austausch in

Kleingruppen oder der gesamten Lerngruppe die weiter-

führenden Überlegungen häufig nachvollziehen können.

Eine Voraussetzung für den produktiven Austausch bleibt

aber immer, dass alle Schülerinnen und Schüler in

gewissem Umfang über sicheres Wissen und Können

verfügen.

Wenn Schülerinnen und Schüler dazu befähigt werden,

mathematische Fragestellungen mithilfe digitaler Werk-

zeuge - zum Beispiel durch den ab August 2014 verpflich-

tenden Einsatz grafikfähiger Taschenrechner - zu bearbei-

ten, erfüllt die Schule die Aufgabe der Berufs- und

Lebensvorbereitung. Schon in zahlreichen Ausbildungsbe-

rufen werden Kenntnisse der Auszubildenden etwa in

Tabellenkalkulation vorausgesetzt. Auch für die kompe-

tente Einschätzung von komplexen Handytarifen kann

dieses Werkzeug mit seiner Dynamik, Werte zu verändern

und Auswirkungen zu betrachten, äußerst hilfreich sein

und dazu beitragen, dass sich niemand »blind« auf den

Tarifrechner im Internet verlassen muss. Digitale Werk-

zeuge spielen jedoch nicht nur eine Rolle beim Anwenden

und Üben von Mathematik, sondern insbesondere beim

Verstehen und Kennenlernen neuer Begriffe und Zusam-

menhänge. Sie bieten damit über die Realisierung von

Berufs- und Lebensvorbereitung hinaus ein erhebliches

Potenzial für die Gestaltung eines zeitgemäßen Mathema-

tikunterrichts. Durch die zeitliche Entlastung um immer

wiederkehrende Routineberechnungen und die Dynamik

und Interaktivität der Geräte und der Software werden Zeit

und Möglichkeiten gegeben, mathematische Zusammen-

hänge zu untersuchen und besser zu verstehen. Wie

verändert sich ein Funktionsgraph, wenn bestimmte Werte

in der Funktionsgleichung verändert werden? Welche

Gemeinsamkeiten und Unterschiede stecken in den

Beispielen, die der Rechner liefert (Graphen oder Terme)?

Digitale Werkzeuge bieten für entsprechende Untersu-

chungen erheblich mehr Möglichkeiten als »Papier und

Bleistift«, und vor allem bieten sie ein wichtiges Instru-

mentarium zur Kontrolle eigener Rechnungen und

Überlegungen. Zu einem zeitgemäßen Unterricht gehört

neben dem bewussten Vertiefen von Fertigkeiten, die auch

ohne Rechner gekonnt sein müssen, vor allem ein Nutzen

der digitalen Werkzeuge für ein tieferes Verstehen von Ma-

thematik. Ein solch verständiger Umgang mit digitalen

Werkzeugen stellt - und das belegen zahlreiche Studien

- einen Mehrwert für das Lernen von Mathematik dar.

Prof. Dr. Bärbel Barzel, Prof. Dr. Andreas Büchter

Bärbel Barzel und Andreas Büchter sind Professorin beziehungsweise Professor für

Mathematikdidaktik an der Universität Duisburg-Essen

Foto: Dominik Schmitz, LVR-ZMB

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01 | SCHWERPUNKT MATHEMATIK

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Geschlechterdifferenzen in Mathematik

Bereits in den 1970er Jahren galten in der Forschungsli-

teratur Mädchen als Problemgruppe im Fach Mathematik.

Inzwischen stehen in der bildungspolitischen Diskussion

Jungen stärker im Fokus der Aufmerksamkeit und

werden mit dem Begriff der »neuen Bildungsverlierer«

bezeichnet (Rustemeyer, 2009). Damit hat sich jedoch der

Problembereich Geschlechterdifferenzen in Mathematik

keineswegs erledigt, wie ein Blick auf die Ergebnisse der

PISA-Studie 2012 zeigt, deren Schwerpunkt auf Mathema-

tik lag, während Naturwissenschaften, Problemlösen und

Lesekompetenz als Nebenkomponenten erfasst wurden

(OECD, 2014).

Erfreulicherweise ist zunächst festzuhalten, dass die

15-jährigen Schülerinnen und Schüler in Deutschland in

Mathematik und in Naturwissenschaft besser als in den

vorherigen Erhebungen abgeschnitten haben und ihre

Ergebnisse inzwischen über dem OECD-Durchschnitt

liegen. Bildungsforscher führen das Ergebnis für

Deutschland u. a. auf neu eingeführte Maßnahmen wie

Ganztagsschulen oder verbindliche Bildungsstandards

zurück. Vor allem im Bereich Mathematik sind Schulbü-

cher verbessert worden und geänderte didaktische

Konzepte (die z. B. bei Aufgaben verschiedene Lösungs-

wege zulassen) etabliert worden.

Die aktuelle Pisa-Studie zeigt weiter, dass bedeutsame

Geschlechterunterschiede in fast allen beteiligten Ländern

auftreten, wobei in Deutschland die Leistungsunterschie-

de in Mathematik zwischen Mädchen und Jungen größer

sind als im OECD-Durchschnitt (OECD, 2014, S. 80).

Während 2003 der Leistungsabstand zwischen beiden

Geschlechtern 9 Punkte betrug, hat er sich inzwischen

auf 14 Punkte erhöht. Darüber hinaus erreichen Jungen

nicht nur durchschnittlich bessere Leistungen als

Foto: Dominik Schmitz, LVR-ZMB

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MEDIENBRIEF | N° 02.2014

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Mädchen, sie erzielen auch häufiger Höchstleistungen,

während die Mädchen eher im Mittelfeld liegen.

Es werden verschiedene Ursachen diskutiert, warum

diese Geschlechterunterschiede auftreten; sie reichen von

einem unterschiedlichen Begabungsspektrum bei Mäd-

chen und Jungen, einem unterschiedlich stark ausgepräg-

ten mathematischen Selbstkonzept (vgl. Rustemeyer, 2011,

S. 73ff.), das einen wichtigen Einfluss auf die Mathematik-

leistung hat, bis hin zu geschlechterspezifischem Unter-

richtsverhalten und geschlechtsstereotypen Erwartungen

der Lehrkräfte.

Auffällig ist, dass in den nordischen Ländern (Island,

Finnland, Schweden), in denen eine weitgehende Gleich-

stellung von Frauen und Männern vorhanden ist, Mädchen

im Vergleich zu Jungen ebenso gute oder sogar bessere

Leistungen im Bereich Mathematik erzielen. Die ge-

schlechtsspezifische Variation der Leistungen zwischen

einzelnen Ländern lässt darauf schließen, dass systemati-

sche Unterschiede im Fach Mathematik nicht primär auf

unterschiedliche Begabungen zurück geführt werden

können, sondern in engem Zusammenhang mit stereoty-

pen Einstellungen und Überzeugungen stehen, die zudem

gesellschaftlich verstärkt werden.

So beschreibt die OECD (2014) die geschlechtsspezifische

Einstellung zum Fach Mathematik als besorgniserregend.

Betrachtet man die Selbsteinschätzung der Schülerinnen

und Schüler, so haben Mädchen nach wie vor weniger

Vertrauen in ihre mathematischen Fähigkeiten als Jungen

und sind gegenüber der Mathematik negativer eingestellt.

Dies wird auch dann nicht aufgehoben, wenn Mädchen und

Jungen gleiche Ergebnisse erzielen. Außerdem haben

Mädchen ein geringeres mathematisches Selbstkonzept

und mehr Angst vor Mathematik als Jungen.

Diese Befunde sind seit langem bekannt (vgl. dazu Becker

et al., 2010), aber offensichtlich ist es trotz vielfältiger

Bemühungen noch nicht gelungen, eine bedeutsame

Veränderung in Richtung einer geschlechtergerechten

Schule und geschlechtergerechten Unterrichts im Fach

Mathematik herzustellen (Rustemeyer, 2009). Einen

interessanten Befund konnte Schirner (2013) in einer

umfangreichen videobasierten Studie für das Fach Mathe-

matik nachweisen. Danach gibt es einen signifikanten

Zusammenhang zwischen der Einstellung von Lehrkräften

(»Mathematik ist ein Jungenfach«) und der höheren

Unterrichtsbeteiligung der Jungen, in dem sie häufiger auf-

gerufen werden oder häufiger Feedback erhalten.

Literatur

Becker M., Buhl M., Klewin G., Ludwig P. H., Rustemeyer

R., Tillmann K.- J., & Trautwein U. (2010). Empirische

Forschung im Sekundarbereich. In R. S. Jäger, P. Nenni-

ger, H. Petillon, B. Schwarz & B. Wolf (Hrsg.). Empirische

Pädagogik 1990-2010. Eine Bestandsaufnahme der

Forschung in der Bundesrepublik Deutschland. Bd. 2:

Institutionenbezogene empirische pädagogische For-

schung. (Erziehungswissenschaft, Bd. 30, S. 93-132).

Landau: Verlag Empirische Pädagogik.

OECD (2014). PISA 2012 Ergebnisse: Was Schülerinnen

und Schüler wissen und können. Schülerleistungen in

Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften

(Band I, überarbeitete Ausgabe, Februar 2014). Gütersloh:

W. Bertelsmann Verlag,

http://dx.doi.org/10.1787/9789264208858-de

Rustemeyer, R. (2009). Geschlechtergerechte Gestaltung

des Unterrichts. In: Enzyklopädie Erziehungswissenschaft

Online (EEO), Fachgebiet: Geschlechterforschung, hrsg.

von H. Faulstich-Wieland, Weinheim und München (www.

erzwissonline.de).

Rustemeyer, R. (2011). Einführung in die Unterrichtspsycho-

logie (3. Aufl). Darmstadt: Wissenchafliche Buchgesellschaft.

Schirner, S. (2013). Geschlechtsstereotype Interaktionsef-

fekte. Eine videobasierte Analyse der Schülerbeteiligung.

Berlin: Logos.

Prof. (i.R.) Dr. Ruth Rustemeyer

Prof. Dr. Ruth Rustemeyer, ehemals Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz,

Institut für Psychologie, [email protected]

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01 | SCHWERPUNKT MATHEMATIK

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MEDIENBRIEF | N° 02.2014

Mathematik im und am Rollstuhl.Praxisbeispiele aus der LVR-Anna-Freud-Schule Köln

Eine motorische Beeinträchtigung kann vielfältige Auswirkungen auf das Mathematiklernen haben. Praxisbeispiele aus

dem Unterricht mit körperbehinderten Schülerinnen und Schülern geben Anregungen, wie man den Rollstuhl zum

Gegenstand des Mathematikunterrichts machen und die Inhalte dadurch stärker an die Erfahrungswelt der Lernenden

anknüpfen kann.

Die LVR-Anna-Freud-Schule fördert Kinder und Jugendliche

mit und ohne Körperbehinderungen, chronischen sowie

psychosomatischen Erkrankungen. Als einzige weiterfüh-

rende Förderschule für körperbehinderte Schülerinnen und

Schüler in NRW und nahezu bundesweit unterrichten wir in

der Sekundarstufe I vorwiegend nach Realschulrichtlinien

und in den Jahrgangsstufen 11 bis 13 nach den Richtlinien

der gymnasialen Oberstufe.

Ein Irrtum, der uns in Gesprächen über Inklusion häufig

begegnet, ist die Annahme, die Förderung motorisch beein-

trächtigter Kinder und Jugendlicher beschränke sich auf die

Installation von Fahrstühlen und Rollstuhlrampen, schließ-

lich seien sie ja »nur körperbehindert«. Dass es so einfach

nicht ist, wird deutlich, wenn man bedenkt, wie immanent

wichtig die Motorik für sämtliche Entwicklungsbereiche ist.

Die körperliche Beeinträchtigung behindert viele unserer

Schülerinnen und Schüler auch in ihrer kognitiven und

psychosozialen Entwicklung, in ihrem schulischen und

privaten Alltag und insbesondere auch in ihrem Mathematik-

lernen. Ein Kind beispielsweise, das durch seine Körperbe-

hinderung stark verlangsamt ist, kann in derselben Zeit nur

einen Bruchteil der Übungsaufgaben bewältigen, die seine

Mitschüler erledigen. Ein Kind, das aufgrund seiner

Wahrnehmungsstörung einen Graphen nur schwer vom

Koordinatengitter differenzieren kann, hat große Probleme

Funktionswerte abzulesen.

Zudem unterscheiden sich die Bewegungserfahrungen

körperbehinderter Kinder und Jugendlicher qualitativ von

denen ihrer Mitschüler und sind oft weniger vielfältig, so dass

es ihnen schwerer fällt, die zu lernenden mathematischen

Konzepte an ihre Erfahrungswelt anzubinden. Die Steigung

eines Graphen zu beurteilen gelingt umso leichter, je häufiger

man vom Radfahren Muskelkater hatte. Entfernungen

angemessen zu schätzen gelingt umso besser, je häufiger

man beim 100-Meter-Lauf geschwitzt hat. Einen rechten

Winkel zu erkennen fällt umso leichter, je mehr Fertigregale

man mit seinen Eltern zusammengebaut und verflucht hat.

Begreift man mathematische Operationen als »die Erfassung

der einer Handlung immanenten und dann von ihr abgelösten

quantitativ-räumlichen Struktur« (Bergeest et al. 2011, 279),

so mangelt es vielen motorisch beeinträchtigten Kindern und

Jugendlichen an eben jenen mit Herz und Hand erlebten

»Handlungsschlacken« (Piaget zit. ebd.), von denen das

mathematische Operieren erst allmählich befreit wird.

Der Mathematikunterricht in Lerngruppen mit körperbehin-

derten Schülerinnen und Schülern erfordert also eine

besondere Fachdidaktik, die den Lernenden notwendige

Alltagserfahrungen ermöglicht oder umgekehrt die mathe-

matischen Inhalte an ihre spezifische Erfahrungswelt

anknüpft. Der Rollstuhl gehört in die tägliche Erfahrungswelt

vieler unserer Schülerinnen und Schüler und eignet sich

daher in besonderer Weise dazu, den Lernenden Mathematik

»begreiflich« und »erfahrbar« zu machen. Die folgenden

Beispiele geben Anregungen für den inklusiven Mathematik-

unterricht mit rollstuhlfahrenden Kindern und Jugendlichen.

Längen messen

Beim Messen mit Körpermaßen verwenden rollstuhlfahren-

de Schülerinnen und Schüler statt »Fuß« und »Schritt« ihr

persönliches »Rollimaß«, das einer Radumdrehung

entspricht, und können damit z. B. den Schulhof exakter

vermessen als ihre laufenden Mitschüler.

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Steigung in Prozent

Nach DIN-Norm darf eine Rollstuhlrampe in öffentlichen

Gebäuden maximal 6 % Steigung aufweisen. Was heißt das

und entsprechen alle Rampen im Gebäude dieser Empfeh-

lung? In der Turnhalle lassen sich deutlich steilere

Rampen bauen, um zu erfahren, welche maximale Stei-

gung jeder Einzelne im Rollstuhl noch überwinden kann.

Winkelsumme im Dreieck

Der Winkelsummensatz für Dreiecke lässt sich anschau-

lich durch Rollstuhlfahren beweisen.

Man zeichnet ein großes Dreieck auf den Boden und fährt

es mit dem Rollstuhl ab. In den Ecken dreht man sich

jeweils um den Innenwinkel, sodass sich die Fahrtrich-

tung ändert. Wenn man das Dreieck einmal auf diese

Weise abfährt, kommt man rückwärts wieder am Start-

punkt an. Damit ist gezeigt, dass die Summe der Innen-

winkel 180° beträgt.

Kreiszahl

Die Suche nach der Zahl als dem Verhältnis von

Kreisumfang zum Kreisdurchmesser lässt sich schüler-

nah durch die Frage motivieren, wie weit sich ein Roll-

stuhl vorwärts bewegt, wenn man den Reifen exakt einmal

dreht. Messungen an unterschiedlichen Rollstuhlmodel-

len mit verschieden großen Reifen legen die Vermutung

nahe, dass konstant ist.

Durchschnittliche und momentane Änderungsrate

Beobachtet man einen aus dem Stand voll beschleunigten

E-Rollstuhl, diskutieren die Schülerinnen und Schüler

kontrovers über den Zusammenhang von Beschleunigung,

Geschwindigkeit und zurückgelegter Strecke. Die Aufzeich-

nung eines solchen Startvorgangs mit einem GPS-Daten-

logger liefert einen quadratischen Weg-Zeit-Graphen. Diese

selbsterhobenen Bewegungsdaten eignen sich dazu, mit

den Schülerinnen und Schülern den Übergang von der

durchschnittlichen zur momentanen Änderungsrate zu

diskutieren, beispielsweise um die Geschwindigkeit zum

Zeitpunkt t = 0,5sec exakt zu bestimmen.

Sinusfunktion

Dreht man den Reifen eines Rollstuhls jeweils um eine Speiche,

misst die Höhe des Luftventils über dem Boden und trägt

dann die Messwerte in ein Koordinatensystem (Drehwinkel

Ventilhöhe) ein, entsteht allmählich eine Sinuskurve.

Tobias Dehler (StR) und Silke Wieg (OStR)

Tobias Dehler und Silke Wieg sind Lehrkräfte an der LVR-Anna-Freud-Schule, Förderschule körperliche und motorische Entwicklung (SI + SII) in Köln

Im Rollstuhl steckt viel Mathematik - Oberstufenschüler entdecken die Sinuskurve, Foto: Marita Schnorbach, LVR-Anna-Freud-Schule, Köln

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01 | SCHWERPUNKT MATHEMATIK

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MEDIENBRIEF | N° 02.2014

Dyskalkulie in der Primar- und Sekundarstufe

Ausgehend von den Diagnosekriterien des Klassifikations-

systems ICD 10 (International Classification System of

Diseases; Dilling, Mombour & Schmidt, 2004) liegt bei

einem Kind eine Rechenstörung (Dyskalkulie) vor, wenn

zwischen dem Intelligenzniveau und der schwachen

Rechenleistung eine Diskrepanz besteht, welche nicht allein

durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder durch

eine eindeutig unangemessene Beschulung erklärbar ist.

Betroffen sind vorwiegend mathematische Basisfertigkeiten

wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division.

Ehlert, Schroeders und Fritz-Stratmann (2012) diskutieren

drei zentrale Kritikpunkte an diesem sogenannten Diskre-

panzkriterium:

> Die Problematik der inhaltlichen Überlappungen von

kognitiven und mathematischen Testverfahren, die dazu

führen, dass rechenschwache Kinder oft Schwierigkei-

ten haben, die mathematischen Anforderungen eines

Intelligenztests zu bewältigen und damit auch das

Diskrepanzkriterium zu erfüllen.

> Die methodischen und statistischen Probleme, welche

u. a. nach Anwendung verschiedener Methoden zur

Überprüfung der Diskrepanz zu unterschiedlichen

Diagnoseergebnissen führen.

> Die fehlende Evidenz für die Existenz unterschiedlicher

Gruppen rechenschwacher Kinder (Diskrepanzkriterium

erfüllt vs. nicht erfüllt) in Bezug auf ihr mathematisches

Konzeptverständnis.

Die American Psychiatric Association verzichtet in der

aktuellen Auflage des Diagnostic and Statistical Manual of

Mental Disorders (DSM-V, 2013) bei der Diagnose von

Dyskalkulie auf das Diskrepanzkriterium. Ohne Unter-

scheidung werden nun alle Kinder mit Rechenproblemen

unter der diagnostischen Kategorie »Specific Learning

Foto: Dominik Schmitz, LVR-ZMB

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Disorder« mit verschiedenen Unterkategorien zusammen-

gefasst. Wie die Umsetzung der Kritik am Diskrepanzkrite-

rium für den deutschen Sprachraum aussehen wird, ist

allerdings noch unklar.

Insbesondere die in der ICD 10 vorgenommene Fokussie-

rung auf schwache Leistungen in den mathematischen

Basisfertigkeiten impliziert gegebenenfalls, dass eine

Dyskalkulie lediglich im Grundschulalter besteht. Zahlrei-

che Untersuchungen zeigen allerdings, dass sich die

Problematik in der Sekundarstufe (nach der 4. Klasse)

keineswegs entspannt (Ehlert, Fritz, Arndt & Leutner, 2013).

Schulleistungsuntersuchungen machen deutlich, dass 20 %

der Schülerinnen und Schüler am Ende des 4. Schuljahres

nur über Mathematikkenntnisse von Zweitklässlern

verfügen (Bos, Lankes, Prenzel, Schwippert, Valtin &

Walther, 2003) und damit einen Lernrückstand von mehr als

2 Schuljahren aufweisen.

Dieser Anteil umfasst weit mehr Schülerinnen und

Schüler mit Leistungen im schulischen Risikobereich als

die in epidemiologischen Studien zur Dyskalkulie angege-

benen 4 - 6 % betroffener Kinder (z. B. Koumoula et al.,

2004; von Aster, Schweiter & Weinhold Zulauf, 2007).

Situationsverschärfend kommt hinzu, dass fehlende

mathematische Basiskompetenzen in der Sekundarstufe

nicht nachgeholt werden (vgl. PISA), was bedeutet, dass

der Bildungserfolg in der Sekundarstufe bereits in der

Grundschule festgelegt wird.

Eine Möglichkeit, dieser Problematik zu begegnen, wird in

einer entwicklungsorientierten Diagnostik gesehen, durch

die bereits zum Schulstart fehlende Kompetenzen aufge-

deckt und im Rahmen schulischer Förderung kompensiert

werden können. Durch Lernstandserhebungen und Tests zur

Erfassung von Basiskompetenzen sind – besonders vor

einem inklusionspädagogischen Hintergrund – entwick-

lungsbegleitend individuelle Entwicklungsverläufe abzubil-

den, um auftretenden Schwierigkeiten und Rückständen

unmittelbar begegnen zu können. Erst eine kontinuierliche

Lernverlaufsdiagnostik legt die Basis für einen binnendiffe-

renzierenden Unterricht und die Planung adaptiver und

zieldifferenter Fördermaßnahmen, die, blickt man auf den

Anteil an Sekundarschülerinnen und –schülern mit Leistun-

gen im Risikobereich, auch ohne inklusionspädagogischen

Hintergrund im schulischen Kontext notwendig sind.

Literatur

American Psychiatric Association (2013). Diagnostic and

statistical manual of mental disorders (5th ed.). Arlington,

VA: American Psychiatric Publishing.

Bos, W., Lankes, E.-M., Prenzel, P., Schwippert, K., Valtin,

R. & Walther, G. (2003). Erste Ergebnisse aus IGLU.

Schülerleistungen am Ende der vierten Jahrgangsstufe im

internationalen Vergleich. Münster: Waxmann.

Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt, M. H. (2004). Internati-

onale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel

V (F). Diagnostische Kriterien für Forschung und Praxis.

Bern: Huber.

Ehlert, A., Schroeders, U. & Fritz-Stratmann, A. (2012).

Kritik am Diskrepanzkriterium in der Diagnostik von

Legasthenie und Dyskalkulie. Lernen und Lernstörungen,

1(3), 169-184.

Ehlert, A., Fritz, A., Arndt, D. & Leutner, D. (2013). Mathe-

matische Basiskompetenzen von Schülerinnen und

Schülern in den Klassen 5 bis 7 der Sekundarstufe. Journal

für Mathematikdidaktik, 34, 237-263.

Koumoula, A., Tsironi, V., Stamouli V., Bardani, I., Siapati,

S., Graham-Pavlou, A. et al. (2004). An epidemiological

study of number processing and mental calculation in Greek

school children. Journal of Learning Disabilities, 37, 377-388.

von Aster, M. G., Schweiter, M. & Weinhold Zulauf, M.

(2007). Rechenstörungen bei Kindern. Vorläufer, Prävalenz

und psychische Symptome. Zeitschrift für Entwicklungspsy-

chologie und Pädagogische Psychologie, 39, 85-96.

Miriam Balt, Antje Ehlert und Annemarie Fritz-Stratmann

Dipl.-Psych. Miriam Balt ist Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Inklusionspädagogik der Universität Postsdam. Prof. Dr. Antje Ehlert ist Professorin für Inklusionspädagogik an der Universität Potsdam. Annemarie Fritz-Stratmann ist Professorin für Pädagogi-sche Psychologie an der Universität Duisburg-Essen.

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01 | SCHWERPUNKT MATHEMATIK

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MEDIENBRIEF | N° 02.2014

Diagnose »Rechenschwäche«

Wird einem Schüler eine »Rechenschwäche« bescheinigt,

dann ist damit die Suggestion verbunden, dass »im Kopf

dieses Schülers irgendetwas nicht in Ordnung ist«. Dieses

ominöse Defizit soll die Ursache dafür sein, dass jemand

nicht rechnen kann. Oft genug fühlen sich Lehrer dann

nicht mehr dafür zuständig, dass dieses Kind rechnen lernt

– weil es schließlich diese seltsame Krankheit »Rechen-

schwäche« hat. Bei näherem Hinsehen zeigt sich eher,

dass es die Schule ist, die »besondere Schwierigkeiten im

Rechnen« (bSR) erzeugt.

Seit Jahrzehnten versucht man ohne Erfolg, im Kopf des

Kindes die vermeintlichen Ursachen dafür zu finden, dass

manche Kinder nicht rechnen können. Da man nichts

findet, postuliert mancher Autor Hirnschädigungen, die

man »nicht sieht«. Kurzerhand werden aber auch Einnäs-

sen, Haltungsfehler, vermehrter Speichelfluss, Linkshän-

digkeit und Phosphatempfindlichkeit, Lachzustände,

exzessive Masturbation und Schüchternheit zu »mögli-

chen« Ursachen von Rechenschwäche erklärt. Umgekehrt

ist es so, dass Menschen mit bSR geholfen werden kann,

nämlich durch »nachholenden Mathematikunterricht«.

Hier werden Zahl- und Operationsverständnis von der

Basis her aufgebaut, d. h. es wird das nachgeholt, was

eigentlich der Mathematikunterricht leisten sollte. Die

Betroffenen wiederum berichten in auffälliger Konsistenz

von Leidenswegen, die man als Mathematikdidaktiker mit

den Stichworten didaktisches und institutionelles Versagen

belegen würde.

Es erscheint also durchaus sinnvoll, dem Konstrukt der

Rechenschwäche ein anderes Konstrukt der Erklärung von

bSR entgegenzustellen. Ich spreche dabei von »nicht

bearbeiteten stofflichen Hürden (nbsH)«: Das mathemati-

sche Lernen birgt bestimmte Hürden, und im Lehr- bzw.

Lernprozess müssen diese Hürden bearbeitet werden.

Erfolgt dies nicht im für das Individuum notwendigen Maße,

so versteht es nicht. Stoffliche Hürden (sH) nenne ich jene

Foto: Dominik Schmitz, LVR-ZMB18

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für den gesamten Mathematikunterricht zentralen basalen

mathematischen Inhalte, die wirklich verstanden werden

müssen, damit man rechnen kann.

Als Ursachen dafür, dass die stofflichen Hürden (sH) nicht

bearbeitet werden, nehme ich einen defizitären Umgang

mit individuellen Denkbesonderheiten und Defiziten der

Schüler an.

Damit verschiebt sich der Ursachenblick auf die bSR. Ich

frage nicht mehr: Welches Defizit im Kind verhindert, dass

das Kind rechnen lernt. Statt dessen frage ich: Welches

Defizit im Unterricht bzw. in der sonstigen institutionellen

Wahrnehmung der Verantwortung für das Rechnenlernen

verhindert, dass das Kind rechnen lernt? Anders gefragt:

Hat die Schule erkannt, welche sH zu bearbeiten sind, und

hat sie es in der notwendigen Weise getan?

Man kann es empirisch so sagen: Ich sehe in fast jeder

Mathematikstunde, warum Kinder hier nicht rechnen

lernen können. Relativ zur schlechten Qualität des existie-

renden Mathematikunterrichts erfüllt es mich sogar mit

großem anthropologischen Optimismus, wie viele Kinder

trotzdem rechnen lernen. Aber ich kenne umgekehrt keinen

einzigen Nachweis und finde auch selbst empirisch keinen

Hinweis, dass es Kinder gibt, die auch bei gutem Mathema-

tikunterricht und eventuell notwendiger zusätzlicher

Förderung nicht rechnen lernen.

Schultheoretisch ist es wiederum so: Wenn es wirklich

Kinder gibt, die per se nicht rechnen können, dann wäre es

nicht begründbar, warum diese Kinder einer Pflicht

unterliegen, am Mathematikunterricht teilzunehmen.

Was sind nun die stofflichen Hürden (sH), also jene

zentralen Verstehenselemente, welche die Schule unbe-

dingt lehren muss, damit alle Kinder rechnen lernen

können? Aus der vorhandenen Literatur und Aussagen von

»Rechenschwäche«therapeuten leite ich die These ab,

dass es die folgenden sind:

> kardinaler, ordinaler und relationaler Zahlbegriff mit

Ablösung vom zählenden Rechnen;

> Logik des Stellenwertsystems;

> Operationslogiken: Welche Fragen stellen die Rechen-

operationen und auf welche Weise beantworten sie

diese Fragen?

> Herausgehoben scheint die Operationslogik der Division,

auch das Verständnis der Division als Verhältnis, als

Voraussetzung der Bruchzahlentwicklung zu sein.

Für den ersten Punkt kann man das so erläutern: Die

Kinder kommen zur Schule und können meist zählend

rechnen. Die Aufgabe des Mathematikunterrichts der

ersten Klasse besteht darin, die Kinder von ihren zählenden

zu nichtzählenden Strategien zu begleiten. Wenn die Schule

hier versagt, dann kommt ein Kind im Zahlenraum jenseits

der 20 nicht mehr mit.

Die Schule versagt hier vor allem dadurch, dass lediglich

Rechentechniken eingeübt werden. Viele Lehrer behaupten,

dass nur die guten Schüler verstehen könnten, warum die

Rechenverfahren funktionieren. Die Schwachen bräuchten

stattdessen Techniken. Es ist aber genau umgekehrt: Die

schwachen Schüler können nur rechnen lernen, wenn sie

verstehen, warum ein Verfahren funktioniert. Für die

starken Schüler ist dieses Wissen wiederum ein Bildungs-

sahnehäubchen.

Man sieht: Ein Mathematikunterricht, der stoffliche Hürden

bearbeitet, ist kein spezieller Unterricht für Schüler mit

einer Krankheit namens Rechenschwäche, ein solcher

Mathematikunterricht wäre einfach nur ganz normaler

guter Unterricht, und zwar für jeden Schüler.

Wolfgang Meyerhöfer

Wolfram Meyerhöfer ist Professor für Mathematikdidaktik an der Universität Paderborn

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01 | SCHWERPUNKT MATHEMATIK

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Sprache im Mathematikunterricht – eine aktuelle Herausforderung für die Unterrichtsentwicklung und Ausbildung

MEDIENBRIEF | N° 02.2014

Sprachkompetenz hat eine hohe

Bedeutung für die Mathematikleis-

tung. Dies hat eine Studie zu den

Zentralen Prüfungen 10 Mathematik

NRW mit 1.500 Lernenden aus

Gesamtschulerweiterungskursen

deutlich gezeigt 1. Bei dieser Prüfung

schnitten sprachlich schwache

Lernende durchschnittlich fast

eineinhalb Noten schlechter ab als

sprachlich starke Lernende. Kein

anderes Hintergrundmerkmal (wie

sozioökonomischer Status, Migrati-

onshintergrund, Zeitpunkt des

Deutscherwerbs, Lesekompetenz)

zeigte einen ebenso hohen Zusam-

menhang zur Testleistung wie die

Sprachkompetenz im Deutschen.

Entgegen landläufiger Annahmen

sind dabei nicht die langen Texte das

Problem, sondern im Gegenteil die

kürzeren Aufgaben mit hoch verdich-

teter Sprache und konzeptuell und

prozessual hohen Anforderungen.

Die Schwierigkeiten der Zehntkläss-

lerinnen und –klässler wurden in

Interviewstudien und Bearbeitungs-

analysen genauer untersucht. Dabei

konnten einige Lesehürden durch

sprachlich komplexe Satzkonstrukti-

onen aufgedeckt werden, die für viele

(nicht nur sprachlich schwache)

Lernenden herausfordernd waren.

1 Prediger 2013, Gürssoy et.al. 2013

Wider Erwarten erzeugten diese

leseschwierigen Aufgaben aber keine

besonderen Schwierigkeiten für die

Beispiel für sprachlich bedingte Hürden für den Aufbau inhaltlicher

Vorstellungen

Wie erklärt man den Unterschied zwischen

»Wie viel Prozent sind 90 € von 120 €« und

»Um wie viel Prozent liegt 120 € über 90 €«?

Sehr viele Lernenden können den Unterschied auch in Klasse 10 in Prüfungs-

situationen noch nicht bewältigen. Um den Unterschied in Lernsituationen zu

verstehen und sich selbst und anderen zu erklären, sind geeignete Sprachmittel

erforderlich, zum Beispiel Satzbausteine wie

»Hier wird der Teil .... auf das Ganze ... bezogen«

»Der Anteil an dem Ganzen ist dann.....«

»Hier wird der Zuwachs von ... über ... anteilig bestimmt«

»Das kann man sich so vorstellen«

sprachlich schwachen Lernenden.

Am relativ schwierigsten für diese

Gruppe – statistisch gemessen mit

Wer über diese Sprachmittel nicht verfügt, droht auch die Vorstellung nicht zu

erwerben. Die graphischen Darstellungen am Prozentstreifen sind für die

Vorstellungsbildung hier (für alle Lernende, aber insbesondere für sprachlich

schwache) von erheblicher Bedeutung. Denn sie können sprachlich entlasten

und die Bedeutungskonstruktion unterstützen.

20

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den höchsten DIF-Werten – waren diejenigen Aufgaben, in

denen prozessbezogene Kompetenzen und inhaltliche

Vorstellungen erforderlich waren2.

Fach- und sprachintegrierte Förderung

Das bedeutet: Sprachlich schwache Lernende haben nicht

nur Schwierigkeiten mit dem Lesen von Textaufgaben,

sondern sie lernen im gesamten Unterrichtsprozess

überall dort spürbar weniger, wo kognitiv anspruchsvolle-

re Inhalte thematisiert werden. Gerade Prozesse des

Aufbaus inhaltlicher Vorstellungen und prozessbezogener

Kompetenzen sollten daher sprachlich gestützt werden,

damit sie auch für sprachlich schwache Lernende besser

zugänglich werden. Fach- und sprachintegrierte Förde-

rung führt dabei am besten zum Lernerfolg.

Welche Ansätze sich zur fach- und sprachintegrierten

Förderung eignen, wird derzeit im Dortmunder Projekt

MuM (Mathematiklernen unter Bedingungen der Mehr-

sprachigkeit) in mehreren Teilprojekten ausgearbeitet

und in seinen Wirkungen erforscht.

Qualifizierung von Multiplikatoren

Aus den Ergebnissen dieses Projekts und der Zusammen-

arbeit mit Sprachdidaktikern und Linguistinnen speist sich

eine Qualifizierungsreihe für 65 Multiplikatorinnen und

Multiplikatoren der Sekundarstufe aus 10 Bundesländern,

die von der Autorin im Rahmen des Deutschen Zentrums

für Lehrerbildung Mathematik durchgeführt wird. Thema

der Qualifizierung sind sprachlich bedingte Herausforde-

rungen in Prüfungs- und Lernsituationen sowie facetten-

reiche Ansätze zu ihrer Überwindung durch ganzheitliche

2 Prediger 2013

und fokussierte Förderung inklusive kritischer Bewertung.

Aus der Qualifizierungsreihe soll sich langfristig ein

Arbeitskreis Sprache im Mathematikunterricht entwickeln.

Eine ähnliche Qualifizierungsmaßnahme für Multiplikato-

rinnen und Multiplikatoren an Grund- und Förderschulen

wird in Kooperation mit dem Projekt PIK AS und dem

DZLM von Lilo Verboom, Fachleiterin am ZfsL Duisburg,

von Dezember 2014 bis Mai 2015 durchgeführt. Da sich

bereits im Primarbereich die fachbezogene Sprachförde-

rung zum verständigen Aufbau mathematischer Grund-

vorstellungen als dringend geboten erweist, ist das

Interesse auch an diesem Qualifizierungsangebot

entsprechend hoch.

Literatur

Gürsoy, Erkan; Benholz, Claudia; Renk, Nadine; Prediger,

Susanne; Büchter, Andreas (2013): Erlös = Erlösung?

– Sprachliche und konzeptuelle Hürden in Prüfungsaufga-

ben. In: Deutsch als Zweitsprache 1, 14-24.

Prediger, Susanne (2013): Sprachmittel für mathemati-

sche Verstehensprozesse – Einblicke in Probleme,

Vorgehensweisen und Ergebnisse von Entwicklungsfor-

schungsstudien. In: Andreas Pallack (Hrsg.): Impulse für

eine zeitgemäße Mathematiklehrer-Ausbildung. MNU-

Dokumentation der 16. Fachleitertagung Mathematik.

Neuss: Seeberger, 26-36.

Weitere Artikel unter www.mathematik.uni-dortmund.

de/~prediger/projekte/mum/publikationen.shtml

Susanne Prediger

Susanne Prediger ist Professorin für Grundlagen der Mathematikdidaktik am Institut für Erforschung und Entwicklung des Mathematikunterrichts

21

01 | SCHWERPUNKT MATHEMATIK

Foto: Dominik Schmitz, LVR-ZMB

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MEDIENBRIEF | N° 02.2014

KIRA – eine Lernplattform für Lehrer

Das Projekt KIRA (»Kinder rechnen

anders«) ist ein gemeinsames Projekt

der TU Dortmund und der Deutschen

Telekom Stiftung zur praxisnahen

Ausbildung angehender Grundschul-

lehrkräfte. Projektziel ist eine

Verbesserung der Diagnosefähigkeit,

als unabdingbarer Voraussetzung für

die individuelle Förderung der

Schülerinnen und Schüler.

Zu diesem Zweck wurden gezielt

Materialien in Form von Video- und

Kinderdokumenten gesammelt, um

die in den Lehrveranstaltungen

thematisierten Theorien und Konzepte

mit Praxisbeispielen zu untermauern.

Mittlerweile ist die KIRA-Website

(www.kira.tu-dortmund.de) zum

Kernstück des Projekts geworden. Im

Bereich »Material« finden sich aktuell

56 Themenseiten, die zu sechs

zentralen Themen der Grundschulma-

thematik insbesondere Hintergrund-

wissen, Videos, Schülerdokumente

und Literaturtipps enthalten.

Anhand des Themas »Summen von

Reihenfolgezahlen« (Summen

aufeinander folgender Zahlen; vgl.

www.kira.dzlm.de/150) soll beispiel-

haft illustriert werden, wie das

Material zu den verschiedenen

Schwerpunkten angeboten wird.

Einstiegsbeispiel

Ein praxisnahes Beispiel soll das

Interesse an dem jeweiligen Thema

wecken (vgl. Abbildung 1) .

Anschließend werden die Studieren-

den bzw. Lehrkräfte aufgefordert, die

Beispielaufgabe selbst zu lösen.

Damit wird der Bezug zum relevanten

mathematischen Wissen hergestellt.

Gleichzeitig soll erklärt werden,

warum die Anzahl der gefundenen

Lösungen vollständig ist. Ebenso

sollen alle Summen von Reihenfolge-

zahlen bis 50 bzw. für die Zahl 100

gefunden werden.

Hintergrundinformationen

Notwendige Hintergrundinformatio-

nen z. B. über typische Fehler,

erforderliche Kompetenzen oder auch

mögliche Rechen – und Problemlöse- Abbildung 1: Lauras Vorgehensweise

Die Drittklässlerin Laura sucht nach allen Summen aufeinanderfolgender Zahlen, bei denen das Ergebnis höchstens 20 ist:

Verstehen Sie Lauras Vorgehen? Beschreiben Sie Lauras Finde- strategie!

strategien werden aus der Fachlitera-

tur wiedergegeben. Häufig werden die

im Hintergrundwissen genannten

Aspekte an ausgewählten praxisnahen

Materialien wie z. B. Einzelinterviews

mit Grundschulkindern, Kinderdoku-

menten oder auch Unterrichtsepisoden

illustriert. Anschließend wird das zur

Analyse der Vorgehensweisen der Kin-

der notwendige diagnostische Wissen

präsentiert und typische Problemlöse-

strategien von Grundschulkindern

dargestellt (vgl. Abbildung 2).

Analysen

Weitere praxisnahe Materialien sollen

anhand von vorab formulierten

Analysefragen in Anlehnung an die

zuvor erwähnte Theorie betrachtet

und analysiert werden. An manchen

Stellen werden auch Lösungshinweise

für diese Analysen präsentiert.

Anschließend können die Studieren-

den bzw. Lehrkräfte insgesamt sechs

Einzelinterviews von Grundschulkin-

dern betrachten und im Hinblick auf

die benutzten Problemlösestrategien

(vgl. Abbildung 3) oder Argumentati-

onskompetenzen analysieren.

Weiterführende Aufgaben

Weiterführende Fragestellungen unter

Einsatz von zusätzlichen Materialien

ermöglichen eine noch intensivere

Auseinandersetzung – auch im

Bereich des berufsbezogenen

mathematischen Wissens. Im hier

gewählten Beispiel durch die Einzel-

fallanalyse eines besonders begabten

22

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Drittklässlers mit Hilfe von Videodo-

kumenten. Die Studierenden bzw.

Lehrkräfte sollen beschreiben, welche

mathematische Entdeckung dieser

Junge macht.

Links und Materialien

Querverweise zu verwandten Themen

auf anderen Internetseiten der KIRA-

Lernplattform, ein Interviewleitfaden

Abbildung 3: Strategien der Kinder analysieren

zum Download sowie Literaturhinweise

bilden den Abschluss jeder Themenseite.

Das Beispiel macht deutlich, dass

durch eine solche, Kriterien geleitete

Beobachtung und Analyse der mathe-

matischen Denkwege von Schülerin-

nen und Schülern eine Schärfung des

diagnostischen Blicks durch Reflexion

und Einordnung von Primär-, Sekun-

där- und Tertiärerfahrungen angeregt

und somit die didaktische Kompetenz

von Lehrkräften ausgebaut wird.

Aktuell nutzen 139 (!) lehrerbildende

Institutionen die Kira-Lernplattform –

aus Deutschland, aus der Schweiz,

Luxemburg, Österreich, Dänemark und

Italien.

Christoph Selter, Daniela Götze und

Lilo Verboom

Christoph Selter ist Professor für Mathematik an der TU Dortmund. Daniela Götze ist Akademische Oberrätin am Institut für Entwicklung und Erforschung des Mathematik- unterrichts an der TU Dortmund. Lilo Verboom ist Fachleiterin am ZfsL Duisburg

Die folgenden Videos zeigen, wie Theresa, Nick und Sonja die Aufgabe »Finde alle Plusaufgaben aus der Reihenfolgezahlen, bei denen das Ergebnis nicht größer als 20 ist« lösen

1. Suchen Sie diejenigen Stellen in den Videos heraus, an denen Sie erkenn, dass die Kinder die im Mathematiklehrplan NRW angegebenen Teilkompetenzen

> probieren zunehmend systematisch und zielorientiert > nutzen die Einsicht in Zusammenhänge zur Lösungsfindung > reflektieren und überprüßen

zeigen.

2. Erörtern Sie anhand eines Videos die Problemlösekompetenzen des Kindes. Erläutern Sie woran Sie das festmachen.

Abbildung 2: Mögliche Strategien von Kindern bei den »Reihefolgezahlen« (Ausschnitt)

23

01 | SCHWERPUNKT MATHEMATIK

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MEDIENBRIEF | N° 02.2014

Digitale Werkzeugkompetenzen im Mathematikunterricht

Die Arbeitsgruppe »Digitale Werkzeugkompetenzen« aus

Vertretern des Fachlehrerverbandes MNU und der Fortbil-

dungsorganisation T3 klärt die Frage, über welche Kompe-

tenzen Lernende zum Abitur bzw. nach Abschluss der

Sekundarstufe I beim Umgang mit digitalen Werkzeugen im

Fach Mathematik verfügen sollten (Heintz et al. 2014). Die

Kerngedanken werden hier dargestellt.

Werkzeuge und Werkzeugkompetenzen im

Mathematikunterricht

Angesichts der künftigen flächendeckenden Nutzung

digitaler Werkzeuge im Mathematikunterricht der Sekun-

darstufe II ergeben sich Herausforderungen für fachdidak-

tische und unterrichtliche Weiterentwicklungen auf den

Ebenen Lernkontexte und Aufgaben, Konzeption von

Lehrerfortbildungen und Werkzeugkompetenzen. Um in

überzeugender Weise unterrichtliche und aufgabenbezoge-

ne Neuerungen im Unterricht in die Kollegien zu bringen

und für diese in Fortbildungen zu werben, ist die Klärung

des Begriffs der Werkzeugkompetenzen notwendig.

Wir haben uns für die folgende Arbeitsdefinition von Werk-

zeugkompetenz mit besonderem Blick auf digitale Werkzeuge

entschieden:

Werkzeugkompetenz bedeutet, mit Werkzeugen

kompetent Mathematik zu betreiben

Dies bringt zum Ausdruck, dass Werkzeuge zielgerichtet

und fachlich zum Einsatz kommen: zur Bearbeitung

mathematischer Probleme und zur Unterstützung des

Lernens von Mathematik. Unter Werkzeugkompetenz

verstehen wir explizit mehr als die Bedienung von Geräten

und Programmen! Für uns steht die Mathematik im

Vordergrund.

Unterrichtsbeispiel Optimierung (Klasse 8-10)

Den Mehrwert von Multirepräsentationswerkzeugen wie

GeoGebra, das Fenster für Geometrie, Tabellenkalkulation,

Funktionenplotter und Computeralgebra aufweist, verdeut-

lichen wir an folgender Aufgabenstellung:

Eine Gerade schneidet die beiden Koordinatenachsen.

Zwischen der Geraden und den beiden Achsen liegt ein

Rechteck. Ein Rechteckpunkt soll auf der Geraden liegen

und zwei Rechteckseiten auf den Achsen. Gesucht ist das

flächengrößte Rechteck unter einer Geraden, die die

x-Achse und die y-Achse im positiven Bereich schneidet.

Im Geometrie-Fenster (Abb. 1, links) kann die Grundseite

des Rechtecks durch Ziehen am Punkt ‚Zug‘ variiert

werden. Während hastiges Ziehen nur die Erkenntnis liefert,

dass der Flächeninhalt sich ändert, wird bei gezieltem,

schrittweisem Ziehen deutlich, dass beim Vergrößern der

Grundseite der Flächeninhalt erst schnell und dann

langsamer wächst, sein Maximum annimmt, dann langsam

kleiner wird und schließlich stark abnimmt. In der Tabellen-

kalkulation werden Eigenschaften der quadratischen

Funktion bzw. ihrer Graphen, wie Extremstelle, Nullstellen,

Symmetrie, erkennbar. Damit wird die Reflexion über diese

Eigenschaften und mathematische Erkenntnisse ermög-

licht: Warum wird das Maximum genau in der Mitte des

betrachteten Intervalls angenommen? Warum ist der

maximale Flächeninhalt genau halb so groß wie der

Flächeninhalt des von den Achsen und der Geraden

eingeschlossenen Dreiecks? Worin liegt die Symmetrie des

Graphen begründet?

Das Beispiel »Optimierung« zeigt exemplarisch, dass

> gezielter und kompetenter Gebrauch von Geometrie-

fenster, von Tabellenkalkulation und von Funktionen-

plotter ein mächtiges heuristisches Instrument darstellt,

> für verschiedene Fragestellungen unterschiedliche Dar-

stellungen (geometrische Visualisierung, Tabelle, Graph,

Term) ihren jeweils eigenen Beitrag leisten können,

> Funktionen erst im Zusammenspiel der unterschied-

lichen Darstellungsformen ihren Reichtum offenbaren.

24

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Dokumentation von Bearbeitungsprozessen

Bei der Arbeit mit digitalen Werkzeugen stellt sich die

Herausforderung, die Arbeitsergebnisse in adäquater Weise

zu dokumentieren. Die Beispiele in Abb. 2 und 3 (Jgst. 10)

zeigen entscheidende Unterschiede der Dokumentation auf:

Konsequenzen für die Fortbildung

Wir halten Fortbildungskonzepte, die – angetrieben durch

den aktuellen Hype im Bereich der Smartphone- und

Tablet-Technologie – in der Darstellung und Erprobung von

Apps bestehen, für wenig sinnvoll, da die Apps meistens

Insellösungen sind. Gezielt haben wir uns bei den Empfeh-

lungen für solche Werkzeuge entschieden, die verschiede-

ne Repräsentationsformen vereinen und auf verschiedenen

Hardware-Plattformen lauffähig sind. Wir betrachten es als

eine zentrale Aufgabe für Fortbildung, dass die Teilnehmer

dabei an konkreten Aufgabenstellungen erfahren, wo und

wie durch digitale Mathematik-Werkzeuge ein didaktischer

Mehrwert entsteht. Dazu wollen wir mit unserem ausge-

führten Unterrichtsbeispiel beitragen.

Literatur

Heintz, Gaby; Elschenbroich, Hans-Jürgen; Laakmann, Heinz;

Langlotz, Hubert; Poethke, Mario; Rüsing, Michael; Schacht,

Florian; Schmidt, Reinhard; Schmidt, Ulla; Tietz, Carsten

(2014): Digitale Werkzeugkompetenzen von Klasse 5 bis zum

Abitur. (Erscheint 2014 bei MNU, Verlag Seeberger, Neuss)

Gaby Heintz, Hans-Jürgen Elschenbroich und

Dr. Florian Schacht

Gaby Heintz ist Fachleiterin und Kernseminarleiterin am ZfsL Neuss. Hans-Jürgen Elschenbroich ist externer Mitarbeiter der Medienberatung NRW. Dr. Florian Schacht arbeitet am Institut für Entwicklung und Erforschung des Mathematikunterrichts der Fakultät für Mathematik der TU Dortmund

Abbildung 1: Optimierungsaufgabe, bearbeitet in GeoGebra

Abbildung 2: Timos Lösung

Abbildung 3: Svenjas Lösung

Timos Lösung (Abb. 2) ist nicht verständlich für jene, die

nicht das gleiche System nutzen wie er. Gleichwohl eignet

sich Timos Dokumentation, um zu Beginn eines Lernprozes-

ses festzuhalten, wie er eine lineare Regressionsfunktion

ermittelt hat. Svenjas Dokumentation (Abb. 3) nutzt mit dem

solve-Befehl zwar werkzeugsprachliche Elemente, verdeut-

licht gleichzeitig die mathematische Idee, dass sie die

Nullstellen einer gegebenen Funktion sucht. Die Beispiele

zeigen auch, wie wichtig Kriterien für die Nutzung von

Werkzeugsprache im Lernprozess und in Klausuren sind

25

01 | SCHWERPUNKT MATHEMATIK

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Hilfen zur Entwicklung eines Lernmittelkonzepts

Die beruflichen Aufgaben von Lehrkräften sind vielfältig.

Neben der Kernaufgabe des Unterrichtens und Erziehens

nehmen vor allem konzeptionelle Arbeiten im Rahmen der

Schulentwicklung einen immer größeren Raum ein. Dazu

gehören z. B. die Erarbeitung von schulinternen Lehrplänen

und Lernmittelkonzepten.

Im fachlichen Lernmittelkonzept legen die Mitglieder einer

Fachkonferenz verbindlich geeignete Lernmittel für das

Fach fest und vereinbaren, wie grundlegende Lernkompe-

tenzen in den verschiedenen Lernphasen der Jahrgangsstu-

fen systematisch eingeführt und weiterentwickelt werden.

In Anlehnung an die Hilfe des Ministeriums für Schule und

Weiterbildung des Landes NRW zur Erarbeitung eines

schulinternen Mathematikcurriculums1 hat die AG Mathe-

matik der Medienberatung NRW eine Hilfe zur Entwicklung

eines Lernmittelkonzepts exemplarisch am Beispiel der

Jahrgangsstufe 7/8 entwickelt.

Dem Lernmittelerlass entsprechend werden darin Anre-

gungen für Hilfen im Web gegeben, um den Ansprüchen des

Erlasses gerecht zu werden, wie beispielsweise

> Eröffnung individueller Lernwege> Entdeckendes Lernen> Selbstständiges Arbeiten

1 »Lernmittelkonzept Mathematik« unter http://www.medienberatung.schulministe-rium.nrw.de/Medienberatung/Publikationen/aktuelle-Publikationen/LMK_Mathe.html, »Fachliche Lernmittelkonzepte« unter http://www.medienberatung.schulministerium.nrw.de/Medienberatung/Publikationen/aktuelle-Publikationen/fachliches-LMK.html

Fachliche Gegenstände Digitale Ergänzung : Schülermaterial Digitale Ergänzung: Lehrermaterial

Rationale Zahlen Spielplan

http://www2.klett.de/sixcms/media.php/229/720530-0101_i7re98.pdf

Zahlenkarten

http://www2.klett.de/sixcms/media.php/229/720530-0161_362hz9.pdf

Spielplan »Hin und her«

http://www2.klett.de/sixcms/media.php/229/720530-0162_7ui58k.pdf

http://www.realmath.de/Neues/Klasse7/rationalzahl/addundsubzahl2.html

(...)

http://www.hs-euk-lid.de/Dokumente/EXCEL/ rationale_Zahlen_animiert.xls

https://www.geogebratube.org/student/m3513

Funktionen Dynamische Funktionenplotter zur Erarbeitung von Parametereinflüssen in linearen und quadratischen Funktionsgleichungen (Service CD Lambacher-

Schweizer)

Modellieren mit Hintergrundbildern (Service CD Lambacher-Schweizer)

Regressionen als Black Box in Tabellenkalkulation

(...)

FlächenDreieckeVierecke / VieleckeWinkel Kreis (nur Gym.)

(...)

Winkelsumme im Dreieck

http://www.klett.de/software/demo/742611-0721/135_Winkelsumme_ Dreieck.html

http://www2.klett.de/sixcms/media.php/229/742231_0731.pdf

www.hs-euklid.de/Dokumente/DGS/html_dyn/Winkelsummen.html

(...)

Winkelsumme im Dreieck

http://www.hs-euk-lid.de/Dokumente/DGS/ html_dyn/Winkelsummen.html

Abbildung 1: Digitale Zusatzmaterialien zum Schulbuch, Jahrgang 7/8 (Auswahl!)

26

MEDIENBRIEF | N° 02.2014

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Dass ein solches Konzept methodische und mediale Vielfalt

fördert, ist selbsterklärend (Abbildung 1). In einem Tableau

finden Lehrkräfte digitale Ergänzungsmaterialien für

Schülerinnen und Schüler sowie für Lehrerinnen und

Lehrer, exemplarisch für die Jahrgangsstufe 7/8 aufgelistet.

Den fachlichen Inhalten der Kernlehrpläne Mathematik

werden hier digitale Materialien zugeordnet. Diese haben

verschiedene Funktionen, die anhand von Icons kategorisiert

werden. Dabei wird unterschieden zwischen Materialien für

die Schüler- und die Lehrerhand. Neben Materialien zur

Online-Nutzung findet sich dort auch eine Vielzahl von

Lehr- und Lernmitteln, die als Download zur Verfügung

stehen. Alle Links in den Tableaus sind bei digitaler

Nutzung direkt aus dem Dokument aufrufbar, so dass sie

direkt nutzbar sind.

Icon als Orientierungshilfe in den Tableaus

Computer Schüler/innen: Lernmittel, mit denen

die Schüler/innen an ihren Rechnern arbeiten.

Ausdruck Schüler/innen: Lernmittel, die für

Schüler/innen ausgedruckt werden können.

Computer Lehrer/innen: Lehrmaterialien, mit

denen Lehrer/innen an ihren Rechnern arbeiten

Ausdruck Lehrer/innen: Lehrmaterialien für die

Lehrerhand zum Ausdrucken

Internet: Lernmittel und Lehrmaterialien, die nur

über das Internet genutzt werden können

Software

Beamer: Lernmittel zur Präsentation in Lerngruppen

(z. B. per Beamer oder Präsentationsboard)

Die Auswahl der digitalen Lernmittel sollte wohlbedacht

sein. Nicht der Einsatz um des Mediums willen, sondern die

sich aus dem Mathematikunterricht ergebende Notwendig-

keit sollte dabei im Vordergrund stehen.

Leitfragen für die Auswahl digitaler Lernmittel sind z. B.

> Inwiefern passt das digitale Lernmittel zu den im

Kernlehrplan verankerten inhalts- und prozessbezoge-

nen Kompetenzen?

> Wird das verstehens- und kompetenzorientierte Lernen

oder Üben unterstützt?

> Wird ein Anschauungs- und Darstellungswerkzeug oder

ein technisches Hilfsmittel benötigt?

> Passt es zu den mathematischen Darstellungen des

Unterrichts?

> Dient das Lernmittel als Werkzeug zur Differenzierung

oder zur Förderung (individueller) Denkwege?

> Regt es weiterführende mathematischer Aktivitäten an?

> Werden Schülerinnen und Schüler aktiviert?

Das Konzept wird im Rahmen der Fachtagung »Mathema-

tikunterricht der Zukunft – Mehrwert digitaler Werkzeuge«,

am 24. September 2014 in Düsseldorf vorgestellt.

Informationen zum Programm und zur Anmeldung finden

Sie unter http://www.kt-termine.nrw.de/app/kteam/Event/

event_MBBR.asp?P=event&ENr=22152&KNr=0.

Sabine Kliemann und Wilfried Dutkowski

Sabine Kliemann ist Mitglied der AG Mathematik der Medienberatung NRW. Wilfried

Dutkowski ist pädagogischer Mitarbeiter der AG Mathematik der Medienberatung NRW

und kommissarischer Schulleiter

Lernmittel sind Medien, die das Lernen unterstützen.

Im Mathematikunterricht werden neben dem Schul-

buch als Leitmedium auch andere Druckerzeugnisse

wie Formelsammlungen, Arbeitshefte und Kopiervor-

lagen, aber auch der Taschenrechner und digitale

Medien als Lernmittel genutzt.

Digitale Medien sind mittlerweile integraler Bestand-

teil des Alltags und der Lebenswirklichkeit unserer

Schülerinnen und Schüler. Informations- und Kommu-

nikationstechnologien werden in Alltag und Freizeit in

zunehmendem Maße genutzt. Dadurch ergibt sich die

Notwendigkeit einer systematischen Vermittlung von

Medienkompetenzen im Unterricht mit dem Ziel, die

Schülerinnen und Schüler zu einem sach- und situati-

onsgemäßen Umgang zu führen, Medien reflektiert

und kritisch zu nutzen und Lernprozesse durch die

Nutzung geeigneter Medienangebote zu unterstützen.

27

01 | SCHWERPUNKT MATHEMATIK

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MEDIENBRIEF | N° 02.2014

Das DZLM: Qualifizieren – Forschen – Netzwerke bilden

teams mehrere mehrtägige Fortbildungsreihen für Lehr-

kräfte angeboten. Unter anderem sind dies: GEOMETRIE

kompakt, STOCHASTIK kompakt und GTR (=Graphischer

Taschenrechner) kompakt und demnächst auch BASIS-

KOMPETENZEN kompakt.

Weitere Informationen erhalten Sie beim DZLM (www.dzlm.

de), bei der Medienberatung NRW (www.medienberatung.

nrw.de), bei den Dezernaten 46 der Bezirksregierungen und

bei den Kompetenzteams (www.kompetenzteams.nrw.de).

Darüber hinaus bieten die DZLM-Standorte regionale

Fortbildungen und Lehrertage an. In den Schuljahren

2012/13 (Primarstufe und Sek I) und 2013/14 (Primarstufe)

fanden ganzjährige Fortbildungskurse für Mitglieder der

K-Teams NRW statt. Für die Zukunft sind weitere spezielle

Angebote in Planung, die sich differenziert an die K-Teams

aller Schulstufen richten werden.

Prof. Dr. Rolf Biehler

Rolf Biehler ist Professor an der Universität Paderborn und Leiter der Abteilung

Sekundarstufe II des DZLM

Das Deutsche Zentrum für Lehrerbildung Mathematik (DZLM)

unterstützt engagierte Pädagoginnen und Pädagogen dabei,

Verständnis und Begeisterung für das Fach Mathematik zu

wecken. Das DZLM ist deutschlandweit tätig und ist eine

Initiative der Deutsche Telekom Stiftung, die das Zentrum

finanziell unterstützt. Im Fokus steht dabei die Fort- und

Weiterbildung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren -

also von Lehrkräften und Elementarpädagoginnen und

-pädagogen, die andere Pädagoginnen und Pädagogen

fortbilden, beraten und deren Unterrichtsentwicklung sowie

Bildungs- und Erziehungsarbeit unterstützen und begleiten.

Daneben bietet das DZLM auch Fortbildungen direkt für

Lehrkräfte im Bereich der Mathematik an.

Unter Führung der Humboldt-Universität zu Berlin sind an

dem Konsortium folgende Hochschulen - mit Schwerpunkt

NRW - beteiligt: Freie Universität Berlin, Ruhr-Universität

Bochum, Technische Universität Dortmund, Universität

Duisburg-Essen, Pädagogische Hochschule Freiburg und

Universität Paderborn. In NRW werden gemeinsam mit dem

Ministerium für Schule und Weiterbildung, der Medienbera-

tung NRW, den Bezirksregierungen und den Kompetenz-

»Mathematikunterricht der Zukunft«Am Mittwoch, 24. September 2014, 10 – 17 Uhr, veran-

stalten die Medienberatung NRW (AG Mathematik) und

das Deutsches Zentrum für Lehrerbildung Mathematik

(DZLM) in Düsseldorf die Fachtagung »Mathematikun-

terricht der Zukunft - Mehrwert digitaler Werkzeuge«.

Die Tagung richtet sich an Mathematikmoderatorinnen,

Fachberaterinnen, Medienberaterinnen, die Dezernate 46

der Bezirksregierungen sowie an die Fachdezernentinnen

der Bezirksregierungen in Nordrhein-Westfalen.

Für den Mathematikunterricht der Zukunft spielen digitale

Werkzeuge eine immer größere Rolle. Dabei gilt es zahl-

reiche Aspekte, die zu bedenken sind: Welchen Einfluss

hat dies auf das Lernen und Lehren von Mathematik vor

dem Hintergrund der gesellschaftlichen Veränderungen?

Wie müssen sich Schulen vorbereiten, um den neuen

Anforderungen gerecht zu werden? oder Welchen Stellen‑

wert sollen digitale Werkzeuge in den verschiedenen Jahr‑

gangsstufen haben?

Den Einführungsvortrag hält Prof. Dr. Bärbel Barzel

(Universität Duisburg‑Essen)

Weitere Informationen zum Program und zur Anmeldung finden Sie unter: www.lehrerfortbildung.schulministerium.nrw.de/app/kteam/event/event_MBBR.asp?P=event&ENr=22152&KNr=0

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Flächeninhalte von Vierecken, Ähnlichkeit/ Strahlensätze).

Ein weiterer Aspekt ist dabei, wie prozessbezogene Kompe-

tenzen (Argumentieren, Problemlösen, Präsentieren) mit

diesen Inhalten und dem Einsatz digitaler Werkzeuge

verknüpft werden können. Grundlage sind vorbereitete

dynamische Arbeitsblätter.

Modul B: Handlungsorientierter Geometrieunterricht –

mit und ohne digitale Werkzeuge

Im Modul B werden handlungsorientierte Methoden (z. B.

Zerlegungsbeweise zum Satz des Pythagoras) mit Papier

und Schere durchgeführt, siehe Abbildung 4. Im Vergleich

zur händischen Erarbeitung wird am Satz von Pythagoras

der Mehrwert des digitalen Werkzeuges herausgearbeitet,

dazu werden auch Tablets verwendet (siehe Abbildung 2).

Dessen Möglichkeit, Irrwege aus dem Lernprozess und

Lösungen zu Arbeitsergebnissen zu dokumentieren, stellt

für den Lehrer einen didaktisch-methodischen Vorteil dar.

Geometrie lehren und lernen – kompetenzorientiert und dynamisch

Dynamische Geometrie-Software gehört zu den Standard-

werkzeugen im Mathematik-Unterricht, dennoch ist ihr

Einsatz noch nicht Alltag in den Schulen. Das Deutsche

Zentrum Lehrerbildung für Mathematik (DZLM) hat

zusammen mit der Medienberatung NRW einen viertägigen

Kurs »Dynamische und kompetenzorientierte Sicht auf die

euklidische Geometrie« entwickelt und an den Standorten,

Düsseldorf, Essen und Paderborn durchgeführt. Die

Fortbildung orientiert sich an den inhaltsbezogenen und

prozessbezogenen Kompetenzen der Kernlehrpläne und

richtet sich an Lehrkräfte, die in der Sekundarstufe I

unterrichten. Als Software wird GeoGebra eingesetzt. Die

Fortbildung umfasst folgende vier eintägige Module:

Modul A: Geometrie dynamisch lehren und lernen

Die Teilnehmer lernen im Modul A aus Schülersicht kennen,

wie man mit dynamischen Arbeitsblättern erfolgreich und

effizient Geometrie entdecken kann. Sie erfahren die

Spezifika und Vorteile von Zugmodus, Spur/ Ortslinie,

Schiebereglern und dynamischen Messungen und Berech-

nungen (siehe Abbildung 1).

Dabei können die klassischen geometrischen Sätze als

Invarianzen im Zugmodus entdeckt werden (Winkel am

Dreieck, Besondere Punkte und Linien am Dreieck, Abb. 1: Spurmodus

Abbildung 2: Ideenfindung durch Tablets

GEOMETRIE kompakt Beispiel 1-1:

Zu einem Dreieck ABC sind die Mittelsenkrechten ma und mb konstruiert.

a) Ziehe an C und beobachte den Schnittpunkt P der Mittelsenkrechten.

b) Lasse P eine Spur zeichnen (rechte Maustaste auf P, »Spur ein«).

Auf welcher Linie bewegt sich P?

Abbildung 1: Spurmodus

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01 | SCHWERPUNKT MATHEMATIK

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Abbildung 4: Verbindung von Geometrie und Algebra am Beispiel des Satzes von

Pythagoras

Weiterhin werden Methoden des kooperativen Lernens

erprobt, für den Einsatz im Unterricht reflektiert und als

Vertiefung zum Handling von GeoGebra eigene Konstruktio-

nen aus Schülerperspektive durchgeführt. Fragen der

Leistungsbewertung mit und ohne digitale Werkzeuge

runden das Modul B ab.

Modul C: »Ich hab’s: Geometrie prozessorientiert

unterrichten«

Im Modul C geht es darum, anhand von guten und schulfor-

mangemessenen Problemlöseaufgaben, die mit und ohne

digitale Werkzeuge lösbar sind, Lösungsstrategien (Heuris-

men) bewusst zu machen. Darüber hinaus lernen die

Lehrkräfte, wie die Heurismen als Gegenstand des Geomet-

rieunterrichts systematisch gelernt werden können, damit

diese dann effektiv und kontinuierlich im eigenen Geomet-

rieunterricht eingesetzt werden können. Durch den Einsatz

von GeoGebra beim Problemlösen und explorativen und

entdeckenden Beweisen wird der Werkzeugcharakter von

DGS erweitert und der Aspekt des heuristischen Denkwerk-

zeugs in den Fokus gestellt. Das Beispiel zum Satz von

Varignon (siehe Abbildung 3) zeigt, wie die Schülerinnen

und Schüler die Gesetzmäßigkeiten entdecken können.

Dabei sollen sie – unterstützt durch dynamische Geometrie-

Software – eigene Beweisideen erarbeiten, vermitteln und

erste (präformale) Beweise führen.

b-Quadrat gleich c-Quadrat!« aufsagt oder ob man damit

ein Bild eines rechtwinkligen Dreiecks mit Quadraten über

allen Seiten verbindet. Mit Hilfe dieses Bildes und einem

visualisierten Beweis (siehe Abbildung 4) kann diese

Behauptung einsichtig und damit nachhaltiger vermittelt

werden. Diese Verbindungen werden thematisiert und der

Perspektivwechsel bewusst angegangen, sowie deren

Implementierung in Lernmittel- und Medienkonzepte.

Nachhaltigkeit

Die Konzeption solcher viertägiger kompakter und aufein-

ander abgestimmter Fortbildungen, die sich insgesamt

über ein halbes Jahr erstrecken und zwischen den Fortbil-

dungstagen Zeit für eigene Praxis-Erfahrungen geben, ist

ein Novum und setzt sich bewusst von halbtägigen oder

ganztägigen ‚Eintagsfliegen‘ ab, um eine stärkere Wirksam-

keit zu erreichen.

Rolf Biehler, Wilfried Dutkowski, Hans-Jürgen

Elschenbroich, Gaby Heintz,Katrin Hollendung und Ana Kuzle

Rolf Biehler ist Professor an der Universität Paderborn und Leiter der Abteilung Sekundar- stufe II des DZLM. Wilfried Dutkowski ist pädagogischer Mitarbeiter der Medienberatung NRW und kommissarischer Schulleiter. Hans-Jürgen Elschenbroich ist externer Mitarbeiter der Medienberatung NRW. Gaby Heintz ist Fachleiterin und Kernseminarleiterin am ZfsL Neuss. Katrin Hollendung ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Paderborn. Ana Kuzle hat eine Vertretungsprofessur an der Universität Osnabrück.

Modul D: Brücken bauen: Geometrie, Algebra und Funktionen

Die Schulmathematik wird üblicherweise in zwei unter-

schiedliche Themenfelder Geometrie und Algebra/Funktio-

nen gegliedert. Das Modul D zeigt Brücken, um unter-

schiedliche Zugangsweisen zu mathematischen Strukturen

zu ermöglichen. Dabei stehen die Grundrechenarten und

Rechengesetze gleichberechtigt neben algebraischen

Sätzen wie den binomischen Formeln oder dem Satz des

Pythagoras. Es ist ein Unterschied, ob man den mathema-

tisch verkürzten Satz des Pythagoras als »a-Qudrat plus

Abbildung 3 : Entdecken, Argumentieren und Beweisen mit DGS am Beispiel

des Satzes von Varignon

Rechteck Quadrat Raute

Raute Quadrat Rechteck

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MEDIENBRIEF | N° 02.2014

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Stochastik kompakt. Stochastik anwendungs- und verstehensorientiert unterrichten

Durch die Einführung des Kernlehrplans Mathematik für

die Sekundarstufe II und den Erlass zum verpflichtenden

Einsatz des grafikfähigen Taschenrechners (GTR) in der

Sekundarstufe II ergibt sich eine neue Verbindlichkeit,

Stochastik in der Oberstufe werkzeuggestützt zu unterrich-

ten. Dies stellt viele Lehrkräfte in Nordrhein-Westfalen vor

neue Herausforderungen. Dabei kann der verpflichtende

Einsatz digitaler Werkzeuge insbesondere im Stochastikun-

terricht mächtige verständnisfördernde Unterrichtsmög-

lichkeiten in den Kompetenzfeldern Modellieren, Simulie-

ren und Visualisieren liefern, wie in der hier vorgestellten

Fortbildungsreihe aufgezeigt wird.

Die Fortbildungsreihe »STOCHASTIK kompakt« wird in

einer Kooperation des Deutschen Zentrums für Lehrerbil-

dung Mathematik (DZLM) und der Arbeitsgruppe Mathema-

tik der Medienberatung NRW Lehrkräften in NRW ab dem

Schuljahr 2014/15 angeboten. Der Fokus liegt in der

Umsetzung der im Kernlehrplan zur Stochastik geforderten

Inhalte mit dem Werkzeug GTR. Dabei greift die Reihe auf

Qualifizierungserfahrungen aus den vergangenen beiden

Schuljahren zurück. Das Fortbildungsteam und die entstan-

denen dezentralen Lehrernetzwerke freuen sich auf die

kommende Durchführung mit neuen Impulsen aus der

Zusammenarbeit von Experten aus der Unterrichtspraxis,

der mediengestützten Unterrichtsentwicklung sowie der

Stochastik und ihrer Didaktik.

Die Fortbildungsreihe umfasst vier Fortbildungsmodule im

Umfang von jeweils einem ganzen Tag. Besondere Akzente

setzen wir auf den Einsatz von Simulationen und auf die

Modellierung von Problemen aus authentischen Anwen-

dungssituationen. Inhalt der Fortbildung ist insbesondere

auch eine schrittweise Auffrischung und Vertiefung im

Bereich der Beurteilenden Statistik inklusive konkreter

Hilfestellungen für den eigenen Unterricht.

Ziel des Modul A ist es, unterrichtliche Kompetenzen zum

Einsatz von Simulationen, Experimenten und Daten beim

Ausbau von Grundbegriffe und Grundvorstellungen zur

Stochastik beim Wiedereinstieg in die Stochastik in der

Einführungsphase zu vermitteln, um einen sachverständi-

gen Umgang mit Daten zu schulen und stochastische

Phänomene zu visualisieren und zu untersuchen.

Ein wesentlicher Teil des Modul B ist, die zentralen

Modelle der Bernoulli-Kette und der Binomialverteilung

mit Hilfe geeigneter Visualisierungen vorstellungsorientiert

und modellierungsbewusst unterrichten zu lernen.

Zusätzlich werden auch Unterrichtsszenarien entwickelt,

mit welchen die Begriffe der stochastischen Unabhängig-

keit und bedingten Wahrscheinlichkeiten, auf welche hier

aufgebaut wird, angemessen vorbereitet werden können.

In den beiden Fortbildungsmodulen zur Beurteilenden

Statistik (Modul C und D) werden Kernelemente des

geforderten Unterrichtsstoffs fachlich aufgefrischt sowie

Konzepte zu deren Vermittlung erarbeitet und aus metho-

disch-didaktischer Sicht reflektiert.

Mit Hilfe unterrichtspraktischer Beispiele und des im

DZLM entwickelten Unterrichtskonzepts »BeSt@Kontext«

(Biehler & Oesterhaus, vorbereitet für 2014), welche

insbesondere ein verstehensorientiertes Unterrichten der

Grundideen der Beurteilenden Statistik durch den Einsatz

digitaler Simulationen und dynamischer Visualisierungen

ermöglichen, werden die Lehrerinnen und Lehrer von uns

darin unterstützt, authentische Anwendungsprobleme zum

Hypothesentesten mit Hilfe von Werkzeugeinsatz mit ihren

Schülern zu erarbeiten.

Fortbildungsmaterialien und Unterrichtsanlässe in Modul A

Die vorgeschlagene Unterrichtsreihe für die Einführungs-

phase könnte mit der Lernaktivität »10-20-Testproblem«

(siehe Abbildung 1) beginnen. Erfahrungen aus den

Fortbildungsmodulen und aus Unterrichterprobungen

haben gezeigt, dass die Befragten eine sehr unterschiedli-

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01 | SCHWERPUNKT MATHEMATIK

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Betrachten Sie die folgenden beiden Multiple Choice Tests:

Test 1 besteht aus 10 Fragen, bei denen der Prüfling entweder

ja oder nein ankreuzen kann. Test 2 besteht aus 20 Fragen, bei

denen der Prüfling entweder ja oder nein ankreuzen kann. Beide

Tests sind bestanden, wenn mindestens 60 % der Fragen richtig

beantwortet sind.

Was erwarten Sie intuitiv? Bei welchem dieser Tests hat ein

Prüfling größere Chancen zu bestehen? Kreuzen Sie spontan an!

Test 1 (bestehend aus 10 Fragen)

Test 2 (bestehend aus 20 Fragen)

Beide Chancen sind gleich groß

Ähnlich zu finden in: Meyfarth, T. (2006). Ein computergestütztes Kurs- konzept für den Stochastik-Leistungskurs mit kontinuierlicher Verwend- ung der Software Fathom Kasseler Online-Schriften zur Didaktik der Stochastik (KaDiSto) (Vol. 2). Kassel: Universität Kassel, S.17ff.

Abbildung 1: »10-20-Testproblem«

che Vorstellung zur Lösung dieses Problems haben und die

Einschätzungen häufig nicht ausreichend begründet werden

können. Solche Probleme laden zu einem simulationsgestütz-

ten Lösungszugang ein, der sowohl über ein Realexperiment

mit Fragebögen, händisch über ein Modellzufallsexperiment

(10- bzw. 20-facher Münzwurf) oder mit Hilfe einer werk-

zeuggestützten Simulation im GTR realisiert wird. Diese

Vorgehensweise bietet vielfältige Fragestellungen zur

Anknüpfung im Unterricht:

> Wie realisiere ich Simulationen und Visualisierungen

mit dem Werkzeug GTR?

> Wie gehe ich Simulieren im Unterricht an? (Stichwort:

Simulationsplan)

> Wie gehe ich mit Schätzwerten aus Simulationen um?

(Stichwort 1/√n-Gesetz zur Präzisierung des Gesetzes

der großen Zahlen)

Aufbauend darauf können im Rahmen der vier Tage

umfassenden Lehrerfortbildungsreihe mit Zwischenar-

beitsphasen, die zur eigenen Erprobung anregen, ab 2015

an mehreren Standorten in NRW die weiteren Inhalte der

Einführungsphase und Inhalte der Qualifikationsphase in

den Modulen B, C und D erarbeitet werden.

Rolf Biehler, Michael Casper und Janina Oesterhaus

Rolf Biehler ist Professor für Mathematik an der Universität Paderborn und Leiter der

Abteilung Sekundarstufe II des DZLM. Michael Casper ist Lehrer am Maria-Sibylla-

Merian-Gymnasium Krefeld und Mitglied in der AG Mathematik der Medienberatung

NRW. Janina Oesterhaus ist Mitarbeiterin der Abteilung Sekundarstufe II des DZLM an

der Universität Paderborn

(c) Teddy Tietz (mehr Cartoons unter www.teddytietz.de)

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MEDIENBRIEF | N° 02.2014

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GTR kompakt, Basiswissen kompakt

Der Erlass, grafikfähige Taschenrechner (GTR) verpflich-

tend in der Sekundarstufe II zu verankern, fand viel Zustim-

mung, stieß aber auch auf Ablehnung oder verursachte

zumindest Verunsicherung. Grund genug für das Ministeri-

um für Schule und Weiterbildung NRW, die AG Mathematik

der Medienberatung NRW zu beauftragen, in Zusammenar-

beit mit dem DZLM (Deutsches Zentrum für Lehrerbildung

Mathematik) geeignete Fortbildungsmaßnahmen zu suchen

oder diese zu entwickeln. Prof. Dr. Bärbel Barzel wird

zusammen mit Prof. Dr. Andreas Büchter und Prof. Dr.

Gilbert Greefrath und einer Arbeitsgruppe aus Lehrkräften

aus den K-Teams und der Medienberatung NRW eine

Fortbildungsreihe »GTR kompakt« entwickeln. Diese

Lehrerfortbildung richtet sich an Lehrerinnen und Lehrer

der Sekundarstufe II und wird am 06.09.2014 im Rahmen

der Jahrestagung des DZLM an der Universität Duisburg-

Essen vorgestellt.

Die Fortbildungsreihe wird vier jeweils eintägige Präsenz-

termine im Wechsel mit Onlinephasen und Erprobungen im

eigenen Unterricht umfassen. Die Konzeption und Umset-

zung der Fortbildung wird von den genannten Professoren

bzw. der Professorin wissenschaftlich begleitet. Zusätzlich

konnten die Schulvertreter von CASIO und TEXAS INSTRU-

MENTS gewonnen werden, diese Fortbildung auf der

Hardwareseite zu unterstützen. Grundsätzlich wird die

Fortbildungsreihe jedoch mit jedem beliebigen GTR besucht

und erfolgreich absolviert werden können.

Im Modul A wird es eine allgemeine Einführung in den GTR

im Rahmen der Funktionenlehre (Klasse 10) geben, um

Chancen und Möglichkeiten des Rechnereinsatzes zu

erkennen. Daran schließt sich als Modul B eine Einheit zu

Modellierungs- und Problemlöseaufgaben aus den Berei-

chen »Lineare Algebra«, »Analysis« und »Stochastik« an.

Die Module C und D werden Möglichkeiten für die Unter-

richtsgestaltung mit dem GTR aufgezeigen, die Grenzen

dieses Werkzeugs kritisch diskutieren und rechnergestützte

Prüfungsaufgaben betrachten.

Mit Blick auf die bereits in der Sekundarstufe I auftretenden

Schwierigkeiten von Schülerinnen und Schülern im Mathe-

matikunterricht soll für das Schuljahr 2014/2015 eine

Fortbildung »BASISWISSEN kompakt« angeboten werden.

Prof. Dr. Bärbel Barzel, Wilfried Dutkowski,

Prof. Dr. Petra Scherer

Bärbel Barzel ist Professorin für Mathematik an der Universität Duisburg-Essen, Wilfried Dutkowski ist Mitarbeiter in der Medienberatung NRW und kommissarischer Schulleiter. Petra Scherer ist Professorin für Mathematik an der Universität Duisburg-Essen

Foto : Casio Europe GmbH

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01 | SCHWERPUNKT MATHEMATIK

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Arithmeum – Museum für RechenkunstIm Arithmeum dreht sich alles um die Geschichte der

Rechenmaschinen, von den Anfängen des Rechnens mit

Hilfsmitteln über mechanische Wunderwerke bis hin zu

ersten »Taschenrechnern« und dem Computerzeitalter.

Ausgestellt sind Originale – es beherbergt die weltweit

umfassendste Sammlung mechanischer Rechenmaschi-

nen - und Nachbauten, die zum Teil ausprobiert werden

können. Im Untergeschoss gibt es zum Beispiel eine

Enigma oder den Nachbau einer Hollerith-Zählmaschine,

mit der zum ersten Mal in den USA eine Volkszählung

»automatisch« ausgewertet werden konnte.

Die Kinderprogramme im Arithmeum beziehen die Aus-

stellungsexponate des Arithmeums ein und vereinen das

Wissen aus dem klassischen Schulunterricht mit aktiven

Elementen. Es sind die Themen »Rechnen einst« oder

»Rechnen heute« wählbar. Die Kinderprogramme sind

nach vorheriger Buchung jederzeit während der Öffnungs-

zeiten möglich und dauern 90 Minuten.

Arithmeum - Museum für RechenkunstLennéstraße 2, 53113 Bonn www.arithmeum.de

Öffnungszeiten Dienstag - Sonntag: 11:00 - 18:00

EintrittspreiseErwachsene 3,- Euro, Kinder 2,- EuroFührungen (Dauer ca. 60 Min.): nach AbspracheFührungsgebühr pro Gruppe: 25,- EUR – plus Eintritt pro Person. Schulklassen zahlen keine Führungsgebühr

Heinz Nixdorf MuseumsForum

Im westfälischen Paderborn steht das weltgrößte Compu-

termuseum. Auf 6.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche

zeigt das HNF 5.000 Jahre Geschichte der Informations-

technik, von der Keilschrift über Rechen- und Schreibma-

schinen bis zu Internet und Robotik.

Ausprobieren und Anfassen machen das HNF zum Erleb-

nismuseums. Besucher können historische Telefone oder

Telefonvermittlungsanlagen benutzen, aktuelle und

historische Computerspiele ausprobieren oder sich mit dem

virtuellen Wesen Max unterhalten. Zu den Glanzstücken der

Sammlung zählen der funktionstüchtige Nachbau der

Leibniz-Rechenmaschine, Komponenten des ersten

raumgroßen elektronischen Computers ENIAC, der

Bordrechner der Gemini-Raumkapsel und der legendäre

Apple 1. Eine ganz besondere Attraktion ist der berühmtes-

te Automat der Welt: Der sogenannte Schachtürke Wolf-

gang von Kempelens aus dem 18. Jahrhundert in einer

originalgetreuen Rekonstruktion. Museumspädagogische

Veranstaltungen und Workshops erweitern das Ausstel-

lungsangebot. Seit einiger Zeit hat das HNF verstärkt

Themen aus dem MINT-Bereich (Mathematik, Informatik,

Naturwissenschaften, Technik) in den Fokus gerückt.

Heinz Nixdorf MuseumsForum (HNF)Fürstenallee 7, 33102 Paderbornwww.hnf.de

ÖffnungszeitenDienstag bis Freitag: 9-18 UhrSamstags und Sonntag: 10-18 Uhr

EintrittspreiseErwachsene 7 Euro, ermäßigt 4 EuroSchulklassen haben nach Anmeldung freien Eintritt

Die Zuse Z25 (1962) - einer der frühesten, original erhaltenen und immer noch funktionsfähigen Computer – Ausschnitt aus dem »Innenleben«. Foto: Arithmeum.

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MEDIENBRIEF | N° 02.2014

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Mathe lernen mit YouTube??? Ein Interview mit »DorFuchs«

Johann Beurich ist ein Youtube-Star! Unter dem Pseudonym »DorFuchs« (sächsisch für: Der Fuchs) macht er erfolgreich

ein Thema populär, das man nicht unmittelbar mit Youtube in Verbindung bringt. Er singt über mathematische Phänomene

und erklärt wie nebenbei und verständlich hochkomplexe Themen – und hat dabei offensichtlich auch noch Spaß. Seine

Songs über binomische Formeln, den Sinussatz oder die Polynomdivision haben bisher schon mehr als 300.000 Menschen

gesehen und ihm eine Nominierung für den Grimme Online Award 2013 in der Kategorie Wissen und Bildung eingebracht.

D.P.: Wer steckt hinter »DorFuchs« und wie sind Sie auf die

Idee gekommen, in Ihre Lieder ausgerechnet die Mathema-

tik einzubinden?

J.B.: Ich hab schon immer mehrere Sachen gerne gemacht:

Klavier gelernt, mir Gitarre beigebracht, und auch Mathe

war schon immer ein Interesse von mir. Irgendwann hab ich

angefangen, das, was ich gerne mache, zu kombinieren,

und so hab ich mal Pi aufgesagt, während ich mit einem

Fußball jonglierte und mal einen Song über die Lösungsfor-

mel geschrieben – und es scheint zu funktionieren. Zur Zeit

studiere ich Mathematik (Bachelor) im 4. Semester an der

TU Dresden.

D.P.: Sie stehen in einem regen Austausch mit den Usern

ihres Youtube-Kanals. Haben Sie Rückmeldungen aus

Schulen bekommen oder werden die Songs im Unterricht

eingesetzt?

J.B.: Ich bekomme täglich Kommentare, und es ist keine

Seltenheit, dass die Videos im Unterricht gezeigt werden.

Selbst in meinen Videostatistiken sieht man, dass ein paar

Aufrufe über Google-Suchen wie »Polynomdivision Unter-

richt Einstieg« rein kommen, und ab und zu fragt auch eine

Klasse, ob sie die Songs zum Schulkonzert singen dürfen...

D.P.: Beim Lernen machen wir ja zum Teil seltsame Dinge.

Wir verwechseln Fakten, merken uns nur Teile von Informa-

tionen oder vergessen wichtige Inhalte schlichtweg.

Langweiliges Auswendiglernen ist dann leider die ungelieb-

te Praxis. Zur Unterstützung haben wir alle schon immer

ein paar Hilfsmittel gesucht. Wir visualisieren – auch in der

Mathematik – Lerninhalte oder Lernen durch Tun (»prob-

lem solving«). Sind Sie der akustische Lerntyp?

J.B.: Nein, ich bin trotz allem der visuelle Lerntyp. Zusam-

menhänge oder eben auch mathematische Formeln sehe

ich vor meinem inneren Auge, und das, was ich da »sehe«,

versuche ich auch in die Videos zu packen. Damit sich der

Aufwand lohnt, mach ich gleich ein Lied draus, aber die

Songs selbst helfen mir persönlich eigentlich nicht beim

Verstehen oder Lernen.

D.P.: Auch andere Anbieter wie z. B. »Numberphile« der

University of Cambridge wenden sich dem Thema Mathe-

matik im Web 2.0 zu. Die Mathematiker und Professoren

nutzen für ihre Inhalte Youtube, Facebook, Twitter und

Flickr. Sind das für Sie, neben der klassischen Wissensver-

mittlung in der Schule, erfolgversprechende Formate?

J.B.: Dass Bildung heute das Internet nutzen sollte, steht ja

außer Frage. Was ich besonders spannend finde, ist, dass

man mit Mathe-Videos auf YouTube Erfolg haben kann, weil

das jeden Schüler beschäftigt und YouTube bei vielen heute

einfach ein Ort ist, wo man sonst auch in seiner Freizeit ist.

Darüber etwas Motivation zu vermitteln, sollte meiner

Meinung nach viel mehr genutzt werden, weil der klassische

Unterricht oft genau das Gegenteil macht. Etwas spitz

gesagt: Mit einem gut gemachten Video kann ich Hundert-

tausende erreichen, während man dafür sonst Tausende

Lehrer bräuchte, die meistens nicht so viel Arbeit in ein

interaktives Tafelbild stecken können.

Links zum Text:

DorFuchs: https://www.youtube.com/channel/UC97dp7op_ZjSCNp3DRLGymQ

Numberphile : https://www.youtube.com/channel/UCoxcjq-8xIDTYp3uz647V5A

Dirk Poerschke

Dirk Poerschke ist MedienSpielPädagoge, M.A. im LVR-ZMB

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01 | SCHWERPUNKT MATHEMATIK

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1914 – Mitten in Europa02

Das Rheinland und der Erste Weltkrieg – Das LVR-Verbundprojekt

Fritz Klein Bey in türkischer Majorsuniform. Foto: Preußen-Museum NRW, Wesel

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MEDIENBRIEF | N° 02.2014

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»Wir ungereimten Rheinländer…«Zwischen Aufbruch und Beharrung.Die Rheinlande und das literarische Leben 1900 – 1914

Im Zentrum der Ausstellung steht die

Zeitschrift »Die Rheinlande«, die – von

Wilhelm Schäfer als Organ des

»Verbandes der Kunstfreunde in den

Ländern am Rhein« herausgegeben

– viele literarische Originalbeiträge

enthielt. Neben eher der Tradition

verhafteten Literaten und Künstlern

wie Richard Dehmel, Clara Viebig,

Ferdinand Hodler oder Hermann

Hesse waren auch fortschrittliche

Künstlerpersönlichkeiten wie Walter

Hasenclever, Else Lasker-Schüler,

Wilhelm Lehmbruck oder Robert

Walser darin vertreten.

Die Zeitschrift zeichnete ein zeittypi-

sches Panorama, das Reform und

Revisionismus vereinte, genau jene

Melange zwischen aggressiver

Rückwärtsgewandtheit und Zukunfts-

freude, der auch der Erste Weltkrieg

entsprang. Von ihr ausgehend, sollen

die Vernetzungen kultureller Kreise

und Akteure am Rhein nachvollzogen

werden.

Vom 10.02.2015 bis 19.04.2015 wird die

Ausstellung im Ernst-Moritz-Arndt-

Haus Bonn zu sehen sein.

14.09.2014 – 30.11.2014

Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf

Bilker Straße 12 –14, 40213 Düsseldorf

www.duesseldorf.de/heineinstitut Cover Rheinlande (Juli 1904), Bibliotheksbestand Rheinisches Literaturarchiv im HHI, © Heinrich-Heine-Institut

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02 | – MITTEN IN EUROPA

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Das (verlorene) Paradies.Expressionistische Visionen zwischen Tradition und Moderne

Ein kreatives Ereignis: 1912 trafen sich August Macke und

Franz Marc in Mackes Atelier in Bonn und malten gemein-

sam das monumentale Wandbild »Paradies«. 1914 fiel

Macke, nur wenige Wochen nach Kriegsbeginn, 1916 wurde

auch Marc aus seinem Kunstavantgarde versprechenden

Leben gerissen.

Paradiese waren das Lebensthema für beide: Suchte Macke

die künstlerische Rückeroberung paradiesischer Gefilde,

zuweilen mit Orientalischem / Exotischem verknüpft, fand

Marc, ganz franziskanisch gesinnt, im Wesen der Tiere

einen unverdorbenen Urzustand. Beide Sehnsüchte lassen

sich mit einer Vielzahl weiterer »Paradiese« renommierter

Künstler aus der Zeit ergänzen: Ernst Ludwig Kirchner,

Christian Rohlfs, Carlo Mense u. a.

Paradiese: weit über die künstlerische Aneignung des

Themas hinaus lässt sich hier der Schlüssel zum Lebens-

gefühl der Moderne finden. Lebensreformerisch geprägt,

zeugte das Thema vor 1914 von der Erwartung an eine Welt,

in der die entfremdenden Erfahrungen der abendländischen

Zivilisation überwunden waren. Eine zukunftsfrohe Utopie,

die sich mit der Hölle des Weltkrieges zu einer Sehnsuchts-

und Heilslandschaft wandelte. Galten die ersten Ansätze

noch der Konstatierung des Verlustes, so transportierte das

»Paradies« weiterhin als utopisches Denkbild die Hoffnun-

gen des 20. Jahrhunderts.

26.09.2014 – 25.01.2015

August Macke Haus Bonn

Bornheimer Straße 96, 53119 Bonn

www.august-macke-haus.de

August Macke /Franz Marc, Paradies, 1912, Ölfarbe auf Wandputz, 4 x 2 m, ehemals im Atelier von August Macke in Bonn, Bornheimer Str. 96 (August Macke Haus Bonn); seit 1981 im LWL - Landesmuseum Münster. Foto: LWL - Landesmuseum Münster

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MEDIENBRIEF | N° 02.2014

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Playing Lawrence On The Other Side.Die Expedition Klein und das deutsch- osmanische Bündnis im Ersten Weltkrieg

Die Ausstellung zeichnet ein lebendiges Bild

verschiedener Aspekte deutscher Orientpo-

litik von 1888 bis 1918. Besondere Berück-

sichtigung finden das deutsch-osmanische

Bündnis und die vielfältigen Erfahrungen

deutscher Soldaten auf den orientalischen

Kriegsschauplätzen. In diesem Rahmen

erzählt die Ausstellung ein nahezu unbe-

kanntes Kapitel des Ersten Weltkriegs.

Im Auftrag des Auswärtigen Amtes und

Großen Generalstabes unternimmt der

preußische Hauptmann Fritz Klein eine

abenteuerliche Expedition in das Osmani-

sche Reich und nach Persien. Es gelingt

dem weltläufigen Offizier aus einem

rheinischen Regiment, die hohe schiitische

Geistlichkeit in Kerbela für den Erlass einer

Fatwa für den Kampf an der Seite der

Mittelmächte zu gewinnen. In seinem

Kleinkrieg mit arabischen und persischen

Stämmen gegen weit überlegene britische

und russische Kräfte ist die Sprengung der

britischen Pipeline am Persischen Golf der

größte Erfolg. Hauptmann Klein wird unter

dem Eindruck seiner Orienterfahrungen

immer mehr zum Kritiker der politisch-

militärischen Führung und des europäi-

schen Imperialismus. Der jüdische Adjutant

der Expedition Edgar Stern-Rubarth bringt

in den 30er Jahren in seinem Londoner

Exil ihre Geschichte auf eine Formel, die

dem Projekt seinen Namen gegeben hat:

»Playing Lawrence On The Other Side.«

26.10.2014 – 25.01.2015

Preußen-Museum NRW

An der Zitadelle 14 – 20, 46483 Wesel

www.preussenmuseum.de Gerettet und eingekleidet von osmanischen Kameraden, Foto: Preußen-Museum NRW, Wesel

Nach der Sprengung der Pipeline: Ausgeplündert in der irakischen Wüste.Foto: Preußen-Museum NRW, Wesel

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02 | – MITTEN IN EUROPA

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Zeichen gegen den Krieg.Antikriegsplastik von Lehmbruck bis heute

Wilhelm Lehmbrucks »Gestürzter« ist das Gegenbild des

heldenhaften Soldaten, der zu jener Zeit ein populäres

Motiv der Bildhauerkunst war. Er steht nicht aufrecht,

sondern ist gebrochen, gestürzt, unter einer unsichtbaren

Last gebeugt.

Dieses Werk entstand 1915 als Reaktion auf den Beginn des

Ersten Weltkriegs und seine Grausamkeit. Zugleich weist es

über das unmittelbare Zeitgeschehen hinaus und steht für

den gescheiterten Menschen allgemein. Somit ist es

Ausgangspunkt für diese Ausstellung, die ihren Blick über

das Jahr 1914 hinaus auf gegenwärtige Kriege und Konflik-

te richtet: Welches Bild des Menschen entwerfen Künstle-

rinnen und Künstler heute angesichts der Bedrohung?

»Der Krieg ist wie die Liebe, er findet immer einen Aus-

weg«, schreibt Bertolt Brecht in »Mutter Courage«. Er

meint damit nicht nur den »Erfindungsreichtum« des

Krieges (Harun Farocki), sondern den Krieg als Konstante

des Menschseins – ebenso wie die Liebe. Gleichwohl

nehmen Kriege und kriegerische Konflikte immer wieder

neue Formen an.

Eine nur schwer greifbare aber zentrale Rolle spielen die

medialen Diskurse und die Darstellung von Gewalt in den

digitalen Medien. Mit Skulpturen, Wandarbeiten, Installatio-

nen, Filmen und Videoarbeiten internationaler Künstlerin-

nen und Künstler zeigt die Ausstellung künstlerische

Kommentare und Auseinandersetzung mit dem Thema

»Krieg«.

11.09.2014 – 7.12.2014

Lehmbruck Museum

Friedrich-Wilhelm-Straße 40, 47051 Duisburg

www.lehmbruckmuseum.deGil Shachar, Ohne Titel, 1997, LehmbruckMuseum, Duisburg, © VG Bild-Kunst, Bonn, Foto: Jürgen Diemer

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MEDIENBRIEF | N° 02.2014

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Köln 1914.Metropole im Westen

Gegen Ende des LVR-Themenjahres präsentieren das

Kölnische Stadtmuseum, das Museum für Angewandte

Kunst Köln (MAKK) und die Stiftung Rheinisch-Westfäli-

sches Wirtschaftsarchiv zu Köln (RWWA) eine gemeinsa-

me Ausstellung. Im Fokus steht die Stadt Köln als

Metropole des Rheinlandes im Epochenjahr 1914.

Seit den 1880er Jahren hatte sich Köln zu einer moder-

nen, kulturell vibrierenden Großstadt entwickelt. Der

Erste Weltkrieg veränderte jedoch in kürzester Zeit den

Alltag. Wie in kaum einer anderen Stadt stießen in Köln

die Grundwidersprüche der Epoche – »Aggression« und

»Avantgarde« – aufeinander. Die Werkbundausstellung,

eine international beachtete Schau moderner Architektur-

und Kunstgewerbeströmungen, wurde mit Kriegsbeginn

geschlossen. Weihnachten 1914 spiegelte nicht nur der

Christbaumschmuck die Militarisierung des kulturellen

und gesellschaftlichen Großstadtlebens wider.

22.11.2014 – 19.04.2015

Kölnisches Stadtmuseum

Zeughausstraße 1 – 3, 50667 Köln

www.museenkoeln.de/koelnisches-stadtmuseum

Museum für Angewandte Kunst Köln – MAKK

An der Rechtschule, 50667 Köln

www.makk.de

Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln

Gereonstraße 5 – 11, 50670 Köln

www.rwwa.de

Christbaumspitze 1914, © Kölner Stadtmuseum

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02 | – MITTEN IN EUROPA

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Orte der Utopie. Theater- und Raumkonzepte in Zeiten des Krieges. Ein Europaprojekt

»Wie wollen wir leben?« Die Frage formuliert Aktualität seit

dem Beginn der Moderne. Wie und wo können wir unseren

Traum vom Leben bezeichnen, beschreiben, unserer Idee

eine Form und eine Richtung geben? »Im gelben Klang«,

antwortete Wassily Kandinsky, »In der Zukunft« skandierten

die Futuristen, »Im Quadrat« die Kubisten, »In der Hetero-

topie«, schrieb Michel Foucault. In den »Messdorfer

Feldern« bei Bonn – malte August Macke. »In Düsseldorf«

– beschlossen Louise Dumont und Gustav Lindemann und

schufen hier ein Schauspielhaus von europäischer Dimensi-

on. Angesichts der Vielfalt an möglichen Lebensentwürfen

bedurfte es eines Mediums zur Lebensraumerprobung.

Künstler, Architekten, Theaterleute brachen zu Beginn des

20. Jahrhunderts auf, um das Verhältnis von Mensch und

Welt neu zu definieren. Das Theater sträubte sich gegen die

von Hegel festgelegte Funktion, »die Rede allein (sei) das

der Exposition des Geistes würdige Element«. Der den Men-

schen und den Darsteller umgebende Raum rückte ins

Zentrum. Peter Behrens erklärte das Theater zum »Symbol

des Lebens« und zur höchsten und differenziertesten

Kunstform. Literatur, Kunst, Lebenziel und Lebensstil

sollten mit dem Transfer aufs Theater aufs Engste ver-

knüpft werden.

»Wie wollen wir leben?«, fragt die virtuelle Ausstellung

»Orte der Utopie« und nimmt hierfür die Raumbegriffe in

den Blick, mit denen die Künstler, Architekten und Theater-

theoretiker, Schriftsteller und Dramaturgen im frühen 20.

Jahrhundert das neue Theater schufen.

Die Ausstellung »Orte der Utopie« präsentiert sich unter:

www.ortederutopie.eu

28.02.2015, 19.00 Uhr

Eröffnung der virtuellen Ausstellung im

Theatermuseum der Landeshauptstadt Düsseldorf

Jägerhofstraße 1, 40479 Düsseldorf

www.duesseldorf.de/theatermuseum

Institut »Moderne im Rheinland« an der

Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

www.moderne-im-rheinland.com

Eduard Ström: Bühnenbildentwurf zu »Peer Gynt« von Henrik Ibsen am Schauspielhaus Düsseldorf, 1915, Theatermuseum der Landeshauptstadt Düsseldorf

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MEDIENBRIEF | N° 02.2014

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Eurovision – Eine ZwischenbilanzInternationale Tagung zur euro- päischen Erinnerungskultur 2014 mit Schüler-KonventIn einer Kooperation des LVR-Dezernats Kultur und Umwelt

mit der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-

Westfalen sowie dem Institut »Moderne im Rheinland« wird

eine Zwischenbilanz zu den Veranstaltungen und Praktiken

der Erinnerung an den Beginn des Ersten Weltkrieges vor

100 Jahren gezogen. Die Perspektive eines gesamteuropäi-

schen Erinnerns und Gedenkens steht im Vordergrund,

ohne die nationalen Unterschiede und Besonderheiten zu

vernachlässigen.

Dabei soll die kritisch-analytische Sichtung eines reichen

Erinnerungsjahres, auch bezogen auf das LVR-Projekt »1914

– Mitten in Europa«, die Wissenschaftsebene mit der kreati-

ven Aneignung von Geschichte und Gegenwart im Zeichen

des Krieges in internationalen Schulprojekten verbinden.

Schulklassen und Lerngruppen zeichnen sich heute durch

die Vielfalt ihrer kulturellen und interkulturellen Sichtweisen

aus. Oft werden gerade im Unterricht Ereignisse berührt,

die bis heute strittig sind oder es werden fortbestehende

Konflikte oder Konfliktmuster angesprochen. Die Heraus-

forderung, europäische Perspektiven auf den Vorabend des

Krieges, seinen Verlauf und seine Folgen zu werfen, ist

nicht nur ein Thema der Politik und der Wissenschaft,

sondern beginnt in der Schule.

Zu diesem interregionalen wie internationalen Austausch

sind Vertreter aus Belgien, Frankreich und Polen sowie aus

dem Rheinland, aus Westfalen und Rheinland Pfalz eingela-

den. Ein »Schülerkonvent« stellt entsprechende Schulpro-

jekte in Workshops vor, diskutiert sie und fragt nach der

Zukunftsfähigkeit dieser Initiativen.

Im Rahmen der Veranstaltung wird ein »Haus« namens

»Europa« gebaut, bestehend aus Koffern und deren Inhal-

ten, die die grenzüberschreitenden Projekte so konkret wie

symbolisch vertreten und zu einer gemeinsamen Ausstel-

lung beitragen. Schließlich kommt es auf einen letzten

gemeinsamen, während der Veranstaltung gepackten Koffer

an. Auf ihm könnte stehen: »Lernstoff 1914«.

Die zweitägige Tagung mit Konvent findet im Februar 2015

im LVR-Industriemuseum Oberhausen statt.

Aktuelle Informationen auf www.rheinland1914.lvr.de

Prof. Dr. Thomas Schleper

Prof. Dr. Thomas Schleper ist Leiter des LVR-Verbundprojekts “1914 – Mitten in Europa

Foto: Christine Langensiepen, 1987, LVR-ZMB

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02 | – MITTEN IN EUROPA

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Podcast WK I. Der Erste Weltkrieg in Literatur und ÖffentlichkeitPodcast WK I ist der erste Beitrag des Heinrich-Heine-

Instituts Düsseldorf zum LVR-Verbundprojekt »1914 –

Mitten in Europa«. Aufbauend auf den Erfahrungen

mehrerer erfolgreicher archivpädagogischer Projekte

unternahm das Rheinische Literaturarchiv des Heine-

Instituts damit einen weiteren Versuch, archivarische

Inhalte in jugendaffiner Form an die heranwachsende

Generation zu vermitteln. Auch das Stadtarchiv Düssel-

dorf war mit seinen reichhaltigen Beständen zur Stadtge-

schichte als Projektpartner beteiligt1.

Für Podcast WK I wurden zwei Deutsch-Leistungskurse

der Jahrgangsstufe Q1 des Düsseldorfer Comenius-Gym-

nasiums an Archivalien und Sammlungsmaterialien der

beiden Häuser herangeführt, um ihnen in wissenschafts-

propädeutischer Absicht Einblicke in die Welt der Archive

und ihrer Recherchemöglichkeiten zu gewähren. Verschie-

dene Projektgruppen erarbeiteten unter Anleitung von

Archivmitarbeitern und Lehrern eigenständige Beiträge

zum literarischen und öffentlichen Leben am Vorabend des

Ersten Weltkriegs. Die Schüler nahmen dazu z. B. exemp-

1 Das Projekt wurde über das Programm »Archiv und Schule« des NRW-Ministeri-ums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport und durch den Düsseldorfer Geschichtsverein gefördert. Betreut und realisiert haben dieses Projekt Tim Breitbach, Gaby Köster, Elise Langer, Dr. Enno Stahl (Leitung), Martin Willems (alle Heinrich-Heine-Institut), Kerstin Früh und Klaudia Wehofen (Stadtarchiv Düsseldorf) sowie von Seiten des Comenius-Gym-nasiums: StD Georg Aehling (Koordinator Schule), Dr. Urban Küsters und Dr. Simon Wortmann.

larische Feldpostkorrespondenzen in den Blick, befassten

sich mit Kriegslyrik, Zensur, Kriegsbegeisterung und

Kriegsalltag. Auch wurde die Rolle verschiedener Autoren

in der Vorkriegs- und Kriegszeit beleuchtet, etwa von

Hermann Harry Schmitz, Leonore Niessen-Deiters, Hanns

Heinz Ewers und Herbert Eulenberg.

Repräsentative Materialien zu diesen Themen wurden

didaktisch vorbereitet, auf dieser Basis konnten verschie-

dene Arbeitsgruppen ihre Präsentationen eigenständig

entwickeln. Um jugendlichem Nutzerverhalten entgegen zu

kommen, wurden die Resultate in Form von Hörstücken als

downloadfähige Podcasts auf der Webseite www.podcast-

wk1.de als gemeinsamer Lehr- und Lernplattform veröf-

fentlicht. So konnte jugendlichen und erwachsenen

Interessenten die ernste Thematik auf spannende und

kritische Weise vermitteln werden. Produziert wurden die

Podcasts im Studio R & S Audio Marketing/Rennebaum

und Schuknecht GbR, inszeniert und umgesetzt von den

Schülerinnen und Schülern selbst. Die Schülerinnen und

Schüler gewannen zusätzlich zum archivarischen Know-

how wertvolle Einblicke in Praxisbereiche wie Radiotechnik

und Onlinejournalismus.

Dr. Enno Stahl

Dr. Enno Stahl ist Autor und Literaturwissenschaftler, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Rheinischen Literaturarchiv des Heinrich-Heine-Instituts Düsseldorf

Feldpostbriefe aus dem Nachlass Wilkar Schmitt, Heinrich-Heine-Institut

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MEDIENBRIEF | N° 02.2014

Page 45: Mathematik - medien-und-bildung.lvr.de · > Geometrie lehren und lernen – kompetenzorientiert und dynamisch 29 > Stochastik kompakt. Stochastik anwendungs- und verstehensorientiert

aufgelegt, wurde das Buch erst 2008

wiederentdeckt und in Frankreich

regelrecht bejubelt. Erschütternd und

grauenhaft die Schilderungen der

Angstzustände als Hauptbeschäftigung

der Soldaten in diesem Gemetzel, in

dem »die Leichen serienmäßig und

industriell hergestellt werden« Verblüf-

fend registriert man bei der Lektüre die

gleichen Haltungen und Reaktionen in

Frankreich wie sie aus dem kaiserlichen

Deutschland bekannt sind: Die nationale

Besoffenheit und Siegesgewissheit, die

in Ernücherung umschlägt und in Angst,

Grauen, Irresein und Tod mündet.

Das Blog »1914–1918: Ein rheinisches Tagebuch« ist ein

Gemeinschaftsprojekt des LVR-Archivberatungs- und

Fortbildungszentrums mit den rheinischen Archiven zum

100-jährigen Gedenken an die Zeit des Ersten Weltkriegs.

Ziel ist es, unterschiedliche Quellen aus den Beständen

der beteiligten Archive zu diesem historischen Ereignis auf

den Tag genau 100 Jahre später zu publizieren. So soll

eine Sammlung von Zeugnissen entstehen, die wie ein

Kaleidoskop Facetten zeitgenössischer subjektiver

Wahrnehmungen und öffentlicher bzw. veröffentlichter

Meinung widerspiegeln. Da das Rheinland selbst nicht

Kriegsschauplatz war, stehen vor allem das Leben an der

»Heimatfront« und die Berichte der aus dem Rheinland

stammenden Soldaten im Zentrum der Überlieferung.

Einmal publiziert, stehen diese digitalisierten individuellen

Zeugnisse – wie zum Beispiel Briefe, (Feld-) Postkarten,

Fotos und Tagebücher – oder Verwaltungsschriftgut wie

...außerdem: HeldenangstEs geschieht nicht mehr oft, aber noch

gelingen literarische Entdeckungen über

den Ersten Weltkrieg! Ein Buch, das

unbedingt in die erste Reihe der Leid-

und Zeitzeugen-»Berichte« gehört, ist

der Antikriegsroman »La Peur«. Gabriel

Chevallier heißt der Autor, geboren 1895

in Lyon und 1969 in Cannes gestorben.

»La Peur« erschien 1930, wurde jedoch

bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs

vom Markt genommen; Autor und

Verlag hatten den Glauben verloren,

dass dieser eindringliche Appell gegen

Krieg überhaupt noch Gehör finden wür-

den. 1951 noch einmal glücklos

Gabriel Chevalier: HeldenangstRoman, Nagel und Kimche Verlag, Zürich 2010ISBN 9783312004416Gebunden, 432 Seiten, 24,90 EUR

1914 – 1918: Ein rheinisches Tagebuch.Quellen aus Archiven des Rheinlands

Ratsprotokolle und Schulchroniken sowie öffentliche

Überlieferungen aus Zeitungen, Aushängen, Flugschriften

etc. allgemein zur Verfügung und können für den Ge-

schichtsunterricht, für heimatgeschichtliche Forschungen

oder auch für wissenschaftliche Untersuchungen genutzt

werden.

Das Blog »1914-1918: Ein rheinisches Tagebuch« finden

Sie unter http://archivewk1.hypotheses.org/

Interessierte Archive im Rheinland, die sich am Blog

beteiligen möchten, wenden sich bitte an das LVR-Archiv-

beratungs- und Fortbildungszentrum, Monika Marner,

Mail: [email protected]

Monika Marner

Monika Marner M. A. ist wissenschaftliche Referentin im LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum für den Bereich Fortbildung.

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02 | – MITTEN IN EUROPA

Page 46: Mathematik - medien-und-bildung.lvr.de · > Geometrie lehren und lernen – kompetenzorientiert und dynamisch 29 > Stochastik kompakt. Stochastik anwendungs- und verstehensorientiert

Lehrerausbildung an der Schnittstelle zwischen Fachdidaktik und Schulpraxis

Das öffentliche Erinnern gestalten: Bildungspartner Gedenkstätte und Schule

Berichte

Gedenkstätte Brauweiler: Blick in eine ehemalige Arrestzelle. Foto: Ludger Ströter, LVR

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MEDIENBRIEF | N° 02.2014

Page 47: Mathematik - medien-und-bildung.lvr.de · > Geometrie lehren und lernen – kompetenzorientiert und dynamisch 29 > Stochastik kompakt. Stochastik anwendungs- und verstehensorientiert

Lehrerausbildung an der Schnitt- stelle zwischen Fachdidaktik und Schulpraxis: Digitale Medien im Geschichtsunterricht

»Guter Geschichtsunterricht stellt die exemplarischen

Lerninhalte durch Medien dar, die der Eigenart des

historischen Denkens und dem Verständnis der Lernen-

den entsprechen.«

Wie dieser Transfer von der Theorie in die unterrichtliche,

diagnostisch orientierte Praxis aussehen kann, lernen

Studierende für das Lehramt im Fach Geschichte an der

Universität Paderborn. Ausgehend von didaktischen

Seminaren und der Einbindung in den Profilstudiengang

»Medien und Bildung« sowie ein begleitendes Filmseminar

wird ihnen die Möglichkeit geboten, lehr- und lerntheore-

tisch begründbare, didaktisch-methodische Unterrichtskon-

zepte für einen hybridmedialen Geschichtsunterricht zu

entwickeln und in der Schulpraxis zu erproben. Das Seminar

»Medien historischen Lernens« machte sie im Sommerse-

mester 2013 mit exemplarischen Gegenständen des

Geschichtsunterrichts vertraut – und deren Potentialen in

der Erarbeitung mit digitalen Medien.

Ausgehend von der Fragestellung, wie Lernen »funktio-

niert«, wurden Lernszenarien praxisnah entwickelt und

erprobt, um zeitgemäße Lösungen einer Verbindung

analoger und digitaler Lehr- und Lernwege zu gestalten.

Auf Basis einer Kooperation mit dem Erziehungswissen-

schaftlichen Institut (Dipl. Päd. Tilman-Mathies Klar) und

dem PLAZ (Zentrum für Bildungsforschung und Lehrerbil-

dung) war es möglich, die »Medienwerkstatt« als Unter-

richtslabor zu nutzen: Die Studierenden konnten hier unter

Idealbedingungen mit zur Verfügung gestellten Tablets,

Dokumentenprojektoren und interaktiven Whiteboards

deren didaktischen Mehrwert kritisch überprüfen. Ein

digitales Seminarportfolio wurde geführt, welches zugleich

einer kooperativen Vorbereitung der mündlichen Modulab-

schlussprüfung wie auch der Einübung in die Gestaltung

digitaler Lernräume diente.

Im zweiten Teil wurde geprüft, ob sich die entwickelten

Konzepte auch als praxistauglich erweisen. Dazu erhielten

zwei Studierende die Gelegenheit, im Rahmen ihres

»Berufsfeldpraktikums« am Evangelischen Gymnasium in

Lippstadt Geschichtsunterricht zu beobachten, auf Basis

ihrer Modelle zum Medieneinsatz im Unterricht zu planen,

unter kollegialer Beobachtung durchzuführen und zu

evaluieren. Die Fragen dabei lauteten:

> Der Einsatz welcher Medien bietet – angesichts welcher

Lernziele und Unterrichtsgegenstände und im Hinblick

auf die Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und

Schüler – einen didaktischen Vorteil?

> Wie hängen das individuelle Aufmerksamkeitsniveau,

der Abstraktionsgrad eines Lerngegenstands, die zu

erwerbenden Kompetenzen und die dafür geeignete

Methoden miteinander zusammen?

> Wie lassen sich mehrkanalige Medienszenarien nutzen,

um individuelle, an den Möglichkeiten und Förderbe-

darfen der Lernenden ausgerichtete Curricula zu

entwerfen, und um maßgeschneiderte Lernwege für die

Lernenden anbieten zu können.

Dr. Dirk Georges, zuständiger Projektkoordinator am Evange-

lischen Gymnasium in Lippstadt sieht in dem Vorhaben zahl-

reiche dieser Desiderate erfüllt: Trotz etlicher Fortbildungsan-

gebote liegen, so Georges, zwischen didaktischer Forschung

und der Umsetzung der Ergebnisse in der Schulpraxis oftmals

viele Jahre. Dabei können in Projekten wie diesem Studieren-

de als Multiplikatoren auftreten – und zugleich vom reichen

Erfahrungsschatz langjähriger Lehrkräfte in den Schulen

profitieren. Auch die Studierenden begrüßen ihre neue Rolle,

in der Uni erworbene Theoriekenntnisse auf die Probe stellen

zu dürfen und für professionelles Lehrerhandeln nutzbar zu

machen. »Von Elfenbeinturm keine Spur!«.

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03 | BERICHTE

Page 48: Mathematik - medien-und-bildung.lvr.de · > Geometrie lehren und lernen – kompetenzorientiert und dynamisch 29 > Stochastik kompakt. Stochastik anwendungs- und verstehensorientiert

MEDIENBRIEF | N° 02.2014

Übergeordnete Absichten bestehen darin, den kritisch-

reflektierten Umgang mit Internet-Quellen auf originär

geschichtsunterrichtliche Ziele zu beziehen, diese an

alltägliche Informations- und Kommunikationspraktiken

anzubinden – und vor dem Hintergrund historischer

Phänomene nachvollziehbar zu machen. Wie ein solches

Vorhaben aussehen kann, erfuhren die Studierenden in zwei

Oberstufen-Kursen von der ersten Idee bis zur Auswertung.

Im Mittelpunkt stand eine Sequenz zum Thema »Der Erste

Weltkrieg als global interdependentes Kommunikations-

und Handlungsereignis«. Im Vorfeld wie auch im Verlauf

des Ersten Weltkriegs hat es ein hochkomplexes Netzwerk

diplomatischer wie auch militärischer Signale, persönlicher

wie öffentlicher Kommunikation und daraus resultierende

Aktions- und Reaktionsketten gegeben. Dieser Tatsache

soll insofern Rechnung getragen werden, als dass eine

vereinfachte Ordnung dieser überaus vielschichtigen

Gemengelage als »digitale Topografie« abgebildet wird.

Standorte, Standpunkte, Bewegungen, Kommunikations-

flüsse – zentrale multilaterale Bedingungsfaktoren des

»Großen Kriegs« sollen unter Einbeziehung von Text- und

Bildquellen, digitalen Kartenmaterials wie auch kurzer

Videosequenzen zu einem multimedialen Wiki zusammen-

geführt werden. Interaktive Rollenspiele sollen es dabei

erlauben, auf Basis von Kommuniques internationale

Handlungskontexte nachzuvollziehen und zu beurteilen. Die

digitale Architektur des von Schülern und Studierenden

gemeinsam daraus gestalteten Hypertextes eignet sich

dabei besonders, die Gemengelage so höchst unterschiedli-

cher Akteure und Intentionen zu visualisieren.

Die damit verbundene Herstellung medial mehrkanaliger

Ankerpunkte – visuell, akustisch, statisch, bewegt, linear

und diversifiziert/hierarchisiert – regt nicht nur zum

Reorganisieren, zum Eingreifen, zum Interagieren an – sie

schafft zugleich die Grundlage für eine langfristige Abruf-

barkeit des multiperspektivisch erarbeiteten Wissens. So

werden alle verwendeten Materialien der digitalen Arbeits-

mappe der Lernenden gesammelt– verbunden mit kurzen

Sachartikeln, Begriffserläuterungen und arbeitsmethodi-

schen Handreichungen.

Ausgehend von zuvor durchgeführten Kompetenzchecks

lernen die Studierenden, die Arbeitsmappen der Schülerin-

nen und Schüler an deren individuellen Fähigkeiten

orientiert mit unterschiedlich komplexen Lernmaterialien

und Aufgabenstellungen so zu gestalten, dass jeder »seinen

Teil« zum Gesamtlernziel beisteuern kann. Das Kurscurri-

culum der Unterrichtsreihe wird auf diese Weise differen-

ziert in das für die unterschiedlich Begabten Leistbare.

Die vergleichende Versuchsanordnung bot etliche Auf-

schlüsse: Zwei Kurse arbeiten parallel mit identischen

Lernzielen an einer Unterrichtsreihe, ein Kurs jedoch unter

Verzicht auf digitale Medien, der andere unter Einbeziehung

verschiedener digitaler Medien. Die Evaluation schließlich

zeigte deutlich: Einerseits regt eine medial vielseitige

Umgebung zahlreiche Prozesse des Mit- und Weiterden-

kens an – im konstruktivistischen Sinne wird die Lernumge-

bung ja erst selbstständig gestaltet und nicht wie ein

fertiges Medienprodukt – etwa das Schulbuch – fertig

vorgefunden.

Dies setzt ein hohes Vermögen an Konzentration und

intensiver logistischer Betreuung durch die Lehrkräfte

voraus, um sich vor lauter Möglichkeiten nicht zu »verzet-

teln« und trotz Zeitknappheit die Ziele zu erreichen. Sind die

Quellen, Materialien und Arbeitsprozesse jedoch erstmal

arrangiert und visualisiert, erschließt sich eine neue

Lerndimension, die motiviert und Freude bereitet. Bei

zunehmendem Einsatz schülereigener Geräte (Bring Your

Own Device) entfallen zudem nicht nur eine Reihe war-

tungsstrategischer Probleme – der Lernraum begleitet die

SchülerInnen fortan leicht zugänglich weit über die nächste

Prüfung hinaus. Auf diese Weise wird Geschichtslernen zu

einem lebenslangen »Netzwerken«.

Dr. Dirk Georges und Thomas Köster

Dr. Dirk Georges ist Lehrer für die Fächer Deutsch und Geschichte am Evangelischen Gymnasium Lippstadt Thomas Köster ist Geschichtsdidaktiker am Historischen Institut der Universität Paderborn und Lehrer für die Fächer Deutsch und Geschichte

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Das öffentliche Erinnern gestalten: Bildungspartner NRW – Gedenkstätte und Schule

Die Zukunft unserer Demokratie

hängt auch davon ab, wie wir uns mit

der Vergangenheit auseinanderset-

zen. In einer offenen Gesellschaft

muss das Verhältnis zur Vergangen-

heit ein dynamisches sein. Denn das

Erinnern ist etwas Konstruktives!

Zwar knüpft jede Generation an

vorhandene Erinnerungen an, aber

nur, wenn das Erinnern an den

eigenen Fragen und Bedürfnissen

ausgerichtet wird, bekommt es

Bedeutung.

Das Lernen über die Vergangenheit

hat daher eine politische Funktion:

Kindern und Jugendlichen eine aktive

Mitwirkung am öffentlichen Erinnern

zu ermöglichen. Gedenkstätten

bieten Schülerinnen und Schülern

vielfältige Gelegenheiten, um mit

eigenen Beiträgen an der Erinne-

rungskultur mitzuwirken. Für

Schulen sind sie ein idealer Partner

für die historisch-politische Bildung.

Die Fachtagung »Bildungspartner

NRW – Gedenkstätte und Schule.

Erinnern für die Zukunft« am 21. Mai

2014 bildete den Auftakt zu einer

landesweiten Förderung der Erinne-

rungskultur in der Schule.

Mit der Initiative Bildungspartner

NRW – Gedenkstätte und Schule

fördert die nordrhein-westfälische

Landesregierung zusammen mit den

Kommunalen Spitzenverbänden und

dem Arbeitskreis der NS-Gedenk-

stätten und –Erinnerungsorte in

NRW die systematische Kooperation

von Schulen und Gedenk- und

Erinnerungsstätten.

In einer Bildungspartnerschaft

verabreden eine Schule und eine

Gedenkstätte gemeinsame Ziele und

Aktivitäten, die auf die Voraussetzun-

gen der Lerngruppen sowie die

Möglichkeiten des Erinnerungsortes

abgestimmt sind. Davon profitieren

beide Seiten. Die Schule kann die

Lernangebote der Gedenkstätte

langfristig in die eigenen Lehrpläne

einbinden; die Gedenkstätte wird für

Schülerinnen und Schüler zu einem

vertrauten Lern- und Begegnungs-

zentrum am Wohnort.

Die von den Ministerinnen Sylvia

Löhrmann und Ute Schäfer sowie von

LVR-Direktorin Ulrike Lubek eröffne-

te Tagung zeigte zahlreiche Praxis-

beispiele, an denen sich Schulen und

Gedenkstätten bei der Gestaltung

einer Bildungspartnerschaft orientie-

ren können.

Ein Themenschwerpunkt bildete das

Erinnern in der Migrationsgesell-

schaft. Denn dass erinnerungskultu-

relle Lernangebote auch gegenüber

Jugendlichen aus Zuwandererfamili-

en anschlussfähig werden, ist ein

zentraler Anspruch, den Schulen und

Gedenkstätten miteinander teilen.

Alle Schulen sind herzlich eingela-

den, sich mit einer Gedenk- und

Erinnerungsstätte oder auch mit

einem Museum, einem Archiv oder

einem anderen kommunalen Anbieter

historisch-politischer Bildung zu

beteiligen!

Weitere Informationen unter

www.gedenkstaette.schulministeri-

um.nrw.de

Andreas Weinhold

Andreas Weinhold ist pädagogischer Mitarbeiter der

Medienberatung NRW

Foto: Dominik Schmitz, LVR-ZMB

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03 | BERICHTE

Page 50: Mathematik - medien-und-bildung.lvr.de · > Geometrie lehren und lernen – kompetenzorientiert und dynamisch 29 > Stochastik kompakt. Stochastik anwendungs- und verstehensorientiert

Foto: Julia Reschucha, LVR-ZMB

Partner im Verbund04Planet Schule wird inklusiv

Gelungene Premiere: Erstes Schulfilmfest macht Lust auf mehr!

MEDIENBRIEF | N° 02.2014

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Planet Schule wird inklusiv

Die Zahl der Kinder mit Förderbedar-

fen steigt in den Regelschulen und mit

dem Inkrafttreten des Inklusionsge-

setzes zum neuen Schuljahr gewinnt

der Prozess hin zu einem inklusiven

Schulsystem in NRW an Dynamik.

Lernmittel für den inklusiven Unter-

richt sind aber noch rar gesät. Die

Bildungsredaktion des WDR will den

Inklusionsprozess in der Schule mit

ihrem Angebot an Filmen, Multimedia-

Elementen und pädagogischen

Begleitmaterialien unterstützen.

Um nicht an der schulischen Realität

und den Bedürfnissen von Lehrern und

Schülern vorbei zu produzieren,

beauftragte die Redaktion von Planet

Schule Professor Ingo Bosse von der

Fakultät Rehabilitationswissenschaf-

ten der TU Dortmund mit einer qualita-

tiven Untersuchung von unterschiedli-

chen Planet Schule-Angeboten. Aus

Beobachtungen von Unterrichtsstun-

den und Leitfaden-Interviews mit den

Lehrern im inklusiven Unterricht

entwickelte Ingo Bosse dann Qualitäts-

kriterien für die diversen Lernmittel.

Hier ein kleiner Einblick:

Grundsätzlich bringt Planet Schule

gute Ausgangsbedingungen für

inklusive Lernarrangements mit:

Filme, Texte, Lernspiele und Multime-

dia-Elemente bieten vielfältige Wege

für Schüler, Informationen aufzuneh-

men und zu verarbeiten. Die unter-

suchten Filme wurden als anschaulich

und (meist) lebensnah bewertet. Sie

erklären komplexe Sachverhalte und

eignen sich gut für den inklusiven

Unterricht. Sie können allen Schüle-

rinnen und Schüler Lernimpulse

geben, unabhängig vom individuellen

Leistungsniveau. Positiv wurden die

Nähe zur Lebenswelt der Schüler und

die motivierenden Rahmenhandlungen

hervorgehoben. Lernen am gemeinsa-

men Gegenstand kann durch die Filme

gewährleistet werden.

Barrierefreiheit ausbauen

Um jedoch die vielfältigen Angebote

der Internetseite von Planet Schule im

inklusiven Unterricht nutzen zu

können, muss auf jeden Fall die

Barrierefreiheit ausgebaut werden:

Wichtige Anforderungen sind durchge-

hende Vorlesefunktionen bei Texten in

Lernspielen, Bedienbarkeit durch die

Tabtaste, Einstellbarkeit von Kontras-

ten und die Skalierbarkeit aller

Elemente. Bei Lernspielen sollte es

möglich sein, Aufgaben zu wiederho-

len und das Tempo zu variieren.

Barrierefreiheit muss auch für die

Arbeitsblätter gelten. Für die Gestal-

tung der Arbeitsmaterialien gilt: Zu

viele Gestaltungselemente ohne klare

inhaltliche Funktion verwirren und

überfordern. Die Arbeitsunterlagen

sollten sich auf das Wesentliche kon-

zentrieren. Die Aufgabenstellungen

müssen klar und kleinschrittig formu-

liert werden. Eine einfache, verständli-

che Sprache kommt allen Schülern,

gerade denen mit Leseschwierigkeiten,

entgegen. Die noch oft übliche,

sogenannte mittelschichtsorientierte

Sprache ist da eher eine Hürde.

Größten Verbesserungsbedarf sahen

die Lehrerinnen und Lehrer bei den

begleitenden Unterrichtsvorschlägen

und Lernmaterialien. Gefragt sind

Lernarrangements, die starke

Differenzierungen erlauben. Unter-

schiedlich schwierige Aufgabenstel-

lungen müssen zur Auswahl stehen.

Für schreibbasierte Aufgaben muss es

praktische, handlungsorientierte

Alternativen geben, ebenso für

Aufgaben, die gute motorische

Fähigkeiten verlangen. Handlungsori-

entierung und eine große Bandbreite

an kooperativen und kollaborativen

Methoden sind wesentlich für den

inklusiven Unterricht.

Planet Schule hat in den vergangenen

Jahren zahlreiche innovative Vorschlä-

ge für eine produktionsorientierte

Filmbildung unterbreitet und Metho-

den entwickelt, die vorbildhaft für den

inklusiven (Fach-) Unterricht sein

können. Sie sind handlungsorientiert

und können als offene Aufgaben von

allen Schülern je nach individuellem

Niveau gelöst werden. Filmproduktion

z. B. ist Teamarbeit – jeder kann sich

mit ganz unterschiedlichen Stärken

einbringen. Auf Grundlage der

Untersuchungsergebnisse hat nun die

Phase der Umsetzung bei Planet

Schule begonnen: Nach und nach

werden ausgewählte Materialien

überarbeitet und neue Filme und

begleitetende Angebote von vornherein

inklusiv gestaltet.

Anne Haage

Anne Haage ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Dortmund, Fakultät Rehabilitationswissenschaften, Lehrgebiet Körperliche und Motorische Entwicklung und freiberufliche Referentin für die WDR-Redaktion Planet Schule

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04 | PARTNER IM VERBUND

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Gelungene Premiere: Erstes Schul-filmfest NRW macht Lust auf mehr

MEDIENBRIEF | N° 02.2014

Einmal über den roten Teppich flanieren, im Blitzlicht der

Fotografen stehen und den eigenen Film vor großem

Publikum auf der Kinoleinwand erleben: Beim ersten

landesweiten Schulfilmfest, organisiert von den Netzwer-

ken der Filmbildung in Kooperation mit FILM+SCHULE

NRW, war das für rund 180 Schülerinnen und Schüler

jetzt möglich. Im Cineplex Hamm, wo sonst Hollywood-

Blockbuster über die Leinwand gehen, fieberten die

jungen Filmemacher der Uraufführung ihrer Filme

entgegen: Wird der eigene Film den anderen Schülerin-

nen und Schülern gefallen? Was haben die anderen für

Streifen gedreht und welche spannenden Ideen haben sie

in ihren Filmen umgesetzt?

In zwei Kinosälen, aufgeteilt in die Altersgruppen 6-12

Jahre und 13-20 Jahre, gab es eine abwechslungsreiche

Werkschau an Filmproduktionen der westfälischen

Netzwerke aus Gütersloh, Hamm, Münster, Soest und

Warendorf mit insgesamt 23 Filmen zu sehen. Es wurde

viel gelacht, begeistert applaudiert: Mit dabei war zum

Beispiel Slapstick-Komik in Charlie-Chaplin-Manier, ein

Kriminalfilm in Tradition der Schwarzen Serie, Horror mit

Außerirdischen und Zombies oder auch eine Dokumenta-

tion à la Löwenzahn zum Bau eines Fischaufstiegs

entlang der Lippe. Aber nicht alle gezeigten Filme waren

leichte Kost. Ehrenmord, Drogen- und Spielekonsum oder

Mobbing waren ernsthafte Themen. Hier konnten die

Schülerinnen und Schüler zeigen, wie viel Kreativität in

ihnen steckt und beweisen, was Film leisten kann.

Auch im nächsten Jahr wird es wieder ein Schulfilmfest

der Netzwerke der Filmbildung NRW geben, bei dem die

zugehörigen Schulen ihre Städte und Kreise mit Filmpro-

duktionen repräsentieren. Die lokalen Filmnetzwerke

sind Zusammenschlüsse aus Medienzentren, Kinobetrei-

bern und Schulen sowie engagierten Filminitiativen und

Medienwerkstätten. Ihr Ziel ist, Filmbildung insbesondere

in Schulen zu fördern, indem beispielsweise Fortbildun-

gen veranstaltet oder Mittel und Technik zur Filmproduk-

tion zur Verfügung gestellt werden. Derzeit gibt es in

NRW sechs Netzwerke der Filmbildung in den Städten

und Kreisen Duisburg, Gütersloh, Hamm, Münster, Soest

und Warendorf, die von FILM+SCHULE NRW beraten, in

ihrer Arbeit unterstützt und finanziell gefördert werden.

Ann Kristin vom Ort

Ann Kristin vom Ort ist wissenschaftliche Volontärin im LWL-Medienzentrum für Westfalen

Foto: Marlies Baak-Witjes, Film + Schule NRW

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Denkanstöße! Ein psychologisches

Unterstützungsprogramm für Kollegium und Leitung

Quergedacht05

Foto: Stefan Arendt, LVR-ZMB

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05 | QUERGEDACHT

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MEDIENBRIEF | N° 02.2014

Denkanstöße!Ein psychologisches Unterstützungs-programm für Kollegium und Leitung

Mit der Potsdamer Lehrerstudie (Schaarschmidt, 2005;

Schaarschmidt & Kieschke, 2007) hatten wir eine differen-

zierte Analyse der Beanspruchungssituation im Lehrerbe-

ruf vorgelegt. Eine besondere Rolle spielte dabei die Frage,

welches der folgenden vier Muster arbeitsbezogenen

Verhaltens und Erlebens in der Selbsteinschätzung der

Lehrerinnen und Lehrer im Vordergrund steht (Schaar-

schmidt & Fischer, 2008):

Muster G (Gesundheit): stärkeres (aber

nichtüberhöhtes) berufliches Engagement,

psychische Widerstandskraft gegenüber

den Belastungen des Berufsalltags,

Zufriedenheit und Wohlbefinden

Muster S: Tendenz zur Schonung bzw. zum

Schutz gegenüber den Arbeitsanforderun-

gen (oftmals als Rückzug aus unbefriedi-

genden Arbeitsverhältnissen zu verstehen)

Muster A: Anstrengung, überhöhte Veraus-

ga bungsbereitschaft bei Vernachlässigung

des Erholungsbedarfs

Muster B (Burnout): Resignation und

Erschöpfung (wobei von Burnout speziell in

den Fällen gesprochen werden sollte, in

denen die Entwicklung vom Muster A zum

Muster B verlief)

Die Muster A und B stellen Risikomuster dar. In ihnen

kommen gesundheitsgefährdende Entwicklungen bzw.

schon vorliegende gesundheitliche Beeinträchtigungen zum

Ausdruck.

Auf der Basis der vorgefundenen Musterverteilungen

schlossen wir auf kritische Beanspruchungsverhältnisse in

der Berufsgruppe der Lehrerinnen und Lehrer. Einem

geringen Anteil des wünschenswerten Musters G (mit 17 %)

stand ein hoher Anteil der Risikomuster A und B (mit je 30 %)

gegenüber. Damit hob sich die Lehrerschaft auch im

Vergleich zu anderen in die Untersuchung einbezogenen

Berufsgruppen durch die ungünstigsten Ergebnisse ab. Wir

fanden dabei nur geringfügige regionale und schulform-

spezifische Unterschiede, wohl aber beachtliche Differen-

zen zwischen einzelnen Schulen – und das auch dann,

wenn es sich um die gleiche Schulform in der gleichen

Region handelte. Es hängt offensichtlich vieles davon ab,

wie sich das Lehrerdasein an der jeweiligen Schule

konkretisiert.

Daraus leiten wir die Schlussfolgerung ab, dass man sich

(neben der notwendigen Einflussnahme auf die Rahmenbe-

dingungen des Berufs) auch noch intensiver mit den

Veränderungsmöglichkeiten befassen sollte, die die

Schulen selbst haben. Ohne Frage gibt es vor Ort, in den

konkreten Schulen, noch erhebliches Potential für die

Gestaltung günstigerer Arbeitsbedingungen und die

Reduzierung beruflicher Belastungen. Die Leitungen und

Kollegien bei der gezielten Nutzung dieses Potentials zu

unterstützen, ist das Anliegen unseres Programms

Denkanstöße! (s. auch www.ichundmeineschule.eu).

Wenn sich Leitung und Kollegium für die Durchführung des

Programms entscheiden, so erfolgt zunächst eine gründli-

che Analyse der Beanspruchungsverhältnisse an der

konkreten Schule. Der erste Analyseschritt ist die Bestim-

mung der Muster arbeitsbezogenen Verhaltens und

Erlebens. Diese personenbezogene wird durch die bedin-

gungsbezogene Analyse mittels eines Arbeitsbewertungs-

verfahrens ergänzt. Gegenstand dieses Verfahrens sind die

Arbeitsaufgaben und -bedingungen, die der Einflussnahme

durch die Schulleitung sowie die Lehrerinnen und Lehrer

zugänglich sind. Es sind dies die im beruflichen Alltag

vorkommenden pädagogischen Anforderungen, die damit

verbundenen organisatorischen und sachbezogenen

Ausführungsbedingungen und nicht zuletzt die vielfältigen

sozialen Faktoren der Lehrerarbeit.

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05 | QUERGEDACHT

Selbstverständlich darf die Anwendung des Programms

»Denkanstöße!« nicht bei der Analyse stehen bleiben. Es

müssen sich geeignete Interventionsschritte anschließen.

Wir meinen damit gesundheitsfördernde Beiträge, die

darauf ausgerichtet sein müssen, den Anteil des wün-

schenswerten Musters G zu erhöhen und die Risikomuster

A und (insbesondere) B zurückzudrängen. Grundsätzlich

geht es uns um zwei Wege der Intervention, die beide

gleichermaßen mit dem Programm berücksichtigt werden:

> die Einflussnahme auf die Arbeitsbedingungen, die

als veränderungsbedürftig erkannt wurden, sowie

> die direkte Unterstützung von Kolleginnen und

Kollegen bei der Bewältigung ihrer persönlichen

Beanspruchungssituation.

Dabei ist uns wichtig, dass die Schulen bei der Durchfüh-

rung des Programms nicht allein gelassen werden. Sowohl

die Auswertung der Analysedaten als auch die Ableitung

und Durchführung der darauf basierenden Interventions-

schritte wird durch speziell ausgebildete Moderatorinnen

und Moderatoren begleitet.1

1 Für eine ausführliche Darstellung des Programms s. Schaarschmidt & Fischer, 2013

Literatur

Schaarschmidt, U. (Hrsg.) (2005). Halbtagsjobber? Psychi-

sche Gesundheit im Lehrerberuf. Analyse eines verände-

rungsbedürftigen Zustandes (2. Aufl.). Weinheim: Beltz.

Schaarschmidt, U. & Kieschke, U. (Hrsg.) (2007). Gerüstet

für den Schulalltag. Psychologische Unterstützungsangebo-

te für Lehrerinnen und Lehrer. Weinheim: Beltz.

Schaarschmidt, U. & Fischer, A. W. (2008). AVEM – Arbeits-

bezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster (3. erweiterte

Auflage). London: Pearson.

Schaarschmidt, U. & Fischer, A. W. (2013). Lehrergesund-

heit fördern – Schulen stärken. Ein Unterstützungspro-

gramm für Kollegium und Leitung. Weinheim: Beltz.

Prof. (i.R.) Dr. Uwe Schaarschmidt

Prof. (i.R.) Dr. Uwe Schaarschmidt, ehemals Universität Potsdam, Institut für Psychologie, heute Institut COPING bei Wien, [email protected]

Foto: Andreas Schiblon, LVR-ZMB

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MEDIENBRIEF | N° 02.2014

Neue Medien im Verleih

Neue Landeslizenzen bei EDMOND NRW

learn:line NRW – neues Design, verbesserter Service

LVR-ZMB intern06Foto: Dominik Schmitz, LVR-ZMB

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Kurzfilme für Kinder ‑ Mit Prädikat (DVD)

D 2008-2011, 3-14 Min., Altersempfehlung: ab 4 Jahren, Signatur: 46 44908-1

Vorschulkinder können den Zusammenhang eines Films oftmals noch nicht

richtig verstehen. Deshalb sollten Filme für die jüngste Zielgruppe ein nicht zu

schnelles Erzähltempo haben, entspannende Momente enthalten, Probleme

kindgemäß lösen und nicht zu lang sein. Sechs- bis achtjährige Kinder verstehen

zwar Filmhandlungen schon besser. Aber auch in diesem Alter sollte auf Zeitraf-

fer, Zeitsprünge und Rückblenden verzichtet werden. Die Kurzfilme, auf dieser

DVD, haben alle ein Prädikat »wertvoll« oder »besonders wertvoll" erhalten. Die

Filme bieten Kindern im Vor- und Grundschulalter ein qualitativ hochwertiges

und ihrem Alter angemessenes Filmerlebnis. Sie sind kurz und sprechen auf

spielerische aber auch ernstere Weise Themen an, die Kinder bewegen.

Neue Medien im Verleih

06 | LVR-ZMB INTERN

KRIMI.DE: Netzangriff (DVD)

D 2011, 45 Min., Altersempfehlung: ab 10 Jahren, Signatur: 46 43381-2

Warum ist Cybermobbing so gefährlich? Für die meisten Kinder und Jugendli-

chen ist das Internet längst ein fester Bestandteil ihres Alltags. Sie verknüpfen

sich in Sozialen Netzwerken, gestalten ihr Profil, laden Bilder und Videos hoch

und tauschen sich in Chats aus. Aber der Einblick ins Private hat eine öffentliche

Schattenseite. Persönliche Fotos werden unerlaubt ins Netz gestellt, Beleidigun-

gen ausgesprochen und Gerüchte in die Welt gesetzt. Cybermobbing ist kein

Spaß, sondern eine Straftat. »Netzangriff«, der spannende SWR-Jugendkrimi aus

der KI.KA-Reihe KRIMI.DE klärt auf, indem er exemplarisch zeigt, wie Cyber-

mobbing funktioniert und verdeutlicht, wie schnell man zum Opfer werden kann.

Ein Tick anders (DVD)

D 2011, 85 Min., Altersempfehlung: ab 12 Jahren, ab 7. Klasse, Signatur: 46 32743-1

Eva hat Tourette – aber Tourette hat nicht Eva! Weil die Außenwelt bei Eva zu

Stress und schlimmen Ticks führt, meidet sie den Kontakt und verbringt den Tag

lieber alleine im Wald oder mit ihrer schrägen Familie. Die beste Medizin gegen

Evas Ticks hat sowieso ihre Großmutter: »In meinem Haus darfst Du alles

kaputtmachen!« Diese Einstellung wirkt Wunder. Mit Oma bemalt sie die Blätter

der Bäume im Garten oder sprengt den Staubsauger. Als Eva eines Tages ihren

Vater in Schlips und Kragen im Wald trifft, gesteht er ihr, dass er seinen Job

verloren hat. Um ihrer Familie zu helfen, entschließt sie sich, ihre Ängste vor der

Außenwelt zu überwinden und sich selbst einen Job zu suchen.

Begleitmaterial unter www.eintickanders.de

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Neue Landeslizenzen bei EDMOND NRW

Fotosynthese

D 2012, 19 Min., Altersempfehlung: Klasse 6-9, Signatur: 55 01646

Was benötigen Pflanzen zum Wachsen? Johan Baptista van Helmont entdeckte,

dass Pflanzen Nährstoffe für ihr Wachstum nur zu einem geringen Teil aus der Erde

beziehen. Hieraus folgerte er, dass das Wachstum der Pflanzen wohl aus dem

Wasser kommen muss. Seine Glasglocken-Versuche verhalfen Joseph Priestley zu

der Entdeckung, dass Pflanzen aus »schlechter Luft« »gute Luft« machen. Jan

Ingenhousz erkannte, dass Licht notwendig ist, damit grüne Pflanzenteile »gute

Luft« produzieren. Jean Senebier setzte eine frisch abgeschnittene Wasserpflanze

in ein Aquarium und beleuchtete sie. Blasen stiegen auf: Sauerstoff. Eine Animation

zeigt, wie sich die Ausgangsmoleküle der Fotosynthese, Kohlenstoffdioxid und Wasser,

zu den neu gebildeten Molekülen Sauerstoff und Glucose verbinden.

Der Ball/The Ball

GB 2010, 11 Min., Altersempfehlung: ab Klasse 4/Jugendbildung, Signatur: 55 59784

Zwischen Reihenhäusern und Garagentoren in einem heruntergekommenen

Arbeiterviertel spielt Amy alleine Fußball. Jack, neu zugezogen, beobachtet sie

dabei von seinem Fenster aus. Die beiden nehmen auf sehr einfallsreiche Weise

Kontakt zueinander auf. Allerdings vermeidet Jack eine unmittelbare Begegnung.

Als Amy in eine Handgreiflichkeit mit einer Mädchenclique gerät, greift Jack ein

und vertreibt die Mädchen. Amy will sich für seine Hilfe bedanken, Jack aber läuft

zu seinem Haus und schließt die Gartenpforte hinter sich. Wenige Augenblicke spä-

ter kommt er zurück. Schweigend stehen sie sich gegenüber. In Gebärdensprache

nennt Jack seinen Namen, aber Amy versteht ihn nicht. Als er resigniert weg geht,

rollt sie ihren Ball vor seine Füße...

Lippels Traum

D 2009, 101 Min., Altersempfehlung: Klasse 3-6/Jugendbildung Signatur: 55 60198

Lippel ist etwa 8 Jahre alt und sieht sich vor die Situation gestellt, dass sein Vater für

länger verreisen muss. Als Trost gibt er ihm das Märchenbuch "1001 Nacht" zum Lesen.

Gefesselt taucht Lippel in Traumwelten ein, zumindest so lange, bis ihm die gemeine

Frau Jakob – ein echter Hausdrachen – dazwischenfunkt. Der Einbruch des Fantasti-

schen in die kindliche Welt und eine sich dadurch eröffnende, heilsame Traumwelt

durchzieht dieses Werk. Lippel hat Sorgen und Nöte, wie jedes Kind: Er will sich nicht

vorschreiben lassen, wie er zu sein oder was er zu tun und zu lassen hat, er hat Angst

vor der Dunkelheit, dem Alleingelassensein und vor Hänseleien in der Schule. Lippels

Traum ist eine Emanzipationsgeschichte für Kinder und ein Plädoyer für das Träumen.

MEDIENBRIEF | N° 02.2014

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06 | LVR-ZMB INTERN

learn:line NRW – neues Design, verbesserter Service

Heterogen zusammengesetzten Lerngruppen reicht oft ein

klassisches Schulbuch als alleiniges Lernangebot nicht aus;

je nach Interessen der Schülerinnen und Schüler, Arbeitstem-

po und individuellen Fähigkeiten sind unterschiedliche Zugän-

ge und Bearbeitungswege unterrichtlicher Themen wichtig

und notwendig. Wenn das Angebot des eingeführten Schulbu-

ches nicht für alle passt, dann beginnt in der Regel die Suche

im Internet nach brauchbaren Ergänzungen.

Die learn:line NRW ist dabei zentrale Anlaufstelle für

Pädagoginnen und Pädagogen, die gezielt nach didaktisch

aufbereitetem Unterrichtsmaterial suchen – bietet sie doch

viele Vorteile gegenüber einer allgemeinen Internetrecherche.

Unter der Adresse www.learnline.nrw.de sind qualitativ

hochwertige Lernmittel zu finden, die explizit für den Einsatz

im Unterricht gemacht wurden und schnell und kostenfrei

einsetzbar sind. Die learn:line NRW führt zudem zu Lernmit-

telpools, die im Internet nicht frei zugänglich sind. Alle über

die learn:line NRW gefundenen und heruntergeladenen

Lernmittel dürfen im Unterricht eingesetzt werden (für

Einzelheiten s. jeweilige Lizenzinformationen).

Um den gesamten Webauftritt der Bildungssuchmaschine

learn:line NRW noch übersichtlicher zu gestalten, wurden die

Seiten jetzt komplett überarbeitet. Durch einfachere Struktu-

ren und technische Neuerungen können Lehrerinnen und

Lehrer den Service der learn:line NRW intensiver als bisher

für ihre Unterrichtsvorbereitung nutzen.

Eine neue Suchtechnologie erleichtert das Auffinden von

Inhalten und greift dabei bekannte Surftechniken auf. Das

neue Design passt sich an mobile Endgeräte an, so dass alle

Medien problemlos über Tablet und Smartphone abrufbar

sind. Über die neue Bewertungs- und Kommentarfunktion

machen Lehrerinnen und Lehrer Qualität sichtbar.

Die Bildungssuchmaschine hält mittlerweile über 20.000

Medien für alle Fächer und Schulstufen bereit, hinzu kommen

noch etwa 5.000 Medien des Onlinedienstes EDMOND NRW

der Landesmedienzentren.

Die learn:line NRW wird durch die Medienberatung NRW im

Auftrag des Ministeriums für Schule und Weiterbildung

umgesetzt. Mit dem neuen Webauftritt hat sich das Angebot

nun auch optisch an die Seiten des Bildungsportals ange-

passt.

Wolfgang Vaupel, Christiane Thomsa

Wolfgang Vaupel ist Geschäftsführer der Medienberatung NRW. Christiane Thomsa ist

pädagogische Mitarbeiterin der Medienberatung NRW

Foto: Julia Reschucha, LVR-ZMB

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MEDIENBRIEF | N° 02.2014

Begleiten – Qualifizieren – Beraten. Medienscouts in Düsseldorf

Düsseldorfer Fenster07

Foto: Stefan Arendt/LVR-Zentrum für Medien und Bildung

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07 | DÜSSELDORFER FENSTER

Begleiten – Qualifizieren – Beraten. Medienscouts in Düsseldorf

Die Fachstelle für Gewaltprävention der Landeshauptstadt Düsseldorf und das LVR- Zentrum für Medien und Bildung,

Medienzentrum für die Landeshauptstadt Düsseldorf, gestalten in Kooperation mit eSchool, die innovative und viel

beachtete Qualifizierung »Medienscouts«.

In Düsseldorf nehmen insgesamt 18 Düsseldorfer Schulen mit 72 Schülerinnen und Schüler, 36 Lehrkräfte sowie fünf

Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter an diesem Projekt teil.

in allen Modulen Kommunikation, Beratung und Soziales

Lernen trainiert. Die positive Auswirkung auf die Persön-

lichkeitsentwicklung der Medienscouts wird bereits in der

Ausbildungsphase deutlich. Besonders beeindruckend

waren die Erlebnisse aller Beteiligten hinsichtlich »Lernen

auf Augenhöhe« zwischen den pädagogischen Fachkräften

und ihren SuS. Der Rollentausch in der Workshoparbeit

»wer lehrt & wer lernt« zeigte sich in vielen Themen wie

z. B. Facebook, Datenübertragung, einen Filmclip über

Apps herstellen, QR-Code und anderes. Häufig waren die

Schülerinnen und Schüler fachlich überlegen.

A.J.: Fünf Tage aus der Schule, heißt auch fünf Tage kein

Unterricht. Was rechtfertigt in Ihren Augen diese zeitinten-

sive Ausbildung?

U.S.: Viele Evaluationen belegen, dass Präventionsangebo-

te in der Schule besonders erfolgreich sind, denn wir

erreichen in den Schulen alle – Kinder, Jugendliche, Eltern

und pädagogische Fachkräfte – und das über einen langen

Zeitraum hinweg. Die zukünftige Arbeit der Medienscouts

ist also eine schulische Entscheidung, sich den Herausfor-

derungen digitaler Medien aktiv und nachhaltig zu stellen.

Die Medienscouts schärfen die Wahrnehmung der Potenzi-

ale digitaler Medien in den Schulen und geben der Diskus-

sion um Vor- und Nachteile neue Impulse. Nachfolgende

Medienscouts profitieren von ihren Erkenntnissen und

Erfahrungen, sie stehen beratend bei der Mediennutzung

zur Seite und können Fragen, die sich für junge Nutzer

rund um die Themen Social Web, Internet & Co. ergeben,

kompetent beantworten – Mehrwert für alle!

Amina Johannsen vom LVR-Zentrum für Medien und

Bildung sprach mit Ute Stratmann, Koordinatorin der

Qualifizierungen zu den Düsseldorfer Erfahrungen im

Projekt Medienscouts.

A.J.: Frau Stratmann, Sie begleiten für die Fachstelle

Gewaltprävention mit großem Engagement das Projekt von

Anfang an. Aus welchen Gründen unterstützen Sie das

Projekt?

U.S.: Computer, Internet und Smartphones sind mittlerweile

auch in der Schule allgegenwärtig. Neben den erwünschten

Effekten und Möglichkeiten für die Schülerinnen und

Schüler lauern allerdings auch Gefahren im Internet wie

Cybermobbing oder ungewollte Urheberrechtsverletzungen.

Was darf ich ins Internet stellen und was nicht? Wie nutze

ich die Chats? Was will ich von mir preisgeben? Wie falle ich

nicht auf kostenpflichtige Internetseiten herein? Wie wehre

ich mich gegen Cyber-Mobbing? Lehrkräfte können häufig

nicht weiterhelfen oder Jugendliche reden nicht mit

Erwachsenen über ihre offenen Fragen oder Probleme. Oft

sind Eltern verunsichert, können die Kinder auf deren

»Datenautobahn« nicht unterstützend begleiten.

A.J.: Wie werden die Schülerinnen und Schüler und

pädagogischen Fachkräfte zu Medienscouts ausgebildet?

U.S.: Die Schülerinnen und Schüler und deren Lehrkräfte

arbeiten gemeinsam an fünf Tagen zu den Schwerpunkten

Internet und Sicherheit, Social Communities, Computer-

spiele und Handy. Darüber hinaus werden als Querschnitt

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MEDIENBRIEF | N° 02.2014

A.J.: Können Schülerinnen und

Schüler tatsächlich in Cyber-Mob-

bingfällen beraten? Sind sie damit

nicht überfordert?

U.S.: Hier sind tatsächlich vereinzelt

strafrechtlich relevante Implikationen

berührt und Konsequenzen erforder-

lich, die ganz klar an Erwachsene

Amina Johannsen und

Ute Stratmann

Amina Johannsen leitet kommissarisch die Abteilung Medienbildung im LVR-Zentrum für Medien und Bildung. Ute Stratmann leitet die Fachstelle Gewaltprävention im Schulverwaltungsamt der Landeshauptstadt Düsseldorf

In dem landesweiten Pilotprojekt »Medienscouts NRW« qualifiziert die

Landesanstalt für Medien NRW Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstu-

fen 7 - 9 und ihre Beratungslehrkräften in Fragen der Risiken und Chancen

der Mediennutzung.

Die Medienscouts werden befähigt, im Rahmen der peer-group-education

zu Fragen des kritischen Medienumgangs zu beraten. Landesweit sind

inzwischen 1.109 Medienscouts und 561 Beratungslehrkräfte von 286

Schulen in den beiden ersten Projektdurchläufen (2012-2013) qualifiziert

worden. 31 Kreise und kreisfreie Städte nehmen am Projekt bereits teil; das

entspricht einer Beteiligungsquote in Nordrhein-Westfalen von 58 Prozent.

In 2014 werden bis zu 600 weitere Medienscouts und 300 Lehrkräfte

ausgebildet (www.medienscouts-nrw.de)

übergeben werden müssen. Die

Scouts sind in ihrer Beratungstätig-

keit hin und wieder mit Fragen und

Themen konfrontiert, die sie gegebe-

nenfalls überfordern können, wie in

Fällen von Cyber-Mobbing, sexuellen

Übergriffen und anderem – aber sie

sind nicht allein und werden jederzeit

von Erwachsenen unterstützt.

Foto: Nicole Schäfer, LVR-ZMB

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08 | BESPRECHUNGEN

Michael Ballhaus: Bilder im Kopf

Besprechungen08

© ARRI

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Bilder im Kopf: Die Geschichte meines Lebens

MEDIENBRIEF | N° 02.2014

Foto: LVR-ZMB

»Dies sind die Erinnerungen eines

Mannes, der mit seinen Augen gelebt

und gearbeitet hat.«

Mit diesen Worten beginnt Michael

Ballhaus seine Autobiographie. Die

Bilder seines bewegten Lebens hat der

berühmte Kameramann alle in seinem

Kopf gesammelt und konserviert. Jetzt

hat er sie erstmals zu Papier gebracht.

Der Leser wird mitgenommen auf eine

packende Lebensreise zwischen einer

fränkischen Künstlerkolonie und der

faszinierenden Filmwelt Hollywoods.

Sie beginnt mit der frühen Kindheit im

von Bombenangriffen geplagten Berlin

und führt nach Schloß Wetzhausen, wo

seine Eltern, beide Schauspieler, ein

Theater betreiben, das gleichzeitig eine

Art Künstlerkommune darstellt. »Ich

liebte das Theater, auch wenn ich bald

merkte, dass mir die Eltern nichts von

ihrem Talent vererbt hatten«, bemerkt

Ballhaus über jene Zeit.

Seine Begabung zeigt sich beim

Fotografieren: mit fünfzehn bekommt

er seine erste richtige Kamera

geschenkt und betätigt sich auf

Wunsch seiner Eltern als Fotograf am

heimischen Theater. Als junger Mann

assistiert Ballhaus dem Regisseur Max

Ophüls bei dessen Film »Lola Montez«.

Diese Erfahrung ist prägend für ihn:

»Der Regisseur, das lernte ich bei

diesen Dreharbeiten, hatte das

Kommando. Aber das nützte ihm

nichts, wenn der Kameramann nicht

zaubern, fliegen, tanzen konnte«. Und

so beschließt Ballhaus, Kameramann

zu werden.

Der Beginn einer großen Karriere, die

zunächst beim Südwestfunk in Baden

Baden startet. 1970, durch die erste

Zusammenarbeit mit Rainer Werner

Faßbinder, mit dem er insgesamt 15

Filme dreht, kommt es zum eigentli-

chen Durchbruch. Spezielle Filmtech-

niken, wie die berühmten 360-Grad

Kreisfahrten mit der Kamera werden

geboren. Und Ballhaus schafft

unentwegt weitere großartige Bilder:

»Manchmal staune ich selber darüber,

wie viele Bilder sich sammeln und

stapeln, während man sich in der

Gegenwart zu bewähren versucht.« Mit

beinahe fünfzig Jahren gelingt ihm der

Sprung nach Amerika: er arbeitet zum

ersten Mal mit Martin Scorsese, mit

ihm dreht er »Zeit der Unschuld«. Es

folgt die Zusammenarbeit mit weiteren

Größen Hollywoods wie Francis Ford

Coppola, Mike Nichols, Robert Redford

und Wolfgang Petersen.

Neben den Stationen seines berufli-

chen Lebens und interessanten

Hintergrundgeschichten zu diversen

Filmproduktionen und dem Zusam-

mentreffen mit verschiedenen

Filmgrößen, zeichnet Ballhaus auch

sehr persönliche Bilder z. B. vom Tod

seiner Frau Helga sowie der Bekannt-

schaft mit seiner zweiten Frau Sherry

Hormann. Seine Beschreibungen sind

detailliert, empathisch, leidenschaft-

lich und amüsant. Wie in seinem

Leben ist Ballhaus auf Distanz

bedacht und bewahrt sich seine

Unabhängigkeit: höflich, bescheiden

und unter Verzicht auf Schilderungen

möglicher pikanter Details.

Auch die Tragik des schleichenden

Verlusts seines wichtigsten Werkzeu-

ges – dem Augenlicht – beleuchtet

Ballhaus. Auch hierbei zeigt sich seine

optimistische Gesinnung:

»Jetzt, da ich keine Bilder mehr mache

und die Buchstaben nicht mehr so

richtig lesen kann, habe ich zwei neue,

sehr sinnliche Vergnügen entdeckt. Es

ist die Freude an einer Stimme, die zu

mir spricht. Und es ist die Freude

daran, dass ich, was ich nicht mehr

lesen kann, mir vorlesen lasse. Ich

habe nicht viel gelesen, und deshalb ist

die Freude so groß, dass es jetzt noch

so vieles zu hören gibt. Ich fange ja

gerade erst damit an. Und anzufangen,

das war mir immer das Liebste.«

Claudia Hopstein

Claudia Hopstein ist pädagogische Mitarbeiterin in der Medienberatung NRW

Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2014ISBN 9783421045669Gebunden, 320 Seiten, 22,99 EUR

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Afrikanische Meister. Kunst der Elfenbeinküste

Spiel der Masken. Intergenerationelles Projekt

Lernort Kultur09Meister der Yasua, gye (Helmmaske), Côte d’Ivoire, zentrale Guro-Region, um 1930, © Museum Rietberg Zürich, Foto: Rainer Wolfsberger

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09 | LERNORT KULTUR

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Der Blick in den Spiegel. Eine Projektwoche für Schülerinnen und Schüler

MEDIENBRIEF | N° 02.2014

Unter dem Titel »AFRIKANISCHE

MEISTER. KUNST DER ELFENBEIN-

KÜSTE« präsentiert die Kunst- und

Ausstellungshalle der Bundesrepublik

Deutschland vom 28. Juni bis zum 5.

Oktober 2014 in Bonn mehr als 200

bedeutende Masken, Figuren und

Gebrauchsgegenstände der Elfen-

beinküste und ihrer Nachbarländer.

Ausgangspunkt der Ausstellung ist

die Überzeugung der modernen

Kunstgeschichte, dass in sogenannten

primitiven Kulturen – nicht anders als

in frühen Hochkulturen oder in den

westlichen Regionen des Erdballs – in-

dividuelle Meister einzigartige Werke

höchster Qualität schufen. Ziel der

Präsentation ist es, die unvergleichli-

chen Werke der – meist unbekannten

– großen Bildhauer aus verschiedenen

Kunstregionen in einen kunsthistori-

schen Kontext zu stellen, der vergleich-

bar demjenigen unserer großen Meister

von Michelangelo bis Picasso ist.

Im Gebiet der heutigen Elfenbeinküste

in Westafrika sind viele Bevölkerungs-

gruppen ansässig, zum Beispiel die

Lobi, Dan, Senufo, Boti oder Yahure.

Außerordentlich begabte Künstlerper-

sönlichkeiten schufen dort bildhaueri-

sche Werke auf Bestellung. So wurden

Masken für Startänzer, Jugendbünde,

einflussreiche Familien- oder Geheim-

bünde, aber auch für Wahrsager

geschaffen. Da die meisten Werke

sehr signifikante Züge tragen, können

sie jeweils einer Künstlerpersönlich-

keit zugeordnet werden.

In der Ausstellung begegnen die

Schülerinnen und Schüler so dem

Meister der riesigen Hände, dem

Meister des runden Gesichts oder auch

dem Meister der gerundeten Volumen.

Über die Beschreibung der ausgestell-

ten Skulpturen werden sie feststellen,

welche stilistischen Merkmale den

einen Meister vom anderen unter-

scheiden – seien es schmale Lippen,

dicke aufgesetzte Augenbrauen,

kunstvolle Frisuren mit spezifischen

Kopfbedeckungen oder auch dreiecki-

ge Gesichtsformen. Bei diesen

Beschreibungen beobachten sie

sicherlich auch sich und ihre Mitschü-

ler. Was macht den Einzelnen eigent-

lich so einzigartig und unverwechsel-

bar? Auf diese Weise machen sich die

Schülerinnen und Schüler auf den

Weg nach Westafrika und entdecken

dabei viel von sich und anderen!

Im Rahmen der Ausstellung führt die

Bundeskunsthalle vom 22. bis zum 26.

September 2014 eine fünftägige

Projektwoche in Kooperation mit zwei

Jahrgangsstufen der Drachenfelsschule

Königswinter, einer Förderschule mit

dem Schwerpunkt Sprache und Lernen

durch. Der Startschuss zur Projektwo-

che findet in der Drachenfelsschule

statt. Die Kunstvermittlerin Uschi Baetz

und die Künstlerin Barabara Doerffler

führen gemeinsam mit den Lehrkräften

im Rahmen einer Unterrichtsstunde in

die Ausstellung und die Projektwoche

ein. Am Folgetag begibt sich eine

zwölfköpfige Gruppe von Schülerinnen

und Schülern im Alter von 6 bis 7 Jahren

auf den gemeinsamen Entdeckungs-

rundgang in die Ausstellung und im

Anschluss zur kreativ-praktischen Arbeit

in einen Workshopraum des Ausstel-

lungshauses. Dort entstehen an vier

Tagen unter der Anleitung von Barbara

Doerfler und Uschi Baetz afrikansiche

Masken und Skulpturen aus unter-

schiedlichsten Werkstoffen. Angeleitet

vom Regisseur und Kameramann Benja-

min Leers werden drei Schülerinnen und

Schüler im Alter von 13 bis 14 Jahren

die Erstklässler während des gesamten

Projekts mit der Kamera begleiten. Auf

einer Abschlussveranstaltung in der

Aula der Drachenfelsschule werden die

Erstklässler ihren Mitschülern, Lehrern

und Eltern, aber auch der interessierten

Öffentlichkeit ihre Masken und

Skulpturen präsentieren und die 13 bis

14-Jährigen ihren Dokumentarfilm.

Bei Interesse, ein solches Projekt mit

der Bundeskunsthalle durchzuführen,

melden Sie sich einfach bei uns!

Christian Gänsicke

Christian Gänsicke ist Leiter »Kunstvermittlung/Bildung« in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbHMuseumsmeile BonnFriedrich-Ebert-Allee 4, 53113 BonnTel: +49 228 9171–200Mail: [email protected]

ÖffnungszeitenMontag geschlossenDienstag und Mittwoch 0 bis 21 UhrDonnerstag bis Sonntag 10 bis 19 Uhr (sowie an allen Feiertagen, auch denen, die auf einen Montag fallen)

Meister Sra , Große Maske mit Stirnnarbe und beweg- lichem Unterkiefer, Côte d’Ivoire, südliche Dan-Region, um 1930, Privatbesitz

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Das Spiel der Masken. Ein intergene-rationelles Projekt für Menschen mit Demenz und Vorschulkinder

Die Veranstaltungsreihe »Kunst und Kultur für Menschen

mit Demenz«, die seit 2011 in der Bundeskunsthalle

regelmäßig zu allen großen Ausstellungen stattfindet, ist

um ein intergenerationelles Angebot erweitert worden. Es

führt Senioren und Junioren bei einem gemeinsamen

Ausstellungsbesuch zusammen und stellt einen kreativen

Austausch der Generationen her. In einem regen, wert-

schätzenden Austausch kommt es in der Bundeskunsthalle

zu einer Annäherung der unterschiedlichen Interessen,

Sichtweisen und Fähigkeiten. Jung und Alt begegnen sich in

entspannter Atmosphäre und widmen sich unter Anleitung

einer Kunstvermittlerin der Kunstbetrachtung, die mit einer

gemeinsamen praktisch-kreativen Arbeit abgeschlossen

wird.

Im Rahmen der Ausstellung »Afrikanische Meister. Kunst

der Elfenbeinküste« steht die Betrachtung unterschiedli-

cher Masken im Zentrum, erweitert durch ertastbare

Holzmasken, die zum Begreifen der Formenvielfalt und

Erfühlen des Materials eingesetzt werden. Bevor die Gruppe

in die Ausstellung geht, lernen sich alle Teilnehmerinnen

und Teilnehmer bei Kaffee, Keksen und Saft kennen und

kommen so miteinander ins Gespräch. Die Auswahl der

Exponate konzentriert sich auf wenige Kunstwerke und zielt

auf ein intensives gemeinsames Kunsterlebnis hin, die

Wissensvermittlung ist hierbei sekundär. Hierauf folgt die

praktische Gruppenarbeit: jeweils zwei Kinder arbeiten mit

einer Seniorin/einem Senior im Werkraum zusammen und

setzen ihre individuellen Eindrücke in einem gemeinsamen

Prozess kreativ um.

Birgit Tellmann

Birgit Tellmann ist Leiterin »Rahmenprogramme« in der Kunst- und Ausstellungshal-le der Bundesrepublik Deutschland GmbH

Weitere Termine: Donnerstag, 11. September und Mittwoch, 1. Oktober 2014, jeweils 14.30–16.30 Uhr

Teilnahmegebühr:Die Teilnahme für Senioren beträgt 50 € pro Gruppe, der von der Senioreneinrichtung pauschal zu entrichten ist, zuzüglich 3 € Eintritt pro PersonDie Teilnahme für Kinder beträgt 28 € pro Kita-Gruppe; Der Eintrittspreis ist bereits eingeschlossen.

Die Teilnahme ist nur nach vorheriger Anmeldung möglich unter [email protected] oder telefonisch unter 0228 9171-278. Die Teilnehmerzahl ist auf maximal 4 demenziell veränderte Menschen und 8 Kinder jeweils mit Begleitung begrenzt.

Seniorenheim Haus Katharina und Kindertagesstätte St. Remigius aus Königswinter bei der Betrachtung der gemeinsam hergestellten Bilder, Foto: Haus Katharina, 2014.

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09 | LERNORT KULTUR

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Foto: Michael Jakobs, LVR-ZMB

LVR-Zentrum für Medien und Bildung

Medienzentrum für die Landeshauptstadt Düsseldorf

Bertha-von-Suttner-Platz 1, 40227 Düsseldorf

www.medien-und-bildung.lvr.de

ISSN 1615-7257


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