Universität Freiburg (CH) Master of Arts in Sprachen und Literaturen: Deutsch als Fremdsprache / Deutsch als Zweitsprache Masterarbeit, eingereicht bei der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg (CH) Betreuung: Prof. Dr. Thomas Studer Abgabedatum: 16.08.2017
Die Akzeptanz des Schweizer Standarddeutsch
in ausländischen Deutschkursen Eine exemplarische Untersuchung mit DaF-‐Lehrpersonen in Mexiko
Sandra Bettina Albrecht [email protected]
1
Danksagung
Die vorliegende Masterarbeit wäre ohne die grosszügige Unterstützung von zahlreichen
Personen in der Schweiz und Mexiko nicht zustande gekommen. Deshalb möchte ich mich zu
Beginn dieser Arbeit recht herzlich bedanken bei:
• dem Team des Forschungsprojekts Variantengrammatik des Standarddeutschen,
insbesondere bei Herrn Gerard Adarve, für das zur Verfügung gestellte Material und
die stets ausführliche Beantwortung all meiner Fragen zum Thema
Variantengrammatik;
• den Kontaktpersonen des Centro Cultural Alemán (Monterrey), Bezirk (Guadalajara),
CUCSH (Universidad Guadalajara), Colegio Suizo und Goethe-‐Institut Mexiko für die
Vermittlung der DaF-‐Lehrpersonen in Mexiko;
• allen Interviewpartnerinnen für die Probeinterviews im Vorfeld der Untersuchung;
• allen Interviewpartnerinnen und -‐partnern in Mexiko für die spannenden Gespräche;
• meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen für ihre Unterstützung, Inputs und das
Korrekturlesen;
• und Prof. Dr. Thomas Studer für die Betreuung und Unterstützung während der
Masterarbeit.
Schliesslich möchte ich auch ein grosses Dankeschön an meine Familie richten, die mich
immer in meinen Vorhaben unterstützt.
2
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung .............................................................................................................................. 4
2. Theoretische Grundlagen ...................................................................................................... 6
2.1 Die Plurizentrik des Deutsch ........................................................................................... 6
2.1.1 Deutschländisches Standarddeutsch ....................................................................... 8
2.1.2 Schweizer Standarddeutsch ................................................................................... 10
2.2 Variation der Grammatik in den deutschen Standardsprachen ................................... 11
2.2.1 Variantengrammatik .............................................................................................. 13
2.3 Die deutschen Standardvarietäten in ausländischen Deutschkursen ........................... 15
2.3.1 Geschichte der Plurizentrik im DaF-‐Bereich ........................................................... 15
2.3.2 Plurizentrischer Ansatz im heutigen DaF-‐Unterricht ............................................. 17
3. Begriffsverwendung in dieser Masterarbeit ....................................................................... 19
3.1 Plurizentrisch, pluriareal, plurinational ......................................................................... 19
3.2 Schweizerdeutsch, Schweizer Deutsch ......................................................................... 20
3.3 Deutsch, deutschländisch ............................................................................................. 20
4. Empirische Untersuchung ................................................................................................... 21
4.1 Fragestellungen und Hypothesen ................................................................................. 21
4.1.1 Fragestellungen ...................................................................................................... 21
4.1.2 Hypothesen ............................................................................................................ 22
4.2 Ausgangslage ................................................................................................................ 22
4.2.1 Deutsch in Mexiko .................................................................................................. 23
4.3 Befragung ...................................................................................................................... 24
4.3.1 Das Leitfadeninterview .......................................................................................... 25
5. Auswertung der Interviews ................................................................................................. 28
5.1 Fokussierter Teil: Qualitative Inhaltsanalyse ................................................................ 28
5.1.1 Analysierte Sätze .................................................................................................... 29
5.1.5 Zusammenfassung ................................................................................................. 38
5.2 Problemzentrierter Teil: Subjektive Theorien über die Plurizentrik der deutschen
Sprache und deren Handhabung im DaF-‐Unterricht .......................................................... 39
5.2.1 Enrique García ........................................................................................................ 41
5.2.2 Wiebke Fischer ....................................................................................................... 48
3
5.2.3 Lars Müller ............................................................................................................. 57
5.2.4 Jean Rousseau ........................................................................................................ 66
5.2.5. Maya Wydler ......................................................................................................... 75
6. Fazit ..................................................................................................................................... 83
7. Bibliographie ....................................................................................................................... 86
7.1 E-‐Mail ............................................................................................................................ 90
7.2 Zeitungsartikel .............................................................................................................. 90
7.3 Internetseiten ............................................................................................................... 91
7.4 Interviewte DaF-‐Lehrpersonen in Mexiko .................................................................... 91
8. Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................ 92
9. Anhang ................................................................................................................................ 93
9.1 E-‐Mail zur Rekrutierung der Interviewpartner .............................................................. 93
9.2 Einverständniserklärung zur Befragung ........................................................................ 94
9.3 Transkriptionsleitfaden ................................................................................................. 95
9.4 Transkript vom Interview mit Enrique García ............................................................... 97
9.5 Auswertungsleitfaden ................................................................................................. 113
9.6 Strukturbild von Enrique García .................................................................................. 114
10. Ehrenwörtliche Erklärung ............................................................................................... 115
4
1. Einleitung
Schon zu Beginn meines Masterstudiums in Deutsch als Fremdsprache / Deutsch als
Zweitsprache wusste ich, dass ich nach Abschluss auch einmal im Ausland unterrichten
möchte. Am Anfang dachte ich noch, dass ich dafür aber v.a. meinen Schweizer Akzent
abtrainieren müsse, damit ich Chancen auf eine Stelle an einer deutschen Institution hätte.
Im Laufe des Studiums wurde das Bewusstsein für die Plurizentrik der deutschen Sprache
aber immer grösser und mir wurde schnell klar, dass ich meine Masterarbeit zu diesem
Thema schreiben möchte. Ich stellte mir die Frage: Was wissen Deutschsprecher im Ausland
über die verschiedenen Standardvarietäten des Deutschen?
Die Unterschiede in Vokabular und Aussprache zwischen den deutschen Standardvarietäten
sind schon ziemlich gut erforscht (z.B. Ammon et al. 2016; Muhr 20071) und auch unter
Muttersprachlern teilweise bekannt. Im April 2016 las ich aber einen Zeitungsartikel im
Tages-‐Anzeiger2 über ein Forschungsprojekt an der Universität Zürich, das sich erstmals mit
der Variantengrammatik des Standarddeutschen beschäftigt (vgl. Dürscheid et al.
[erscheint]). Daraus entstand dann die Idee, die Akzeptanz des Schweizer Standarddeutsch
mittels Korrekturlesen von Sätzen mit grammatischen Varianten zu messen.
Bei privaten Gesprächen aber auch bei der Recherche zu den Deutschvarietäten und deren
Handhabung im DaF-‐Unterricht zeigte sich, dass bei den Sprechern und auch den
Vermittlern des Deutschen oftmals noch die Meinung herrscht, es gäbe nur ein „korrektes
Hochdeutsch“, was meistens mit dem (nord-‐) deutschländischen Standard gleichgestellt wird
(vgl. Kellermeier-‐Rehbein 2014: 27).
2006 verfasste Ransmayr eine Arbeit zum Status des Österreichischen Deutsch an
nichtdeutschsprachigen Universitäten und befragte dazu Lehrende an Germanistikinstituten
zu ihren Spracheinstellungen, insbesondere mit Fokus auf das österreichische
Standarddeutsch. Dabei stellte sie fest, dass die diese Varietät „kaum gelehrt, oft ignoriert,
meist problematisiert und vielfach korrigiert“ werde (Ransmayr 2006: 286). Heute lässt sich
1 www.adaba.at [zit. am 24.07.2017]. 2 Deutsch und uneindeutig (Arnet 2016): http://www.tagesanzeiger.ch/wissen/bildung/Deutsch-‐und-‐uneindeutig-‐/story/10525615 [zit. am 10.07.2017].
5
im DaF-‐Unterricht immer noch dasselbe beobachten, obwohl verschiedenste Lehrmittel,
Lehrerverbände3 etc. immer wieder auf die Vielfalt im deutschen Sprachraum hinweisen.
In Gesprächen mit verschiedenen Personen – nicht nur Deutschlehrpersonen oder
Deutschsprecher – konnte ich feststellen, dass das Thema Plurizentrik des (Standard-‐)
Deutsch zwar von Interesse wäre, allerdings sehr wenig Wissen darüber besteht. Oftmals
sind sich nicht einmal Deutschmuttersprachler selbst der Vielfalt innerhalb der deutschen
Sprache bewusst (vgl. Schmidlin 2011: 296). Dieses Unwissen ist mitunter auch ein Grund,
warum die Plurizentrik im DaF-‐Unterricht wenig oder sogar nicht thematisiert wird.
Für deutschschweizer und auch österreichische Lehrpersonen führt dies folglich immer
wieder zu einer Unsicherheit, wie sie ihren eigenen Standard im DaF-‐Unterricht einsetzen
können resp. dürfen (vgl. Hägi 2013: 537f.). Müssen sie sich komplett dem
deutschländischen Standard anpassen? Ist dies überhaupt möglich?
Im Rahmen meiner Masterarbeit wollte ich deshalb – in Anlehnung an Ransmayrs
Untersuchung (2006) – herausfinden, wie es um das Schweizer Standarddeutsch in
ausländischen Deutschkursen steht.
Zur exemplarischen Untersuchung des Forschungsgegenstandes habe ich qualitative
Interviews mit Deutschlehrpersonen in verschiedenen Städten Mexikos durchgeführt. Die
Gespräche sollten Aufschluss darüber geben, wie die Plurizentrik der deutschen Sprache im
DaF-‐Unterricht in Mexiko zum heutigen Zeitpunkt gehandhabt wird und ob das Schweizer
Standarddeutsch überhaupt Platz darin findet.
Um einen Einblick in die drei zentralen Themen dieser Arbeit zu geben, wird zu Beginn näher
auf den Begriff Plurizentrik und die Plurizentrik des Deutsch, die Variantengrammatik und
den Umgang mit der Plurizentrik im heutigen DaF-‐Unterricht eingegangen (Kapitel 2). Dies
bildet auch die theoretische Grundlage für die Fragestellungen und Hypothesen (Kapitel 4).
Zuvor wird aber noch auf die Begriffsverwendung in dieser Arbeit hingewiesen (Kapitel 3).
Weiter werden in Kapitel 4 noch die Ausgangslage und die Methodik der Untersuchung kurz
erläutert. Danach folgt eine ausführliche Analyse der Interviews, bei der einerseits eine
qualitative Inhaltsanalyse gemacht wurde und andererseits Subjektive Theorien über die 3 z.B. der Internationale Deutschlehrerverband: http://idvnetz.org/dachl-‐online/dachl-‐im-‐fach-‐dafdaz/dach-‐prinzip [zit. am 10.07.2017].
6
Handhabung des Schweizer Standarddeutsch in DaF-‐Kursen erstellt wurden (Kapitel 5). Zum
Schluss folgt noch das Fazit, welches die wichtigsten Erkenntnisse dieser Arbeit
zusammenfasst (Kapitel 6).
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Die Plurizentrik des Deutsch
Der Begriff Plurizentrik wurde 1978 von Kloss eingeführt, um Sprachen zu beschreiben,
welche über mehrere Zentren4 verfügen, in denen sich nationale Varietäten mit eigenen
Standards herausgebildet haben (vgl. Clyne 1992a: 1). Auch im deutschsprachigen Raum
haben sich im Verlauf seiner Sprachgeschichte verschiedene Standardvarietäten entwickelt,
die sich auf phonologischer, lexikalischer, grammatischer und sogar semantischer und
pragmatischer Ebene unterscheiden (vgl. Clyne 1989, zit. nach Schmidlin 2011: 72). Im
Gegensatz zur englischen oder spanischen Amtssprachregion ist die deutsche, welche sich
über insgesamt 7 Länder erstreckt5, jedoch zusammenhängend (vgl. Ammon 1995: 12f.).
Die deutschen Standardvarietäten haben sich insbesondere in Deutschland, Österreich und
der deutschsprachigen Schweiz entwickelt (vgl. Ammon 1995: 12). Diese drei Länder gelten
auch als Vollzentren der deutschen Sprache; Liechtenstein, Luxemburg, Belgien und Südtirol
in Italien dagegen als Halbzentren (vgl. Kellermeier-‐Rehbein 2014: 28). Unter Vollzentren
sind Staaten zu verstehen, „die über einen eigenen Binnenkodex6 verfügen“, d.h. wenn der
Sprachkodex einer Standardvarietät im eigenen Sprachzentrum entstanden ist (vgl. ebd.:
28f.).
4 Als Zentrum einer Sprache ist hier eine Nation oder ein Staat gemeint (vgl. Ammon 1995: 12). 5 Deutschland, Österreich, Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg, Belgien, Italien. Natürlich gibt es auch deutsche Minderheiten in Rumänien, USA, Brasilien, Australien usw.; in diesen Ländern geniesst das Deutsch allerdings keinen Amtssprachenstatus. 6 z.B. Duden, Schweizer Wahrig, Österreichisches Wörterbuch.
7
Abb. 1: Amtssprachregion der deutschen Sprache (Ammon 1995: 13)
Die Gleichrangigkeit der verschiedenen deutschen Standardvarietäten wurde erstmals 1978
von Kloss erwähnt (vgl. Lingg 2006: 25). Dennoch herrscht bei den Deutschsprechern oftmals
noch die Meinung, dass es nur ein „korrektes Hochdeutsch“ gebe, was meistens mit dem
(nord-‐) deutschländischen Standard gleichgestellt wird (vgl. Kellermeier-‐Rehbein 2014: 27).
Die immer noch grosse Dominanz der deutschländischen Varietät gegenüber dem Schweizer
und österreichischen Standarddeutsch lässt sich unter anderem mit folgenden Gründen
erklären:
• Der Sprachname Deutsch kommt auch im Nations-‐ und Staatsnamen Deutschland vor
(vgl. Ammon 1995: 317)
• Die deutschen Staatsbürger sind gegenüber den Österreichern und den
Deutschschweizern (82 Millionen Deutsche; 8,5 Millionen Österreichern; 5,2
Millionen Deutschschweizer) zahlenmässig überlegen (vgl. Kellermeier-‐Rehbein 2014:
30).
• Die deutschen Massenmedien (Fernsehen, Filme, Zeitschriften etc.) werden auch in
den südlichen Sprachzentren konsumiert; österreichische oder Schweizer Medien
sind in Deutschland aber kaum bekannt (vgl. ebd.: 30f.).
Natürlich liessen sich hier noch weitere Gründe aufzählen, wie beispielsweise die
wirtschaftliche Grösse Deutschlands im Ausland.
8
2.1.1 Deutschländisches Standarddeutsch
„In Deutschland ist die Standardsprache allgemein die normale Form öffentlicher Rede und
schriftlicher Texte [...]“ (Ammon et al. 2016: LIV). Der Dialekt dagegen wird – anders als in
der Schweiz – nur im privaten und informellen Kontext benutzt (vgl. ebd.).
Obwohl die deutschländische Standardvarietät oftmals als der korrekte Standard angesehen
wird, ist sie nicht in ganz Deutschland einheitlich und kann in zwei Dimensionen aufgeteilt
werden (vgl. Kellermeier-‐Rehbein 2014: 129):
• der Nord-‐Süd-‐Variation, die historisch bedingt ist und auf Dialekten beruht,
• und der West-‐Ost-‐Variation, die eher jung und politisch bedingt ist.
2.1.1.1 Nord-‐Süd-‐Variation
Die Nord-‐Süd-‐Variation erstreckt sich über alle deutschsprachigen Regionen, also auch über
die Schweiz und Österreich.
Sie geht sowohl auf die dialektale Gliederung des deutschsprachigen Raums zurück, als auch auf die historische politische Entwicklungen wie die späte Zusammenfassung von deutschsprachigen (Klein-‐)Staaten im Deutschen Kaiserreich (1871) oder die Existenz der multikulturellen und vielsprachigen Donaumonarchie.
Kellermeier-‐Rehbein 2014: 129
Somit haben sich ein nord-‐ und ein süddeutscher Standard entwickelt, welche sich – wie die
nationalen Varietäten untereinander – in Phonetik, Lexik und Grammatik unterscheiden (vgl.
Kellermeier-‐Rehbein 2014: 129f.). Der norddeutsche Standard wird allerdings auch
ausserhalb von Norddeutschland akzeptiert (vgl. ebd.: 131) und hat unter Deutschsprechern
oftmals den Ruf des „korrekten Deutsch“. „Dies hängt u.a. mit der Einführung der
hochdeutschbasierten Schriftsprache im niederdeutschsprachigen Norden und der
Verdrängung des Niederdeutschen [...] zusammen“ (ebd.: 131). Auch der von Hugo Moser
eingeführte Begriff Binnendeutsch verdeutlicht diese Haltung, „der dem deutschen Deutsch7
[...] eine zentrale Position im Gesamtgefüge zuschreibt“ (Ammon 1995: 486). Dies führt
7 Insbesondere dem norddeutschen Deutsch (vgl. Schmidlin 2011: 87).
9
dazu, dass die anderen deutschen Standardvarietäten als randständig resp. nicht-‐
standardsprachlich aufgefasst werden (vgl. ebd.: 317, 486).
2.1.1.2 Ost-‐West-‐Variation
Eine Ost-‐West-‐Variation hat sich durch die rund 40-‐jährige Teilung Deutschlands in die
Bundesrepublik Deutschland (BRD) und die Deutsche Demokratischen Republik (DDR)
entwickelt (vgl. Kellermeier-‐Rehbein 2014: 132). Die Unterschiede der beiden Varietäten
bezogen sich dabei v.a. auf die Lexik und Semantik (vgl. Kellermeier-‐Rehbein 2014: 132). Dies
führte auch zu der Kontroverse, ob es sich bei den sprachlichen Unterschieden überhaupt
um zwei unterschiedliche Varietäten handelte, da der unterschiedliche Wortschatz v.a.
ideologisch resp. institutionell geprägt war (vgl. Ammon 1995: 389). „Die strukturalistische
Kritik leugnet zwar keineswegs die zahlreichen lexikalischen Unterschiede der Varietäten,
zweifelt jedoch die Wichtigkeit der lexikalischen Unterschiede für die Eigenständigkeit einer
Varietät an“ (Schmidlin 2011: 91).
Durch die Wiedervereinigung hat sich mit dem Verschwinden des offiziellen
Sprachgebrauchs der DDR diese Diskussion allerdings wieder erübrigt (vgl. Kellermeier-‐
Rehbein 2014: 133).
2.1.1.3 Weitere Standardvarietäten in Deutschland
Die Sprachgebiete Deutschlands teilen sich jedoch nicht nur in Nord-‐Süd und Ost-‐West auf.
Auch innerhalb dieser Unterteilung gibt es Regionen, deren Standardvarietäten sich in Lexik,
Lautung und Grammatik unterscheiden, was auf die zugrunde liegenden Dialekte
zurückzuführen ist (vgl. Kellermeier-‐Rehbein 2014: 134). Das Variantenwörterbuch des
Deutschen (vgl. Ammon et al. 2004; Ammon et al. 2016) hat Deutschland beispielsweise in
sechs sprachliche Grossräume geteilt, wie in folgender Karte illustriert wird:
10
Abb. 2: Sprachgebiete Deutschlands (Ammon et al. 2016: LIII)
Da bei den Sprachgebieten keine exakte Grenzziehung möglich ist, wurden die Grenzen
relativ breit eingezeichnet; sie zeigen auf, wo sich die Übergangsgebiete ungefähr befinden
(vgl. Kellermeier-‐Rehbein 2014: 135).
2.1.2 Schweizer Standarddeutsch
In der Schweiz gibt es bekanntermassen vier offizielle Landessprachen8, wovon Deutsch die
höchste Sprecherzahl besitzt 9 . Die deutschschweizer Sprachsituation wird als stabile
Diglossie beschrieben, bei welcher der Gebrauch von Standard und Dialekt v.a. durch
Funktion, Medium und Situation bestimmt wird (vgl. Schmidlin 2011: 101). Generell kann
man sagen, dass im Alltag v.a. Dialekt gesprochen und Standarddeutsch v.a. schriftlich
gebraucht wird (vgl. ebd.: 102). Die Deutschschweizer identifizieren sich folglich durch ihre
Dialekte, was zu einem eher distanzierten Verhältnis zur (deutschschweizer)
8 Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. 9 2015 gaben 63 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer an, Deutsch bzw. Mundart zu sprechen (Bundesamt für Statistik: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bevoelkerung/sprachen-‐religionen/sprachen.html [zit. am 25.07.2017]).
11
Standardsprache führt (vgl. Clyne 1992b: 119, 121); viele Deutschschweizer empfinden das
Standarddeutsch sogar als Fremdsprache (vgl. Ammon et al. 2016: LI).
Durch das distanzierte Verhältnis zum Schweizerhochdeutsch akzeptieren die
Deutschschweizer auch eher deutschländische Varianten als beispielsweise die
Österreicher10 (vgl. Clyne 1992b: 137f.):
Im Gegensatz zur österreichischen Varietät des Standarddeutschen, [...] spielt in der deutschsprachigen Schweiz das Schweizerhochdeutsche nicht die Rolle des Nationalsymbols.
Schmidlin 2011: 104
Dies ist auch im schulischen Deutschunterricht zu beobachten; noch heute kommt es vor,
dass Helvetismen von Schweizer Lehrpersonen als fehlerhaft betrachtet werden (vgl.
Schmidlin 2011: 104).
2.1.2.1 Regionale Variation innerhalb der Deutschschweiz
Das Schweizer Standarddeutsch ist – im Gegensatz zu den deutschschweizer Dialekten –
weitgehend einheitlich (vgl. Schmidlin 2011: 101). Lediglich gewisse Begriffe aus dem
politischen oder administrativen Bereich können regional variieren (vgl. Ammon et al. 2016:
LI).
Anders sieht es bei der Aussprache des Standarddeutsch aus; da gibt es bei
nichtprofessionellen Sprechern zum Teil hörbare regionalen Unterschiede, die auf den
jeweiligen Dialekten beruhen (vgl. Ammon et al. 2016: LI).
2.2 Variation der Grammatik in den deutschen Standardsprachen
Bislang hat sich die Forschung zu den verschiedenen Standardvarietäten des Deutsch v.a. mit
lexikalischen und phonetischen Phänomenen befasst (vgl. Dürscheid / Elspaß 2015: 564;
Dürscheid et al. 2015: 213). „Eine umfassende und systematische Darstellung der arealen
10 „Man hatte [im Zuge des österreichischen EU-‐Beitritts 1994] Angst, es könnten dadurch unter anderem der Erdäpfelsalat oder die Topfentascherl sprachlich abhanden kommen. Im Zusatzprotokoll zum EU-‐Beitrittsvertrag wurden schliesslich 23 Ausdrücke aus dem Bereich der Lebensmittelterminologie rechtlich verankert.“ (Jutta Ransmayr 2012).
12
Variation in der Grammatik der deutschen Standardsprache ist bislang ein
Forschungsdesiderat“ (Dürscheid / Elspaß 2015: 563). Ein Grund, warum es noch keine
Sammlung der verschiedenen Grammatikphänomene in den deutschen Standardsprachen
gibt, ist einerseits das Idealbild einer variationsfreien Standardsprache, welches nach wie vor
in vielen Grammatiken herrscht (vgl. Schmidlin 2011, zit. nach Dürscheid / Elspaß 2015: 564).
Andererseits sind grammatische Unterschiede auch nicht so leicht erkennbar, wie die
lexikalischen oder phonologischen: „Ob [...] das Verb brauchen in der Satzstruktur im
expletivem es bzw. dem Indefinitpronomen man (vgl. es braucht eine Grammatik vs. man
braucht eine Grammatik) kombiniert wird – das überliest man schnell“ (Dürscheid et al.
2015: 215).
In verschiedenen Wörterbüchern werden allerdings bereits nationale und regionale
Besonderheiten der Grammatik in den deutschen Standardvarietäten thematisiert, wenn
auch nur marginal. 11 Dürscheid und Sutter haben dazu die grammatisch-‐diatopische
Variation in drei Nachschlagewerken12 analysiert und diese miteinander verglichen (vgl.
2014: 37-‐65). Sie zeigen dabei auf, dass sich zwar alle drei Wörterbücher mit der
grammatisch-‐diatopischen Variation auseinandersetzen, der Umgang damit allerdings
uneinheitlich ist (vgl. ebd.: 54):
Je nach Zielsetzung werden in den drei hier untersuchten Wörterbüchern andere Varianten berücksichtigt. Auch divergieren die Angaben zum standardsprachlichen Status. So kann dieselbe Variante in einem Wörterbuch als standardsprachlich kategorisiert sein, während sie in einem anderen als Grenzfall markiert ist.
Dürscheid / Sutter 2014: 55
Die unterschiedliche Handhabung liegt einerseits an den verschiedenen Zielsetzungen der
jeweiligen Nachschlagewerke, andererseits auch an der unterschiedlichen Datengrundlage.
Ausserdem können grammatische Varianten nur dann systematisch erfasst werden, wenn
das Korpus grammatisch annotiert ist (vgl. Dürscheid / Sutter 2014: 55). Ein solches Korpus
wurde bereits im Rahmen des Projekts Variantengrammatik des Standarddeutschen (vgl.
Dürscheid et al. [erscheint]) erstellt, welches nachfolgend vorgestellt wird.
11 z.B. im Variantenwörterbuch, Schweizer Wörterbuch, Schweizerhochdeutsch-‐Duden. 12 Schweizerhochdeutsch-‐Duden, Variantenwörterbuch und Zweifelsfälle-‐Duden.
13
2.2.1 Variantengrammatik
Das Forschungsprojekt Variantengrammatik des Standarddeutschen13 (kurz VG) befasst sich
mit der grammatischen Variation in der deutschen Standardsprache (vgl. Dürscheid / Elspaß
2015: 563) und ist in methodischer und theoretischer Hinsicht an die Arbeiten zum
Variantenwörterbuch (vgl. Ammon et al. 2004; Ammon et al. 2016) angelehnt (vgl. Dürscheid
et al. 2016). Als Datengrundlage wurde ein Korpus von Zeitungstexten aus allen
deutschsprachigen Ländern und Regionen erstellt, welches aus knapp 600 Millionen Wörtern
aus 68 Zeitungen der deutschsprachigen Regionen besteht. In Zukunft soll die VG als Basis
für weitergehende grammatische Untersuchungen dienen und ausserdem auch als Online-‐
Nachschlagewerk für Laien benutzbar sein (vgl. Dürscheid et al. 2016).
Die VG befasst sich nicht nur mit den Unterschieden im Bereich der Grammatik, sondern
berücksichtigt auch quantitative Aspekte (absolute vs. relative Varianten, siehe 2.2.1.1
Relative vs. absolute Variante) (vgl. Dürscheid et al. 2016). Ausserdem geht das Projekt von
einem pluriarealen Ansatz aus, „der grundsätzlich die regionalen Unterschiede innerhalb der
deutschsprachigen Länder ernst nimmt“ (Dürscheid et al. 2015: 211, siehe auch 2.2.1.2
Plurizentrisch vs. plurinational und pluriareal).
Abb. 3: Beispiel aus der VG: Plural von Tunnel (Dürscheid et al. [erscheint])
13 Das VG-‐Projekt wird geleitet von Christa Dürscheid (Universität Zürich), Stephan Elspaß (Universität Salzburg) und Arne Ziegler (Universität Graz).
14
2.2.1.1 Relative vs. absolute Variante
Die Variantengrammatik geht davon aus, dass es sich bei den grammatischen Unterschieden
in den meisten Fällen um relative Varianten handelt (vgl. Dürscheid et al. 2015: 218). Im
Gegensatz zu absoluten Varianten kommen die relativen in mehreren Varietäten vor und
sollten deshalb eher in Minderheits-‐ und Mehrheitsvarianten unterteilt werden (vgl. ebd.:
218). Das bedeutet, dass mehrere Varianten nebeneinander existieren können, je nach
Region aber unterschiedlich oft verwendet werden (siehe Abbildung 4).
Abb. 4: Relative areale Varianz (Dürrscheid et al. 2015: 219)
2.2.1.2 Plurizentrisch vs. plurinational und pluriareal
Wie zuvor schon beschrieben wurde, gilt eine Sprache, die über mindestens zwei
Standardvarietäten in verschiedenen Zentren verfügt, als eine plurizentrische Sprache.
Gehören zu den Zentren mindestens zwei Nationen, wird auch von einer plurinationalen
Sprache gesprochen (vgl. De Cillia 2006: 53).
Das VG-‐Projekt verfolgt weder den plurizentrischen noch den plurinationalen Ansatz,
sondern geht davon aus, dass die deutsche Sprache pluriareal ist. Demnach sind die
deutschen Standardsprachen nicht einheitliche Varietäten, sondern können auch innerhalb
einer Nation regionale Unterschiede aufweisen (vgl. Dürscheid et al. 2015: 211). Dürscheid
et al. (2015: 211f.) argumentieren ausserdem, dass Varianten häufig auch
grenzüberschreitend sind:
15
So ist keineswegs geklärt, ob zwischen norddeutschem und süddeutschem Standarddeutsch eher weniger oder eher mehr sprachliche Unterschiede bestehen als [...] zwischen ›südwestdeutschem Standarddeutsch‹ und dem in der Deutschschweiz [...] gebrauchten Standarddeutsch.
Dürscheid et al. 2015: 211f.
Aus diesen Gründen besteht der Korpus des VG-‐Projektes aus Zeitungstexten aus insgesamt
15 Sektoren des deutschen Sprachgebiets. Diese Aufteilung folgt im Wesentlichen der des
Variantenwörterbuchs (vgl. Ammon et al. 2004; Ammon et al. 2016) und soll Aufschluss
darüber geben, „ob das Deutsche in höherem Maße eine plurinationale oder eine pluriareale
Sprache ist“ (vgl. Ammon 1998, zit. nach Dürscheid et al. 2015: 212f.).
2.3 Die deutschen Standardvarietäten in ausländischen Deutschkursen
2.3.1 Geschichte der Plurizentrik im DaF-‐Bereich
Bis 1990 bezog sich das Deutsch in den DaF-‐Lehrwerken entweder auf die BRD oder die DDR.
Österreich und die Schweiz wurden darin höchstens klischeehaft oder im touristischen
Kontext thematisiert (vgl. Hägi 2015: 112). Mit den ABCD-‐Thesen14 wurde 1990 schliesslich
dank dem Internationalen Deutschlehrerverband (IDV) ein Dialog zwischen den
Vertreterinnen und Vertretern der Fachverbände der deutschsprachigen Länder ermöglicht
(vgl. ebd.) und Prinzipien formuliert, „an denen sich der Deutschunterricht und die
Lehrwerkproduktion orientieren können“ (ABCD-‐Thesen 1990, zit. nach Hägi 2015: 112f.).
Den ABCD-‐Thesen folgte mit dem Verschwinden der DDR bald das DACH(L)15-‐Prinzip (vgl.
Hägi 2006: 25), welches im DaF-‐Kontext auch heute noch Anwendung findet und laufend
aktualisiert wird.16
14 Die Grossbuchstaben stehen für die deutschsprachigen Länder Österreich, BDR, Schweiz und DDR. 15 Auch hier stehen die Buchstaben wieder für die Zusammenarbeit der deutschsprachigen Länder (Deutschland, Österreich, Schweiz, Liechtenstein). 16 Auch einigen Interviewpartnern in Mexiko war der Begriff bekannt.
16
Das DACH-‐Prinzip geht von der grundsätzlichen Anerkennung der Vielfalt des deutschsprachigen Raumes im Rahmen des Unterrichts der deutschen Sprache, der Vermittlung von Landeskunde, der Produktion von Lehrmaterialien sowie der Aus-‐ und Fortbildung von Unterrichtenden aus.
Bettermann 2010, zit. nach idvnetz.org [zit. am 24.07.2017]
Der nächste grosse Schritt, welcher den plurizentrischen Ansatz im DaF-‐Bereich gefördert
hat, war die trinationale Prüfung Zertifikat Deutsch, welche 1999 eingeführt wurde:
Ein Ziel des Zertifikat Deutsch ist es, den Lernenden und Prüfungsinteressierten in aller Welt die Vielfalt der deutschen Sprache näher zu bringen, um so den gesamten deutschsprachigen Raum mit einzubeziehen. Das bedeutet eine Ausweitung der bisherigen Praxis, in der nur eine Erscheinungsform der deutschen Sprache, nämlich der Sprachgebrauch in Deutschland, die Grundlage für die Vermittlung der deutschen Sprache und daher für die Auswahl von Texten und Hörtexten von Sprechern war.
Zertifikat Deutsch 1999, zit. nach Hägi 2006: 24
Davor wurde jedoch bereits 1994 das Österreichische Sprachdiplom Deutsch nach einem
plurizentrischen Ansatz entwickelt (vgl. Hägi 2015: 113). Auch sonst ist Österreich im DaF-‐
Bereich stark vertreten: 1984 etablierte sich das Fach Deutsch als Fremdsprache erstmals
durch die Gründung des Österreichischen Verbands Deutsch als Fremdsprache und Deutsch
als Zweitsprache (ÖDaF) und 1997 wurde – analog zum Goethe-‐Institut – das Österreich
Institut gegründet (vgl. ebd.).
Und wie beteiligt sich die Schweiz in der Förderung der deutschen Sprache im Ausland?
Anders als in Deutschland oder Österreich ist das Standarddeutsch in der Schweiz nur
zweitrangig (vgl. auch 2.1.2 Schweizer Standarddeutsch). Denn neben Deutsch (sowohl
Standarddeutsch als auch Dialekt) werden auch noch Französisch, Italienisch und
Rätoromanisch gesprochen. Dementsprechend identifizieren sich die Schweizer weniger
über eine einzelne Sprache, sondern vielmehr in ihrer Gesamtheit (vgl. Clalüna 2010: 161):
Es gilt eine „kollektive Mehrsprachigkeit“, auch wenn die einzelnen Schweizerinnen und Schweizer keineswegs alle mehrsprachig sind. Aus diesem Selbstverständnis heraus betreibt die Schweiz [...] keine Aussenpolitik oder Imagepflege über die Propagierung der Landessprachen
17
und unterhält auch keine Institutionen im Ausland, die das Erlernen oder die Kenntnis der Kultur in der einen oder anderen Sprache fördern. Es gibt daher von der Schweiz aus keine Entsendungsprogramme für Lektoren und Lektorinnen oder einen allgemeinen Austausch von Studierenden im Sprachbereich.
Clalüna 2010: 161
2.3.2 Plurizentrischer Ansatz im heutigen DaF-‐Unterricht
Der plurizentrische Ansatz ist im heutigen DaF-‐Unterricht zwar durchaus geläufig und findet
auch in Lehr-‐ und Lernmaterialien Anwendung (vgl. Hägi 2015: 114f.), allerdings wird die
Plurizentrik dort meist „marginal, häufig fehlerhaft und kontraproduktiv“ dargestellt (ebd.:
124):
Auch in neu aufgelegten Lehrwerken [...] werden weiterhin [...] standardsprachliche (z.B. Grüezi, Servus, Schlagobers) und nonstandardsprachliche Varianten (z.B. Uf Widerluege, gschwungne Nidel) gemeinsam behandelt. Das hat zur Folge, dass Lernenden nahe gelegt wird, das österreichische Standarddeutsch und Schweizer Standarddeutsch tendenziell als regionale und dialektale Varianz einzuschätzen.
Hägi 2015: 115
Auch die Umsetzung der Thematisierung im DaF-‐Unterricht sorgt bei vielen
Deutschlehrpersonen für Verwirrung und Überforderung. Soll ich als Deutsch-‐Lehrperson
nun allen drei Standardvarietäten mächtig sein?
Es gibt nach wie vor immer noch kritische Stimmen, welche sich gegen einen
plurizentrischen Ansatz im DaF-‐Unterricht aussprechen (vgl. Pusswald 2009: 41): Die
Thematisierung der verschiedenen Standardvarietäten überfordere die Lernenden oder
interessiere sie kaum resp. überhaupt nicht, sie sei unökonomisch im Unterricht und es
bestünde keine didaktische Notwendigkeit. Auch wird immer wieder die grössere
Funktionsbreite des deutschländischen Standards erwähnt (vgl. Pusswald 2009: 42ff.).
Für einen plurizentrischen Ansatz sprechen allerdings folgende Punkte:
18
• Darstellung einer realistischen Situation:
„Ein wichtiges Ziel des landeskundlichen D-‐A-‐CH-‐Konzepts besteht darin, ein
realistisches Bild des deutschen Sprachraums zu projizieren“ (Pusswald 2009: 44).
Vor allem wenn Deutsch im Ausland gelernt wird, reagieren die Lernenden oftmals
überrascht, wenn sie im deutschsprachigen Alltag kaum etwas verstehen, obwohl sie
im Sprachkurs eigentlich ein fortgeschrittenes Niveau erreicht haben.
• Varietäten als Teil der Landeskunde:
Sprache kann nicht von der dazugehörigen Kultur getrennt werden. Zur (deutschen)
Sprache „zählen auch die nationalen Varietäten, deren Varianten oft als Träger von
landeskundlichen Informationen fungieren“ (Pusswald 2009: 45).
• Authentizität:
„Die authentische Verwendung von Sprache ist untrennbar mit der Vermittlung von
soziokulturellen Informationen verbunden“ (Pusswald 2009: 46). In einer
kommunikativen Handlung, die also beispielsweise in der Schweiz spielt, sollte
demnach auch das Schweizer Standarddeutsch verwendet werden.
• Interkulturelle Kompetenz:
Interkulturelles Lernen funktioniert nach „dem Prinzip der Toleranz und Akzeptanz
und auf dem Willen zum Miteinander“ (Schmölzer-‐Eibinger 1996, zit. nach Pusswald
2009: 47). Im DaF-‐Unterricht sollten nicht nur die kulturellen Unterschiede zwischen
dem deutschsprachigen Zielland und dem Heimatland thematisiert werden, sondern
auch diejenigen zwischen den deutschsprachigen Ländern (vgl. Pusswald 2009: 47).
• Metasprachliches Wissen als Form der Allgemeinbildung:
Deutschlernende – und auch Germanistik-‐Studierende, Deutschlehrpersonen und
Muttersprachler – haben oftmals „keine adäquaten Vorstellungen von Heterogenität
der deutschen Sprache und von der konkreten sprachlichen Situation der
verschiedenen deutschsprachigen Länder“ (Pusswald 2009: 47).
„Die Plurizentrik ist kein Phantom“ (Schmidlin 2011: 300). Dennoch ist das Wissen darüber
sehr gering bei den Deutschsprechern (vgl. ebd.: 296) – auch bei den
Deutschmuttersprachlern. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass auch im DaM17-‐Unterricht (und
der Germanistik) die Plurizentrik „kaum explizit behandelt oder bewusst gemacht wird“ (vgl.
17 Deutsch als Muttersprache.
19
De Cillia / Ransmayr 2014, zit. nach Hägi 2015: 124). Was nicht gelehrt wird, wirkt sich dann
früher oder später aus; in diesem Fall also insofern, dass die Plurizentrik der deutschen
Sprache im Deutschunterricht immer wieder marginalisiert wird. Wird diese allerdings nicht
thematisiert, kann dies zu Problemen sowohl für Lehrpersonen als auch für Lernende führen:
Für Kursleiterinnen und -‐leiter nichtdeutscher Nationalität stellt sich die Frage, ob sie
überhaupt ihren Deutsch-‐Standard unterrichten dürfen. Und Lernende des österreichischen
oder Schweizer Standarddeutsch müssen befürchten, dass sie bei Prüfungen benachteiligt
werden (vgl. Ransmayr 2012).
3. Begriffsverwendung in dieser Masterarbeit
3.1 Plurizentrisch, pluriareal, plurinational
Wie bereits im Kapitel 2.2.1.2 erwähnt, gehen Dürscheid et al. ([erscheint]) in ihrer
Variantengrammatik von einem pluriarealen Ansatz aus. D.h. die sprachlichen Grenzen (hier
für die Varietäten der deutschen Sprache) werden nicht an den Landesgrenzen gezogen,
sondern je nachdem wo die Varianten vorkommen.
Im DaF-‐Unterricht werden im Rahmen der Landeskunde allerdings primär die kulturellen
Unterschiede zwischen den Vollzentren Deutschland, Österreich und der Schweiz
thematisiert, weshalb die meisten DaF-‐Lehrpersonen bei den sprachlichen Unterschieden
vermutlich eher von einem plurizentrischen Ansatz ausgehen.18 Auch Schmidlin (vgl. 2011:
297ff.) hat im Rahmen ihrer Befragung mit Deutschmuttersprachlern festgestellt, dass die
Landesgrenzen einen stärkeren Einfluss auf deren Einstellungen zur Standardsprache haben
als regionalsprachlich-‐dialektale Aspekte.
Da ich in meiner Arbeit v.a. auf die Subjektiven Theorien der DaF-‐Lehrpersonen fokussiere,
verwende ich in dieser Arbeit deshalb bevorzugt den Begriff plurizentrisch, wohl im Wissen,
dass dieser Begriff v.a. der Sprachsituation in Deutschland nicht gerecht wird.
18 Was allerdings zur Problematik führt, dass regionale Varianten dann womöglich als dialektal oder umgangssprachlich abgewertet werden.
20
3.2 Schweizerdeutsch, Schweizer Deutsch
Je nach Gesprächspartner wird der Begriff Schweizerdeutsch unterschiedlich verstanden.
Unter Muttersprachlern sind damit meist die deutschschweizer Dialekte gemeint. Die
meisten davon gehören aber streng genommen zum Alemannischen, das auch in
Süddeutschland und im Elsass gesprochen wird (vgl. Schmidlin 2011: 101).
Mit Schweizer Deutsch kann aber auch das Schweizer Hochdeutsch resp. das Schweizer
Standarddeutsch gemeint sein.
Auch meine Gesprächspartner haben während der Interviews den Begriff unterschiedlich
benutzt. Mündlich ist die Bedeutung allerdings nur durch den Kontext erkennbar. Ich habe
mich deshalb entschieden, in den Transkripten und auch in dieser Arbeit den Begriff
Schweizerdeutsch für die dialektalen Varietäten aus der Deutschschweiz und Schweizer
Deutsch für das Schweizer Standarddeutsch zu verwenden.
3.3 Deutsch, deutschländisch
Das Adjektiv deutsch ist ein Homonym und hat laut Online-‐Duden folgende Bedeutungen19:
1. die Deutschen, Deutschland betreffend; Abkürzung: dt. 2. in der Sprache der Bevölkerung besonders Deutschlands,
Österreichs und in Teilen der Schweiz; Abkürzung: dt. 3. in deutscher Schreibschrift [verfasst]
Um Unklarheiten zu vermeiden, wird deshalb im Zusammenhang mit den
Standardvarietäten der Begriff deutschländisch benutzt.
‚Deutsch’ allein würde als Bezeichnung nicht genügen, da das Wort zwei Bedeutungen haben kann (deutschländisch/gemeindeutsch). Der Terminus ‚Gemeindeutsch’ umfasst alle Ausdrucksformen, die nicht national markiert sind.
Dürscheid / Hefti 2006: 131
19 http://www.duden.de/rechtschreibung/deutsch [zit. am 13.07.2017]
21
Der Begriff deutsch dagegen kommt dann zum Einsatz, wenn es um die Sprache Deutsch
oder um Nationalitäten z.B. meiner Interviewgesprächspartner geht. Auch die
Adjektivkomposita, welche Nord-‐ und Süddeutschland betreffen, werden einfachheitshalber
norddeutsch und süddeutsch genannt. Ausserdem wurde auch in den Gesprächen mit den
DaF-‐Lehrpersonen stets der Begriff deutsch gebraucht, auch wenn deutschländisch gemeint
war, da dieser Begriff unter Nicht-‐Experten eher nicht geläufig ist.20
4. Empirische Untersuchung
4.1 Fragestellungen und Hypothesen
4.1.1 Fragestellungen
Anders als im Fall des österreichischen Standarddeutsch (vgl. z.B. Ransmayr 2006, Pusswald
2009), gab es meines Wissens bisher noch keine Untersuchung, bei der DaF-‐Lehrpersonen zu
ihren Einstellungen zum Schweizer Hochdeutsch befragt wurden. 21 Dies liegt u.a.
wahrscheinlich auch daran, dass die Schweiz – im Gegensatz zu Österreich – keine ihrer
Landessprachen im Ausland aktiv fördert (vgl. Clalüna 2010: 161, siehe auch 2.3.1 Geschichte
der Plurizentrik im DaF-‐Bereich).
Ausserdem werden grammatische Varianten praktisch nicht in den DaF-‐Lehrwerken
behandelt und sind somit kaum im Bewusstsein der DaF-‐Lehrpersonen verankert (vgl.
Pusswald 2009: 188). Die Variantengrammatik (vgl. Dürscheid et al. [erscheint]) ist das erste
Forschungsprojekt überhaupt, dass sich mit dieser Thematik im deutschsprachigen Bereich
befasst.
Aus diesen Gründen wollte ich mich näher mit der Handhabung des Schweizer
Standarddeutsch und dessen grammatischen Varianten in ausländischen DaF-‐Kursen
befassen und ging dafür im Rahmen meiner Masterarbeit folgenden Fragen nach:
20 „Gebrauch: besonders österreichische und schweizerische Sprachwissenschaft“ (http://www.duden.de/rechtschreibung/deutschlaendisch [zit. am 13.07.2017]). 21 Hägi beispielsweise untersuchte in ihren Arbeiten hauptsächlich den plurizentrischen Ansatz in DaF-‐Lehrwerken (vgl. Hägi 2006 und Hägi 2015); Schmidlin (2011) und Scharloth (2006) haben jeweils Deutschmuttersprachler befragt, nicht aber spezifisch DaF-‐Lehrpersonen.
22
1. Was wissen DaF-‐Lehrpersonen über die verschiedenen Standardvarietäten des
Deutsch resp. über das Schweizer Standarddeutsch?
2. Werden (grammatische) Varianten aus dem Schweizer Standarddeutsch in
ausländischen Deutschkursen akzeptiert resp. sind sie überhaupt bekannt?
4.1.2 Hypothesen
Es ist davon auszugehen, dass die Plurizentrik unter den meisten DaF-‐Lehrpersonen bekannt
ist, da verschiedene DaF-‐Lehrwerke und auch das Zertifikat Deutsch und das ÖSD Zertifikat
plurizentrisch ausgerichtet sind (vgl. Hägi 2015: 113). Da die Standarddeutschvarietäten
jedoch weder im DaM-‐Unterricht noch in der Germanistik ein fester Bestandteil sind und
somit kaum behandelt werden (vgl. De Cillia / Ransmayr 2014: 60), wissen die meisten DaF-‐
Lehrpersonen – sowohl Muttersprachler wie auch Nichtmuttersprachler – vermutlich kaum
etwas über das Schweizer Standarddeutsch und vertreten einen eher monozentrischen
Ansatz. Schweizer Varianten werden deshalb wahrscheinlich eher nicht akzeptiert und
dementsprechend nach dem deutschländischen Standard korrigiert.
Im Schriftlichen Bereich sind Schweizer Varianten wahrscheinlich eher im Bereich der Lexik
bekannt, da diese Phänomene eher auffallen als grammatische Varianten (vgl. Schmidlin
2011, zit. nach Dürscheid / Elspaß : 564). Auch in den DaF-‐Lehrwerken werden auf der
sprachlichen Ebene v.a. lexikalische Unterschiede behandelt (vgl. Pusswald 2009: 188).
4.2 Ausgangslage
Zur Beantwortung der Fragestellungen wurden im Januar und Februar 2017 insgesamt 19
DaF-‐Lehrpersonen in vier Städten22 Mexikos befragt.
Für die Suche nach Interviewteilnehmern wurden mehrere Deutschschulen und
Institutionen, wo Deutsch unterrichtet wird, per E-‐Mail kontaktiert mit der Bitte, meine
Anfrage an ihre DaF-‐Lehrpersonen weiterzuleiten. 23 Da sich die Kontaktierung von der
22 Monterrey, Guadalajara, Mexiko-‐Stadt, Cuernavaca. 23 Ein Beispiel eines E-‐Mail-‐Texts kann im Anhang (siehe 9.1 E-‐Mail zur Rekrutierung der Interviewpartner) gefunden werden.
23
Schweiz aus allerdings als sehr schwierig herausgestellt hat, wurden einige Lehrpersonen
auch erst in Mexiko rekrutiert.
Unter den interviewten Lehrpersonen waren vier Nationalitäten vertreten: Deutschland (10),
Mexiko (6), Schweiz (2) und Frankreich (1). Auch die beruflichen Hintergründe waren sehr
unterschiedlich und nur die wenigsten hatten eine Ausbildung im DaF-‐Bereich:
Germanistik/DaF-‐Studium, SVEB (Ausbildung zum Kursleiter für Deutschkurse)24, Pädagogie
(Sekundarstufe), Übersetzen, Architektur, Sozialarbeit, Psychologie,
Ingenieurswissenschaften und weitere Ausbildungen, welche nicht in Erfahrung gebracht
werden konnten.
Die Auswahl der Interviewpartner spiegelt auch ziemlich gut die allgemeine Situation der
DaF-‐Lehrerpersonen in Mexiko wider. Die meisten Lehrerinnen und Lehrer kommen aus
Deutschland, gefolgt von den Mexikanern, welche entweder ein Germanistik-‐ resp. ein DaF-‐
Studium absolviert haben, oder sehr gut Deutsch sprechen. Deutschsprachige Personen aus
der Schweiz, Österreich oder anderen Nationen machen eher einen kleinen Teil aus.
Von den Muttersprachlern wurden nur die wenigsten im DaF-‐ oder Germanistik-‐Bereich
ausgebildet. Meistens unterrichten sie Deutsch, da sie in ihrem ursprünglichen Beruf keine
Stelle gefunden haben. Der fehlende DaF-‐ resp. Lehr-‐Hintergrund stellt dabei kein Problem
dar, da oftmals v.a. die Muttersprachlichkeit als Qualitätskriterium angesehen wird.
4.2.1 Deutsch in Mexiko
Deutschland ist Mexikos drittgrösster Handelspartner weltweit und der grösste in Europa
(vgl. Steffen 2010: 1740). „Zugleich bewirkt die Steigerung des akademischen und kulturellen
Austausches zwischen Mexiko und Deutschland, dass der Bereich Deutsch als Fremdsprache
von einer spürbaren Dynamik geprägt ist“ (ebd.). Dies führt dazu, dass Deutsch unter den
Fremdsprachen in Mexiko immer beliebter wird: 2015 betrug die Anzahl der
Deutschlernenden in Mexiko insgesamt 75’176 (vgl. Auswärtiges Amt 2015: 13).
In Mexiko gibt es ein breites DaF-‐Angebot für alle Altersstufen:
24 In der Schweiz angebotene Weiterbildung in Erwachsenenbildung (http://www.enaip.ch/berufsbildung/sveb-‐lehrgang-‐adefa/ [zit. am 02.08.2017]).
24
• 240 Schulen, welche DaF-‐Unterricht anbieten (vgl. Auswärtiges Amt 2015:13),
darunter das Colegio Alemán Alexander von Humboldt25 (Deutsche Auslandsschule)
und das Colegio Suizo (Schweizerschule) (vgl. Steffen 2010: 1741);
• 173 Hochschulen mit Deutschlern-‐Angeboten (vgl. Auswärtiges Amt 2015: 13);
• 250 DaF-‐Einrichtungen in der Erwachsenenbildung, darunter das Goethe-‐Institut, an
dem 2015 rund 500026 Erwachsene Deutsch gelernt haben (vgl. ebd.).
Entgegen dem, was die hohe Anzahl der DaF-‐Institutionen und -‐Lernenden vermuten lässt,
ist das Studiumsangebot in DaF und Germanistik relativ klein (vgl. Steffen 2010: 1742f.):
• Deutschlehrerausbildung am CELE27 der UNAM28;
• DaF-‐Masterstudiengang am CUCSH29 der Universidad de Guadalajara in Kooperation
mit dem Herder-‐Institut der Universität Leipzig;
• Germanistikstudium an der philosophischen Fakultät der UNAM.
Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) in Mexiko erwähnt dazu: „Der Bedarf an
Ausbildungsangeboten im Bereich DaF reicht in Mexiko bei weitem nicht aus. Zudem fehlt es
an qualifizierten Lehrkräften“ (DAAD 2016: 38).
4.3 Befragung
Vor dem eigentlichen Interview mussten die Gesprächspartner jeweils einen Online-‐
Kurzfragebogen ausfüllen, welcher Aufschluss über ihre Deutschbiografie und DaF-‐
Lehrtätigkeit geben sollte.30
Die Interviews selber bestanden aus zwei Teilen – einem fokussierten und einem
problemzentrierten Teil 31 – und wurden mit den Lehrpersonen jeweils persönlich an ihrer
25 Wurde bereits 1894 in Mexiko gegründet. 26 Von insgesamt 25'000 erwachsenen Deutschlernenden in Mexiko (vgl. Auswärtiges Amt 2015: 13). 27 Centro de Enseñanza de Lenguas Extranjeras. 28 Universidad Autónoma Nacional de México. 29 Centro Universitario de Ciencias Sociales y Huminidades. 30 Der Kurzfragebogen wurde auf survey.unifr.ch ausgefüllt. Die Fragen dazu können in der zuvor erstellten Seminararbeit Erstellung und Pilotisierung eines Leitfadeninterviews zur Befragung von DaF-‐Lehrpersonen (Albrecht: 2016) entnommen werden (zu finden auf der Anhang-‐CD). 31 Näheres zur Erstellung des Interviews kann in der zuvor erstellten Seminararbeit (Albrecht 2016) nachgelesen werden.
25
Deutschschule oder bei ihnen zu Hause und einmal in einem Café durchgeführt. Die
Gespräche dauerten jeweils zwischen 30 und 60 Minuten. Sie wurden mit der App Easy
Voice Recorder aufgezeichnet und später mit dem Programm f5 transkribiert.32
4.3.1 Das Leitfadeninterview
4.3.1.1 Der fokussierte Teil
Der fokussierte Teil bestand aus 10 Sätzen, welche die Befragten durchlesen sollten. Falls sie
einen grammatischen Fehler entdeckt haben, sollten sie diesen korrigieren und mussten die
Korrektur auch begründen. Diese Methode hatte ich einem Fragebogen von Dürscheid /
Hefti (2006: 150ff.) entnommen.33
Unter den 10 Sätzen gab es:
• 6 Sätze, die nach Schweizer Standard grammatisch korrekt sind;
• 4 Sätze, welche einen grammatischen Fehler enthalten; 2 Sätze davon sind allerdings
vom Sprachwandel betroffen und können somit u.U. als korrekt gelten.
Die Sätze mit den grammatischen Fehlern haben als eine Art Test fungiert, mit dem
festgestellt werden sollte, ob das Deutschniveau bei den Nicht-‐Muttersprachlern hoch genug
ist, um allfällige deutschschweizer Varianten als solche zu erkennen. Werden die falschen
Sätze nicht korrigiert, muss eine Nicht-‐Korrektur von deutschschweizer Varianten nicht
zwingend auf eine Akzeptanz ebendieser hinweisen.
Die Sätze für den fokussierten Teil stammen entweder aus Lernertexten oder wurden selber
formuliert. Die Varianten für die Sätze nach Schweizer Standard habe ich der
Variantengrammatik (vgl. Dürscheid et al. [erscheint]) entnommen.34 Da das Projekt zum
32 Der dazugehörige Transkriptionsleitfaden kann im Anhang (siehe 9.3 Transkriptionsleitfaden) gefunden werden. 33 Darin haben sie deutschen und Schweizer Studierenden 14 Sätze mit deutschländischen und deutschschweizer Grammatikvarianten vorgelegt und gefragt, welche dieser Sätze sie ebenfalls verwenden würden (vgl. Dürscheid / Hefti 2006: 150ff.). 34 Mit Ausnahme von Badezimmer/Badzimmer; diese Variante wurde vom von der VG ausgewerteten Phänomen Bademeister/Badmeister abgeleitet.
26
Zeitpunkt der Interviews noch nicht veröffentlicht wurde, konnte ich zunächst nur eine
kleine Auswahl von bereits ausgewerteten Phänomenen erhalten (insgesamt 14
Phänomene). Davon habe ich jeweils diejenigen ausgewählt, welche im deutschschweizer
Alltag relativ oft verwendet werden bzw. vorkommen (z.B. in alltäglichen Konversationen,
Zeitungstexten usw.); die anderen Phänomene habe ich für diese Befragung nicht beachtet.
• Sätze nach Schweizer Standarddeutsch (die Schweizer Varianten sind jeweils
unterstrichen):
Ø Wenn Sie Fragen haben, können Sie mir ein E-‐Mail schreiben.
Ø In Basel gibt es viele schöne Pärke.
Ø Monika ist 18-‐jährig.
Ø Ich habe vor dem Haus parkiert.
Ø Ich finde es gut, gibt es dieses Angebot.
Ø Ich habe das Badzimmer und die Küche geputzt.
• Sätze mit grammatischem Fehler:
Ø Ich freue mich, wenn ich lerne Deutsch.
Ø Am Abend habe ich noch ein Film geschaut.35
Ø Das ist meine Lieblingsfoto.35
Ø Die Leute in meiner Klasse ist sehr nett.
4.3.1.2 Der problemzentrierte Teil
Im problemzentrierten Teil wollte ich herausfinden, was und wie viel die Befragten über das
Schweizer Standarddeutsch wissen. Ausserdem wollte ich auch wissen, ob und inwiefern die
DaF-‐Lehrpersonen bereits mit dem Schweizer Standarddeutsch in Kontakt kamen.
Zuerst wurden Fragen zum Status des Schweizer Standarddeutsch an der jeweiligen
Institution gestellt. Diese Fragegruppe sollte v.a. Aufschluss darüber geben, wie die DaF-‐
Lehrpersonen in ihrem beruflichen Umfeld mit den deutschen Standardvarietäten umgehen
und inwiefern dieser Umgang die Korrekturen aus dem fokussierten Teil beeinflussen
könnte.
35 Vom Sprachwandel betroffen.
27
Danach wurden Fragen zum Wissensstand zum Schweizer Standarddeutsch gestellt. Diese
sollten zeigen, wie viel die DaF-‐Lehrpersonen über das Schweizer Standarddeutsch wissen
und inwiefern dieses Wissen den fokussierten Teil beeinflusst haben könnte.
Die jeweiligen Fragen wurden der Befragung von Ransmayr (2006: 319ff.) entnommen und
dem Kontext meiner Masterarbeit angepasst:
• Einleitende Frage
Ø Was ist Ihnen während der E-‐Mail-‐Korrespondenz oder während des jetzigen
Gesprächs an meinem Deutsch aufgefallen?36
• Status des Schweizer Standarddeutsch bei der DaF-‐Lehrperson
Ø Sind oder waren Sie als Lehrperson an einer Deutschschule in irgendeiner Form
mit dem Schweizer Standarddeutsch konfrontiert?
Ø Welche der zuvor genannten deutschen Standardvarietäten37 soll Ihrer Meinung
nach in Deutschkursen in Mexiko vermittelt werden?
Ø Würden Sie authentische Schweizer Texte (Zeitungsartikel, literarische Texte etc.)
als Unterrichtsmaterial verwenden?
Ø Welche deutschsprachige Region würden Sie Ihren Schülerinnen und Schülern für
einen Sprachaufenthalt empfehlen?
• Wissen über Schweizer Standarddeutsch
Ø Was denken Sie: Wie viel wissen Sie über das Schweizer Standarddeutsch?
Ø Welche Ausdrücke, welche nur in der Deutschschweiz gebräuchlich sind, sind
Ihnen geläufig? / Welche Ausdrücke, welche nur in Deutschland gebräuchlich
sind, sind Ihnen geläufig?
36 Bei der E-‐Mail-‐Korrespondenz mit den DaF-‐Lehrpersonen habe ich darauf geachtet, dass ich möglichst deutschschweizer Varianten benutze. Diese Varianten könnten den Lesern ev. aufgefallen sein und sollten als möglichen Einstieg in die Thematik dienen. 37 Bevor die Fragen zum problemzentrierten Teil gestellt wurden, gab es jeweils eine kleine Einleitung zu den verschiedenen Standardvarietäten des Deutschen.
28
Ø Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Schweizer und einen deutschen Text vor sich.
Könnten Sie erkennen, welcher der Texte aus der Schweiz und welcher aus
Deutschland ist?
§ Woran erkennen Sie den Schweizer Text?
§ Woran erkennen Sie den deutschen Text?
Ø Würden Sie gerne mehr über das Schweizer Standarddeutsch wissen?
5. Auswertung der Interviews
Zur Auswertung der Interviews wurden zwei Methoden gewählt: einmal eine qualitative
Inhaltsanalyse für den fokussierten Teil und Subjektive Theorien nach Caspari (2001) für den
problemzentrierten Teil.
Der fokussierte Teil soll exemplarisch zeigen, wie geläufig das Schweizer Standarddeutsch
unter DaF-‐Lehrpersonen ist – und wenn gewisse Varianten bekannt sind, ob sie auch bei
einer Korrektur akzeptiert würden.
Für die Analyse des problemzentrierten Teils wurden fünf Interviews ausgewählt, welche die
einzelnen Meinungen zum Gebrauch des Schweizer Standarddeutsch in den jeweiligen
Deutschkursen zeigen soll.
5.1 Fokussierter Teil: Qualitative Inhaltsanalyse
Das Korrekturlesen aus dem fokussierten Interviewteil wurde mittels einer qualitativen
Inhaltsanalyse ausgewertet (vgl. Kuckartz 2016, Schmidt 2010).38 Dafür wurde mit dem
Programm MAXQDA12 gearbeitet.
Die Auswertungskategorien wurden direkt am transkribierten Material entwickelt und, wenn
nötig, mit Unterkategorien erweitert.39 Ein Auswertungsleitfaden kann im Anhang (siehe 9.5
38 Bei einer qualitativen Inhaltsanalyse werden für die Auswertung interessante Themen und Aspekte in den Transkripten gekennzeichnet und in Kategorien zusammengefasst. Beispielsweise wurden in der Analyse zum fokussierten Teil alle Aussagen, bei denen es sich um eine Korrektur einer Schweizer Variante handelte, der Kategorie Korrektur von Schweizer Variante zugeteilt. Sobald alle relevanten Textteile einer Kategorie zugeteilt resp. codiert wurden, werden die Daten verglichen und interpretiert. 39 Beispielsweise wurde die Kategorie Korrektur von Schweizer Variante noch weiter in die Unterkategorien Korrektur mit Nachschlagen und Korrektur ohne Nachschlagen geteilt.
29
Auswertungsleitfaden) gefunden werden. Die Zusammenfassung aller Resultate kann als
Excel-‐Tabelle auf der Anhang-‐CD gefunden werden.
Bei der Analyse werden jeweils die original Aussagen der Lehrpersonen aufgeführt.40 Die
Namen dieser Personen wurden geändert und in Klammern wird jeweils die Zeit angegeben,
wann eine Aussage im Interview gemacht wurde. Damit lassen sich die Zitate in den
jeweiligen Transkripten (siehe 9.4 Transkript vom Interview mit Enrique García und
Transkripte auf der Anhang-‐CD) leichter finden.41
5.1.1 Analysierte Sätze
Analysiert wurden nur die Korrekturen derjenigen Sätze, welche nach Schweizer
Standarddeutsch korrekt sind. Die nachfolgende Tabelle soll einen Überblick verschaffen,
wie viel Mal die jeweiligen Sätze korrigiert wurden und wie viel Mal bei einer Korrektur ein
Nachschlagewerk (kurz NW) hinzugezogen worden wäre.
Phänomen Korrektur keine Korrektur
Korrektur mit NW
Korrektur ohne NW
keine Korrektur mit NW
keine Korrektur ohne NW
das E-‐Mail 2 10 3 4
Pärke 11 6 1 1
x-‐jährig 1 4 6 6
parkieren 6 4 1 8
gut, gibt es 4 15 0 0
Badzimmer 10 8 1 0
Grob lässt sich erkennen, dass fast alle Schweizer Varianten mehrheitlich korrigiert wurden.
Lediglich bei x-‐jährig und parkieren war das Verhältnis zwischen Korrektur und Nicht-‐
40 Die Aussagen wurden den jeweiligen Transkripten entnommen, welche nach eigenen Transkriptionsregeln (siehe 9.3 Transkriptionsleitfaden) verfasst wurden. Orthografische, grammatische etc. Fehler können somit vorkommen. 41 z.B. Max Muster (#00:01: 01-‐1#).
30
Korrektur umgekehrt resp. ungefähr gleich. Allerdings wurde keine der Schweizer Varianten
von allen Lehrpersonen als korrekt eingestuft.
Da die meisten der befragten Lehrpersonen auf den Niveaus A1 bis B1 unterrichten, werden
in dieser Arbeit nur die Analysen derjenigen Sätze aufgeführt, welche Schülerinnen und
Schüler auf diesen Niveaus auch selber produzieren würden/könnten:42
• Wenn Sie Fragen haben, können Sie mir ein E-‐Mail schreiben.
• In Basel gibt es viele schöne Pärke.
• Ich habe vor dem Haus parkiert.
Die Analyse zum Satz Ich habe das Badzimmer und die Küche geputzt wird hier ebenfalls
nicht aufgeführt, da sich nachträglich herausgestellt hat, dass die VG
Badezimmer/Badzimmer als „Nicht-‐Variante“ annimmt:43
[...] Badezimmer / Badezimmer stellen sich bei uns als "Nicht-‐Varianten" heraus [...] wir finden in unserem (doch sehr grossen) Korpus nirgends oder nur extrem selten (also unter Schwellenwert) den Begriff "Badzimmer" (auch in CH nicht), sondern immer nur "Badezimmer" (auch in CH). [...] Unsere Ergebnisse bedeuten, dass auch in CH-‐Zeitungen fast ausschliesslich "Badezimmer" und nicht "Badzimmer" verwendet wird, woraus wir schliessen, dass der Begriff "Badzimmer" kein standardsprachlicher Helvetismus ist. Dass Schweizern "Badzimmer" bedingt durch die Mundart "irgendwie" schon auch korrekt vorkommt, ist tatsächlich zu vermuten, in der Standardsprache wird es aber offenbar dennoch nicht verwendet [...].
Adarve 2017
Obwohl das VWB Badzimmer als Helvetismus einstuft (vgl. Ammon et al. 2016: 81), habe ich
mich trotzdem dazu entschieden, die Analyse zu diesem Satz nicht in dieser Arbeit zu
erwähnen. Dies vor allem aus Konsequenz-‐Gründen, da sich diese Masterarbeit v.a. auf die
Variantengrammatik als Referenz stützt und ich ansonsten auch den Satz Das ist meine
Lieblingsfoto als korrekt annehmen müsste, da im Duden der feminine Genus für Foto
ebenfalls aufgeführt wird (im Korpus der VG wurden allerdings kaum Belege für die Foto
42 Die Analysen zu den anderen beiden Sätze mit den Varianten x-‐jährig und gut, gibt es können auf der Anhang-‐CD gefunden werden. 43 Gemäss E-‐Mail-‐Korrespondenz vom 12.07.2017 (Adarve 2017).
31
gefunden44). Für Interessierte kann die Analyse zu Badzimmer allerdings ebenfalls auf der
Anhang-‐CD gefunden werden.
5.1.1.1 Wenn Sie Fragen haben, können Sie mir ein E-‐Mail schreiben.
Abb. 5: areale Verteilung von die resp. das E-‐Mail (vgl. Dürscheid et al. [erscheint])
12 der befragten Lehrpersonen würden das E-‐Mail korrigieren und stattdessen den
femininen Genus setzen. Dies entspricht der Variante, die v.a. in Deutschland gebräuchlich
ist. Die Neutrum-‐Form für E-‐Mail wird v.a. in der Schweiz und in Österreich benutzt, was
auch zwei der korrigierenden Lehrpersonen auch wussten. Trotzdem würden sie diese
Variante in ihrem Unterricht als falsch markieren:
[...] Aber ich weiss dass (.) ich habe es schon oft gehört dass es glaube ich neutral dass manche Leute das E-‐Mail sagen. [...] Äähm (.) aber ich würde es trotzdem (lachend) als Fehler einzeichnen. Mhm.
Wiebke Fischer (#00:01:58-‐1#)
44 „In unserem Korpus stellt sich "die Foto" aber sowohl über alle Regionen hinweg gesehen (ca. 12'600 Belege für "das" vs. 11 Belege für "die") als auch für CH (312 Belege für "das" versus 3 Belege für "die") als eindeutige Nicht-‐Variante heraus“ (E-‐Mail-‐Korrespondenz vom 11.05.2017 (Adarve 2007)).
32
[...] Ich würde es aber korrigieren, weil ich für mich ist E-‐Mail eben feminin. Deswegen halt würde ich sagen falscher Artikel, eine. Aber ich weiss dass es Varianten des Deutschen gibt wo das durchaus korrekt ist. [...] Ich würde es trotzdem korrigieren.
Josef Kalkhoff (#00:01:51-‐5#)
Nur zwei der korrigierenden Lehrpersonen würden die Variante zur Sicherheit nachschlagen,
und zwar im Duden oder in Google. Sowohl im Duden wie auch über Google würde man
beide Varianten finden, im Duden allerdings ohne Hinweis zum arealen Gebrauch.
Laut zwei Lehrpersonen wird in den von ihnen benutzten Lehrwerken (Netzwerk, Menschen
und deutsch.com) auch nur die feminine Variante benutzt, weshalb sie die Variante im
Neutrum korrigieren würden:
Auch in den Lehrwerken die wir haben erscheint so viel ich weiss also nicht bewusst wahrgenommen dass da auch die Abweichung existieren würde vom Femininum.
Jean Rousseau (#00:03:33-‐5#)
Fünf der befragten Lehrpersonen wussten, dass es sich bei das E-‐Mail um eine Variante
handelt; darunter – wie bereits erwähnt – die beiden Lehrpersonen, welche die Neutrum-‐
Variante trotzdem korrigieren würden.
Interessant ist auch die Handhabung einer Schweizer Lehrperson. Sie weiss, dass es sich um
eine Variante handelt, die in der Schweiz gebräuchlich ist:
Ja gut das ist ein E-‐Mail ist vom Schweizer Standarddeutsch, das E-‐Mail. Und auf Hochdeutsch wäre es eine E-‐Mail. Und wenn ich jetzt im Unterricht das hätte würde ich wahrscheinlich darauf hinweisen dass der Unterschied zwischen Hochdeu-‐ also Deutschland Standarddeutsch und Schweizer Standarddeutsch besteht.
Maya Wydler (#00:14:21-‐4#)
Allerdings behandelt sie die Variante in ihrem Unterricht je nach Situation anders:
33
[...] ich würde es nicht korrigieren. Es kommt ein bisschen auf den Kontext darauf an. [...] Zum Beispiel bei einer Prüfung würde ich es sicher als Fehler zählen. [...] Wenn das ein Text ist den sie mir abgeben würden zum Üben dann würde ich glaub darauf hinweisen. [...] Dass sie einfach sich dem Unterschied bewusst sind. [...] ich meine wenn sie jetzt einen Text schreiben wo es um das Perfekt geht, dann ist das im Fokus. Wenn es jetzt ein Text ist wo es darum gegangen ist dass sie Wortschatz anwenden mussten und sie genau das Wort gelernt haben dann ist es nochmal etwas anderes.
Maya Wydler (#00:14:36-‐4#)
Erstaunlich ist, dass sie die Variante gerade in einer Prüfungssituation korrigieren würde, da
ihre Teilnehmer mit grosser Wahrscheinlichkeit das Zertifikat Deutsch – also einer Prüfung,
die sich an den DACHL-‐Prinzipien orientiert – am Goethe-‐Institut ablegen werden. Später im
Interview erwähnt sie allerdings, dass sie sich nicht sicher ist, ob in Deutschland
ungebräuchliche Varianten in den Goethe-‐Prüfungen ebenfalls akzeptiert würden:
Aber, was ich jetzt nicht weiss (.) ist jetzt bei einer Goethe-‐Zertifikatsprüfung (-‐) ob das dann, ob man das als Fehler zählen müsste oder nicht.
Maya Wydler (#00:19:32-‐1#)
5.1.1.2 In Basel gibt es viele schöne Pärke.
Abb. 6: areale Verteilung von Pluralformen von Park (vgl. Dürscheid et al. [erscheint])
34
17 der befragten Lehrpersonen würden Pärke korrigieren und durch die v.a. in Deutschland
und Österreich gebräuchliche Variante Parks ersetzen. 11 der befragten Personen waren sich
zum Zeitpunkt des Interviews gar nicht sicher, welches der korrekte Plural von Park ist und
hätten die Variante deshalb noch im Lehrwerk (Netzwerk), PONS, Duden, in Google oder auf
dict.leo nachgeschlagen. Laut einer anderen Lehrperson existiert im Lehrmittel Netzwerk die
Pluralform Pärke nicht: „Denn in meinen Lehrwerken existiert eigentlich nur Parks.“ (Jean
Rousseau: #00:05:54-‐4#). Im Online-‐PONS werden die Pluralformen Parks und Parke
erwähnt, im Duden wird Pärke mit Hinweis auf den arealen Gebrauch aufgeführt und auf
dict.leo wird lediglich die Variante Parks genannt.
Drei der befragten Lehrpersonen schwankten bei der Korrektur zwischen Parke und Parks:
Also, ich bin mir sicher dass Pärke falsch ist. Aber die richtige, was richtig ist bin ich nicht sicher. Ob Parks ist oder Parke. Ok ja, da würde ich nach-‐ nachschauen.
Enrique García (#00:04:57-‐5#)
Bin mir schon bloss noch zu neunzig Prozent sicher. (-‐) Parke? Parks? (-‐) Würde ich vielleicht sogar nachschauen.
Nils Imhof (#00:04:02-‐6#)
Da der Plural von Park im alltäglichen Gebrauch eher selten benutzt wird, waren sich auch
vier Muttersprachler nicht wirklich sicher, welches nun die korrekte Pluralform wäre:
Aber es passiert mir leider oft mit Pluralformen, vor allem äh Pluralformen die man vielleicht nicht oft benutzt, müsste ich mir jetzt überlegen wie sage ich Pluralform von der Park.
Wiebke Fischer (#00:03:09-‐6#)
Darunter war auch eine Deutschschweizerin, die sich zwar ziemlich sicher war, dass Parks die
korrekte Pluralform sei, aber dennoch nachschlagen würde:
35
In Basel gibt es viele schöne Pärke. (.) Aha. Parks. (.) Das ist so ein Plura-‐ ja nein es ist Parks. Aber das würde ich jetzt (.) ich schaue manchmal eher zu viel nach als zu wenig. Das würde ich jetzt trotzdem noch nachschauen. Weil manchmal gibt es auch solche die irgendwie zwei Versionen gibt. Aber ich würde (.) nein es ist Parks. Gibt es viele schöne Parks.
Maya Wydler (#00:16:06-‐9#)
Von den beiden Personen, die Pärke nicht korrigieren würden, war einer Schweizer und
einer mexikanischer Nationalität. Der Mexikaner war sich eher unsicher, was die Pluralform
betrifft, hat Pärke aber nicht sofort ausgeschlossen:
In Basel gibt es viele schöne Pärke. (-‐-‐) Ok, also mir ist das Wort Pärke neu. [...] Ich wür-‐ denke dass dann Plural von Park (.) äähm ich weiss nicht ob das ob ich dass korrigieren würde, ich würde dann nachschlagen [...] was das bedeutet.
Sergio Urquia (#00:04:54-‐4#)
Interessant waren hier die Aussagen einer Lehrperson, die Deutsch als Zweitsprache hat:
Ich würde sagen den Fehler habe ich eventuell selbst gemacht als Deutschlerner früher. [...] es ist eine analoge Bildung zu anderen Pluralmöglichkeiten die es gibt. Und eventuell habe ich den Fehler selbst gemacht, also ich nenne das jetzt Fehler.
Jean Rousseau (#00:04:56-‐2#)
Wie hier richtig bemerkt wird, entspricht die Variante Pärke einer der neun möglichen
Bildungsformen des Plurals. Somit könnten Lehrpersonen, welche die Schweizer Pluralform
von Park nicht kennen, darauf schliessen, dass in diesem Satz die falsche Pluralform
angewendet wurde.
36
5.1.1.3 Ich habe vor dem Haus parkiert.
Abb. 7: areale Verteilung von parken resp. parkieren (vgl. Dürscheid et al. [erscheint])
Parkieren war von den aufgeführten Beispielen die bekannteste Schweizer Variante:
Ich habe vor dem Haus parkiert. Ja. Ihr Schweizer sagt das ja.
Josef Kalkhoff (#00:05:09-‐6#) Ja da muss ich gestehen, dass ich durch meine Arbeit als DaF-‐Lehrer wirklich mitbekommen habe dass ihr parkiert und grilliert und so was in der Schweiz sagt.
Christian Hoffner (#00:06:52-‐1#)
Parkiert ist tatsächlich aus dem Schwyzerdütsch. (-‐) Ja, ich würde es wahrscheinlich als korrekt durchgehen lassen weil es ja eben der deutschen Sprachform entspricht. Weil die Schweiz ja nun mal dazugehört.
Dieter Pauli (#00:04:08-‐8#)
Einige der Lehrpersonen würden auch auf den unterschiedlichen arealen Gebrauch
hinweisen:
37
Ich würde darauf hinweisen dass es sprachliche Unterschiede gibt.
Dieter Pauli (#00:03:48-‐4#)
Also ich (.) eigentlich immer wenn es so um Schweizer Hochdeutsch und Standardhoch-‐ und Deutschland Hochdeutsch oder Standardhochdeutsch (.) deutsche Unterschiede geht weise ich meine Schüler darauf hin.
Maya Wydler (#00:18:54-‐5#)
Also ich würde vielleicht daneben schreiben Schweizer Varianten oder so, ne?
Josef Kalkhoff (#00:05:35-‐9#)
Eine der Lehrpersonen weist auch darauf hin, dass auch nichtdeutschländische Varianten in
der Zertifikat Deutsch-‐Prüfung eigentlich akzeptiert würden:
Und in dem, ich meine in den ganzen DaF-‐Tests die es so gibt dann wird das auch angenommen weil es irgendwie schon Deutsch ist.
Daniela Huber (#00:05:26-‐2#)
Trotzdem gab es auch ein paar Lehrpersonen, die meinten, dass sie den Satz zwar nicht als
Fehler zählen aber dennoch mit der deutschländischen Variante korrigieren würden:
Dann würde ich sagen das ist parken, und nicht parkieren. Es ist grillen und nicht grillieren.
Lars Müller (#00:04:11-‐8#)
Zehn der befragten Lehrpersonen kannten die Variante parkieren nicht und würden sie
korrigieren. Sechs davon würden aber vorher das Wort noch nachschlagen und entweder
den Duden konsultieren – wo es dazu einen eigenen Eintrag mit Hinweis auf den arealen
Gebrauch gibt – oder bei einem Muttersprachler nachfragen. Die Nachfrage bei einem
Muttersprachler ist allerdings nicht die ideale Lösung, wenn sie die Variante nicht kennen,
wie diese beiden Kommentare von zwei deutschen Lehrpersonen zeigen:
38
Aha, das ist ein klassischer Fehler. Das sieht man sogar oft so.
Nils Imhof (#00:05:59-‐8#)
Habe ich schon einmal von einem Schüler gehört. [...] Sie lieben es Verben zu bilden mit -‐ieren, parkieren und so weiter (.) usieren45 höre ich auch ganz oft. Äähm, würde ich als falsch markieren. Parkieren gibt es nicht.
Wiebke Fischer (#00:06:18-‐2#)
Da Verb-‐Internationalismen oftmals auf -‐ieren enden46, benutzen laut Wiebke Fischer die
Schülerinnen und Schüler oftmals die Regel „Verbstamm von Fremdwort47 + -‐ieren“, um ein
deutsches Verb zu bilden (vgl. #00:26:35-‐0#). Die Befragten schlossen bei dieser Variante
also auf einen Interferenzfehler aus dem Englischen. Diese Regel scheint allerdings im
Schweizer Standarddeutsch häufiger zu funktionieren als in der deutschländischen Varietät.
Als ich beispielsweise in einem Interview unbewusst das Verb repetieren erwähnt habe,
meinte die Lehrperson:
[Repetiert.] Ist mir jetzt aufgefallen. Repetiert. Würden wir (Deutschen) auch nicht sagen.
Nils Imhof (#00:27:18-‐4#)
5.1.5 Zusammenfassung
Das Korrekturlesen im fokussierten Teil des Interviews konnte einen kleinen Einblick in das
Korrekturverhalten der DaF-‐Lehrpersonen bei Schweizer Varianten geben. Generell lassen
sich drei Verhaltensmuster feststellen:
• Akzeptanz resp. Nicht-‐Korrektur;
• Nicht-‐Akzeptanz resp. Korrektur trotz Wissen, dass es sich um eine Standardvariante
handelt;
• Nicht-‐Wissen und daraus resultierende Korrektur der Standardvariante.
45 Für brauchen (von Spanisch usar). 46 z.B. telefonieren, diktieren, finanzieren etc. 47 Im Fall von parkieren wäre dies das Englische Verb to park.
39
Bei Unsicherheiten wird meist auf den Duden, PONS oder Google zurückgegriffen. Auch
Lehrkolleginnen und -‐kollegen werden oftmals zu Rate gezogen oder eine ebenfalls wichtige
Referenz ist das Lehrwerk, mit dem die Lehrpersonen arbeiten.
Die Antworten aus meinen Interviews lassen vermuten, dass diese Quellen relativ unkritisch
benutzt werden. Was im Duden, Lehrwerk etc. steht, müsse auch stimmen. Das zuvor
genannte Beispiel die Foto zeigt aber, dass dies nicht immer der Fall ist. Obwohl diese
Variante von den Deutschsprechern heutzutage – zumindest schriftlich – nicht mehr benutzt
wird, wird sie im Duden trotzdem noch aufgeführt. Dies hat v.a. mit der jeweiligen
Datengrundlage zu tun, mit der gearbeitet wird:
[...] das mündet schlussendlich in eine lexikographische Diskussion bzw. ist es bei Wörterbüchern nicht anders als anderswo: Es kommt bei den Darstellungen entscheidend darauf an, welche Datengrundlage man herbeizieht oder anderes gesagt: mit welchen Korpora man arbeitet.48
Adarve 2017
Ein kritischer Umgang mit Nachschlagewerken ist somit – v.a. im Zusammenhang mit der
Plurizentrik der deutschen Sprache – wünschenswert.
5.2 Problemzentrierter Teil: Subjektive Theorien über die Plurizentrik der deutschen
Sprache und deren Handhabung im DaF-‐Unterricht
Für die Analyse des problemzentrierten Teils wurden Subjektive Theorien (vgl. Caspari 2001)
erstellt. Ziel bei der Erstellung von Subjektiven Theorien ist es, herauszufinden, wieso eine
Person eine bestimmten Meinung zu einer Thematik – hier die Plurizentrik der deutschen
Sprache – vertritt (vgl. Caspari 2001: 238f.).
Zur Erstellung Subjektiver Theorien wurde das transkribierte Material erst einmal einer
Sequenzanalyse unterzogen (vgl. Caspari 2001: 246f.). Beim zweiten Durchlesen wurden
dann Statements49 markiert (vgl. ebd.: 247ff.). In einem dritten Schritt wurde versucht, die
Zusammenhänge zwischen den einzelnen Statements mithilfe eines Strukturbilds (siehe 9.6
48 Aus der E-‐Mail-‐Korrespondenz vom 12.07.2017 (Adarve 2017). 49 Aussagen der Interviewteilnehmer, welche wichtige Aspekte des Gesprächs (kurz) zusammenfassen.
40
Strukturbild von Enrique García und Strukturbilder auf der Anhang-‐CD) grafisch darzustellen
(vgl. ebd.: 251ff.) . Das Strukturbild erlaubt es, „die Relationen zwischen den im Interview
erhobenen Inhaltsaspekten der Subjektiven Theorie [...] zu ermitteln“ (ebd.: 251).
Nachfolgend werden die Subjektiven Theorien von fünf interviewten Lehrpersonen
aufgeführt.50 Diese vertreten je eine Gruppe von DaF-‐Lehrpersonen in Mexiko, welche ich
während meiner Befragung ausmachen konnte:
1. Enrique García
Mexikaner, welche gut Deutsch sprechen und deswegen von (ihren ehemaligen)
Deutschschulen als Deutschlehrer engagiert werden. Sie haben aber keine
Ausbildung im DaF-‐Bereich.
2. Wiebke Fischer
Deutschmuttersprachler (meist deutscher Nationalität), die aufgrund ihrer
Muttersprache als Deutschlehrperson arbeiten. Meistens ist dies für sie die
einfachste und schnellste Möglichkeit, eine Stelle in Mexiko zu bekommen. Auch sie
haben keine Ausbildung im DaF-‐Bereich.
3. Lars Müller
Deutschlehrpersonen, welche an einer Schweizerschule unterrichten.
4. Jean Rousseau
Deutschlehrpersonen mit Ausbildung (Master in DaF oder Germanistikstudium).
5. Maya Wydler
Schweizer Deutschlehrpersonen, welche an einer deutschen Institution arbeiten.
Natürlich haben nicht alle Leute einer bestimmten Gruppe die exakt gleichen Meinungen
und Kenntnisse über die Plurizentrik der deutschen Sprache wie die oben genannten
Vertreter. Dennoch lassen sich bei diesen Vertretern gewisse Merkmale feststellen, die auch
auf andere Personen mit einem ähnlichen Hintergrund zutreffen können.
50 Die Namen dieser Lehrpersonen wurden jeweils geändert.
41
5.2.1 Enrique García
5.2.1.1 Subjektive Theorien von Enrique García
Zur Lehrperson
Enrique García ist Mexikaner und hat während seines Ingenieurstudiums an verschiedenen
Institutionen Deutsch gelernt und auch ein Jahr lang in Deutschland gelebt51. Neben Spanisch
und Deutsch spricht er noch Englisch. 52 Auf Deutsch unterhält er sich v.a. mit
Muttersprachlern aus Deutschland.
Nach Herrn Garcías Rückkehr aus Deutschland wurde er von seiner ehemaligen
Deutschschule angefragt, ob er Anfängerkurse geben möchte. Er unterrichtet momentan auf
den Niveaus A1 und A2 und arbeitet mit den Lehrwerken Ja genau! und Menschen. Bei
Unsicherheiten in der deutschen Sprache konsultiert er entweder den Online-‐Duden,
dict.leo.org, Linguee oder Google.
Wissen über das Schweizer Standarddeutsch
Herr García hat beim fokussierten Teil im Interview alle sechs Sätze nach Schweizer Standard
korrigiert. Bei zwei Varianten (Pärke und Badzimmer) war er allerdings unsicher und hätte
diese noch sicherheitshalber nachgeschlagen.
Nach eigenen Einschätzungen weiss er sehr wenig über das Schweizer Standarddeutsch, was
er auch bedauert („Leider ganz wenig.“, #00:30:13-‐1#) und sich v.a. damit erklärt, dass er
noch nie in der Schweiz war:
ich war nur ein Jahr in Deutschland und [...] während dieses Aufenthalts bin ich nie nach der Schweiz [...] gefahren. Und in Österreich war ich auch nur drei Tagen ungefähr, deswegen hatte ich da gar ke-‐ äh wenig Kontakt mit [...] der Leute und Akzent. Ähm, deswegen kann ich nicht einschätzen [...] was für mich bedeutet also (.) der Deutsch aus der Schweiz.53
(#00:30:13-‐1#)
51 In Dresden und Regensburg. 52 Nach eigenen Angaben auf dem Niveau B2. 53 Die Aussagen wurden den jeweiligen Transkripten entnommen, welche nach eigenen Transkriptionsregeln (siehe 9.3 Transkriptionsleitfaden) verfasst wurden. Orthografische, grammatische etc. Fehler können somit vorkommen.
42
Auch hat er noch nie eine Diskussion über das Schweizer oder österreichische
Standarddeutsch an seiner Deutschschule mitbekommen, obwohl dort je eine Lehrperson
aus der Schweiz und Österreich unterrichten. Bezüglich der Vielfalt der deutschen Sprache
wusste er bereits vor seinem Deutschlandaufenthalt, dass es eine grosse Anzahl von
unterschiedlichen Dialekten gibt:
also ich wusste schon vorher als ich in Mexiko noch war dass es in Deutschland viele viele Dialekten gab
(#00:42:34-‐0#)
Dass es allerdings auch in der Standardsprache Unterschiede zwischen den
deutschsprachigen Regionen gibt, war ihm vor dem Interview nicht bewusst. Auf die Frage,
ob er Ausdrücke kennt, welche nur in Deutschland gebräuchlich sind, meinte er:
das Problem [...] ich weiss nicht zum Beispiel ich kenne etwa Umgangssprache, zum Beispiel was geht ab oder so, solche Begrüssungen. Aber ich weiss nicht ob die aus Deutschland sind oder sie [...] übergenommen wurden von Österreich oder der Schweiz. Deswegen ähm ich bin mir nicht sicher.
(#00:31:33-‐6#) Das zeigt, dass Herr García v.a. dialektale und diaphasische54 Varietäten aus Deutschland
kennt. Von der Sprachsituation in der Schweiz wusste er lediglich, dass es vier Amtssprachen
gibt (vgl. #00:35:01-‐9#).
Über den norddeutschen Standard
ich würde nicht sagen [das Deutsch aus Norddeutschland ist] korrekter sondern es ist das einzige das beigebracht [...] wird.
(#00:39:53-‐7#)
Als Herr García in Deutschland war, habe er eine Deutschlehrerin gehabt, die ihn über die
verschiedenen Varietäten der deutschen Sprache aufgeklärt habe:
54 z.B. Umgangssprache.
43
unsere Lehrerin hat uns erzählt wie das funktioniert [...] welche Akzenten es gibt und [...] das Hochdeutsch ist [...] nur [...] eine andere Akzent die als Standard genommen wurde, [...] für eine oder andere Gründe ist Hoch-‐ ist Deutsch als aus Hannover genommen, aber das bedeutet nicht dass [...] das das Richtige ist.
(#00:42:34-‐0#)
Laut dieser Lehrerin war es also reiner Zufall, dass das hannoverische als das „reinste“ und
„beste“ Deutsch gelte, was auch Herr García so sieht.
Deutsch in Mexiko
Ja also der Kontakt mit der Deutsch aus der Schweiz ich würde sagen existiert [in Mexiko] gar nicht.
(#00:39:53-‐7#)
Laut Herr García sind die Beziehungen zwischen Mexiko und Deutschland sehr stark (vgl.
#00:21:50-‐0#), diejenigen zur (Deutsch-‐) Schweiz jedoch praktisch inexistent. Dies sei
mitunter auch ein Grund, warum deutschsprechende oder -‐lernende Mexikaner für das
Studium oder die Arbeit v.a. nach Deutschland gehen:
fast alle [...] die [...] in ein deutschsprachiges Land einen Austausch gemacht haben waren alle in Deutschland. Ääh von einem Kumpel habe ich gehört er ist dann nach Österreich geflogen, aber fast alle nach Deutschland.
(#00:34:09-‐4#)
Thematisierung der Standardvarietäten im Unterricht
Ich halte es für sinnvoll dass das Deutsch aus Deutschland hier unterrichtet wird.
(#00:23:05-‐0#)
Diese Meinung resultiert v.a. daraus, dass „eine grosse und starke Beziehung zwischen
Mexiko und Deutschland“ (#00:21:50-‐0#) existiert (siehe oben). Dennoch scheint es für Herr
García wichtig, dass auch die anderen Varietäten der deutschen Sprache im Unterricht
thematisiert werden:
44
es sollte [...] auch die andere Möglichkeit geben für die die anderen Varianten von Deutsch lernen wollen
(#00:23:51-‐8#)
Denn er hatte, obwohl er bereits in Mexiko Deutsch gelernt hat, grosse Mühe, in
Deutschland Deutsch zu verstehen. Seiner Meinung nach passiert dies des Öfteren:
ich finde dass viele Praktikanten und viele Studenten damit Probleme haben wenn sie in Deutschland angekommen sind. Weil sie sind nur an den Akzent von Norddeutschland gewöhnt.
(#00:25:16-‐6#)
Für Herrn García ist dabei aber v.a. das Verständnis von dialektalen Varietäten im
mündlichen Bereich wichtig:
solche Kleinigkeiten wie zum Beispiel eins zwo drei vier ähm (.) ähm also sie werden nie im Unterricht gelernt deswegen ich finde es wichtig dass viele Varianten von der deutsche Sprache [...] gelernt werden.
(#00:25:16-‐6#)
Plurizentrik im Lehrwerk
Aber ich glaube dass alles was ich [...] im Buch lese und unterrichte Standarddeutsch aus Hannover ist.
(#00:20:41-‐6#)
Im Lehrwerk Menschen werden laut Herr García kaum Schweizer und österreichische
Varianten erwähnt:
Es ist alles auf Hochdeutsch von Hannover gerichtet, nur am Anfang ist mit Begrüssung und Verabredungen wird das Thema von verschiedene Regionen wird [...] beigebracht. Aber es ganz ganz ganz klein wie gesagt nur Begrüssungen und Verabredungen.
(#00:20:00-‐8#)
45
Dass die verschiedenen Varietäten der deutschen Sprache kaum in den Lehrwerken
thematisiert werden, habe er bereits bemerkt (vgl. #00:20:00-‐8#). Er fügt aber kritisch hinzu,
dass er die Varianten vielleicht auch gar nicht erkennen kann, da er nicht Muttersprachler
ist:
Oder vielleicht gibt es doch aber ich als [...] als Lehrer mit Spanisch als Muttersprache hat vielleicht merke ich das nicht.
(#00:20:41-‐6#)
Benutzung von Schweizer Texten im Unterricht
ich glaube also das ist abhängig vom Niveau, weil hier [...] unterrichte ich da nur Niveau A1 und A2. Und ich bin mir nicht sicher ob das passen werde [...] also zum Beispiel ich würde nie ein Text von Goethe in meinem Kurse [...] brauchen.
(#00:26:25-‐3#)
Diese Aussage zeigt zwei interessante Aspekte von Herrn Garcías Vorstellungen zum
schriftlichen Schweizer Standarddeutsch:
1. Schriftliche Texte aus der Schweiz sind für den Anfängerunterricht zu schwierig.
2. Schriftliche Texte aus der Schweiz sind in etwa so schwierig zu lesen wie die Werke
von Goethe.
Deswegen könnte er sich auch erst ab einem Niveau B2 vorstellen, Schweizer Texte im
Unterricht zu benutzen (vgl. #00:27:17-‐6#).
Später im Interview erwähnt Herr García jedoch, dass er selber noch nie Schweizer Texte
gelesen hat:
das Problem ist dass [...] alle Texte die ich gelesen habe sind von Bücher die ich in Deutschland gekauft habe deswegen (.) ich weiss nicht wie vielschichtig äh die Sprache veranlagt von ein Land (unv.) von der Schweiz.
(#00:33:13-‐3#)
46
Sprachaufenthalt in deutschsprachigen Regionen
ich würde sie nie empfehlen Deutsch in Bayern zu lernen. Also weil ich finde (-‐) ähm da sollte man lernen [...] mit Grundlagen, weil ich finde es noch schwieriger
(#00:28:46-‐8#)
Trotz der Kritik, dass v.a. auf die norddeutsche Varietät fokussiert wird, – oder vielleicht
gerade aufgrund dieser starken Gewichtung auf den norddeutschen Standard im DaF-‐
Unterricht – würde Herr García Deutschanfängern empfehlen, für einen Sprachaufenthalt
nach Hannover oder Hamburg zu gehen:
zum Beispiel wenn sie schon zwei oder drei Jahre in Mexiko gelernt haben und dann nach Deutschland wollen, ich würde sie empfehlen also nach Hamburg oder Hannover zu gehen.
(#00:28:46-‐8#)
Regionen wie Bayern, Österreich oder die Deutschschweiz kämen für ihn nur infrage, wenn
jemand schon ein fortgeschrittenes Niveau in Deutsch hat oder die Herausforderung sucht:
Sonst äh aber wenn sie eine echte Herausforderung haben wollen, dann nach Österreich oder der Schweiz, ja, weil der Akzent komplett anders ist. [...] Im Hörverstehen vor allem [wäre es eine Herausforderung], ja, vielleicht beim Lesen das Problem wäre einfach nur Wortschatz, aber beim Hörverstehen ist es ja ganz anders.
(#00:28:46-‐8#)
5.2.1.2 Rekonstruktion der Subjektiven Theorien von Enrique García
Enrique Garcías Aussagen im Interview zeigen folgende Merkmale auf:
• Er hatte wenig Vorwissen über die Plurizentrik der deutschen Standardsprachen;
• er unterscheidet nicht zwischen Standarddeutsch, Dialekt und Umgangssprache;
• er nimmt sprachliche Unterschiede v.a. auf der mündlichen Ebene wahr;
• er kritisiert den Fokus auf norddeutschen Standard in den Lehrwerken und im
Unterricht;
47
• aber zieht (bei Anfängern) dennoch den norddeutschen Standard vor, da die anderen
Varietäten zu schwierig seien.
Bei Herr García erkennt man quasi den „Teufelskreis der Nicht-‐Thematisierung der
Plurizentrik“:
Er hat in Mexiko hauptsächlich den norddeutschen Standard kennengelernt. Als der dann in Deutschland war, konnte er deshalb fast nichts verstehen, da dort eine andere Varietät – besser gesagt ein anderer Dialekt – gesprochen wurde. Zurück in Mexiko vermittelt er selber aber auch v.a. den norddeutschen Standard, was wiederum dazu führen kann, dass seine Schülerinnen und Schüler dann in Deutschland fast nichts verstehen.
Hier sehe ich die Problematik v.a. in der Vermischung zwischen Standarddeutsch, Dialekt
(diatopische Varietäten) und Umgangssprache (diaphasische Varietät). Herr García kann
diese drei Varietäten nicht wirklich auseinanderhalten und da im Unterricht nur die
Standardsprache vermittelt wird, bedient er sich der einzigen, die er kennt: Der
norddeutschen Varietät.
Auch hatte er bisher hauptsächlich Kontakt mit Muttersprachlern aus Deutschland und – wie
es scheint – noch keine Diskussionen über die Unterschiede der Standardvarietäten der
deutschen Sprache. Dies zeigt, dass das „plurizentrische Potential“55 seiner Deutschschule
nicht ausgeschöpft wird.
All dies führt dazu, dass Herr García den Eindruck hat, das Schweizer Standarddeutsch sei für
Anfänger zu schwierig. Tatsächlich setzt er hier aber dialektale Varietäten mit der
(Schweizer) Standardvarietät gleich. Am Ende des Interviews war er ganz erstaunt, als ihm
bewusst wurde, dass ich Schweizer Standarddeutsch gesprochen habe:
Bei dir [...] es wundert mich, weil ich kann dir [...] viel verstehen. Ich dachte, also weiss nicht ob du typisch Deutsch aus der Schweiz sprichst oder als Masterstudentin neutrales Deutsch sprichst wie in jeder Hauptstadt in Deutschland oder Österreich oder der Schweiz.
(#00:36:08-‐2#)
55 An der Deutschschule unterrichten Lehrpersonen aus verschiedenen deutschsprachigen Regionen, u.a. auch je eine Schweizer und österreichische Lehrperson.
48
Zu Beginn des Interviews meinte er auch, dass er keine Mühe gehabt habe, mein Deutsch zu
verstehen, und dass ihm auch nichts Spezielles aufgefallen sei („es gibt keine Besonderheit.“,
#00:15:41-‐4#). Dies zeigt, dass:
• andere Standardvarietäten als die deutschländische resp. norddeutsche somit
einfacher zu verstehen sind, als von manchen Deutschsprechern befürchtet;
• und die aktive Thematisierung der Plurizentrik der deutschen Sprache vielen
Lehrpersonen die Angst nehmen könnte, dass sie ihre Schülerinnen und Schüler mit
einem plurizentrischen Ansatz im DaF-‐Unterricht überfordern.
5.2.2 Wiebke Fischer
5.2.2.1 Subjektive Theorien von Wiebke Fischer
Zur Lehrperson
Wiebke Fischer kommt aus Deutschland und lebt schon seit ein paar Jahren in Mexiko.
Neben ihrer Muttersprache Deutsch spricht sie noch Englisch und Spanisch.56 Auf Deutsch
unterhält sie sich regelmässig mit Muttersprachlern aus Deutschland, Österreich und der
Schweiz. Seit 2016 ist sie Mitglied beim mexikanischen Deutschlehrerverband AMPAL.
In den Deutschlehrberuf ist Frau Fischer erst in Mexiko reingerutscht, da sie in ihrem
ursprünglichen Beruf keine Stelle fand. An ihrer Deutschschule unterrichtet sie auf den
Niveaus A1 bis B2 mit den Lehrmitteln Menschen (A1-‐B1) und Mittelpunkt Neu (B2). Bei
Unsicherheiten in der deutschen Sprache konsultiert sie den Online-‐Duden, Google oder den
Langenscheidt Deutsch als Fremdsprache.
Wissen über das Schweizer Standarddeutsch
Frau Fischer hat im fokussierten Teil alle Schweizer Varianten korrigiert. Bei Pärke hätte sie
im Duden noch sicherheitshalber nach der korrekten Pluralform gesucht; bei den anderen
fünf Varianten war sie sich allerdings sicher, dass es sich um einen Fehler handelt.
56 Nach eigenen Angaben auf einem Niveau C1 und B2.
49
Nach eigenen Einschätzungen weiss sie auch fast nichts über das Schweizer Standarddeutsch
(vgl. #00:20:19-‐1#):
so aus dem Effeff kann ich da auch nichts gross [zum Schweizer Standarddeutsch] sagen (lacht)
(#00:15:31-‐4#) Bei der Frage, ob sie Schweizer Ausdrücke kennt musste sie verneinen. Sie erinnerte sich
aber, dass sie bei einem Schweizer Lehrkollegen schon ab und zu mal stutzen musste:
wir haben [einen] Schweizer bei uns, und er sagt manchmal Dinge aber ich kann mich nicht mehr konkret an ein Beispiel erinnern wo wir manchmal denken hm? (.) Und er uns dann erklärt dass es in der Schweiz eben dass man das so sagt und wir denken hm!
(#00:20:59-‐5#)
Sie vermutet auch, dass sie einen deutschschweizer Text nur als solchen erkennen würde,
wenn sie über ungewohnte Ausdrücke „stolpern“ würde:
Ich bin mir nicht sicher (-‐) ich denke vielleicht dass ich es schon erkennen könnte, weil vielleicht (.) wenn [...] ich den deutschen Text zum Beispiel lese glaube ich [...] gäbe es vielleicht keinen Moment wo ich kurz stutzen würde und denken würde hm? was ist denn das? Und ich glaube in einem Schweizer Text würde es vielleicht eine Struktur die ich so jetzt nicht kenne oder die jetzt in meinem Gedanke wäre oh die ist falsch (.) oder vielleicht ein Wort (.) das komisch klingt ja, oder unbekannt klingt. Ich glaube eher so rum. Also ich würde über etwas stolpern und mir denken ah ok ne das ist dann der Schweizer Text.
(#00:22:41-‐7#)
Auf die Frage, ob ihr bei meinem Deutsch etwas aufgefallen sei, hat sie ebenfalls nur den
Schweizer Akzent genannt:
Also in den E-‐Mails ist mir nichts aufgefallen. Und beim Sprechen ich höre dass du aus der Schweiz kommst. Aber sonst (.) ist mir nichts aufgefallen.
(#00:10:46-‐9#)
50
Das Nichtwissen über den Schweizer Standard führte wahrscheinlich u.a. auch dazu, dass
Frau Fischer keine typisch deutschländischen Begriffe nennen konnte, da sie keinen
Vergleichswert hatte:
Uff, das weiss ich nicht (lacht) Das weiss ich nicht. Das weiss ich nicht. (-‐) Ich bin sicher dass es einige gibt, aber ich könnte jetzt nicht sagen dafür habe ich überhaupt keinen Erfahrungswert mit dem Österreichischen und dem Schweizerischen.
(#00:21:31-‐0#)
Frau Fischer wusste zwar, dass in den Lehrwerken manchmal verschiedene Varianten im
Vokabular aufgeführt werden aber Unterschiede in der Grammatik sind ihr noch nie bewusst
aufgefallen:
Also [...] in manchen Lehrwerken wird es ja schon thematisiert also zumindest beim Vokabular dass verschiedene Varianten angeboten werden. Aber jetzt in der Grammatik habe ich das noch nirgends gesehen, also war mir auch nicht bewusst dass die Schweiz tatsächlich Phänomene hat also die für einen selber dann komplett ungrammatisch sind.
(#00:32:04-‐4#)
Am Ende des Interviews meinte sie deshalb:
ich habe das Gefühl ich sollte mehr [über das Schweizer Standarddeutsch] wissen auf jeden Fall, ja. Natürlich die Frage wo bekommt man diese Informationen über das Schweizer Standarddeutsch.
(#00:23:14-‐9#)
Vorstellungen über die Schweiz
Laut Frau Fischer ist es eher schwieriger, eine geeignete deutschsprachige Region in der
Schweiz für einen Sprachaufenthalt zu finden. Dies liegt für sie aber nicht an der in der
Deutschschweiz herrschenden Diglossie zwischen Standarddeutsch und Dialekt, sondern
vielmehr an der Vielsprachigkeit der Schweiz:
51
weil ja die Schweiz ist halt auch schwierig glaube ich? [...] Weil die Schweiz so komplex ist. Es gibt eben Regionen da spricht man Französisch, dann gibt es Regionen da spricht man Deutsch, und (seufzt) da was passendes zu finden, weil [...] es ist vielleicht doch etwas schwieriger als wenn man jetzt nach Österreich geht, da gibt es eben nur eine Sprache.
(#00:18:02-‐2#)
Da die Schweiz im Gegensatz zu Deutschland auch ein sehr kleines Land ist, scheint es für
Frau Fischer umso schwieriger, dass die Deutschlernenden dort eine passende Region
finden, welche sowohl sprachlich als auch landschaftlich und kulturell deren Interessen
entspricht. Deutschland und Österreich seien da schon einfacher, da diese Länder nur
Deutsch als nationale Amtssprache haben (vgl. #00:18:02-‐2#).
Fokus auf deutschländisches Standarddeutsch im DaF-‐Unterricht
Also ich würde sagen dass ich [...] ich das Hochdeutsch oder das Deutsch die deutsche Standardsprache vermitteln würde
(#00:13:48-‐5#)
Frau Fischer findet es am sinnvollsten, dass das deutschländische Standarddeutsch in Mexiko
unterrichtet wird. Standarddeutsch aus Österreich oder der Schweiz würde sie nur in ihrem
Unterricht thematisieren, wenn dies ausdrücklich von den Schülerinnen und Schülern
gewünscht werden würde:
vielleicht wenn ich einen Schüler hätte der sagt [...] er geht in die Schweiz und er möchte ein bisschen vielleicht ein paar Begriffe oder ein paar Wörter lernen die eben speziell in der Schweiz benutzt werden dann würde ich mich vielleicht darüber informieren
(#00:15:31-‐4#)
wenn das als Wunsch geäussert wird, sie möchten gerne mal einen Text aus der Schweiz oder Österreich dann ja, aber von mir aus glaube ich würde ich nicht machen.
(#00:16:58-‐1#)
52
Der starke Fokus auf das deutsche Standarddeutsch hat für Frau Fischer mehrere Gründe:
1. Frau Fischer ist selber Deutsche:
„ich bin da wahrscheinlich befangen (lacht)“ (#00:13:48-‐5#).
2. Die Deutschen sind sowohl im deutschsprachigen Raum als auch unter den
Deutschlehrpersonen in Mexiko zahlenmässig überlegen:
vielleicht auch weil es mehr Deutsche tatsächlich also vor allem Deutschlehrer gibt die Deutsche sind
(#00:14:53-‐3#).
3. Die meisten mexikanischen Deutschlehrpersonen haben in Deutschland Deutsch
gelernt:
die [mexikanischen Lehrpersonen] die haben dann eben auch in Deutschland Deutsch gelernt und nicht in Österreich oder in der Schweiz
(#00:14:53-‐3#)
4. Der deutschländische Standard werde sowohl im deutschsprachigen Raum als auch
im mexikanischen Kontext am meisten gebraucht:
ja einfach aus dem Grund (.) also ich kenne mich da wirklich nicht so aus meine Begründung, es kann jetzt auch falsch sein aber ich würde sagen dass es vielleicht im Kern (.) vielleicht (-‐) ja das allgemein oder das allgemeinere ist
(#00:13:48-‐5#)
5. Die Thematisierung von anderen Standarddeutschvarietäten könnte die Schülerinnen
und Schüler verwirren:
ich weiss nicht ob es stimmt, ich denke nur das es vielleicht etwas verwirrend für die Schüler ist wenn ich plötzlich mit einem Text komme und da vielleicht andere Wörter vorkommen oder (.) die Grammatik vielleicht eine andere ist, oder ja vielleicht einfach auch Substantive drin sind die einen anderen Artikel haben als sonst
(#00:16:37-‐0#)
53
6. Die meisten Deutschlernenden in Mexiko gehen später nach Deutschland:
weil die meisten Studenten von uns oder Schüler von uns die gehen nach Deutschland. Nicht in die Schweiz und auch nicht nach Österreich
(#00:12:33-‐2#)
Letzterer Punkt ist mitunter auch ein Grund, warum das Thema Plurizentrik an Frau Fischers
Deutschschule bisher noch nie wirklich thematisiert wurde:
das wird bei uns überhaupt nicht thematisiert, nein.
(#00:12:33-‐2#)
ich erinnere mich dass wir mal eine Teamsitzung hatten und da ging es um verschiedene Lehrwerke und es gibt verschiedene Lehrwerke wo zum Beispiel bei neuem Vokabular in Klammern immer noch steht vielleicht die Version für das österreichische oder das der Schweizer und das war so die einzige Diskussion die ich mitbekommen habe wo es darum geht macht es Sinn unseren Schülern alle drei Versionen beizubringen oder nicht. Und da wurde ganz klar gesagt nein macht es nicht (lacht)
(#00:12:33-‐2#)
Sprachaufenthalte in deutschsprachigen Regionen
Würde eine Deutschlernerin oder ein Deutschlerner Frau Fischer fragen, in welchem
deutschsprachigem Gebiet man am besten Deutsch lernt, würde sie zuerst einmal nach den
Interessen der Schülerin oder des Schülers fragen:
da kommt dann immer die Gegenfrage: „Was möchtest du denn oder was gefällt dir denn?“ Also viele möchten in ein Gebiet das zum Beispiel Berge hat [...], dann eher der süddeutsche Raum oder Österreich
(#00:17:38-‐4#)
der Hauptgrund ist doch tatsächlich was möchten die Schüler und was hat die Stadt zu bieten.
(#00:20:02-‐6#)
54
Die Schweiz kann sie sich allerdings nicht als geeigneten Ort für einen Sprachaufenthalt
vorstellen (vgl. #00:18:02-‐2#). Und auch bei Ostdeutschland wäre sie eher vorsichtig,
allerdings mehr aus geografisch-‐sozialen Gründen:
Ich würde höchstens vielleicht sagen Ostdeutschland (-‐-‐) schaut euch genau um (lacht).
(#00:18:14-‐4#) [aus] Geografischen Gründen und auch einfach weil Mexikaner doch äähm (.) vom [...] Aussehen also auch etwas südländischer aussehen und ich aus Erfahrung sprechen kann in Ostdeutschland doch (räuspert) (.) ja viele...
(#00:18:38-‐9#)
da möchte ich nicht unbedingt dass meine Schüler [...] so einen negativen Eindruck von Deutschland bekommen. Deswegen bin ich bei Ostdeutschland also Dresden und so, grosse Städte sind glaube ich relativ offen und sehr (.) ja (.) wie sagt man (.) ja weltoffen. Aber kleinere Städte mmmh naja.
(#00:19:07-‐9#)
Für sie steht bei dieser Frage also nicht der sprachliche Aspekt im Vordergrund, sondern dass
die Deutschlernerin bzw. der Deutschlerner eine positive Erfahrung macht. Einzig wenn sie
bemerkt, dass gewisse Schülerinnen und Schüler Mühe haben beim Verstehen von gewissen
Akzenten, würde sie von Regionen mit starken Dialekten abraten:
das Einzige ist vielleicht noch dass [...] wenn ich merke dass die Schüler Probleme haben [...] die Dialekte zu verstehen oder (.) dann [...] gibt man ihnen schon auch Tipps wo vielleicht die Dialekte nicht ganz so extrem sind.
(#00:20:02-‐6#)
5.2.2.2 Rekonstruktion der Subjektiven Theorien von Wiebke Fischer
Wiebke Fischers Aussagen im Interview zeigen Folgendes auf:
• Sie hatte sehr wenig bis gar kein Vorwissen über die Plurizentrik der deutschen
Standardsprachen;
55
• sie führte typische Argumente der „Plurizentrikgegner“ auf (z.B. Grösse
Deutschlands, Überforderung der Schülerinnen und Schüler);
• sie nimmt Unterschiede zwischen den Standarddeutsch mehrheitlich auf der
mündlichen Ebene wahr (Akzent);
• sie ist Laie sowohl im Plurizentrik-‐ als auch im DaF-‐Bereich.
Vor allem letzterer Punkt fällt im Interview immer wieder durch ihre sprachliche
Äusserungen auf, welche Unsicherheit in der Thematik ausdrücken:
also ich kenne mich da wirklich nicht so aus meine Begründung, es kann jetzt auch falsch sein
(#00:13:48-‐5#)
ich weiss nicht ob es stimmt, ich denke nur das es vielleicht etwas verwirrend für die Schüler ist
(#00:16:37-‐0#)
es ist vielleicht einfach aber in meinem Kopf denke ich es ist vielleicht doch etwas schwieriger als wenn man jetzt nach Österreich geht
(#00:18:02-‐2#)
Frau Fischer hat im Interview nicht sich selber sondern mich als Expertin gesehen und
betonte – wahrscheinlich unbewusst – immer wieder, dass sie sich in ihren Aussagen nicht
zu hundert Prozent sicher sei. Diese Unsicherheit wurde wahrscheinlich v.a. deshalb
hervorgerufen, da schon zu Beginn des Interviews klar war, dass es um die Akzeptanz des
Schweizer Standarddeutsch im DaF-‐Unterricht ging.
Ein weiterer interessanter Punkt ist ihr Nichtwissen über die Standardvarietäten der
deutschen Sprache. Bei der Nachfrage, ob sie im jetzigen Unterricht authentische
deutschschweizer Texte einsetzen würde, erwähnte sie noch:
56
[...] dass es vielleicht etwas verwirrend für die Schüler ist wenn ich plötzlich mit einem Text komme und da [...] vielleicht einfach auch Substantive drin sind die einen anderen Artikel haben als sonst. Zum Beispiel im Schwäbischen ist das auch, da haben wir auch andere Artikel.
(#00:16:37-‐0#)
Man kann sich nun fragen, ob sie mit „Schwäbisch“ tatsächlich den Dialekt meinte oder den
südwest-‐deutschen Standard. Denn wie die Variantengrammatik (Dürscheid et al.
[erscheint]) zeigt, gibt es auch zwischen den Arealen in Deutschland z.T. Unterschiede. Sollte
Frau Fischer hier also tatsächlich von der Standardsprache sprechen, wären ihr also bereits
grammatische Unterschiede aufgefallen. Allerdings würde sie in dem Fall das südwest-‐
deutsche Hochdeutsch nicht als eigenständige Standardvarietät wahrnehmen.
Zum Schluss des Interviews stellte Frau Fischer noch die Frage, wo man Informationen zu
grammatischen Unterschieden zwischen den Standardvarietäten resp. zum Schweizer
Standarddeutsch finden kann (vgl. #00:23:14-‐9#). Dies ist ein Punkt, welcher mehrere
Lehrpersonen im Verlaufe meiner Befragung erwähnt haben. Tatsächlich ist es sehr
umständlich – wenn nicht als Laie praktisch unmöglich – an verlässliche Quellen zu diesem
Thema zu kommen. Dies hat mehrere Gründe:
• Es gibt praktisch keine Weiterbildungen zum Thema plurizentrischer Ansatz im DaF-‐
Unterricht.
• Es gibt keinen wirklichen Austausch zu diesem Thema zwischen den Lehrpersonen
aus verschiedenen deutschsprachigen Regionen.
• Informationen zu den Standardvarietäten der deutschen Sprache werden v.a. in
wissenschaftlichen Berichten publiziert. Auf DaF-‐Portalen findet man sehr wenig (für
den Unterricht Nützliches) zu diesem Thema und seiner Handhabung im Unterricht.
• Im Internet ist noch kein Nachschlagewerk, welches auf die Thematik spezialisiert ist,
zu finden. Das Variantenwörterbuch (Ammon et al. 2016) beispielsweise gibt es
öffentlich zugänglich nur in der Printversion.57
57 DaF-‐Lehrpersonen schlagen heutzutage sehr selten in Büchern nach, sondern konsultieren meist Google oder eine Online-‐Version von Nachschlagewerken. Das Online-‐Nachschlagewerk der VG ist deshalb begrüssenswert.
57
Diese Punkte gilt es in Zukunft anzugehen, um den plurizentrischen Ansatz im DaF-‐Bereich
mehr zu etablieren und den Lehrpersonen ihre Unsicherheit zu dieser Thematik zu nehmen.
5.2.3 Lars Müller
5.2.3.1 Subjektive Theorien von Lars Müller
Zur Lehrperson
Lars Müller ist Deutscher und lebt resp. arbeitet schon seit einigen Jahren in Mexiko. Neben
seiner Muttersprache Deutsch spricht er noch Italienisch, Spanisch, Englisch, Französisch und
Portugiesisch. 58 Er unterhält sich sowohl privat als auch beruflich täglich mit
Deutschmuttersprachlern aus Deutschland, der Schweiz, dem Elsass und Südtirol.
Herr Müller arbeitet an einer Schweizerschule in Mexiko und hat auch zuvor schon als
Deutschlehrer an einer Schweizer Sekundarschule unterrichtet. Zurzeit unterrichtet er auf
dem Niveau B2 und C1 mit dem Lehrmittel Mittelpunkt (C1). Bei Unsicherheiten konsultiert
er Google, Duden und das Deutsche Wörterbuch von Wahrig.
Wissen über das Schweizer Standarddeutsch
Herr Müller hat im fokussierten Teil fünf von sechs Schweizer Varianten korrigiert, hätte
aber beim Genus für E-‐Mail und bei Badzimmer noch sicherheitshalber nachgeschlagen.
Beim Wissen über das Schweizer Standarddeutsch würde er auf einer Skala von Nichts bis
Alles sagen, dass er „irgendwo in der Mitte“ liegt (#00:25:10-‐3#). Für ihn sei das Schweizer
Standarddeutsch zu hundert Prozent verständlich und er sehe auch keine grossen
Unterschiede zum deutschländischen Standarddeutsch:
wenn man jetzt von Standard spricht dann ist ja so, dann sind die Unterschiede ja doch eher gering.
(#00:25:24-‐6#)
Ihm sei auch nichts Besonderes an meinem Deutsch aufgefallen, dies liegt wahrscheinlich
v.a. daran, dass er bereits einige Jahre in der Schweiz gelebt und gearbeitet hat und sich
58 Nach eigenen Angaben auf einem Niveau C2, C2, C2, C1 und B2.
58
somit den Schweizer Standard bereits gewohnt war. Unter den befragten Lehrpersonen war
er auch einer der wenigen, die Deutschschweizer Standardvarianten nennen konnten:
„Der Abwart, das ist in Deutschland der Hausmeister“ (#00:25:47-‐0#). „Ja das Lavabo. Ja. Viele französische Wörter“ (#00:26:44-‐6#). „Danke fürs Telefon“59 (#00:36:11-‐0#).
Allerdings hat er auch dialektale Varianten genannt, die er aber auch als solche wahrnimmt:
Und steh dann da auf und frage ob ich darf ich das in den Güsel rühren. [...] Das ist jetzt noch dialektal, ne? Güsel.
(#00:26:15-‐2#)
Er kann somit das Schweizer Standarddeutsch von den Schweizer Dialekten unterscheiden.
Herr Müller ist sich ziemlich sicher, dass er einen deutschschweizer Text von einem
deutschländischen Text unterscheiden könnte:
ich kann das jetzt eigentlich, ich könnte jetzt nicht genau sagen was genau, aber äh (.) ich bilde mir mal ein also (.) wie gesagt der Unterschied Spiegel oder NZZ (.) dass man das schon irgendwo sieht.
(#00:31:20-‐9#)
V.a. an der Eszett-‐ resp. Doppel-‐S-‐Schreibung und der unterschiedlichen Lexik würde er das
erkennen (vgl. #00:30:17-‐5# und #00:31:24-‐5#).
Trotz des relativ breiten Wissens über das Schweizer Standarddeutsch bringt Herr Müller
seinen Schülerinnen und Schülern dennoch eher die deutschländischen Varianten bei:
Aber ich würde den, die Schüler darauf hinweisen [...] das ist parken, und nicht parkieren. Es ist grillen und nicht grillieren.
(#00:04:11-‐8#)
59 Anstatt „Danke für das Telefongespräch.“
59
Dies erstaunt, v.a. wenn man beachtet, dass er an einer Schweizerschule unterrichtet. Im
Verlaufe des Gesprächs wurde allerdings klar, wie diese Haltung zustande kommt.
Deutsch an der Schweizerschule
Lehrpersonen
An Herr Müllers Schule arbeiten momentan Deutschmuttersprachler aus unterschiedlichen
deutschsprachigen Regionen:
in der Sekundarschule, da haben wir dann Deutsche die das machen und haben einen Südtiroler auch. Und (.) ja. Im Kindergarten haben wir [...] eine Deutsche eine Schweizerin und eine Österreicherin. [...] Und dann noch als (.) Hilfsperson, also die immer mal so ein bisschen dabei ist, eine Mexiko-‐Deutsche. Also die hier aufgewachsen ist und mit deutschen Eltern und die die Deutsche Schule besucht hat.
(#00:15:43-‐5#)
Also ich denke die Schüler kommen schon mit einer rechten Bandbreite in Kontakt. Wobei halt wichtig ist dass also es wird natürlich nicht Dialekt gesprochen.
(#00:15:56-‐1#) An der Schule wird mit den Schülerinnen und Schülern also nie Dialekt gesprochen sondern
stets auf Standarddeutsch. Je nach Lehrperson kann sich das Standarddeutsch aber
unterschiedlich anhören:
wobei jeder das Hochdeutsch hört sich halt anders an je nachdem, auch ob jemand aus Berlin ist oder aus Dresden oder aus Köln oder aus München das hört man ja auch. [...] Oder aus Zürich.
(#00:16:10-‐8#)
Unter den Lehrpersonen gelte die Regel, dass deutschländisches Standarddeutsch60 und
Schweizer Orthografie vermittelt werden soll (vgl. #00:16:32-‐6#):
60 Dies bezieht sich wahrscheinlich aber nur auf den lexikalischen Bereich, da – wie von Herr Müller erwähnt wurde – jede Lehrperson ihren Akzent beibehalten kann.
60
ich denke also gerade hier an der Schule. Also für uns ist die Schweizer Rechtschreibung ok. Also gerade mit dem Doppel-‐S.
(#00:10:13-‐5#)
Lehrwerke
Zurzeit können die Deutsch-‐Lehrpersonen an den Schweizerschulen in Mexiko selber
entscheiden, welche Lehrwerke sie einsetzen möchten (vgl. #00:08:24-‐4#):
Wir haben in der Primar ähm also auch Lehrwerke aus der Schweiz. Wir haben da dann auch ein DaZ-‐Werk. [...] Und wenn man dann in die Sekundar kommt dann steigt man dann um auf ein DaF-‐Lehrwerk. [...] Und im Gymnasium die letzten drei Jahre dann, da arbeitet man ja dann auch eigentlich sehr wenig mit dem Buch.
(#00:07:51-‐0# -‐ #00:08:53-‐3#)
Dies soll nun aber landesweit harmonisiert werden:
wir sind jetzt dabei eine Projektgruppe Deutsch einzurichten die eben da für eine durchgehende Kohärenz sorgen. Sorgen soll.
(#00:08:17-‐2#)
Und also uns ist das schon aufgefallen dass es da Verbesserungsbedarf gibt. Und dass auch, ich denke so generell wäre wünschenswert, also wenn man jetzt an unsere Schüler denkt, Deutsch als Fremdsprache-‐Lehrwerk von der ersten Klasse bis Ende Sek.
(#00:08:44-‐7#)
Sprachdiplomprüfung
Die Schweizerschule ist „auch Partnerschule der Bundesrepublik Deutschland“ (#00:10:47-‐
5#). Dementsprechend werden die Sprachdiplomprüfungen bis Niveau C1 von der
Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) durchgeführt (#00:11:07-‐6#):
61
Und das berechtigt also (.) vom Sprachlichen (.) es bescheinigt die sprachlichen Voraussetzungen zur Aufnahme eines Studiums an einer Hochschule in der Bundesrepublik Deutschland.
(#00:11:43-‐9#)
Je nachdem können die Schülerinnen und Schüler auch noch eine C2-‐Prüfung am Goethe-‐
Institut in Mexiko-‐Stadt absolvieren (vgl. #00:11:07-‐6#). Allerdings muss für die Goethe-‐
Zertifikatsprüfungen bezahlt werden und auch der organisatorische Aufwand ist für die
Schule grösser:
Ja, und die Prüfungen werden durchgeführt, mündliche Prüfungen schicken die uns Prüfer (.) von der Deutschen Schule61 in Mexiko-‐Stadt. Und das ist eine schöne Zusammenarbeit auch und eben gratis für alle Beteiligten. [...] Und wenn wir es am Goethe-‐Institut machen, erst mal müssen wir mit den Schülern dahin. [...] Und dann müssen wir dann noch die Prüfungen bezahlen.
(#00:12:45-‐4#)
Da sowohl die ZfA als auch das Goethe-‐Institut deutsche Institutionen sind, werden die
Schülerinnen und Schüler darauf hingewiesen, dass sie bei den Sprachdiplomprüfungen das
Eszett benutzen sollen:
also wenn ihr ein Sprachdiplom-‐Aufsatz schreibt, denkt an das ist Eszett. Wahrscheinlich passiert nichts wenn ihr es vergesst, aber um auf Nummer sicher zu gehen.
(#00:10:39-‐3#) Ja und bei den Prüfungen da muss man halt, sollte man dann das Eszett schreiben. [...] Aus Höflichkeit. (lacht)
(#00:11:15-‐2#)
61 Colegio Alemán Alexander von Humboldt (Deutsche Auslandsschule).
62
Schweizer Texte
Herr Müller benützt überwiegend Schweizer Texte in seinem Unterricht (vgl. #00:19:29-‐1#):
Jetzt mit den Maturaklassen und da liest man alles. Oder jetzt gerade bei, in den Literatur, ich meine da bietet sich an also Max Frisch, Friedrich Dürrenmatt.
(#00:19:51-‐2#)
also ich finde die muss man an der Schweizerschule, also nicht ja ausschliesslich. Aber die muss man auf jeden Fall auch drin haben.
(#00:20:03-‐2#)
Neben Deutschschweizer Literatur setzt er auch schriftliche Texte aus Zeitungen o.Ä. ein (vgl.
#00:19:37-‐9#).
Fokus auf deutschländisches Standarddeutsch im DaF-‐Unterricht
Auf die Frage, welche deutsche Standardvarietät vermittelt werden solle, antwortete Herr
Müller: „Also wenn man mich fragt welches der drei dann das Deutsch“ (#00:17:05-‐4#).
Herr Müller setzt somit den Begriff Deutsch ausschliesslich mit dem deutschländischen
Standarddeutsch gleich.
Den Fokus auf den deutschländischen Standard begründet er einerseits mit der Grösse
Deutschlands andererseits mit der Sprachnorm:
Ja zahlenmässig schon. Also (.) und äh, sagen wir mal wenn man (.) wenn man je normgerechter man spricht desto besser kommt man überall zurecht.
(#00:17:21-‐6#)
63
Für das Sprachnorm-‐Argument zieht er den Vergleich mit der italienischen Sprache:
In Rom habe ich viele (.) also es gibt halt eine Norm. Es gibt vielleicht eine Norm, ähm (.) Lingua Toscana in bocca Romana62. [...] Ja, und die sollte man lernen. Und damit wird man überall verstanden. [...] Und dann sollte man nicht unbedingt jetzt Mailänderisch oder Napolitanisch lernen. Nur die Variante63. Also es grenzt einen ein.
(#00:18:06-‐2#)
Es scheint aber, dass v.a. die Lexik für ihn die Sprachnorm ausmacht:
Also mit sMutschli damit kommt man halt also (.) mit dem Brötchen wird man auch in der Schweiz verstanden. Aber mit dem Mutschli wird man halt in Deutschland nicht verstanden. Deswegen würde ich sagen das Deutsch.
(#00:18:38-‐4#)
Aber halt ähm (.) also jetzt halt beim Wortschatz schon also (.) gezielt auf den, sagen wir mal auf den grössten gemeinsamen Nenner. Und alles andere ist natürlich schön wenn man das kann.
(#00:19:06-‐0#)
Laut Herr Müller sollte man beim Fremdsprachenerwerb zuerst die Norm erlernen (also hier
den deutschländischen Standard), bevor man eine andere Varietät lernt:
Also, ich denke, also gerade für den Spracherwerbsprozess ist es wichtig dass man sich an die Norm hält in jeder Sprache.
(#00:24:41-‐1#)
in dem Unterricht sollte man sich (-‐) äh halt (unv.) auf den grössten gemeinsamen Nenner konzentrieren. Das man das lernt was jeder versteht. Oder dass wenn ich jetzt was auf Spanisch lerne dann möchte ich dass ich möglichst überall damit verstanden werde.
(#00:29:15-‐0#)
62 Italienisches Sprichwort für „die toskanische Sprache mit römischen Akzent“. Damit ist gemeint, dass das beste Italienisch in Rom gesprochen wird (vgl. Radtke 1986: 108f.). 63 Gemeint ist hier die Varietät, die nicht der Norm entspricht.
64
Dennoch würde er das österreichische und Schweizer Standarddeutsch nicht ganz aus dem
Unterricht verbannen:
Ja also [man sollte] schon [den Schweizer und österreichischen Standard erwähnen]. Es kommt ja in den Lehrwerken vor. Also schon darauf hinweisen dass es das gibt und dass das auch nichts Schlimmes ist.
(#00:18:52-‐2#)
Sprachaufenthalte in deutschsprachigen Regionen
Auf die Frage nach der geeignetsten Region um Deutsch zu lernen, lieferte Herr Müller zwei
Antworten mit unterschiedlichen Perspektiven. Zum einen die Sicht der Schweizerschule:
Wir haben Interesse daran dass unsere Schüler in die Schweiz gehen. Und der Auftrag der Schweizerschulen von der (unv.), ist (.) in Anführungsstrichen also zitiert, dem Bildungsstandort Schweiz Talente zuzuführen. Und das tun wir nicht dass wir die nach Deutschland schicken.
(#00:21:56-‐6#)
Zum anderen seine persönliche Sicht:
Natürlich wenn mich jemand fragen würde wo lerne ich besser wo lerne ich eher Deutsch? Wenn ich jetzt ein Semester nach Berlin gehe oder ein Semester nach Bern gehe (-‐) ja dann (.) (lacht) (.) also ich weise dann immer darauf hin dass es auch, wir haben ja ein Interesse daran dass du nach Bern gehst. Und in der Schule ist ja, wird ja Standarddeutsch gesprochen. Aber halt sobald man die Schule verlässt kann es dann schon sehr mühsam sein. Wo man dann mit Berndeutsch konfrontiert ist.
(#00:22:37-‐1#)
Unabhängig von der Schweizerschule würde seine Antwort schon eindeutiger ausfallen:
Da würde ich sagen äh (-‐) nach Deutschland. Aber auch sehr aufpassen, also nicht in den Süden und nicht in den Osten.
(#00:23:17-‐4#)
65
Süd-‐ und Ostdeutschland würde er aus folgendem Grund weniger empfehlen:
Ja aus dem, wegen ja (.) dieser dialektale Zug. Der Tonfall der sich dann einschleicht. [...] Also Süddeutsch und Ostdeutsch, das ist halt irgendwie komisch.
(#00:23:38-‐5#)
Erst wenn man das Normdeutsch, sprich das norddeutsche Deutsch (vgl. #00:23:43-‐6#),
gelernt habe, könne man sich dann auf andere Varietäten konzentrieren:
Dass wenn man dann, dann mal einmal richtig Deutsch gelernt hat, also Standarddeutsch (.) und äh, und dann geht man nach München studieren oder nach Dresden oder nach Bern. Dann kommt man damit auch zurecht. Und das ist auch in Ordnung. Aber dass man es so spricht, dass man so lernt wie die sprechen, ist halt nicht so gut.
(#00:24:20-‐2#)
5.2.3.2 Rekonstruktion der Subjektiven Theorien von Lars Müller
Lars Müllers Aussagen im Interview zeigen Folgendes auf:
• Er hat – im Vergleich zu anderen befragen Lehrpersonen – einiges Wissen über die
Plurizentrik der deutschen Standardsprachen;
• dennoch vertritt er einen eher monozentrischen Ansatz;
• für ihn unterscheiden sich die Standardvarietäten nur minim;
• er ist der Überzeugung, dass ein sogenanntes Normdeutsch existiert (der
norddeutsche Standard);
• das Schweizer Standarddeutsch nimmt in seinem Unterricht v.a. deshalb so viel Platz
ein, weil er an einer Schweizerschule unterrichtet;
• Unterschiede zwischen den Standardvarietäten nimmt er v.a. in der Lexik und
Aussprache wahr.
Durch seine berufliche Erfahrung kennt er das Schweizer Standarddeutsch ziemlich gut und
kann auch standardsprachliche von dialektalen Varianten unterscheiden. Dennoch ist er der
Überzeugung, dass es nur ein „gutes Deutsch“ gebe, nämlich den norddeutschen Standard.
66
Die Fokussierung auf den norddeutschen Standard kann auch damit erklärt werden, dass die
Schweizerschule eine Partnerschule der Bundesrepublik Deutschland ist (vgl. #00:10:47-‐5#)
und er einerseits nicht riskieren will, dass seine Schülerinnen und Schüler an den
Sprachdiplomprüfungen benachteiligt werden, nur weil sie den Deutschschweizer Standard
benutzen; andererseits sollten die Schülerinnen und Schüler auch aus „Höflichkeit“ –
zumindest im schriftlichen Bereich – den deutschländischen Standard anwenden, da sie die
Prüfungen bis C1 gratis ablegen dürfen.
Herr Müllers Aussagen zu den Standardvarietäten der deutschen Sprache widersprechen
sich im Verlaufe des Interviews immer wieder. Einerseits gibt es für ihn keine
erwähnenswerten Unterschiede zwischen dem Schweizer und dem deutschländischen
Standarddeutsch (vgl. #00:25:24-‐6#). Dennoch findet er es wichtig, dass Fremdsprachige ein
„Normdeutsch“ lernen, da sie damit überall verstanden werden würden (vgl. #00:17:56-‐2#).
„[Je] normgerechter man spricht desto besser kommt man überall zurecht“ (#00:17:21-‐6#)
und wenn man die Norm nicht beherrsche, grenze es einen ein (vgl. #00:18:06-‐2#). Dies ist
allerdings eine einseitige Sicht auf die Problematik, denn die Deutschlernenden würden zwar
verstanden werden, aber sie dagegen verstehen keine andere Varietäten als die
„Normvarietät“. Wie er bereits selber erwähnt, wird die Norm aber nicht überall
gesprochen 64 und es ist fraglich, ob fortgeschrittene Deutschlernende mit anderen
Varietäten65 tatsächlich weniger überfordert wären als Anfänger.
5.2.4 Jean Rousseau
5.2.4.1 Subjektive Theorien von Jean Rousseau
Zur Lehrperson
Jean Rousseau ist Franzose und hat einen Teil seiner Kindheit in Süddeutschland verbracht,
wo er Deutsch als Zweitsprache gelernt hat. Später hat er in Frankreich und Deutschland
Germanistik studiert und danach als Deutschlehrer an einem deutschen Gymnasium
gearbeitet. Seit einigen Jahren lebt Herr Rousseau nun in Mexiko und unterrichtet Deutsch
als Fremdsprache an einer Deutschschule.
64 Akzent in Süd-‐ und Ostdeutschland (vgl. #00:23:38-‐5#). 65 Sowohl Standardvarietäten als auch Dialekte und Umgangssprache.
67
Neben Französisch und Deutsch spricht Herr Rousseau noch Englisch, Spanisch und
Polnisch.66 Auf Deutsch unterhält er sich täglich sowohl im beruflichen als auch privaten
Kontext und v.a. mit Deutschmuttersprachlern aus Deutschland.
Herr Rousseau unterrichtet momentan auf den Niveaus A1, A2 und B1 mit dem Lehrwerk
Netzwerk. Bei Unsicherheiten konsultiert er Google und den Online-‐Duden.
Wissen über das Schweizer Standarddeutsch
Herr Rousseau hat im fokussierten Teil fünf von sechs Schweizer Varianten korrigiert, bei
drei Phänomenen (parkieren, Pärke und Badzimmer) hätte er noch sicherheitshalber
nachgeschlagen.
Er weiss laut eigenen Einschätzungen auch eher wenig über das Schweizer Standarddeutsch
(vgl. #00:35:01-‐6#). Dennoch konnte er ein paar Schweizer Varianten nennen:
Ja gut, also wie gesagt (unv.) kein Eszett und eben diese paar Wörter die anders sind.
(#00:35:01-‐6#)
Ja das Velo für das Fahrrad und andere Beispiele die mir nicht einfallen.
(#00:34:34-‐1#)
Was ich eigentlich davon weiss dass an Schweizer Schulen nicht Dialekt gesprochen wird sondern eben Standard.
(#00:34:29-‐2#)
Allerdings war ihm nicht bewusst, dass es einen eigenen Schweizer Standard im Deutsch gibt
(vgl. #00:34:29-‐2#):
Also ich dachte es wäre eigentlich dasselbe Standard wie in Deutschland nur mit kleinen Ausnahmen, dass der Buchstabe Eszett nicht existiert und dass eben manche Wörter anders sind.
(#00:34:29-‐2#)
66 Keine Angaben zum Niveau.
68
Unterschiede zwischen einem deutschländischen und deutschschweizer Text würde er
dementsprechend v.a. im lexikalischen Bereich feststellen:
Bei manchen Themen kann man es aus der anderen Wortwahl eben erkennen.
(#00:36:49-‐9#)
Bezüglich meines Standarddeutsch ist ihm nichts Spezielles aufgefallen (vgl. #00:16:31-‐5#).
Dies begründet er aber damit, dass er sich den Akzent bereits von einem ehemaligen
Schweizer Arbeitskollegen gewohnt war:
Aber ich bin es gewohnt. Also wir haben einen Ex-‐Kollegen hier und auch gut befreundeter Mensch hier der aus der Schweiz kommt. Ich bin es auch gewohnt ihn zu hören und hatte auch seine Freundin als Schülerin in einem A2-‐Niveau.
(#00:16:59-‐8#)
(lacht) Das ist kein Mobbing aber ich habe immer gut gelacht wenn sie dann mal was ganz spontan was geantwortet hat und hatte die Schweizer Betonung ihres Freundes.
(#00:17:34-‐2#)
Plurizentrik im Lehrwerk
Mit den Schülern wird das [Thema Plurizentrik] oft thematisiert. Nicht aus dem Grund weil viele Schüler in die Schweiz gehen. Sondern eher weil uns das Lehrwerk damit eben konfrontiert.
(#00:18:55-‐9#)
Der Fokus im Lehrwerk liege zwar schon auf Deutschland, allerdings kommen ab und zu
Vokabular oder Hörtexte mit Akzenten aus unterschiedlichen deutschsprachigen Regionen
vor:
69
Also es gibt hie und da ein paar Sachen die mit der Schweiz oder mit Österreich zu tun haben. Es ist ja auch hauptsächlich deutschzentriert, es ist ja auch ein deutscher Verlag. (-‐) Und aber auch in dem Fall haben wir hie und da ein paar Vokabeln, ein paar Sachen die typisch Schweizer sind.
(#00:20:03-‐9#)
Eine U-‐Bahn-‐Durchsage67 ist da eben authentisch gesprochen. [...] Also mit Schweizer Betonung.
(#00:20:16-‐2#)
Und da kommen ein paar Vokabeln die sind wohl aus der Schweiz. Aber die sind auch nur zwei oder drei. Und aus den Zusatzmaterialien das wir hier regelmässig ran holen. Wir haben eine Kopie zum Beispiel zum Schulmaterial, so Schulsachen wo das Wort Etui vorkommt. [...] Für mich definitiv das Mäppchen. Das sage ich auch immer meinen Leuten. Die haben auch sowieso egal mit beiden Wörter Ausspracheproblemen. Dann (.) also das Mäppchen Deutschland [...].
(#00:21:22-‐6#)
Herr Rousseau bemängelt allerdings, dass das Lehrwerk für landeskundliche Themen eher
weniger geeignet sei:
Das Lehrwerk ist sehr neutral im kulturellen Aspekt. Das sind Sachen die nicht thematisiert werden. Es wird vor allem in Hinsicht auf Sprache thematisiert wenn dann. Aber nicht direkt offen kulturelle Besonderheiten präsentiert. Das muss man indirekt an die Leute bringen. Das muss man ihnen noch dazu erzählen. [...] darum hat man oft dieses Problem wenn man kulturelle Besonderheiten zum Beispiel von der Schweiz präsentieren sollte in dieser Bern-‐Lektion. Da steht man ein kleines bisschen auf dem Schlauch. [...] Denn da liefert das Buch wirklich nichts. Es präsentiert einfach nur Sehenswürdigkeiten. Es präsentiert einfach nur diese zwei drei Vokabeln die da vorkommen. [...] Die man dann noch verstehen sollte und das wars.
(#00:23:07-‐3#)
67 Entweder handelt es sich hier aber um eine Durchsage in Österreich oder um eine Durchsage im Zug resp. Tram, da es in der Deutschschweiz keine U-‐Bahnen gibt.
70
Thematisierung der Standardvarietäten im Unterricht
Herr Rousseau legt den Fokus in seinem Unterricht v.a. auf das deutschländische Standarddeutsch:
wir haben hier eine Kundschaft die geht hauptsächlich nach Deutschland. Nicht in die Schweiz oder nach Österreich. (-‐) Und es ist eine spezifische Kundschaft. Das sind Menschen die werden immer nach Deutschland wegen der Universität fliegen.
(#00:25:15-‐9#)
Das Studium sei für junge Mexikaner eine sehr intensive Zeit und sie können es – anders als
in Deutschland oder der Schweiz – nicht nach ihren eigenen Interessen zu gestalten (vgl.
#00:25:47-‐9#). Auch seien die Anforderungen zur Aufnahme an einer deutschen Universität
sehr hoch:
Und da die Universitäten in Deutschland das Niveau immer höher schrauben (.) mittlerweile verlangen sie für Master dass man das B1-‐Niveau abgeschlossen hat und für manche Hochschulen verlangen sie die DSH-‐Prüfung68, die entspricht eigentlich dem B2-‐Niveau.
(#00:25:15-‐9#)
Den mexikanischen Studenten bleibe oftmals sehr wenig Zeit, um Deutsch zu lernen,
weshalb man v.a. auf den deutschländischen Standard fokussieren und sie darauf
vorbereiten soll:
wenn sie dann nach Deutschland wollen (-‐) entscheiden sie das meist im dritten Semester. Für das vierte eben bleibt oft sehr sehr wenig Zeit fürs Deutschlernen. Daher sollte man eigentlich sie gezielt auf die Prüfung vorbereiten, was wir auch hier definitiv intensiv machen. Und auch auf Standarddeutsch Deutschland vorbereiten. Und das ist das was in Deutschland akzeptiert wird.
(#00:26:36-‐7#)
Das Schweizer und österreichische Standarddeutsch würde Herr Rousseau nur
thematisieren, falls dies von einer Schülerin resp. einem Schüler gewünscht werden würde:
68 Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang.
71
Die [österreichische und Schweizer Standardvarietät] würde ich eher mal aussen vorlassen. [...] Ausser jemand möchte wirklich nach Österreich oder in die Schweiz. Dann könnte man tatsächlich versuchen ein paar mehr Sachen miteinzubeziehen. [...] Aber das bedeutet auch extra Material holen. Und die Unsicherheit vom Lehrer aus weil man eben selbst nicht spricht. [...]
(#00:28:04-‐1#) Weil das für einen auch komplett fremd ist. [...] Das wäre also sozusagen wie eine Fremdsprache.
(#00:28:10-‐4#)
Herr Rousseau habe einmal eine Schülerin gehabt, die aufgrund ihres Schweizer Partners
Deutsch gelernt hat:
Ja bei dieser einen Schülerin kam es immer wieder vor dass sie dann Sachen gesagt hat die dann aus der Schweiz kommen. Dann ergibt sich halt ein Gespräch. Wenn die Gruppe auch gut ist, und die war in einer guten Gruppe, konnte man eben das Ganze auch thematisieren.
(#00:23:40-‐2#)
Allerdings würde er bei schwächeren Gruppen solche Diskussionen eher vermeiden:
Die verwirren dann die Leute nur. [...] Allein schon wenn ich dann sage es reicht schon das Wort für ein Brötchen. Ist schon von Norden bis Süden Deutschland siebenmal unterschiedlich. [...] Da gucken die Leute auch immer so: „Hä? Und was lernen wir hier?“ Standard. Ja, dass das Wort ungefähr alle verstehen. Und dann sind sie auch schon heilfroh so: „Ah ok, dann wird man uns überall verstehen.“ Ja, du die Leute aber nicht. (lacht) [...] Das (.) ist halt so eine Vereinfachungsgefahr. Thematisieren tun wir das sehr selten.
(#00:24:20-‐6#)
Benutzung von Schweizer Texten im Unterricht
Herr Rousseau setzt zur Einführung des Präteritums jeweils Geschichten aus Der Granitblock
im Kino von Franz Hohler ein (vgl. #00:28:36-‐4#):
72
das ist ein Schweizer Autor und von ihm benutze ich für die Einführung des Präteritums immer ein Märchen. Also er hat Kunstmärchen beziehungsweise absurde [...] kurze Texte (.) verfasst. Die benutze ich. Also ich benutze da eben die Kurzgeschichte die zwei kranken Schwestern69 von ihm für die Einführung vom Präteritum in B1. [...] Und der Text kommt gut an.
(#00:29:38-‐5#)
An das Schweizer Vokabular müssen sich die Schülerinnen und Schüler dann ein bisschen
gewöhnen:
Ist auch seltsam für die Schüler weil das eins der ersten Wörter ist, Spital. [...] Und das ist dann Schweizer Deutsch, und dann sage ich manchmal: „Ja aber das könnt ihr doch verstehen vom Spanischen her, was ist das denn?“ Die gucken erst einmal komisch. Ja, dann denken sie: „Ach ja, hospital. Natürlich.“ Das ist also ein Aha-‐Effekt.
(#00:30:04-‐9#)
Für Herr Rousseau dient diese Lektüre aber nicht zur Thematisierung von anderen
Standardvarietäten der deutschen Sprache, sondern eher zur Motivierung zum Lesen von
deutschsprachigen Texten:
Und dann (.) das ist auch ein sozusagen ein Haken um auch die Leute ein bisschen ans Lesen zu gewöhnen. Dass sie sich daran trauen. Also ich (.) B1 beginnt für mich die Zeit wo sie eben lesen sollten. Aktiv etwas anderes lesen als nur das Lehrwerk. [...] Und das ist so ein Beispiel, seht es gibt kurze Geschichte auf dieser Welt. Die werden extra für alle geschrieben und auch für euch.
(#00:31:10-‐8#)
Und da gehört auch Österreich oder die Schweiz dazu natürlich. Das ist dann nicht ausgeschlossen weil es ja auch Deutsch geschrieben ist.
(#00:31:21-‐1#)
69 Wortspiel mit Krankenschwestern.
73
Sprachaufenthalt in deutschsprachigen Regionen
Auf die Frage, welche deutschsprachige Region Herr Rousseau für einen Sprachaufenthalt
empfehlen würde, meinte er:
Da würde ich alle und keine sagen. Einfach nachfrag-‐ (-‐) also begiebig wie der Mensch halt gerne möchte.
(#00:33:07-‐0#)
Es komme eher auf die Person selber an, wie viel und gut Deutsch sie lerne:
Es ist auch abhängig von den Menschen überhaupt wie sie an die Leute rangehen. Ich kenne dann Leute die waren Jahre in Deutschland, haben kaum Deutsche kennengelernt und haben dann auch kaum Deutsch gelernt. [...] Und es gibt Leute die sind eine Woche da und kennen fünfundzwanzig Deutsche. Und kommen mit Vokabeln zurück und Schimpfwörter und Ausdrücke und und und, und labern einem den Unterricht voll.
(#00:32:51-‐8#)
Ausserdem spricht für ihn nichts gegen einen Sprachaufenthalt in Österreich oder der
Deutschschweiz:
[Ich würde nicht von Österreich oder der Schweiz abraten.] Was spricht denn da dagegen? Eigentlich nichts.
(#00:33:24-‐2#)
5.2.3.2 Rekonstruktion der subjektiven Theorien von Jean Rousseau
Jean Rousseaus Aussagen zeigen Folgendes auf:
• Er hat das Schweizer Standarddeutsch nicht als eigenständigen Standard
wahrgenommen;
• er weiss sehr wenig über die Deutschschweizer Sprachsituation;
• er hat ein geringes Bewusstsein für die verschiedenen Standardvarietäten der
deutschen Sprache;
74
• er thematisiert die Plurizentrik der deutschen Sprache nur, wenn es das
Unterrichtsmaterial erfordert oder ein Teilnehmer dies wünscht;
• dennoch geht er unbewusst sehr offen mit den verschiedenen Varietäten um.
Herr Rousseau geht sehr locker mit den verschiedenen Standardvarietäten der deutschen
Sprache um, wenn er weiss, dass es sich beim Autor einer Quelle um einen
Deutschmuttersprachler handelt. Für ihn spricht nichts dagegen, deutschschweizer oder
österreichisches Material auf Standarddeutsch im Unterricht einzusetzen, solange es zur
Thematik passt.
Erstaunlich ist, dass Herr Rousseau trotz seines Germanistikstudiums nicht bewusst war,
dass es einen eigenständigen Schweizer Standard gibt. Er scheint das Schweizer
Standarddeutsch eher mit der Schweizer Mundart gleichzusetzen:
Wobei das eigene Interesse [am Schweizer Standarddeutsch] eben beschränkt ist. [...] Ausser ich würde sagen ok jetzt zieht es mich in die Schweiz und dort werde ich wie ein Sprachschwamm alles aufsaugen und irgendwann spreche ich dann Dialekt.
(#00:40:30-‐1#)
Auch sein Bewusstsein für die Standardvarietäten innerhalb Deutschlands scheint eher
gering zu sein. Dies ist wahrscheinlich auch damit zu erklären, dass er im Verlaufe seines
Berufslebens als Deutschlehrer sich einige Varianten des (wahrscheinlich) süddeutschen
Standards „abgewöhnen“ musste:
Auch mein Deutsch war früher eigentlich auch eher süddeutsch geprägt und ich habe ein paar Sachen die ich davon abschütteln musste im Laufe meiner Karriere als Deutschlehrer. Und (.) darunter gehörten einige falsche Pluralendungen, Standard gesehen. Oder eben noch andere grammatische Sachen die falsch waren. Und auch noch (-‐) manche Wörter die gar nicht im Standarddeutschen existieren.
(#00:05:54-‐4#)
Es ist natürlich fraglich, ob es sich bei diesen „Fehlern“ tatsächlich um Varianten des
süddeutschen Standarddeutsch gehandelt hat. Allerdings hat Herr Rousseau die Korrekturen
– als Nichtmuttersprachler – wohl auch nie hinterfragt.
75
Herr Rousseaus Aussagen zeigen somit vor allem die Problematik im Germanistikstudium, in
welchem die Plurizentrik der deutschen Sprache auch heute noch kaum thematisiert wird
(vgl. Pusswald 2009: 47).
5.2.5. Maya Wydler
5.2.5.1 Subjektive Theorien von Maya Wydler
Zur Lehrperson
Maya Wydler ist Deutschschweizerin und lebt seit knapp zwei Jahren in Mexiko. Sie hat
bereits in der Schweiz als DaZ-‐Lehrerin gearbeitet und auch die SVEB-‐Ausbildung 70 in
Erwachsenenbildung abgeschlossen. Zuvor hat sie ein Bachelor-‐Studium in Übersetzen
absolviert. Neben Deutsch spricht sie auch Spanisch, Französisch, Englisch und Italienisch71
und lernt momentan noch Chinesisch. Auf Deutsch unterhält sie sich sowohl beruflich als
auch privat mehrmals pro Woche mit Muttersprachlern aus Deutschland, der Schweiz und
Österreich.
Momentan unterrichtet Frau Wydler auf den Niveaus A1 und A2 mit dem Lehrwerk
Netzwerk. Bei Unsicherheiten in der deutschen Sprache konsultiert sie Google, Duden
(Online-‐Version und Bände) und PONS (Deutsch als Fremdsprache Wörterbuch).
Wissen über das Schweizer Standarddeutsch
Frau Wydler hat im fokussierten Teil zwei von sechs Schweizer Varianten korrigiert (Pärke
und gut, gibt es), allerdings hätte sie bei beiden Korrekturen noch nachgeschlagen oder bei
Lehrkollegen nachgefragt.
Ihr explizites Wissen über das Schweizer Standarddeutsch schätzt sie eher klein ein:
Ich glaube es ist eher so ein bisschen ein implizites Wissen. [...] Also explizit (-‐) es sind (.) ja explizit ist sehr schwierig zu sagen.
(#00:35:31-‐1#)
70 In der Schweiz angebotene Weiterbildung in Erwachsenenbildung (http://www.enaip.ch/berufsbildung/sveb-‐lehrgang-‐adefa/ [zit. am 02.08.2017]). 71 Nach eigenen Angaben auf einem Niveau von C2, C2, C1-‐2 und B1-‐2.
76
ja eben ich meine so ein bisschen Wortschatz (.) Wortschatz der sich unterscheidet. (-‐) Schweizer Standarddeutsch. (-‐) (lacht) Nein ich kann dir nicht so viel darüber sagen.
(#00:36:00-‐4#)
Also ich glaube es gibt auch viele Sachen (.) die mir wahrscheinlich nicht bewusst sind, aber wo ich dann so plötzlich merke. Aber nein, ich glaube ich weiss nicht so viel. (lacht)
(#00:36:45-‐6#)
Seit sie aber in Mexiko unterrichte, fallen ihr immer wieder Unterschiede zum
deutschländischen Standarddeutsch auf oder werden ihr bewusst gemacht:
Es gibt schon noch recht viel. Aber man ist, ich habe irgendwie vorher eben nicht viel mit Deutschen zu tun gehabt. [...] Und dann merkst du es vielleicht auch nicht so. Also die Unterschiede. Und jetzt zum Beispiel merke ich es (.) was ist noch? Oder so von der Intonation zum Beispiel (.) also die Wörter die aus dem Französischen kommen die sprechen wir ja mit der französischen Intonation aus. Und die Deutschen die haben dann, also zum Beispiel (.) wir sagen das Büro (Intonation auf ü) und die Deutschen sagen das Büro (Intonation auf o).
(#00:51:57-‐0#)
Und (.) zum Beispiel letzthin wo meine Vorgesetzte bei mir hospitieren war, [...] was hat sie mir gesagt? Ich habe glaub irgendwie gesagt: „An der Tafel hat es (.) ein Bild.“ [...] Und sie hat dann gesagt: „Ah, das ist ja so schweizerisch.“ Weil im Standarddeutsch in Deutschland sagt man es gibt ein Bild.
(#00:36:33-‐0#)
Dass ihr explizites Wissen über das Schweizer Standarddeutsch nicht so gross ist, erklärt sie
sich auch mit der fehlenden Thematisierung im Studium und der DaF/DaZ-‐Ausbildung:
Ich meine das was wir im Studium gelernt haben (.) das ist nicht unbedingt Schweizer Standarddeutsch.
(#00:35:31-‐1#)
77
Ich wüsste jetzt nicht von einem Buch oder irgendwie Lehrmittel wo das explizit aufgeschrieben ist.
(#00:36:11-‐7#)
Plurizentrik an der Institution
Als sich Frau Wydler für die Stelle als DaF-‐Lehrerin beworben hat, dachte sie, dass sie als
Deutschschweizerin eher einen Nachteil hat gegenüber deutschen Kolleginnen und Kollegen:
Vielleicht wollen die eher nur Deutsche. [...] Und dann habe ich gedacht ich habe wegen dem eher schlechte Karten. Aber es ist eigentlich so ein bisschen das Gegenteil gewesen.
(#00:26:07-‐7#)
Es werde eher positiv angesehen, dass es an der Institution Muttersprachler aus
verschiedenen deutschsprachigen Regionen gibt:
sie finden zum Beispiel auch dass es sehr wichtig ist dass halt eben alle deutschsprachigen Länder vertreten sind. Ich meine das gehört ja auch alles dazu.
(#00:26:17-‐7#)
Auch habe ihre Vorgesetzte ein Faible für die Schweiz, wodurch Wydlers Nationalität eher zu
einem Vorteil wurde bei der Bewerbung:
Also meine Vorgesetzte interessiert sich extrem für die Schweiz und für das Schweizerdeutsch. (lacht) [...] Und zum Beispiel mit ihr spreche ich Schweizerdeutsch. [...] Sie ist Deutsche aber sie hat mal ein paar Monate in der Schweiz gelebt. Und sie findet es aber, also sie findet es extrem positiv.
(#00:25:59-‐9#)
Mit den Lehrkolleginnen und -‐kollegen wird das Thema Plurizentrik ebenfalls ab und zu
angesprochen, allerdings nur, wenn es sich im Gespräch ergibt:
also sehr jetzt explizit das Thema nicht. Auf der eher so ein bisschen privat oder mal auf dem Gang oder in der Pause. [...] oder sonst ich meine wir tauschen uns manchmal aus. [...] Da wegen diesen Unterschieden. Oder dann fällt vielleicht ihnen etwas auf das ich sage oder mir fällt etwas auf
78
das ich sage und (.) aber es ist eigentlich allgemein sind sie, sind die Leute recht offen dafür.
(#00:26:40-‐4#)
Und auch die Schülerinnen und Schüler fänden die Thematisierung der Deutschvarietäten
interessant:
Und die Schüler auch, die Schüler finden es auch (.) die meisten die ich bis jetzt gehabt habe finden es sehr interessant und spannend. Die meisten finden auch es ist, ich spreche glaub langsamer. Also ich weiss nicht ob das wegen mir ist oder ob das ist weil die Deutschen einfach schneller sprechen. [...] Viele haben gesagt sie verstehen mich besser.
(#00:26:56-‐0#)
Doch trotz der breiten Akzeptanz an der Deutschschule würde Frau Wydler doch eher auf
die deutschländische Standardvarietät fokussieren:
Also das finde ich jetzt, jetzt an dem Institut finde ich [...] ist das ganz ok [dass man auf den deutschen Standard fokussiert].
(#00:28:46-‐1#) viele Schüler [...] wollen auch ihr Ziel ist Deutschland. Und nicht unbedingt die Schweiz oder Österreich. [...] es hat halt auch viele deutsche Firmen hier. Und die einen die arbeiten bei diesen Firmen. Oder [...] viele Ingenieur-‐Studenten die wollen nach Deutschland studieren gehen arbeiten gehen ein Praktikum machen. Und (.) weil ich meine (.) das Zielpublikum die sind eben auch ziemlich deutschlandorientiert. [...] klar wäre es cool wenn es ein paar Schweizer und Österreicher mehr hätte. Aber es sind jetzt einfach mal sehr viele Deutsche hier.
(#00:28:37-‐6#)
Seit sie in Mexiko als DaF-‐Lehrerin arbeitet, versucht sie sich auch an den deutschländischen
Standard anzunähern (vgl. #00:35:31-‐1#), wie sie am Beispiel des Eszett-‐Gebrauchs erklärt:
Ich habe das von Anfang a-‐ also habe noch nie Eszett geschrieben vorher und (.) ich habe zum Beispiel das meinen Schülern gesagt dann am Anfang dass ich das nicht immer mache und dass das halt ist weil ich aus der Schweiz komme dass sie einfach das wissen. [...] ich muss es nicht machen. Sie haben mir nicht so klare Anwei-‐ ich habe am Anfang gefragt und da haben sie gemeint: „Ja, nein. Sage es ihnen doch einfach.“ Und, also ich
79
habe das von selber mache ich das jetzt eigentlich immer mehr. [...] Aber es kann sein dass es mir halt manchmal untergeht. Aber ich probiere es jetzt einfach so zu machen weil ich finde es ist für die Schüler einfacher wenn es einheitlicher ist.
(#00:25:37-‐2#)
Benutzung von Schweizer Texten im Unterricht
„Ich würde [Schweizer Texte im Unterricht einsetzen]“ (#00:30:28-‐1#).
Allerdings hat Frau Wydler dies bisher noch nicht gemacht, da sie erstens auf Anfänger-‐
Niveau unterrichtet und zweitens noch nicht viel Erfahrung im DaF-‐Unterricht mit
Erwachsenen hat:
Jetzt mein höchster Kurs ist Mitte A2 und jetzt auch mehr, also sie fangen an mehr mit authentischen Material zu arbeiten. [...] also ich kann mir vorstellen mit Material aus der Schweiz oder aus Deutschland zu arbeiten.
(#00:31:00-‐8#)
Ja ich meine eigentlich wäre es gut ab einem tieferen Niveau anzufangen. Ich habe jetzt halt weil es halt alles so der erste Durchlauf war musste ich jetzt auch zuerst einmal das Buch wirklich kennenlernen. Und (.) also ich merke jetzt wenn ich einen Kurs schon zum zweiten Mal mache dann hat es plötzlich auch mehr Platz für anderes. Ich glaube das hat auch ein bisschen [...] mit dem zu tun, dass ich wie zuerst noch ein bisschen mehr reinkommen muss. Aber eigentlich ist es, also finde ich ist es auch gut wenn man möglichst früh mit authentischem Material anfängt zu arbeiten.
(#00:31:32-‐7#)
Frau Wydler habe auch schon Zusatzmaterial der Deutschen Welle eingesetzt, weshalb sie
sich gut vorstellen könnte, auch mit Schweizer Textmaterial zu arbeiten:
80
Ich habe ja zum Teil auch mit deutschem Material gearbeitet zum Beispiel die Deutsche Welle. [...] Dort hat es auch viel Material. Und (.) es ist eben auch das Material das einem zur Verfügung gestellt wird oder das einem die anderen empfehlen. Weil das eben alle Deutsche sind ist es eben auch eher (.) zwar ein bisschen von Deutschland [...] aber ich meine das ist eine gute Idee. [...] ich kann mir vorstellen mit Material aus der Schweiz oder aus Deutschland zu arbeiten.
(#00:31:00-‐8#)
Sprachaufenthalt in deutschsprachigen Regionen
Bei der Frage nach dem geeigneten Ort für einen Sprachaufenthalt, ist für Frau Wydler erst
einmal wichtig, wieso jemand Deutsch lernen möchte:
Ja also in erster Linie kommt es auch darauf an was das Ziel von dem Schüler ist.
(#00:31:48-‐8#)
Wenn sie in ein Goethe-‐Institut gehen möchten (.) dann ist die Schweiz schon mal gar keine Option mehr weil es ja gar keines gibt. Und viele von uns die wollen dann auch an ein Goethe-‐Institut [...] die meisten die wollen sowieso nach Deutschland. Weil sie eben irgendwie, oder ich meine wenn jetzt jemand weiss er möchte in Deutschland dann noch irgendwie einen Master studieren und möchte zuerst noch einmal einen Deutschkurs nehmen [...] ausser er interessiert sich sehr für die Schweiz oder Österreich um das auch noch gesehen zu haben.
(#00:34:47-‐4#)
Und auch die sprachlichen Aspekte sind für sie bei der Auswahl nach einem geeigneten Ort
wichtig:
Ja, [es ist einfacher] wo sie einfach Regionen wo sie jetzt (.) wo eben ein reineres Hochdeutsch gesprochen wird. [...] für jemand der neu am Lernen ist ist es sicher einfacher [in Norddeutschland Deutsch zu lernen].
(#00:32:28-‐0#)
81
Weil ich meine es sind ja (.) ich finde die Schweiz eignet sich halt schon nicht sehr weil wenn du auf die Strasse gehst dann (.) dann sprechen halt die Leute Schweizerdeutsch und [...] das habe ich von vielen gehört die in der Schweiz Deutsch gelernt haben. Ich meine es ist eine riesen (.) Challenge. [...] aber ich meine eben das ist dann wahrscheinlich in Bayern oder vielleicht in Süddeutschland (.) oder wo auch immer (lacht) ist noch vielleicht auch das gleiche Problem. Aber in der Schweiz denke ich ist es schon nochmal (.) ist der Unterschied schon nochmal recht gross. [...] Und dann bist du vielleicht in Basel [...] Und dann fängst du Baseldeutsch an zu verstehen. Und dann gehst du nach (.) Zürich und dann verstehst du wieder gar nichts mehr.
(#00:33:05-‐8#)
Von dem her würde ich glaub (.) tendenziell schon eher Deutschland empfehlen. Ausser (.) dem persönliche Interesse.
(#00:33:14-‐3#)
5.2.5.2 Rekonstruktion der subjektiven Theorien von Maya Wydler
Maya Wydlers Aussagen zeigen Folgendes auf:
• Erst durch ihre Arbeit als DaF-‐Lehrerin sind ihr Unterschiede zwischen den
verschiedenen Standardvarietäten aufgefallen;
• ihr Wissen über das Schweizer Standarddeutsch ist eher implizit;
• trotz der breiten Akzeptanz für verschiedene Deutschvarietäten versucht sie sich
dem (nord-‐)deutschen Standard anzupassen;
• sie geht davon aus, dass es ein „reines“ Hochdeutsch gibt.
Frau Wydler wurden die Unterschiede zwischen deutschländischen und Schweizer
Standarddeutsch erst durch ihre Lehrtätigkeit in Mexiko bewusst. Zuvor hatte sie kaum
Kontakt zu Deutschen und wurde deshalb auch nie mit der Plurizentrik konfrontiert.
Gleich wie im Germanistikstudium von Herrn Rousseau wurde auch in Wydlers
Übersetzungsstudium die Plurizentrik in der deutschen Sprache nie wirklich behandelt. Dies
hat zur Folge, dass ihr Wissen über das Schweizer Standarddeutsch eher implizit ist und sie
auch davon ausgeht, dass es ein „reines“ Hochdeutsch gebe (vgl. #00:32:28-‐0#).
82
Obwohl an ihrer Deutschschule eine breite Akzeptanz gegenüber anderen Deutschvarietäten
herrscht, versucht sich Frau Wydler dem deutschländischen Standard anzupassen. Dies aber
vor allem aus dem Grund, weil sie auch an einer deutschen Institution arbeitet und fast alle
Schülerinnen und Schüler Deutschland als Zielland haben.
Ein wichtiger Punkt, den Frau Wydler anspricht, ist die fehlende Anlaufstelle für
Zusatzmaterial aus der Deutschschweiz. Bisher habe sie v.a. von der Deutschen Welle
Zusatzmaterial für ihren Unterricht bezogen:
es ist eben auch das Material das einem zur Verfügung gestellt wird oder das einem die anderen empfehlen. Weil das eben alle Deutsche sind ist es eben auch eher (.) zwar ein bisschen von Deutschland
(#00:31:00-‐8#)
Ausserdem erwähnt sie auch, dass in ihrem Lehrmittel die wenigen Deutschschweizer
Varianten z.T. falsch aufgeführt werden:
wir arbeiten mit dem Netzwerk. [...] Und (.) im Niveau A1 [...] einmal kommt das Thema irgendwie (.) Städtereise nach Basel. [...] Und das Einzige worauf man verwiesen wird ist dass man für Strassenbahn sagen wir Tram. [...] Wobei sie sagen die Tram. Wir sagen das Tram. [...](lacht) So viel zu dem.
(#00:24:44-‐4#)
Dies zeigt unter anderem auch wieder, dass die DACHL-‐Prinzipien im sprachlichen Bereich
kaum Anwendung finden und es immer noch an Aus-‐ bzw. Weiterbildung im Bereich der
Plurizentrik fehlt.
83
6. Fazit
Die Befragung in Mexiko hat mir gezeigt, dass der plurizentrische Ansatz im DaF-‐Unterricht
wohl viel schwieriger umzusetzen ist, als ich zu Beginn dieser Arbeit gedacht habe. Anders
als der Titel meiner Arbeit erst einmal vermuten lässt, liegt es aber nicht prinzipiell an der
Nicht-‐Akzeptanz des Schweizer oder österreichischen Standarddeutsch in ausländischen
Deutschkursen, welche diese Varietäten in den Hintergrund drängen. Es ist vor allem die
mangelnde Aus-‐ und Weiterbildung im Bereich der Plurizentrik, welche dazu führt, dass
Schweizer und österreichisches Standarddeutsch entweder unbekannt ist oder nicht
akzeptiert wird im DaF-‐Kontext. Aber auch andere Faktoren führen dazu, dass sich die DaF-‐
Lehrpersonen nicht um dieses doch wichtige Thema kümmern. Beispielsweise müssen die
Lehrpersonen in Mexiko oftmals einem straffen Programm folgen, bei dem kaum Zeit bleibt,
ein Thema ausserhalb des Lehrwerks aufzugreifen (siehe 5.2.4.1 Subjektive Theorien von
Jean Rousseau). Auch die sehr starke Partnerschaft zwischen Mexiko und Deutschland,
welche mit dem deutsch-‐mexikanischen Jahr 2016/17 72 wieder einmal zum Ausdruck
gebracht wurde, ist sicherlich ebenfalls ein gewichtiger Grund, weshalb die anderen
deutschsprachigen Regionen und deren Varietäten in Mexiko eher unbedeutend sind.
Ein weiteres Problem ist auch das mangelnde Bewusstsein zur Unterscheidung von
Standardsprache, Umgangssprache und Dialekt sowohl bei den Fremd-‐ als auch den
Muttersprachlern. Bei der Frage nach Schweizer und deutschländischen Standardvarianten
wurden v.a. bei den deutschländischen Varianten – wenn überhaupt – umgangssprachliche
oder dialektale Varianten genannt. Dies zeigt auch, dass viele davon ausgehen, die
deutschländischen Standardvarianten wären in allen deutschsprachigen Regionen bekannt
und üblich.
Wie Pusswald zum österreichischen Standarddeutsch (vgl. 2009: 191) konnte auch ich in
meiner exemplarischen Untersuchung feststellen, dass zwar nur wenige Lehrpersonen das
Schweizer Standarddeutsch kennen, die Haltung gegenüber nichtdeutschländischen
Varietäten aber durchaus positiv ist. Viele meiner Gesprächspartner meinten auf die letzte
Frage „Möchten Sie gerne mehr über das Schweizer Standarddeutsch wissen?“, dass sie nach
72 http://www.alemania-‐mexico.com/de/ [zit. am 16.07.2017]
84
dem Interview das Gefühl hätten zu wenig darüber zu wissen und sehr gerne mehr erfahren
würden. Oftmals wurde dann aber auch die Frage gestellt, wo man denn Informationen
darüber holen könnte. Tatsächlich fehlt es an gutem Material für den Unterricht, welches die
sprachlichen Unterschiede der deutschen Varietäten aufgreift. Bei den meisten Quellen zu
den Standardvarietäten handelt es sich nämlich um wissenschaftliche Beiträge, zu welchen
die wenigsten DaF-‐Lehrpersonen einfachen Zugang haben. Es ist somit höchste Zeit, dass ein
Nachschlagewerk wie dasjenige der Variantengrammatik (Dürscheid et al. [erscheint]) online
geht und somit einem breiten Publikum zur Verfügung steht.
Auch in den DaF-‐Lehrwerken besteht v.a. auf sprachlicher Ebene noch grosses
Verbesserungspotential. Einen möglichen Lösungsvorschlag liefert das Schweizer DaZ-‐
Lehrwerk Deutsch in der Schweiz mit seinen Mundart-‐Seiten jeweils am Ende einer Einheit
(vgl. Maurer 2013). Darin werden jeweils auf einer Seite landeskundliche und (mundart-‐)
sprachliche Aspekte der deutschschweizer Regionen aufgegriffen, bei denen hauptsächlich
das Verstehen der Sprachsituation in der Deutschschweiz und der Dialekt-‐Varietäten
angestrebt wird (vgl. ebd.).
Auch beim plurizentrischen Ansatz im DaF-‐Unterricht sollte v.a. das Verständnis für die
sprachliche Situation der deutschsprachigen Regionen im Vordergrund stehen:
Die Berücksichtigung des plurizentrischen Konzepts bedeutet [...] keinenfalls, dass jedes Detail plurizentrisch erörtert werden muss, vielmehr geht es darum, eine positive und tolerante Einstellung der Vielfältigkeit der deutschen Sprache gegenüber zu vermitteln.
Pusswald 2009: 191
Dabei sollten jedoch nicht nur die Standardvarietäten thematisiert werden, sondern auch
Dialekte und Umgangssprache, v.a. wenn die Deutschlernenden auf einen Aufenthalt in
einem deutschsprachigen Gebiet vorbereiten werden sollen. Denn im Alltag hören die
wenigsten das Deutsch, das oftmals als das richtige, perfekte Hochdeutsch angepriesen wird.
Beim plurizentrischen Ansatz im DaF-‐Unterricht sollte es aber nicht nur um die Anerkennung
und Akzeptanz aller Deutschvarietäten gehen, sondern auch darum, den Deutschlernenden
den Umgang mit der deutschen Sprache zu erleichtern. Im Fall der Spanischmuttersprachler
wage ich es beispielsweise zu behaupten, dass das Schweizer Standarddeutsch je nachdem
85
einfacher zu erlernen ist als die deutschländische Varietät73, wie folgende Aussage eines
mexikanischen Deutschlehrers bestätigt:
Ich thematisiere [das Schweizer Standarddeutsch] nur zum Beispiel wegen des Rs. [...] Das mache ich oft. [...] also für mich ist als Nichtmuttersprachler ja mal auch wichtig die Situation mit den Aussprachen zu thematisieren. [...] Und die Leute aufmerksam zu machen dass es eigentlich keine legitime einzige Aussprache gibt. Dass es nicht die eine Aussprache gibt, sondern dass es viele verschiedene legitime Aussprachen gibt.
Gerardo Hernandez (#00:30:12-‐6#)
Zum Schluss bleibt jedoch die Frage, wie sich der plurizentrische Ansatz denn nun am besten
im DaF-‐Unterricht umsetzen liesse. Eine Antwort darauf zu geben würde wieder eine eigene
Arbeit beanspruchen, denn es gilt mehrere Faktoren – wie beispielsweise Zeitdruck,
Zielsetzung der Lernenden oder zur Verfügung gestelltes Material – zu beachten. Es ist aber
zunächst einmal wichtig, „das plurizentrische Konzept bei Deutsch als Fremdsprache noch
besser zu verankern“ (Pusswald 2009: 192), damit die DaF-‐Lehrpersonen auch einmal dazu
motiviert werden, sich damit auseinander zu setzen. Denn das Interesse bezüglich der
Standardvarietäten der deutschen Sprache scheint – zumindest bei meinen Befragten –
gross zu sein, doch durch die mangelnde Ausbildung in diesem Bereich bleibt den meisten
Deutschlehrerinnen und -‐lehrern nichts anderes übrig, als in ihrem Unterricht immer noch
einen eher monozentrischen Ansatz zu verfolgen.
73 z.B. aufgrund der Aussprache (rollendes R), Vokabular (mehr Internationalismen, v.a. aus Französischen) oder Grammatik (Ich habe kalt, Ich gehe nach Mexiko (anstatt Ich fliege/fahre nach Mexiko.)).
86
7. Bibliographie
[ABCD-‐Thesen] (1990): ABCD-‐Thesen zur Rolle der Landeskunde im Deutschunterricht. In: Deutsch als Fremdsprache, Heft 5. S. 306-‐308.
Albrecht, S. (2016): Die Akzeptanz des Schweizer Standarddeutsch in ausländischen
Deutschkursen: Erstellung und Pilotisierung eines Leitfadeninterviews zur Befragung von DaF-‐Lehrpersonen. MA-‐Seminararbeit an der Universität Freiburg (Schweiz).
Auswärtiges Amt (2015): Deutsch als Fremdsprache weltweit. Datenerhebung 2015. URL:
https://www.auswaertiges-‐amt.de/cae/servlet/contentblob/364458/publicationFile/204449/PublStatistik.pdf [zit. am 12.07.2017]
Ammon, U./ Fink, J. / Ebner, J. (2016): Variantenwörterbuch des Deutschen: die
Standardsprache in Österreich, der Schweiz, Deutschland, Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südtirol sowie Rumänien, Namibia und Mennonitensiedlungen. Berlin: Walter de Gruyter.
Ammon U. / Kyvelos, R. (2004): Variantenwörterbuch des Deutschen: die Standardsprache in
Österreich, der Schweiz und Deutschland sowie in Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südtirol. Berlin: Walter de Gruyter.
Ammon U. ( 1995): Die deutsche Sprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das
Problem der nationalen Varietäten. Berlin: Walter de Gruyter. Badstüber-‐Kizik, C. / Burka, A. / Hägi, S. / Schweiger, H. (2016): DACH(L)-‐ABCD. URL:
http://www.idvnetz.org/Dateien/DACHL/DACHL-‐ABCD.pdf [zit. am 26.07.2017] Balhar, S. (2004): Pons Grosswörterbuch Deutsch als Fremdsprache. Stuttgart: E. Klett
Sprachen. Bettermann, R. (2010): D-‐A-‐CH-‐Konzept, das. In: Barkowski, H. (Hrsg.): Fachlexikon Deutsch
als Fremd-‐ und Zweitsprache. Stuttgart: Narr Francke Attempto Verlag. S. 41. Bundesamt für Statistik (2017): Sprachen. URL:
https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bevoelkerung/sprachen-‐religionen/sprachen.html [zit. am 25.07.2017]
Caspari, D. (2001): Vom Interview zum Strukturbild und darüber hinaus. Zur Erforschung des
beruflichen Selbstverständnisses von Fremdsprachenlehrer/innen. In: Müller-‐ Hartmann, Andreas/ Schocker-‐von Dithfurth, Marita, Hrsg., Qualitative Forschung im Bereich Fremdsprachen lehren und lernen. Tübingen: Narr. 238-‐263.
Clalüna, M. (2010): Institutionen und Verbände für Deutsch als Zweit-‐ und Fremdsprache in
der Schweiz. In: Detusch als Fremd-‐ und Zweitsprache. Ein internationales Handbuch. Berlin: Gruyter. Band 1, S. 160-‐166.
87
Clalüna, M. / Etterich B. (Hrsg.) (2009): Deutsch unterrichten zwischen DaF, DaZ und DaM. Akten der Zweiten Gesamtschweizerischen Tagung für Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer 20. Juni und 21. Juni 2008 – Universität Bern. AkDaF und Ledafids.
Clyne, M. (Hrsg.) (1992a): Pluricentric Languages: Differing Norms in Different Nations.
Berlin: Walter de Gruyter. Clyne, M. (1992b): German as a pluricentric language. In: Clyne, M. (Hrsg.): Pluricentric
Languages: Differing Norms in Different Nations. Berlin: Walter de Gruyter. S. 117-‐147. Clyne, M. (1989): How the Macquarie Dictionary is faring in some Victorian schools and
offices. In: Candlin, C. (Hrsg.): Language Learning and Community. Sydney: National Centre for English Language. S. 35-‐46.
Daase, A. / Hinrichs, B. / Settineri, J. (2014): Befragung. In: Settineri, J. / Demirkaya, S. /
Feldmeier, A. / Gültekin-‐Karakoç, N. / Riemer, C.: Empirische Forschungsmethoden für Deutsch als Fremd-‐ und Zweitsprache: Eine Einführung. Paderborn: Ferdinand Schöningh. S. 103-‐122.
De Cillia, R. (2006): Varietätenreiches Deutsch. Deutsch als plurizentrische Sprache und DaF-‐
Unterricht. In: Krumm, H.-‐J. / Portmann-‐Tselikas, P. (Hrsg.): Begegnungssprache Deutsch – Motivation, Herausforderung, Perspektiven. Innsbruck-‐Wien-‐Bozen: Studien Verlag. S. 51-‐65.
De Cillia, R. / Ransmayr, J. (2014): Das österreichische Deutsch und seine Rolle als
Unterrichts-‐ und Bildungssprache. In: Lenz, A. (Hrsg.): Dimensionen des Deutschen in Österreich. Variation und Varietäten im sozialen Kontext. Frankfurt: Peter Lang. S. 57-‐70.
Deutscher Akademischer Austauschdienst (2016): DAAD-‐Bildungssystemanalyse. Mexiko:
Daten & Analysen zum Hochschul-‐ und Wissenschaftsstandort | 2016. URL: https://www.daad.de/medien/der-‐daad/analysen-‐studien/bildungssystemanalyse/mexiko_daad_bsa.pdf [zit. am 12.07.2017]
Diekman, A. (2010): Empirische Forschung: Grundlagen, Methoden, Anwendungen. Reinbek
bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. Dresing, T. / Pehl, T. (2015): Praxisbuch Interview, Transkription & Analyse. Anleitungen und
Regelsysteme für qualitativ Forschende. 6. Auflage. Marburg, 2015. In: www.audiotranskription.de/praxisbuch [zit. am 21.02.2017]
Dudenredaktion (Hrsg.) (2007): Duden richtiges und gutes Deutsch : Wörterbuch der
sprachlichen Zweifelsfälle. Bd. 9. Mannheim: Dudenverlag. Dudenredaktion (Hrsg.) (2004): Duden: Die deutsche Rechtschreibung (23., völlig neu bearb.
u. erw. Aufl.). Bd. 1. Mannheim: Dudenverlag.
88
Dudenredaktion (Hrsg.) (2002): Duden Standardwörterbuch Deutsch als Fremdsprache. Mannheim: Dudenverlag.
Dürscheid, C. / Elspaß, S. / Ziegler, A. [erscheint]: Variantengrammatik des
Standarddeutschen. Ein Online-‐Nachschlagewerk. Dürscheid, C. / Elspaß, S. / Ziegler, A. (2016): Projektskizze: Variantengrammatik des
Standarddeutschen. URL: http://www.variantengrammatik.net/docs/Projektskizze_aktualisiert_2016.pdf [zit. am 21.12.2016]
Dürscheid, C. / Elspaß, S. (2015): Variantengrammatik des Standarddeutschen. In: Kehrein, R.
(Hrsg.): Regionale Variation des Deutschen : Projekte und Perspektiven. Berlin: Gruyter. Dürscheid C. / Elspaß S. / Ziegler A. (2015): Variantengrammatik des Standarddeutschen.
Konzeption, methodische Fragen, Fallanalysen. In: Lenz A. / Glauninger M. (Hrsg.): Standarddeutsch im 21. Jahrhundert. Band 1. Göttingen: V&R unipress. S. 207-‐235.
Dürscheid, C. / Hefti, I. (2006): Syntaktische Merkmale des Schweizer Standarddeutsch. In:
Dürscheid, C. / Businger, M. (Hrsg.): Schweizer Standarddeutsch: Beiträge zur Varietätenlinguistik. Tübingen: Gunter Narr. S. 131-‐161.
Dürscheid C. / Sutter P. (2014): Grammatische Helvetismen im Wörterbuch. In: Zeitschrift für
angewandte Linguistik. Frankfurt/Main: P. Lang. 60(1): S. 37-‐65. Friebertshäuser, B. / Langer, A. (2010): Interviewformen und Interviewpraxis. In:
Friebertshäuser, B. / Langer, A. / Prengel, A.: Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft. Weinheim und München: Juventa. S. 437-‐455.
Götz, D. / Haensch, G. / Wellmann, H. (Hrsg.) (2003):
Langenscheidt Grosswörterbuch Deutsch als Fremdsprache. Berlin: Langenscheidt. Helfferich, C. (2011): Qualität qualitativer Daten. Wiesbaden: VS Verlag für
Sozialwissenschaften. Hägi, S. (2015): Die standardsprachliche Variation des Deutschen als sprachenpolitisch-‐
didaktisches Problem. In: Standarddeutsch im 21. Jahrhundert. Theoretische und empirische Ansätze mit Fokus auf Österreich. Vol. 1. V&R unipress GmbH. S. 111-‐138.
Hägi, S. (2013): Ammon 1995 didaktisiert: Die deutsche Sprache in DACH und ihre
Realisierung im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. In: Schneider-‐Wiejowski, K. (Hrsg.): Vielfalt, Variation und Stellung der deutschen Sprache. Berlin: De Gruyter. S. 537-‐548.
Hägi, S. (2006): Nationale Varietäten im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. Frankfurt am
Main: Peter Lang GmbH.
89
Helbig, G. / Buscha, J. (2001): Deutsche Grammatik : ein Handbuch für den Ausländerunterricht. Berlin: Langendscheidt.
Hinrichs, U. (2013). Multi Kulti Deutsch: Wie Migration die deutsche Sprache verändert.
München: CH Beck. Kellermeier-‐Rehbein B. (2014): Plurizentrik: Einführung in die nationalen Varietäten des
Deutschen. Berlin: Erich Schmidt Verlag. Kruse, J. (2014): Qualitative Interviewforschung: Ein integrativer Ansatz. Weinheim und
Basel: Beltz Juventa. Kuckartz, U. (2016): Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung.
3. Auflage. Weinheim und Basel: Beltz Juventa. Kuckartz, U. / Dresing, T. / Rädiker, S. / Stefer, C. (2008): Qualitative Evaluation. Der Einstieg
in die Praxis. Wiesbaden: VS-‐Verlag. Langer, A. (2010): Transkribieren – Grundlagen und Regeln. In: Friebertshäuser, B. / Langer,
A. / Prengel, A. (Hrsg.): Handbuch qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft. Weinheim: Juventa-‐Verlag. S. 515-‐526.
Lingg, A. (2006): Kriterien zur Unterscheidung von Austriazismen, Helvetismen und
Teutonismen. In: Dürscheid, C. / Businger, M.: Schweizer Standarddeutsch. Beiträge zur Varietätenlinguistik. Tübingen: G. Narr. S. 23-‐48.
Maurer, E. (2013): Deutsch in der Schweiz A2: Ein Sprachkurs für Erwachsene. Zug: Klett und
Balmer. Muhr, R. (2007): Österreichisches Aussprachewörterbuch, Österreichische
Aussprachedatenbank. Frankfurt a.M.: P. Lang. Pusswald C. (2009): Das Plurizentrische Modell in der Praxis des DaF-‐Unterrichts: Eine
Analyse anhand des österreichischen Deutsch. Saarbrücken: Südwestdeutscher Verlag für Hochschulschriften.
Radtke, E. (1986): Substandard als ästhetische Wertung in der Sprachgeschichte. In: Holtus,
G. (Hrsg.): Sprachlicher Substandard I. Tübingen: Niemeyer. S. 105-‐124. Ransmayr, J. (2012): Zur Wahrnehmung der Varietäten des Deutschen im Unterricht für
Deutsch als Muttersprache und Deutsch als Fremdsprache. In: Der Sprachdienst 5: 198-‐207.
Ransmayr, J. (2006): Der Status des Österreichischen Deutsch an nichtdeutschsprachigen
Universitäten. Eine empirische Untersuchung. Frankfurt a. M., Wien: Peter Lang.
90
Scharloth, Joachim (2006): Schweizer Hochdeutsch – schlechtes Hochdeutsch? In: Dürscheid, C. /Businger, M. (Hrsg.): Schweizer Standarddeutsch. Beiträge zur Varietätenlinguistik. Tübingen: Narr. S. 81-‐96.
Schmidlin R. (2011): Die Vielfalt des Deutschen: Standard und Variation. Gebrauch,
Einschätzung und Kodifizierung einer plurizentrischen Sprache. Berlin: Walter de Gruyter.
Schmidt, C. (2010): Auswertungstechniken für Leitfadeninterviews. In: Friebertshäuser, B.
(Hrsg.): Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft. Weinheim: Juventa-‐Verlag. S.473-‐486.
Schmölzer-‐Eibinger, S. (1996): Interkulturelles Lernen und Zweitsprachenunterricht.
Entwicklung und Begutachtung von interkulturellen Lehrmaterialien für den Unterricht „Deutsch als Zweitsprache“. Dissertation an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Karl-‐Franzens-‐Universität Graz.
Scholl, A. (2015): Die Befragung. Konstanz: UVK. Schweizerischen Verein für die deutsche Sprache (2012): Duden -‐ Schweizerhochdeutsch:
Wörterbuch der Standardsprache in der deutschen Schweiz. Mannheim: Dudenverlag. Steffen, J. (2010): Deutsch in Mexiko. In: Detusch als Fremd-‐ und Zweitsprache. Ein
internationales Handbuch. Berlin: Gruyter. Band 2, S. 1740-‐1744. Witzel, A. (2000): Das problemzentrierte Interview. In: Forum Qualitative Sozialforschung /
Forum: Qualitative Social Research, 1/1 Art. 22. URL: http://www.qualitative-‐research.net/index.php/fqs/article/view/1132/2520 [zit. am 12.12.2016].
[Zertifikat Deutsch] Weiterbildungs-‐Testsysteme GmbH / Goethe-‐Institut / Österreichisches
Sprachdiplom Deutsch / Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (Hrsg.) (1999): Zertifikat Deutsch. Lernziele und Testformat. Frankfurt a.M.
7.1 E-‐Mail
Adarve, G. (2017): Aw: Anfrage für DaF/DaZ-‐Masterarbeit zum Thema Variantengrammatik [[email protected]; 11.05.2017]
Adarve, G. (2017): Aw: Auswertung Korrekturlesen von Sätzen mit deutschschweizer
Varianten [[email protected]; 12.07.2017]
7.2 Zeitungsartikel
Arnet, H. (18.04.2016): Deutsch und uneindeutig. Tages-‐Anzeiger, URL: http://www.tagesanzeiger.ch/wissen/bildung/Deutsch-‐und-‐uneindeutig-‐/story/10525615 [zit. am 10.07.2017].
91
7.3 Internetseiten
Informationen zur Ausbildung zum Kursleiter für Deutschkurse -‐ SVEB-‐Lehrgang ADEFA www.enaip.ch/berufsbildung/sveb-‐lehrgang-‐adefa/ [zit. am 02.08.2017]
Informationen zum Deutsch-‐mexikanischen Jahr 2016/17:
www.alemania-‐mexico.com/de/ [zit. am 26.07.2017] Internationaler Deutschlehrerverband / DACHL-‐Prinzip:
idvnetz.org/dachl-‐online [zit. am 26.07.2017] LEO-‐Wörterbuch:
dict.leo.org [zit. am 26.07.2017] Linguee-‐Wörterbuch:
www.linguee.de [zit. am 26.07.2017] Mexikanischer Deutschlehrerverband:
www.ampal.org [zit. am 26.07.2017] Online-‐Duden:
www.duden.de [zit. am 26.07.2017] Österreichisches Aussprachewörterbuch / Österreichische Aussprachedatenbank:
www.adaba.at [zit. am 26.07.2017] PONS Online-‐Wörterbuch:
www.pons.de [zit. am 26.07.2017] Variantengrammatik des Standarddeutschen:
www.variantengrammatik.net [zit. am 26.07.2017]
7.4 Interviewte DaF-‐Lehrpersonen in Mexiko74
1. Fiona Dittrich (Deutschland)
2. Wiebke Fischer (Deutschland)
3. Christian Hoffner (Deutschland)
4. Daniela Huber (Deutschland)
5. Nils Imhof (Deutschland)
6. Josef Kalkhoff (Deutschland)
7. Lars Müller (Deutschland)
74 Die Namen wurden zur Anonymisierung geändert.
92
8. Jan Osterman (Deutschland)
9. Dieter Pauli (Deutschland)
10. Stefan Pfeifer (Deutschland)
11. Diana Fernandez (Mexiko)
12. Enrique García (Mexiko)
13. Karla Gomez (Mexiko)
14. Gerardo Hernandez (Mexiko)
15. Sebastián Martínez (Mexiko)
16. Sergio Urquia (Mexiko)
17. Lukas Kälin (Schweiz)
18. Maya Wydler (Schweiz)
19. Jean Rousseau (Frankreich)
8. Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Amtssprachregion der deutschen Sprache (Ammon 1995: 13) ....... Seite 7
Abbildung 2: Sprachgebiete Deutschlands (Ammon et al. 2016: LIII) ................. Seite 10
Abbildung 3: Beispiel aus der VG: Plural von Tunnel (Dürscheid et al. [erscheint]) ........
..................................................................................................................... Seite 14
Abbildung 4: Relative areale Varianz (Dürrscheid et al. 2015: 219) .................... Seite 14
Abbildung 5: areale Verteilung von die resp. das E-‐Mail (vgl. Dürscheid et al. [erscheint])
..................................................................................................................... Seite 31
Abbildung 6: areale Verteilung von Pluralformen von Park (vgl. Dürscheid et al. [erscheint])
..................................................................................................................... Seite 33
Abbildung 7: areale Verteilung von parken resp. parkieren (vgl. Dürscheid et al. [erscheint])
..................................................................................................................... Seite 36
93
9. Anhang75
9.1 E-‐Mail zur Rekrutierung der Interviewpartner76
Estimados Señores, Soy estudiante de maestría en Deutsch als Fremdsparche (alemán como lengua extranjera) en la Universität Freiburg en Suiza. Para mi tesis estoy buscando profesores de alemán en el extranjero que podrían participar en mi encuesta. Les dejo más detalles más abajo en alemán. Saludos cordiales, Sandra Albrecht Sehr geehrte Damen und Herren Ich studiere an der Universität Freiburg in der Schweiz Deutsch als Fremd-‐ und Zweitsprache. Für eine Befragung im Rahmen meiner Masterarbeit bin ich momentan auf der Suche nach DaF-‐Lehrpersonen im Ausland. Da ich Mexiko durch ein Auslandsemester in 2012 schon gut kenne, lag die Entscheidung nahe, dass ich meine Umfrage dort durchführen möchte. Gerne würde ich Sie für meine Masterarbeit zum Thema „Status des Schweizer Standarddeutsch in ausländischen Deutschkursen“ befragen. Ich werde im Januar und anfangs Februar 2017 auch persönlich vor Ort sein, um Interviews an verschiedenen Deutschschulen in ganz Mexiko durchzuführen. Die Befragung würde folgendermassen ablaufen: Im Vorfeld beantworten Sie online Fragen zu Ihrer Person und dem Institut, wo Sie Deutsch unterrichten. Dies dauert ca. 5 bis 10 Minuten; die Antworten dienen der Vorbereitung für die mündliche Befragung. Während der mündlichen Befragung erhalten Sie zuerst 10 schriftliche Sätze, die z.T. grammatikalische Fehler beinhalten. Falls Sie einen Fehler erkennen, korrigieren Sie diesen und begründen Ihren Entscheid mündlich. Anschliessend werde ich Sie noch zu Ihrem Wissen und Ihrer Einstellung zu den Varietäten des Deutschen befragen. Das Interview dauert ca. 1 bis 1.5 Stunden. Ich würde mich über eine Rückmeldung freuen und hoffe, auch Sie interviewen zu dürfen. Freundliche Grüsse Sandra Albrecht 75 Die Anhang-‐CD ist nur in der Printversion dieser Masterarbeit verfügbar. Bei Interesse kann die Autorin kontaktiert werden: [email protected]. 76 Dies ist nur ein Beispiel. Der Inhalt der E-‐Mail hat sich im Verlauf der Suche nach DaF-‐Lehrpersonen immer ein bisschen verändert, da der Rücklauf zu Beginn eher unbefriedigend war.
94
9.2 Einverständniserklärung zur Befragung
Liebe DaF-‐Lehrperson
Ich, Sandra Bettina Albrecht, studiere an der Universität Freiburg (Schweiz) Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Zweitsprache. Für den Abschluss meines Masterstudiums verfasse ich eine Arbeit über die Plurizentrik des Deutschen. Darin möchte ich insbesondere die Akzeptanz resp. den Status des Schweizer Standarddeutsch in ausländischen DaF-‐Kursen erforschen.
Zu diesem Zweck führe ich u.a. auch Interviews durch. Die Teilnahme dazu erfolgt auf freiwilliger Basis. Auf folgende Punkte wird besonders Wert gelegt:
• Bei Unsicherheiten oder Bedenken kann der/die Teilnehmer/in während des Interviews jederzeit Fragen stellen und auch sagen, dass er/sie das Interview beenden möchte.
• Das Interview wird aufgezeichnet. Auf Wunsch kann der/die Teilnehmer/in die Aufzeichnung vor der Weiterverwendung für die Masterarbeit hören und seine/ihre Aussagen gegebenenfalls anpassen oder zurückziehen.
• Die Antworten und Daten des/der Teilnehmers/in werden für die Masterarbeit transkribiert und anonymisiert.
• Auf Wunsch kann der/die Teilnehmer/in nach Abgabe der Masterarbeit über die Ergebnisse informiert werden.
Für den/die Teilnehmer/in:
Mit meiner Unterschrift bestätige ich, dass ich ausreichend über das Forschungsprojekt der Masterarbeit von Sandra Bettina Albrecht und über meine Rechte aufgeklärt wurde. Ausserdem erkläre ich mich mit meiner Unterschrift dazu bereit, an diesem Interview teilzunehmen.
_________________ _______________________________________ Ort, Datum Unterschrift
95
9.3 Transkriptionsleitfaden
Für die Transkription der Interviews habe ich mich für ein einfaches Transkriptionssystem mit Zeilennotation entschieden, das sich an den Normen der Standardorthographie orientiert. Bei der späteren qualitativen Auswertung der Interviews wird auf den semantischen Inhalt der Gespräche eingegangen; sozio-‐ resp. psycholinguistische Aspekte stehen bei dieser Forschungsarbeit nicht im Fokus, weshalb ein Feintranskript, wie es beispielsweise im Gesprächsanalytischen Transkriptionssystem (GAT) vorgeschlagen wird, nicht notwendig ist (vgl. Langer 2010: 520, 523). Die Transkriptionsregeln wurden aus Kuckartz et al. (2008), Langer (2010) und Dresing et al. (2015) entnommen:
• Es wird wörtlich transkribiert, also nicht lautsprachlich oder zusammenfassend. • Dialekt wird übersetzt ins Standarddeutsch. Falls keine eindeutige Übersetzung
möglich ist, wird der Dialekt beibehalten (z.B. Ich gehe heuer auf das Oktoberfest.) • Die Sprache und Interpunktion wird an das Schriftdeutsch angenähert (z.B. Er hatte
noch so‘n Buch genannt à Er hatte noch so ein Buch genannt.). • Redewendungen/Idiome werden wörtlich wiedergegeben (z.B. übers Ohr hauen statt
über das Ohr hauen).
• Es gilt die Standardorthographie mit normaler Gross-‐ und Kleinschreibung. • Die Interpunktion wird zu Gunsten der Lesbarkeit geglättet, das heisst bei kurzem
Senken der Stimme oder uneindeutiger Betonung wird eher ein Punkt als ein Komma gesetzt. Dabei sollten Sinneinheiten beibehalten werden.
• Komposita werden – wenn nötig – mit Bindestrich geschrieben • Akronyme werden so belassen, wie sie normalerweise geschrieben werden. • Zahlwörter werden ausgeschrieben.
• Zustimmende bzw. bestätigende Lautäusserungen der Interviewer (Mhm, Aha etc.)
werden nicht mit transkribiert, sofern sie den Redefluss der befragten Person nicht unterbrechen.
• Jeder Sprecherbeitrag erhält eigene Absätze. Zwischen den Sprechern gibt es eine
freie, leere Zeile. • Am Ende der Absätze werden Zeitmarken eingefügt (z.B. #00:00:00-‐1#). • Die interviewende Person wird durch „Interviewer“, die befragte Person durch ein
willkürlich ausgewähltes achtstelliges Kürzel, bestehend aus je vier Buchstaben und Zahlen, gekennzeichnet (z.B. „abcd1234“).
• Alle Angaben, die einen Rückschluss auf eine befragte Person erlauben, werden anonymisiert.
96
[ ] simultanes Sprechen77
(.) sehr kurze Pause
(-‐) kurze Pause bis 2 Sekunden
(-‐-‐) mittlere Pause bis 4 Sekunden
(-‐-‐-‐) lange Pause ab 5 Sekunden
(10) Pause in Sekunden
äh, öh, ähm etc. Verzögerungssignal / „gefüllte Pause“
hm, ja, nein, nee einsilbige Signale
mhm, hmhm zweisilbiges Signal (bejahend, verneinend)
(hustet), (lacht), (räuspert), (überlegt) etc. parasprachliche bzw. nonverbale Handlung, steht vor der entsprechenden Stelle, * markiert das Ende
(hustet, 10 Sek) dito, mit Angabe der Dauer
(unv.) unverständliche Passage ohne weitere Angabe
(unv., Handystörgeräusch) unverständliche Passage mit Angabe der Ursache
(unv., 3 Sek) unverständliche Passage mit Angabe der Dauer
(solche?) vermuteter Wortlaut, nicht sicher rekonstruierbar
LAUT laut gesprochen
leise leise gesprochen
betont betont gesprochen
gedehnt gedehnt gesprochen
da sagt der: „Komm her“ Zitat innerhalb der Rede
gegang-‐ Wortabbruch
(Interviewpartner scheint sehr aufgewühlt) Anmerkung der Transkribierenden
(nächster Satz) Hinweis beim ersten Teil des Interviews; zeigt an, wann zum nächsten Satz gewechselt wurde.
77 Sobald die Aussagen aber zitiert werden, stehen die eckigen Klammern für Auslassungen ([...]) oder eigene Ergänzungen ([falls etwas nicht gesagt wurde]).
97
9.4 Transkript vom Interview mit Enrique García78
###comment_start### Interviewpartner: Enrique García Kürzel: egok3790 Datum: 17.01.2017 Dauer: 49:10 Geschlecht: m Muttersprache: Spanisch Nationalität: Mexikaner Interviewsituation: ruhiger Ort in der Sprachschule, Kursraum unten, keine relevanten Störungen Sonstiges: Interviewpartner schien ein bisschen nervös; unterrichtet an zwei verschiedenen Orten der Sprachschule. ###comment_end### (Einleitung in das Interview) egok3790: Wenn Sie Fragen haben, können Sie mir ein E-‐Mail schreiben. äääh, die Artikel ist falsch, es sollte eine E-‐Mail sein. #00:02:51-‐0# Interviewer: Mhm, also, feminin die E-‐Mail. #00:03:00-‐1# egok3790: Feminin ja, die E-‐Mail. #00:03:02-‐9# Interviewer: Und da bist du dir zu hundert Prozent sicher, oder würdest du das noch nachschauen? #00:03:05-‐1# (-‐-‐) #00:03:10-‐3# egok3790: Mmh, ich bin hundert Prozent sicher. #00:03:12-‐4# Interviewer: Mhm, also das würdest du nicht mehr nachschlagen in [Google oder so?] #00:03:16-‐0# egok3790: [Ne] ne ne #00:03:20-‐3# (-‐-‐-‐) #00:03:22-‐8#
78 Die restlichen Transkripte können auf der Anhang-‐CD gefunden werden.
98
egok3790: Ähm, ich freue mich, dass ich lerne Deutsch. Was falsch in diesem Satz steht ist ähm ist hier steht ein Nebensatz und das Verb sollte am Ende stehen. Deswegen sollte dass ich Deutsch lerne. Bin hundert Prozent sicher. #00:03:38-‐1# Interviewer: Das würdest du auch nicht nachschauen? #00:03:48-‐5# egok3790: Ne #00:03:52-‐1# Interviewer: Ne, ok. #00:03:51-‐6# (-‐-‐) #00:03:47-‐5# egok3790: In Basel gibt es viele schöne Pärke. (-‐) mmmh, ich glaube es ist hier, das Problem ist dass (.) äh es ist äh plural (.) Pärke klingt irgendwie komisch (.) (unv.) gibt es viele schöne Parks sollte eigentlich sein (-‐-‐) sonst finde ich gar keine grammatikalischen Fehler ausser Pärke. Ich glaube es ist Parks. #00:04:31-‐9# Interviewer: Würdest du das jetzt nachschauen? Oder würdest du das automatisch so korrigieren [zu Parks]? #00:04:39-‐1# egok3790: [Ne, ich würde es nachschauen]. Also, ich bin mir sicher dass Pärke falsch ist. Aber die richtige, was richtig ist bin ich nicht sicher. Ob Parks ist oder Parke. Ok ja, da würde ich nach-‐ nachschauen. #00:04:57-‐5# Interviewer: Und wo würdest du nachschauen? #00:04:58-‐0# egok3790: Ääähm, im (.) Duden oder dict.leo oder PONS auch. #00:05:09-‐1# Interviewer: Ja. #00:05:11-‐8# egok3790: Mhm. #00:05:13-‐6# Interviewer: Ok #00:05:14-‐8# egok3790: Am Abend habe ich noch ein Film geschaut. (.) Hier die Deklination ist falsch. Äh Film ist der Film maskulin. Und hier Film ist ein Akkusativobjekt deswegen es sollte am Abend habe ich noch einen Film geschaut. #00:05:40-‐4# Interviewer: Mhm #00:05:38-‐9# egok3790: Einhundert Prozent [sicher.] #00:05:40-‐0# Interviewer: [Hundert Prozent] ok. #00:05:43-‐0# (-‐-‐) #00:05:43-‐9#
99
egok3790: Monika ist (.) achtzehnjährig (-‐-‐-‐) hmmm (-‐-‐-‐) hier (-‐-‐-‐) achtzehnjährig (.) also dieses Adjektiv ich hatte ich habe nur gelesen als äh (-‐) ähm also mit einem (.) mit einem No-‐ mit einem Nomen. Zum Beispiel das achtzigjährige Mädel oder so? #00:06:34-‐1# Interviewer: Mhm #00:06:34-‐1# egok3790: Äh hier (-‐) mmh es gibt immer es gibt immer ein Fehler? #00:06:42-‐1# Interviewer: Es kann auch korrekt sein. Also ein paar sind falsch, ein paar sind richtig. #00:06:48-‐1# (-‐) #00:06:47-‐3# egok3790: Monika ist (.) (unv.) im Satz das achtzigjährige Mädel, achtzigjährig ist ein Adjektiv, deklinierte Adjektiv (.) und hier ist es ja ein ganz eine ganz nor-‐ normale Adjektiv (-‐) mmmh (unv.) ist achtzehn Jahre alt (-‐) ja hier bin ich nicht sicher ob das richtig oder falsch ist. #00:07:18-‐6# (-‐-‐) #00:07:20-‐6# Interviewer: Und wenn es falsch ist, wie würdest du es korrigieren? #00:07:24-‐8# egok3790: Äääh, Monika ist achtzehn Jahre alt. Also da bin ich sicher dass es richtig ist, dass der Satz richtig ist, aber hier ich bin mir nicht sicher ob das ob dieses Adjektiv auch so verwendet werden äh könnte (.) deswegen ich bin mir nicht sicher (unv.) ich würde (-‐) äh in Linguee vielleicht nachschauen, in Linguee stehen äh komplette Texten im Kontext. Da, ja. #00:07:58-‐8# Interviewer: Ja, ok. #00:08:06-‐5# egok3790: Das ist meine Lieblingsfoto. (-‐) Das Foto ist neutrum, deswegen sollte das ist mein Lieblingsfoto sein. #00:08:18-‐5# Interviewer: Hundert Prozent sicher? Oder würdest du noch nachschlagen? #00:08:21-‐9# egok3790: Ja, hundert Prozent sicher. #00:08:21-‐9# (-‐-‐) #00:08:23-‐9# egok3790: Ich habe ich habe vor dem Haus parkiert. (.) parkiert. Ääähm, also das parkiert habe ich nie gehört, das habe ich ja (.) weder gehört noch gelesen. Geparkt habe ich gehört oder abstellen (.) deswegen glaube ich hier dieses Verb es ist (.) oder umgang79, entweder umgang oder falsch. (.) Ich würde sagen ich habe vor dem Park vor dem Haus geparkt. #00:09:13-‐0#
79 umgangssprachlich
100
Interviewer: Mhm #00:09:11-‐4# egok3790: Ich würde ja (.) geparkt wäre das richtige. Einhundert Prozent. #00:09:19-‐8# Interviewer: Einhundert Prozent. Das würdest du auch nicht mehr nachschauen? #00:09:22-‐1# egok3790: Ne. #00:09:22-‐3# Interviewer: Ne. #00:09:22-‐4# egok3790: Ich finde es gut gibt es dieses Angebt. (.) Angebot (-‐-‐) ääh (-‐) Angebot. (.) Ich finde es gut gibt es dieses Angebot (-‐-‐) mmh (-‐) ich hab-‐ ich habe Problem damit wenn äh ich bin sicher dass diese die zwei Sätze sind sehr komisch ähm (.) verbunden, nacheinander verbunden. Hier fehlt entweder dass oder einfach nur Punkt und dann es gibt ne ich finde es gut (.) gibt es dieses Angebot. Und Angebot (-‐) mmh (-‐-‐) #00:10:28-‐8# Interviewer: Also du störst dich an zwei Dingen im Moment, oder? #00:10:29-‐7# egok3790: Ja, und äh, ich überlege was der Artikel von Angebot ist. #00:10:34-‐4# Interviewer: Mhm #00:10:35-‐1# egok3790: Das Angebot oder die Angebot. Ja, von Artikel bin ich nicht sicher. Das würde ich im in einem Wörterbuch nachschlagen. #00:10:45-‐5# Interviewer: Mhm #00:10:46-‐5# egok3790: Die Angebot, klingt mir besser. Das ist diese Angebot. (.) Und (-‐) ich würde es als ein dass-‐Nebensatz formulieren. Ich finde es gut dass (.) es (.) diese Angebot gibt. #00:11:09-‐0# Interviewer: Mhm, also Nebensatz mit dass. #00:11:12-‐5# egok3790: Nebensatz mit dass, und (.) äh (.) und ich müsste auch ääh (.) das Artikel von Angebot rausfinden. #00:11:22-‐5# Interviewer: Mhm, also würdest du nur Angebot nachschauen, oder würdest du die Satzkonstruktion auch nachschauen? #00:11:30-‐9# (-‐-‐) #00:11:31-‐9# egok3790: Ich finde es gut gibt es (-‐) Ich würde es reformulieren #00:11:40-‐4# Interviewer: Mhm #00:11:41-‐6# egok3790: Mhm (unv.) irgendwie klingt komisch. #00:11:45-‐9#
101
Interviewer: Ja. Also da bist du dir sicher das kann so nicht korrekt sein. #00:11:49-‐7# egok3790: Mhm #00:11:51-‐3# Interviewer: Ja. #00:11:51-‐4# egok3790: Ja. #00:11:52-‐7# Interviewer: Mhm #00:11:53-‐2# egok3790: Und die Leute in meiner Klasse ist sehr nett. (.) Hier die Leute ist plural. Deswegen Verb und Subjekt übereinstimmen gar nicht. Die Leute in meiner Klasse sind sehr nett #00:12:20-‐9# Interviewer: Mhm. #00:12:20-‐8# egok3790: ist für mich der das richtige. #00:12:22-‐3# Interviewer: Und würdest du das noch nachschauen? Oder bist du dir da zu hundert Prozent sicher? #00:12:28-‐7# egok3790: Ich bin neunzig Prozent sicher. #00:12:29-‐8# Interviewer: (lacht) Also du würdest es noch nachschauen (.) zur Sicherheit? #00:12:33-‐7# egok3790: Die Leute (.) die Leute ist (.) naja ich bin mir einhundert Prozent sicher aber die Leute ist (unv.) ist eigentlich fast gar nicht. Die Leute sind sehr nett. Die Leute in meiner Klasse sind sehr nett. Ja. Einhundert Prozent sicher. #00:12:47-‐8# Interviewer: Ok. #00:12:49-‐3# egok3790: Ich habe das Badzimmer und die Küche geputzt. (-‐) Mmmh (-‐-‐-‐) das Badzimmer und die Küche geputzt. Das (unv.) das ist Perfekt. Ich das ist Subjekt (.) Bade-‐ Badzimmer (-‐) ähm ich glaube das was hier falsch ist ist Bad-‐ Badzimmer #00:13:29-‐5# Interviewer: Mhm #00:13:32-‐0# egok3790: Ich glaube es ist Badezimmer. (.) Ich würde es äh im Internet im Pons äh nachschauen, nach-‐ ja nachsuchen. #00:13:45-‐3# Interviewer: Ja. #00:13:45-‐9# egok3790: Badezimmer. #00:13:46-‐5# Interviewer: Also da bist du dir nicht ganz sicher ob es sein könnte. #00:13:52-‐5# egok3790: Ich glaube es ist Badezimmer, aber ich bin nicht ganz sicher. #00:13:54-‐5#
102
Interviewer: Ja. [Ok] #00:13:56-‐5# egok3790: [Weil] sonst äh das ist richtig, das gibt es gar keine grammatikalische Fehler. Es ist Perfekt, da steht Subjekt, Badezimmer und Küche sind Akkusativ, und die Artikel passt. Ja. #00:14:14-‐7# Interviewer: Mhm, super. Gut, also das wäre mal der erste Teil zum Interview gewesen. #00:14:19-‐1# (Übergang zum zweiten Teil des Interviews) #00:14:34-‐8# Interviewer: Ich habe noch eine Einstiegsfrage und zwar also wir hatten ja erst seit gestern E-‐Mail-‐Korrespondenz, aber ist dir jetzt da irgendwie etwas aufgefallen ähm wie ich geschrieben habe zu meinem Deutsch oder fällt dir jetzt etwas auf wenn wir so miteinander sprechen etwas Spezielles das du vorher irgendwie noch nie so gehört hast im Deutsch? #00:15:19-‐5# egok3790: (-‐) Mmmh (-‐) ne es gibt ääh also ich musste nichts im Wörterbuch suchen, nach nichts im Wörterbuch suchen, ich habe alles verstanden. Ähm, naja es gibt keine (.) Besonderheit. #00:15:41-‐4# Interviewer: Nichts? #00:15:44-‐1# egok3790: Ja. #00:15:44-‐9# Interviewer: Ok. Hm. Ähm ich habe dir diese Frage gestellt weil ich aus der Schweiz bin, (räuspert) und wie gesagt es gibt ja verschiedene Standarddeutsch, also das aus Deutschland Österreich und der Schweiz. Und wichtig dazu zu sagen ist dass erstens diese Standarddeutsch die können sich in Aussprache wie du jetzt sicher bei mir hörst, wenn du das zum Beispiel mit ich weiss nicht von wo Lisa K. oder Steffi K. ist, ich glaub Steffi ist von Deutschland oder? #00:16:19-‐0# egok3790: Ääh ja (unv.) aus kommen aus Deutschland, aus äh (.) Jens kommt aus der Schweiz aber Jens hat einen ganz äh ganz anderen Akzent als du. #00:16:32-‐5# Interviewer: Echt? [Ja]. #00:16:33-‐7# egok3790: [Ja]. (-‐) Äh und hier arbeitet auch Janosch, aber er hat äh (-‐) er kommt aus Ungarn, für ihn ist Deutsch für ihn auch eine Fremdsprache. Aber ja die anderen kommen auch alle aus Deutschland. #00:16:52-‐6# Interviewer: Mhm, ähm genau, und Aussprache ist so das was man als erstes wahrnimmt, ähm, im Vokabular können sie sich auch unterscheiden und auch in der Grammatik. Ähm, wichtig dazu ist zu sagen dass es sich um diese Standarddeutsch es sind alles Hochsprachen, also es sind nicht Dialekte sondern alles Hochsprachen, ähm ja und wir fokussieren uns jetzt im zweiten Teil des Interviews auf den deutschen Standard und auf den Schweizer Standard. Ähm genau und der erste Teil des zweiten Teils wären vier Fragen zum Schweizer Standarddeutsch deiner Deutschschule wo du unterrichtest also hier. Die erste Frage wäre,
103
wurde das Schweizer Standarddeutsch hier an dieser Schule mal thematisiert, sei das in deinen eigenen Kursen oder im Gespräch mit Lehrpersonen oder weil du selber eine Frage hattest zum Schweizer Standarddeutsch wurde das bei dir irgendwie mal thematisiert? #00:17:57-‐6# egok3790: Ähm, ok ich bin mir sich-‐ ich bin mir nicht sicher ob das ob ich die Frage verstanden habe, also wie würde ich äh (.) die verschiedene Akzenten oder nochmal bitte die Frage #00:18:15-‐5# Interviewer: Ähm, (räuspert) also wird das Schweizer Standarddeutsch ähm das Deutsch so wie es in der Schweiz ähm das Hochdeutsch wie es in der Schweiz gebraucht wird wurde das mal thematisiert? #00:18:27-‐2# egok3790: Thematisiert? #00:18:29-‐5# Interviewer: Mhm, also zum Beispiel vielleicht im Lehrwerk wurde da gesagt ähm [in Österreich sagt man das so in der Schweiz so] #00:18:36-‐5# egok3790: [Ah, ok ja ja ja] #00:18:37-‐2# Interviewer: Oder hattet ihr mal eine Diskussion unter Lehrern. #00:18:42-‐0# egok3790: Also wir arbeiten hier mit Menschen von Hueber-‐Verlag, und da ist manchmal zum Beispiel sogar bei A1.1 äh (.) dann (.) steht wie man in Deutschland in Österreich und der Schweiz sich verabredet #00:19:10-‐4# Interviewer: Mhm. #00:19:10-‐6# egok3790: Und äh (.) aber eigentlich gibt es ganz ganz kleine oder gibt es fast nie (.) mmh also das das ist kein Thema in diesen Bücher das habe ich bemerkt. Es ist alles auf Hochdeutsch von Hannover gerichtet, nur am Anfang ist mit Begrüssung und Verabredungen wird das Thema mmh von verschiedene Regionen ähm (-‐) äh wird zu (überlegt) como se dice (.) also nur am mal ganz am Anfang ist das äh beigebracht. Aber es ganz ganz ganz klein wie gesagt nur Begrüssungen und Verabredungen. #00:20:00-‐8# Interviewer: Ja. #00:20:01-‐6# egok3790: Mhm, und das ist alles wa-‐ ääh A A bei A2.1 gibt es ja (-‐) ne es gibt nichts. Oder vielleicht gibt es doch aber ich als Fremdsprach-‐ äh (unv.) als Lehrer mit Spanisch als Muttersprache hat vielleicht merke ich das nicht. Aber ich glaube dass alles was ich in der im Buch lese und unterrichte äähm (.) Standarddeutsch aus als aus Hannover ist. #00:20:41-‐6# Interviewer: Mhm ja, und mit den Lehrerkollegen oder so hattest du nie eine Diskussion darüber? Jetzt speziell mit wie heisst er Janosch? Oder #00:20:51-‐6# egok3790: Mit Janosch? #00:20:52-‐1# Interviewer: Ähä #00:20:52-‐6#
104
egok3790: Ne, eigentlich nicht. #00:20:54-‐1# Interviewer: Nicht. Ja. #00:20:55-‐7# egok3790: Ne, ich habe keine Diskussion gehabt darüber. #00:20:59-‐5# Interviewer: Ok. Äähm, genau jetzt von diesen drei deutschen Standardvarianten80 (räuspert) was würdest du sagen, welche sollte oder welche sollten in Mexiko unterrichtet werden? Also du kannst auch sagen nur eine Standardvariante80 oder alle drei (räuspert) #00:21:20-‐5# egok3790: Mhm #00:21:21-‐2# (-‐) #00:21:22-‐2# Interviewer: Und auch noch begründen wieso würdest du das so machen. #00:21:27-‐8# egok3790: Naja äähm. (-‐) also ich finde es ääh (.) es gibt in Mexiko ein es gibt eine grosse und starke Beziehung zwischen Mexiko und Deutschland. Äh mit diesem DAAD ääh deutsche wie heisst das? Äääh deutsch #00:21:50-‐0# Interviewer: Akademischer #00:21:51-‐5# egok3790: Austauschdienst? #00:21:53-‐5# Interviewer: Mhm. #00:21:54-‐6# egok3790: Ok so was. Äääh und die davon viele Programme äh an Mexikaner angeboten und zum Beispiel ich habe Ingenieurwissenschaft studiert und fast alle (.) also alle die nach ein deutschsprachiges Land äh in ein deutschsprachiges Land einen Austausch gemacht haben waren alle in Deutschland. Ääh von einem Kumpel habe ich gehört er ist dann nach Österreich geflogen, aber fast alle nach Deutschland. Deswegen ich finde es ääh ich halte es für sinnvoll dass das Deutsch aus Deutschland hier unterrichtet wird. Aber ich glaube dass es wäre sehr (.) hmm für die neugierige Leute wie zum Beispiel ich, ich hätte gerne zum Beispiel Beurisch gelernt. #00:23:05-‐0# Interviewer: Bayrisch? #00:23:05-‐9# egok3790: Bayrisch. #00:23:06-‐6# Interviewer: Also der Dialekt, ja. (lacht) #00:23:07-‐4# egok3790: Ääh, ich glaube Bayrisch und das Deutsch äh von Österreich sind ähnlich, ähneln sich, und deswegen, ich habe da auch gelebt, und hatte grosse Probleme damit Deutsch zu verstehen, äääh, und ja deswegen ich hätte gerne oder ich würde noch gerne äh Bayrisch lernen, deswegen ähm ich finde es schon sinnvoll dass das Deutsch aus Deutschland am
80 Fehler in der Terminologie. Gemeint ist hier Standardvarietät.
105
meistens unterrichtet wird aber es sollte auch mehrere (.) es sollte auch die andere Möglichkeit geben für die die anderen äh Deutsch-‐ ähm die anderen Varianten von Deutsch lernen wollen. #00:23:51-‐8# Interviewer: Mhm, also quasi mit Fokus auf deutsches Standdarddeutsch, aber ähm österreichisches und Schweizer Standdarddeutsch auch thematisieren im Unterricht. #00:24:03-‐7# egok3790: Genau. #00:24:03-‐5# Interviewer: Ja. #00:24:03-‐8# egok3790: Also, zum B-‐ ja weil sie sind gar nicht thematisiert. #00:24:08-‐4# Interviewer: Mhm. #00:24:08-‐9# egok3790: Es ist nur einfach nur Hochdeutsch als Hochdeutsch als aus Hannover und das alles. #00:24:15-‐6# Interviewer: Und wie findest du das dass nur das Hochdeutsch aus Hannover thematisiert wird? Findest du das manchmal schade? Würdest du da [gerne mehr (.) vermitteln?] #00:24:26-‐0# egok3790: [Ich finde dass] ääh viele (-‐) ich finde dass viele Praktikanten und viele Studenten damit Probleme haben wenn sie in Deutschland angekommen sind. Weil sie sind nur an den Akzent von Norddeutschland gewöhnt, und dann ich, ääh, also das ist auch zu mir passiert, ich war auch in Sachsen und äähm also solche Kleinigkeiten wie zum Beispiel eins zwo drei vier ähm (.) ähm also sie werden nie im Unterricht gelernt deswegen ich finde es wichtig dass viele Varianten von der deutsche Sprache in Österreich gelernt werden. #00:25:16-‐6# Interviewer: Mhm ja, also das hätte dir auch geholfen? [Beim ersten Mal in Deutschland] #00:25:21-‐3# egok3790: [Ja, auf jeden Fall] genau. #00:25:22-‐5# Interviewer: Mhm. (räuspert) Ääähm, dann wieder zurück zum Schweizer Standarddeutsch. Würdest du Schweizer Texte zum Beispiel Zeitungsartikel oder literarische Texte es gibt zum Beispiel Bücher von Max Frisch ist ein bekannter Schriftsteller aus der Schweiz, ähm würdest du solche Texte als Unterrichtsmaterial verwenden? #00:25:50-‐8# egok3790: Ähm (.) ich glaube (-‐) ähm (-‐) also das ist abhängig vom Niveau, weil hier in der Deutschschule unterrichte ich da nur Niveau A1 und A2. Und ich bin mir nicht sicher ob das passen werde ääh solche ähm (.) äh also zum Beispiel ich würde nie ein Text von Goethe in meinem Kurse äh (.) mmh #00:26:25-‐3# Interviewer: Brauchen #00:26:25-‐5#
106
egok3790: brauchen, ja. Deswegen ich glaube ich glaube dass für die erste Niveaus nicht. #00:26:31-‐5# Interviewer: Mhm. Wenn du mal ein höheres Niveau unterrichten würdest, so B2 C1, könntest du dir das vorstellen? #00:26:40-‐1# egok3790: Ja auf jeden Fall. Also ich denke es würde sehr hilfreich sein und beim lesen (.) ähm lernt man immer mehr immer sehr viel Wortschatz, und ich bin mir sicher dass da viel Wortschatz äh die nicht in Deutschland benutzt wird steht, deswegen es ist es ist ja (-‐) es ist wichtig dass man ein breites Vokabular hat. #00:27:17-‐6# Interviewer: Ähm, aber in dem Fall hast du noch nie Schweizer Texte benutzt oder österreichische? #00:27:22-‐7# egok3790: Ne noch nie. #00:27:22-‐9# Interviewer: Nicht. Ja. (.) Ähm, dann wenn jetzt deine Schüler sagen, sie möchten Deutsch im deutschsprachigen Gebiet lernen, wo würdest du ihnen empfehlen hinzugehen um Deutsch zu lernen. Gibt es da eine Region die du besonders empfehlen würdest oder gibt es eine Region die du überhaupt nicht empfehlen würdest? #00:27:46-‐4# egok3790: Ähm, ja also (.) ich würde sie nie empfehlen Deutsch in Bayern zu lernen. Also weil ich finde (-‐) ähm da sollte man lernen mit einem schon mit einem mit Grundlangen, weil ich finde es noch schwieriger, deswegen zum Beispiel wenn sie schon zwei oder drei Jahre in Mexiko gelernt haben und dann nach Deutschland wollen, ich würde sie empfehlen also nach Hamburg oder Hannover zu gehen. Sonst äh aber wenn sie eine echte Herausforderung haben wollen, dann nach Österreich oder der Schweiz, ja, weil der Akzent komplett anders ist. #00:28:46-‐8# Interviewer: Und Herausforderung inwiefern? Inwiefern wäre das herausfordernd? #00:28:52-‐4# egok3790: Im Hörverstehen vor allem, ja, vielleicht beim Lesen das Problem wäre einfach nur Wortschatz, aber beim Hörverstehen ist es ja ganz anders. #00:29:04-‐1# Interviewer: Ja, ok. Ääähm, mhm (.) dann zu deinem Wissen über das Schweizer Standarddeutsch. Was denkst du wie viel weisst du überhaupt über das Schweizer Standarddeutsch? #00:29:19-‐9# egok3790: Leider ganz wenig. Weil also wie gesagt ich war nur ein Jahr in Deutschland und das ganze (.) und ich finde zum Beispiel ich finde während dieses Aufenthalts bin ich nie nach der Schweiz geri-‐ ge-‐ äh gefahren. Und in Österreich war ich auch nur drei Tagen ungefähr, deswegen hatte ich da gar ke-‐ äh wenig Kontakt mit äh mit der Leute und Akzent. Ähm, deswegen kann ich nicht einschätzen äh (.) wie (.) also kann ich nicht einschätzen was für mich bedeutet also (.) der Deutsch aus der Schweiz. #00:30:13-‐1# Interviewer: Mhm. Kennst du irgendwelche Ausdrücke die man nur in der Deutschschweiz benutzt? #00:30:19-‐1#
107
egok3790: In der Schweiz? #00:30:21-‐0# Interviewer: Mhm. #00:30:21-‐0# egok3790: Ähm (-‐-‐) ne leider nicht. #00:30:26-‐6# Interviewer: Gar nichts? #00:30:26-‐9# egok3790: Gar nichts. #00:30:27-‐8# Interviewer: Oder kennst du irgendwelche Ausdrücke die man nur in Deutschland braucht aber nicht in der Schweiz oder Österreich? #00:30:34-‐0# egok3790: (überlegt) Ähmm hmm, das Problem das ich weiss nicht zum Beispiel ich kenne etwa Umgangssprache, zum Beispiel was geht ab oder so, solche Begrüssungen. Aber ich weiss nicht ob die aus Deutschland sind oder sie äh über-‐ übergenommen wurden von Österreich oder der Schweiz. Deswegen ähm ich bin mir nicht sicher. Oder zum Beispiel geil, das Wort geil. Ich weiss schon dass die nur (.) das sagen nur die Jugend, aber ich weiss nicht ob das auch in Österreich oder in der Schweiz auch gesagt wird. #00:31:33-‐6# Interviewer: Mhm, ähm, also geil wird auch in der Schweiz gesagt [(lacht)]. #00:31:39-‐3# egok3790: [Ja?] #00:31:39-‐9# Interviewer: Genau. Ähm es ist aber nicht mehr so ein Modewort wie vorher. Also als ich Teenager war das total angesagt das Wort. Mittlerweile gibt es andere Wörter (lacht) #00:31:50-‐1# egok3790: (unv.) es hat schon sich weiterentwickelt. #00:31:55-‐1# Interviewer: Ähm, genau, jetzt stell dir vor du hättest zwei Texte, ein Text ist aus der Schweiz ein Text ist aus Deutschland. Ähm, denkst du du könntest sagen nur anhand dem was du liest in den Texten welcher Text aus Deutschland und welcher Text aus der Schweiz ist? Und wenn ja, warum würdest du das merken? #00:32:16-‐3# egok3790: (überlegt) hmm (-‐-‐-‐) Ich glaube dass ich würde es merken ääh wegen der Wortschatz (-‐) vielleicht. Äääh (-‐) ja, das Problem ist dass ich habe nie einen Text gelesen, also alle Texte die ich gelesen habe sind von Bücher die ich in Deutschland gekauft habe deswegen (.) ich weiss nicht wie vielschichtig die Sprache veranlagt von ein Land (unv.) von der Schweiz. Aber wenn ich beide Texte lese und eine mehr als andere verstehe dann ich würde es sagen dass den Text das ich verstehen habe wäre aus äh der Schweiz. #00:33:13-‐3# Interviewer: Aus der Schweiz ja. Einfach rein wegen dem Verständnis wegen. #00:33:16-‐9# egok3790: Genau. #00:33:17-‐2#
108
Interviewer: Ja. Äähm. Genau. Dann das wäre die letzte Frage, würdest du gerne mehr über das Schweizer Standarddeutsch wissen? #00:33:29-‐0# egok3790: Ja, ich würde gerne, also ich bin neugierig. Ich bin, als ich in Deutschland war wollte ich ein Satz von allen (.) von allen die anderen Varianten lernen, zum Beispiel auf Sächsisch. Ich wollte, ich habe immer gefragt eeeh bitte bitte sag ein Satz auf Sächsisch und dann ich habe das damals gemerkt, jetzt habe vergessen. Ähm oder in München zum Beispiel wos host gsogt oder so was. (unv.) Ääh, ich war auch in Stuttgart und ein Kumpel von einem Kumpel hat uns auch ein bisschen äh (überlegt) #00:34:09-‐4# Interviewer: Schwäbisch oder? #00:34:09-‐3# egok3790: Schwäbisch äh beigebracht. Ääh, ja, also, wenn ich in der Schweiz gewesen wäre, dann ähm (.) ähm würde ich bestimmt was von den Leute was lernen (.) mmh (.) also ich hätte das da was lernen wollen, ääh so, deswegen ja ich glaube also ich bin dafür interessiert die Varianten von Deutsch zu lernen. #00:34:45-‐5# Interviewer: Mhm. Hast du mal gehört wie die Sprachsituation in der Deutschschweiz ist? #00:34:52-‐2# egok3790: In der Deutschschweiz ist? #00:34:54-‐3# Interviewer: Mhm #00:34:54-‐6# egok3790: Ne, also ich weiss nur dass in der Schweiz vier Sprachen, sie hat [vier offizielle] Sprachen? #00:35:01-‐9# Interviewer: [Genau]. Ja. #00:35:02-‐5# #00:35:05-‐6# egok3790: Und, ääh, ich habe einmal gehört, dass jemand der Französisch konnte, ääh, gar nichts von einem Mann von der Schweiz verstanden konnte, auch auf Französisch. Äh, deswegen, also ich weiss dass die Sprache schon sich verändert. Bei dir ist es ääh, es wundert mich, weil ich kann dir ja viel verstehen. Ich dachte, also weiss nicht ob du typisch Deutsch aus der Schweiz sprichst oder als Masterstudentin neutrales Deutsch sprichst wie in jeder Hauptstadt in Deutschland oder Österreich oder der Schweiz. (-‐) Ähm. #00:36:08-‐2# Interviewer: Also ähm in der Schweiz ist die Sit-‐ also in der Deutschschweiz sagen wir so, ist die Situation so dass man liest und schreibt auf Hochdeutsch so wie das in Deutschland auch üblich ist. Ähm aber im Alltag wenn man miteinander spricht ist egal ob an der Arbeit privat ähm manchmal sogar an der Uni in der Schule spricht man Dialekt. Und wenn Leute in der Schweiz in der Deutschschweiz Deutsch lernen ist es manchmal sehr frustrierend, weil sie lernen auch zu sprechen und zu hören auf Hochdeutsch und dann gehen sie hinaus auf die Strasse und niemand spricht mit ihnen Hochdeutsch, auf jeden Fall nicht auf Anhieb weil die Leute sprechen sich gegenseitig eben auf Dialekt an. Und manchmal ist es schwierig weil es gibt auch viele Leute die sprechen Hochdeutsch aber verstehen Dialekt und dann zum Beispiel meine Schüler in der Schweiz die sprechen dann auf Hochdeutsch bekommen die Antwort aber auf Dialekt und das ist dann ziemlich frustrierend. Oder es gibt auch viele
109
Deutsche die wissen es g-‐ man spricht Dialekt in der Schweiz, dann kommen sie in die Schweiz zum Arbeiten für ihre was auch immer und sind dann überrascht dass sie trotzdem so viel verstehen. Nur merken sie nicht dass wir mit ihnen Hochdeutsch sprechen und nicht im Dialekt, sie denken der Akzent sei schon der Dialekt. Aber wenn wir im Dialekt sprechen ist das wieder was ganz anderes. #00:37:39-‐3# egok3790: Jetzt sprichst du gar kein Dialekt oder? #00:37:40-‐7# Interviewer: Jetzt spreche ich nur Hochdeutsch, genau (lacht) #00:37:43-‐6# egok3790: (unv.) #00:37:44-‐4# Interviewer: Was stimmt ich habe nicht so einen starken Akzent wie andere Schweizer. Andere Schweizer haben einen viel stärkeren Akzent der von ihrem Dialekt gefärbt ist. Ähm meiner ist auch gefärbt vom Schweizerdeutsch aber nicht so stark wie bei anderen. Es gibt Leute die sprechen Hochdeutsch aber Ausländer haben dann trotzdem Mühe diese Person zu verstehen, das stimmt schon ja. Ähm ja (.) ähm also, genau, im alltäglichen Leben sprechen wir einfach Dialekt. Das ist wahrscheinlich auch so ein Grund warum das Schweizer Standarddeutsch nicht so populär ist zum unterrichten im Ausland weil ähm eben wenn man in die Schweiz kommt mit den Leuten spricht dann hört man meistens Dialekt und nicht Hochdeutsch. Und wir haben auch nicht so wirtschaftlichen Einfluss wie jetzt zum Beispiel Deutschland. Eben Deutschland wie du gesagt hast hat eine sehr starke Beziehung zu Mexiko auch im wirtschaftlichen Sinne, ähm das haben wir nicht. Ähm (-‐) ja genau. Ziel meiner Arbeit ist einfach um zu sehen wie viel wissen die Leute im Ausland überhaupt über das Schweizer Standarddeutsch, ähm also die Leute die unterrichten, weil der Trend in der Wissenschaft ist mehr und mehr dass man diese drei Standards aus Österreich Schweiz und Deutschland dass man die gleichstellen möchte. Und im Moment ist es mehr Deutschland gilt halt immer als korrekter als das Deutsch aus Österreich und der Schweiz. #00:39:18-‐6# egok3790: Aha, als korrekter? Tja, also vielleicht, ich würde nicht sagen als korrekter sondern es ist das einzige das beigebracht würde (.) wird. Weil die anderen zum Beispiel ich habe ganz wenig Vorwissen oder ganz wenig Wissen von also wie das sich anhört (-‐) ähm (-‐) ja also der Kontakt mit der Deutsch aus der Schweiz ich würde sagen existiert gar nicht. #00:39:53-‐7# Interviewer: Mhm, jetzt mit dieser einen Lehrperson aus der Schweiz sprichst du gar nie [mit ihm?] #00:40:00-‐2# egok3790: [Ja das] Problem ist dass er arbeitet es gibt zwei (.) wie heisst das? Äh zwei Deutschschulen, das ist eine und der andere liegt in San Pedro. #00:40:10-‐0# Interviewer: Ah, deshalb, ja. #00:40:11-‐3# egok3790: Und er ist immer äh nicht immer hier. Deswegen wir sehen uns nur beim Teamtreffen oder so. #00:40:19-‐1# Interviewer: Ja. Ok, ja. (.) Ähm, ja hast du sonst noch irgendwelche Fragen über das Interview meine Arbeit das Schweizer Standarddeutsch. #00:40:35-‐2#
110
egok3790: Ähm, also das ist deine Masterarbeit und am Ende machst du einen Bericht und machst du Vorschläge wie das sich verändern könnte oder was ist der Ziel? #00:40:44-‐0# Interviewer: Ähm, nein ich mache jetzt quasi nur eine Momentaufnahme, wie sieht die Situation momentan in Mexiko aus, wie viel wissen sie überhaupt, und der Titel der Arbeit ist die Akzeptanz des Schweizer Standarddeutsch in ausländischen Deutschkursen, das heisst ich möchte auch sehen ähm wird das Schweizer Standarddeutsch überhaupt akzeptiert. Jetzt in deinem Fall scheint das so zu sein, aber du weisst einfach noch sehr wenig über das Schweizer Standarddeutsch. Es gibt aber auch, also als ich das erste mal hier in Mexiko war ich habe an der Universidad Internacional studiert, und dort haben sie auch sehr viel Sprachkurse und dort gab es zum Beispiel eine Lehrperson die hat gesagt: „Ja bei mir lernt ihr das eine wahre Deutsch und das Deutsch aus Österreich und der Schweiz das ist nicht korrekt. Ich spreche das Deutsch aus Hannover und das ist das einzig korrekte.“ Also es gibt immer noch auch solche Lehrpersonen die so denken. Ähm (.) ja. #00:41:41-‐4# egok3790: Aber im Endeffekt e-‐ also ich habe gehört ääh (ich war auch in) (unv.) Dresden. Und äh, also ich wusste schon vorher als ich in Mexiko noch war dass es in Deutschland viele viele Dialekten gab und als ich da war es war ganz ähm unsere Lehrerin hat uns erzählt wie das funktioniert mit oder äh wie und welche Akzenten es gibt und sagst du das äh Hochdeutsch ist nicht nur als eine andere Akzent die als Standard genommen wurde, aber jemand hat das gewöllt aber hat gesagt dass irgend andere Akzente konnte auch ähm hätte auch ausgewählt äh #00:42:34-‐0# Interviewer: werden können #00:42:35-‐7# egok3790: werden können, aber äh, für eine oder andere Gründe ist Hoch-‐ ist Deutsch als aus Hannover genommen, aber das bedeutet nicht dass (.) also sie hat uns gesagt das bedeutet nicht dass das das Richtige ist. #00:42:51-‐3# Interviewer: Mhm, ja genau, ja. Ja es ist ein bisschen ein neuer Trend im Moment, also das ist erst so in den Achtzigerjahren hat man gesagt alle Standarddeutsch sind gleichwertig und dann irgendwie in den Anfang Zweitausender gab es dann erste Wörterbücher, ich habe das glaub auch aufgelistet im Online-‐Fragebogen, das Variantenwörterbuch von Ammon, ich weiss nicht ob du das jemals gesehen hast. Aber er hat dann eben auch das österreichische deutsche und Schweizer Standarddeutsch das Vokabular miteinander verglichen und ein ganzes so ein dickes Wörterbuch herausgegeben. Ähm (räuspert) ja und je länger je mehr ähm ist die Akzeptanz grösser auch für die anderen beiden Standarddeutsch. Und im Moment gibt es an der Universität Zürich Salzburg und Innsbruck ein Projekt zum Thema Variantengrammatik, also die unterschiedliche Grammatik zwischen den Standarddeutsch und das ist so ein bisschen der Schwerpunkt meiner Arbeit. Deshalb habe ich dir diese Sätze gegeben, ähm und das sind ja zehn Sätze und sechs von denen sind korrekt. #00:44:00-‐5# egok3790: Sechs sind #00:44:03-‐7# Interviewer: Sechs sind korrekt. #00:44:05-‐1# egok3790: Die anderen sind korrekt? #00:44:06-‐8#
111
Interviewer: Mhm, ähm das heisst, also ich sage dir jetzt welche korrekt sind und es sind alle korrekt nach Schweizer Standard. #00:44:13-‐1# egok3790: Ah, ok. #00:44:15-‐0# Interviewer: Genau. Also dieser Satz ist korrekt. Ähm wie du aber gesagt hast eine E-‐Mail wäre in Deutschland korrekt, in der Schweiz kannst du entweder die E-‐Mail oder das E-‐Mail sagen. #00:44:27-‐0# egok3790: Ah, ok. #00:44:28-‐1# Interviewer: (räuspert) Das E-‐Mail ist auch standardisiert und im Duden kannst du das auch sehen dass es in der Schweiz auch das E-‐Mail gibt. (hustet) Entschuldigung. (nächster Satz) Ähm, das ist falsch, das ist ein Satz von einer Schülerin von mir. (nächster Satz) Ähm Pärke, lustigerweise hast du es gibt drei Pluralformen. #00:44:52-‐3# egok3790: Von Park? #00:44:52-‐8# Interviewer: Aha #00:44:53-‐0# egok3790: [Ok.] #00:44:53-‐9# Interviewer: [Ähm] Du hast glaub Parke und Parks gesagt oder? Das sind zwei Pluralformen und Pärke ist die Pluralform die ausschliesslich in der Schweiz benutzt wird. #00:45:02-‐9# egok3790: Ah ok, deswegen, ja. #00:45:05-‐2# Interviewer: (räuspert) Ähm, das ist so teils teils falsch. Ich habe noch zwei Sätze die vom Sprachwandel betroffen sind und das wäre jetzt einer. Ähm also im Mündlichen gibt es schon sehr viele Leute die nur ein Film sagen anstatt einen Film. Und vielleicht so in zwanzig dreissig fünfzig Jahren hat sich dann das vielleicht auch etabliert im schriftlichen Bereich. #00:45:31-‐0# egok3790: Mhm. #00:45:32-‐6# Interviewer: Ähm (.) genau aber heutzutage zum Schreiben muss man noch einen Film schreiben, das ist so. (nächster Satz) ähm, dann das ist nach Schweizer Standard korrekt, also man kann achtzehnjährig auch als äh auch prädikativ heisst das benutzen und das wird auch viel in Zeitungen benutzt. Also #00:45:54-‐8# egok3790: Aber in Deutschland ist das auch korrekt? #00:45:59-‐6# Interviewer: Ähm, nach deutschem Standard braucht man das nicht nein, also das wird nur in der nach Schweizer Standard gebraucht. #00:46:03-‐1# egok3790: Ah ok, deswegen, also ich habe das nie gelesen, also so ein ähm dieses Adjektiv (.) also dieses als Adjektiv verwendet in solche Sätze habe ich nie gelesen. #00:46:18-‐1#
112
Interviewer: Mhm, genau. Also das ist nur nach Schweizer Standard. (nächster Satz) ähm das ist auch betroffen vom Sprachwandel, also im Duden steht auch dass man die Foto sagen kann in der Schweiz und das kommt wahrscheinlich vom Einfluss vom Französischen la photo, ähm aber schreiben tut das kein Mensch mehr in der Schweiz also in der Schweiz schreiben wir auch alle das Foto und (.) ich habe noch nie die Foto gelesen. In den Dialekten sagt man manchmal die Foto, ähm, ja aber im Standarddeutsch würde ich das als nicht mehr die Foto. (.) ähm (nächster Satz) parkieren, das ist so ein Klassiker. In Deutschland sagt man parken in der Schweiz sagt man parkieren, in Deutschland sagt man grillen, in der Schweiz grillieren. #00:47:13-‐8# egok3790: Aah, ok ok. #00:47:14-‐8# Interviewer: Es gibt viele Wörter im Schweizer Standard die mit ieren aufhören. Ähm parkieren ist auch so ein Wort. (nächster Satz) ähm, das ist mein Lieblingssatz aus diesen zehn Sätzen weil alle Schweizer sagen es ist korrekt es gibt keinen Fehler und alle Deutsche sagen das stimmt überhaupt nicht das muss ein Nebensatz mit dass sein. Ähm aber nach Schweizer Standard ist das korrekt, kann man ähm das dass weglassen und [das Verb] #00:47:44-‐1# egok3790: [Angebot ist] das Angebot? #00:47:46-‐7# Interviewer: Das Angebot ja. Die Angebot geht meines Wissens nicht hmhm. (.) Vielleicht wegen la oferta no? #00:47:54-‐8# egok3790: Mhm. #00:47:56-‐5# Interviewer: Ja, ja aber das Angebot. Da ging es vor allem eben um diese Satz-‐ Nebensatzkonstruktion. (nächster Satz) äähm, das ist komplett falsch, also eben es müsste die Leute sind sehr nett wie du gesagt hast. Ähm (nächster Satz) das hast du richtig gesehen, ähm, in Deutschland sagt man eher Badezimmer und in der Schweiz eher Badzimmer. In der Schweiz lässt man vielfach das Fugen-‐e oder Fugen-‐s nennt man das weg. #00:48:30-‐2# egok3790: Aha, dann in Deutschland, also in der Schweiz das wäre ganz richtig? #00:48:36-‐6# Interviewer: Genau, also Badzimmer kann man so sagen, ja. mhm
113
9.5 Auswertungsleitfaden
Für die qualitative Analyse habe ich mich v.a. an der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2016: 97-‐121) orientiert. Als erstes habe ich die Aussagen der Lehrpersonen nach Satz aufgeteilt. Pro Satz gab es also eine entsprechende Kategorie (z.B. das E-‐Mail), welche die gesamte Aussage zur Korrektur beinhaltet. Danach wurde jeder Satz nach folgenden Kategorien abgesucht:
• Korrektur von Schweizer Variante o Kommentare zur Schweizer Variante o Kommentar zu Handhabung in Lehrwerken und Unterricht o Erklärung für Fehler (Überlegungen der LP, wie der Fehler entstanden ist) o Korrektur nach Niveaustufen (je nach Niveau der Lernenden, wird der Fehler
unterschiedlich beurteilt) o Korrektur nach deutschem Standard o Korrektur mit Nachschlagen
§ Nachschlageoptionen o Korrektur ohne Nachschlagen
• Keine Korrektur o Vermutung einer Variante (wenn LPs eine Variante vermuten, sich aber nicht
hundert Prozent sicher sind) o Wissen einer Variante o keine Korrektur mit Hinweis auf Schweizer Variante
• stilistische Kommentare (Kommentare der LPs zu stilistischen Aspekten in den Sätzen) o Variante stilistisch ungewohnt
• Korrektur eines grammatikalisch korrekten Ausdrucks o Korrektur mit Nachschlagen
• Kommentare zu Varietäten o Terminologiegebrauch der verschiedenen Varietäten (welche Begriffe
benutzen die LPs, wenn sie von den verschiedenen Standardvarietäten sprechen?)
Die gesamte Auswertung kann auf der Anhang-‐CD als Excel-‐Datei gefunden werden.
114
9.6 Strukturbild von Enrique García81
81 Die verschiedenfarbigen Felder zeigen an, welche Statements inhaltlich zusammenhängend sind. Die schwarzen ausgezogenen Pfeile zeigen die Zusammenhänge zwischen Statements an, welche unmittelbar aus dem Interviewtext ableitbar sind. Zusammenhänge, die von mir interpretiert wurden, sind durch gestrichelte Pfeile erkennbar.
115
10. Ehrenwörtliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich meine Masterarbeit selbständig und ohne unerlaubte
fremde Hilfe verfasst habe.
Ort: Fribourg
Datum: 16.08.2017
Unterschrift: