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Lübecker Gesetz, betreffend die Einkommensteuer, vom 27. Mai 1889. (Veröffentlicht am 14. Juni...

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Lübecker Gesetz, betreffend die Einkommensteuer, vom 27. Mai 1889. (Veröffentlicht am 14. Juni 1889) Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 7. Jahrg., H. 2 (1890), pp. 211-242 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40904466 . Accessed: 10/06/2014 21:24 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 188.72.127.114 on Tue, 10 Jun 2014 21:24:51 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions
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Lübecker Gesetz, betreffend die Einkommensteuer, vom 27. Mai 1889. (Veröffentlicht am 14.Juni 1889)Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 7. Jahrg., H. 2 (1890), pp. 211-242Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40904466 .

Accessed: 10/06/2014 21:24

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Lübecker Gesetz, betreffend die Einkommensteuer, vom 27. Mai 1889.

(Veröffentlicht am 14. Juni 1889.)

Der Senat, im Einvernehmen mit der Bürgerschaft, hat beschlossen und verkündet als Gesetz:

§1. Im Sinne dieses Gesetzes hat ein Steuerpflichtiger seinen Wohnsitz

(wohnt oder ist wohnhaft) an dem Orte, an welchem er eine Wohnung unter Umständen inne hat, die auf die Absicht dauernder Beibehaltung einer solchen schliessen lassen.

Der Ausdruck hier (hiesig) bedeutet innerhalb des lübeckischen Staats- gebietes.

§ 2. Der Einkommensteuer sind unterworfen : 1. die Angehörigen des lübeckischen Staates, welche hier wohnen

oder, ohne in einem anderen deutschen Staate einen Wohnsitz zu haben, sich hier aufhalten;

2. diejenigen Angehörigen anderer deutscher Staaten, welche, ohne gleichzeitig in ihrem Heimatstaate einen Wohnsitz zu haben, hier wohnen oder, ohne in einem anderen deutschen Staate einen Wohnsitz zu haben, sich hier aufhalten ;

3. diejenigen Ausländer, welche hier wohnen oder des Erwerbes wegen oder länger als ein Jahr sich hier aufhalten.

Ausländer, welche hier eine Erwerbsthätigkeit nicht ausüben, haben ihr Einkommen nur insoweit zu versteuern, als sie es hier verbrauchen;

4. ohne Rücksicht auf Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder Aufenthalt alle Personen für das Einkommen aus hier belegenem Grundbesitze, aus hier betriebenen Gewerben (vgl. auch § 9), sowie aus den von hiesigen öffentlichen Kassen gezahlten Besoldungen, Wartegeldern oder Pensionen; desgleichen Personen für das Ein- kommen aus Vermögen, welches von einer seitens der lübeckischen Vormundschaftsbehörde angeordneten Vormundschaft oder Kuratel verwaltet wird.

Der Einkommensteuer unterliegen ferner : 5. ungeteilte Erbschaftsmassen; 6. Privatwohlthätigkeitsanstalten und milde Stiftungen; 7. Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien sowie

eingetragene Genossenschaften, welche im lübeckischen Staatsgebiete ihren Sitz haben;

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212 Lübecker Einkommensteuergesetz.

8. auswärtige Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien für das Einkommen aus hiesigem Grundbesitze und aus dem hier durch Zweigniederlassungen oder Bevollmächtigte betriebenen Gewerbe.

Das aus solchem Gewerbebetriebe von auswärtigen Versicherungsgesell- schaften bezogene Einkommen ist steuerfrei.

Der Steuerpflicht unterliegt nicht das Einkommen von Eisenbahnunter- nehmungen, welches von der lübeckischen Eisenbahnsteuer betroffen wird.

§3. Von der Einkommensteuer befreit sind: 1. diejenigen Personen, welchen das lübeckische Ehrenbürgerrecht ver-

liehen ist; 2. der Gutsherr des Gesamtgutes Weissenrode; 3. diejenigen Angehörigen anderer Staaten, welchen auf Grund ihrer

hiesigen dienstlichen Stellung Steuerfreiheit zusteht; 4. die Personen des Unteroffiziers- und Gemeinenstandes rücksichtlich

ihres Militäreinkommens; 5. die Unteroffiziere und Mannschaften des Beurlaubtenstandes und ihre

Familien, deren steuerpflichtiges Gesamteinkommen den Betrag von M. 3000 nicht übersteigt, für die Kalendermonate, in welchen jene sich im aktiven Dienste befinden;

6. alle Angehörigen des aktiven Heeres und der Marine, deren steuer- pflichtiges Gesamteinkommen den Betrag von M. 3000 nicht übersteigt, für die Kalendermonate, in welchen der mobile Zustand stattfindet. Angehörigen des aktiven Heeres und der Marine, deren steuerpflich- tiges Gesamteinkommen den Betrag von M. 3000 übersteigt, wird für die Kalendermonate, in welchen der mobile Zustand stattfindet, der ihrem Militäreinkommen entsprechende Betrag der Einkommen- steuer erlassen.

Der Anspruch auf Freilassung des Militäreinkommens steht auch den mit Inaktivitätsgehalt entlassenen, den zur Disposition gestellten und mit Pension verabschiedeten Angehörigen des Heeres und der Marine zu, so lange dieselben während der Dauer der Mobilmachung sich im aktiven Dienste befinden.

Den Besitzern von Hufen und Hufenteilen in den sogenannten Kapitels- dörfern werden die nach Massgabe der Vergleiche von 1793 und 1797 von ihnen zu zahlenden Kontributionen auf die von ihnen zu entrichtende Einkommen- steuer in Anrechnung gebracht.

§4. Die Einkommensteuer ist nach folgenden Ansätzen zu entrichten:

für ein Einkommen von über M. 600 bis 700 werden gezahlt Μ. , 4 jährlich,

„ „ 700 „ 800 „ 5 „ „ 800 „ 900 „ „ 7 „ „ 900 „ 1000 „ 9 „ „ 1000 „ 1100 „ „ 11 „ „ 1100 „ 1200 „ „ „ 13 , „ 1200 „ 1300 „ „ 15 „ „ 1300 „ 1400 „ „ 17 „ „ 1400 „ 1500 „ „ 19 „ , 1500 „ 1600 „ „ 22 , „ 1600 „ 1700 „ , 25 „ „ 1700 „ 1800 „ „ 28 T „ 1800 „ 1900 r Λ 31 „ „ 1900 , 2000 , „ 34

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Lübecker Einkommensteuergesetz. 213

über M. 2000 bis 2100 werden gezahlt M. 37 jährlich, „ „ 2100 „ 2200 „ „ 40 „ „ 2200 , 2300 „ , 43 „ „ 2300 „ 2400 „ „ 47 „ „ 2400 „ 2500 „ , 51

„ 2500 „ 2600 „ „ „ 55 „ „ 2600 „ 2700 „ , 59 „ „ 2700 „ 2800 „ ., 63 „ „ 2800 „ 2900 „ „ 67 „ „ 2900 , 3000 „ „ 71 „ „ 3000 „ 3100 „ „ 75 „ „ 3100 „ 3200 „ , 80 „ , 3200 „ 3300 „ „ 85 „ , 3300 „ 3400 „ , 90 „ „ 3400 „ 3500 η , 95

„ 3500 „ 3600 v „ „ 100 fl „ 3600 „ 3700 „ „ 105 „ „ 3700 „ 3800 „ „ 110 „ „ 8800 r 3900 „ „ „ 115 „ „ 3900 „ 4000 „ „ 120 „

für ein Einkommen von mehr als M. 4000 jährlich drei von Hundert, wobei jedes angefangene Hundert für volles Hundert zu rechnen ist.

Wer neben einem steuerpflichtigen ein steuerfreies Einkommen bezieht, hat die Einkommensteuer für ersteres nach Verhältnis desjenigen Ansatzes zu entrichten, welcher zur Anwendung kommen würde, wenn sein gesamtes Ein- kommen der Steuerpflicht unterläge.

§5. Von Steuerpflichtigen , welche bei einem jährlichen Einkommen von

M. 2500 oder weniger aus ihren Mitteln eine Familie ernähren, zu welcher mehr als fünf Personen gehören, sind vier Fünftel des dem Einkommen ent- sprechenden Steuerbetrages zu entrichten. Beträgt die Anzahl der Familien- glieder mehr als sieben Personen, so ermässigt sich der Ansatz auf drei Fünftel des regelmässigen Steuerbetrages. Bei Berechnung der Personenzahl ist der Steuerpflichtige mitzuzählen.

§ Ü. Die Steuerbehörde ist befugt, eine Ermässigung des Steuerbetrages oder

den Erlass von Teilbeträgen eintreten zu lassen, wenn bei Steuerpflichtigen, deren Einkommen den Betrag von M. 2500 nicht übersteigt, durch besondere Umstände, wie längere Arbeitslosigkeit, andauernde Krankheit, Unglücksfalle, die Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist.

§ 7. Das steuerpflichtige Einkommen besteht in dem Gesamtbetrag aller Ein-

künfte in Geld oder Geldeswert mit Einschluss des Mietewertes der Wohnung im eigenen Hause oder freier Wohnung sowie des Wertes der zum Haushalte verbrauchten Erzeugnisse der eigenen Wirtschaft und des eigenen Gewerbe- betriebes nach Abzug

a) der Zinsen angeliehenen Kapitals; b) der Ausgaben, welche auf Erlangung, Sicherung und Erhaltung der

Einnahmen verwendet worden sind. Hierzu gehören nicht solche Ausgaben, welche der Steuerpflich-

tige für seinen und seiner Angehörigen Unterhalt, Nutzen oder Ver- gnügen oder zur Verbesserung und Erweiterung der Grundstücke, Gebäude und Betriebe verwendet.

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214 Lübecker Einkommensteuergesetz.

Der Steuerpflicht unterliegen nicht: 1. Einkünfte aus Grundbesitz, welcher im Gebiete eines anderen deutschen

Staates belegen ist; 2. Einkünfte aus Gewerben, welche von dem Steuerpflichtigen in einem

anderen deutschen Staate betrieben werden; 3. Gehalte, Pensionen und Wartegelder, welche aus der Kasse eines

anderen deutschen Staates gezahlt werden. Ueber die Anwendung vorstehender Grundsätze enthält die Anlage A die

näheren Vorschriften.

§ 8. 1. Für die Angabe und die Besteuerung ist dasjenige Einkommen mass-

gebend, welches der Steuerpflichtige in dem Kalenderjahr gehabt hat, welches dem Jahre der Steuerentrichtung (Steuerjahr) unmittelbar vorangeht.

Ist ein Steuerpflichtiger erst während desjenigen Jahres, welches dem Steuerjahr unmittelbar vorangeht, in die Steuerpflicht eingetreten, so wird das Einkommen, welches er in dem betreffenden Teile des Jahres gehabt hat, zu Grunde gelegt und danach, sowie nach dem Verhältnisse der Zeit das zu be- steuernde Jahreseinkommen berechnet.

Wer erst im Laufe des Steuerjahres in die Steuerpflicht eintritt, wird auf Grund seiner mutm asslichen Jahreseinnahme zur Steuer herangezogen und hat denjenigen Teil der von der ganzen Jahreseinnahme berechneten Steuer zu entrichten, welcher nach Verhältnis der Zeit vom Eintritt in die Steuerpflicht bis zum Schlüsse des Jahres sich ergibt.

Dasselbe gilt für Steuerpflichtige, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet ist, vom Ablaufe des Monats an, in welchem der Konkurs eröffnet ist.

2. Für die Angabe und Besteuerung des Einkommens von Personen und Gesellschaften, welche kaufmännische, den Bestimmungen des Handelsgesetz- buchs entsprechende Bücher führen müssen, ist der durchschnittliche Ertrag der- jenigen drei Jahre massgebend, welche dem Steuerjahre unmittelbar vorangehen.

Bei der Ermittlung des Durchschnittes sind Jahre, in welehen ein ge- schäftliches Einkommen nicht erzielt ist, nicht niedriger als mit Null anzusetzen.

Für diejenigen, welche noch nicht während dreier aufeinanderfolgender Jahre steuerpflichtig gewesen sind, ist der jährliche Durchschnittsertrag der Zeit massgebend, während welcher sie steuerpflichtig waren.

Wenn das Einkommen noch nicht so lange besteht, dass es sich vor- schriftsmässig feststellen lässt, so ist dasselbe nach dem mutmasslichen Jahres- ertrage in Ansatz zu bringen.

§9. Für die Steuerzahlung auswärts wohnender Teilhaber oder Inhaber eines

hier betriebenen Geschäftes, Unternehmens oder Gewerbes haften die hiesigen Teilhaber oder der hiesige Geschäftsführer als Selbstschuldner.

§ 10. Dem Einkommen des Steuerpflichtigen ist hinzuzurechnen das besondere

Einkommen seiner Ehefrau und seiner Kinder, soweit dasselbe dem von dem Steuerpflichtigen geführten gemeinschaftlichen Haushalte zu gute kommt und nicht selbständig besteuert wird.

§ 11. Die Steuerpflicht beginnt mit dem Kalendermonate, der auf den Zeitpunkt

folgt, in welchem die Voraussetzungen der Steuerpflicht eingetreten sind, und endigt mit dem Kalendermonate, in welchem die Voraussetzungen der Steuer- pflicht wegfallig geworden sind.

§ 12. Erbschaftsmassen bleiben so lange steuerpflichtig, bis der Nachlass oder

dessen Einkünfte verteilt worden sind und der Steuerbehörde eine schriftliche 614

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Lübecker Einkommensteuergesetz. 215

Anzeige von der erfolgten Erbteilung unter Benennung der einzelnen Erben und Vermächtnisnehmer eingereicht ist.

§ 13. Die Haushaltungsvorstände sind verpflichtet, die ihnen zur Ermittlung

der Steuerpflichtigen zugesandten Umfragezettel genau und gewissenhaft aus- zufüllen und mit ihrer eigenhändigen Unterschrift versehen innerhalb der darauf bemerkten Frist zurückzuliefern. Die Rücklieferung erfolgt aus der Stadt und den Vorstädten an das Steuerbureau, aus Travemünde und den Landbezirken an Beauftragte der Steuerbehörde.

§ 14. Der Steuerpflichtige hat sein gesamtes Einkommen und zwar sowohl

sein steuerpflichtiges, als sein steuerfreies Einkommen der Steuerbehörde nach bestem Wissen anzugeben.

Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf solche Steuerpflichtige, welche nach der Vorschrift des § 2 unter 3, Abs. 2 ein Einkommen von min- destens M. 4000 versteuern.

Zur Angabe des Einkommens (Steuererklärung) sind verpflichtet: a) für Ehefrauen und minderjährige Kinder, welche ein abgesondertes

Einkommen haben, und für Pflegebefohlene die Ehemänner, Väter, Vormünder und Kuratoren;

b) für auswärtige Inhaber eines hier betriebenen Handels- oder sonstigen Gewerbes der hiesige Geschäftsführer;

c) für auswärtige Teilhaber eines hier betriebenen Handels- oder sonstigen Gewerbes der hiesige offene Gesellschafter, in dessen Ermanglung aber der hiesige Geschäftsführer;

d) für ungeteilte Erbschaftsmassen die Verwalter des Nachlasses, in deren Ermanglung die Erben;

e) für Stiftungen die Verwalter und für Gesellschaften die Vorsteher bezw. die geschäftsführenden Bevollmächtigten.

Für Personen, welche zur Zeit der Steuererklärung abwesend oder sonst verhindert sind, die Erklärung selbst abzugeben, kann solche durch einen Be- vollmächtigten erfolgen, welcher bei der Unterschrift sich als Bevollmächtigter zu bezeichnen hat.

Die Steuerpflichtigen oder die Vertreter derselben haben das ihnen von der Steuerbehörde zugestellte Formular zur Steuererklärung auszufüllen, eigenhändig zu unterzeichnen und vor Ablauf der in demselben bemerkten Frist einzureichen.

Die Berufung des Steuerpflichtigen darauf, dass die in das Formular eingetragenen und mit seinem Namen unterschriebenen Angaben nicht von ihm selbst gemacht seien, odor dass er die Unterschrift nicht selbst vollzogen habe, bleibt unberücksichtigt, sofern nicht eine Fälschung vom Steuerpflichtigen nachgewiesen wird.

. Die ausgefüllten Steuererklärungsformulare sind von den in der Stadt, den Vorstädten und den Landbezirken wohnhaften Steuerpflichtigen bei dem Steuerbureau, von den in Travemünde wohnhaften bei der dortigen Hebestelle einzureichen.

§ 15. Diejenigen, welche nicht innerhalb der in der Aufforderung bemerkten

Frist die Steuererklärung eingereicht haben, werden durch die betreffende Schätzungskommission (vergl. Gesetz, die Verwaltung der Einkommensteuer betreffend) eingeschätzt.

Von der Schätzungskommission können die im Laufe des Steuerjahres in die Steuerpflicht eintretenden Personen und Gesellschaften ohne vorgängige Aufforderung zur Steuererklärung eingeschätzt werden.

Die Schätzungskommission hat die von den Steuerpflichtigen gemachten 615

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216 Lübecker Einkommensteuergesetz.

Angaben einer Prüfung zu unterziehen und ist berechtigt, entweder unmittelbar oder nach Vernehmung der Beteiligten das Einkommen höher einzuschätzen.

Das Ergebnis der Einschätzung ist dem Steuerpflichtigen durch Zustel- lung eines Steuerzettels mitzuteilen, in welchem der dem Einkommen ent- sprechende Steuerbetrag aufgeführt ist.

§ 16.

Steuerpflichtige, welche eine Aufforderung zur Steuererklärung oder einen Steuerzettel für das Steuerjahr nicht empfangen haben, sind verpflichtet, davon innerhalb einer von der Steuerbehörde durch öffentliche Bekanntmachung anzuberaumenden Frist schriftliche Anzeige zu machen. Die Anzeige hat zu erfolgen in der Stadt, den Vorstädten und den Landbezirken an das Steuer- bureau, in Travemünde bei der dortigen Hebestelle. Steuerpflichtige, deren Einkommen durch eine Schätzungskommission abgeschätzt worden ist, sind, falls die Abschätzung sich als zu niedrig erweist, verpflichtet, hiervon inner- halb zweier Wochen nach Empfang des Steuerzettels, unter genauer und ge- wissenhafter Angabe ihres Einkommens, schriftlich Anzeige zu machen. Zu gleicher Anzeige ist jeder verpflichtet, welcher als Vater, Vormund, Ehemann, Kurator, Testamentsvollstrecker, Geschäftsführer oder Bevollmächtigter, als Stiftungsverwalter oder als Gesellschaftsvorstand ein nicht zur Steuer heran- gezogenes, aber derselben unterworfenes Einkommen oder Vermögen eines Steuerpflichtigen verwaltet.

Wer für die Zwecke seiner Haushaltung oder bei Ausübung seines Berufes andere Personen dauernd gegen Gehalt oder Lohn beschäftigt, ist verpflichtet, über das von ihm herrührende Einkommen derselben auf Verlangen den Schätzungs- kommissionen oder der Steuerbehörde Auskunft zu erteilen.

Gleiche Verpflichtung liegt den Vorständen von Gesellschaften, Genossen- schaften und Schiffsreedereien bezüglich der von ihnen angestellten oder gegen Lohn beschäftigten Personen ob.

Behörden und Gerichte haben den Schätzungskommissionen und der Steuerbehörde auf deren Ersuchen über alle für die Beurteilung der Steuer- verhältnisse dienlichen Umstände Auskunft zu erteilen. Dieselben haben die zu ihrer Kunde gelangenden Fälle, in welchen die dem Gesetze entsprechende Einkommensteuer nicht entrichtet ist, der Steuerbehörde anzuzeigen.

§ 17. Gegen den Steueransatz steht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen,

vom Tage der Zustellung des Steuerzettels an gerechnet, der Einspruch (Re- klamation) zu.

Der Einspruch ist schriftlich unter Beifügung des Steuerzettels auf dem Steuerbureau einzureichen.

Steuerpflichtige, welche nach einem Einkommen bis zu M. 700 angesetzt sind, können den Einspruch im Steuerbureau mündlich zu Protokoll erklären.

Der Einspruch ist nur zulässig auf Grund bestimmter tatsächlicher An- gaben über die Grundlagen für die Berechnung des steuerpflichtigen Einkom- mens und der gesetzlich zulässigen Abzüge sowie über das steuerfreie Einkommen. Die Richtigkeit der Angaben ist vom Reklamanten nachzuweisen.

Der Reklamant ist verpflichtet, auf Erfordern der Behörde über vor- gelegte Fragen Auskunft zu erteilen und Nachweise zu erbringen. Die Behörde kann demselben die Beeidigung seiner Angaben oder einzelner derselben durch besonderen Beschluss auferlegen.

Gewinnt die Steuerbehörde bei Prüfung des Einspruches die Ueberzeugung, dass das Einkommen von der Schätzungskommission unrichtig eingeschätzt war, so hat dieselbe die Steuer dem ermittelten Einkommen entsprechend fest- zustellen.

Sofern dem Einsprüche nicht Folge gegeben wird, ist dem Reklamanton ein mit kurzer Begründung versehener Bescheid zuzustellen.

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Lübecker Einkommensteuergesetz. 217

§ 18. Gegen Bescheide der Steuerbehörde, soweit sie die Feststellung des Ein-

kommens eines Steuerpflichtigen betreffen, ist unter Ausschluss des Rechtsweges lediglich die Beschwerde an den Senat zulässig.

§ 19. Wer absichtlich oder fahrlässig unrichtige Angaben in Bezug auf sein

eigenes oder ein von ihm zu vertretendes Einkommen macht, verfallt in eine Geldstrafe bis zum Zehnfachen und im Wiederholungsfälle bis zum Zwanzig- fachen des hinterzogenen Steuerbetrages.

§ 20. Mit Geldstrafe bis zu 100 M. kann belegt werden: 1. wer auf den im § 13 erwähnten Umfragezetteln wissentlich oder fahr-

lässig unrichtige oder unvollständige Angaben macht, oder die recht- zeitige Ausfüllung und Einreichung der Umfragezettel unterlässt;

2. wer die im § 16 Abs. 1 vorgeschriebene Anzeige unterlässt; 3. wer die im § 16 Abs. 2 und 3 erwähnte Auskunft wissentlich un-

richtig erteilt oder zu erteilen verweigert, oder der Aufforderung zur Auskunftserteilung innerhalb der in der Aufforderung angegebenen Frist nicht nachkommt.

§ 21. Die verwirkten Strafen werden von der Steuerbehörde durch Strafbe-

scheid festgesetzt. Eine schriftliche Ausfertigung desselben ist den Beteiligten zuzustellen, es sei denn, dass den vor der Behörde erschienenen Beteiligten der Strafbescheid mündlich kundgegeben und dieselben unter der Erklärung, der Strafe sich zu unterwerfen, auf eine Ausfertigung des Bescheides verzichten.

Die erkannten Geldstrafen sind innerhalb dreier Wochen vom Tage der Zustellung oder Verkündigung des Strafbescheides an im Steuerbureau zu entrichten.

Die Erhebung der Beschwerde an den Senat gegen den Strafbescheid der Steuerbehörde hat aufschiebende Wirkung.

Wird die Beschwerde abgewiesen, so endet die Frist für die Entrichtung der Strafe mit dem Ablauf einer Woche nach Zustellung des abweisenden Bescheides.

§ 22. Steuerpflichtige, welche bei der Einschätzung übergangen oder zu einem

niedrigeren Steuersätze angesetzt sind, als nach ihrem Einkommen in Gemäss- heit des Gesetzes hätte geschehen sollen, sind zur Nachzahlung des der Steuer- kasse entgangenen Betrages verpflichtet.

In Fällen der Anwendung des § 19 hat ausser der Nachzahlung der Steuerbeträge eine Verzinsung derselben mit fünf von hundert für jedes Jahr einzutreten.

Die Verbindlichkeit zur Nachzahlung und zur Verzinsung geht auf den Nachlass, bezw. auf die Erben über.

§ 23. Die Steuer ist in vier gleichen Teilbeträgen zu entrichten. Ueber die

Entrichtung der Steuer wird auf den Steuerzetteln Quittung erteilt. Die Erhebung des Einspruches befreit den Steuerpflichtigen nicht von der

Verpflichtung, die bis zur endgültigen Entscheidung fällig werdenden Teilbe- träge in den festgesetzten Terminen nach Massgabe des im Steuerzettel ver- merkten Ansatzes zu entrichten.

Den Steuerpflichtigen steht es frei, alle oder mehrere Teilbeträge in einem Termine im voraus zu entrichten.

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21g Lübecker Einkommensteuergesetz.

§ 24. Die in den festgesetzten Terminen nicht eingezahlten fälligen Teilbe-

träge werden nach Ablauf eines jeden Termines unter Zuschlag einer Gebühr von M. 0,45 für jeden rückständigen Betrag bis M. 6. - einschliesslich * * 0,30 „ „ „ „ von über M. 6.- „ „ 12.- * » 0,60 „ „ „ „ , „ , 12.- „ „ 25.- ν ν ■*■» ν ν ν ν τ> ν ^"·

eingefordert und von dem Kassierer bei der Einforderung oder im Steuerbureau entgegengenommen.

Ueber die Zahlung des Teilbetrages und der Gebühr wird eine Quittung erteilt.

Nach erfolglos gebliebener Einforderung werden die rückständigen Teil- beträge und Gebühren durch Zwangsvollstreckung im Verwaltungswege bei- getrieben.

§ 25. Das revidierte Gesetz, betreffend die Einkommensteuer, vom 27. Mai 1872

und der Nachtrag zu demselben vom 23. September 1874 sind aufgehoben.

§ 26. Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1890 in Kraft.

Vortiberghende Bestimmungen. Von der Einkommensteuer befreit sind: 1. der Präsident und die Räte des ehemaligen Ober- Appellationsgerichts

der freien Hansestädte; 2. die vor dem 20. Oktober 1869 bei öffentlich anerkannten hiesigen

Religionsgesellschaften angestellten Geistlichen, wiewohl nur hinsicht- lich ihrer Amtseinnahmen und Pensionen ;

3. die pensionierten Mitglieder des ehemaligen lübeckischen Bundes- kontingentes, wiewohl nur hinsichtlich ihrer Pensionen.

Anlage A. Vorschriften

für die Berechnung des zu versteuernden reinen Einkommens. Zum steuerpflichtigen Einkommen sind zu rechnen: 1. die Zinsen, Dividenden und sonstigen Einnahmen von hypothecierten

oder sonst ausgeliehenen Kapitalien und ausstehenden Forderungen, von Schuldverscheibungen, Rentenbriefen, Aktien und allen sonstigen Wertpapieren ohne Unterschied, ob der Schuldner« ein Hiesiger oder Auswärtiger ist, und ob die Zinsen u. s. w. bar eingezogen oder gutgeschrieben sind.

2. die Einnahmen an Pacht, Miete oder Grundhauef für verpachtete, ver- mietete oder in Grundhauer gegebene Grundstücke, Häuser, Gärten, Wohnungen, Buden, Ställe, Speicher und dergleichen, sowie

der Mietewert aller dem Steuerpflichtigen eigentümlich gehörigen oder gebrauchsweise zuständigen, von ihm für sich selbst und seinen Haushalt benutzten Häuser, Wohnungen, Gärten und Ställe.

Abzuziehen sind: a) der Betrag der dem Steuerpflichtigen zur Last fallenden gewöhn-

lichen Unterhaltungs- und Reparaturkosten, b) die Kosten der Feuerversicherung,

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Lübecker Einkommensteuergesetz. 219

c) die auf den Grundstücken lastenden Renten und die Zinsen für die auf denselben lastenden Hypotheken.

3. die Einnahme an Miete für vermietete bewegliche Gegenstände, nach Abzug der Ausgaben für a) Unterhaltung und Ergänzung des Abgängigen (Ausgaben für Ver-

mehrung und Verbesserung dürfen nicht abgezogen werden), b) Feuerversicherung, c) Verzinsung der für die Anschaffung angeliehenen Kapitalien.

4. der Erlös aus den Erzeugnissen des Bodens und des Viehstandes von eigenen oder fremden, gepachteten oder gemieteten Grundstücken, gleichviel ob dieser Ertrag in Geld oder in noch ausstehenden For- derungen besteht,

imgleichen : der Wert aller in dem Haushalte und in der Wirtschaft des Steuer- pflichtigen verbrauchten und der am Jahresschlüsse vorrätig gebliebenen Erzeugnisse, soweit dieselben nicht bereits früher versteuert sind.

Davon ist in Abzug zu bringen der Wert der Aufwendungen für: a) Löhnung und Unterhalt der für die Kultur des Grundstückes ver-

wendeten Personen , mit Ausnahme des Steuerpflichtigen selbst und derjenigen Mitglieder seiner Familie, welche nicht selbständig steuerpflichtig sind und besteuert werden,

b) Unterhaltung des Viehes, soweit dasselbe für die Zwecke der Wirt- schaft verwendet wird,

c) Erhaltung des bisherigen Viehstandes; dagegen darf die Ausgabe für eine Vermehrung und Verbesserung des Viehstandes nicht in Abzug gebracht werden,

d) Instandhaltung und Erneuerung, nicht aber Vermehrung der land- wirtschaftlichen Geräte,

e) Versicherung von Ernte, Vieh und Geräten; ferner:

f) der Betrag der schlechten und ein angemessener Teilbetrag der. zweifelhaften Forderungen sowie der bereits früher versteuerten Forderungen,

g) die Zinsen des angeliehenen und im Betriebe der Landwirtschaft verwendeten Kapitales,

h) wenn die Grundstücke von dem Eigentümer selbst bewirtschaftet werden, die auf dem Grundbesitze haftenden Renten, Kanon und die Zinsen der darauf haftenden Hypotheken sowie die Versiche- rungsprämie für die dazu gehörigen Baulichkeiten,

i) wenn die betreffenden Grundstücke gepachtet sind, die Pacht (Miete oder Grundhauer), und Kürzung des Mietewertes der Woh- nung des Pächters und seiner mit ihm gemeinsam in demselben Steueransatz ein begriffen en Familienmitglieder.

5. die Einnahme aus dem Betriebe von Handwerks- und Fabrikgewerben aller Art, aus dem Betriebe der Transportgewerbe für Güter- und Per- sonenbeförderung, aus litterarischen und artistischen Unternehmungen aus Unterrichts- und Heilanstalten.

Dieser Einnahme ist hinzuzurechmen der Wert der ausstehenden Forderungen sowie der Wert der Betriebserzeugnisse, welche vom Unternehmer für sich und für seinen Haushalt verbraucht oder welche am Jahresschlüsse vorrätig geblieben sind.

Dagegen sind in Abzug zu bringen: a) der Anschaffungspreis der verarbeiteten Materialien und Stoffe

sowie der verwendeten Hilfsstoffe, als Feuerungs-, Beleuchtungs- und anderen Materials,

b) die Miete für Fabrikgebäude, Werkstätten, Verkaufsläden und sonstige Räumlichkeiten, soweit sie zum Gewerbebetriebe benutzt werden, imgleichen die Miete für Schiffe, Fuhrwerke und Geräte,

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220 Lübecker Einkommensteuergesetz.

wenn der steuerpflichtige Gewerbetreibende nicht selbst der Eigen- tümer ist, andernfalls der Betrag der gewöhnlichen Unterhaltungs- und Reparaturkosten der genannten Lokalitäten, Schiffe, Fuhr- werke und Geräte und ein der Abnutzung derselben entsprechen- der Betrag sowie die Versicherungskosten und die Zinsen der Hypothekschulden,

c) die Kosten der Instandhaltung der vorhandenen Maschinen, Fabrik-, Gewerbe- und Geschäftsgerätschaften und ein der Abnutzung der- selben entsprechender Betrag sowie die Versicherungskosten für diese Gegenstände und für die zur Verarbeitung oder zum Ver- kauf gelangenden Waren, imgleichen die Unterhaltungs- und Ver- sicherungskosten der im Geschäfte verwendeten Tiere,

d) die Löhne, Honorare einschliesslich der vom Arbeitgeber gezahlten Krankenkassen- und Unfallversicherungsbeiträge und Unterhaltungs- kosten der im Geschäfte verwendeten Personen, mit Ausnahme des Unternehmers selbst und der nicht besonders besteuerten Mit- glieder seiner Familie,

e) der Betrag der schlechten und ein angemessener Teilbetrag der zweifelhaften Forderungen sowie die bereits früher versteuerten Forderungen.

f) die Zinsen des für den Geschäftsbetrieb angeliehenen und in dem- selben verwendeten Kapitales.

6. die Einnahme und die ausstehenden Forderungen aus Handelsgewerben. Denselben ist hinzuzurechnen der Wert der vom Handeltreibenden

für sich und seinen Haushalt verbrauchten sowie der am Jahresschlüsse vorhandenen Waren und Vorräte.

Dagegen sind in Abzug zu bringen: a) der Einkaufspreis der Handelsartikel, b) die Miete der zum Geschäftsbetriebe benutzten Räumlichkeiten,

Kontore, Lager und Speicher, vorausgesetzt, dass der Unternehmer nicht Eigentümer derselben ist, andernfalls die gewöhnlichen Unterhaltungs- und Versicherungskosten für dieselben und die Zinsen der darauf lastenden Hypotheken,

c) die Unterhaltungs- und Versicherungskosten der verwendeten Ge- räte, Maschinen und sonstigen Betriebsinventars, die Unterhaltungs- und Versicherungskosten der für das Geschäft benutzten Tiere so- wie ein der Abnutzung entsprechender Betrag des Wertes,

d) die Löhne, Saläre und Unterhaltungskosten einschliesslich der vom Arbeitgeber gezahlten Krankenkassen- und Unfallversicherungsbei- träge der im Geschäft verwendeten Personen,' mit Ausnahme des Unternehmers selbst und der nicht besonders besteuerten Mitglieder seiner Familie,

e) die übrigen Handlungsunkosten, f) der Betrag der schlechten und ein angemessener Teilbetrag für

die zweifelhaften Forderungen sowie die bereits früher versteuerten Forderungen,

g) die Zinsen des angeliehenen, für das Geschäft gebrauchten Kapitales. 7. Personen und Gesellschaften, welche den Bestimmungen des Handels-

gesetzbuches entprechende Geschäftsbücher führen (vgl. § 8 unter 2), haben das steuerpflichtige Einkommen nach dem ordnungsmässig auf- gestellten Jahresabschluss zu berechnen.

8. die Gehalte, Sportein, Emolumente, Gratifikationen und sonstigen Ein- nahmen aller im Staats- oder Gemeindedienste oder in privaten An- stalten und Unternehmungen Angestellten; die Honorare und Tan- tiemen, welche den Mitgliedern der Verwaltung und des Aufsichts- rates von Aktiengesellschaften , Kommanditgesellschaften auf Aktien und Genossenschaften gewährt werden; die Honorare der Aerzte, Rechtsanwälte, Lehrer und Schriftsteller, die Löhne und die sonstigen

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Lübecker Einkommensteuergesetz. 221

Einnahmen für Arbeiten und Dienstleistungen aller Art, dieselben mögen bestehen in Geld, freier Wohnung, Beköstigung oder anderen Naturallieferungen, unter Abzug etwaiger Geschäftsunkosten.

9. der Ertrag einzelner gewinnbringender Geschäfte, auch wenn dieselben nicht gewerbsmässig oder zu Spekulationszwecken abgeschlossen sind, namentlich der Kapital gewinn bei Veräusserung von Grundstücken, Wertpapieren u. dergl., Lotteriegewinne, Prämiengewinne sowie über- haupt alle vorstehend nicht namhaft gemachten Einnahmen unter Abzug etwaiger Geschäftsunkosten.

Als Kapitalgewinn im Sinne der vorstehenden Bestimmung ist auch derjenige Gewinn in Anschlag zu bringen, welcher ohne eine besondere Thätigkeit des Steuerpflichtigen infolge einer seit dem Er- werbe eingetretenen Werterhöhung des veräusserten Gegenstandes erzielt ist.

Der Steuerpflichtige ist berechtigt, etwaige Kapitalverluste, welche er innerhalb des für die Berechnung des Einkommens zu Grunde liegenden Jahres erlitten hat, von den Einnahmen in Abzug zu bringen.

Einnahmen aus Erbschaften, Vermächtnissen, Schenkungen, Lebens- und Unfallversicherungen und aus Mitgiften bei Verheiratungen wer- den bezüglich des Kapitalwertes, welchen sie zur Zeit des Erwerbes haben, nicht zu dein Einkommen gerechnet.

10. Leibrenten, Pensionen oder andere ähnliche wiederkehrende Zahlungen, solche Einnahmen mögen zufolge Testamentes oder Vertrages oder auf Grund sonstiger Verpflichtungen oder aus dem freien Willen dritter empfangen werden. Entspringt die Einnahme aus dem freien Willen eines hiesigen Steuerpflichtigen, so ist sie der Einkommen- steuer nicht unterworfen; dagegen kann der hiesige Geber ihren Be- trag nicht von seinem steuerpflichtigen Einkommen abziehen.

11. Für die im § 2 unter 7 und 8 bezeichneten Gesellschaften gilt als steuerpflichtiges Einkommen der nach den vorstehenden besonderen Bestimmungen zu berechnende Ueberschuss der Einnahmen über die Ausgaben. Derselbe ist nachzuweisen durch Einreichung der den Generalversammlungen vorzulegenden Abrechnungen und Bilanzen. Zu den Ausgaben dürfen insbesondere nicht gerechnet werden die an Aktionäre und Anteilseigner, wenn auch unter der Bezeichnung von Zinsen geleisteten Zahlungen, die Einlagen in den Kapitalreserve- fonds und die zur Amortisation der Schulden oder des Grundkapitals sowie die zu Verbesserungen und Geschäftserweiterungen verwendeten Beträge.

Aktiengesellschaften , welche Reederei betreiben, können von dem Bilanzwerte ihrer Schiffe jährlich vier Prozent für Abnutzung von dem jährlichen Ueberschusse in Abzug bringen.

Lübecker Gesetz, die Verwaltung der Einkommensteuer betreffend, vom 27. Mai 1889.

(Veröffentlicht am 14. Juni 1889.) Der Senat, im Einvernehmen mit der Bürgerschaft, hat beschlossen und

verkündet als Gesetz :

§ 1. Die Verwaltung der Einkommensteuer wird von der Steuerbehörde wahrgenomm en .

§ 2. Die Prüfung der von den Steuerpflichtigen gemachten Angaben über ihr Einkommen und die unmittelbare Einschätzung des Einkommens von Steuer- pflichtigen sind den Schätzungskommissionen übertragen.

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222 Lübecker Einkommensteuergesetz.

Dieselben werden, wie folgt, gebildet: 1. für die Stadt Lübeck, Nordseite, 2. „ , „ Südseite, 3. „ „ Vorstadt St. Lorenz, 4. „ „ St. Jürgen, 5. „ „ „ St. Gertrud, (3. „ den Mühlenthor- und Ritzerauer Landbezirk, 7. „ „ Holstenthor-, Burgthor- und Travemünder Landbezirk, 8. „ das Städtchen Travemünde.

Die unter 1 bis 7 aufgeführten Schätzungskommissionen bestehen aus je drei Mitgliedern der Steuerbehörde, und zwar aus einem Senator und zwei Deputierten, sowie aus sechs Schätzungsbürgern.

Die unter 8 aufgeführte Schätzungskommission besteht aus 2 Mitgliedern der Steuerbehörde, und zwar aus einem Senator und einem Deputierten, sowie aus drei Schätzungsbürgem.

§ 3. Die zu den Schätzungskommissionen abzuordnenden Mitglieder der Steuerbehörde werden von der Behörde ernannt.

Die Schätzungsbürger werden auf Vorschlag des Bürgerausschusses, wobei hinsichtlich der für mehrere Landbezirke gebildeten Kommissionen eine ange- messene Verteilung zu beobachten ist, von dem Senate gewählt.

Auf diese Schätzungsbürger finden die gesetzlichen Bestimmungen über die Verpflichtung zur Uebernahme und Wahrnehmung öffentlicher bürgerlicher Anstellungen Anwendung.

§ 4. Namens der Schätzungskommission können deren Wahrnehmungen (vergl. § 2) bezüglich der im Laufe des Steuerjahres nach Abschluss des ordent- lichen Veranlagungsgeschäftes in die Steuerpflicht Neueintretenden (Zugänge) durch die zu den Schätzungskommissionen abgeordneten Mitglieder der Steuer- behörde erfolgen.

§ 5. Die Mitglieder der Steuerbehörde und die Schätz ι mgsbürger sind verpflichtet, dasjenige, was bei der Prüfung der von . Steuerpflichtigen einge- reichten Steuererklärungen, bezw. bei der Abschätzung oder bei eintretendem Einspruchverfahren, über den Vermögensstand, das Einkommen und den Erwerb oder den Verbrauch der Steuerpflichtigen von Mitgliedern der Behörde, bezw. der Schätzungskommissionen, zur Sprache gebracht, oder von den Steuer- pflichtigen bei deren Vernehmung erklärt wird , sowie das Stimmenverhältnis und die Abstimmung der einzelnen Mitglieder bei der Fassung von Beschlüssen geheim zu halten.

Zur Bekräftigung dieser Verpflichtung haben sowohl die bürgerlichen Deputierten der Steuerbehörde, als auch die Schätzungsbürger bei ihrer Ein- führung einen eidlichen Revers zu unterzeichnen, welcher von ersteren nach dem Formular A, von letzteren nach dem Formular Β auszustellen ist.

§ 6. Jedes Mitglied der Steuerbehörde und der Scbätzungskommissionen hat sich der Teilnahme an der Beratung und Beschlussfassung zu enthalten und muss während der Verhandlung ohne vorgängige Aufforderung abtreten, wenn es sich um seine eigene Besteuerung oder um die Besteuerung seines Handelsgesellschafters , seines Vollmachtgebers, seines Pflegebefohlenen , seiner Ehefrau oder Verlobten, sowie derjenigen Personen handelt, welche mit ihm oder seiner Ehefrau in gerader Linie, mit Einschluss der Adoptiveltern und eingekindschafteten Kinder, der Stiefeltern und Stiefkinder oder im zweiten Grade der Seitenlinie verwandt oder verschwägert sind, gleichviel, ob die Ehe, durch welche die Schwägerschaft entstand, noch besteht oder nicht, nicht min- der dann, wenn es um die Beschlussnahme über einen Einspruch sich handelt, dessen Verfasser er ist.

Bei der Beschlussfassung über Einsprüche haben diejenigen Mitglieder der Steuerbehörde, welche bei dem den Gegenstand des Einspruchs bildenden Bescheide mitgewirkt haben., sich der Abstimmung zu enthalten.

(322

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Lübecker Einkommensteuergesetz. 223

§ 7. Von den zuerst gewählten Schätzungsbürgern treten in einer sofort durch das Los zu bestimmenden Reihenfolge aus den im § 2 unter 1 bis 7 erwähnten Kommissionen je einer nach Ablauf jedes Jahres, aus der im § 2 unter 8 erwähnten Kommission aber je einer nach Ablauf von 2 Jahren aus.

§ 8. Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1890 in Kraft.

Anlage A. Formular

- -

des τοπ den bürgerlichen Deputierten der Steuerbehörde auszustellenden eidlichen Reverses.

Ich verpflichte mich hierdurch an Eidesstatt, dasjenige, was in den Sitzungen der Steuerbehörde und der Schätzungskommissionen über den Ver- mögensstand, das Einkommen und den Erwerb oder den Verbrauch der Steuer- pflichtigen von Mitgliedern der Steuerbehörde, bezw. der Schätzungskommis- sionen, zur Sprache gebracht, oder von den Steuerpflichtigen bei deren Ver- nehmung erklärt wird, geheim zu halten, mich auch weder gegen den Steuer- pflichtigen selbst, noch gegen dritte Personen darüber zu äussern, mit welchem Stimmenverhältnis Beschlüsse über seine Besteuerung, bezw. auf seinen Ein- spruch gefasst worden sind, und wie dabei von den einzelnen Mitgliedern ge- stimmt worden ist.

Lübeck, den

Anlage B. Formular

des von den Schätzungsbürgern auszustellenden eidlichen Reverses. Ich verpflichte mich hierdurch an Eidesstatt, dasjenige, was in den

Sitzungen der Schätzungskommission, welcher ich zugeordnet bin, über den Vermögensstand, das Einkommen und den Erwerb oder den Verbrauch der Steuerpflichtigen von Mitgliedern der Schätzungskommission zur Sprache ge- bracht, oder von den Steuerpflichtigen bei deren Vernehmung erklärt wird, geheim zu halten, mich auch weder gegen den Steuerpflichtigen selbst, noch gegen dritte Personen darüber zu äussern, mit welchem Stimmenverhältnis Beschlüsse über seine Besteuerung gefasst worden sind, und wie dabei von den einzelnen Mitgliedern der Kommission gestimmt worden ist.

Lübeck, den

Gutachtliche Erklärung der Steuerbehörde vom 15. Dezember 1886 zum Entwurf eines Einkommensteuergesetzes.

Nachdem ein von Hohem Senate der Bürgerschaft zur Mitgenehmigung vorgelegter Nachtrag zum Einkommensteuergesetze vom 27. Mai 1872 von der Bürgerschaft in ihrer Versammlung vom 28. Januar 1884 abgelehnt worden war, hat die letztere auf Grund zweier Kommissionsberichte vom Juli und 10. Dezember 1885 (Drucksache 1885, Nr. VI und X a) dem Senate den Entwurf eines revidierten Gesetzes (Drucksache 1885, Nr. Via) mit einigen am 2. No- vember, bezw. 21. Dezember 1885 beschlossenen Abänderungen entgegengebracht. In Nachgehung des am 17. Februar 1886 erhaltenen Auftrages beehrt sich die Steuerbehörde, die erforderte gutachtliche Erklärung über diese Vorlagen Hohem Senate in Nachstehendem zu unterbreiten, nachdem der Gegenstand in fast allwöchentlichen Sitzungen der Behörde, bezw. einer Kommission derselben wiederholt durchberaten ist.

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224 Lübecker Einkommensteuergesetz.

Ausgegangen sind die obschweb enden Verhandlungen von dem im An- trage an die Bürgerschaft vom 28. Januar 1884 dargelegten Wunsche des Senates, nach grösserer Sicherstellung der lübeckischen Finanzen infolge des Verkaufs der Eisenbahnaktien einen Teil der Mehreinnahmen Lübecks aus den erhöhten Erträgen der Reichssteuer zur Erleichterung der zu den unteren Ein- kommensteuerstufen Eingeschätzten zu verwenden, insbesondere die Einkommen bis zu 600 M. gänzlich zu befreien und den Steueransatz für diejenigen bis 1300 M. zu ermässigen. Die Bürgerschaft glaubte indessen einer Aenderung der Steuerskala nur unter der Voraussetzung zustimmen zu sollen, wenn gleich- zeitig das Einkommensteuergesetz einer durchgängigen Revision unterzogen werde.

Die Steuerbehörde war nach ihrer Erklärung vom 22. Oktober 1883 allerdings der Ansicht, dass im Interesse einer baldthunlichen Einführung der geplanten Steuererleichterungen, insbesondere einer gänzlichen Befreiung von etwa 8000 Steuerpflichtigen, eine Revision des ganzen Steuergesetzes, welche ohne eingehende Prüfung und langdauernde Verhandlungen nicht durchführbar er- schien, als nicht gerade vordringend einer abgesonderten Behandlung vorzu- behalten sei. Die Revisionsbedürftigkeit des jetzt gültigen Steuergesetzes ist aber von der mit Handhabung desselben betrauten Behörde am wenigsten ver- kannt worden. Das jetzige Einkommensteuergesetz verdankt seine erste Ge- staltung der Gesetzgebung vom 18. Oktober 1869. Die Revision von 1872 brachte das Gesetz mit den inzwischen erlassenen Reichsgesetzen in Ueberein- stimmung und beseitigte einige nach kurzer Erfahrung hervorgetretene Miss- stände, während die Novelle vom 23. November 1874 sich im wesentlichen darauf beschränkte, die in lübeckischer Währung ausgeworfene Steuerskala in Reichsmark und Pfennige umzurechnen. Inzwischen haben die während anderthalb Jahrzehnten bei der Anwendung des Gesetzes gesammelten Erfahrungen, die Um- gestaltung mancher wirtschaftlichen Verhältnisse, sowie der Fortschritt der Steuer- wissenschaft, der in den neuerdings erlassenen Steuergesetzen anderer deutscher Staaten verwertet worden ist, die Ueberzeugung von der Angemessenheit einer durchgreifenden Umarbeitung des Lübeckschen Einkommensteuergesetzes tiefer begründet. Auch in den anderen Hansestädten, deren Steuergesetze uns im Jahre 1869 als Vorbilder dienten, ist seitdem die bessernde Hand angelegt. Bremen hat sein Einkommensteuergesetz bereits im Jahre 1874 revidiert, und am 13. April, bezw. 16. November 1880 die Steuerskala und andere wesentliche Punkte abgeändert, in Hamburg aber ist das im Jahre 1866 erlassene Ein- kommensteuergesetz durch eine Revision vom 7. März 1881 umgestaltet worden. Im Königreich Sachsen hat das Einkommensteuergesetz vom 22. Dezember 1874 bereits am 2. Juli 1878 einem neuen, sehr beachtenswerten Gesetze Platz ge- macht, und der von der preussischen Regierung im Jahre 1883 dem Landtage vorgelegte und von einer Kommission des letzteren amendierte Entwurf eines Einkommensteuergesetzes, welcher freilich bisher Gesetzeskraft noch nicht erlangt hat, gibt Zeugnis von den neueren Anschauungen auf dem Gebiete der Steuer- technik. Die Steuerbehörde erachtet es daher für ebenso wünschenswert wie zeit- gemäss, einer Revision des Lübecker Einkommensteuergesetzes näher zu treten. Soll aber überall eine Umarbeitung des Gesetzes in Angriff genommen werden, so empfiehlt es sich, dieselbe nicht auf eine Aenderung der Steuerskala und der Be- stimmungen über die Steuerpflicht zu beschränken, sondern das bestehende Gesetz nach den gemachten Erfahrungen und bewährten Vorgängen so umzugestalten, dass es voraussichtlich für längere Zeit berechtigten Anforderungen genügt.

Indem die Steuerbehörde den von ihr umgearbeiteten Entwurf eines revidierten Einkommensteuergesetzes in der Anlage vorlegt, gestattet sich die- selbe, den Entwurf mit folgenden erläuternden Bemerkungen zu den einzelnen Paragraphen zu begleiten und dabei zugleich über die bezüglichen Abänderungs- vorschläge der Bürgerschaft sich zu äussern.

Zum § 1 (bisher § 1, 1). Für die Steuerpflicht ist die Frage nach dem Wohnsitz in mehrfacher

Beziehung entscheidend. Es empfiehlt sich daher, die gesetzliche Begriffs- 624

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Lübecker Einkommensteuergesetz. 225

bestimmung des Wohnsitze nicht wie bisher im § 1, 1 in einer nur auf die Angehörigen des lübeckischen Staatsgebietes bezüglichen Bestimmung zu treffen, sondern dieselbe in einem eigenen Paragraphen nach dem Vorgange Bremens an die Spitze des Gesetzes zu stellen und damit eine Erklärung des wiederholt im Gesetze gebrauchten Ausdruckes : hier (hiesig) als gleichbedeutend mit : innerhalb des lübeckischen Staatsgebietes zu verbinden.

Zum § 2 (bisher § 1). Der bisherige § 1 hat in einer längeren Aufzählung unter 9 Nummern

die einzelnen für die Begründung der Steuerpflicht natürlicher Personen mass- gebenden Kombinationen von Staatsangehörigkeit, Wohnsitz, bezw. Aufenthalt, von Geschäftsbetrieb, bezw. Grundbesitz und Bezug . hiesiger Besoldungen u. s. w. aufgeführt. Zur Vermeidung dieser verwirrenden Kasuistik hat der § 2 des Entwurfes unter 1 bis 4 nach dem Vorgange von Bremen und Preussen die entscheidenden Grundsätze kurz zusammengefasst.

Die bisher in den § 1, 1 aufgenommene Ausnahmebestimmung, wonach den Hufenbesitzern in den Kapitelsdörfern die vergleichsmässigen Kontributionen auf die von ihnen zu entrichtende Einkommensteuer in Anrechnung gebracht werden soll, findet richtiger ihren Platz im § 3 des neuen Entwurfes, welcher von den gänzlichen und teilweisen Befreiungen handelt. Dabei nochmals her- vorzuheben, dass die Hufenbesitzer in den Kapitelsdörfern der Einkommen- steuer gleich allen anderen hiesigen Staatsangehörigen unterworfen seien, wozu bei der früheren Redaktion des Gesetzes angesichts früherer Irrungen eine Ver- anlassung vorlag, erscheint jetzt als überflüssig, nachdem die Steuerpflicht der Eingesessenen in den Kapitelsdörfern seit etwa 15 Jahren in anerkannter Wirk- samkeit besteht.

Den Vorschriften über die Steuerpflicht der natürlichen Pergonen folgen unter Nr. 5 bis 8 diejenigen über die Steuerpflicht der juristischen Persönlich- keiten. Der Nr. 6, welche wie bisher die Privatwohlthätigkeitsanstalten und milden Stiftungen zur Einkommensteuer herbeizieht, ist eine in der Billigkeit entsprechende Ausnahme hinzugefügt.

Nachdem die Sorge für das öffentliche Schulwesen nunmehr von Seiten des Staates übernommen ist, dienen die von Stiftungen erhaltenen Schulen dazu, dem Staate einen Teil seiner finanziell ins Gewicht fallenden Auf- gabe zu erleichtern. Soweit die betreffenden Stiftungen dies thun, ist es un- gerechtfertigt, ihre darauf verwendeten Einkünfte mit einer staatlichen Ein- kommensteuer zu belasten. Durch solche Befreiung wird nur derjenige Zustand wieder hergestellt, welcher, ungeachtet der schon seit dem Jahre 1846 bestehen- den allgemeinen Steuerpflicht der Privatstiftungen, bis zum Erlasse des Ein- kommensteuergesetzes von 1869 bestanden hat. Auch in Bremen ist (§ 3 g und h) die Steuerfreiheit der Stiftungsschulen anerkannt, während in Preussen Stiftungen der Einkommensteuer überall nicht unterliegen.

Nr. 7. Die von der Bürgerschaft beantragte Herbeiziehung der Aktien- gesellschaften und der Kommanditgesellschaften auf Aktien kann die Steuer- behörde aus den im Berichte der Bürgerschaftskommission (Drucks. 1885, IV, S. 2/3) angeführten Gründen im allgemeinen, wiewohl mit einigen Modifikationen, nur empfehlen, nachdem die erwähnten Gesellschaften nicht allein in Hamburg und Bremen, sondern auch in Sachsen als steuerpflichtig erklärt sind, und der preussische Entwurf (§ 2) gleichfalls für die Besteuerung jener Gesellschaften sich ausgesprochen hat. Der zuletzt erwähnte Entwurf beschränkt jedoch die Steuerpflicht auf Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften, lässt da- gegen die eingetragenen Genossenschaften, wie alle sonstigen erwerben- den Gemeinschaften von der Einkommensteuer frei. Ungeachtet dieses Vor- ganges und mancher grundsätzlicher Bedenken, welche sich aus der rechtlichen wie aus der wirtschaftlichen Natur der Genossenschaften ergeben , hat sich die Steuerbehörde doch dafür ausgesprochen, auch die eingetragenen Genossen- schaften für steuerpflichtig zu erklären, wie solches nach dem Vorbilde Ham-

, burgs und Bremens von der Bürgerschaft beantragt ist. Die Behörde glaubt Finanzarchiv. VII. Jahrg. 625 15

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226 Lübecker Einkommensteuergesetz.

zwar, von einer Besteuerung der zur Zeit hier bestehenden Genossenschaften nach ihrer Zahl und Bedeutung, wie nach den von ihnen befolgten geschäft- lichen Grundsätzen einen erheblichen Steuerertrag nicht erwarten zu dürfen. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass hier, wie an andern Orten, die Genossen- schaften eine erhebliche Bedeutung gewinnen und mehr als bisher den Zweck unmittelbaren Gelderwerbes verfolgen, dass sogar Privatgeschäfte unter der Firma eingetragener Genossenschaften betrieben werden. Angesichts solcher Möglichkeiten erschien es angemessen, die eingetragenen Genossenschaften der Steuerpflicht zu unterwerfen, um nicht die Interessenten vor anderen Steuer- pflichtigen zu bevorzugen. Den erwähnten hiesigen Gesellschaften müssen aber diejenigen nichtlübeckischen unzweifelhaft gleichgestellt werden, welche und soweit sie Einkommen aus hiesigem Gewerbebetriebe oder Grundbesitz beziehen (Hamburg § 1, 11, Bremen § 2 e, Sachsen § 4, Abs. 3, preuss. Entw. § 3). Hinsicht- lich des hiesigen Gewerbetriebes dürften indessen auswärtige Versicherungs- gesellschaften von der Steuerpflicht deshalb auszunehmen sein, weil letztere durch Verlegung der General- und Hauptagenturen in nahe belegene ausser- lübeckische Ortschaften unschwer umgangen werden könnte, auch ein Nachweis des im lübeckischen Staatsgebiete erzielten Reingewinnes nach den in Ham- burg gemachten Erfahrungen mit den erheblichsten Schwierigkeiten verknüpft sein würde.

Eine weitere Modifikation des Grundsatzes der Steuerpflichtigkeit der Aktiengesellschaften wird dahin einzutreten haben, dass die dem lübeckischen Gesetze über die Besteuerung der Eisenbahnen vom 2. November 1885 unter- liegenden Gesellschaften von der Einkommensteuer zu befreien sind. Dieser Vorschlag der Steuerbehörde weicht freilich von dem Antrage der Bürgerschaft ab, welche auf den Bericht ihrer Kommission vom 10. Dezember 1885 (Druck- sache Xa. S. 2) am 21. desselben Monats unter Verwerfung eines die Befreiung aussprechenden Antrages den sogen. „Grundsätzen" unter Nr. 11 die Be- stimmung eingefügt hat:

„Die hiesigen Eisenbahngesellschaften sind berechtigt, auf ihre Ein- kommensteuer denjenigen Betrag in Anrechnung zu bringen, welchen „sie nach Massgabe des Gesetzes vom 2. November 1885, betreffend „die Besteuerung der Eisenbahnen, an Steuer zahlen."

Auf die im lübeckischen Staate betriebenen Eisenbahnunternehmungen sowohl das Einkommensteuergesetz, als das Gesetz über die Besteuerung der Eisenbahnen in Anwendung zu bringen, erscheint deshalb unzulässig, weil beide Gesetze, auf der Grundlage einer Besteuerung des Reinertrages beruhend, den Reinertrag des Eisenbahnbetriebes zwiefach ergreifen würden. Durch den Erlass des dem preussischen Vorbilde entsprechenden Eisenbahnsteuer- gesetzes hat man die Eisenbahnen nur deshalb aus dem Rahmen des allgemeinen Einkommensteuergesetzes herausgehoben, um es zu vermeiden, dass die in mehreren Staatsgebieten belegenen Strecken derselben Eisenbahn nach ver- schiedenen Grundsätzen besteuert werden. Bei Erlass des Eisenbahnsteuer- gesetzes aber hat es offenbar nicht in der Absicht weder des Senates, noch der Bürgerschaft gelegen, die lübeckischen Eisenbahnen daneben noch zur Einkommensteuer herbeizuziehen. Veranlasst ist der Antrag der Bürgerschaft nach Ausweis des Kommissionsberichts vom 10. Dezember 1885 vornehmlich durch die Erwägung, dass die hier domizilierten Eisenbahn- Aktiengesellschaften anderen Aktiengesellschaften gegenüber begünstigt erscheinen, wenn sie ledig- lich mit der Eisenbahnsteuer belegt würden. Eine solche Bevorzugung findet aber in der That nicht statt. Allerdings kann unter der, wie weiterhin nach- zuweisen, nicht zutreffenden Voraussetzung, dass die vollen Reineinnahmen der für jetzt allein in Frage kommenden Lübeck-Büchener Eisenbahngesellschaft der Einkommensteuer unterliegen würden, der Fall eintreten, dass der Betrag der Einkommensteuer sich höher stellt als derjenige der Eisenbahnsteuer. Den- noch würde in der ausschliesslichen Anwendung des Eisenbahnsteuergesetzes eine Begünstigung schon deshalb nicht zu erblicken sein, weil die Eisenbahn- steuer mit ihrer progressiven Skala, welche für den 5 bezw. 6 °/° des Anlage-

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Lübecker Einkommensteuergesetz. 227

kapitals übersteigenden Teil des Reinertrags sich sogar auf 10 und 20% des letzteren erhebt (§ 2 des Eisenbahnsteuergesetzes), bei einer nach den bisherigen Erfahrungen sehr wohl möglichen weiteren günstigen Entwicklung der Betriebs- ergebnisse den Ertrag der Einkommensteuer mit ihrem festen Satze von 3 °/° nicht nur zu erreichen, sondern sogar weit zu übertreffen vermag. In dieser Möglichkeit liegt eben die Ausgleichung eines zeitweiligen Minderertrages der Eisenbahnsteuer gegenüber dem Ertrage einer von den Eisenbahngesellschaften zu erhebenden 3%igen Einkommensteuer. Indem man an diese Gesellschaften, abweichend von allen sonstigen Steuergrundsätzen, zwei verschiedene Mass- stäbe anlegen will, je nachdem der eine oder der andere für die Staatskasse sich günstiger gestaltet, verfällt man, in dem Wunsche eine mögliche Ungleich- heit zu beseitigen, in eine viel bedenklichere différentielle Behandlung der Eisenbahngesellschaften. Es ist selbst in Preussen, wo neben der Einkommen- steuer eine in Lübeck nicht eingeführte allgemeine Gewerbesteuer besteht, und daher die Erhebung sowohl der Einkommensteuer als auch der Eisenbahn- steuer eher in Frage kommen könnte, die Herbeiziehung der Eisenbahngesell- schaften zur Einkommensteuer niemals Rechtens geworden, und in dem neuesten preussischen Einkommensteuerentwurfe von 1883 ist solche ausdrücklich durch die Bestimmung im § 4, 10 ausgeschlossen. Begründet wird dies auf S. 8 der bezüglichen Motive durch den Hinweis darauf, dass es zu einer ungleich- massigen Belastung führen würde, wenn die Eisenbahngesellschaften noch der ebenfalls vom Ertrage zu erhebenden Eisenbahnsteuer unterworfen werden sollten. Ueberdies würde die Annahme des Antrages der Bürgerschaft that- sächlich ohne jeglichen Erfolg bleiben. Das Reichsgesetz über die Beseitigung der Doppelbesteuerung vom 13. Mai 1870, welches nicht lediglich von der Ein- kommensteuer, sondern von jeder direkten Besteuerung redet, bestimmt im § 3, dass der Grundbesitz und der Betrieb eines Gewerbes, sowie das aus diesen Quellen herrührende Einkommen nur von dem- jenigen Bundesstaate besteuert werden darf, in welchem der Grundbesitz liegt oder das Gewerbe betrieben wird. Nun liegt bekanntlich das Grundeigentum der zur Zeit für eine Einkommensteuererhebung allem in Frage kommenden Lübeck-Büchener Eisenbahngesellschaft nur zum kleineren Teile im lübeckischen Staatsgebiete. Ebenso wird das Transport- unternehmen derselben, welches unzweifelhaft als ein Gewerbe im Sinne des Gesetzes sich darstellt, gleichfalls nur zum kleineren Teile im lübeckischen Staatsgebiete betrieben. Es würde daher auch das aus diesen Quellen ent- stammende Reineinkommen der Eisenbahn nur zum entsprechenden Teile lübeckischerseits zur Einkommensteuer herbeigezogen werden können, wie man sich auch die Art der Verteilung des Reineinkommens denken mag. Denn es macht keinen wesentlichen Unterschied, ob man sie laut § 8 des Eisenbahn- steuergesetzes nach dem Verhältnis der im lübeckischen Gebiete belegenen Streckenlänge zur Gesamtbahnlänge der Bahnen (etwa 35 : 126) oder nach dem Betrage der Roheinnahme auf den in den verschiedenen Bundesstaaten belegenen Stationen bemisst. Bleibt danach das Einkommen, welches aus dem ausser- lübeckischen Betriebe herrührt, von der Herbeiziehung zur lübeckischen Ein- kommensteuer ausgeschlossen, so könnte der Fall, dass der Betrag der letz- teren die Eisenbahnsteuer übersteigt, nur dann eintreten, wenn in einem Jahre der nach § 3 des Eisenbahnsteuergesetzes zu berechnende Reinertrag des Ge- samt-Eisenbahnunternehmens sehr erheblich unter die letztjährigen Ergebnisse herabsinken würde. Es entbehrt demnach eine Herbeiziehung der Eisenbahn- gesellschaften zur Einkommensteuer, welche weder in Preussen, noch in Ham- burg stattfindet, abgesehen von sonstigen steuer- und wirtschaftspolitischen Bedenken, unter regelmässigen Verhältnissen durchaus einer praktischen Be- deutung.

Zum § 3 (bisher § 2). Am Schlüsse des Gesetzes wird unter den vorübergehenden Bestimmungen

die bisher im § 2, 2 aufgeführte Befreiung der Mitglieder des vormaligen Ober- Appellationsgerichtes der freien Hansestädte ihren geeigneteren Platz finden,

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228 Lübecker Einkommensteuergesetz.

wo auch die sonstigen nur vorübergehenden Steuerbefreiungen zusammen- gestellt sind.

Die Bürgerschaft hat beantragt, unter Nr. 4 des bisherigen § 2 eine Be- stimmung einzuschalten, wonach jeder neu Anziehende für das Vierteljahr, innerhalb dessen er zugezogen ist, von der Steuerzahlung befreit sein soll, so- weit er für dies Vierteljahr bereits an seinem früheren Wohnorte Steuern be- zahlt hat. Sofern in dem beantragten Zusätze eine bisher allerdings mangelnde Vorschrift über den Beginn der Steuerpflicht erblickt werden kann, hat sie in dem § 11 des vorliegenden Entwurfs der Steuerbehörde Aufnahme gefunden. Soweit aber <iie vorgeschlagene Bestimmung eine zeitlich ausgedehnte Befreiung enthält, ist sie weder durch das Reichsgesetz über die Doppelbesteuerung ge- boten, noch entspricht sie den bezüglichen Vorschriften in den Steuergesetzen der benachbarten Staaten. Sie erscheint um so weniger durch Rücksichten der Billigkeit geboten, als in Preussen die direkten Steuern nach Monaten berechnet, aber in Vierteljahrsraten erhoben werden.

Nr. 4 bis 6. Bei der Fassung der Bestimmungen, welche sich auf die Besteuerung von Militärpersonen beziehen, hat sich die Steuerbehörde thun- lichst an die im preussischen Einkommensteuerentwurfe von 1883 beliebte Redaktion angeschlossen in der Voraussetzung, dass die letztere am meisten den Intentionen entspreche, welche bei Feststellung der bezüglichen Bestim- mungen im § 46 des Reichsmilitärgesetzes vom 2. Mai 1874 massgebend ge- wesen sind.

Da weder in dem letzteren Gesetze, noch auch in dem preussischen Ent- würfe eine allgemeine Befreiung der zu den Militärunterklassen gehörenden Pensionierten rücksichtlich ihrer Pension so wenig wie eine allgemeine Be- freiung der Offizierspensionen vorgeschrieben ist, so konnte auch die auf erstere bezügliche Bestimmung unter Nr. 9 des bisherigen lübeckischen Ein- kommensteuergesetzes wegfallig werden.

Zum § 4 (bisher § 3). Der Ausgangs- und Hauptpunkt für die Verhandlungen über die Revision

des Einkommensteuergesetzes liegt in der Frage bezüglich der Umgestaltung der Steuerskala. Die Begründung des Senatsantrages an die Bürgerschaft für die Versammlung vom 28. Januar 1884 stimmt mit dem Kommissions- berichte, welcher dem Gegenantrage der Bürgerschaft vom 21. December 1885 zum Grunde lag, darin überein, dass nach der Consolidierung der lübeckischen Finanzen infolge des Verkaufes der Lübeck-Büchener Eisenbahnaktien, ferner im Hinblick auf die Ueberweisungen aus dem Ertrage der erhöhten Reichs- steuern, sowie endlich mit Rücksicht auf die für die unbemittelteren Klassen mehr fühlbare Belastung durch die auf unentbehrliche Lebensmittel gelegten Reichszölle eine Steuererleichterung für die in die unteren Steuerstufen Ein- geschätzten herbeizuführen sei. Anderseits verdient die Erwägung, dass wegen der grossen Anforderungen, welche schon in naher Zukunft an die Finanzen Lübecks gestellt werden dürften, eine gewisse Vorsicht geboten sei, volle Be- achtung.

Die Abweichung beschränkt sich auf folgende Punkte: 1. Nach dem Senatsantrage sollten die zur ersten Stufe Eingeschätzten

mit einem Einkommen von M. 400 bis 600 sämmtlich von der Steuer befreit werden, während der Bürgerschaftsentwurf § 2, 11 nur diejenigen befreien will, welche bei einem Einkommen von M. 600 oder weniger Familienangehörige zu ernähren haben.

Allerdings sind die zahlreichen Censiten der niedrigsten Steuerstufe be- züglich ihrer Steuerfähigkeit sehr verschieden gestellt, je nachdem sie nur für sich oder auch für Angehörige zu sorgen haben oder nicht. Aber der aus dieser Erwägung hervorgegangene Antrag der Bürgerschaft begegnet dem Be- denken, dass die Ermittelung der thatsächlichen Voraussetzungen für die Steuer- befreiung in jedem einzelnen Falle mit unverhältnissmässigen Schwierigkeiten verbunden ist. Denn auf die vorgeschlagene Ausnahmebestimmung können sich

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Lübecker Einkommensteuergesetz. 229

nicht* allein diejenigen berufen, welche hier mit den von ihnen zu ernährenden Familien haushalten, sondern auch die Einzelstehenden, welche hier oder aus- wärts Familienangehörige, sei es Frau oder Kinder, auch aussereheliche, sei es Vater oder Mutter oder Grosseltern zu ernähren rechtlich verpflichtet sind. Es würde nicht nur die Richtigkeit solcher Angaben, sondern auch die Thatsache festzustellen sein, ob die angeblichen Unterstützungen wirklich geleistet werden und ob die Unterstützung als Beihilfe oder als Gewährung des vollen Lebens- unterhaltes für den zu Alimentierenden zu erachten seien. Solche eingehenden Ermittelungen würden nicht nur hier, sondern bei der grossen Anzahl der von auswärts Zugezogenen in vielen Fällen Correspondenzen mit hiesigen und aus- wärtigen Behörden, sowie Vernehmungen von Auskunftspersonen erforderlich machen. Ob die dadurch herbeigeführte Mehrbelastung der Steuerbehörde und ihres Bureaus, welche auch in einem Mehrerfordernis an Verwaltungskosten ihren Ausdruck finden muss, zu dem finanziellen Ergebnisse - handelt es sich doch in jedem einzelnen Falle nur um eine Jahressteuer von M. 3 - in einem ent- sprechenden Verhältnisse stehen würde, das muss von vornherein in Zweifel gezogen werden. Die Steuerbehörde schlägt daher eine andere leicht fest- zustellende thatsächliche Voraussetzung für die Begründung der Steuerpflicht auf der untersten Steuerstufe dahin vor, dass nur diejenigen Personen (Dienst- boten und Gehilfen im weiteren Sinne), welche bei freier Station ein Bareinkommen von M. 80 bis M. 280 beziehen, mit einer Steuer von M. 3 jähr- lich zu belegen sind. Dabei wird von der, "auch schon bisher stets befolgten Annahme ausgegangen, dass der Genuss freier Wohnung und voller Beköstigung sich mindestens auf M. 320 veranschlagen lasse. Alle anderen sonst zur untersten Stufe Einzuschätzenden würden durch Annahme dieses Vorschlages selbstver- ständlich von der Steuer befreit sein. Dieser Vorschlag entspricht dem von Anfang an besonders hervorgehobenen Gedanken, dass eine Steuererleichterung vorzugsweise solchen gewährt werden müsse, welche durch die erhöhten Reichs- steuern auf unentbehrliche Lebensbedürfnisse betroffen werden, nicht aber solchen, die von dieser Mehrbelastung unberührt bleiben. Unter Zugrundelegung der Steuerstatistik über die Verwaltungsergebnisse des Jahres 1885, auf welche die zunächst und ferner in diesem Berichte folgenden Angaben und Schätzungen beruhen, würden nach dem Vorschlage der Steuerbehörde rund 4300 bisher Steuerpflichtige befreit und die verbleibenden 5500 um jährlich 60 Pf. in der Steuer erleichtert werden. Dadurch entsteht ein Ausfall von M. 18,750, gegen- über einer Mindereinnahme von M. 14,850 nach dem Antrage der Bürgerschaft, und gegenüber einem Wegfall des gesamten Steuerertrages der untersten Stufe mit M. 35,254 nach der früheren Vorlage des Senates.

2. Die Skala der letzteren stimmt mit derjenigen des Bürgerschafts- entwurfes darin überein, dass beide bei M. 600 - 700 Einkommen mit M. 4 Steueransatz beginnen. Während aber die Senatsvorlage des Weiteren schon sofort um M. 2 Steueransatz für jede höhere Stufe bis zu M. 1200-1300 Ein- kommen auf M. 16 Steuersatz ansteigt, beantragt die Bürgerschaft, indem sie den Steuersatz für M. 700 - 800 von demjenigen der vorigen Stufe nur um M. 1 auf M. 5 steigen lässt, für jede fernere Stufe bis zu M. 1200 - 1300 Einkommen eine Steigerung um gleichfalls je M. 2 bis auf M. 15. Die Steuerbehörde er- achtet in Uebereinstim-mung mit ihrer bereits 1883 abgegebenen gutachtlichen Erklärung eine Ermässigung der Ansätze für die fraglichen Stufen, wie sie nach der ersteren Vorlage eintreten würde, also von bisher M. 7,20 auf M. 4, von M. 9 auf M. 6, von M. 10,50 auf M. 8, von M. 12 auf M. 10, von M. 13,50 auf M. 12, von M. 15 auf M. 14 und von M. 16,50 auf M. 16 für ausreichend und angemessen. Die in anderen Staaten eingeführten, zum Teil niedrigeren Ansätze lassen sich hier schon deshalb nicht zur Vergleichung heranziehen, weil dort neben der Einkommensteuer andere Staatssteuern bestehen, so die indirekt auch auf die Mieten der unbemittelten Klassen einwirkenden Grund- steuern, und in Hamburg ausserdem die Accise auf Konsumtionsgegenstände, in Preussen die allgemeine Gewerbesteuer. Gegenüber dem jetzigen Steuer- ertrage aus den Einkommenstufen von M. 700 bis 1300 würde der Ausfall be-

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tragen nach dem Entwürfe der Bürgerschaft M. 25,057.90, dagegen nach dem der Senatsvorlage sich anschliessenden Entwürfe der Steuerbehörde M. 20,225.90. Es würde also die nach dem Bürgerschaftsantrage eintretende noch weiter gehende Ermässigung der Steuer um je M. 1 jährlich einen Mehrausfall von M. 4832 zur Folge haben.

3. Die ferneren auf Abänderung der Steuerskala gerichteten Anträge der Bürgerschaft dürften nach dem Kommissionsberichte S. 6 weniger eine merk- bare Erleichterung der Steuerpflichtigen bezwecken, als der Skala durch Be- seitigung der Pfennigrechnung in den Ansätzen und durch ein mehr gleich- massiges und systematisches Ansteigen eine äusserlich angemessenere Gestalt zu verleihen. Zwar verkennt auch die Steuerbehörde nicht den Vorzug einer ansprechenden Form; aber sie würde nach dem Erachten der Steuerbehörde durch einen Ausfall von M. 7000 im Gesamtsteuerertrage der Steuerstufen von M. 1400 bis M. 4000 Einkommen zu teuer erkauft werden. Die Skala des bis- herigen Gesetzes hat überdies den praktischen Vorzug, dass bei einer, den vier gesetzlichen Zahlungsterminen entsprechenden Teilung der einzelnen Ansätze in vier Quoten sich Beträge ergeben, deren Zahlung kleinere Münze als 10-Pfennigstücke nicht erheischt. Dagegen zeigt die Skala des Bürgerschafts- entwurfes in überwiegender Mehrzahl Ansätze, welche durch 4 geteilt, nur durch Mitverwendung von 5-Pfennigstücken oder Kupfergeld sich berichtigen lassen, wodurch für Steuerzahler wie für Kassenbeamte Unbequemlichkeiten erwachsen.

Dem § 4 ist als zweiter Absatz eine neue Bestimmung hinzugefügt. Wenn das geltende Gesetz, wie alle neueren Entwürfe, von einem Normalsteuersatze von drei vom Hundert ausgehend, bei Einkommen unter M. 4000 eine prozentual stark abfallende Skala in Anwendung bringen, die ζ. Β. nach dem beifolgenden Entwürfe bei einem Einkommen von M. 1000 auf 1 % sinkt und bei Einkommen von M. 700 sogar nur 4/7 o/o beträgt, so beruht das auf der Annahme, dass die Besitzer der geringeren Einkommen verhältnismässig weniger steuerfähig sind, als diejenigen der grösseren Einkommen. Diese Annahme verliert aber bei solchen ihre Berechtigung, welche neben ihrem steuerpflichtigen geringeren Einkommen noch weiteres steuerfreies beziehen. Es entspricht daher nicht der Gerechtig- keit, dieselben für ihr hiesiges Einkommen nur mit dem entsprechend er- mässigten Ansätze zu besteuern. Hat ζ. Β. jemand ein hier steuerpflichtiges Einkommen von M. 1000, daneben aber M. 4000 hier steuerfreies Einkommen, sei es an Ertrag aus Grundbesitz, sei es aus Gewerbebetrieben in einem anderen deutschen Bundesstaate, sei es als Pension aus der Kasse eines anderen Bundes- staates, so liegt es auf der Hand, dass er verhältnismässig ebenso leistungs- fähig ist, wie jemand, der hier für M. 5000 steuerpflichtig wäre; er wird daher für M. 1000 hier Pflichtigen Einkommens nicht ein, sondern drei vom Hundert zu entrichten haben, ohne dass eingewendet werden könnte, es werde auch sein auswärtiges Einkommen mit versteuert. In Uebereinstimmung mit der Vorschrift im § 4, Abs. 3 des bremischen Gesetzes vom 17. Dezember 1874 ist aus vorstehender Erwägung in den PJntwurf die Bestimmung aufgenommen, dass für den Prozentsatz , nach welchem der Steuerpflichtige die Steuer zu zahlen hat, sein gesamtes Einkommen mit Hinzurechnung des steuerfreien, massgebend sein soll. Hiernach würde, um die Ausführung der Vorschrift an einem innerhalb der speziellen Skala liegenden Beispiele klar zu machen, die Berechnung für ein hier steuerpflichtiges Einkommen von M. 1000 neben einer steuerfreien Einnahme von M. 1800 sich, wie folgt, stellen. Wenn zusammen M. 2800 an Steuer zu tragen hätten M. (56, so ergibt der letztere Steueransatz 2,36 statt 1,00 von Hundert, oder auf M. 1000 = M. 23,60 statt M. 10, falls auf das steuerfreie Einkommen keine Rücksicht genommen würde.

Gegenüber dem bisherigen Gesetze hat der jetzige Entwurf in Ueber- einstimmung mit dem Bürgerschaftsantrage bezüglich der Steuererleichterung für grössere Familien eine Erweiterung erfahren, indem nicht die Zahl der Kinder, sondern die Zahl aller vom Steuerpflichtigen zu alimentierenden Fa- milienangehörigen berücksichtigt werden soll. Je nachdem die Familie mit

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Einschluss des Steuerpflichtigen selbst mehr als 5, oder mehr als 7 Personen umfasst, wird bei einem Einkommen von M. 2500 oder weniger die Steuer nur mit 4/s oder 3/& der dem Einkommen entsprechenden Steuer entrichtet. Nur ist die Fassung des Entwurfes durch Hervorhebung der gesetzlichen Er- nährungspflicht noch schärfer gewählt, um es klar zu stellen, dass in die Zahl der Familienangehörigen, deren Ernährung durch den Steuerpflichtigen die Voraussetzung für die Gewährung der Ermässigung bildet, solche nicht ein- begriffen sein sollen, welche nur auf Grund einer vertragsmässigen oder mora- lischen Verpflichtung alimentiert werden.

Zum § 5. Hier dürfte die von der Bürgerschaft zum § 13 ihres Antrages vor-

geschlagene Bestimmung in etwas abgeänderter Fassung ihren angemessenen Platz finden, wonach die Steuerbehörde befugt sein soll, Steuerermässigungen eintreten zu lassen, wenn bei Steuerpflichtigen, deren Einkommen M. 2500 oder weniger beträgt, die Leistungsfähigkeit durch besondere Umstände erheblich beeinträchtigt ist. Die Steuerbehörde glaubt die ausdrückliche Erteilung solcher Ermächtigung im Interesse sowohl der Steuerpflichtigen als der Steuer- verwaltung um so mehr empfehlen zu dürfen, als sie schon bisher in lang- jähriger Uebung durch ihre Restantensektionen bei Feststellung der Listen über die zur Zwangsvollstreckung aufzugebenden Steuerquoten nicht nur solche abgesetzt hat, welche nachweislich unbeitreibbar sind, sondern auch solche, •deren zwangsweise Beitreibung den durch andauernde Krankheits- oder sonstige Unglücksfalle in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdeten Steuerpflichtigen der gänzlichen Verarmung entgegengeführt haben würde.

Zum § 6. Die neu eingefügte Bestimmung, dass das Einkommen des Steuerpflich-

tigen von Jahr zu Jahr einzuschätzen sei, verleiht im Gegensatze gegen die in anderen Staaten eingeführten mehrjährigen Veranlagungsperioden dem Grund- satze Ausdruck, welcher schon bisher als in Lübeck bestehend stillschweigend vorausgesetzt, aber in dem Einkommensteuergesetze nicht ausgesprochen worden ist.

Der § 7 gibt die im jetzigen Gesetze § 4 enthaltenen 'rorschriften in angemessener Fassung und Anordnung wieder. Dabei sind als abzugsfähig von den Brutto- einnahmen nur die zur Erzielung des steuerpflichtigen Einkommens erforder- lichen Ausgaben aufgeführt, während die Einnahmen, welche nach dem Reichsgesetze über die Beseitigung der Doppelbesteuerung der Steuerpflicht nicht unterliegen, zwar der Vollständigkeit wegen erwähnt, aber nicht, wie bisher, als abzugsfähig, sondern als von der Steuerpflicht nicht betroffen zu- sammengestellt sind.

Von den im § 4 behandelten Punkten hat derjenige bezüglich der Zu- sammenrechnung des Einkommens von Familienangehörigen im neuen § 10 seinen Platz gefunden.

Zum § 8 (bisher § 5). Die Bestimmungen des bisherigen § 5 haben in verschiedenen Richtun-

gen zu Unzuträglichkeiten und ungelösten Zweifeln Anlass gegeben. 1. Das zur Zeit in Geltung befindliche Einkommensteuergesetz unter-

scheidet zwischen festen Einnahmen (§ 5a) und solchen schwankender Natur (§ 5 b); die ersteren sollen nach dem vollen Betrage in dem Jahre der Steuerausschreibung, die letzteren nach dem durchschnittlichen Betrage in den drei Kalenderjahren herangezogen werden, welche dem Jahre der Steueraus- schreibung unmittelbar vorangehen. Schon die im § 5 a enthaltene Aufzählung der als feste Einnahmen zu behandelnden Einnahmequellen entspricht nicht durchaus den thatsächlichen Verhältnissen. Wie bei dem jetzigen Schwanken

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des Zinsfusses für die in Hypotheken und Wertpapieren angelegten Kapitalien das Schwanken der Zinseinnahmen im Laufe eines Jahres nicht ausgeschlossen ist, so haben vollends Arbeitslöhne je nach den wirtschaftlichen und persön- lichen Verhältnissen naturgemäss einen schwankenden Charakter. Vornehmlich aber begegnet die Berechnung schwankender Einnahmen nach dem dreijährigen Durchschnittsertrage von drei zurückliegenden Jahren den erheblichsten Schwie- rigkeiten bei allen Steuerpflichtigen, welche genaue Geschäftsbücher zu führen weder verpflichtet noch gewohnt sind, so insbesondere bei vielen Handwerkern r bei den Inhabern kleinerer Landwirtschaften, bei Händlern und Wirten, bei zahlreichen Hausbesitzern, sowie bei Rentnern, welche Einnahmen aus Aktien und sonstigen nicht eine feste Zinse gewährenden Kapitalanlagen beziehen. Die Steuerbehörde hat bei der überwiegenden Mehrzahl aller Reklamationen, welche schwankende Einnahmen betreffen, noch neuerdings, nachdem die Ein- kommensteuer bereits seit 16 Jahren nach wesentlich gleichen Grundsätzen erhoben worden ist, die Erfahrung gemacht, dass die Angaben, sogar bei Kauf- leuten, namentlich bei Detaillisten, nicht auf Ergebnissen ordnungsmässig ge- führter Bücher, sondern nur auf sehr anfechtbaren Schätzungen der Reklamanten lediglich auf Grund von Notizen über ihre Roheinnahmen beruhen. Ab- und Zugänge an Vorräten und Inventar bleiben in den Aufgaben vielfach unberück- sichtigt; selten sind die massgebenden Jahre richtig angezogen. Wegen des Mangels genügender Angaben über eine Reihe zurückliegender Jahre, welcher selbst nach eingehender Verhandlung mit den Steuerpflichtigen nicht zu heben ist, sieht die Steuerbehörde sich genötigt, vorzuschlagen, dass nach dem Vor- gange von Hamburg und Bremen von der Trennung der festen und schwan- kenden Einnahmen und der Berechnung der letzteren nach dreijährigem Durch- schnitt, als von einem allgemein durchzuführenden Grundsatze abgesehen, und letzterer nur ausnahmsweise für Einnahmen aus solchen Geschäften beibehalten werde, in welchen kaufmännische, den Bestimmungen des Handelsgesetzbuches entsprechende Bücher geführt werden.

2. Unhaltbar erscheinen ferner die bisher gültigen Bestimmungen über die für die Berechnung des der Steuerveranlagung zu Grunde zu legenden Einkommens massgebenden Jahre.

Nach dem § 5a des Gesetzes sollen die festen Einnahmen nach dem- jenigen Betrage besteuert werden, welchen sie im Jahre der Steueraus- schreibung hatten, d.h. nach der höheren Orts gebilligten Deutung in dem Jahre, welches dem Jahre vorausgeht, in dem die Steuer zu entrichten ist (Steuerjahr). Mit diesem Grundsatze ist aber die Bestimmung am Schlüsse des § 13 nicht wohl vereinbar, wonach auch neue, im Laufe des Steuerjahres eingetretene Einnahmeerhöhungen schon in demselben Steuerjahre zur Steuer herangezogen werden dürfen. Danach können selbst für feste Einkommen unter Umständen zwei verschiedene Ertragsjahre massgebend sein. Ander- seits ist der obige Grundsatz durch die Anfangsbestimmung im § 13 in der Weise durchbrochen, dass bei Aenderungen der Einkommensverhältnisse, welche zu Ungunsten des Pflichtigen im Laufe des Steuerjahres eingetreten sind, durch entsprechende Steuerermässigung die Grundlage der Besteuerung, nämlich das thatsächliehe Einkommen des Vorjahres verlassen wird.

Nicht minder bedenklich sind die Unzuträglichkeiten bei Berechnung der sogenannten schwankenden Einnahmen, welche nach dem durchschnittlichen Betrage in den drei Kalenderjahren, die dem Jahre der Steuer ausschreibun g unmittelbar vorangegangen sind, zur Besteuerung herangezogen werden sollen. Hiernach sollen also z. B. für die Veranlagung der im Jahre 1886 zu entrich- tenden Steuer die Erträge der Jahre 1882, 1883 und 1884 massgebend sein. Jene Vorschrift wird indessen sehr häufig missverstanden, indem bei den Rekla- mationen gegen die Veranlagung für 1886 in der Regel die Jahre 1883/85 von den Steuerpflichtigen zum Grunde gelegt wurden, in der Anschauung, dass es unnatürlich sei, das dann bereits abgeschlossene Jahr 1885 ganz unberücksich- tigt zu lassen. Das Miss Verständnis entsteht meist durch den zweideutigen Ausdruck: Jahr der Steuerausschreibung. In Uebereinstimmung mit

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einer höheren Entscheidung hat die Steuerbehörde das Jahr der Steuer- ausschreibung als gleichbedeutend mit dem Jahre erachtet, welches dem Jahre der Steuerentrichtung vorangeht. Da jedoch nach dem bisherigen Geschäfts- gange nur die Aussendung der Deklarationsformulare in das Vorjahr, die Aus- fertigung und Zustellung der Steuerzettel aber in das Jahr fallt, in welchem die Steuer zu entrichten ist, und diese Zustellung nicht mit Unrecht als der Akt der wirklichen Steuerausschreibung von den meisten Steuerpflichtigen auf- gefasst wird, so ist solches Missverständnis wohl erklärlich. Die von der Bür- gerschaft vorgeschlagene gesetzliche Begriffsbestimmung der Ausdrücke: „Jahr der Steuerausschreibung " bezw. „ Steuerjahr u dürfte aus dem angeführten Grunde kaum geeignet sein, Irrtümern bei den Steuerpflichtigen vorzubeugen.

Ü. Zweifelhaft bleibt es endlich, ob die Bestimmungen des jetzt gültigen Gesetzes bezüglich der massgebenden Jahre für die Heranziehung des in den- selben erzielten Einkommens nur für den Betrag bezw. die Berechnung der Einnahmen, oder aber auch für die Frage nach deren Vorhandensein ent- scheidend sein sollen, Hatte z. B. ein Steuerpflichtiger in den Jahren 1882/84 schwankende Einnahmen aus einem Handelsgeschäfte oder gewerblichen Unter- nehmen, gab aber dasselbe im Laufe oder mit dem Ende des Jahres 1885 auf, so sind sowohl bei dem Steuerpflichtigen, wie in den Schätzungskommissionen und in der Steuerbehörde die Ansichten darüber auseinander gegangen, ob, bezw. in wie weit solchen Falls der Durchschnittsertrag aus dem inzwischen aufgegebenen Geschäfte, also aus einer im Jahre 188G nicht mehr vorhandenen Einnahmequelle, während der Jahre 1882/84 bei der Veranlagung für 1886 zu berücksichtigen sei. Fraglich erschien es insbesondere, ob, da die Durchschnitts- berechnung nicht für jede einzelne schwankende Einnahmequelle, sondern für schwankende Einnahmen überhaupt vorgeschrieben ist, die früheren Erträge der in Wegfall gekommenen Einnahmequelle aus dem Geschäfte wenigstens dann noch herbeizuziehen seien, wenn der Steuerpflichtige, abgesehen von der im Jahre 1886 nicht mehr vorhandenen Einnahmequelle, noch andere schwan- kende Einnahmen in dem Jahre 1886 hatte.

Solchen und ähnlichen Unklarheiten kann nach Ansicht der Steuerbehörde, welche die einschlagenden Fragen wiederholt erwogen hat, nur vorgebeugt werden durch die Annahme und Durchführung des Grundsatzes, dass für alle Einnahmen das dem Steuer jähre vorangehende Jahr sowohl bezüglich des Vorhandenseins der Einnahmen, als auch bezüglich deren Berechnung, so- weit nicht in letzterer Beziehung für kaufmännische Geschäfte und gewerbliche Unternehmungen mit geordneter Buchführung eine Modifikation zugelassen ist, der Veranlagung zum Grunde gelegt werde. Damit fallen auch die Ausnahme- bestimmungen in dem bisherigen § 13, welche zur Verwirrung der einschlagen- den Fragen nicht wenig beigetragen haben. Sofern sie aus Billigkeitsrück- sichten für die Steuerpflichtigen, abweichend von den Hamburger und Bremer Vorgängen, hier zur Einführung gelangt sind, erscheinen sie künftighin für die meisten Fälle wesentlicher Minderungen des Einkommens entbehrlich, wenn nach § 5 des Entwurfes der Behörde eine nicht zu eng begrenzte Ermässigungs- befugnis eingeräumt wird. Die einzige, aber auch unvermeidliche Ausnahme würde dann nur bezüglich der im Laufe eines Jahres in die Steuerpflicht P]in- tretenden übrig bleiben, Da für diese Steuerpflichtigen das dem Steuerjahr vorangehende Jahr eine Grundlage nicht zu gewähren vermag, so muss die Einschätzung nach einem mutmasslichen Anschlag erfolgen.

Der in Beratungen der Bürgerschaft wie in der Presse (Lüb. Bl. 1885 S. 549) vertretenen Auffassung, dass die Einkommensverhältnisse an sich nach dem Bestände im Steuerjahre zu bemessen seien, dass daher die Erträge des Vorjahres bei festen, und der drei weiter zurückliegenden Jahre bei schwan- kenden Einnahmen nur als Richtschnur oder Anhalt zu dienen hätten, einer Auffassung, welche in dem bestehenden Gesetze allerdings gewisse Stütz- punkte findet, fehlt es an einer praktischen Verwendbarkeit für eine sichere Steuerveranlagung. Sachlich, wenngleich in anderer Form, trifft der Vorschlag der Steuerbehörde mit der Anschauung der Bürgerschaftskommission (Be-

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rieht 1885 Nr. VI. S. 7/8) zusammen, wonach der Steuerpflichtige in jedem Jahre dasjenige Einkommen zu versteuern hat, welches er im vorhergegangenen Jahre bezog.

Durchführbar aber ist der Vorschlag der Steuerbehörde, das dem Steuer- jahr unmittelbar vorangehende Kalenderjahr zur Grundlage der Einnahme- berechnungen zu machen, natürlich nur dann, wenn die Verwaltungseinrich- tungen so getroffen werden, dass die Steuerangaben (Deklarationen) erst nach Abschluss des massgebenden Jahres eingereicht zu werden brauchen, zugleich aber das Veranlagungsverfahren so beschleunigt wird, dass annoch eine termin- weise Steuerzahlung im Laufe desselben Jahres ermöglicht wird. Wie genaue Erkundigungen ergeben haben, wird dies in Hamburg und in Bremen durch- geführt, und die Steuerbehörde glaubt es auch hier, obwohl unter starker Anspannung der Bureaukräfte, sowie unter der Voraussetzung durchführen zu können, dass die Zahl der Schätzungskommissionen, was auch aus anderen Rücksichten erwünscht ist, vermehrt und die Einzahlungstermine etwas hiriaus- gerückt werden. In ersterer Beziehung behält sich die Steuerbehörde vor, den Entwurf zu einer Abänderung der Verordnung vom 18. Oktober 1869, die Ver- waltung der Einkommensteuer betreffend, vorzulegen; in letzterer Beziehung wird es einer Abänderung des § 16 des Einkommensteuergesetzes bedürfen. Im Verwaltungswege kann dagegen angeordnet werden, dass die Einreichung der Angaben (Deklarationen) seitens derjenigen, welche ihre Einnahmen ledig- lich nach dem Ertrage des Vorjahres angeben sollen, je nach dem Fortgange der Expedition der sogenannten Schätzungsformulare gegen Ende Januar bis Mitte Februar einzureichen haben, während die Inhaber der kaufmännischen Geschäfte, ebenso wie die Vorstände der Aktiengesellschaften, für welche beide Klassen besondere Matrikel einzurichten sind, mit der Einreichung bis zum 1. April, nötigenfalls in besonderen Fällen bis zum 1. Mai zu befristen wären. Konnte bisher die städtische Schätzungskommission, im Dezember beginnend, das Veranlagungsgeschäft so frühzeitig beendigen, dass etwa Ende Februar die Steuerzettel zugestellt wurden, und konnten die vorstädtische Kommission sowie die Kommissionen für die Landbezirke die Veranlagung von Mitte Februar bis Mitte März erledigen, so dürfte es den vermehrten Schätzungskommissionen gelingen, das Geschäft der ersten Veranlagung bis Mitte April zu bewältigen. Unter Heranziehung aller verfügbar zu machenden Bureaukräfte würden dann, zumal wenn den Vorschlägen entsprechend die Zahl der Steuerpflichtigen der ersten Stufe sich mindert, die Steuerzettel für die Stadt vor dem 1. Mai, die- jenigen für die Vorstädte und die Landbezirke vor dem 1. Juni ausgesandt werden können. Danach würden die Hebungstermine für die Stadt etwa auf die Monate Mai- Juli - September und November, diejenigen für die Vorstädte und die Landbezirke, imgleichen für alle Inhaber kaufmännischer Geschäfte sowie für die Aktien- u. s. w. Gesellschaften etwa auf den Juni - August - Ok- tober und Dezember fallen. Solchergestalt lässt sich das ordentliche Hebungs- geschäft nur um einen Monat später als bisher beenden. In Hamburg sowohl wie in Bremen finden nur zwei Hebungstermine statt, welche in die zweite Jahreshälfte verlegt sind. Die angedeutete Verschiebung der Termine dürfte den Wünschen der minder bemittelten Steuerpflichtigen, welche im Winter bei geringerem Verdienste grössere Ausgaben zu bestreiten haben, entgegenkommen. Die aus solcher Zusammendrängung und Beschleunigung namentlich anfangs sich ergebenden Schwierigkeiten und Unbequemlichkeiten werden reichlich auf- gewogen durch den Vorzug einer möglichst nahen Heranrückung der Steuer- verlagung an das für die Angabe und die Berechnung des Einkommens mass- gebende Jahr, welche auch von der Steuerwissenschaft als ein wesentliches Erfordernis einer das wirkliche Einkommen möglichst genau erfassenden Be- steuerung bezeichnet wird.

Zum § 9 (bisher § 6). Dem von der Bürgerschaft beantragten Zusätze, wonach es klargestellt

wird, dass nicht nur die offenen Teilhaber eines Geschäfts, sondern auch die 634

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Lübecker Einkommensteuergesetz. 235

stillen Teilhaber oder Kommanditisten, auch wenn sie nicht hier wohnen, der Steuer unterworfen sind, kann unbedenklich beigetreten werden. Aus dem zweiten Absatze des bisherigen § 6 können die Worte: „indem" bis „steuer- pflichtig sind", weil selbstverständlich, wegfallen. Dagegen empfiehlt es sich, die Vorschrift, dass der hiesige Geschäftsführer für die Steuerzahlung der aus- wärtigen Teilhaber haftet, und zwar mit dem Zusätze als Selbstschuldner, be- stimmter hervortreten zu lassen.

Der § 10 (bisher § 4, Abs. 2) beschränkt den Begriff der Familienmitglieder, deren Einkommen demjenigen des Steuerpflichtigen hinzugerechnet werden soll, auf Ehefrau und Kinder, um zu verhüten, dass nicht durch die Ausdehnung der Vorschrift über die Zusam- menrechnung der besonderen Einkommen auch von Ascendenten, Geschwistern und sonstigen Mitgliedern der Familie im weiteren Sinne, die Steuerpflicht des Haushaltungsvorstandes unbillig erweitert oder gar erst herbeigeführt werde. Die Bestimmung des bisherigen § 8, wonach Minderjährige, deren Separatver- mögen gemeinschaftlich verwaltet wird, hinsichtlich ihres Einkommens geson- dert zu schätzen und zu besteuern sind, hat nicht wieder Aufnahme gefunden. Es wird als selbstverständlich anzusehen sein, dass auch Minderjährige, sofern nicht ausnahmsweise die vorstehende Bestimmung zur Anwendung gelangt, nach der allgemeinen Regel als selbständig steuerpflichtig zu behandeln sind. Der Umstand, dass das Vermögen mehrerer Personen gemeinschaftlich belegt ist oder verwaltet wird, vermag bei Minderjährigen ebenso wenig wie bei anderen Steuerpflichtigen einen Unterschied hinsichtlich der Steuerberechnung zu begründen.

Zum § 11. Der bisherige § 10 enthält nur eine Bestimmung über den Zeitpunkt

der Beendigung der Steuerpflicht, wärend es sowohl im § 10 als sonst im jetzt geltenden Steuergesetze über den Zeitpunkt des Beginnes derselben an einer ausdrücklichen Vorschrift mangelt. Entsprechend der erstgedachten Bestim- mung ist der Zeitpunkt für den Beginn auf den Kalendermonat festgesetzt, der auf den Zeitpunkt folgt, in welchem die Voraussetzungen der Steuerpflicht ein- getreten sind.

Zum § 12. Aus dem bisherigen § 9, welcher den Endpunkt für die Steuerpflicht von

Erbschaftsmassen feststellt, sind die Schlussworte „so dass dieselben (Erben) für den Rest des Jahres nach ihrem Anteil besteuert werden können" in Ueber- einstimmung mit dem Beschlüsse der Bürgerschaft vom 2. November 1885 weg- gelassen, wiewohl nicht aus dem vom Antragsteller hervorgehobenen Grunde, weil unter den Erben auch hier nicht steuerpflichtige Personen sich befinden könnten, sondern weil nach dem im § 8 Abs. 1 des vorliegenden Entwurfs ausgesprochenen Grundsatze der hier steuerpflichtige Erbe oder Vermächtnis- nehmer, und von solchen könnte selbstverständlich nur die Rede sein, lediglich von denjenigen Einnahmen zu steuern hat, welche er in dem dem Steuerjahre vorangehenden Jahre wirklich bezogen hat, nicht aber von solchen, die ihm erst im Steuerjahre selbst aus der verteilten Erbschaftsmasse zugeflossen sind.

Zum § 13. Die Vorschriften über die Ausfüllung und Einreichung der Umfragezettel,

welche das Material zur Aufstellung der Grundlisten aller für die Steuerver- anlagung in Frage kommenden Personen (Matrikel) darbieten sollen, haben bis- her im § 18 gegen den Schluss des Gesetzes Platz gefunden. Der Reihenfolge des Veranlagungsgeschäftes entspricht es, mit den betreffenden Vorschriften die auf das Verfahren bezüglichen Bestimmungen einzuleiten, und darauf diejenigen folgen zu lassen, welche die Angaben der Pflichtigen über ihr zu versteuerndes Einkommen (Steuererklärung, Deklaration) behandeln. Da das Amt Trave-

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münde aufgehoben, und da es zweckmassiger sein kann, mit der Entgegen- nahme der ausgefüllten Umfragezettel aus den Landbezirken andere, als die Vorsitzenden der Gemeindevorstände zu betrauen, so ist entsprechend dem Bürgerschaftsan trage in dem Entwürfe die Rücklieferung an „ Beauftragte tf der Behörde vorgeschrieben.

Zum § 14 (bisher § 11). An die Spitze des die Steuerangaben behandelnden Paragraphen ist,

ähnlich wie nach dem Bürgerschaftsantrage , wiewohl in anderer Fassung , die Vorschrift gestellt, dass der Steuerpflichtige sein gesamtes Einkommen der Steuerbehörde nach bestem Wissen anzugeben hat. Im Anschluss an die Be- stimmung im Abs. 2 des § 4 des Entwurfes, sowie auch zur Vermeidung von Irrtümern zum Nachteile der Steuerpflichtigen ist die Aufgabe auf das etwa steuerfreie Einkommen mit zu erstrecken. Zur Vermeidung unnötiger Be- lästigung des Pflichtigen kann indessen von der Angabe des steuerfreien Ein- kommens abgesehen werden in den Fällen, in welchen nach § 2, 3 ein Ver- brauch von mindestens M. 4000, also unter allen Umständen mit 3°/o zu versteuern ist.

Bisher fehlt es an ausreichenden Bestimmungen über die Vertretung nicht persönlich handlungsfähiger Steuerpflichtiger bezüglich der Steuererklärung. Es empfiehlt sich, die betreifenden Vorschriften nach dem Vorbilde des § 7 im bremischen Gesetze vom 17. Dezember 1874 hier zusammenzustellen.

Als vierter Absatz ist nach dem Vorgange des § 17 in dem Gesetze, die Ermittlung des Nutzungswertes der Grundstücke und Gebäude in der Stadt Lübeck und deren Vorstädte betreffend, vom 8. November 1886, eine Bestim- ung aufgenommen , welche den nicht selten bei Reklamationen vorgebrachten Einwand ausschliessen soll, dass die auf der Steuererklärung eingetragenen und mit dem Namen des Steuerpflichtigen unterschriebenen Angaben nicht von ihm selbst gemacht seien, oder dass er die Unterschrift nicht selbst vollzogen habe, sofern nicht eine Fälschung vom Steuerpflichtigen nachgewiesen wird.

Zum § 15. Die im vorigen Paragraphen nicht berücksichtigten Bestimmungen des

§ 11 des geltenden Gesetzes sind, wiewohl zum Teil in etwas veränderter Reihenfolge und Fassung, im § 15 des Entwurfes zusammengestellt. Die bis- herige in dem Bürgerschaftsan trage neu redigierte Bestimmung, wonach von der Schätzungskommission ohne vorgängige Aufforderung zur Steuererklärung in Konkurs geratene Personen neu eingeschätzt werden können, erscheint ent- behrlich , nachdem durch § 5 des gegenwärtigen Entwurfes der Behörde die Befugnis ausdrücklich eingeräumt ist, eine Ermässigung des Steuerbetrages beim Eintritt besonderer die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen beeinträchtigen- der Umstände zu gewähren.

Dass dem Steuerpflichtigen das Ergebnis der Einschätzung durch Zu- sendung, eines Steuerzettels mitzuteilen sei, wird im Einkommensteuergesetze bisher stillschweigend vorausgesetzt; eine dahin gehende Vorschrift aber wird in dem neuen Gesetze nicht zu entbehren sein,

Abgesehen von der Bestimmung über die allgemeine Ermässigungsbefugnis der Behörde, welche der Entwurf in den § 5 verlegt hat, ist seitens der Bürger- schaft von allen übrigen Vorschriften des bisherigen § 13 nur diejenige auf- recht erhalten, dass Minderungen der festen Einnahmen schon im Laufe des Steuerjahres eine Steuerermässigung zur Folge haben. Aber auch diese Be- stimmung muss angesichts des im § 8 des Entwurfes aufgestellten Grundsatzes, wonach das dem Steuerjahre vorangehende Jahr für die Berechnung sowohl, wie bezüglich des Vorhandenseins des Einkommens allein massgebend sein soll, um so mehr wegfallen, wenn von der Unterscheidung fester und schwankender Einnahmen abgesehen werden soll. Daraus etwa entspringende besondere Härten lassen sich, wie in obigen Erläuterungen zum neuen § 8 näher dargelegt wor- den, durch Anwendung der allgemeinen Ermässigungsbefugnis (§ 5) beseitigen.

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Lübecker Einkommensteuergesetz. 237

Der § 16. umfasst die Bestimmungen des bisherigen § 14 zumeist in der von der Bürger- schaft beantragten Redaktion, mit Ausnahme der Bestimmungen über die Rechtsfolgen von Verletzungen der Anzeigepflicht von Privatpersonen, die ebenso wie die Strafbestimmungen in späteren Paragraphen behandelt werden.

Dagegen hat die Steuerbehörde geglaubt, dass zur Ermöglichung einer durchaus notwendigen Kontrolle der Angaben von Steuerpflichtigen, bezw. einer richtigen Einschätzung die Arbeitgeber zu verpflichten seien, über die von ihnen an Steuerpflichtige gezahlten Gehalte und Löhne, sowie über sonst gewährte Emolumente auf Verlangen Auskunft zu erteilen.

Zum § 17. Die Bestimmungen über den Einspruch (Reklamation) gegen den der

Feststellung des Einkommens von seiten der Schätzungskommissionen entspre- chenden Steueransatz sind in wesentlicher Uebereinstimmung mit dem früheren § 12, unter Annahme mehrerer Anträge der Bürgerschaft, umgearbeitet. Nur dem von der Bürgerschaft unterm 2. November 1885 mit 47 gegen 46 Stimmen beschlossenen Antrage, dass die Behörde dem Reklamanten nur eine Ver- sicherung an Ε ides statt, nicht aber die Beeidigung seiner Angaben, wie bisher, auferlegen dürfe, vermag die Steuerbehörde nicht beizupflichten. Die Anschauung, als ob Verwaltungsbehörden in Lübeck nicht befugt seien, Eide abzunehmen, entbehrt der rechtlichen Begründung. Das Gesetz über die Eidesleistungen vom 9. August 1862, welches bezüglich der Befugnis zur Eides- abnahme in dem Art. 2 von Behörden, und in den Art. 10 und 11 ausdrück- lich von Behörden im Gegensatze gegen die Gerichte redet, ist nicht aufge- hoben, sondern nur, soweit es sich um gerichtliche Eide handelt, durch die Zivilprozess-, bezw. durch die Strafprozessordnung aussei' Wirksamkeit gesetzt. Nach dem Gesetze, betreffend die Strafbefugnisse der Polizei- und Verwal- tungsbehörden u. s. w. vom 16. Juni 1879 § 9 sind eidliche Vernehmungen lediglich bei Feststellung des Thatbestandes im Verwaltungs Strafverfahren ausgeschlossen. Im übrigen werden Eide vor wie nach dem Jahre 1879 von Verwaltungsbehörden, insbesondere vom Stadt- und Landamte, von den Senats- kommissarien im Zwangsenteignungsverfahren, von der Rekursbehörde in Ge- werbesachen, sowie von der Steuerbehörde abgenommen. Die Befugnis der Steuerbehörde, bezw. des Stadt- und Landamtes ist noch neuerdings in dem Nachtrage vom 8. Mai 1882 zu der Verordnung vom 27. Mai 1872, die Veräusse- rungsabgabe betreffend, ausdrücklich anerkannt, indem der Ausdruck „eidliche Versicherung" im Absatz 1 im Gegensatze zur Versicherung an Eidesstatt die Beeidigung umfasst. Auch die Reichsgesetzgebung lässt die eidliche Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen durch Verwaltungsbehörden zu (Gesetz über den Unterstützungswohnsitz vom 6. Juni 1870 § 39, Reichsgewerbe- ordnung in der neuesten Redaktion vom 1. Juli 1883 § 21, 1). Eine prinzipielle Unzulässigkeit der Eidesabnahme durch Verwaltungsbehörden liegt daher auch vom Standpunkte der neueren Gesetzgebung nicht vor, und der Umstand, dass von dem gerichtlichen Eide sehr häufig Gebrauch gemacht wird und werden muss, kann legislatorisch keine Veranlassung dafür sein, die verhältnismässig nicht zahlreichen Eidesleistungen vor den Verwaltungsbehörden zu beseitigen. Die Aufhebung der den letzteren bisher zuständigen Befugnis zu der feierlicheren und mit schweren Rechtsfolgen verknüpften Eidesabnahme müsste bei den Steuerpflichtigen das Gefühl hervorrufen, -dass von seiten der gesetzgebenden Körperschaften auf die Wahrhaftigkeit der Angaben über die Einkommensver- hältnisse ein geringeres Gewicht gelegt werde.

Zum § 18. In Uebereinstimmung mit dem § 26 des Gesetzes vom 8. November 1886,

die Ermittlung des Nutzungswertes der Grundstücke und Gebäude in der Stadt Lübeck und deren Vorstädte betreifend, ist bestimmt, dass gegen Be- scheide der Steuerbehörde, soweit sie die Feststellung des Einkommens

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238 Lübecker Einkommensteuergesetz.

eines Steuerpflichtigen enthalten, unter Ausschluss des Rechtsweges, lediglich die Beschwerde an den Senat zulässig ist. Denn es liegt auf der Hand, das& die eigentlichen Schätzungsgeschäfte, welche im Interesse einer richtigen Ver- anlagung dem aus zahlreichen, im Hinblick auf ihre persönliche Kenntnis der Personen und Verhältnisse gewählten Bürgern bestehenden Schätzungskommis- sionen bezw. in höherer Instanz der ähnlich zusammengesetzten Steuerbehörde übertragen sind, nicht den Gerichten und den Einzelrichtern übertragen wer- den können. Man hat ferner stets Gewicht darauf gelegt, wie das auch im § 4 der Verordnung, betreffend die Verwaltung der Einkommensteuer, vom 18. Oktober 1869 , gesetzlich zum Ausdruck gelangt ist , dass über alles das. was bei den Schätzungsverhandlungen, über den Vermögenszustand, das Ein- kommen, den Erwerb oder den Verbrauch der Steuerpflichtigen von diesen selbst oder von den Mitgliedern der Behörden zur Sprache gebracht wird, ge- heim gehalten werde. Bei der Oeffentlichkeit des Gerichtsverfahrens aber wür- den alle diese Verhandlungen rückhaltlos in die weitesten Kreise gelangen. Es empfiehlt sich daher, die Schätzung des Einkommens ausschliesslich dem Ver- waltungsverfahren vorzubehalten. Dagegen muss bezüglich der Rechtsfragen, welche die subjektive oder die objektive Steuerpflicht, die Anwendung des Tarifs, die Zugrundelegung der richtigen Einkommenperioden , die Haftung Dritter für die Steuerzahlung u. dgl. betreffen, die Möglichkeit des Rechtsweges gewahrt bleiben, wie selbstverständlich gegen alle Strafbescheide der Be- hörde der Antrag auf gerichtliche Entscheidung dem Steuerpflichtigen nach Massgabe der Bestimmungen in den §§ 459 bis 469 der Strafprozessordnung ofíen steht.

In den §§ 19 bis 22 sind die bisher an verschiedenen Stellen zerstreuten Strafbestimmungen, sowie die Vorschriften über Steuernachzahlung und Zinsvergütung zusammengefasst.

Zum § 23. Die Bestimmung, dass die angedrohten Strafen in Fällen von Zuwider-

handlungen von der Steuerbehörde durch Strafbescheide festzusetzen sind, ent- spricht dem bezüglichen Antrage der Bürgerschaft vom 2. November 1885, so- wie dem in der Strafprozessordnung für das Deutsche Reich im § 459 voraus- gesetzten Verfahren. Da dem von der Straffestsetzung Getroffenen der Rekurs an den Senat oder der Antrag auf gerichtliche Entscheidung in Bezug auf Straffestsetzungen der Verwaltungsbehörden freisteht, so empfiehlt es sich im Interesse des Beteiligten, demselben die Möglichkeit zu gewähren, dass die Zu- widerhandlung durch die Verwaltungsbehörde erledigt und nicht gegen seinen Willen an die Oeffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens gebracht werde.

Zum § 24. Am Schlüsse der Erläuterungen zu § 8 des Entwurfes sind die Gründe

dargelegt worden, welche eine Verschiebung der Steuereinzahlungstermine er- forderlich machen. Bei der Neuheit der ins Auge gefassten Beschleunigung der Veranlagungsgeschäfte, und da erst die Erfahrung lehren muss, in welcher Frist die Schätzungskommissionen und das Bureau die Geschäfte bis zur Zu- stellung der Steuerzettel zu erledigen vermögen, dürfte die Bestimmung der Einzahlungstermine hier, ebenso wie in Hamburg und Bremen, der Anordnung der Steuerbehörde zu überlassen sein. Im Interesse der Steuerzahler ist nur an der Gesetzesbestimmung festzuhalten, dass die Entrichtung in vier gleichen Teilbeträgen zu erfolgen habe.

Zum § 25. Der im bisherigen § 17 angeführte Tarif der Exekutionsgebühren ist

durch das Gesetz über die Zwangsvollstreckung im Verwaltungswege vom 16. Oktober 1882 anderweitig geordnet. Da im § 7 des letzteren Gesetzes bereits die Bestimmung getroffen ist, dass der Zwangsvollstreckung in der Regel eine

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Lübecker Einkommensteuergesetz. 239

schriftliche Mahnung mit mindestens dreitägiger Frist vorangehen soll, so er- scheint es zur Vermeidung des Missverständnisses, dass eine zweifache Mah- nung für Einkommensteuerbeträge erforderlich sei, bedenklich, den von der Bürgerschaft beschlossenen Zusatzantrag zum § 17 des geltenden Gesetzes in das neue Gesetz aufzunehmen.

Zu den Vorschriften für die Berechnung des zu versteuernden reinen Einkommens (Anlage A).

Geändert ist zunächst die Ueberschrift. Da die Grundsätze für die Berechnung im § 7 des Gesetzentwurfes niedergelegt sind, so hat der Inhalt der dort in Bezug genommenen Anlage A die Natur und die Bedeutung von Ausführungsvorschriften zu seinen Grundsätzen. Zur Klarstellung diesem Verhältnisses erschien es angemessen, eine entsprechendere Ueberschrift zu wählen.

Zu Nr. 2 und 3. Unter Nr. 2 sind vereinigt die Vorschriften bezüglich der an sich gleich-

artigen Einkommenquellen aus der Benutzung nicht unmittelbar zum landwirt- schaftlichen Betriebe bestimmter Grundstücke und Gebäude, mögen sie nun von dem Besitzer selbst oder von Dritten benutzt werden. Dagegen sind unter 3. neu eingefügt bisher mangelnde Vorschriften über die Berechnung von Ein- nahmen aus der Vermietung beweglicher Gegenstände, ζ. Β. von Lokomo- bilen, Dreschmaschinen u. dgl., ferner von Säcken und Persennigen, von Mo- biliaren u. s. w. Die vorgeschlagenen Bestimmungen sind den Anweisungen- unter Nr. 4 zum bremischen Einkommensteuergesetze von 1873 nachgebildet.

Zu Nr. 4 bis 6. Aussei· durch den Vorgang des bremischen Gesetzes hat sich die Steuer-

behörde auch durch eigene Erfahrungen, welche ergaben, dass bei den von den Steuerpflichtigen aufgestellten Berechnungen häufig die aus den Jahreseinnahmen entnommene Vermehrung der beim Jahresschlüsse vorhandenen Vorräte unbe- rücksichtigt geblieben ist, zu dem Vorschlage veranlasst gesehen, dass auf die Heranziehung des Wertes solcher Vorräte Rücksicht zu nehmen sei.

Zu Nr. 6. Nachdem durch den § 8 des Entwurfes die durchschnittliche Berechnung

des Ertrages dreier Jahre auf diejenigen Handel- und Gewerbetreibenden be- schränkt ist, welche den Bestimmungen der Handelsgesetzbuches entsprechende kaufmännische Bücher zu führen haben , erscheint es nicht nur folgerichtig, sondern auch unbedenklich, die danach ordnungsmässig aufgestellten Jahresab- schlüsse der betreffenden Geschäfte für die Einkommensberechnung zum Grunde zu legen. Damit soll freilich eine Prüfung der Abschlüsse in formeller, wie in materieller Beziehung vorkommenden Falles nicht ausgeschlossen sein, namentlich auch nicht in der Richtung, ob nicht Abzüge oder Abschreibungen stattgefun- den haben, welche über den Rahmen der als abzugsfähig anerkannten hinaus- gehen, z. B. Reserven für künftige Verluste neben der nach Nr. 6, f zulässigen Abschreibung auf zweifelhafte Forderungen, oder ungerechtfertigte Abschrei- bungen vom Werte der Grundstücke u. s. w.

Zu Nr. 7 (früher 8) haben die Zusätze und Verbesserungen des Bürgerschafts-Kommissionsentwurfes Berücksichtigung gefunden.

Entbehrlich, weil lediglich eine Wiederholung der im § 7, unter 1 bis 3 enthaltenen Bestimmung, erscheint die bisherige Anmerkung zu Nr. 2 bis 8.

Zu Nr. 8 (früher Nr. 7 und 9). Durch die von der Bürgerschaft beantragte Einschaltung in die Nr. 10

der Anlage A zum Einkommensteuergesetze soll für die Zukunft eine Meinungs- 639

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240 Lübecker Einkommensteuergesetz.

Verschiedenheit zum Austrag gebracht werden, welche sich unlängst bezüglich der Frage ergeben hat, ob der Gewinn aus der Veräusserung von Grundstücken auch dann, wenn der Verkäufer nicht mit Grundstücken Handel treibt, zur Einkommensteuer heranzuziehen sei? Die Bürgerschaft hat auf Grund des Kommissionsberichtes vom 10. Dezember 1885 geglaubt., diese Frage bei der Revision des Gesetzes ausdrücklich verneinen zu sollen. Die Steuerbehörde kann auch nach erneuter Erwägung nicht umhin, zu empfehlen, dass die Frage in Uebereinstimmung mit der bisherigen durch Staatsentscheidungen wieder- holt gebilligten Uebung im entgegengesetzten Sinne ausdrücklich durch das neue Gesetz geregelt werde.

Es ist davon auszugehen, dass der Gewinn aus dem Verkaufe von Grund- stücken seiner Natur nach keinen anderen Charakter an sich trägt wie andere gelegentliche Geschäfts- oder sonstige Gewinne , welche nach dem bisherigen Gesetze ebenso wie· nach dem bürgerschaftlichen Entwürfe der Einkommen- steuer unterliegen. Bisher ist es nicht bezweifelt worden, . dass der Ertrag ein- zelner gewinnbringender Geschäfte, also z. B. der Gewinn beim Verkaufe von Wertpapieren, Obügationen und Aktien, auch wenn er nicht von einem berufs- mä8sig mit solchen Wertobjekten Handeltreibenden erzielt wird, bei der Fest- stellung des steuerpflichtigen Einkommens unmittelbar zu berücksichtigen sei. Warum Gewinne bei Veräusserung einzelner Grundstücke anders behandelt werden sollen, -dafür fehlt es an einem ausreichenden Grunde. Es ist zwar geltend gemacht, dass die Wertsteigerung eines Grundstückes während der Besitzzeit des Verkäufers in der Regel allmählich eingetreten sei und erst bei der Veräusserung zur Erscheinung gelange; dabei handle es sich um eine bereits vorhanden gewesene und nur in Geld umgesetzte Vermehrung des Ka- pitals, nicht aber um eine Einnahme. Diese Anschauung kann zunächst offen- bar keine Anwendung finden auf Gewinn beim Wiederverkauf eines erst in demselben Jahre erworbenen Grundstückes. Jene Betrachtung würde aber vom Standpunkte der Einkommensteuergesetzgebung nur unter der Voraussetzung Beachtung verdienen, wenn die Grundstückeigentümer die Wertsteigerung in ihren Einkommenerklärungen durch entsprechende Erhöhung des jährlichen Nutzungswertes ihrer Grundstücke zur Erscheinung und steuerlichen Verwertung brächten. Nun ist aber bereits von der Minorität der Bürgerschaftskommission mit Recht (vergl. auch Lübecker Blätter 1885, Nr. 95) hervorgehoben, dass erfahrungsmässig eine solche Berücksichtigung steigernder Grundstückwerte seitens der Besitzer bei den Deklarationen nicht stattfinde, noch auch in Er- mangelung sicherer Anhaltspunkte von ihnen verlangt werden könne.

Ebensowenig wie eine allmähliche Werterhöhung von Wertpapieren in- folge steigenden Kurses, so lange sie im Besitze der Steuerpflichtigen bleiben, ausser für berufsmässig damit Handeltreibende, für welche der Bilanzgewinn zu Grunde gelegt wird, -bei Berechnung des Einkommens Berücksichtigung findet, ebensowenig darf die allmähliche Werterhöhung von Grundstücken bei der Steuereinschätzung herbeigezogen werden. Umsomehr ist es geboten, den bei Grundstücksveräusserung wirklich erzielten Gewinn nicht steuerfrei zu lassen.

Selbst die Majorität der Kommission hat nicht verkannt , dass an und für sich kein Grund vorliege, ein gelegentliches Spekulationsgeschäft mit Grund- stücken hinsichtlich des daraus erzielten Gewinnes anders zu behandeln, als den Gewinn gewerbsmässiger Grundstückhändler, und ebenso, dass bei einem Privatmanne sich selten feststellen lasse, ob er den Grundstückankauf zum Zweck demnächstigen Wiederverkaufs, also als Spekulation, abgeschlossen habe.

Die von der Bürgerschaftskommission durch Bezugnahme auf eine bei- spielweise Berechnung erläuterte Erwägung, dass mit der durch den Grund- stückverkauf erreichten Vermehrung des Kapitalvermögens keineswegs immer eine Vermehrung des Einkommens späterer Jahre für den Steuerpflichtigen verbunden sei , übersieht das sehr wichtige Moment , dass in allen Fällen der gedachten Art an die Stelle einer mit grösseren Gewinn- und Verlustchancen, wie mit unangenehmen Weiterungen verbundenen Kapitalausnutzung durch Anlage in Grundstücken der mühe- und gefahrlose Zinsgenuss eines sicher an-

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Lübecker Einkommensteuergesetz. 241

gelegten Kapitales getreten ist. Wer letzteren vorzieht, darf sich über die damit verbundenen Mindererträge nicht beklagen. Jedenfalls kann die in der Erwägung vorausgesetzte Möglichkeit einer künftigen Einkommens Verminderung dem Gewinne aus dem Verkaufsgeschäfte den Charakter des Einkommens nicht entziehen; sonst müsste er folgerichtig jedem Erwerb aus Kapitalumsatz je nach der demnächstigen Verwendung des Kapitals abgesprochen werden.

Die ferner betonten Schwierigkeiten der Gewinnermittelung bei Grund- stückveräusserungen sind thatsächlich bei der Steuerbehörde bisher nicht be- merklich geworden. Noch immer ist es gelungen, unter billiger Berücksichti- gung aller den Gewinn schmälernden Umstände den Reingewinn festzustellen, über dessen Berechnung noch niemals Beschwerden an die höhere Instanz ge- langt sind. Fälle, in welchen die beim letzten, dem neuesten Verkaufe voran- gehenden Eigentumsübergange gezahlten Preise oder verrechneten Werte sich nicht mehr ermitteln lassen, sind der Behörde nicht bekannt geworden und dürften thatsächlich um so seltener vorkommen, als selbst bei erblicher Ueber- nahme die Grundstücke sowohl in der Stadt wie auf dem Lande neuerdings in der Regel zu bestimmten Wertsummen eingesetzt werden. Liegt somit zu einer ausnahmsweisen Befreiung der Gewinne aus Grundstückveräusserungen eine Veranlassung nicht vor, so entspricht es gerade einer gesunden Steuerpolitik, in Uebereinstimmung mit der hiesigen Uebung, Gewinne aus dem Verkaufe von Grundstücken ebenso wie den Ertrag anderer gewinnbringender Geschäfte mit der Einkommensteuer unmittelbar zu erfassen. Dieser Auffassung sind auch das bremische Einkommensteuergesetz von 1874 und der Nachtrag von 1880 gefolgt.

Wenn unter Nr. 8 der Ertrag auch einzelner gewinnbringender Geschäfte als zum steuerpflichtigen Einkommen gehörig gerechnet werden , so erschien es der Steuerbehörde als eine Forderung der Gerechtigkeit, anderseits auch Kapitalverluste, welche der Steuerpflichtige innerhalb des massgebenden Jahres erlitten hat, für abzugsfähig zu erklären, und ist deshalb ein entsprechender Zusatz nach den ersten beiden Absätzen der Nr. 8 eingefügt.

Nr. 10 stimmt mit dem Bürgerschaftsantrage unter 11 überein.

Ausser den hervorgehobenen Aenderungen hat der Text der bisherigen sogen. Grundsätze mehrfach redaktionelle Verbesserungen erfahren, die einer besonderen Erläuterung nicht bedürfen.

Es erübrigt noch in wenigen Zügen , unter Bezugnahme auf das oben zum § 4 des Entwurfs in betreff der Skala Bemerkte, ein Gesamtbild des vor- aussichtlichen finanziellen Ergebnisses der vorgeschlagenen Revision vorzulegen. Dass dasselbe mit der Wirklichkeit ganz übereinstimmen wird, ist freilich mit Sicherheit nicht anzunehmen. Für die Aufstellung ist zwar die neuere Statistik der Steuerverwaltung und deren Abrechnung für 1885 benutzt. Es beruht jedoch die Zahl der Dienstboten und Gehilfen, welche bei einer Bareinnahme von 80 M. bis 280 M. freie Station zu gemessen haben und demgemäss mit einem Ansätze von 3 M. noch steuerpflichtig bleiben sollen, nur auf Schätzung. Schwer schätzbar ist ferner der Betrag der auf Grund des § 5 zu gewährenden Ermässigungen und der Mehrerlasse an Steuerquoten über das bereits bisher von den Restantensektionen Abgesetzte. Bezüglich des voraussichtlichen Er- trages aus der den Erwerbsgesellschaften und Genossenschaften aufzuerlçgenden Einkommensteuer hat zwar auf Grund des Bestandes und der Abschlüsse der Aktiengesellschaften von 1883, 1884 und 1885 eine neue Aufnahme stattgefun- den, aber Angaben über die Rechnungsergebnisse von eingetragenen Genossen- schaften haben nicht erlangt werden können. Die Berechnung des Steuer- ergebnisses nach der erwähnten neueren Aufnahme hat ein erheblich niedrigeres Resultat ergeben als diejenige der Bürgerschaftskommission (33,000 M.) ; dennoch

Finanzarchiv. VII. Jahrg. 641 16

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242 Lübecker Einkommensteuergesetz.

ist es vielleicht noch zu hoch gegriffen, weil möglicherweise nicht alle zuläs- sigen Abzüge berücksichtigt worden sind. Mögen ferner die Zahlen- und Suminenangaben für die Jetztzeit annähernd zutreffend sein, so fragt es sich, inwieweit sie es noch im Jahre 1888 sein werden, in welchem das neue Gesetz jedenfalls erst in volle Wirksamkeit zu treten vermag.

Ueberdies läset es sich schwer im voraus feststellen, ob und nach welcher Richtung hin manche im Entwürfe vorgeschlagene Aenderungen, wie ζ. Β. die Aufhebung des allgemeinen Unterschiedes der festen und schwankenden Ein- nahmen, die Verschiebung der für die Besteuerung massgebenden Jahre u. s. w. eine Einwirkung auf den Gesamtsteuerertrag aussein werden.

Bei der nachfolgenden Zusammenstellung sind ferner die in dem Prome- moria (Anlage 1 zum Senatsantrage fom 28. Januar 1884, Seite 15/16) berück- sichtigten Mindereinnahmen an Gebühren, sowie der Wegfall von Steuererlassen auf Rückstände aus der ersten Steuerklasse und von Verwaltungskosten aussei* Ansatz gelassen, weü die Voraussetzungen sich. zum Teil geändert, und ins- besondere das Bureau nach den gemachten Vorschlägen zwar auf der einen Seite durch den Wegfall von 4300 Steuerpflichtigen entlastet, anderseits aber auch gegen früher mehr belastet werden wird.

Unter diesen Vorbehalten lässt die Steuerbehörde die nachstehende Zu- sammenstellung des finanziellen Ergebnisses folgen:

Nach der Steuerstatistik für 1885 haben gezahlt in der 1. Stufe (M. 4-600) 9793 Pflichtige à M. 3.60 = M. 35,254.80 Es bleiben noch pflichtig in dieser Stufe 5500 „ à „ 3.- = „ 16,500.-

mithin Erlas s annoch 18,754.80 2. Stufe M. 6- 700 Erlass an 3042 Pflichtige mit M. 3.20 = M. 9,734.40 3. V „ 7- 800 „ „ 1958 „ „ „ 3.- = „ 5,874.- 4. , „ 8- 900 „ „705 „ „ „ 2.50 = „ 1,762.50 5. „ „ 9-1000 „ „895 „ „ „ 2.- = „ 1,790.- 6. „ , 10-1100 „ 234 „ „ „ 1.50 = „ 351.- 7. „ „ 11-1200 „ „748 „ „ „ 1.- = „ 748.- 8. „ „ 12-1300 „ 172 „ „ -.50 = „ 86.-

M. 39,100.70 Dazu Ermässigung infolge zahlreicher Familien M. 3065.04

abzüglich der bisher gewährten „ 805.94 annoch . . M. 2259.10

Mehrerlass auf Grund des § 5 M. 1800.- M 4 05y 10 M. 43,159.80

rund M. 43,000.- Dagegen Mehr ertrag der Einkommensteuer infolge Heran-

ziehung der Erwerbsgesellschaften und Genossenschaften . . . M. 25,500. - Mithin würde verbleiben eine Mindereinnahme von . . . M. 17,500. - Dem gegenüber tritt jedoch die bereits für das Jahr 1887 zur Hebung

gelangende Eisenbahnsteuer, welche mit rund M. 30,000 in das Budget ein- gestellt ist.

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