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Manfred Cierpka (Hrsg.) - download.e-bookshelf.de...In Teil III werden die wesentlichsten...

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Manfred Cierpka (Hrsg.) Handbuch der Familiendiagnostik 3., aktualisierte und ergänzte Auflage
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Manfred Cierpka (Hrsg.)

Handbuch der Familiendiagnostik

3., aktualisierte und ergänzte Aufl age

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Manfred Cierpka (Hrsg.)

Handbuch der Familiendiagnostik

3., aktualisierte und ergänzte Aufl age

Mit 25 Abbildungen und 13 Tabellen

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ISBN 978-3-540-78473-9 Springer Medizin Verlag Heidelberg

Bibliografi sche Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfi l-mung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätz-lich vergütungspfl ichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.

Springer Medizin Verlag

springer.de

© Springer Medizin Verlag Heidelberg 2008

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Ge-währ übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden.

Planung: Renate Scheddin Projektmanagement: Renate Schulz Lektorat: Barbara Wirt, HamburgLayout und Einbandgestaltung: deblik BerlinSatz: medionet Publishing Services Ltd. Berlin

SPIN: 12104246

Gedruckt auf säurefreiem Papier 2126 – 5 4 3 2 1 0

Prof. Dr. med. Manfred Cierpka

Institut für Psychosomatische Kooperationsforschungund FamilientherapieUniversitätsklinikum HeidelbergBergheimer Straße 5469115 Heidelberg

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Vorwort

Auf einmal ist die Familie wieder in aller Munde. Der Rückgang der Geburtenrate zum Beispiel, die auf immer später verschobene Familienplanung unter den Akademikern, die zunehmende Kinderarmut und der Anstieg der Scheidungsrate gefährden die Institution Familie und rufen nach Lösungsvorschlägen zu deren Absicherung. Es scheint, als ob der Notruf der Familie zumindest in der Politik angekommen ist.

Seit sich die Politik der Familienthematik verstärkt annimmt, entwickelt sich das Familienministerium zu einem der wichtigsten Impulsgeber für Veränderungen. Mit dem Elterngeld versucht man die Väter stärker einzubinden. Das Scheidungsrecht wurde refor-miert, um das Wohl der Kinder besser zu verankern. Mit einem enormen Aufwand sol-len risikobelastete Familien durch eine Anzahl von Projekten untertützt werden. Zu deren Koordination wurde ein »Nationales Zentrum Frühe Hilfen« gegründet. Besonders die Familien, die sich im Übergang zur Elternschaft befi nden, erhalten staatlichen Beistand. Dazu passt auch die breitfl ächig angelegte Initiative zur Erhöhung der Kinderkrippenplät-ze.

Die Familienforschung hat ebenfalls Aufwind erhalten. Familienpsychologische und - soziologische Studien werden intensiviert, um mehr Erkenntnisse über die Gefährdun-gen, Bedürfnisse und Veränderungsansätze von Familien zu gewinnen. Diese Studien erfordern familiendiagnostische Konzepte, um qualitative und quantitative Daten zu erheben. Viele der präventiven und interventiven Maßnahmen zur Stärkung der Familien benötigen eine begleitende Prozess- und Ergebnisevaluation, um herauszufi nden, welche Maßnahmen tragen und welche Interventionen als eff ektiv gelten können.

Die Forschung benötigt so immer diversifi ziertere Messinstrumente, die die Einschät-zung von bestimmten Stärken und Schwächen der Familien erlauben. Für manche Frage-stellungen müssen beispielsweise die Belastungen von Familien beurteilt werden können, genauso wie ihre Ressourcen.

Die Methoden in der Familiendiagnostik haben sich entsprechend verbreitert und gleichzeitig auch spezialisiert. Der Einsatz von Videotechnik eröff net neue Möglichkeiten. So wurde eine ganze Reihe von reliablen und validen interaktionsanalytischen Instru-menten erarbeitet, die die Qualität der Beziehung zwischen dem Säugling und der Bezugs-person erfassen können.

Es war deshalb in dieser dritte Aufl age des Handbuchs der Familiendiagnostik auch notwendig, das Kapitel über die Beobchtungsverfahren neu zu verfassen. Die Autoren Ch. Käppler und M. Stasch stützen sich im Kapitel 21 auf inzwischen bewährte Verfah-ren im deutschsprachigen Raum und stellen deren Einsatz für Klinik und Forschung bei-spielhaft dar.

Die Konzepte, Methoden und Techniken der Familientherapie haben sich in den letz-ten Jahren dagegen eher konsolidiert. Insofern mussten die klinischen Kapitel inhalt-lich nicht grundlegend überarbeitet werden. Alle Kapitel wurden selbstverständlich stili-stisch durchgesehen und aktualisiert. Die Familiendiagnostik hat sich als eigenständiger Bereich in ganz unterschiedlichen Fächern etabliert. In der Psychologie ist die Diagnos-tik der Beziehungssysteme an vielen Universitäten Teil des Lehrplans. In der Psychothera-pie gehört die Familiendiagnostik zum Spektrum der angewandten Verfahren. Sowohl die

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Vorwort

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psychologischen als auch die ärztlichen Psychotherapeuten für das Kindes- und Erwach-senenalter schenken der Lebenswelt und den Beziehungssystemen, in denen ihre Pati-enten leben, eine immer größere Beachtung. Im Rahmen der sog. Richtlinien-Psychothe-rapie ist es in Deutschland inzwischen möglich, Paare und Familien in Doppelstunden zu behandeln. Bei den Familientherapeuten aller Schulen ist die Diskussion entbrannt, ob eine diagnostische Phase von der nachfolgenden Behandlung abgetrennt werden kann. Da sich im Wettstreit der Methoden Indikationsbereiche für die unterschiedlichen Pro-blemstellungen herauskristallisieren, wird sich die Notwendigkeit einer kommunizier-baren Diagnostik unter den Psychotherapeuten erhöhen. In der Medizin ringt die Fami-lienmedizin allerdings nach wie vor um ihre Anerkennung. Während fachlich die Einbe-ziehung der Angehörigen in die Behandlung des Patienten in den Richtlinien aufgegriff en wird, stößt die Umsetzung entsprechender Konzepte in einer Zeit hohen ökonomischen Drucks auf große Widerstände.

Unverändert gegenüber den Voraufl agen blieben auch die Schwerpunktsetzungen in der Gliederung des Buches:

In der Einführung und Synopsis wird die Gliederung erläutert.Das Buch liefert in Teil I Defi nitionen und diskutiert die Grundlagen der Familiendi-

agnostik.Der Schwerpunkt liegt nach wie vor auf der Praxis. In den praxisnah geschriebenen

Kapiteln in Teil II werden Richtlinien und Handlungsanleitungen für die Erstgeprächssi-tuation vorgestellt und an einem Falllbeispiel veranschaulicht.

Das Modell der »diagnostischen Fenster« hat sich bewährt. In Teil III werden die wesentlichsten diagnostischen und behandlungstheoretischen Perspektiven in der Fami-liendiagnostik referiert.

Im Teil IV werden ergänzende Techniken in der Familiendiagnostik dargestellt.Die empirisch-diagnostischen Verfahren werden in Teil V diskutiert.Das vorliegende Handbuch konzentriert sich auf die Familie. Auch in dieser Aufl age

wird die Paardiagnostik nur im Rahmen der Familiendiagnostik behandelt.Erneut bedanke ich mich bei allen Autorinnen und Autoren dieses Buches für die

unkomplizierte und effi ziente Zusammenarbeit. Der Springer-Verlag fördert dieses Buch-projekt seit 1989 mit großem Engagement. Mein Dank geht für diese Aufl age an Renate Scheddin (Programmplanung) und Frau Renate Schulz (Projektmanagement). Ich bedan-ke mich, im Namen aller Autorinnen und Autoren, bei Barbara Wirt für die schnelle und sorgfältige redaktionelle Bearbeitung der Texte. Mein besonderer Dank geht an Frau Angelika Engberding aus unserem Institut, die mit großer stilistischer Sicherheit meine Manuskripte durchgesehen und verbessert hat.

Manfred Cierpka

Heidelberg, im September 2008

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Inhaltsverzeichnis Einführung und Synopsis. . . . . . . . . 1

M. Cierpka

I Defi nitionen und

Grundlagen

1 Über Familiendiagnostik . . . . . . . . . 11M. Cierpka

1.1 Familiendiagnostik als theoriegeleitete Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

1.2 Diagnostik und Therapie . . . . . . . . . . . 141.3 Der Diagnostiker – ein Brillenträger . . . . 161.4 Spezifi tät versus Unspezifi tät . . . . . . . . 171.5 Pathologiezentrierte versus ressourcen-

orientierte Diagnostik . . . . . . . . . . . . 181.6 Defi nition der Familie . . . . . . . . . . . . . 191.7 Defi nition der Familiendiagnostik . . . . . 21

2 Das Drei-Ebenen-Modell in der Familiendiagnostik. . . . . . . . . . . . . 25M. Cierpka

2.1 Die Ebenen der Familie . . . . . . . . . . . . 262.2 Koevolutive Entwicklung in Beziehungs-

systemen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302.3 Familiendiagnostik mit dem

Drei-Ebenen-Modell. . . . . . . . . . . . . . 312.3.1 Wie organisiert sich das Individuum

innerhalb seiner Beziehungssysteme? . . 322.3.2 Wie organisieren sich die

dyadischen bzw. triadischen Beziehungen in der Familie? . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

2.3.3 Wie organisiert sich die Familie als Familie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

2.3.4 Wie organisiert sich die Familie innerhalb des sozialen und gesellschaftlichen Kontextes? . . . . . . . 37

2.3.5 Schnittstellen und Verknüpfungen der Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

2.4 Schlüsselkonzepte . . . . . . . . . . . . . . 392.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

II Das Familienerst-

gespräch

3 Erstkontakt und Vorbereitung des Erstgesprächs . . . . . . . . . . . . . . . . 45B. Zander, M. Cierpka

3.1 Kontaktaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . 463.2 Gestaltung des Erstkontakts. . . . . . . . . 47

3.2.1 Ausführliche Erstkontaktgestaltung. . . . 473.2.2 Kurze Erstkontaktgestaltung . . . . . . . . 503.3 Berücksichtigung von »frühen«

Widerständen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 503.4 Vorbereitung des Erstgesprächs . . . . . . 523.5 Wenige oder ausführliche

Vorinformationen . . . . . . . . . . . . . . . 53

4 Durchführung des Erstgesprächs. . . . 55A. Riehl-Emde

4.1 Komplexität des ersten Familiengesprächs. . . . . . . . . . . . . . . 56

4.2 Therapeutische Basisfertigkeiten im Familiengespräch . . . . . . . . . . . . . . . 56

4.3 Rahmenbedingungen des Erstgesprächs 574.4 Phasen des Erstgesprächs . . . . . . . . . . 584.5 Leitfaden für das erste Familiengespräch 594.5.1 Leitfaden für die Anfangsphase . . . . . . 594.5.2 Leitfaden für die Mittelphase . . . . . . . . 614.5.3 Leitfaden für die Endphase . . . . . . . . . 65

5 Ziele und Indikationsüberlegungen . . 67M. Cierpka

5.1 Ziele der Familientherapeuten . . . . . . . 685.2 Aufbau einer tragfähigen

Arbeitsbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . 695.3 Formulierung eines familiendynamischen

Problemverständnisses. . . . . . . . . . . . 715.4 Bestimmung der Ressourcen zur

Problemlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . 735.4.1 Das Problem/das Symptom als

bestmögliche innerseelische/intrafamiliäre Kompromissbildung . . . . 74

5.4.2 Die Familienbeziehungen als Ressource . 745.4.3 Bewältigungsmöglichkeiten . . . . . . . . 765.4.4 Ressourcen und davon abgeleitete

Handlungsstrategien . . . . . . . . . . . . . 765.5 Indikationsüberlegungen . . . . . . . . . . 775.5.1 Wahl des Settings . . . . . . . . . . . . . . . 825.5.2 Welche familientherapeutische Methode

ist bei welchem Problem anzuwenden? . 835.5.3 Indikation für kombinierte oder

sequentielle Therapiemodalitäten . . . . . 865.5.4 Berücksichtigung von anstehenden

Entwicklungen in der Familie . . . . . . . . 875.6 Therapieziele und Therapievereinbarung 885.6.1 Bestimmung der Therapieziele . . . . . . . 885.6.2 Therapievereinbarung . . . . . . . . . . . . 90

6 Problemdefi nition und Behandlungsziele . . . . . . . . . . . . . 93F. Balck, M. Cierpka

6.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 946.2 Der Problembegriff in der

Familientherapie . . . . . . . . . . . . . . . . 95

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6.3 Problemdefi nition . . . . . . . . . . . . . . . 956.4 Spektrum der »präsentierten« Probleme. 966.5 Formalisierte Methoden zur

Identifi zierung von Problemen und Behandlungszielen . . . . . . . . . . . . . . 97

6.5.1 GAS-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 986.5.2 Einsatz von Problemlisten . . . . . . . . . . 104

7 Dokumentation des Erstgesprächs. . . 107B. Zander, C. von Wallmoden

7.1 Erstinterviewbericht. . . . . . . . . . . . . . 1087.2 Audiovisuelle Aufzeichnungen . . . . . . . 1097.3 Basisdokumentationssystem . . . . . . . . 111

8 Erstgespräche am Beispiel einer Familie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115C. von Wallmoden, G. Reich, B. Zander, M. Cierpka, L. Seide

8.1 Telefonischer Erstkontakt . . . . . . . . . . 1168.2 Erstes Gespräch . . . . . . . . . . . . . . . . 1198.2.1 Anfangsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . 1198.2.2 Problemphase – Kennenlernen der

Probleme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1208.2.3 Endphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1258.3 Zweites Gespräch . . . . . . . . . . . . . . . 1268.3.1 Fortsetzung der Problemphase. . . . . . . 1278.4 Klinische Diskussion. . . . . . . . . . . . . . 1308.5 Endphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

III Rahmenbedingungen

und diagnostische

Fenster

9 Systemisch-konstruktivistische Diagnostik. Vom Verfeinern des Möglichkeitssinns . . . . . . . . . . . . . 137J. Schweitzer-Rothers, M. Ochs

9.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1389.1.1 Ressourcenorientierung in der systemisch-

konstruktivistischen Diagnostik . . . . . . 1389.1.2 Was verstehen wir unter »systemisch-

konstruktivistischer Diagnostik«? . . . . . 1399.2 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . 1399.2.1 »Systemisch« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1399.2.2 »Konstruktivistisch« . . . . . . . . . . . . . . 1409.3 Prämissen einer systemisch-

konstruktivistischen Diagnostik . . . . . . 1419.4 Erfragen und Infragestellen:

einzelne Methoden . . . . . . . . . . . . . . 1439.4.1 Krankheitstheorien . . . . . . . . . . . . . . 1439.4.2 Diagnosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1459.4.3 Identitätsideen . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

9.4.4 Ideen über die eigene Vergangenheit: »Was, wenn Ihre Mutter Sie doch geliebt hätte?« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

9.4.5 Ideen über die eigene Zukunft . . . . . . . 1479.4.6 Experimente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1479.4.7 Diagnostik durch Skulpturen und

Zeitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1489.4.8 Diagnostik durch Sprechchöre . . . . . . . 1499.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

10 Familiendiagnostik im Kontext . . . . . 153D. Benninghoven, S. Krebeck, U. Bohlen

10.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15410.2 Institutioneller Rahmen . . . . . . . . . . . 15510.2.1 Ebene des Einzelnen . . . . . . . . . . . . . 15610.2.2 Ebene der Zweierbeziehungen . . . . . . 15610.2.3 Ebene der Subsysteme . . . . . . . . . . . . 15710.2.4 Ebene des Gesamtsystems . . . . . . . . . 15710.2.5 Drei Schritte bei der Diagnostik des

institutionellen Kontextes . . . . . . . . . . 15710.2.6 Unterschiedliche Institutionen . . . . . . . 15710.3 Überweisungskontext . . . . . . . . . . . . 15910.3.1 Rolle des Überweisenden im

Familiensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . 16010.3.2 Überweisungsbegründung . . . . . . . . . 16110.3.3 Beziehungsmuster zwischen

Überweisendem und Familientherapeut 16210.4 Andere helfende Systeme/

größere Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . 16310.4.1 Welche anderen Systeme können

bedeutsam sein? . . . . . . . . . . . . . . . . 16310.4.2 Konkurrierende Erwartungen und

Hindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16410.4.3 Korrespondierende Erwartungen und

Kooperationsmöglichkeiten. . . . . . . . . 16610.4.4 Selbstbilder und Bewältigungsmuster

der Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16710.4.5 Auswirkungen auf andere Systeme . . . . 16810.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

11 Familiäre Lebenszyklen . . . . . . . . . . 171G. Frevert, M. Cierpka, P. Joraschky

11.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17311.2 Lineare Modelle des

Familienlebenszyklus . . . . . . . . . . . . . 17411.3 Ein zirkuläres lebenszyklisches Modell . . 17511.4 Der Familienlebenszyklus . . . . . . . . . . 17611.5 Zusammenleben ohne Kinder . . . . . . . 17811.5.1 Schaff ung einer gemeinsamen

Lebenswelt der Partner. . . . . . . . . . . . 17811.5.2 Regulation von Nähe und Distanz . . . . . 17811.5.3 Einfl uss internalisierter Beziehungs-

erfahrungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17911.5.4 Beziehungen zu den Herkunftsfamilien . 17911.6 Übergang zur Elternschaft . . . . . . . . . . 18011.6.1 Übergang von der Dyade zur Triade. . . . 18011.6.2 Auseinandersetzung mit der Elternschaft. 18011.6.3 Veränderung in der Partnerschaft . . . . . 181

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InhaltsverzeichnisIX

11.6.4 Konfl ikte zwischen den Generationen . . 18211.7 Zusammenleben mit Kleinkindern:

Triangulierung und ödipale Phase. . . . . 18211.7.1 Beziehungsgestaltung zwischen Eltern

und Kind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18311.7.2 Grenzenregulation. . . . . . . . . . . . . . . 18311.7.3 Beziehung zwischen Kind, Eltern und

Großeltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18411.7.4 Veränderungen in der Paardyade und

der partnerschaftlichen Zufriedenheit . . 18411.7.5 Ankunft eines zweiten Kindes . . . . . . . 18511.8 »Latenzzeit«: die Phase der

Familienkohäsion . . . . . . . . . . . . . . . 18511.8.1 Balance zwischen Eltern- und

Paarfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 18511.8.2 Störungen der Grenzenregulation. . . . . 18611.9 Adoleszenz: der Ablösungsprozess . . . . 18711.9.1 »Zweite Individuation« des Jugendlichen 18711.9.2 Testen der Grenzen . . . . . . . . . . . . . . 18811.9.3 Auswirkungen der »Sturm-und-Drang-

Periode« auf die Familie . . . . . . . . . . . 18811.9.4 Probleme in der Ablösung. . . . . . . . . . 18911.10 Familien in der Lebensmitte:

Neuformulierung der Beziehungen . . . . 19011.10.1 Beziehungsgestaltung zwischen Eltern

und erwachsenen Kindern. . . . . . . . . . 19011.10.2 Krisen in der Beziehung mit den

erwachsenen Kindern. . . . . . . . . . . . . 19011.10.3 Neuformulierung der Paarbeziehung. . . 19111.10.4 Krisenhafte Umbrüche in der

Paarbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . 19111.10.5 Problematik der »Sandwichgeneration« . 19211.11 Paare im Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19311.11.1 Krisen beim Rückzug auf die Zweisamkeit 19411.11.2 Aufl ösung des Hausstandes und der

Lebensgemeinschaft durch den Tod . . . 19511.11.3 Familiendiagnostik vor dem Hintergrund

der Lebenszykluskonzepte . . . . . . . . . 19611.12 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

12 Familiäre Lebenswelten. . . . . . . . . . 199A. Kraul, K. Ratzke, G. Reich, M. Cierpka

12.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20012.2 Sozialstrukturelle Faktoren und familiale

Lebensformen . . . . . . . . . . . . . . . . . 20212.2.1 Lebenszusammenhänge von Frauen

und Männern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20212.2.2 Familie und soziale Ungleichheit. . . . . . 20412.2.3 Schichtbedingte und regionale

Unterschiede bei den Familienformen . . 20512.3 Lebensformen . . . . . . . . . . . . . . . . . 20512.3.1 Traditionelle Familien . . . . . . . . . . . . . 20512.3.2 Alleinlebende . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20712.3.3 Alleinerziehende . . . . . . . . . . . . . . . . 20812.3.4 Nichteheliche Lebensgemeinschaften . . 21012.3.5 »Scheidungsfamilien« – Familien im

Übergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

12.3.6 Fortsetzungsfamilien – von der Familie zur »Patchwork-Familie« . . . . . . . . . . . 215

12.3.7 Adoptions- und Pfl egefamilien . . . . . . . 21712.4 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

13 Kultureller Kontext und seine Berücksichtigung bei Migranten- und Flüchtlingsfamilien. . . . . . . . . . 223J. Walter, H. Adam

13.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22413.2 Kultur und Wechsel der Kultur . . . . . . . 22613.3 Phasen der Migration . . . . . . . . . . . . . 22813.4 Dort, hier und dazwischen. . . . . . . . . . 22913.4.1 Dort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22913.4.2 Hier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22913.4.3 Dazwischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23213.5 Unterschiede zwischen freiwilliger und

erzwungener Migration . . . . . . . . . . . 23313.6 Konkretes Vorgehen in der

Familiendiagnostik . . . . . . . . . . . . . . 23613.7 Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . 23713.7.1 Sprache und Sprachverlust . . . . . . . . . 23713.7.2 Der Weg in die Familientherapie . . . . . . 23813.7.3 Übertragung und Gegenübertragung . . 239

14 Diagnostik der Erziehungsstile . . . . . 241K. Ratzke, S. Gebhardt-Krempin , B. Zander

14.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24214.2 Verschiedene Aspekte des elterlichen

Erziehungsstils . . . . . . . . . . . . . . . . . 24414.3 Historische Entwicklung und

traditionelle Erziehungsstilforschung. . . 24514.4 Familiäre Sozialisationsforschung . . . . . 24514.4.1 Perspektiven familiärer

Sozialisationstheorien . . . . . . . . . . . . 24514.4.2 Ein integratives Modell familiärer

Sozialisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24814.5 Diagnostische Kriterien der

innerfamilialen Sozialisation . . . . . . . . 25014.5.1 Klima in der Familie . . . . . . . . . . . . . . 25014.5.2 Paarbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . 25114.5.3 Elterliche Erziehungsstile . . . . . . . . . . 25114.6 Fallbeispiel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25214.6.1 Diagnostik der Bindungsdynamik . . . . . 25314.6.2 Diagnostik des elterlichen Erziehungsstils 25314.7 Fragebogenverfahren zur Diagnostik

des elterlichen Erziehungsstils . . . . . . . 25414.7.1 Methoden und Anwendungsbereiche

der empirischen Erfassung des elterlichen Erziehungsstils . . . . . . . . . . 254

14.7.2 Ausgewählte Fragebogenverfahren der Erziehungsstildiagnostik . . . . . . . . 255

15 Mehrgenerationenperspektive und Genogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . 259G. Reich, A. Massing, M. Cierpka

15.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

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Inhaltsverzeichnis

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X

15.2 Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . 26115.3 Empirische Befunde zu generationen-

übergreifenden Kontinuitäten . . . . . . . 26215.4 Dimensionen der Mehrgenerationen-

perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26315.4.1 Sozialhistorische Einfl üsse auf die Familie 26315.4.2 Das Familiengefühl als generationen-

übergreifendes Bindeglied . . . . . . . . . 26515.4.3 Trauma, Fantasie, Abwehr . . . . . . . . . . 26615.4.4 Identifi kationen, Gegenidentifi kationen

und die Rückkehr des Verdrängten . . . . 26715.4.5 Loyalität, Verdienst und Vermächtnis . . . 26915.5 Klinische Manifestationen

mehrgenerationaler Prozesse. . . . . . . . 27015.5.1 Bezogene Individuation . . . . . . . . . . . 27015.5.2 Delegation und Parentifi zierung . . . . . . 27115.5.3 Abgewehrte Trauer . . . . . . . . . . . . . . 27315.5.4 Familienmythen . . . . . . . . . . . . . . . . 27415.5.5 Familiengeheimnisse . . . . . . . . . . . . . 27515.6 Die verschiedenen Generationen in der

Familiendiagnostik . . . . . . . . . . . . . . 27615.6.1 Mittlere Generation: das Paar und seine

Konfl ikte im Familiensystem . . . . . . . . 27615.6.2 Kinder in der Familiendiagnostik. . . . . . 27915.6.3 Die Großelterngeneration in der

Familiendiagnostik . . . . . . . . . . . . . . 28215.7 Genogramm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284

IV Techniken und

Zusammenfassung der

Informationen

16 Systemisches Interviewen . . . . . . . . 293E. Nordmann, S. Kötter

16.1 Einleitung und Übersicht. . . . . . . . . . . 29416.2 Zirkuläres Fragen. . . . . . . . . . . . . . . . 29416.3 Neuere systemische Interview- und

Befragungstechniken . . . . . . . . . . . . . 29616.4 »Refl ecting team« . . . . . . . . . . . . . . . 29816.5 Rolle des Interviewers – Entwicklungs-

trends in der Familientherapie . . . . . . . 30016.6 Höhere Wertschätzung der subjektiven

Perspektive der Betroff enen. . . . . . . . . 303

17 Skulpturverfahren . . . . . . . . . . . . . 305S. Arnold, P. Joraschky, A. Cierpka

17.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30617.2 Strukturell orientierte Verfahren . . . . . . 30717.2.1 Lebende Skulptur . . . . . . . . . . . . . . . 30717.2.2 Soziometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31117.2.3 Symbolische Darstellung des

Lebensraumes der Familie . . . . . . . . . . 31217.2.4 Das »Familienbrett« nach Ludewig . . . . 31317.2.5 Familienhierarchietest . . . . . . . . . . . . 313

17.2.6 Skulpturtest nach Kvebaek . . . . . . . . . 31417.2.7 Familien-System-Test (FAST). . . . . . . . . 32117.2.8 Familie in Kreisen . . . . . . . . . . . . . . . 32317.2.9 Kartenspiel um Rollen bzw.

Eigenschaften in Familien . . . . . . . . . . 32417.2.10 Wohnungsgrundriss. . . . . . . . . . . . . . 32417.3 Interaktionell orientierte

Skulpturverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 32517.3.1 Verwendung von Szeno-Puppen . . . . . 32517.3.2 Familienpuppeninterview . . . . . . . . . . 32717.3.3 Familienzeichnung . . . . . . . . . . . . . . 32817.3.4 Lieblingsmärchen . . . . . . . . . . . . . . . 32817.3.5 Handpuppenspiel . . . . . . . . . . . . . . . 32917.3.6 Familienchoreographie. . . . . . . . . . . . 32917.4 Projektiv orientierte Skulpturverfahren . 33017.4.1 Szenotest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33017.4.2 Verzauberte Familie . . . . . . . . . . . . . . 33117.4.3 Imagination von Landschaften . . . . . . . 33217.4.4 Imaginieren von Farben . . . . . . . . . . . 33217.5 Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 33317.6 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333

18 System- und Strukturdiagnose . . . . . 335P. Joraschky, R. Retzlaff

18.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33618.2 Funktionsebenen des Familiensystems. . 33818.2.1 Off enheit der Familie gegenüber

der Außenwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . 33818.2.2 Emotionale Dichte . . . . . . . . . . . . . . . 34118.2.3 Familienkohäsion . . . . . . . . . . . . . . . 34118.3 Familienstruktur und Grenzenregulation

in Familien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34218.3.1 Beschreibung der familiären Grenzen . . 34218.3.2 Individuelle Grenzenregulation . . . . . . 34318.3.3 Nähe-Distanz-Regulation in Dyaden . . . 34518.3.4 Generationsgrenzen . . . . . . . . . . . . . 34718.3.5 Triangulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 34818.3.6 Delegation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34818.3.7 Parentifi zierung . . . . . . . . . . . . . . . . 34918.3.8 Pseudogemeinschaft . . . . . . . . . . . . . 35018.3.9 Kollektives kognitives Chaos . . . . . . . . 35018.3.10 Grenzambiguität . . . . . . . . . . . . . . . . 35118.3.11 Entwicklung des Strukturbildes . . . . . . 35118.3.12 Bewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353

19 Psychodynamischer Befund . . . . . . . 355G. Reich, M. Cierpka

19.1 Was soll der psychodynamische Befund klären? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356

19.2 Verzahnung vergangener Beziehungs-erfahrungen mit gegenwärtigen Trans-aktionsmustern – Erklärungskonzepte . . 356

19.2.1 Vergangenheits-Unbewusstes und Gegenwarts-Unbewusstes. . . . . . . . . . 356

19.2.2 Psychoanalytische Objektbeziehungs-theorien und Familiendiagnostik . . . . . 358

19.2.3 Dyade, Triade und Mehrpersonen-beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359

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InhaltsverzeichnisXI

19.2.4 Objektrepräsentanzen, innere »Landkarte« und zentrale Beziehungswünsche . . . . . . . . . . . . . 360

19.2.5 Spannung zwischen individuellen Lebensentwürfen und der Familie . . . . . 362

19.2.6 Interpersonelle Abwehr . . . . . . . . . . . 36319.3 Psychodynamik der Paarbeziehung . . . . 36519.3.1 Paarbeziehung als Vertrag . . . . . . . . . . 36519.3.2 Kollusionsmodell. . . . . . . . . . . . . . . . 36619.4 Psychodynamik der Eltern-Kind-

Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36819.5 Psychodynamik der Geschwister-

beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37119.5.1 Geschwister als eigenes Subsystem mit

eigener Dynamik. . . . . . . . . . . . . . . . 37119.5.2 Verschiedenheit der Geschwister . . . . . 37119.5.3 Verschiedenheit durch unterschiedliche

Identifi kationen . . . . . . . . . . . . . . . . 37119.6 Psychodynamik des Therapeuten-

Familien-Systems . . . . . . . . . . . . . . . 37219.6.1 Therapiemotivation, Arbeitsbündnis

und Widerstand . . . . . . . . . . . . . . . . 37219.6.2 Übertragung in der Familientherapie . . . 37219.6.3 Initiale Übertragungsmuster . . . . . . . . 37319.6.4 Übertragungs-Gegenübertragungs-

Dynamik als Kollusion . . . . . . . . . . . . 37519.6.5 Gegenübertragungsanalyse. . . . . . . . . 37619.6.6 Verdichtung kollusiver Muster in der

Familienszene. . . . . . . . . . . . . . . . . . 377

V Empirisch-diagnostische

Methoden

20 Standardisierte Formen des Familieninterviews . . . . . . . . . . . . . 381E. Nordmann, S. Kötter

20.1 Allgemeine Gesichtspunkte und Übersicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382

20.2 SFI – strukturiertes Familieninterview . . 38420.3 Camberwell Family Interview (CFI) und

daraus abgeleitete Verfahren . . . . . . . . 38520.4 Weitere standardisierte Familien-

interviewverfahren . . . . . . . . . . . . . . 38920.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392

21 Familiendiagnostische Beobachtungs-methoden – die Analyse der familiären Interaktion . . . . . . . . . . . 393C. Käppler, M. Stasch

21.1 Einordnung von Beobachtungsverfahren in den Kontext familiendiagnostischer Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394

21.2 Grundlegende Aspekte bei familien-diagnostischen Beobachtungsverfahren. 396

21.2.1 Vorbereitung und Durchführung der Datenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . 396

21.2.2 Datenaufbereitung . . . . . . . . . . . . . . 39921.2.3 Datenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40021.2.4 Interpretation und Integration der

Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40021.3 Ausgewählte Verfahrensbeispiele und

ihre Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . 40121.3.1 Datenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . 40121.3.2 Datenaufbereitung und -auswertung. . . 40421.4 Kritische Bewertung des aktuellen

Standes sowie Weiterentwicklungen bei familiendiagnostischen Beobachtungs-verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408

21.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409

22 Prozessmodelle und Ratingskalen . . . 411V. Thomas

22.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41222.2 »Circumplex Model of Marital and

Family Systems« . . . . . . . . . . . . . . . . 41322.2.1 Erklärung des Modells . . . . . . . . . . . . 41322.2.2 Olsons klinische Ratingskala (OKRS). . . . 41522.3 Beavers Systems Model. . . . . . . . . . . . 41822.3.1 Erklärung des Modells . . . . . . . . . . . . 41822.3.2 Beavers Interaktionsskalen . . . . . . . . . 42122.4 McMaster Model of Family Functioning . 42222.4.1 Erklärung des Modells . . . . . . . . . . . . 42222.4.2 McMaster klinische Ratingskala (MKRS) . 42422.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425

23 Überblick über familiendiagnostische Fragebogeninventare . . . . . . . . . . . 427D. Benninghoven, M. Cierpka, V. Thomas

23.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42823.2 Unterschiedliche Arten von familien-

diagnostischen Inventaren . . . . . . . . . 42923.2.1 Konstruktgebundene Fragebogen-

verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42923.2.2 Theoriegebundene Fragebogenverfahren 43123.2.3 Theorieübergreifende Verfahren in der

Familiendiagnostik . . . . . . . . . . . . . . 43223.3 Überblick über fünf theorieübergreifende

Fragebogeninstrumente . . . . . . . . . . . 43323.3.1 Family Environment Scale (FES) –

dt.: Familienklimaskalen (FKS) . . . . . . . 43523.3.2 Family Assessment Device (FAD) . . . . . . 43723.3.3 Familienbögen (FB) . . . . . . . . . . . . . . 43823.3.4 Family Adaptability and Cohesion

Evaluation Scales (FACES) . . . . . . . . . . 43923.3.5 Self-Report Family Inventory (SFI) . . . . . 44123.4 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44223.4.1 Zur Theorieentwicklung . . . . . . . . . . . 44223.4.2 Zur Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447

Sachverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489

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AutorenverzeichnisAdam, HubertusKlinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und JugendaltersOderbergerstraße 816225 [email protected]

Arnold, Stephan, Dr.Rennweg 801309 [email protected]

Balck, Friedrich, Prof. Dr. Medizinische Psychologie und Medizinische SoziologieUniversitätsklinikum Carl Gustav Carus DresdenFetscherstr. 7401307 [email protected]

Benninghoven, Dieter, Priv.-Doz. Dr.Klinik für Psychosomatik Medizin und Psychotherapie Universitätsklinikum Schleswig-HolsteinCampus LübeckRatzeburger Allee 16023562 Lü[email protected]

Bohlen, Uta, Dipl.-Psych. Ottenser Marktplatz 1322765 Hamburg

Cierpka, AstridKeplerstr. 169120 Heidelberg Cierpka, Manfred, Prof. Dr. Institut für Psychosomatische Kooperations forschung und FamilientherapieBergheimerstr. 5469115 [email protected]

Frevert, Gabriele, Dr.Büchsengasse 289073 Ulm

Gebhardt-Krempin, Sabine, Dipl.-Päd.Hochschule EsslingenFakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pfl ege Flanderstr. 10173732 [email protected]

Joraschky, Peter, Prof. Dr. Klinik und Poliklink für Psychotherapie und Psycho-somatikUniversitätsklinikum Carl Gustav CarusFetscherstr. 7401307 [email protected]

Käppler, Christoph de Oliveira, Prof. Dr.Pädagogische Hochschule LudwigsburgFakultät für Sonderpädagogik ReutlingenAbteilung für Pädagogik der Erziehungshilfe und LernförderungProfessur für den Förderschwerpunkt Soziale und Emotionale EntwicklungPestalozzistr. 5372762 [email protected]

Kötter, Sabine, Dr. Sandknapp 4033106 Paderborn

Kraul, Achim, Dr.Hanssenstr. 1337083 Gö[email protected]

Krebeck, Sabine, Dipl.-Psych.Schröderstr. 469120 Heidelberg

Massing, Almuth, Dr.Hanssenstr. 637073 Gö[email protected]

Nordmann, Erik, Dipl.-Psych.Kinder- und jugendpsychiatrische InstitutsambulanzZfP WeissenauWeingartshofer Straße 288214 [email protected]

Ochs, Matthias, Dr.Universitätsklinikum HeidelbergInstitut für Medizinische PsychologieBergheimerstr. 2069115 [email protected]

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Ratzke, Katharina, Dr. Diakonisches Werk der EKDArbeitsfeld Sozialpsychiatrie und SuchthilfeZentrum Gesundheit, Rehabilitation und Pfl egeReichensteiner Weg 2414195 [email protected]

Reich, Günter, Prof. Dr.Georg-August-Universität GöttingenAbt. f. Psychosomatik und PsychotherapieSchwerpunkt FamilientherapieHumboldtallee 3837073 Gö[email protected]

Retzlaff , Rüdiger, Dr.Institiut für Psychosomatische Kooperationsforschung und FamilientherapieBergheimerstr. 5469115 Heidelberg

Riehl-Emde, Astrid, Priv.-Doz. Dr.Institut für Psychosomatische Kooperationsforschung und FamilientherapieBergheimerstr. 5469115 [email protected]

Schweitzer, Jochen, Prof. Dr.Universitätsklinikum HeidelbergInstitut für Medizinische PsychologieBergheimerstr. 2069115 [email protected]

Seide, Lili, Dr.Kaskade – Beratung bei Essstörungen – Göttingen e.V.Am Brachfelde 237077 Göttingen

Stasch, Michael, Dipl.-Psych.Universitätsklinikum HeidelbergInstitut für Psychosomatische Kooperationsforschung und FamilientherapieBergheimerstr. 5469115 [email protected]

Thomas, Volker, Ph.D.Purdue UniversityDept. CDFS202 Fowler Memorial House1200 West State St.West Lafayette, IN [email protected]

Wallmoden, Cornelia von, Dipl.-Psych.Merkelstr. 937085 Gö[email protected]

Walter, Joachim, Dr.Katholisches Kinderkrankenhaus WilhelmstiftLiliencronstr. 13022149 [email protected]

Zander, Britta, Dr. phil.Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und ElternJungfernbrückstr. 1626721 [email protected]

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Einführung und Synopsis1

Einführung und Synopsis

M. Cierpka

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Die Synopsis erläutert die Gliederung des Handbuchs. Zunächst wird die

Durchführung der Erstgespräche dargestellt, darauf folgen die Kapitel,

die aus unterschiedlichen Perspektiven (»diagnostischen Fenstern«) die

Familie, ihre Probleme und Ansätze zu deren Lösung diskutieren. Am

Schluss des Handbuchs fi nden sich die empirisch gestützten diagnos-

tischen Verfahren.

tragungsdynamik sollte bei jedem Diagnostiker/Th erapeuten gewährleistet sein.

Einem Handbuch der Familiendiagnostik müssen grundlegende Überlegungen zur Dia-gnostik vorangestellt werden. Diese befi nden sich in Teil 1. Im ersten Kapitel »Über Familien-diagnostik« werden einige Defi nitionen ange-führt. Kapitel 2 enthält die grundlegende Th e-orie für dieses Handbuch, »Das Drei-Ebenen-Modell«.

Diagnostiker verwenden Theorien

Die Diagnostiker sind Familientherapeuten, die neben ihren familientheoretischen Konzept-bildungen mit ihren persönlichen Th eorien, Lebens-, Wissenschaft s-, und Weltanschauungen auf eine Lebensgemeinschaft , z. B. eine Partner-schaft oder eine Familie, treff en. Dies bedeutet:

Die diagnostischen Beobachtungen, Beschreibungen und Beurteilungen erfol-gen immer durch die Brille der Familienthe-rapeuten. Eine refl ektierend-akzeptieren-de Haltung gegenüber den verschiedenen Lebensformen und den Lebensgestaltungen ist zu beachten.Die Diagnostiker stellen der Familie ihre eigene Brille zur Verfügung. Die Konstruk-tionen der Th erapeuten über die Familien-dynamik und die Zusammenhänge mit dem präsentierten Problem können durch diese Brille von der Familie betrachtet werden.Möglicherweise kann sich die Familie durch die angebotenen Konstrukte ein Problem-verständnis erarbeiten und ihre Schwierig-keiten anders wahrnehmen und dadurch zu

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Klinische Familiendiagnostiker sind – wie in der Einzeltherapie – teilnehmende Beobachter, d. h.:

Die Diagnostiker beobachten die »Familie« im Th erapieraum und beurteilen sie anhand ihrer theoretisch-klinischen Konstrukte.Gleichzeitig sind die Diagnostiker aber auch in die Interaktion mit der Familie involviert.

Diagnostiziert wird also von den Diagnostikern ein Beziehungssystem, das von ihnen selbst mit-konstituiert wurde. Die Interaktion zwischen den beteiligten Systemen stellt sich als zirkuläres, sich gegenseitig beeinfl ussendes Geschehen dar. Diese Überlegungen gelten im Übrigen auch für die der Diagnostik folgende therapeutische Pha-se. Angestrebt werden Veränderungen des Pati-entensystems durch die Interventionen des Th e-rapeutensystems innerhalb des gemeinsam kon-stituierten und sich verändernden Th erapeuten-Familien-Systems.

Die Aktivität der Therapeuten ist in der Fami-

lientherapie größer als in der Einzeltherapie.

Insofern ist davon auszugehen, dass der Bei-

trag der Therapeuten an der Beeinfl ussung

der Beziehungsdynamik und der zu beurtei-

lenden »familiären Konstruktion der Wirklich-

keit« zu einem Zeitpunkt x als noch stärker zu

veranschlagen ist.

Dies ist bei allen Interaktionen und den sich daraus ableitenden diagnostischen Hypothe-sen stets zu bedenken. Die Refl exion des eige-nen Handelns und die Analyse der Gegenüber-

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Einführung und Synopsis3

neuen Lösungen kommen. Es liegt jedoch an der Familie, ob sie die neuen Informationen aufgreifen will, um sich zu verändern.

Die Diagnostiker verwenden Th eorien, um kli-nische Phänomene oder Daten erkennen, ver-stehen und interpretieren zu können. In einem multimethodalen familiendiagnostischen Ansatz werden mithilfe von unterschiedlichen Metho-den das präsentierte Problem, der Problem-kontext, die Familiendynamik und das Th era-peuten-Familien-System betrachtet. Der Blick durch unterschiedliche diagnostische Fenster zeigt die Phänomene und/oder Daten in immer neuer Gestalt und mit verschiedenen Facetten. Die Wahl des Fensters, durch das der Diagnos-tiker schaut, entscheidet darüber, welche Daten erhoben werden. Der Auswahl und damit der Begrenzungen des Blickwinkels muss sich der Diagnostiker bewusst sein. Zwischen den Fen-stern bleibt in einem Gebäude sehr viel Wand-fl äche, d. h. dass der Blick auf einen Großteil des-sen, was die zu untersuchende Familie ausmacht, versperrt bleibt.

Das Bild vom »Haus der Familie«, das viele Fenster unterschiedlicher Größe in unterschied-lichen Stockwerken (Multisystem-Multimethod-Ansatz; Cromwell u. Peterson 1983) besitzt, die den Blick ins Innere der Familie erlauben, ist nicht sehr veränderungssensibel. Familien kon-stituieren sich ständig neu in der Auseinander-setzung mit den Vorstellungen aller Mitglieder und dem sozialen Kontext. Was die Familie letzt-endlich als Lebensform charakterisiert, ist nicht ein statisches Gebäude. Dynamischere Modelle für die Diagnostik sind gefragt. Familien und die Interaktion mit dem Th erapeutensystem müssen im Prozess der Beziehungsgestaltung erfasst wer-den.

Eine umfassendere Familiendiagnostik greift auf mehrere Fenster zurück, um klinische Phä-nomene beurteilen zu können. Nur so kann der Komplexität von Familien und anderen Lebens-gemeinschaft en Rechnung getragen werden. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass beobach-

tungsnahe Informationen weniger theorielastig sind. Diese Informationen sind insofern reliab-ler, als unterschiedliche Diagnostiker zur glei-chen Beurteilung kommen können. Wenn in kli-nischen Urteilsbildungen theoretische »Spra-chen« für die erfassten Phänomene verwendet werden, wird die Übereinstimmung zwischen den Diagnostikern entsprechend geringer.

Konzeption für die

Erstgesprächsdiagnostik

Für die Konzeption der klinischen Diagnostik in der Phase der Familienerstgespräche ergibt sich die in . Abb. 1 veranschaulichte Dreischichtung in der klinischen Urteilsbildung:

Im Kern der Abbildung fi nden sich die beo-

bachtungsnah formulierten diagnostischen

Fenster, die bei der Durchführung der Erstge-

spräche und den klinischen Beobachtungen

eine wesentliche Rolle spielen.

Im zentralen Teil der Abbildung (dunkel) wird die Chronologie in der Diagnostik als Ordnungs-kriterium zugrunde gelegt. Die Kapitel in Teil II des Handbuchs sind so angeordnet, dass der dia-gnostische Prozess vom ersten Kontakt (mei-stens einem Telefongespräch) der Familie bis zur abschließenden Dokumentation der Familiendi-agnostik Schritt für Schritt möglichst praxisnah nachgezeichnet wird:

Kapitel 3: »Der Erstkontakt und die Vorbe-reitung des Erstgesprächs« beschreibt die Kontaktaufnahme zwischen Familien- und Th erapeuten-System.Kapitel 4: »Die Durchführung des Erstge-sprächs« enthält einen Interviewleitfaden.Kapitel 5: In der Auseinandersetzung mit den Vorstellungen der Th erapeuten werden die Behandlungsziele formuliert. Das dia-gnostische Fenster heißt: »Ziele und Indika-tionsüberlegungen«.Kapitel 6: Die Familie formuliert ihre Pro-bleme und äußert ihre Veränderungswün-

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Die Konstruktionen der Diagnostiker über Familiendiagnostik

Die diagnostischen Fenster

Kontext

Familiäre

lebens-

zyklische

Phase

Familiäre

Lebenswelt

Erziehungs-

stile

Der

systemisch-

strukturelle

Befund

Mehr-

generationen-

perspektive

Der

psycho-

dynamische

Befund

Durchführung des

Erstgesprächs

Erstkontakt

Interview

Probleme und

Behandlungsziele

der Familie

Ressourcen

Ziele und

Indikations-

überlegungen

der Therapeuten

Dokumentation

Abb. 1. Die diagnostischen Fenster in der Familiendiagnostik.

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Einführung und Synopsis5

sche. Das Kapitel heißt: »Problemdefi nition und Behandlungsziele«.Kapitel 7: Die klinische »Dokumentation des Erstgesprächs« muss die gewonnenen Informationen erfassen und ordnen. Ziel der Dokumentation ist, dass die Informati-onen immer wieder verfügbar sind und die Leistungen evaluiert werden können.In Kapitel 8 wird ein Familienerstgespräch dargestellt. Im Verlauf der Darstellung der beiden Erstgespräche wird das konkrete Vor-gehen der Th erapeutin erläutert. Außerdem wird in den Kommentaren zum Interview die Familiendynamik »durch die einzelnen diagnostischen Fenster« betrachtet und dis-kutiert.

Die diagnostischen Fenster

Die familientheoretischen Konzeptbildungen

und die persönlichen Theorien der Diagnosti-

ker, die Wissenschaftstheorien und der gesell-

schaftliche Kontext, in denen die Familiendia-

gnostik stattfi ndet, beeinfl ussen die Beobach-

tungen und die klinische Urteilsbildung.

In . Abb. 1 werden diese Einfl ussfaktoren als äußerer Rahmen dargestellt, der die diagnos-tischen Fenster und die konkrete Durchführung des Erstgesprächs einrahmt.

Durch verschiedene diagnostische Fenster

werden die in der Erstgesprächsdiagnostik

gewonnenen Informationen refl ektiert,

Zusammenhänge hergestellt und schließlich

die Befunde interpretiert.

Jedes diagnostische Fenster entspricht einem Kapitel in Teil III des Handbuchs.

Kapitel 9 erläutert die Familiendiagnostik als systemisch-konstruktivistische Diagnostik. In diesem Kapitel geht es insofern um die Ressourcen der Familie, als das Auffi nden von bisher nicht gesehenen Beziehungsmög-lichkeiten dargestellt wird.

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Kapitel 10: »Familiendiagnostik im Kontext« beschreibt den Rahmen, in dem die Famili-enerstgespräche stattfi nden und die Varia-blen, die auf die Präsentation der familiären Probleme Einfl uss nehmen.Kapitel 11: Die innerfamiliäre Dynamik ergibt sich auch aus den individuellen Wachstumsprozessen und den damit ver-bundenen Anpassungsleistungen im Lebens-zyklus der Familie. Familien durchlaufen lebenszyklische Phasen, die den Rahmen und die Aufgaben, die das Zusammenleben von Familien charakterisieren, ganz wesent-lich mitbestimmen: »Familiäre Lebenszy-klen« heißt das entsprechende diagnostische Fenster.Kapitel 12: Das soziale Umfeld der Fami-lie bzw. der Lebensgemeinschaft hat Auswir-kungen auf den diagnostischen und thera-peutischen Prozess. Das Kapitel »Familiäre Lebenswelten« erläutert die Diagnostik der sozialen Wirklichkeit von Familien.Kapitel 13: Die europäischen Länder ver-ändern sich in den letzten Jahrzehnten in multikulturelle Gesellschaft en. Wegen der zunehmenden Relevanz des Th emas wird der kulturelle Einfl uss auf die Familiendyna-mik von Migranten- und Flüchtlingsfami-lien und die Entstehung von Problemen in einem gesonderten Kapitel dargestellt.Kapitel 14: Das Erziehungsverhalten spielt bei vielen Familienproblemen eine wichtige Rolle. Das eigenständige Kapitel »Diagnos-tik der Erziehungsstile« soll diesem diagnos-tischen Fenster mehr Gewicht in der Famili-endiagnostik verleihen.Kapitel 15: Familien haben eine Geschich-te über Generationen hinweg. Die Diagnos-tik der generationenübergreifenden Psycho-dynamik, die die aktuellen Beziehungen der Familie maßgeblich mitbestimmen, wird im Kapitel »Die Mehrgenerationenperspektive und das Genogramm« erläutert. Das Geno-gramm als grundlegendes Handwerkszeug

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des Familiendiagnostikers wird ausführlich dargestellt.

In Teil IV werden Techniken für das Erstgespräch beschrieben. Den Abschluss der klinischen Dia-gnostik bilden die Kapitel, in denen die verschie-denen Informationen als Befund zusammen-gefasst werden. Der Begriff des Befundes weist medizinische Konnotationen auf. Aggregierende Festlegungen zwingen die Th erapeuten, die fami-liendynamischen Informationen noch einmal zu refl ektieren und zusammenzufassen, auch wenn diese diagnostischen Einschätzungen immer nur hypothetischen Charakter haben können.

In Kapitel 16 werden die Techniken des systemischen Interviewens, insbesondere die Fragetechniken, dargestellt.In der erweiterten klinischen Familiendia-gnostik spielen die Skulpturtechniken eine große Rolle. Sie werden, mit Fallbeispielen illustriert, in Kapitel 17 ausführlich behan-delt.Kapitel 18 beschreibt Kriterien, die zur Strukturdiagnose beitragen können.In Kapitel 19 wird das Erheben des psycho-dynamischen Befunds erläutert.

Die Familiendiagnostik enthält in ihrer zusam-

menfassenden klinischen Urteilsbildung

sowohl den psychodynamischen als auch den

systemisch-strukturellen Befund.

Für eine zusammenfassende Betrachtung ist das Spannungsverhältnis zwischen den individuellen Interessen und der Aufrechterhaltung der Fami-lie als Ganzes eine Richtschnur. Je besser es einer Familie gelingt, die individuelle und die familia-le Entwicklung gleichermaßen zu fördern, umso funktionaler ist das System einzuschätzen.

Der Familiendiagnostiker muss das Wechsel-

spiel und das Spannungsverhältnis zwischen

den inneren Bühnen der Familienmitglieder

und den interpersonalen familiären Bezie-

hungen beobachten und beschreiben.

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In der Familiendiagnostik müssen die Th era-peuten die zu einem bestimmten Zeitpunkt gefundenen Zusammenhänge zwischen dem präsentierten Problem und der Familiendynamik auf dem Hintergrund des Ineinandergreifens der systemisch-strukturellen und der psychodyna-mischen Faktoren verstehen. Der Schnittpunkt der strukturell-horizontalen mit den longitudi-nal-vertikalen Vektoren kennzeichnet die aktu-elle Familiendynamik:1. Die transaktionalen Muster verdeutlichen

die Struktur der Familie. Der Diagnostiker kann sich ein Bild vom habituellen Bezie-hungsverhalten machen, wenn er z. B. die Rollenzuweisungen und -übernahmen und die Angemessenheit der Rollen in Bezug auf Bündnisse, Generations- und Geschlechts-grenzen beobachtet und erfasst. Er muss die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Subsystemen und der Gesamtfamilie mit anderen Systemen beobachten und diese in Relation mit dem gegenwärtigen Entwick-lungsstand der einzelnen Familienmitglieder und den für die Familie aktuellen lebenszy-klischen Phasen und ihrer sozialen Realität setzen.

2. Die bewussten und unbewussten Wünsche und Befürchtungen der einzelnen Famili-enmitglieder und die Dynamik der »Fami-lie als Ganzes« bilden die Beziehungsdyna-mik. Die Objektbeziehungen der einzelnen Familienmitglieder ergeben ein Netzwerk von bewussten und unbewussten Wünschen und Ängsten, die sowohl die Familiendyna-mik der Gesamtfamilie als auch das innere Bild der Familie bei jedem Einzelnen beein-fl ussen.

Der Diagnostiker muss sich klar darüber werden, wie konstruktiv oder destruktiv die Spannungs-verhältnisse zwischen der individuellen, inne-ren Welt der einzelnen Familienmitglieder, die mit erheblichen Erwartungen an andere verbun-den sein können, und den tatsächlich bestehen-den familiären Beziehungsmustern sind. Die Fle-

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Einführung und Synopsis7

xibilität der Familie, also das Ausmaß an mög-licher Veränderung, wird entscheidend von die-sen Parametern abhängig sein.

Am Schluss des Handbuchs fi nden sich in Teil V die Übersichten über die empirischen Ver-fahren der Familiendiagnostik.

In Kapitel 20 werden die Interview-Verfah-ren diskutiert.Kapitel 21 versucht einen Überblick über die wichtigsten Beobachtungsverfahren. Bei der Zusammenstellung wurde insbesondere darauf geachtet, welche Verfahren auch im deutschsprachigen Raum eine Rolle spielen.Kapitel 22 geht auf die theoriegeleiteten Pro-zessmodelle und die darauf basierenden Ratingskalen ein.Die Übersicht über die Fragebogen-Inven-tare in der Familiendiagnostik fi ndet sich schließlich in Kapitel 23.

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Defi nitionen und Grundlagen

11.1 Anatomie und Physiologie der Atmung – 2

1 Über Familiendiagnostik – 11

M. Cierpka

2 Das Drei-Ebenen-Modell in der Familiendiagnostik – 25

M. Cierpka

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Über Familiendiagnostik

M. Cierpka

1.1 Familiendiagnostik als

theoriegeleitete Diagnostik – 13

1.2 Diagnostik und Therapie – 14

1.3 Der Diagnostiker – ein Brillenträger – 16

1.4 Spezifi tät versus Unspezifi tät – 17

1.5 Pathologiezentrierte versus

ressourcenorientierte Diagnostik – 18

1.6 Defi nition der Familie – 19

1.7 Defi nition der Familiendiagnostik – 21

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Kapitel 1 · Über Familiendiagnostik

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Die Familie und andere Lebensformen werden in diesem Buch als beson-

dere Beziehungsformen beschrieben, die durch die gemeinsamen

Aufgabenstellungen, die Intimität der Beziehungspartner und ihre

gemeinsamen Lebensentwürfe gekennzeichnet werden können. Die

familiendiagnostischen Perspektiven und die davon abgeleiteten Beur-

teilungsdimensionen orientieren sich an dieser Auff assung von Familie.

Die in diesem Handbuch maßgebende Defi nition der Familiendiagnostik

betont, dass das aktuelle Interaktionsverhalten der Familienmitglieder

und die damit verbundenen Konfl ikte im Schnittpunkt von mehrgene-

rationalen Beziehungen und gegenwärtigen Beziehungsmustern zu ver-

stehen sind.

Prozess durch eine große Gruppe von Psychia-tern, die versuchen, möglichst ideologiefrei und beobachtungsnah zu Unterscheidungen und zur Klassifi kation von psychischen Phänomenen zu kommen. Egal wie man zu diesen standardisier-ten und operationalisierten Klassifi kationssyste-men steht – die Familiendiagnostik kann noch nicht auf einen solchen demokratischen Prozess der Konsensfi ndung zurückgreifen. Was etwa als zwischenmenschliche Störung gilt, wird zwi-schen den Familientherapeuten und zwischen den Schulorientierungen sehr unterschiedlich diskutiert. Insofern sind die in diesem Buch vor-gelegten familiendiagnostischen Konzepte auch mit der gebotenen Vorsicht zu betrachten, weil sie noch vorläufi gen Charakter haben und noch Abstimmungen in der »scientifi c community« vermissen lassen.

Beurteilung der Beziehung

Zu einer Urteilsbildung in der Familiendiagnos-tik kommt man – genauso wie in allen ande-ren medizinischen und psychotherapeutischen Bereichen – mithilfe der Untersuchung und des Vergleichs. Die Diagnostik erfüllt viele Aufga-ben wie Beschreibung, Klassifi kation, Erklärung, Prognose, Dokumentation u. a. (Laireiter 2001). Das vorrangige Ziel der Familiendiagnostik ist die Beschreibung und Erklärung funktioneller und weniger funktioneller Prozesse in Fami-

Das Problem der Etikettierung

In der Medizin gibt das »körperlich Gesunde« den Standard für alle Menschen vor. Bei see-lischen Problemen, Störungen und Erkran-kungen sind die Grenzen zwischen krank und gesund jedoch fl ießender und problematischer. Einerseits entscheidet oft der Kontext, was als gesund und was als krank bezeichnet wird, und andererseits wird gesund und krank allzu schnell mit normal und nichtnormal vermischt. Dia-gnostik im psychosozialen Feld gerät häufi g in den Verdacht der Etikettierung und Stigmatisie-rung des anderen, des Ungewohnten oder Frem-den. Die Vorsicht gegenüber der Beurteilung durch andere ist sicher nicht ganz unbegründet, weil sich die Diagnostik in der Gesellschaft als ein mächtiges Instrument erweisen kann, wenn es um die Abgrenzung oder sogar Ausgrenzung von psychisch Kranken oder behinderten Men-schen geht. Totalitäre Regime neigen dazu, sich dieser etikettierenden Diagnostik zu bedienen. Mit Recht bedarf es der gesellschaft lichen demo-kratischen Kontrolle, wenn eine Diagnose mit weitreichenden Konsequenzen verbunden ist.

Vorteile der Klassifi kation

Die Festlegung von internationalen psychiat-rischen Klassifi kationsschemata erfolgt wäh-rend der letzten drei Jahrzehnte in einem demo-kratischen (mehr oder weniger) transparenten

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11.1 Familiendiagnostik als theoriegeleitete Diagnostik

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lien. Es geht in den Klassifi zierungen nicht um den Unterschied zwischen normaler und nicht-normaler Familie, sondern um das Erfassen von dysfunktionellen (also unteroptimalen) Pro-zessen und ressourcenorientierten Kräft en, die die angestrebten Entwicklungen und Verände-rungen von Individuen, der Partnerschaft oder der Familie anstoßen und zum Durcharbeiten der Probleme beitragen können.

Handlungsorientierte Diagnostik

Die Diagnostik steht im klinischen Bereich immer im Dienst der Th erapie. Dieses Buch basiert auf der Hypothese, dass die Familiendia-gnostik auch für die Familientherapie und andere Psychotherapieformen sehr wertvoll sein kann. Letztendlich wird die Anwendung der diagnos-tischen Möglichkeiten darüber entscheiden, ob die Familientherapie sich der Familiendiagnos-tik annimmt. Das wissenschaft lich begründete Wissen hat sich in den letzten Jahrzehnten in der Familiendiagnostik enorm vermehrt. Eine Bilan-zierung und Diskussion der vorhandenen dia-gnostischen Möglichkeiten soll in diesem Buch – mit der gebotenen Vorsicht – erfolgen.

1.1 Familiendiagnostik als theoriegeleitete Diagnostik

Familiendiagnostik als

psychotherapeutische Diagnostik

Familiendiagnostik wird im Folgenden im Kon-text der klinisch psychotherapeutischen Dia-gnostik diskutiert. Insofern gehört sie zum Spek-trum der psychotherapeutischen Diagnostik (Cierpka 2001). Laireiter (2000, S. 6) nennt vier Diagnostikkonzepte, die für die moderne Psy-chotherapie nützlich sind: die klinisch-psychiat-rische, die somatisch-medizinische, die psycho-logische und die schulen- bzw. orientierungsbe-zogene Diagnostik. Die Familiendiagnostik in diesem Band ist überwiegend eine theorienbezo-gene (Baumann u. Stieglitz 1994) oder eine the-oriengeleitete (Bastine 1992) Diagnostik auf der

interpersonellen Ebene. Auf der Grundlage von elaborierten familientheoretischen Modellen werden die Störungen Einzelner oder von Bezie-hungssystemen mithilfe von diagnostischen Kri-terien beschrieben und erfasst sowie anhand der theoretischen Konstrukte erklärt.

Das Ziel dieser interpersonellen Diagnostik ist die Identifi kation, Beschreibung und Quan-tifi zierung von zwischenmenschlichen Prozes-sen, die sich für die Entwicklung des Einzelnen bzw. des Beziehungssystems als funktional bzw. dysfunktional kennzeichnen lassen. Die inter-personelle Diagnostik wird im Kontext der Psy-chotherapie zur klinischen Familiendiagnostik, weil die verschiedenen familientherapeutischen Schulen davon ausgehen, dass im Hinblick auf die Entstehung und Aufrechterhaltung indivi-dueller Probleme, Beschwerden und Symptome auch die interpersonalen Beziehungen und spe-zifi schen Konfl ikte bzw. Störungen in Dya-den, Triaden und in der Gesamtfamilie beteili-gt sind oder sogar ursächlich dafür verantwort-lich gemacht werden können. In der Familien-therapie wird versucht, diese an der Manifesta-tion und Aufrechterhaltung beteiligten gestörten Beziehungen zu verändern.

Psychologische Diagnostik

Familiendiagnostik ist dann der psychologischen

Diagnostik zuzurechnen, wenn durch reliable und valide Instrumente wie Ratingskalen oder Fragebögen familiäre Dimensionen erfasst wer-den, um Stärken und Schwächen von bestimmten Familien z. B. mit einer Stichprobe sog. Normal-familien zu vergleichen. Im vorliegenden Buch wird diese Psychodiagnostik, die meistens am Anfang einer Th erapie eingesetzt wird, unter kli-nischen Gesichtspunkten vorgestellt. Sie dient der Identifi kation und Quantifi zierung von fami-liären (Dys-)Funktionalitäten, die weitere Aussa-gen über den Zusammenhang von individueller Symptomatik und zwischenmenschlicher Bezie-hungsstörung erlauben.

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Kapitel 1 · Über Familiendiagnostik

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Statusdiagnostik und

Veränderungsdiagnostik

Familiendiagnostik dient sowohl zur Statusdia-

gnostik als auch zur Veränderungsdiagnostik.

Statuserfassungen sind zu einem bestimmten Zeitpunkt, meistens zu Beginn und am Ende der Th erapie, hilfreich, um die Probleme bzw. Symptome zu identifi zieren und in ihrer Schwere einzuschätzen. Dazu gehört auch eine Erfassung aller Faktoren, die zur Aufrechterhaltung, aber auch zur Aufl ösung der Symptome beitragen könnten. Auch die Klassifi kation der Beschwerde, des Problems oder des Symptoms in ein überge-ordnetes Klassifi kationssystem wird zur Sta-tusdiagnostik gerechnet.In der Veränderungsdiagnostik wird thera-piebegleitend der Prozess beschrieben, der zu Veränderungen beim Einzelnen und/oder im Familiensystem führt. In der Psychothe-rapieforschung wird die Frage immer dring-licher, wie Eff ekte der Veränderung erfasst und beschrieben werden können, um die Wirkmechanismen der Psychotherapie zu identifi zieren. Die Erkenntnisse über den Prozess gehen in die adaptiven Indikati-onsüberlegungen über das Zusammenspiel des Familien- und Th erapeutensystems ein. Geeignete Interventionen können auf die-sem Hintergrund erwogen werden. Ziel ist es, den therapeutischen Prozess voranzu-bringen.

Verlaufsdiagnostik

Vom Erstgespräch bis zum Abschluss der Th era-pie ergibt sich für jede Familientherapie ein spe-zifi scher Verlauf. Eine Verlaufsdiagnostik kann in der Familientherapie – genauso wie in anderen psychotherapeutischen Verfahren – im Sinne des von Schacht u. Strupp (1984) benannten Prin-zips der »Problem-Treatment-Outcome-Kon-gruenz« erfolgen. Mit dieser generellen heuri-stischen Leitlinie ist gemeint, dass eine Ähnlich-keit, ein Isomorphismus oder eine Kongruenz zwischen der Beurteilung des klinischen Pro-

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blems, der Konzeptualisierung des Prozesses der therapeutischen Veränderung und der Beschrei-bung des klinischen Erfolgs bestehen muss. Das, was als Erfolg charakterisiert wird (und auch z. B. mit verschiedensten objektivierenden Fra-gebögen gemessen werden kann), sollte also in den Einheiten der Analyse des klinischen Pro-blems formuliert sein (vgl. Strupp et al. 1988). Allein die gemeinsame Sprache ermöglicht dann die theoretische Verbindung zwischen dem Pro-blem, dem Interventionsprozess und dem, was nach der familientherapeutischen Behandlung herauskommt. Deshalb greifen wir über die im klinischen Erstgespräch stattfi ndende Pro-blemdefi nition hinaus gelegentlich auf den Ein-satz von »Problemlisten« (7 Kap. 7) zurück. Mit-hilfe dieser Listen können Probleme im Verlauf der Behandlung in ihrer Ausprägung quantifi -ziert werden. Außerdem gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Ratingskalen und von Selbst-berichtsinstrumenten, die als reliabel und valide gelten können, um in der objektivierenden Ver-laufsdiagnostik eingesetzt zu werden (7 Kap. 19, 20).

1.2 Diagnostik und Therapie

Im diagnostischen Prozess entsteht eine Bezie-hung zwischen dem Th erapeuten- und dem Familiensystem. Die klinische Familiendiagnos-tik ist Beziehungsdiagnostik und erfolgt im Kon-text zwischenmenschlicher Beziehungen – nicht nur der intrafamiliären Beziehungen, sondern auch der Beziehung zwischen den Th erapeuten und der Familie. Die Interaktion zwischen den Th erapeuten und der Familie kann als Berüh-rung zweier größerer Systeme, dem Th erapeuten-system und dem Familiensystem, beschrieben werden. Die für die Th erapeuten und die Fami-lie zum Verständnis des Problems notwendigen Informationen werden innerhalb dieses Fami-lien-Th erapeuten-Systems erhoben.

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11.2 Diagnostik und Therapie

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Defi nition

Das Therapeutensystem besteht aus dem

Therapeuten und allen beteiligten Systemen,

die an der Behandlung der Familie teilha-

ben. Statt vom Familiensystem spricht man

besser vom Problemsystem. Das Konzept

des Problemsystems ermöglicht die Berück-

sichtigung der psychotherapeutischen Frage,

welche Mitglieder des Systems an welchem

Punkt der Diagnostik und später der Behand-

lung auf welche Art einbezogen werden

können, um spezifi sche Informationen zu

gewinnen oder bestimmte Veränderungs-

prozesse zu erreichen. Das Problemsystem

umfasst alle Individuen, die zur Aufrechter-

haltung oder Lösung des momentanen Pro-

blems beitragen.

Drei Informationsquellen

In der psychodynamischen Beziehungsdiagnos-tik verfügt man über drei Informationsmöglich-keiten:1. Die Familienmitglieder berichten den Th e-

rapeuten über ihre Beziehungen innerhalb oder außerhalb der Familie.

2. Die familiären Beziehungen können im Hier und Jetzt der Gesprächssituation beobachtet werden.

3. Diagnostisch kann auf die sich entwickeln-de aktuelle Beziehung zwischen den Th e-rapeuten und der Familie geachtet werden. Mit der dritten Informationsquelle ist die Dynamik der Übertragung und Gegenü-bertragung zwischen den beiden Systemen gemeint (7 Kap. 19).

Die Entwicklung einer Beziehung zwischen dem Th erapeuten- und Familiensystem führt u. a. zu der Schwierigkeit, einen klaren Trennstrich zwischen Diagnostik und Th erapie zu ziehen. Dadurch dass sich zwischen den Th erapeuten und der Familie vom ersten Moment der Kon-taktaufnahme an eine Beziehung aufb aut und so

eine von der Familie als supportiv empfundene Beziehung bereits therapeutisch wirksam wird, kann die Unterscheidung von diagnostischer und therapeutischer Phase nur künstlich gezo-gen werden. Allein eine testpsychologisch aus-gerichtete Familiendiagnostik, in der die Fami-lie in einem Labor vorgegebene Interaktionsauf-gaben zu lösen oder Fragebögen auszufüllen hat, ohne dass eine tragende Beziehung zu den Th e-rapeuten zustande kommt, könnte als Beispiel für eine abgegrenzte Diagnostik herangezogen werden.

Nicht nur die Beziehung wird im Th era-peuten-Familien-System von Anfang an als the-rapeutischer Faktor wirksam. Die Fragen der Th erapeuten regen die Refl exion der Familie an, führen zu Einsichten und zu Veränderungsüber-legungen. Oft wird innerhalb der Familie zum ersten Mal über die Entstehungs- und Aufrecht-erhaltungsbedingungen eines Symptoms nach-gedacht. Allein das off ene Gespräch unter dem Schutz der Th erapeuten stärkt die Familie und motiviert zur Veränderung.

Diagnostik kommt vor der Therapie

Es gibt gute Gründe, an der Unterscheidung zwi-schen Diagnostik und Th erapie festzuhalten. Die eigentliche klinische Familiendiagnostik ist der familientherapeutischen Behandlung vorge-schaltet, damit die Th erapeuten und die Fami-lie entscheiden können, ob sie in einen gemein-samen Prozess einsteigen möchten. Die Familie erhält die Möglichkeit nachzuspüren, ob sie die anstehenden Entwicklungen zusammen mit die-sen Familientherapeuten machen möchte. Mög-licherweise will die Familie noch eine andere Institution aufsuchen. Die Familie hat auch die Chance zur Refl exion, ob sie sich den im Erst-gespräch formulierten Veränderungsmöglich-keiten wirklich annähern möchte. Einzelne in der Familie können entscheiden, ob sie dies mit der Familie zusammen in Angriff nehmen wol-len oder eher eine Einzeltherapie oder gar keine Th erapie machen möchten. Der Einstieg in den therapeutischen Prozess erhält durch die Vor-

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Kapitel 1 · Über Familiendiagnostik

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schaltung der Diagnostik mehr Verbindlichkeit. Die Verantwortlichkeit der Familie, die Verände-rungen selbst anzustreben, wird gesteigert.

Transparenz

In einem partnerschaft lichen Verständnis bestim-men die Familien maßgeblich, was in der Dia-gnostik und in der Th erapie erfolgen sollte. Nach einer Phase der Diagnostik können die Th erapie-ziele zwischen der Familie und den Th erapeuten abgesprochen werden (7 Kap. 5, 7 Kap. 6). Stier-lin (2001) betont die Demokratisierung in die-sem Prozess, wenn die Th erapeuten off en über ihre Sichtweisen des Problems der Familie und die therapeutischen Möglichkeiten sprechen und damit ihre Karten auf den Tisch legen. Ein zwi-schen den Th erapeuten und der Familie erarbei-teter Auft rag führt zu einer Transparenz im dia-gnostischen Prozess.

Eine Trennung zwischen Diagnostik und Th erapie ist auch für die Th erapeuten hilfreich, weil sie sich über die Indikation zur Psychothera-pie Gedanken machen können. Klinische Fami-liendiagnostik ist kein Selbstzweck, sie sollte immer als Handlungsanweisung für die Therapie verstanden werden. Dies gilt sowohl für die Sta-tusdiagnostik als auch für die Veränderungsdi-agnostik. Als Statusdiagnostik verstanden, fällt den Th erapeuten nach der Phase der Familien-diagnostik die Aufgabe der Indikationsstellung anheim.

Vorbehalte gegenüber der Diagnostik

Vorbehalte gegenüber der Familiendiagnos-tik kommen aus den Reihen der systemischen Th erapeuten. Eine Gruppe dieser Th erapeuten bezweifelt den klinischen Nutzen der Diagnos-tik überhaupt. Ihre Argumentation folgt der durchaus nachvollziehbaren Unterscheidung von Problemmustern und Lösungsmustern bei der Behandlung von Familien. Um Verän-derungen im Prozess anzuregen, müssen Pro-blemzustände nicht im Detail analysiert werden, manchmal könne sich dies sogar für die Th era-pie entwicklungshemmend auswirken (Schie-

pek et al. 2000). Diese Überlegungen sind pro-zessorientiert und im Hinblick auf die Anregung eines Systems als Voraussetzung zur Verände-rung schlüssig. Die Analyse der Problemmuster erlaubt jedoch eine genauere Beschreibung der Dysfunktionalitäten, sodass für die Indikations-entscheidungen ausreichend Informationen zur Verfügung stehen. Da die Psychotherapie heut-zutage über viele Verfahren, Methoden, Tech-niken und Settingvarianten verfügt, ist eine Pro-blemanalyse unserer Meinung nach unumgäng-lich. Freilich sind die Lösungsmuster gleichwer-tig zu behandeln und pathologisierende Fokus-sierungen zu vermeiden.

In der indikationsorientierten Diagnos-

tik kommt nach der Erfassung und Erklärung der Problematik die Frage nach der geeigneten Methode oder des geeigneten Settings, also der diff erentiellen Indikationsüberlegungen. Neben der (manchmal sehr persönlichen) Frage, ob die Th erapeuten meinen, mit dieser Familie arbei-ten zu können, ist die Unterbrechung zwischen Diagnostik und Th erapie aus diesen indikativen Überlegungen heraus sehr sinnvoll.

1.3 Der Diagnostiker – ein Brillenträger

Ähnlich wie in der organischen Medizin werden in der Psychiatrie Symptomen Krankheitsenti-täten zugeordnet, woraus sich wiederum thera-peutische Interventionen ergeben. Die deskrip-tiv-phänomenologische Diagnostik klassifi ziert Krankheiten bzw. psychische Störungen nach vorgegebenen Kriterien, wie sie z. B. im ICD-10 oder DSM-IV zusammengestellt sind. Die Dia-gnostik erfolgt dort innerhalb eines eindeutig konturierten Beziehungsmusters: Der Psychiater ist der Beurteiler, der zu Beurteilende ist der Pati-ent. Die psychopathologischen Befunde sollen möglichst objektiv erfasst werden – der Patient und seine psychischen Schwierigkeiten werden zum Gegenstand, den es möglichst vollständig zu erfassen gilt. Diese Aufspaltung in Betrachter

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11.4 Spezifi tät versus Unspezifi tät

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und Gegenstand fi ndet sich überall in der soma-tisch-medizinischen Diagnostik.

Diagnostik basiert nicht auf objektiver

Realität

Um ein solches klassifi katorisch an der objek-tiven Realität orientiertes topografi sch diagnos-

tisches Modell geht es in der klinischen Familien-diagnostik nicht. Die Th erapeuten betrachten die Familie nicht nur von außen wie einen Gegen-stand, um das Problem zu beurteilen und eine Diagnose zu stellen. Die Diagnostiker werden Mitglied des Systems, um diagnostische Über-legungen aus dem eigenen Fühlen, Denken und Verhalten als Mitglieder des Th erapeuten-Fami-lien-Systems ableiten zu können. Diagnostiziert wird also von den Diagnostikern ein Prozess zu einem bestimmten Zeitpunkt, der von ihnen selbst mitkonstituiert wurde und der sich in stän-diger Veränderung befi ndet. Die in der Diagnos-tik gewonnenen Informationen basieren auf den Konstruktionen der Th erapeuten und der Fami-lie, die den Beteiligten erlauben, die Familiendy-namik zu verstehen.

Urteilsbildungen sind Arbeitshypothesen

Alle Urteilsbildungen sind Arbeitshypothesen, die im dialogischen Prozess zu überprüfen oder zu verwerfen sind. Dies bedeutet:

Alle diagnostischen Informationen können nicht objektiv sein, sondern sie unterliegen immer den Einfl üssen der Beurteiler und deren Kontexten.Die innerhalb eines diagnostischen Pro-zesses erhobenen Informationen über die Familiendynamik wirken zwar statisch, weil die Daten zu einem »Gegenstand Familie« zusammengesetzt werden, aber tatsächlich stellt die diagnostizierte Familienstruktur, - organisation, und -dynamik nur den quer-schnittartigen Befund in einem prozesshaft sich entwickelnden Th erapeuten-Familien-System dar.

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1.4 Spezifi tät versus Unspezifi tät

Eine Typologisierung der Familien entlang der psychiatrischen Diagnosen scheint für die Fami-liendiagnostik wenig geeignet zu sein. Der Ein-fl uss von gestörten Paar- und Familienbezie-hungen auf die Entstehung von spezifi schen Erkrankungen wird spätestens seit der Veröff ent-lichung des Buchs über die »Psychosomatische Familie« von Minuchin u. Mitarbeitern (1983) kontrovers diskutiert. Die Debatte war danach geprägt von der Auseinandersetzung über spe-zifi sche familiäre Dysfunktionalitäten, die die »psychosomatischen« Familien charakterisie-ren sollen. Mit dem Begriff der Spezifi tät wurden dabei theoretische Vorstellungen bezeichnet, die eine enge kausale Beziehung zwischen spezi-fi schen Familieninteraktionen bzw. -konfi gurati-onen und einem defi nierten Krankheitsbild des Patienten postulieren.

Begriff der Spezifi tät

Der Begriff der Spezifi tät stammt aus der soma-tischen Medizin. Die Infektion mit einem spe-zifi schen Erreger, z. B. dem Tuberkelbakterium, führt zu einer bestimmten morphologischen Gewebeveränderung im Sinne der Tuberkulo-se. Auch wenn davon auszugehen ist, dass wei-tere Bedingungen erfüllt sein müssen, damit es zur Infektion kommt, kann das Tuberkelbakteri-um als spezifi sche Ursache gelten. Bei der Erör-terung der Entstehung von seelischen Erkran-kungen wies Freud darauf hin, dass man nur dann von einer spezifi schen Ursache sprechen könne, wenn diese »... in keinem Falle von Ver-wirklichung des Eff ekts vermisst wird ...« (Freud 1895f, S. 372). Für die psychosomatischen Erkran-kungen wurde die Spezifi tätshypothese von Ale-xander und Mitarbeitern (1968) formuliert. Es wurde postuliert, dass bei jeder der seinerzeit untersuchten sieben Erkrankungen (dem Asth-ma bronchiale, der rheumatoiden Arthritis, der Colitis ulcerosa, der essentiellen Hypertonie, der Hyperthyreose, dem Magenulcus und der Neurodermitis) neben dem prädisponierenden,

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Kapitel 1 · Über Familiendiagnostik

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somatischen X-Faktor und der auslösenden, sub-jektiv bedeutsamen Lebenssituation, eine spezi-fi sche psychodynamische Konfi guration anzu-nehmen ist, die sich in der Kindheit einschließ-lich der dazugehörigen Abwehrvorgänge gebil-det hat. In der Folge entwickelte sich eine heft ige, bis heute anhaltende Auseinandersetzung um Spezifi tät vs. Unspezifi tät bei psychosomatischen Erkrankungen.

Keine krankheitsbezogene Spezifi tät

Im Verlauf der Entwicklung der familienthera-peutischen Modelle lassen sich drei Konzepte von Spezifi tätsannahmen über die Zusammen-hänge zwischen dem Krankheitsbild eines Fami-lienmitglieds und einer bestimmten Störung der Familieninteraktion identifi zieren (Cierpka 1989). Den linearen Vorstellungen folgten zirku-läre Modelle und zuletzt Konzepte, die auf dem Konstrukt der »Expressed Emotions« basierten. Eine Spezifi tät ließ sich in keinem der Konzepte nachweisen. Die empirischen Untersuchungen zur Typologie von Familien, z. B. die »psycho-somatischen« (Wirsching u. Stierlin 1982), die »schizopräsenten« (Stierlin 1975), die »manisch-depressiven« Familien (Stierlin et al 1986), sind methodisch zu fragwürdig, um Gültigkeitsan-spruch erheben zu können (Cierpka 1991).

Das dimensionale Modell

In diesem Handbuch wird das »dimensionale Modell« (7 Abschn. 2.3) vertreten. Das dimen-sionale Modell verzichtet auf eine krankheitsbe-zogene Kategorisierung der Familien. Stattdes-sen werden die Familien entlang einem Kontinu-um in verschiedenen Dimensionen beschrieben, die über die Stärken und Schwächen der Fami-lien Auskunft geben.

1.5 Pathologiezentrierte versus ressourcenorientierte Diagnostik

Statt kausaler Linearität: Zirkularität

Die medizinische Diagnostik ist pathologiezen-triert. Der Begriff Diagnostik leitet sich aus dem griechischen Wort »diagnoskein« ab, das unter-suchen bzw. unterscheiden bedeutet. Mit der Unterscheidung von gesund und krank und der Forschung nach Krankheitsursachen folgt diese Diagnostik dem naturwissenschaft lichen Modell, das Ursache und Wirkung in einen kausal-line-aren Zusammenhang bringt. Weil ein Tuberkel-bakterium bei jeder Tuberkulose vorhanden sein muss, versuchen die Mediziner konsequenter-weise in der Diagnostik, das Tuberkelbakterium zu identifi zieren, wenn sie dem Verdacht auf die-se Infektionserkrankung nachgehen. Auch wenn andere Krankheitsbilder diesen einfacheren line-aren Zusammenhang vermissen lassen, bleibt der Blick des medizinischen Diagnostikers auf einen Erreger, ein pathologisches Substrat oder eine Funktionsstörung gerichtet, die die Sympto-matik und die Krankheit auslösen.

Erst in jüngster Zeit beschäft igt sich die Medi-zin verstärkt mit der Frage, wie ein Zustands-bild mit den vorhandenen Ressourcen des Kör-pers verändert werden kann, einer Frage also, der sich die Homöopathie schon seit Jahrhun-derten annimmt. Bei der Erforschung von Krebs zielt die Medizin mehr und mehr auf die Stär-kung der körpereigenen Abwehrkräft e, um die pathologisch veränderten Zellen zu bekämpfen. Die Ressourcen der immunologischen Abwehr und Autoregulation werden genutzt.

Hypothesenbildung

Eines der vorrangigen Ziele in der klinischen Familiendiagnostik ist die Hypothesenbildung, wie man sich den Zusammenhang zwischen Symptom/Problementstehung und den intrafa-miliären Beziehungskonfl ikten erklären kann. Insofern ist auch der Blick des Familienthera-peuten zwangsläufi g defekt- oder pathologieo-

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11.6 Defi nition der Familie

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rientiert, wenn er dysfunktionelle Muster iden-tifi ziert. Um zielgerechte Veränderungsprozesse anstoßen zu können, ist eine Störungsorientie-rung in gewissem Umfang unerlässlich, um Weg-weiser für den therapeutischen Prozess zu erhal-ten. Ansonsten läuft man Gefahr, im Verlauf des Prozesses orientierungslos zu werden.

Kontextuelle Zusammenhänge

Familiendiagnostiker beachten aber auch die systemischen Wechselwirkungsprozesse der vie-len Faktoren, die zu einer Stagnation im Ent-wicklungsprozess einer Familie führen. Gerade die kontextuellen Zusammenhänge bei der Sym-ptomentstehung und -aufrechterhaltung erlau-ben keine eindeutigen kausal-linearen Zusam-menhänge. Ein pathologiezentrierter und damit auf Ursachen ausgerichteter Blick greift zu kurz. Eine praxisrelevante Diagnostik muss deshalb die kontextuellen Zusammenhänge beachten, die z. B. einen Entwicklungsprozess in einer Fami-lie auch wieder anstoßen können. Dies führt zur Beachtung der Ressourcen im diagnostischen Prozess. Symptome haben immer auch eine sta-bilisierende Funktion und sollten deshalb für die Familie auch wertgeschätzt werden. Für die Familie ist das Herausheben dieser positiven Sei-te behandlungstechnisch viel hilfreicher, weil die Wirkmächtigkeit der systemimmanenten Kräf-te angesprochen wird und die Familie sich dann eher kompetent als krank und hilfl os erlebt. Viel stärker als in der Medizin und in allen anderen psychotherapeutischen Verfahren richtet sich der Blick des Familiendiagnostikers deshalb auf die Ressourcen, um mit ihrer Hilfe die selbstre-gulatorischen Kräft e der Familie zu aktivieren.

Ressourcen

Defi nition

In der ressourcenorientierten Familiendia-

gnostik sollten vor allem die Kräfte identifi -

ziert werden, die zu einer Veränderung – im

von der Familie intendierten Sinn – beitragen

könnten. Familiendiagnostik ist dann prozes-

sual an den Entwicklungsmöglichkeiten der

Familie ausgerichtet und benutzt die Res-

sourcen, um Entwicklungsschritte einleiten

zu können.

Das halb volle Wasserglas

In diesem Buch wird davon ausgegangen, dass sich die pathologie- und die ressourcenorientierte Diagnostik ergänzen. Das berühmte halb volle Wasserglas ist eben auch halb leer und umge-kehrt. Problematisch ist die alleinige Berücksich-tigung einer Orientierung. Wenn die Perspekti-ven fl exibel verändert werden können, erlaubt jeder Fall aufs Neue ein Wechseln der Brille für den Diagnostiker, um die Informationen für die Familie zu optimieren.

1.6 Defi nition der Familie

Soziologischer, rechtlicher, genealogischer,

psychotherapeutischer Familienbegriff

Die klinischen Phänomene, die in der Familien-diagnostik erfasst werden sollen, sind u. a. davon abhängig, was unter Familie verstanden wird. Eine Defi nition des sozialen Gebildes Familie ist alles andere als einfach. Familie stellt nämlich für jede wissenschaft liche Disziplin etwas anderes dar. Diese grundlegende Schwierigkeit – auch für dieses Buch – zeigt sich in den unterschiedlichen normativen Defi nitionen der Familie.

Die Familiensoziologen helfen sich in ihren Defi nitionsansätzen in der Regel damit, dass sie den Sozialisationsprozess der Kinder als Kristallisationspunkt der Familie herausstel-len. Familie bezeichnet dann soziale Bezie-

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Kapitel 1 · Über Familiendiagnostik

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hungen zwischen Eltern und Kindern, die als solche sozial anerkannt werden. Hier wird die Tatsache berücksichtigt, dass Men-schenkinder, um zu überleben, während län-gerer Zeit der Fürsorge, Pfl ege und Erzie-hung bedürfen. Für die psychische Entwick-lung der Kinder kommt dabei den inner-familiären Beziehungen und den Identi-fi zierungen mit diesen Beziehungen eine herausragende Bedeutung zu.Auch der rechtliche Familienbegriff stellt für die Defi nition von Familie das Filia-tionsprinzip zusammen mit dem Sorge-rechtsprinzip in den Vordergrund. Von einer Familie kann dann gesprochen wer-den, wenn »zwei Generationen durch biolo-gische oder rechtliche Elternschaft miteinan-der verbunden werden und eine Klärung des Sorgerechts für die nachwachsende Genera-tion erfolgt ist« (Schneewind 1987, S. 972).Im Vergleich zum rechtlichen Familienbe-griff umfasst der am Verwandtschaft sprin-zip orientierte genealogische Familienbegriff eine größere Vielfalt von Familienformen. Für den Einzelnen stellt sich seine Fami-lie dar als »die Gruppe von Menschen ..., die miteinander verwandt, verheiratet oder ver-schwägert sind, gleichgültig, ob sie zusam-men oder getrennt leben, ob die einzelnen Mitglieder noch leben oder – bereits ver-storben – ein Glied in der Entstehung von Familie sind« (Wissenschaft licher Beirat für Familienfragen beim Bundesministerium für Jugend 1984, S. 27).Psychotherapeuten defi nieren die Familie als intimes Beziehungssystem. Frevert (1992, S. 8) defi niert in Anlehnung an Schnee-wind (1987) die Familie »als intimes Bezie-hungssystem von zwei oder mehr Personen, die einen gemeinschaft lichen Lebensvollzug vornehmen. Der gemeinsame Lebensvollzug wird durch die Kriterien der Abgrenzung, Privatheit, Dauerhaft igkeit und Nähe bzw. Intimität und Emotionalität bestimmt«.

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Für die klinische Familiendiagnostik ist eine Defi nition der Familie notwendig, die sich am »Zusammenleben« von Individuen in einer besonderen Kleingruppe – der Familie – orien-tiert. Die besonderen Beziehungen in der Fami-lie kennzeichnen die Lebensform.

Defi nition

In einer (Ein- oder Zweieltern-) Familie leben

mehrere, meistens die zwei Generationen der

(leiblichen, Adoptiv-, Pfl ege-, Stief-) Eltern

und der (leiblichen, Adoptiv-, Pfl ege-, Stief-)

Kinder, zusammen. Das Zusammenleben in

der Familie ist charakterisiert durch gemein-

same Aufgabenstellungen, durch die Suche

nach Intimität und Privatheit und durch die

Utopie der Familie. Bei der Familiengründung

bringt jeder Partner seine persönliche Utopie

von Familie ein, die sich in der Auseinander-

setzung mit den Vorstellungen des Partners

und der sozialen Wirklichkeit als Lebensform

realisiert. Dadurch wird ein Rahmen für das

geschaff en, was die Familie oder eine andere

Lebensform an Lebens- und Entwicklungs-

aufgaben erfüllt.

Diese Defi nition der Familie dient als Grundla-ge und Richtlinie für die familiendiagnostischen Perspektiven und die daraus abgeleiteten Beur-teilungskriterien in den verschiedenen Teilen dieses Handbuchs, mit denen familiäre Bezie-hungen, Strukturen und Prozesse beurteilt wer-den können.

Neben dem Zusammenleben mehrerer Generationen, in der Regel also der Eltern und der Kinder, muss der Schwerpunkt der Defi ni-tion auf den aktuellen Beziehungen und Inter-aktionen in der Familie liegen. Demoskopische Umfragen zeigen, dass Familie als Ort der Emo-tionalität gesucht wird, wo Privatheit und Intimi-tät »gelebt« werden kann (Emnid-Institut 1991).


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