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Manfred G. Schmidt Das politische System der ... · Das politische System Deutschlands (München 3...

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4., aktualisierte Auflage, 2018. 128 S., mit 1 Tabelle. Broschiert. ISBN 978-3-406-71299-9 Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.chbeck.de/9092 Unverkäufliche Leseprobe © Verlag C.H.Beck oHG, München Manfred G. Schmidt Das politische System der Bundesrepublik Deutschland
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Page 1: Manfred G. Schmidt Das politische System der ... · Das politische System Deutschlands (München 3 2016). Manfred G.Schmidt DAS POLITISCHE SYSTEM DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND Verlag

4., aktualisierte Auflage, 2018. 128 S., mit 1 Tabelle. Broschiert. ISBN 978-3-406-71299-9

Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.chbeck.de/9092

Unverkäufliche Leseprobe

© Verlag C.H.Beck oHG, München

Manfred G. Schmidt Das politische System der Bundesrepublik Deutschland

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Dieses Buch bietet einen Überblick über die Grundzüge des poli-tischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. Untersuchtwerden sowohl das Spielregelwerk, welches die Verfassungder Politik vorgibt, als auch die Verfassungswirklichkeit. Da-bei werden die wichtigsten politischen Institutionen, ihreFunktionsweise sowie die Grundzüge der Innen- und Außen-politik beschrieben, erklärt und bewertet. Behandelt werdendas Grundgesetz, die Wähler und ihr Wahlverhalten, Parteienund Verbände, die Medien, der Bundestag, die Bundesregierung,der Föderalismus sowie Weichenstellungen der deutschen In-nen- und Außenpolitik seit 1949, einschließlich der Europäisie-rung des Regierungssystems.

Manfred G. Schmidt ist Professor für Politische Wissenschaft ander Universität Heidelberg. Zahlreiche Veröffentlichungen zurDemokratie- und vergleichenden Staatstätigkeitsforschung, u. a.Wohlfahrtsstaatliche Politik unter bürgerlichen und sozialde-mokratischen Regierungen – Ein internationaler Vergleich(Frankfurt a. M. – New York 1982), Political Institutions in theFederal Republic of Germany (Oxford 2003), Wörterbuch zurPolitik (Stuttgart 32010), Sozialpolitik in Deutschland – Histo-rische Entwicklung und internationaler Vergleich (Wiesbaden32005), Demokratietheorien (Wiesbaden 52010), Der deutscheSozialstaat (München 2012), The Rise and Fall of a SocialistWelfare State (mit Gerhard A. Ritter, Berlin-Heidelberg 2013),Das politische System Deutschlands (München 32016).

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Manfred G. Schmidt

DASPOLITISCHE SYSTEM

DER BUNDESREPUBLIKDEUTSCHLAND

Verlag C.H.Beck

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4., aktualisierte Auflage. 2018

Originalausgabe© Verlag C.H.Beck oHG, München 2005

Satz, Druck und Bindung: Druckerei C.H.Beck, NördlingenUmschlagentwurf: Uwe Göbel, München

Printed in Germanyisbn 978 3 406 71299 9

www.chbeck.de

1. Auflage. 2005

2., aktualisierte Auflage. 2008

3., aktualisierte Auflage. 2016

Mit einer Tabelle

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Inhalt

Einleitung 7

I. Spielregeln der Verfassung 101. Rechtsstaat, Republik, Demokratie, Bundesstaat,

Sozialstaat und «offener Staat» 112. Verfassung und Verfassungswirklichkeit 183. Politisch-institutionelle Ergebnisse 23

II. Wähler,Wahlsystem und Wahlverhalten 261. Wählerschaft 262. Wahlsystem 273. Wahlbeteiligung 304. Wen die Wähler wählen 315. Bundestags- und Landtagswahlen 36

III. Parteien,Verbände und Massenmedien:Vermittler zwischen Bürgern und Staat 381. Deutschlands wichtigste politische Parteien 382. Parteiensystem 453. Ein Verbändestaat? 484. Massenmedien als vierte Gewalt? 51

IV. Der Deutsche Bundestag 551. Ein parlamentarisches Regierungssystem –

kein Präsidentialismus 552. Zwischen Mehrheitsentscheid und «Staat der

Großen Koalition» 563. Parlamentsfunktionen: Wahlen, Gesetzgebung,

Kontrolle, Kommunikation 584. Das mächtigste Parlament auf dem Kontinent? 65

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V. Die Exekutive des Bundes: starke Kanzler,geschwächte Präsidenten 691. Parlamentarisches Regierungssystem mit Kanzler-

dominanz 692. Wie Bundeskanzler gewählt werden 733. Machtmittel der Bundesregierung 744. Der Staat der vielen Mitregenten und Vetomächte 79

VI. Ein Staat mit 17 Regierungen: DeutschlandsFöderalismus 851. Wie Bundesländer und Bundesrat mitregieren 852. Der unitarische Bundesstaat 943. Polyzentrismus, Fragmentierung und Politikverflechtung 954. Hoher Kooperationsbedarf und Dauerwahlkampf 975. Sozialstaatsföderalismus 986. Deutschlands Bundesstaat im internationalen Vergleich 99

VII. Deutschland in der Europäischen Union 1021. Europäisierung des politischen Systems 1022. Gewinner und Verlierer der Europäisierung 1033. Europäisierung der Staatsaufgaben: Trends seit 1957 1064. Schattenseiten der Europäisierung 110

VIII. Innen- und Außenpolitik seit 1949:Weichenstellungen und Ergebnisse 1121. Außenpolitische Grundentscheidungen 1122. Innenpolitische Weichenstellungen 1143. Die Politik des mittleren Weges 1184. Stärken und Schwächen der Politik in Deutschland 121

Anmerkungen 126Weiterführende Literatur 127

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Einleitung

Dieses Buch beschreibt, erklärt und bewertet die Politik inDeutschland.1

Es unterrichtet die Leser über die Grundzüge des politischenSystems im Lande und informiert sie über die politischen Insti-tutionen, die Prozesse der politischen Willensbildung sowieüber Grundlinien der innen- und außenpolitischen Staatstätig-keit seit 1949, dem Geburtsjahr der Bundesrepublik Deutsch-land.

Das Buch ist in acht Kapitel gegliedert. Sein erstes Kapitelanalysiert die Spielregeln von Deutschlands Staatsverfassung,so wie sie das Grundgesetz festschreibt: Bundesstaat, Demokra-tie, Rechtsstaat, Republik, soziales Staatsziel und ein sogenann-ter offener Staat, der Souveränitätsrechte an zwischenstaatlicheEinrichtungen abgeben darf, sind die wichtigsten Bestimmun-gen. Das zweite Kapitel handelt vom Souverän der Demokratie,den Wählern. Hier wird berichtet, mit welchem Wahlsystemund wen die Wähler wählen. Das dritte und das vierte Kapitelrücken die wichtigsten Institutionen der politischen Willensbil-dung in den Vordergrund – die Parteien, die Verbände, die Mas-senmedien und den Deutschen Bundestag.

Wer in Deutschland regiert, regiert nicht allein. Jede Bundes-regierung und jede Landesregierung bekommt dies tagtäglich zuspüren. Besonders eng wird der Spielraum für die Bundestags-mehrheit und die von ihr getragene Bundesregierung, wennihnen im Bundesrat, der Ländervertretung, eine parteipolitischgegnerische Mehrheit gegenübersteht. Davon berichten dasfünfte und das sechste Kapitel. Darüber sollen die beachtlichenMachtressourcen der Bundesregierung nicht zu kurz kommen.Dennoch lautet am Ende die Diagnose: Regieren in Deutsch-land heißt Regieren im «halbsouveränen Staat». Zur Ausstat-tung des halbsouveränen Staates gehören der Föderalismus mit-

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8 Einleitung

samt der im Bundesrat verankerten Mitwirkung der Länder ander Gesetzgebung des Bundes, eine sehr starke rechtsprechendeGewalt mit dem mächtigen Bundesverfassungsgericht an derSpitze und eine autonome Zentralbank. Insbesondere vom Tunund Lassen der insgesamt 17 Regierungen in DeutschlandsBundesstaat ist im sechsten Kapitel die Rede.

Geprägt wurde Deutschland auch von der Mitgliedschaft inder Europäischen Union. Von ihren Tendenzen und ihren Gren-zen handelt das siebte Kapitel. Grundzüge der Staatstätigkeitim Sinne von Innen- und Außenpolitik, ihren Produkten undihren Ergebnissen zeichnet der Verfasser im achten Kapitelnach. Dort wird außerdem berichtet, welche Aufgaben die Poli-tik in Deutschland bislang nicht gelöst oder nicht überzeugendgemeistert hat.

Das Buch zeigt, dass Machtaufteilung statt Machtkonzen-tration die deutsche Politik nach 1949 charakterisiert – ein fun-damentaler Unterschied sowohl zum nationalsozialistischenDeutschland wie auch zur sozialistischen Deutschen Demokra-tischen Republik. Damit kommt die Bundesrepublik dem Typder «Verhandlungsdemokratie» nahe, die ein Merkmal etlicherkleinerer Staaten ist. Deutschland ist aber kein Kleinstaat, son-dern ein zumindest wirtschaftlich potenter Großstaat. Im Un-terschied zu einer typischen Großmacht tritt Deutschland abernicht als militärisch gerüsteter Machtstaat auf, sondern als«Handelsstaat» (Michael Staack 2000), der seinen Einfluss mitHandel und anderen wirtschaftspolitischen Mitteln mehrt, undals «Zivilmacht» (Hanns W. Maull 1990), die ihre Position inder internationalen Politik überwiegend mit friedlichen Mittelnund immer im Verein mit anderen Staaten zu wahren sucht.

Was aus diesen und anderen Eigenheiten der deutschen Poli-tik seit 1949 resultiert und ob hieraus wirklich eine «Erfolgs-story» entstanden ist, wie viele Beobachter meinen, wird ab-schließend geprüft. Dabei zeigt sich ein facettenreicheres Bild.Neben großen Erfolgen – wie zuverlässige Fesselung politischerMacht oder umfangreiche sozialstaaatliche Regulierung sowieein umwelt- und energiepolitisch besonders engagierter «Grü-ner Staat» – gibt es auch Mittelmäßiges zu berichten. Beispiele

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sind die Unterfinanzierung der öffentlichen Investitionen unddes Bildungswesens, sodann die überaus enge, Unbeweglichkeitfördernde Verflechtung von Bund und Ländern. Zu den Schwä-chen der Politik in Deutschland gehören offene Flanken sowohlin der Inneren Sicherheit als auch in der Grenzsicherung undder Verteidigungspolitik.

Doch insgesamt verdient das politische System der Bundes-republik Deutschland viel bessere Noten als ihm 1949 selbst diekühnsten Optimisten zutrauten – und viel bessere Bewertungenals alle anderen politischen Regime in Deutschland vor undnach 1945.

Das hiermit vorgelegte Buch ist die vierte, gründlich über-arbeitete und aktualisierte Auflage eines Werkes, dessen ersteAuflage im Jahre 2005 erschien. Zu den besonders berichtens-werten Änderungen gegenüber der 1., der 2. und der 3. Auflagezählen – neben den Aktualisierungen – das neu geschriebene,der Mitgliedschaft Deutschlands in der Europäischen Union ge-widmete Kapitel VII und die weitgehende Neubearbeitung desabschließenden Kapitels VIII.

Bei der Anfertigung des Manuskriptes wurde mir Hilfe zuteil,für die ich herzlich danke. Mein Dank gilt meiner Frau, Privat-dozentin Dr. Ute Wachendorfer-Schmidt, für fachliche Beratungund Korrekturlesen. Und für die professionelle Planung und Be-treuung des Werkes danke ich dem C.H.Beck Verlag, allen vor-an Dr. Sebastian Ullrich und Carola Samlowsky.

Der Redaktionsschluss des Werkes war der 1. November 2017.

Einleitung 9

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I. Spielregeln der Verfassung

Die Bundesrepublik Deutschland zählt zum exklusiven Kreisder seit mehreren Jahrzehnten stabilen demokratischen Verfas-sungsstaaten. Ihm gehören nur rund drei Dutzend Länder an.2

Das ist ein bemerkenswerter Erfolg für ein Land, dem in seinemEntstehungsjahr, 1949, nur wenige eine stabile Demokratie zu-getraut hatten, weil die Erblasten des NS-Staates und derKriegszerstörung zu groß und die innen- und außenpolitischenHerausforderungen zu gewaltig zu sein schienen. Dass Deutsch-lands zweiter Anlauf zur Demokratie gelang, hat viele Ursa-chen. Zu ihnen gehört die vollständige Diskreditierung der NS-Diktatur. Für eine «Dolchstoßlegende» war im Unterschied zurLage nach dem Ersten Weltkrieg kein Platz mehr. Zugute kamWestdeutschland – als Folge des aufkommenden Ost-West-Konflikts – eine allmählich weitsichtigere Politik der westlichenSiegermächte: Sie öffneten dem westdeutschen Teilstaat die Türzur Teilhabe an den inter- und supranationalen Organisationendes Westens. Zugute kam Westdeutschlands Demokratie fernerdie abschreckende Erfahrung der sozialistischen Diktatur, die inder Sowjetischen Besatzungszone und ab 1949 in der DeutschenDemokratischen Republik auf den Bajonetten der Roten Armeevon den Kadern der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands(SED), ihrer Gefolgschaft und Mitläufern auf- und ausgebautwurde. Verantwortlich für die Verwurzelung der Demokratiein der Bundesrepublik wurde nicht zuletzt das «Wirtschafts-wunder», der atemberaubende wirtschaftliche Aufschwung vorallem der 1950er und 1960er Jahre. Mit ihm wurde die Wahl-kampfformel «Wohlstand für alle» – sie stammte vom damali-gen Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard – für die großeMehrheit der Bürger fassbar: Die Beschäftigung wuchs, dieZahl der Arbeitslosen nahm rasch ab, die Erwerbseinkommenstiegen, die Konsumchancen wurden größer, und der Auf- und

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Ausbau der Sozialpolitik und andere Marktkorrekturen von derAgrar- bis zur Wohnungspolitik sorgten auch für eine Steige-rung des Lebensstandards bei denen, die mit marktwirtschaft-lichen Mitteln alleine nicht mitgekommen wären.

Zur Demokratieverwurzelung trug auch die Verfassung derBundesrepublik bei, ihr Grundgesetz vom 23.5.1949 mitsamtseinen späteren Änderungen. Das Grundgesetz – die Bezeich-nung sollte das Provisorium bis zur Wiedervereinigung der bei-den deutschen Staaten betonen – atmete den Geist einer antito-talitären Staatsverfassung. Seine Leitideen der Machtaufteilung,der Kontrolle der Staatsgewalten und des Grundrechtsschutzesverwiesen zusammen mit dem alsbald wirkungsmächtigen Bun-desverfassungsgericht die Politik in enge rechtliche Grenzen.Stärker als in den meisten anderen demokratischen Ver-fassungsstaaten bestimmen in Deutschland mittlerweile die Ver-fassung und ihre Auslegung durch das Bundesverfassungs-gericht die Spielregeln der Politik. Aus diesem Grunde erlaubtdie Staatsverfassung besonders aufschlussreiche Einblicke inDeutschlands politischen Betrieb. Deshalb beginnt die hier vor-gelegte Analyse der Politik in Deutschland beim verfassungs-politischen «Überbau» – und nicht bei seiner gesellschaftlichenoder seiner ökonomischen Basis.

1. Rechtsstaat, Republik, Demokratie, Bundesstaat,Sozialstaat und «offener Staat»

Sechs grundlegende Weichenstellungen schrieben die Architek-ten des Grundgesetzes für den politischen Betrieb in der Bun-desrepublik fest: Rechtsstaat, Republik, Demokratie, Bundes-staat, Sozialstaat und «offener Staat».

Mit der Vorgabe des Rechtsstaates knüpften die Verfassungs-geber wieder an liberaldemokratische verfassungspolitischeTraditionen an. Rechtsstaat heißt Bindung der Staatsgewaltenan Verfassung und Gesetz – nicht an Vorgaben einer Staats-partei, wie im Fall der DDR, oder an den «Führerbefehl», wie inder nationalsozialistischen Diktatur. Rechtsstaat heißt fernerTrennung der Staatsgewalten – Exekutive, Legislative und Judi-

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kative – und ihre Ausbalancierung – im Unterschied zur Kon-zentration der Staatsgewalten, wie im NS-Staat und der DDR.Rechtsstaat bedeutet zudem richterliche Nachprüfbarkeit derHandlungen der Legislative und Exekutive, und zwar Nachprü-fung durch fachgeschulte unabhängige Richter, nicht durchwillfährige Laienrichter. Nicht zuletzt legt der Rechtsstaat einRückwirkungsverbot fest: Niemand darf auf der Basis eines Ge-setzes bestraft werden, das zum Zeitpunkt der fraglichen Tatnicht in Kraft war. Der Rechtsstaat ist der Gegenbegriff zum«Gewalt-Staat»: rechtliche Zähmung und geordnete Einhegungder politischen Gewalt ist seine Leitidee. Das soll vor der Ent-wicklung der Staatsverfassung zum «Leviathan», dem autori-tären Staat, oder zum «Behemoth», dem Staat des Bürgerkriegs,schützen, um zwei Schlüsselbegriffe von Thomas Hobbes’Staatslehre in Erinnerung zu rufen. Zudem soll der Rechtsstaatein «sozialer Rechtsstaat» sein, so die Kompromissformel inArtikel 28 des Grundgesetzes. Eine folgenreiche Weichenstel-lung! Denn der «soziale Rechtsstaat» sieht im Unterschied zumbloß «liberalen Rechtsstaat» nicht nur den Schutz der Freiheits-und der Eigentumsrechte vor, sondern auch Eingriffe in die Gü-terordnung zwecks sozialen Ausgleichs!

Die Architekten des Grundgesetzes schrieben ferner eine Re-publik vor. Das bedeutet eine nichtdespotische Herrschaftsord-nung, einen Freistaat, der die Staatsgewalt an die Verfassungbindet und auf Volkssouveränität beruht. Und es bedeutet eineStaatsform, in der die Regierungen durch Wahl für eine be-grenzte Zeitspanne bestellt werden – im Unterschied zur Mon-archie, in der die Staatsführung durch Erbfolge oder Wahl inder Regel auf Lebenszeit bestellt wird.

Das Grundgesetz verlangt außerdem eine Demokratie, undzwar mit parlamentarischem Regierungssystem, also mit einerRegierung, die aus dem Parlament hervorgeht und von ihm ab-berufen werden kann. Das ist die Absage an den Präsidentia-lismus wie in den USA und die Abgrenzung zum Semipräsiden-tialismus wie in Frankreich, wo ein starker Regierungschef undein starker Staatspräsident koexistieren. Deutschlands Staats-verfassung sieht hingegen eine Demokratie mit starkem Bundes-

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kanzler und schwachem Präsidenten vor, eine Art «Kanzler-demokratie», so der in der Adenauer-Ära geprägte Begriff. Zu-dem hat die Repräsentativdemokratie Vorfahrt – und nicht dieDirektdemokratie wie in der Schweiz. Überdies schreibt dasGrundgesetz erstmals in der deutschen Verfassungsgeschichteden politischen Parteien eine aktive Rolle in der Politik zu: «DieParteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkesmit». So bestimmt es der Artikel 21 des Grundgesetzes. Aller-dings enthält er strenge Auflagen für die Parteien wie freieWahl, innerparteiliche Demokratie, öffentliche Rechenschaftüber Herkunft der Parteifinanzen und Parteivermögen sowieverfassungskonforme Programmatik und Verhaltensweisenihrer Anhänger. Seit 2017 können verfassungsgegnerische Par-teien von der Staatsfinanzierung und Steuerbegünstigungenausgeschlossen werden – auf Beschluss des Bundesverfassungs-gerichtes und auch dann, wenn diese Parteien wegen ihres ge-ringen politischen Einflusses nicht verboten worden waren, wiedie NPD laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2017über den NPD-Verbotsantrag.

Damit führte der Gesetzgeber von 2017 den Kurs einer be-tont «wehrhaften Demokratie» weiter, die neben dem Verbotverfassungsfeindlicher Organisationen auch die Verwirkungvon Grundrechten von Verfassungsgegnern vorsieht – und zwarjeweils durch Beschluss der Verfassungsrichter. Auch das unter-scheidet die Bundesrepublik von der Weimarer Republik, dieäußerste Toleranz, letztlich selbstzerstörerische Offenheit auchfür Demokratiegegner wahrte.

Die Demokratie der Bundesrepublik beruht zudem aufGrundrechten, d. h. auf der Anerkennung freiheitlicher Bürger-rechte und der Menschenrechte. Die Grundrechtsbindung ziehtbesondersenge Grenzen für das Tun und Lassen der Staatsgewal-ten und für die Demokratie insgesamt: Auch demokratischeEntscheidungen müssen die Grundrechte respektieren. Zudemwäre eine «Volksdemokratie» nach Art des SED-Staates der ehe-maligen DDR mit den Grundrechten unverträglich.

Ebenso wichtig ist – viertens – die verfassungspolitische Vor-gabe eines Bundesstaates. Mehr noch: Die Verfassungsgeber ver-

Rechtsstaat, Republik, Demokratie 13

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14 I. Spielregeln der Verfassung

sahen den Bundesstaat mit einer Ewigkeitsgarantie. Diese Wei-chenstellung schreibt auf Dauer einen polyzentrischen Staat vor.Dieser besteht aus den Gliedstaaten, den Ländern, und ihremZusammenschluss im Bund – im Unterschied zum Einheitsstaat,wie in Großbritannien, Frankreich oder Schweden, der diesevertikale Machtaufteilung nicht kennt. Mit der Parteinahme fürden Bundesstaat knüpften die Verfassungsgeber an Staatstradi-tionen an, die im deutschsprachigen Raum tief verwurzelt sind.Zu diesen Traditionen gehören Machtaufteilung, Minderheiten-schutz und Integration heterogener Gesellschaften – bei gleich-zeitiger Wahrung relativer Autonomie und gesicherter Mit-wirkungsrechte der Gliedstaaten – sowie ein exekutivlastigerBundesstaat. Auf Bundesebene wirken die Länder nämlich mitgroßem Einfluss an der Gesetzgebung des Bundes mit, und zwarüber den Bundesrat. Doch im Bundesrat sitzen nicht gewählteVolksvertreter der Länder, wie im Senat der USA, sondern Re-präsentanten der Länderregierungen.

Ferner gaben die Verfassungsarchitekten dem Bundesstaateine sozialpolitische Verpflichtung mit auf den Weg: Er soll ein«sozialer Bundesstaat» sein, so legt der Artikel 20 des Grundge-setzes fest. Die Staatstätigkeit wird durch diese Vorgabe und an-dere Verfassungsartikel auf ein «soziales Staatsziel» (HansF. Zacher) verpflichtet – die fünfte Weichenstellung. Gewiss:Vom Sozialstaatsprinzip ist im Grundgesetz nicht ausdrücklichdie Rede, aber präsent ist es dennoch. So fordert der Artikel 20den «sozialen Bundesstaat» und der Artikel 28 den «sozialenRechtsstaat». Zudem gebietet der Artikel 72 des Grundgesetzes«die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundes-gebiet» – und bis 1994 hatte er gar die «Einheitlichkeit der Le-bensverhältnisse» verlangt.

Schließlich sieht Deutschlands Staatsverfassung den «offenenStaat»3 vor. Sie berechtigt den Bund, Souveränitätsbefugnisseauf zwischenstaatliche oder supranationale Einrichtungen zuübertragen, wie auf die Europäische Union und die NATO oderauf eine internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Im Unterschiedzu sonstigen Schlüsselentscheidungen war für solche Beschlüsselange allerdings weder die Zweidrittelmehrheit im Bundestag

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noch die Zustimmung der Bundesrat erforderlich, was eine un-gewöhnliche Stärkung der Bundesregierung und der sie stützen-den Parlamentsmehrheit bedeutete. Seit 1992 erfordert aber derneue Grundgesetzartikel 23, den die Länder der Bundesregie-rung für ihre Zustimmung zum 1993 in Kraft getretenenMaastrichter Vertrag abhandelten, dass die Übertragung vonHoheitsrechten auf die Europäische Union der Zustimmung desBundesrates bedarf. Abgerundet wird die Weichenstellung zum«offenen Staat» durch den völkerrechtsfreundlichen Grundge-setzartikel 25. Dieser erklärt nicht nur die «allgemeinen Regelndes Völkerrechtes» zum «Bestandteil des Grundgesetzes», son-dern gibt ihnen Vorrang vor den nationalen Gesetzen – im Un-terschied zur Rechtstradition der anglo-amerikanischen Demo-kratie, die der nationalen Gesetzgebung Vorfahrt vor dem Völ-kerrecht gibt.

Auch das ist eine fundamentale Kehrtwende in der deutschenVerfassungsgeschichte. Dass dieser Weg beschritten wurde, isteinsichtig: Der «offene Staat» ermöglichte der Bundesrepublikdie Wiederaufnahme in die internationale Staatengemeinschaftund die Mitgliedschaft in den Bündnissen der westlichen Demo-kratien nach 1949.

Viele Kräfte wirkten auf die Verfassungsgebung für den We-sten Deutschlands ein. Ohne den Zerfall der Koalition der west-lichen Siegermächte des Zweiten Weltkrieges und der Sowjet-union und ohne den «Kalten Krieg» zwischen Ost und Westwäre die Entscheidung für einen zunächst auf Westdeutschlandbeschränkten demokratischen Teilstaat kaum denkbar gewesen.An der verfassungspolitischen Willensbildung für Westdeutsch-land wirkten viele mit – keineswegs nur die Vertreter der Alliier-ten, wie es die irreführende These nahelegt, das Grundgesetz seiauf den Bajonetten der Besatzungsmächte entstanden. Gewiss:Die Initiative zur Verfassungsbildung ging von den westlichenAlliierten aus. Auf ihr Konto gingen ferner massive Vorgabenfür den Inhalt der Verfassung – liberaldemokratisch und födera-listisch musste sie sein und die Wiedergeburt eines starken Staa-tes sollte sie verhindern – sowie massive Eingriffe in die verfas-sungspolitische Willensbildung. Doch Entwurf, Beratung und

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16 I. Spielregeln der Verfassung

Erstellung der Verfassung, die Beschlussfassung über sie undihre Annahme in den Landesparlamenten waren das Werk deut-scher Verfassungsrechtler und Politiker.

Die Weichenstellungen des Grundgesetzes für die Staatsver-fassung in Deutschland spiegeln Bestrebungen der Siegermächtewie auch der Landespolitiker wider, den neuen deutschen Staatin enge Grenzen zu verweisen. Starke Länder, schwacher Zent-ralstaat sowie mächtige Barrieren gegen einen Machtstaat –das waren die Leitideen auf beiden Seiten. Die Architekten desGrundgesetzes griffen aber auch Traditionen freiheitlicher Ver-fassungstheorien aus Westeuropa und Nordeuropa wieder auf:Die liberaldemokratischen Strukturen, die verfassungsrechtlicheZügelung der Demokratie und die Aufwertung der Grundrechtezeugen hiervon. Und nicht zu übersehen sind die Lehren, die ausder politischen Geschichte Deutschlands gezogen wurden: vorallem der – von der Abgrenzung zum Nationalsozialismus undzum DDR-Sozialismus geprägte – anti-totalitäre «Geist der Ge-setze» und das Bestreben, Strukturmängel der Weimarer Reichs-verfassung zu vermeiden. Auf dieser Basis wurden die Grund-rechte als unmittelbar geltendes Recht festgeschrieben und eineVerfassungsgerichtsbarkeit als Hüterin der Verfassung einge-richtet. Zu den Lehren aus Weimar gehören auch die Schwä-chung des Amtes des Bundespräsidenten und die Stärkung derverfassungspolitischen Position des Bundeskanzlers.

Das Grundgesetz spiegelt den Ausgleich zwischen unter-schiedlichen Bestrebungen wider. Der Zwang zum Kompromisswar groß, denn die Verfassung für den westdeutschen Teilstaatmusste die Zustimmung der politischen Parteien, der Landtageund der westlichen Siegermächte erlangen. Schon an den Bera-tungen des Herrenchiemseer Verfassungskonvents, dem vonder Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder in Antwortauf Vorgaben der Alliierten bestellten Sachverständigenaus-schuss, der die Vorarbeiten für die Verfassung lieferte, war jeein stimmberechtigter Vertreter der Länder beteiligt. Nochkomplizierter verlief die Willensbildung im ParlamentarischenRat, der für die Ausarbeitung des Grundgesetzes einberufenenVersammlung. Der Parlamentarische Rat bestand aus 65 von

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den elf Landtagen der Westzonen gewählten Abgeordneten so-wie aus fünf Vertretern Berlins, das unter dem Viermächtestatusstand und dessen Vertreter deshalb nur mit beratender Stimmeteilnahmen. Die Willensbildung im Parlamentarischen Ratstand im Zeichen der innerdeutschen Politik und des ständigenDialogs mit den drei westlichen Militärgouverneuren, die überihre Verbindungsoffiziere das Tun und Lassen des Rates beauf-sichtigten – mit Vergünstigungen und nachrichtendienstlichenMitteln, auch mit Telefonabhörung. «We observe them, thenwe cocktail them, dine them and lunch with them», so schriebder amerikanische Journalist T. H. White über den Einfluss derVerbindungsoffiziere auf den Parlamentarischen Rat. Die par-teipolitische Machtverteilung im Parlamentarischen Rat nahmdie Kräfteverteilung zwischen den Parteien nach 1949 weitge-hend vorweg: Auf die CDU/CSU und die SPD entfielen jeweils27, auf die FDP fünf und auf die Deutsche Partei, das Zentrumund die Kommunistische Partei je zwei Sitze. Zur absolutenMehrheit war folglich eine Koalition unabdingbar und zurZweidrittelmehrheit eine Große Koalition aus Unionsparteienund SPD – so wie später bei einer Verfassungsänderung.

Diese Kräfteverteilungen und Mehrheitsschwellen sind mit-verantwortlich für die Kompromisse im Parlamentarischen Rat.Die Dominanz der Ländervertreter und das Streben der Alliier-ten nach einem schwachen Zentralstaat fanden ihren Nieder-schlag in einem Bundesstaat mit schwachem Zentrum undwechselseitiger Abhängigkeit von Bund und Ländern. Kirchenund Gewerkschaften wurden in der Verfassung besser bedachtals beispielsweise die Verbände der Unternehmer und die Beam-tenschaft, die weithin als Träger des NS-Staates galten und des-halb misstrauisch beäugt wurden. Und dass dem Grundgesetzin der Fassung von 1949 eine Wehrverfassung und eine Not-standsverfassung fehlten, ist ohne die damals gegebene Supre-matie der Alliierten nicht zu verstehen.

Hinzu kam das Kräftepatt zwischen SPD und Unionspar-teien. Dieses Patt erzwang den Verzicht der SPD auf sozialeGrundrechte und die Lossagung der Unionsparteien von derverfassungsrechtlichen Festschreibung konservativer Gesell-

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18 I. Spielregeln der Verfassung

schaftskonzeptionen sowie die Offenheit des Grundgesetzes inFragen der Wirtschaftsverfassung. Das Grundgesetz sollte «eineSchranke gegen Sozialismus» sein, so urteilte der spätere Bun-despräsident Roman Herzog. Es schreibt aber dem Eigentum Ge-meinwohlpflichtigkeit vor und erklärt Enteignungen als zulässig,sofern sie dem Wohle der Allgemeinheit dienen und angemessenentschädigt werden. Ferner spiegelt das Grundgesetz einen Aus-gleich zwischen den Demokratievorstellungen der großen Par-teien wider: Die SPD liebäugelte mit einer sozialstaatlichenMehrheitsdemokratie auf der Grundlage einer politisch regulier-ten, demokratisch gezügelten Wirtschaft. Die bürgerlichen Par-teien hingegen strebten nach einer institutionell gebändigten De-mokratie mit hohen Barrieren gegen Mehrheitsabsolutismusund nach einer weitgehend privatautonomen Wirtschaft.

2.Verfassung und Verfassungswirklichkeit

Verfassungen setzen Regeln für den politischen Betrieb. Ob diesebefolgt werden, ist durch Erforschung der Verfassungswirklich-keit zu klären. Ihre Erkundung zeigt, dass die Bundesrepublikzunächst noch der Oberhoheit der westlichen Siegermächte desZweiten Weltkriegs unterstand. Die Rechtsgrundlage war dasBesatzungsstatut vom Mai 1949. Gewiss: Das Besatzungsstatuthatte die Jahre der uneingeschränkten Besatzungsherrschaft be-endet. Doch mit dem Besatzungsstatut behielten die westlichenAlliierten die Hoheit über zentrale Politikfelder wie Rüstung,Reparationen, Dekartellisierung, Außenpolitik und Außenwirt-schaftspolitik.Überdiesbedurfte jede Änderung des Grundgeset-zes der Zustimmung der Alliierten. Diese beanspruchten oben-drein die Souveränität für den Ausnahmezustand und behieltensich vor,dieVerfassung, falls erforderlich, zu suspendieren. Nochwar Deutschland kein souveräner Staat. Den Status eines weitge-hend außenbestimmten politischen Systems – Fachleute spra-chen von einem «penetrierten System» – behielt die Bundesrepu-blik bis zum Inkrafttreten des Deutschlandvertrages zwischenden westlichen Alliierten und der Bundesrepublik Deutschlandam 5. Mai 1955. Erst mit dem Deutschlandvertrag erhielt die

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