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Martin-Scherer - Spektrogramme - Die Farben Des IGing

Date post: 09-Aug-2015
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Titel: Chinesische Medizin 1 05/2011 Dieser Artikel ist mit freundlicher Genehmigung entnommen aus Ausgabe 05/11. Bestellen Sie Ihr Probeheft oder testen Sie die neue Download-Möglichkeit im Zeitschriften-Archiv von www.comed-online.de. Dipl.-Ing.(FH) Martin Scherer Spektrogramme – Die Farben des I Ging Neue Farbzuordnung der Trigramme und Hexagramme aus dem Buch der Wandlungen „Das Buch der Wandlungen ist weit und groß. Redet man von der Ferne, so kennt es keine Schranken. Redet man von der Nähe, so ist es still und recht. Redet man vom Raum zwischen Himmel und Erde, so umfasst es alles“ 1 , heißt es in einem der Kom- mentare zum I Ging, der mich sehr bewegt hat, steht er doch in besonderer Bezie- hung zu meinem Forschungsgebiet: die Tiefe und Weisheit des I Ging, repräsentiert in der faszinierenden Erscheinung der Spektralfarben. Sie entfalten sich in der Erd- atmosphäre, in jenem Raum zwischen Himmel und Erde, wenn das Licht der Sonne darin eintaucht. Im Folgenden werde ich zum einen erklären, in welchem tieferen Zusammenhang das I Ging und die Farben des prismatischen Farb- saums stehen. Zum anderen werde ich zeigen, wie die Trigramme und Strichcodierung des I Ging mittels der Farbenlehre Johann Wolfgang von Goethes farblich vollständig repräsentiert werden können. Und schließlich können Sie in Ergänzung hierzu im Fachkreise-Bereich auf www.comed-online.de anhand eines Fallbei- spiels nachvollziehen, wie ich mit den Farb- säumen und den aus den Hexagrammen des I Ging berechneten farbsymmetrischen Mus- tern, so genannten Spektrogrammen, arbei- te. Für nähere Betrachtungen möchte ich an dieser Stelle noch auf meine Internetseite ver- weisen, auf der ich meine Forschungsarbeit detailliert veröffentlicht habe. Geschichte und Aufbau des I Ging Zum besseren Verständnis meiner Arbeit soll zunächst die Rede vom I Ging selbst und sei- nen wesentlichen Prinzipien sein. Das I Ging gilt als ein Hauptwerk fernöstlichen Denkens und enthält die Essenz der chinesi- schen Philosophie. Seine Ursprünge vor etwa 5.000 Jahren liegen in alten schamanischen Heil- und Vorhersagemethoden. Die Strichco- dierung der Tri- und Hexagramme des I Ging geht auf entsprechende Knochenfunde zu- rück. Der Überlieferung nach soll um 3000 v. Chr. der legendäre chinesische Kaiser Fu Xi die wesentlichen Prinzipien des I Ging auf- gestellt haben. Ein Jahrtausend später arbei- teten König Wen Wang und sein Sohn, die Be- gründer der Dschou-Dynastie, an den Texten weiter. Um 500 v. Chr. wurde es neu heraus- gegeben und möglicherweise von Konfuzius selbst umfassend kommentiert. Das I Ging wird in China seit dem 2. Jahrhun- dert v. Chr. als der wichtigste unter den klas- sischen, konfuzianischen Texten angesehen. Konfuzius soll gesagt haben, er schätze das I Ging so hoch, dass er sich wünschte, er mö- ge noch fünfzig Jahre mehr Zeit haben, es zu studieren. Das Wort „Ging“ bedeutet klassi- scher Text oder auch kanonisches Buch. Das „I“ wurde zur Zeit der Dschou-Dynastie dem „Ging“ vorangestellt und steht für „Eidechse“ oder auch „Chamäleon“ als Sinnbild für Wan- delbarkeit und auch Wendigkeit. Beide Na- mensbestandteile haben zu der heute üblichen Bezeichnung „I Ging – Das Buch der Wand- lungen“ geführt. Das I Ging besteht insgesamt aus drei Bü- chern. Das erste Buch, der Ursprungstext, mit seinen 64 Abschnitten und Hexagrammen ist das eigentliche Weissagungsbuch. Das spä- ter hinzugefügte zweite Buch besteht aus ei- ner Sammlung von Kommentaren aus der Zeit des Konfuzius. Das dritte Buch schließlich ist eine Art Glossar mit Zitaten und Kommenta- ren verschiedener, namentlich nicht bekann- ter Autoren. 2 Trigramme und Hexagramme Das I Ging ist eine der klassischen Quellen der Yin-Yang-Lehre, auf der auch die chinesische Philosophie und die Chinesische Medizin be- ruhen. Das Höchste oder auch Unbenennba- re Letzte (Dao) ist dieser Lehre nach allge- genwärtig, allmächtig und allwissend und geht der Erschaffung von Raum und Zeit voraus. Aus ihm entsteht das Universum im ewigen Wechselspiel von Yin und Yang, den beiden kosmischen polaren Urkräften der Natur. In die- ses Wechselspiel von Yin und Yang sind wir als Menschen (im Idealfall harmonisch) ein- gebunden. Kern des I Ging sind acht Trigramme mit ei- ner Strichcodierung aus drei waagerechten Li- nien, welche entweder unterbrochen oder durchgezogen sind. Die unterbrochene Linie _ _ symbolisiert das ruhend bewahrende Yin. Die durchgezogene Linie __ dagegen steht für die komplementäre Grundkraft des schöpfe- risch bewegenden Yang. Jedes aus Yin und Yang gebildete Trigramme wiederum steht für eine bestimmte Naturkraft und ein damit verknüpftes universelles Prin- zip. In symbolischer Übertragung besitzen die Abb. 1: Das Hexagramm 38 „Der Gegensatz“ besteht aus den Trigrammen „See“ (unten) und „Feuer“ (oben). 1 I Ging, Buch 2, Kapitel VI, Übertragung des Verhält- nisses des SINNS auf das Buch der Wandlungen, § 1, in: I Ging, Das Buch der Wandlungen, aus dem Chine- sischen übertragen und erläutert von Richard Wilhelm (Originalausgabe 1924), neu herausgegeben von Ulf Diederichs, München 2005, S. 279. Richard Wilhelm war ein deutscher Sinologe, der als erster das I Ging ins Deutsche übersetzte. 2 Vgl. Carol K. Anthony: Handbuch zum klassischen I Ging, München 1998 (2.Aufl.), S. 16-20.
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Titel: Chinesische Medizin

105/2011

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Dipl.-Ing.(FH) Martin Scherer

Spektrogramme – Die Farben des I GingNeue Farbzuordnung der Trigramme und Hexagramme aus dem Buch der Wandlungen

„Das Buch der Wandlungen ist weit und groß. Redet man von der Ferne, so kennt eskeine Schranken. Redet man von der Nähe, so ist es still und recht. Redet man vomRaum zwischen Himmel und Erde, so umfasst es alles“1, heißt es in einem der Kom-mentare zum I Ging, der mich sehr bewegt hat, steht er doch in besonderer Bezie-hung zu meinem Forschungsgebiet: die Tiefe und Weisheit des I Ging, repräsentiertin der faszinierenden Erscheinung der Spektralfarben. Sie entfalten sich in der Erd-atmosphäre, in jenem Raum zwischen Himmel und Erde, wenn das Licht der Sonnedarin eintaucht.

Im Folgenden werde ich zum einen erklären,in welchem tieferen Zusammenhang das I Ging und die Farben des prismatischen Farb-saums stehen. Zum anderen werde ich zeigen,wie die Trigramme und Strichcodierung des I Ging mittels der Farbenlehre Johann Wolfgangvon Goethes farblich vollständig repräsentiertwerden können. Und schließlich können Sie inErgänzung hierzu im Fachkreise-Bereich aufwww.comed-online.de anhand eines Fallbei-spiels nachvollziehen, wie ich mit den Farb-säumen und den aus den Hexagrammen desI Ging berechneten farbsymmetrischen Mus-tern, so genannten Spektrogrammen, arbei-te. Für nähere Betrachtungen möchte ich andieser Stelle noch auf meine Internetseite ver-weisen, auf der ich meine Forschungsarbeitdetailliert veröffentlicht habe.

Geschichte und Aufbau des I Ging

Zum besseren Verständnis meiner Arbeit sollzunächst die Rede vom I Ging selbst und sei-nen wesentlichen Prinzipien sein.

Das I Ging gilt als ein Hauptwerk fernöstlichenDenkens und enthält die Essenz der chinesi-schen Philosophie. Seine Ursprünge vor etwa5.000 Jahren liegen in alten schamanischenHeil- und Vorhersagemethoden. Die Strichco-dierung der Tri- und Hexagramme des I Ginggeht auf entsprechende Knochenfunde zu-rück. Der Überlieferung nach soll um 3000 v. Chr. der legendäre chinesische Kaiser FuXi die wesentlichen Prinzipien des I Ging auf-gestellt haben. Ein Jahrtausend später arbei-teten König Wen Wang und sein Sohn, die Be-gründer der Dschou-Dynastie, an den Textenweiter. Um 500 v. Chr. wurde es neu heraus-gegeben und möglicherweise von Konfuziusselbst umfassend kommentiert.

Das I Ging wird in China seit dem 2. Jahrhun-dert v. Chr. als der wichtigste unter den klas-sischen, konfuzianischen Texten angesehen.Konfuzius soll gesagt haben, er schätze dasI Ging so hoch, dass er sich wünschte, er mö-ge noch fünfzig Jahre mehr Zeit haben, es zustudieren. Das Wort „Ging“ bedeutet klassi-scher Text oder auch kanonisches Buch. Das„I“ wurde zur Zeit der Dschou-Dynastie dem„Ging“ vorangestellt und steht für „Eidechse“oder auch „Chamäleon“ als Sinnbild für Wan-

delbarkeit und auch Wendigkeit. Beide Na-mensbestandteile haben zu der heute üblichenBezeichnung „I Ging – Das Buch der Wand-lungen“ geführt.

Das I Ging besteht insgesamt aus drei Bü-chern. Das erste Buch, der Ursprungstext, mitseinen 64 Abschnitten und Hexagrammen istdas eigentliche Weissagungsbuch. Das spä-ter hinzugefügte zweite Buch besteht aus ei-ner Sammlung von Kommentaren aus der Zeitdes Konfuzius. Das dritte Buch schließlich isteine Art Glossar mit Zitaten und Kommenta-ren verschiedener, namentlich nicht bekann-ter Autoren.2

Trigramme und Hexagramme

Das I Ging ist eine der klassischen Quellen derYin-Yang-Lehre, auf der auch die chinesischePhilosophie und die Chinesische Medizin be-ruhen. Das Höchste oder auch Unbenennba-re Letzte (Dao) ist dieser Lehre nach allge-genwärtig, allmächtig und allwissend und gehtder Erschaffung von Raum und Zeit voraus.Aus ihm entsteht das Universum im ewigenWechselspiel von Yin und Yang, den beidenkosmischen polaren Urkräften der Natur. In die-ses Wechselspiel von Yin und Yang sind wirals Menschen (im Idealfall harmonisch) ein-gebunden.

Kern des I Ging sind acht Trigramme mit ei-ner Strichcodierung aus drei waagerechten Li-nien, welche entweder unterbrochen oderdurchgezogen sind. Die unterbrochene Linie_ _ symbolisiert das ruhend bewahrende Yin.Die durchgezogene Linie __ dagegen steht fürdie komplementäre Grundkraft des schöpfe-risch bewegenden Yang.

Jedes aus Yin und Yang gebildete Trigrammewiederum steht für eine bestimmte Naturkraftund ein damit verknüpftes universelles Prin-zip. In symbolischer Übertragung besitzen die

Abb. 1: Das Hexagramm 38 „Der Gegensatz“ besteht aus den Trigrammen „See“ (unten) und

„Feuer“ (oben).

1 I Ging, Buch 2, Kapitel VI, Übertragung des Verhält-nisses des SINNS auf das Buch der Wandlungen, § 1,in: I Ging, Das Buch der Wandlungen, aus dem Chine-sischen übertragen und erläutert von Richard Wilhelm(Originalausgabe 1924), neu herausgegeben von UlfDiederichs, München 2005, S. 279. Richard Wilhelmwar ein deutscher Sinologe, der als erster das I Gingins Deutsche übersetzte.

2 Vgl. Carol K. Anthony: Handbuch zum klassischen IGing, München 1998 (2.Aufl.), S. 16-20.

Titel: Chinesische Medizin

2 05/2011

Um ein Hexagramm und das damit verbunde-ne Bedeutungsorakel zu erhalten, haben sichzwei Methoden etabliert: die ältere und auf-wändigere Schafgarbenmethode und die ein-fachere und schnellere Münzmethode. Mit bei-den Methoden kommt man zu den sechs Linien, also Hexagrammen. Die Linien der He-xagramme können jeweils wandelbar und nichtwandelbar sein. Die Deutung (sprich Antwortauf eine bestimmte Frage) erfolgt anhand derTexte im ersten Buch des I Ging zum entspre-chenden Hexagramm. Die wandelbaren Liniendes Hexagramms sind dabei von großer Be-deutung ebenso wie die darin zunächst nichtsichtbaren, verborgenen Hexagramme und de-ren Deutung (siehe dazu das Fallbeispiel aufwww.comed-online.de).

Über die Deutung des I Ging

Die Deutung des I Ging ist eine Kunst, die aufWissen, Übung, (Selbst-) Wahrnehmung, Ima-gination und Intuition gründet. Von fundamen-taler Bedeutung dabei ist die chinesische Spra-che. Seinem Ursprung nach ein bildliches Zei-chensystem, ist das Chinesische sprachlichweit auszulegen. Dieser Umstand eröffnet demUrsprungstext des I Ging eine Vielzahl von In-terpretationsmöglichkeiten. Dabei sind durch-aus unterschiedliche Zugänge möglich: ratio-nale, emotionale, intuitive, bildliche. Das I Gingantwortet genau auf der Ebene, auf der die Fra-genden sich ihm nähern, d. h. es setzt auf diePerson, die es befragt.

Wie anfangs zitiert, gelten die Gesetze des I Ging allumfassend. Das I Ging gibt universelleWahrheiten vor, die Deutenden konstruieren die-se nicht. Wenn wir uns von seinen bildhaftenWorten anregen lassen und sie für uns deuten,erkennen wir in ihnen unsere inneren Wahr-heiten wieder.

Die Wahrheiten des I Ging teilen sich uns (deshalb) mit,

weil sie unseren inneren Wahrheiten entsprechen.

Im Idealfall, wenn beide Seiten, Außen und In-nen, Makrokosmos und Mikrokosmos, Ferneund Nähe, kongruieren, befinden wir uns in Har-monie mit dem universellen Gesetz, welchesdas I Ging verkörpert. Die Weisheit des I Gingund seine Sätze sind also nicht beliebig. Indi-viduell interpretierbar, haben sie für die Deu-tenden in ihrer jeweiligen Lebenssituation undFragestellung einen ganz bestimmten Sinn.

Tab. 1: Die 8 Trigramme des I Ging (nach Richard Wilhelm)

Tab. 2: Die 64 Hexagramme des I Ging (nach Richard Wilhelm)

acht Trigramm allerdings noch andere Be-deutungen. Je nach Lesart und Kommentar be-stehen weitere Analogien wie zum Beispiel zuTieren, Himmelsrichtungen, Körperteilen oderauch Familienangehörigen.3

Richard Wilhelm übersetzte das Bedeutungs-system der Trigramme wie in Tabelle 1 dar-gestellt4.

Indem die acht Trigramme mit sich selbst kom-biniert werden, entstehen insgesamt 64 He-xagramme (Tab. 2), welche wiederum ganz spe-zifische Bedeutungen besitzen. Die Hexa-gramme tragen Namen, die mit bestimmtenGrundprinzipien, Situationen und Kontexten inVerbindung gebracht werden können. Gelesenund interpretiert werden sie von unten nachoben, d. h. von der unteren Linie 1 bis zur obe-ren Linie 6. Das untere Trigramm repräsentiertden inneren, zunächst nicht sichtbaren Aspektdes jeweiligen Hexagramms, das obere Tri-gramm dagegen den nach außen in Erschei-nung tretenden. So setzt sich als ein Beispieldas Hexagramm H38 „Der Gegensatz“ aus

dem unteren, inneren Trigramm „See“ unddem oberen, äußeren Trigramm „Feuer“ zu-sammen (Abb. 1).

Das Weisheitssystem des I Ging

Von Anfang an dienten die 64 Hexagramme denalten Chinesen als Weisheitssystem, mit des-sen Hilfe die höhere Macht, das Unbekannteoder – wie es im I Ging heißt – der „Große Wei-se“ befragt werden konnten. Das Buch derWandlungen wurde genutzt, um Klarheit inwichtigen Lebensfragen zu bekommen, aberauch die kleinen Fragen des Alltags zu klären.

Dem I Ging wurden möglichst keine geschlossenenJa/Nein-Fragen, sondern offen

formulierte Fragen gestellt.

3 Vgl. die Aufstellung von Dominique Hertzer entspre-chend des Shuogua-Kommentars: Hertzer: Das alteund das neue Yijng, Die Wandlungen des Buchs, Mün-chen 1996, S. 142-143.

4 Vgl. Richard Wilhelm, 2005, S. 690-691.

Trigramm Bezeichnung Naturkraft Prinzip

KIËN Himmel das Schöpferische

DSCHEN Donner das Erregende

KAN Wasser das Abgründige

GEN Berg das Stillehalten

KUN Erde das Empfangende

SUN Wind das Eindringende

LI Feuer das Haftende

DUI See das Heitere

Titel: Chinesische Medizin

305/2011

Das I Ging und die FarbenAufgrund der Bildhaftigkeit des I Ging lag esfür mich nahe, mich mit der Frage zu be-schäftigen, welche Rolle, Funktion und Be-deutung Farben im Zusammenhang mit dem I Ging spielen. Jedes der acht Trigramme steht,wie bereits ausgeführt, mit einer Naturkraft inVerbindung: Donner, See, Himmel, Wind, Berg,Erde, Wasser und Feuer. Diese acht Elemen-te rufen in uns bestimmte Bilder hervor und –wenn wir meditativ in uns schauen – auch Far-ben. Ist es also möglich, fragte ich mich, dassjedem Trigramm im Sinne einer weiteren Ana-logie eine Farbe schlüssig zugeordnet werdenkann?

Meine farblichen Zuordnungen basieren nebendem Naturphänomen auf dem Grundsatz, dassin der chinesischen Lehre Yin für Dunkelheit,Yang für Helligkeit steht. Da das eine nicht ge-trennt vom jeweils anderen existiert, dürfen Yinund Yang nicht wertend verstanden werden.

Das Trigramm „Erde“ mit den drei unter-brochenen Yin-Linien kann dementsprechendder Farbe Schwarz zugeordnet werden. Daskomplementäre Trigramm „Himmel“ mitden drei durchgezogenen Yang-Linien stehtentsprechend für die Farbe Weiß.

Den verbleibenden sechs Trigrammen kann je-weils eine prismatische Grundfarbe zugewie-sen werden. Warum? Unternehmen wir einenkleinen Ausflug in die Gesetze der Optik:

Schickt man Licht vor schwarzem Hintergrunddurch einen Spalt und darauf durch ein Pris-ma, so entstehen vor dem schwarzen Hinter-grund Farbsäume, wie sie auch in der Naturbei einem Blick in den Himmel / Weltraumoder bei einem Sonnenuntergang zu beob-achten sind. Auf der einen Seite erscheinen amPrisma die Farbsäume Blau-Türkis (Abb. 2)und auf der anderen Seite die Farbsäume Gelb-Rot (Abb. 3).

Damit haben wir zum einen die Farben Blau undTürkis sowie zum anderen die Farben Rot undGelb. Reduziert man die weiße Fläche in derVersuchsanordnung so, dass nur noch einschmaler Lichtstreifen zu sehen ist, so über-lagern sich die beiden Farbsäume; Türkis undGelb ergeben die Farbe Grün, Rot und Blau er-geben Purpur.

Um die verbleibenden sechs Trigramme nunjeweils einer dieser Farben zuzuordnen, sindzwei Prinzipien zu befolgen:

1. Erstens ist es nötig, die Blickrichtung ein-zubeziehen; diese verläuft von unten nachoben, also von Linie 1 zu Linie 3, was dergrundsätzlichen Leserichtung der Tri-gramme und Hexagramme des I Ging ent-spricht.

2. Zweitens ist auf Goethes Farbenlehre zu-rückzugreifen (Abb. 4). Entsprechend derbeiden in der Natur zu beobachtenden Farb-säume hat Goethe zwei Farbprinzipien auf-gestellt: „Licht vor Finsternis“ sowie „Fins-ternis vor Licht“.

Für den Farbsaum Blau-Türkis (Abb. 2) giltnach Goethes Farbenlehre das Prinzip „Lichtvor Finsternis“, in den Worten des I Ging: „Yangvor Yin“. Dieses Naturphänomen beschreibtGoethe in seiner Farbenlehre wie folgt: „Wirddie Finsternis des unendlichen Raums durchatmosphärische, vom Tageslicht erleuchteteDünste hindurch angesehen, so erscheint dieblaue Farbe. Auf hohen Gebirgen sieht man amTage den Himmel königsblau, weil nur wenigfeine Dünste vor dem unendlichen finsternRaum schweben; sobald man in die Täler he-rabsteigt, wird das Blaue heller, bis es endlich,in gewissen Regionen und bei zunehmendenDünsten, ganz in ein Weißblau übergeht.“5

Im Trigramm „Donner“ / ältester Sohn er-gibt sich in Blickrichtung von unten nach obenein Yang-Strich (einmal Licht) vor zwei Yin-Stri-chen auf Linie 2 und 3 (zweimal Finsternis).Es gilt also das Prinzip „Licht vor Finsternis“.Bezogen auf den heranzuziehenden Farbsaum(Abb. 2) bedeutet dies die Farbe Blau.

Das Trigramm „See“ / jüngste Tochter be-steht von unten nach oben gelesen aus zweiYang-Strichen (zweimal Licht) vor einem Yin-Strich (einmal Finsternis). Es ergibt sich wie-der das Prinzip „Licht vor Finsternis“, allerdingsmit mehr Licht. Betrachtet man den entspre-chenden Farbsaum (Abb. 2), so ist die hellereFarbe zwischen weiß und blau das Türkis.

Der Farbsaum Gelb-Rot (Abb. 3) entsprichtGoethes Prinzip „Finsternis vor Licht“ bzw.„Yin vor Yang“. In den Worten Goethes: „DieSonne, durch einen gewissen Grad von Düns-ten gesehen, zeigt sich mit einer gelblichenScheibe. Oft ist die Mitte noch blendend gelb,wenn sich die Ränder schon rot zeigen. (…)Die Sonne wird durch eine Röte verkündigt, in-dem sie durch eine größere Masse von Düns-ten zu uns strahlt. Je weiter sie herauf kommt,desto heller und gelber wird der Schein.“6

Bei der Blickrichtung von unten nach oben undgemäß dem Prinzip Finsternis vor Licht folgtals nächstes das Trigramm „Wind“ / ältesteTochter mit einmal Finsternis (Yin) vorzweimal Licht (Yang). Im Farbsaum (Abb. 3) ent-spricht dies der Farbe Gelb.

Das Trigramm „Berg“ / jüngster Sohn mitzweimal Finsternis (Yin) und einmal Licht (Yang)entspricht nach dem Prinzip „Finsternis vorLicht“ demnach der Farbe Rot (Abb. 3).

Verbleiben nur noch die Trigramme „Wasser“/ mittlerer Sohn und „Feuer“ / mittlereTochter und die Farben Grün und Purpur.Im I Ging wird das männliche Trigramm mit dreiYang-Strichen Himmel ( weiß) auch dem Va-ter zugeordnet. Die drei mit diesem verwand-ten „männlichen“ Trigrammen (mit jeweils ei-ner Yang-Linie) sind „Donner“, „Berg“ und „Was-ser“. „Donner“ steht für den ältesten Sohn,„Wasser“ für den mittleren und „Berg“ für denjüngsten Sohn. Nun entsteht die Farbe Weißbekanntlich aus der additiven Farbmischungvon Blau, Rot und Grün. Weiß hatten wir demTrigramm „Himmel“ (Vater) zugeordnet, Blaudem Trigramm „Donner“ (ältester Sohn) undRot dem Trigramm „Berg“ (jüngster Sohn). Da-mit ergibt sich für „Wasser“ / der mittlere Sohn

die Farbe Grün.

5 Johann Wolfgang von Goethe: Zur Farbenlehre, Di-daktischer Teil, 2. Abteilung. Physische Farben, Kap.10, § 155. Gedenkausgabe der Werke, Briefe und Ge-spräche. Band 16, Zürich 1948 ff.

6 Johann Wolfgang von Goethe: Zur Farbenlehre, Di-daktischer Teil, 2. Abteilung. Physische Farben, Kap.10, § 154.

Abb. 2: Farbsaum mit den Farben Blau und Tür-

kis

Abb. 3: Farbsaum mit den Farben Gelb und

Rot

Dipl.-Ing.(FH)Martin Schererist ausgebildeter Heilprak-tiker und Atemtherapeut.Mit dem I Ging beschäftigt

er sich seit 2006. Zudem absolvierte er ei-ne Ausbildung in Traditioneller ChinesischerMedizin und Integrativer Atemtherapie. Seit2009 leitet er seine eigene Heilpraktiker-praxis in der Münchner Innenstadt mit denSchwerpunkten Traditionelle Chinesische Me-dizin, Integrative Körper- und Atemarbeit undgibt regelmäßig Seminare zu Kunst und Far-benlehre des I Ging.

Kontakt:Menzingerstr. 14a, D-80638 München

Tel.: 089 / [email protected]

Titel: Chinesische Medizin

4 05/2011

Hintergrundfarben der Trigramme erweitert und anschließend auf alleHexagramme. Im I Ging enthält jedes Hexagramm durch seine mögli-chen Wandlungslinien, aber auch durch verwandte Hexagramme in sichweitere Hexagramme und damit Farben. Durch die Wandlungen wirddeutlich, in welcher Grundsituation ein Thema oder ein Problem einge-bunden ist. So ist es möglich, über das Betrachten und Interpretierenvon weiteren verwandten Hexagrammen immer differenzierter in dasThema des Fragenden einzutauchen (siehe dazu das Fallbeispiel aufwww.comed-online.de).

Bei meinen Forschungen habe ich mit Erstaunen festgestellt, dass die Basis

des Hintergrunds für die Mischung von zwei Farbeneine entscheidende Rolle spielt.

Betrachtet man durch ein Prisma die Farbübergänge schwarz und weiß,so zeigen sich die dargestellten Farbsäume. So mischen sich bei-spielsweise Türkis und Gelb im Hintergrundsystem Schwarz (weißer Spaltvor schwarzem Hintergrund) zu Grün. Wechselt man die Hintergrund-farbe von Schwarz zu Rot, so werden die Farbsäume Türkis zu Weißund Gelb zu Grün. Die Mischfarbe von Weiß und Grün ergibt Gelb (vgl.Abb. 6).7

Farben wandeln sich demnach entsprechend der Wahl des Hinter-grunds. Aufgrund dieser Tatsache lassen sich die in einem Hexagrammenthaltenen Wandlungen ebenfalls farblich repräsentieren. Nach einemvon mir entwickelten, mathematischen Farbsystem ist es mir in einemzweiten, wichtigen Schritt nun gelungen, nicht nur jedem Hexagrammdie jeweilige Farbe, sondern auch jeder gewandelten Linie in einem He-xagramm genau eine Farbe zuzuordnen. Ich habe mit anderen Worteneine Codierungsmatrix gefunden, die als mathematisches System wiedie Strichcodierung von Yin und Yang alle Inhalte des I Ging abbilden,repräsentieren und visualisieren kann.

Aus den Informationen eines Hexagramms mit seinen entsprechendenFarben, den Farben der möglichen Wandlungslinien sowie der verbun-denen synonymen Hexagramme lassen sich nun farbsymmetrische Mus-ter, so genannte Spektrogramme, bilden (Abb. 7). Dieser dritte Schrittist der entscheidende. Verwendet man die in einem Hexagramm ver-wurzelten Farbmuster, so repräsentieren diese die Thematik des je-weiligen Hexagramms und des Fragenden.

Über die Farbkodierung der Trigramme, die – wie gezeigt – auf den op-tischen Gesetzen der Lichtbrechung basiert, besteht damit bei den Spek-trogrammen eine Rückverbindung zur Natur.

Die Wirkung meiner Spektrogramme beruht damit zum einen auf denin der Optik selbst angelegten Analogien zum I Ging; zum anderen er-gibt sich ihre Wirksamkeit durch das intuitive oder auch kontemplativeBetrachten und Erfassen der Bildinformation durch die Fragendenselbst.

Abb. 4: Farbkreis nach Goethe: Oben „Licht vor Finsternis“ (Blau und

Türkis), unten „Finsternis vor Licht“ (Gelb und Rot), links die Überla-

gerung von Gelb und Türkis zu Grün sowie rechts die Überlagerung

von Blau und Rot zu Purpur. Rot, Grün und Blau ergeben Weiß (addi-

tive Farbmischung), Türkis, Purpur und Gelb dagegen Schwarz (sub-

traktive Farbmischung).

Abb. 5: Übersicht aller Trigramme und der zugeordneten Farben

Trigramm Farbe Farbkreise Naturkraft

weiß Himmel

blau Donner

grün Wasser

rot Berg

schwarz Erde

gelb Wind

purpur Feuer

türkis See

Abb. 6: Die Wandlung der Trigrammlinien bewirkt eine andere Hinter-

grundfarbe, woraus sich andere Farbsäume ergeben (Spektraltrans-

formation)

Das noch fehlende Trigramm „Feuer“ / die mittlere Tochter kanndiesem Prinzip entsprechend der Farbe Purpur zugeordnet werden. Pur-pur ist hierbei ein weibliches Zeichen, das durch Überlagerung der bei-den Yang von Donner (Blau) und Berg (Rot) entsteht. Genauso wie Gelbdie additive Überlagerung von Rot und Grün und Türkis die Überlage-rung von Blau und Grün ist (Abb. 5).

Hexagramme und Spektogramme

Nachdem ich jedes Trigramm vor der Hintergrundfarbe Schwarz durcheine Farbe repräsentieren konnte, habe ich dieses Prinzip auf die acht

Titel: Chinesische Medizin

505/2011

Die Komplexität des I Ging undseiner vieldeutigen Texte wird inmeinen Spektogrammen kompri-

miert.

In ihnen sind alle Informationen eines individu-ellen Orakels enthalten. Den Fragenden wer-den im jeweiligen Spektrogramm die Antwor-ten des I Ging vor Augen geführt. Sie könnendiese betrachtend erleben.

Meine Spektrogramme sind, um es deutlichzu sagen, keine Heilmittel im schulmedizini-schen Sinne, sondern künstlerische Reprä-sentationen der Wahrheiten des I Ging. Siebilden eine analoge Übersetzung der Strich-

Abb. 7: Aus den Informationen eines Aus-

gangshexagramms entwickeltes Spektro-

gramm mit dreidimensionaler Wirkung

Richard Wilhelm (Originalausgabe 1924), neu he-rausgegeben von Ulf Diederichs, München 2005Johann Wolfgang von Goethe: Zur Farbenlehre,Didaktischer Teil, 2. Abteilung. Physische Farben,Kap. 10, § 155. Gedenkausgabe der Werke, Brie-fe und Gespräche. Band 16, Zürich 1948 ff. Ingo Nussbaumer: Zur Farbenlehre. Wien: Editi-on Splitter 2008Dennis Schilling: Yijing, Das Buch der Wandlun-gen, Verlag der Weltreligionen, Frankfurt am Mainund Leipzig 2009Dominique Hertzer: Das Mawangdui-Yijing, EugenDiederichs Verlag 1996 Lutz Geldsetzer, Han-ding Hong: ChinesischePhilosophie, Reclam Stuttgart 2008Hermann Hesse: Das Glasperlenspiel, SuhrkampVerlag, Frankfurt am Main, Erstausgabe 1943,Zürich

L i t e r a t u r h i n w e i s e

codierungen der Hexagramme des I Ging mit-tels der Farben des natürlichen Farbsaums.

Jedes individuelle Spektrogramm und seinefarblich codierte Information lässt sich außer-dem als Flash-Animation programmieren. EinBeispiel finden Sie auf meiner Webseite.

Als Ausblick sei an dieser Stelle gesagt, dasses in einem weiteren Schritt sogar möglich ist,die Codierungen des I Ging so weit zu abstra-hieren, dass durch die Kombination von ein-zelnen Hexagrammen und deren Farbmusternauch Inhalte jenseits des I Ging repräsentiertwerden können. Dazu bedarf es neuer Defini-tionen sowie eines iterativen Prozesses. Prof.Christian Albrecht May sagt dazu: „Man kannjedoch nicht einfach die physikalischen Be-griffe auf die biologischen Prozesse eins zueins übertragen, sondern muss hier wiederneue Definitionen mit heranziehen. Man musssozusagen iterativ adaptieren bis sich eineVollständigkeit mit dem gesuchten Begriff aufallen Ebenen zeigt.“8

Fazit

Durch die Spektrogramme ist ein einfacher sen-sitiv-emotionaler Zugang zum I Ging geschaf-fen. Chinesische Klassiker benennen die Zu-ordnung der Farben zwar abweichend, dochdurch die Einbeziehung der Hintergrundfarben(Wandlung) löst sich die zunächst unorthodoxerscheinende vorgenommene Farbzuordnung

wieder auf. Als sinnliche Repräsentationen ma-chen die Spektrogramme die Wahrheiten desI Ging erlebbar und entfalten ihre besonderekünstlerische Wirkung.

7 vgl. Ingo Nussbaumer: Zur Farbenlehre. Wien: EditionSplitter 2008. Tafel XXI zur Konduktion in normaler undirregulärer Situation, S.133

8 Christian Albrecht May: Methoden der Wissenschaft –Ihre Entwicklung und ihr Einfluss auf die Medizin, Vor-trag Fachtagung GBM, Bad Liebenzell 2011.


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