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Date post: 23-Sep-2020
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© Senatsverwaltung für Finanzen Berlin 2015 Die Steuerkraft der Länder (vor Ausgleich) … 53,3% 53,8% 54,1% 54,1% 65,8% 79,4% 79,4% 87,9% 88,0% 91,8% 95,6% 99,3% 116,8% 121,6% 128,3% 147,6% Thüringen Sachsen Mecklenburg-Vorp. Sachsen-Anhalt Brandenburg Saarland Schleswig-Holstein Niedersachsen Bremen Berlin Rheinland-Pfalz Nordrhein-Westfalen Baden-Württemberg Hessen Bayern Hamburg Januar 2015. Länderdurchschnitt = 100 %. Bundesministerium der Finanzen, vorläufige Abrechnung zur Durchführung des FAG 2013. Graphik 1 Länderdurchschnitt 100% Der Länderfinanzausgleich. Zahlen, Fakten, Behauptungen ein Überblick Der Länderfinanzausgleich ein umstrit- tenes Thema. Worum geht es? Nicht alle Länder sind wirtschaftlich gleich stark. Dafür gibt es oft historische Gründe (z.B. die Nachwirkungen der deutschen Teilung) oder Gründe, die in der Wirtschaftsstruktur liegen (z.B. das Wegbrechen der Montanindustrie). Die Folge: So wie die Wirtschaftskraft streut auch die Steuerkraft der Länder. In Hamburg liegt sie beispielsweise 48 % über dem Länderdurchschnitt, in den neu- en Ländern um annähernd 50 % darunter. Zu den prägenden Elementen des deut- schen Föderalismus gehört jedoch auch die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet. Und die Lebensverhält- nisse werden nun einmal ganz wesentlich davon mitbestimmt, welche Finanzmittel den Ländern und Gemeinden für die Be- reitstellung öffentlicher Leistungen zur Verfügung stehen. Deshalb enthält das Grundgesetz den Auftrag, in einem Fi- nanzausgleich unter den Ländern sicher- zustellen, dass die unterschiedliche Fi- nanzkraft angemessen ausgeglichen wird (Art. 107 GG). Entscheidend ist der Einwohnerbezug: Al- le Berechnungen erfolgen auf der Grund- lage »pro Einwohner« für Geber- wie für Nehmerländer. Denn: jeder Einwohner hat einen gleichen Anspruch auf Daseins- vorsorge. Ein möglicherweise bestehender außerordentlicher Bedarf oder außer-
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Page 1: 'LH6WHXHUNUDIWGHU/lQGHU YRU$XVJOHLFK · am Länderfinanzausgleich übernommen wie 2008. Dagegen muss Hessen seinen aktuellen Einbruch auf 20 % (von zuvor 30 % im Jahre 2008) erst

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Die Steuerkraft der Länder (vor Ausgleich) …

53,3%

53,8%

54,1%

54,1%

65,8%

79,4%

79,4%

87,9%

88,0%

91,8%

95,6%

99,3%

116,8%

121,6%

128,3%

147,6%

Thüringen

Sachsen

Mecklenburg-Vorp.

Sachsen-Anhalt

Brandenburg

Saarland

Schleswig-Holstein

Niedersachsen

Bremen

Berlin

Rheinland-Pfalz

Nordrhein-Westfalen

Baden-Württemberg

Hessen

Bayern

Hamburg

Januar 2015. Länderdurchschnitt = 100 %. Bundesministerium der Finanzen, vorläufige Abrechnung zur Durchführung des FAG 2013.

Graphik 1

Länderdurchschnitt 100%

Der Länderfinanzausgleich. Zahlen, Fakten, Behauptungen – ein Überblick

Der Länderfinanzausgleich – ein umstrit-

tenes Thema. Worum geht es?

Nicht alle Länder sind wirtschaftlich

gleich stark. Dafür gibt es oft historische

Gründe (z.B. die Nachwirkungen der

deutschen Teilung) oder Gründe, die in

der Wirtschaftsstruktur liegen (z.B. das

Wegbrechen der Montanindustrie).

Die Folge: So wie die Wirtschaftskraft

streut auch die Steuerkraft der Länder. In

Hamburg liegt sie beispielsweise 48 %

über dem Länderdurchschnitt, in den neu-

en Ländern um annähernd 50 % darunter.

Zu den prägenden Elementen des deut-

schen Föderalismus gehört jedoch auch

die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse

im Bundesgebiet. Und die Lebensverhält-

nisse werden nun einmal ganz wesentlich

davon mitbestimmt, welche Finanzmittel

den Ländern und Gemeinden für die Be-

reitstellung öffentlicher Leistungen zur

Verfügung stehen. Deshalb enthält das

Grundgesetz den Auftrag, in einem Fi-

nanzausgleich unter den Ländern sicher-

zustellen, dass die unterschiedliche Fi-

nanzkraft angemessen ausgeglichen wird

(Art. 107 GG).

Entscheidend ist der Einwohnerbezug: Al-

le Berechnungen erfolgen auf der Grund-

lage »pro Einwohner« – für Geber- wie

für Nehmerländer. Denn: jeder Einwohner

hat einen gleichen Anspruch auf Daseins-

vorsorge. Ein möglicherweise bestehender

außerordentlicher Bedarf oder außer-

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Januar 2015. Verbleibende Einnahmen im Durchschnitt der Jahre 2012 und 2013 nach LFA und Allgemeine BEZ, ohne Sonderbedarfs-BEZ. Quelle: Schulte, Hubert;

in: Jahrbuch für Öffentliche Finanzen 2014: 381-398.

Verbleibende Einnahmen nach Finanzausgleich 2012/2013 je Einwohner

Graphik 2

3 890

3 874

3 866

3 744

3 614

3 482

Hessen

Baden-Württemberg

Bayern

Nordrhein-Westfalen

Flächenländer West (ohne NRW)

Flächenländer Ost

Geberländer

Empfängerländer

Durchschnitt Flächenländer

ordentliche Belastungen (beispielsweise

aufgrund hoher Arbeitslosigkeit oder einer

anpassungsbedürftigen Infrastruktur) spie-

len im Finanzausgleich keine Rolle.

Sind nach Finanzausgleich alle Länder

gleich?

Nein. Ein finanzschwaches Land bleibt fi-

nanzschwach – auch nach Finanzaus-

gleich.

So, wie umgekehrt ein finanzstarkes Land

finanzstark bleibt. Das garantiert das Fi-

nanzausgleichsgesetz (siehe auch S. 3).

Bayern beispielsweise standen im Jahre

2013 nach Finanzausgleich 2,4 Milliarden

Euro mehr zur Verfügung als bei durch-

schnittlichem Steueraufkommen. Sachsen

hingegen fehlten 600 Millionen Euro am

Durchschnitt.

Der Finanzausgleich bewirkt eine Anglei-

chung der Finanzkraft der Länder, aber –

anders als sein Name besagt – eben keinen

Ausgleich.

Deshalb bestehen trotz Finanzausgleich

immer noch beeindruckende Unterschiede

in der Einnahmenausstattung der Länder

fort.

Die Geberländer verfügen über jährlich

3.874 Euro je Einwohner, das entspricht

104,0 % des Durchschnitts der Flächen-

länder, sie übertreffen den Durchschnitt

um 150 Euro. Der Abstand der drei Ge-

berländer gegenüber den Flächenländern

im Westen (ohne NRW) beläuft sich auf

250 Euro je Einwohner. Gegenüber den

Flächenländern im Osten beträgt der Ab-

stand sogar 390 Euro je Einwohner! Das

ist ein Abstand von 10,5 Prozentpunkten.

Diese Zahlen verdeutlichen den erhebli-

chen Abstand zwischen Ländergruppen

und einzelnen Ländern, der nach allen

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Stufen des Finanzausgleichs verbleibt. Es

erfolgt somit eine (teilweise) Anglei-

chung, aber keinesfalls ein Ausgleich der

Finanzkraft der Länder.

Welche Einnahmen werden im Finanz-

ausgleich berücksichtigt?

Grundsätzlich alle Einnahmen von Län-

dern und Gemeinden. Im Wesentlichen

betrifft das die Steuereinnahmen – wobei

die kommunalen Steuereinnahmen derzeit

nur zu 64 % berücksichtigt werden.

Unberücksichtigt bleiben Einnahmen, die

unerheblich sind, die in allen Ländern in

vergleichbarer Höhe anfallen, die Entgelte

darstellen oder die nur aufwendig zu er-

mitteln wären.

Wie hoch darf der Ausgleich unter den

Ländern sein?

Das Maßstäbegesetz, auf dem der Finanz-

ausgleich beruht, fordert eine hinreichen-

de Annäherung der Finanzkraft der Län-

der. Diese ist nach dem Gesetz dann er-

reicht, wenn die Eigenstaatlichkeit der

Länder und ihre Einbindung in die bun-

desstaatliche Solidargemeinschaft zu-

gleich berücksichtigt sind. Letzthin han-

delt es sich also um einen Abwägungspro-

zess.

Der Ausgestaltung des Finanzausgleichs

für den Zeitraum 2005 bis 2019 haben alle

Länder zugestimmt.

Was darf der Finanzausgleich nicht?

Das Maßstäbegesetz verbietet ausdrück-

lich, dass die Leistungsfähigkeit der Ge-

berländer entscheidend geschwächt wird.

Ebenso ist eine Nivellierung der Finanz-

kraft der Länder ausgeschlossen. Das be-

deutet: Auch nach Finanzausgleich müs-

sen finanzkraftstärkere Länder höhere

Einnahmen aufweisen als der Länder-

durchschnitt – und finanzkraftschwächere

Länder dementsprechend geringere Ein-

nahmen. Der Finanzausgleich darf auch

nicht die Finanzkraftunterschiede zwi-

schen den einzelnen Ländern aufheben.

Und schon gar nicht darf er die Finanz-

kraftreihenfolge unter den Ländern verän-

dern.

Allen diesen Anforderungen wird der ge-

genwärtige Finanzausgleich gerecht.

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1955

1960

1965

1970

1975

1980

1985

1990

1995

2000

2005

2010

2015

2020

2025

Maßstäbegesetz

FAG 1993 , 2005

neue Länder

BVerfG 1999

FAG 1969, 1988

BVerfG 1986

BVerfG 1992

große Finanzreform

BVerfG 1952

FAG 1950 ff, 1955, 58, 65

Januar 2015. FAG = Finanzausgleichsgesetz. BVerfG = Urteile des Bundesverfassungsgerichts zum Länderfinanzausgleich sowie klagende Länder; 2013: Klage

eingereicht.

Der Finanzausgleich in Deutschland

FAG 2020

Württemberg-Baden

Hamburg

Nordrhein-Westfalen

Baden-Württemberg

Bremen

Hessen

Saarland

Hamburg

Hamburg

Bremen

Saarland

Schleswig-Holstein

Baden-Württemberg

Bayern

Hessen

Bremen

Niedersachsen

Schleswig-Holstein

2013

Bayern

Hessen

Graphik 3

Seit wann gibt es den Finanzaus-

gleich?

Seit 1949 – also seit Bestehen der Bundes-

republik.1 In seiner Geschichte ist er er-

staunlich selten substantiell verändert

worden, wesentliche Elemente galten von

Anfang an. 1995 wurden die ostdeutschen

Länder in den Finanzausgleich integriert.

Vier Verfahren wurden bisher vor dem

Bundesverfassungsgericht zum Finanz-

ausgleich geführt. Gleich im ersten Ver-

fahren (1952) stellte das Bundesverfas-

sungsgericht fest: In welcher Intensität der

Finanzausgleich unter den Ländern ausge-

übt wird, sei eine finanzpolitische und

keine verfassungsrechtliche Frage; sie

entziehe sich mithin der Prüfung durch

das Bundesverfassungsgericht.

1 Erstmals geregelt im Gesetz des Wirtschaftsrats zur

vorläufigen Regelung der Kriegsfolgelasten im Rech-

nungsjahr 1949 vom 6. August 1949.

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3,53%

3,39%3,32% 3,32%

2,97% 3,00%2,90%

2,95%3,03%

2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013

Ausgleichsbeträge im Länderfinanzausgleich (LFA) 2005 - 2013

Graphik 4

Januar 2015. In % der Finanzkraft. Quelle: Schulte, Hubert; in: Jahrbuch für Öffentliche Finanzen 2014: 381-398..

Anteil des

Länderfinanzausgleichs

an der Finanzkraft der

Länder

Erwartung aller Länder 2001 für 2005: 3,84%

Durchschnitt 2005 - 2013: 3,14%

Wie groß ist das Umverteilungsvolu-

men unter den Ländern?

Überschaubar. Im Jahre 2013 belief sich

das Volumen des Finanzausgleichs auf

8,5 Milliarden Euro. Bezogen auf die ge-

samten Steuereinnahmen von Ländern und

Gemeinden (328,5 Milliarden Euro) wa-

ren das gerade 2 ½ %, von der Finanzkraft

der Länder waren es nur 3 % und machen

im langfristigen Durchschnitt lediglich

0,3 % des Bruttoinlandprodukts aus.

Das ist deutlich weniger als das, was 2001

bei Zustimmung aller Länder zum seit

2005 geltenden Länderfinanzausgleich

erwartet worden war.

Fazit: Das Volumen des Länderfinanzaus-

gleichs erreichte in keinem Jahr den ge-

meinsam erwarteten Anteil von 3,84 % an

der Finanzkraft der Länder.

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Januar 2015. Millionen Euro. Bundesministerium der Finanzen.

6 92

0

7 49

0

8 27

3

7 56

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0

6 80

5

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7 32

2

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7

8 26

3

6 84

8

7 03

9

7 32

4

7 89

1

8 45

9

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013

Das Volumen des Finanzausgleichs 1998 bis 2013

Graphik 5

Hat das Volumen des Finanzaus-

gleichs zugenommen?

Nein. In den zurückliegenden 16 Jahren

bewegte sich das Volumen des Finanz-

ausgleichs in einem Korridor zwischen 6,6

und knapp 8,5 Milliarden Euro. Der nie-

drigste Wert wurde 2003 realisiert, die

beiden höchsten in den Jahren 2000 und

2013.

Im Jahre 2000 lag das Volumen des Fi-

nanzausgleichs bezogen auf die Steuer-

einnahmen von Ländern und Gemeinden

bei 3,7 %, im Jahre 2003 bei 3,2 %, 2008

bei 3,0 % und 2013 bei 2,8 %.

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Wer sind die Geberländer, wer die

Nehmerländer?

Im Jahre 2013 gab es drei Geberländer:

Bayern, Baden-Württemberg und Hessen.

Ihnen standen dreizehn Nehmerländer ge-

genüber. Einige der Nehmerländer nah-

men jedoch, gerechnet je Einwohner, nur

vergleichsweise kleine Beträge in An-

spruch, weil sie sich in der Nähe der

durchschnittlichen Finanzkraft der Länder

bewegten (Hamburg, Nordrhein-

Westfalen und Niedersachsen). Hamburg

übrigens wechselte in der Vergangenheit

öfter vom Geber- zum Nehmerland und

zurück. In 2014 ist es (wieder) Geberland.

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g l o b a l e F i n a n z k r i s e

Anteile der Geberländer am Finanzausgleich

35%

49%

51%

30%

22% 29

%

30% 27

% 20%

5%

2008 2009 2013*

Januar 2015. Bundesministerium der Finanzen, eigene Berechnungen *) vorläufige Abrechnung zur Durchführung des FAG 2013.

Hamburg

Hessen

Baden-Württemberg

Bayern

Graphik 7

Warum zahlt Bayern gegenwärtig die

Hälfte des Finanzausgleichs?

Das hat vor allem etwas mit der globalen

Finanz- und Wirtschaftskrise zu tun, die

sich ab dem Jahre 2009 in den öffentli-

chen Haushalten niederschlug. In den Jah-

ren 2005 bis 2008 lag der bayerische An-

teil am Finanzausgleich bei etwa 30 %. Im

Jahre 2009 stieg er dann sprunghaft auf

knapp 50 % an (während gleichzeitig das

Volumen des Finanzausgleichs von 8,2

auf 6,8 Milliarden Euro fiel).

Bayern kam eben besser durch die Krise

als die beiden anderen Geberländer. An-

fangs knickte Baden-Württemberg deut-

lich ein, dann Hessen.

Inzwischen hat sich Baden-Württemberg

aber wirtschaftlich wieder erholt und 2013

mit 29 % einen fast gleich hohen Anteil

am Länderfinanzausgleich übernommen

wie 2008. Dagegen muss Hessen seinen

aktuellen Einbruch auf 20 % (von zuvor

30 % im Jahre 2008) erst noch überwin-

den.

Schon ist aber absehbar, dass der bayeri-

sche Anteil am Länderfinanzausgleich

wieder zurückgehen wird – sobald Hessen

zu alter Finanzkraft zurückfindet.

So wie gerade Baden-Württemberg.

Nicht eine zunehmende Schwäche der

Nehmerländer ist also ursächlich für die

bayerischen Belastungen, sondern unglei-

che Krisenauswirkungen im Kreise der

Geberländer.

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Anteile der einzelnen Geberländer am Finanzausgleich

21%

35%

26%

30%

25%

30%23

%5% 5%

1998 2008

Januar 2015. Bundesministerium der Finanzen, eigene Berechnungen

Nordrhein-Westfalen

Hessen

Baden-Württemberg

Bayern

Hamburg

Graphik 8

Wird die Zahl der Geberländer immer

kleiner?

Mit finanziell bedeutsamen Beiträgen zum

Gesamtvolumen des Finanzausgleichs wa-

ren seit 1995 (dem Zeitpunkt des Einbe-

zugs der ostdeutschen Länder in den Fi-

nanzausgleich) vier Länder beteiligt: Ba-

den-Württemberg, Bayern, Hessen und

Nordrhein-Westfalen. 1998 trug jedes die-

ser Länder rund ein Viertel zum Länderfi-

nanzausgleich bei. In den folgenden zehn

Jahren fiel jedoch der Anteil Nordrhein-

Westfalens auf null. Mit der Folge, dass

sich 2008 drei Länder (Baden-Württem-

berg, Bayern und Hessen) die Lasten im

Finanzausgleich teilten – zu jeweils etwa

einem Drittel. (Hamburg war sowohl 1998

als auch 2008 mit jeweils rd. 5 % betei-

ligt.)

Bei der Zahl von drei großen Geberlän-

dern wird es auch weiterhin bleiben. Kei-

nes dieser drei Länder wird aus dem Kreis

der Geberländer ausscheiden. Und sobald

Hessen zu alter Finanzkraft zurückgefun-

den hat, werden die Beiträge zum Finanz-

ausgleich auch wieder gleichmäßig auf al-

le drei Länder verteilt sein (siehe auch

S. 8).

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Der Länderfinanzausgleich nach Einwohnern

Januar 2015. Millionen Einwohner. Nehmerländer ohne Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Niedersachsen. Einwohner per 30. Juni 2013.

Graphik 9

Auf die Zahl der Geberländer kommt es

jedoch gar nicht an. Das ist und bleibt eine

Milchmädchenrechnung, denn die Länder

sind bekanntlich unterschiedlich groß.

Im Finanzausgleich spielen zwei Größen

eine Rolle: die Zahl der Einwohner – und

der Abstand der eigenen Finanzkraft je

Einwohner zu der des Länderdurch-

schnitts.

Was aber zeigt der Vergleich der Einwoh-

nerzahlen zwischen Geber- und Nehmer-

ländern?

Lässt man die Länder Hamburg, das mal

Geber-, mal Nehmerland ist, sowie Nie-

dersachsen und Nordrhein-Westfalen –

deren Finanzkraft gewöhnlich in unmittel-

barer Nähe des Länderdurchschnitts liegt

– einmal unberücksichtigt, dann zeigt

sich: Die Einwohnerzahlen in Geber- und

in Nehmerländern sind annähernd gleich

verteilt: Drei große Geberländer mit zu-

sammen 29 Millionen Einwohnern unter-

stützen elf kleine Nehmerländer mit ins-

gesamt 26 Millionen Einwohnern.

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So wird der Finanzausgleich abgewickelt …

Bundesanteil

an der

Umsatzsteuer

53,4%

Landesanteil

an der

Umsatzsteuer

44,6%

Bundesanteil

20,5%

Landesanteil

77,5%

Landesanteil

27,0%

Bundesanteil

71,0%N

orm

alfa

ll

Bei

spie

lsfa

ll G

eber

land

Bei

spie

lsfa

ll N

ehm

erla

nd

Januar 2015.

Graphik 10

Welchen Betrag zahlt Bayern an Ber-

lin?

Gar keinen. Im Finanzausgleich fließen –

anders, als man es vielleicht erwarten

würde – überhaupt keine Zahlungen von

einem Land an ein anderes. Die Verrech-

nung erfolgt vielmehr über die technische

Verteilung des Umsatzsteueraufkommens,

allein durch Absenkung oder Erhöhung

des Bundesanteils.

Ein Land mit länderdurchschnittlicher Fi-

nanzkraft führt (nach Abzug des Gemein-

deanteils von 2 %) 53,4 % des örtlichen

Aufkommens an den Bund ab; 44,6 % be-

hält es selbst.

Im Falle eines Geberlandes steigt der An-

teil des Bundes (im Beispiel auf 71,0 %;

das Land behält damit nur 27,0 % als sei-

nen Eigenanteil an der Umsatzsteuer).

Im Falle eines Nehmerlandes ist es umge-

kehrt: Der Bundesanteil sinkt (im Beispiel

auf 20,5 %; der Landesanteil am örtlichen

Aufkommen der Umsatzsteuer steigt auf

77,5 %). Wobei auch der Fall auftreten

kann, dass der Bund überhaupt keine Ab-

führungen aus einem Land erhält, sondern

seinerseits zusätzliche Abschläge zahlt.

Die Verteilung erfolgt in einem vorläufi-

gen Verfahren, das durch quartalsweise

Abrechnungen und eine Endabrechnung

ergänzt wird.

Oberster Sachwalter des Finanzausgleichs

ist also der Bund – sowohl hinsichtlich der

gesetzlichen Regelung (Maßstäbegesetz,

Finanzausgleichsgesetz) als auch hinsicht-

lich der praktischen Durchführung (Clea-

ring-Verfahren). Die Finanzministerien

und die Rechnungshöfe aller sechzehn

Länder begleiten und überprüfen das Ver-

fahren laufend.

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Grenzbelastungen der drei großen Geberländer 2005 bis 2012

13 885

10 414

5 0643 383 3 222

-1 670

- 459

279

- 70

867

Bayern Baden-Württemberg Hessen Rheinland-Pfalz Berlin

Zuwachs Steueraufkommen Veränderungen Beiträge LFA

Januar 2015. Millionen Euro. Summe der Jahre 2005 bis 2012. Schulte, Hubert, in: Jahrbuch für Öffentliche Finanzen 2013: 387-405, eigene Berechnungen.

Zum Vergleich

Graphik 11

Was hat ein Geberland von eigenen

Anstrengungen?

Ein gängiges Vorurteil lautet: Von zusätz-

lichen Einnahmen habe ein Geberland

(fast) nichts. Der Finanzausgleich kassiere

weitgehend alles ab.

Überraschend, wie sich dieses Vorurteil

hält. Denn schon das Maßstäbegesetz,

auf dem der Finanzausgleich beruht,

verbietet genau dieses.

Und so sehen die Tatsachen aus: Bayern

hat von 2005 bis 2012 ein Steuermehr-

aufkommen von 13,89 Mrd Euro, davon

hat es nur 12,0 % abgegeben. Baden-

Württemberg hat von 10,41 Mrd Euro

Mehraufkommen lediglich 4,4 % abge-

geben. Bei Hessen erfolgte im Ergebnis

überhaupt keine Abschöpfung des

Mehraufkommens, im Gegenteil: die

Beiträge im Finanzausgleich verringer-

ten sich sogar. Die Steuereinnahmen

wuchsen in Hessen von 2005 bis 2012

um 5,1 Mrd Euro, gleichzeitig wurde

Hessen um 279 Mio Euro im Finanzaus-

gleich entlastet. Dieses Beispiel zeigt,

wie der Finanzausgleich auch Geberlän-

der gegen eine mögliche Überlastung

schützt: Zu den 5,1 Milliarden Euro

Steuermehreinnahmen 2005 bis 2012 ka-

men noch 279 Millionen Euro Entlastung

bei Finanzausgleich, die dem Land zur Fi-

nanzierung des Haushalts zusätzlich zur

Verfügung standen.

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Bonus in Höhe von

12 % für Länder mit besonders

hohem Steuerwachstum

Anreizelemente des Finanzausgleichs

Begrenzung der

durchschnittlichen Abschöpfung

auf 72,5% der Überschüsse

Von jeder Steuermehreinnahme

verbleibt dem Land auch nach

Finanzausgleich ein

Eigenbehalt. Bei den

Kommunalsteuern ist dieser

besonders hoch, da 36 % nicht

in den Finanzausgleich

einbezogen sind.

Deckelung Eigenbehalt Prämie

Januar 2015.

Graphik 12

Eigenbehalt, Prämie, Deckelung –

Maßnahmen zur Stärkung des Eigenin-

teresses, Verhinderung übermäßiger

Belastungen

Die vorangehende Seite hat bereits ge-

zeigt: Der Finanzausgleich belässt den

Geberländern große Teile ihrer Steuer-

mehreinnahmen. Den Vorwurf, der Fi-

nanzausgleich habe nur unzureichende

Anreizwirkungen, wird man bei einem tat-

sächlichen Eigenbehalt zwischen 75 und

90 % nicht wirklich aufrechterhalten kön-

nen.

Darüber hinaus werden aber auch über-

durchschnittliche Steuerzuwächse mit ei-

ner Prämie belohnt; hier sieht das Finanz-

ausgleichsgesetz einen Bonus in Höhe von

12 % vor – unabhängig davon, ob es sich

um ein Nehmer- oder ein Geberland han-

delt.

Übrigens: Die höchste Prämie je Einwoh-

ner hatte bisher Berlin (2010).

Schließlich werden auch die Geberländer

noch einmal zusätzlich gegen eine zu hohe

Abschöpfung ihrer Finanzkraft geschützt:

Eine Deckelung der Abschöpfung auf

72,5 % der Überschüsse verhindert wirk-

sam eine übermäßige Inanspruchnahme.

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Januar 2015. Millionen Euro.

Bayerische Ausgleichsleistungen 2013

Bayern

4 320

sieben

Umsatzsteuerpunkte

(rd. zwei Milliarden Euro)

Graphik 13

Kann das denn gerecht sein? Bayern

hat mehr in den Finanzausgleich ein-

gezahlt als erhalten.

Um dies gleich klarzustellen: Der Finanz-

ausgleich ist keine Pensionskasse, in die

man einzahlt, um eines Tages einen schö-

nen Batzen Geld zurückzubekommen.

Vielmehr: Ein Land trägt dann zum Fi-

nanzausgleich bei, wenn die Finanzkraft je

Einwohner über dem Länderdurchschnitt

liegt. Das kann je nach Gegebenheiten

auch dauerhaft sein. Hessen und Baden-

Württemberg haben seit Bestehen der

Bundesrepublik nie etwas aus dem Fi-

nanzausgleich erhalten.

Nicht vergessen sollte man auch: Bayern

zahlte im Jahre 2013 zwar 4,2 Milliarden

Euro in den Finanzausgleich ein; aber da-

von stammte gut die Hälfte aus sieben

Umsatzsteuerpunkten, die der Bund 1995

den Ländern für die Durchführung des Fi-

nanzausgleichs überlassen hatte. Die tat-

sächliche »Belastung« des bayerischen

Landeshaushalts ist also gerade mal halb

so groß wie es den Anschein hat.

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Aber Berlin erhält doch den größten

Teil des Finanzausgleichs?

Ein beliebter Vorwurf gegen den Finanz-

ausgleich ist, dass vor allem Berlin »profi-

tiere« – denn die Hälfte des Ausgleichsvo-

lumens fließt derzeit an Berlin.

Nur: Die Ausgleichsleistungen, die Berlin

erhält, bemessen sich wie bei allen ande-

ren Nehmerländern nach der Einwohner-

zahl und dem Abstand zur länderdurch-

schnittlichen Finanzkraft. Für die Stadt-

staaten (und einige schwachbesiedelte

Flächenländer) kommt noch die besondere

Einwohnerwertung dazu. Darüber hinaus-

gehende Ausgleichselemente gibt es im

Finanzausgleich nicht.

So werden etwa die Hauptstadtfunktionen

Berlins über direkte Leistungen des Bun-

des ausgeglichen, die im Hauptstadtfinan-

zierungsvertrag festgelegt sind. Der Fi-

nanzausgleich hat damit nichts zu tun,

ebenso wenig wie mit den Belastungen

aus der ehemaligen deutschen Teilung; für

diese gibt es die Sonderbedarfs-Bundes-

ergänzungszuweisungen (SoBEZ).

In der aktuellen politischen Auseinander-

setzung um den neu zu regelnden bundes-

staatlichen Finanzausgleich taucht mit ei-

niger Beharrlichkeit der (interessengelei-

tete) Vorschlag auf, Berlin aus dem hori-

zontalen Länderfinanzausgleich (LFA)

herauszunehmen und durch den Bund di-

rekt zu finanzieren. Diese Forderung ist

aus mehreren Gründen strikt zurückzu-

weisen:

Eine Bundesfinanzierung für Berlin an

Stelle seines Einbezugs in den horizonta-

len LFA lässt sich weder mit den Haupt-

stadtaufgaben, dem Umfang der LFA-

Zuweisungen an Berlin noch den Wirkun-

gen der Einwohnerwertung begründen.

Die Hauptstadtfunktion spielt wie bereits

dargelegt keinerlei Rolle im LFA. Der

Umfang der LFA-Zuweisungen an Berlin

ist weder absolut noch pro Kopf im Ver-

gleich zu den ostdeutschen Flächenlän-

dern außergewöhnlich hoch, wenn beide

horizontalen Umverteilungsstufen (Um-

satzsteuerausgleich und Länderfinanzaus-

gleich) gemeinsam betrachtet werden (und

sachgerechter Weise für Berlin die gewer-

tete Einwohnerzahl verwendet wird).

Nur wenige wissen, dass Sachsen (bei

ähnlicher Einwohnerzahl) zusammenge-

nommen absolut und relativ mehr Geld

erhält als Berlin. Nur fließt das Geld dort

nicht hauptsächlich im Wege des Finanz-

ausgleichs, sondern über den vorgelager-

ten Umsatzsteuerausgleich. Umsatzsteuer-

ausgleich und Länderfinanzausgleich wir-

ken beide umverteilend, sind beide im Fi-

nanzausgleichsgesetz geregelt, nutzen so-

gar den gleichen Verteilungsweg über die

Variation des Bundesanteils an der Um-

satzsteuer (siehe oben, S. 11).

Allerdings: Die Zahlen für den Länderfi-

nanzausgleich, bei denen Berlin exponiert

dasteht, werden kontrovers diskutiert. Die

Zahlen für den Umsatzsteuerausgleich da-

gegen kennen bislang vor allem Fachleute.

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Horizontale Umverteilung 2013 - Vergleich Berlin und Flächenländer Ost

3 268 3 350

1 860

1 4781 384

1 822

713829 827 842 867 842

Berlin Sachsen Sachsen-Anhalt Brandenburg Mecklenbg.-Vorp. Thüringen

Horizontale Umverteilung absolut Horizontale Umverteilung pro Kopf

Januar 2015. Summe aus LFA und Umsatzsteuerausgleich. Pro-Kopf-Wert für Berlin auf Basis Einwohnerwertung. Quelle: Schulte, Hubert in: Wirtschaftsdienst

10/2014. Graphik 14

Die besondere Einwohnerwertung für Ber-

lin ist verfassungsgerichtlich bestätigt

worden (s. unten). Sie ist aufgrund der

unverfügbar vorgegebenen strukturellen

Eigenart der Stadtstaaten (Ballungszentren

ohne Umland), die zu einem im Vergleich

zu Flächenländern höheren (abstrakten)

Finanzbedarf pro Kopf führt, geboten. Die

besondere Einwohnerwertung verhindert

im Falle des finanzkraftstarken Hamburg

eine Überabschöpfung, im Falle der fi-

nanzkraftschwachen Länder Berlin und

Bremen eine unzureichende Auffüllung

der Finanzkraft im LFA.

Auch aus der relativen Wirtschafts- und

Finanzkraft Berlins lässt sich keine Son-

derstellung gegenüber den neuen Ländern

herleiten. Berlin liegt bei den einschlägi-

gen Indikatoren (z.B. BIP und Steuerauf-

kommen je Einwohner) sogar vor den ost-

deutschen Flächenländern, aber immer

noch deutlich unter dem Durchschnitt der

westdeutschen Flächenländer. Gesamt-

staatlich ist die Forderung nach einer Son-

derregelung anachronistisch, weil Bun-

deszuweisungen für Berlin statt Einbezie-

hung in den Länderfinanzausgleich ein

Schritt zurück in den Status vor der deut-

schen Einheit wären. Berlin verlöre damit

erheblich an Autonomie im bundesstaatli-

chen Gefüge, was auch die Länderge-

samtheit schwächen würde.

Die Sonderregelung wäre zudem finanz-

verfassungsrechtlich nicht zulässig; einer

Verfassungsänderung selbst sind durch

Artikel 79 Grundgesetz sehr enge Grenzen

gesetzt.

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Die besondere Einwohnerwertung.

Es gibt zwei Formen von besonderen

Einwohnerwertungen im Finanzausgleich

– die für schwachbesiedelte Länder

(Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg

und Sachsen-Anhalt) und die für Stadt-

staaten (Hamburg, Bremen und Berlin).

Die erstgenannte gibt es erst seit 2005, die

zweite in dieser Form seit 1958 (mit weit

zurückliegenden historischen Vorläufern).

Beide Wertungen bewirken, dass die je-

weiligen Länder mit einem stärkeren Ge-

wicht in die Berechnung des Finanzaus-

gleichs eingehen.

Dies ist auch so gewollt. Dünnbesiedelte

Länder haben einen größeren Aufwand

bei der Infrastruktur, Stadtstaaten stellen

regelmäßig Leistungen nicht nur für das

Umland, sondern auch weit entfernte Re-

gionen bereit.2 Hinzu kommen ballungs-

bedingte Mehrausgaben.

Die Berücksichtigung historisch gewach-

sener, struktureller Eigenarten der Stadt-

2 Ein Beispiel: Von den 100 000 Studenten an Berliner

Universitäten kommen nur 37 % aus Berlin selbst; 13 %

stammen aus Bayern, Baden-Württemberg und Hessen.

16 % kommen aus dem Ausland (jeweils auf der Basis

des Erwerbs der Hochschulzugangsberechtigung; WS

2011/2012).

staaten durch eine besondere Einwohner-

wertung hat das Bundesverfassungsgericht

wiederholt als zulässig bestätigt. Es han-

dele sich hierbei nicht um die Einstellung

von Sonderbedarfen dieser Länder in die

Berechnung des Finanzausgleichs, son-

dern um die Folge einer spezifischen

Problematik des deutschen Bundesstaates.

Das Bestehen von Stadtstaaten gehöre

zum historischen Bestand der deutschen

Staatsentwicklung seit dem 19. Jahrhun-

dert; es sei sachgerecht, diese Andersar-

tigkeit der Stadtstaaten gegenüber den

Flächenstaaten im Länderfinanzausgleich

zu berücksichtigen. Die Andersartigkeit

der Stadtstaaten betreffe nicht etwa nur

deren Nachbarländer, sondern alle Glieder

des Bundes.

Umfang und Höhe dieser Berücksichti-

gung dürften allerdings vom Gesetzgeber

nicht frei gegriffen werden, sondern müss-

ten sich nach Maßgabe verlässlicher, ob-

jektivierbarer Indikatoren als angemessen

erweisen – verglichen etwa mit der Wer-

tung der Einwohner einer Durchschnitts-

gemeinde.

Soweit das Bundesverfassungsgericht.

Die besondere Einwohnerwertung ist

letztmalig im Jahre 2001 (im Vorfeld der

Festlegungen für den Finanzausgleich

2005 bis 2019) im Auftrag des Bundesmi-

nisteriums der Finanzen vom Bundesinsti-

tut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

(BBSR) überprüft worden. Bayern und

Hessen haben den Ergebnissen seinerzeit

zugestimmt.

Interessant ist in diesem Zusammenhang,

dass auch im kommunalen Finanzaus-

gleich die Städte regelmäßig nach Ge-

meindegrößenklassen behandelt werden

und ebenfalls eine besondere Einwohner-

wertung erhalten. Für die Landeshaupt-

stadt München betrug sie im Jahre 2012

beispielsweise gut 190 %.

Begründet wird diese Einwohnergewich-

tung von der bayerischen Staatsregierung

völlig zu Recht damit, dass »die Gemein-

den mit zunehmender Größe mehr Aufga-

ben, unter anderem auch für das Umland,

erbringen (etwa Ausbildung, Kultur, Ver-

kehrsnetz) und auch die Aufgabenerfül-

lung in einigen Bereichen kostspieliger

wird (etwa im sozialen Bereich).«3

3 Bayerisches Staatsministerium der Finanzen, »Der

kommunale Finanzausgleich in Bayern«, Ausgabe Mai

2012, S. 38

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Die armen Länder leisten sich Dinge,

von denen andere nur träumen kön-

nen!

In aller Klarheit: Der Ausgleich unter den

Ländern füllt lediglich die Einnahmen

steuerschwacher Länder auf. Teilweise.

Ein finanzschwaches Land bleibt finanz-

schwach, auch nach Finanzausgleich. Wie

hoch der Bedarf ist, wofür das Geld aus-

gegeben wird – auf beides nimmt der Fi-

nanzausgleich keine Rücksicht. Wer sich

etwas Besonderes leistet, bekommt dafür

kein Geld von den anderen Ländern.

Die Ausgleichsleistungen sind allein ein-

nahmenorientiert, dienen der Angleichung

der unterschiedlichen Finanzkraft. Sie

sind daher nicht zweckgebunden und ste-

hen zur Deckung des allgemeinen Finanz-

bedarfs zur Verfügung.

Mit anderen Worten: Jedes Land ist frei,

seine Einnahmen nach eigenen Prioritäten

auszugeben – auch die aus dem Finanz-

ausgleich. Wie – das entscheidet der Lan-

desgesetzgeber, also das Parlament, auf

Vorschlag der Landesregierung.

Und das heißt zugleich auch: Jedes Land

muss mit den Einnahmen auskommen, die

ihm zur Verfügung stehen. Sobald die

Schuldenbremse – für die Länder ab 2020

– definitiv wirkt, gibt es ohnehin keinen

Ausweg mehr in die Neuverschuldung.

Mehr als das, was in der Kasse ist, kann

nicht ausgegeben werden.

Das gilt für alle Länder in gleicher Weise.

Und das heißt: Wer seiner Bevölkerung

etwa gute Schulen und unentgeltliche

Kitas anbietet, muss sich deshalb an ande-

rer Stelle einschränken. Zum Beispiel

beim Straßenausbau oder auch bei der Be-

amtenbesoldung.

Übrigens: Schon 1952 war von den sei-

nerzeit klagenden Ländern vorgetragen

worden, der Finanzausgleich prüfe nicht,

ob die Nehmerländer ihre Steuern sorg-

sam einzögen und ihre Ausgaben sparsam

bewirtschafteten. Das Bundesverfas-

sungsgericht hat diesen Vorwurf seinerzeit

als unberechtigt zurückgewiesen.

Wer aber sorgt dafür, dass die Länder

ihre Haushalte in Ordnung bringen?

Mit der Föderalismusreform II, die 2009

in Kraft trat, wurde ein abgestimmter Ka-

talog finanzpolitischer Instrumente einge-

führt – Zielrichtung: eine sichere Umset-

zung der Haushaltskonsolidierung, die

Vermeidung weiterer Haushaltsnotlagen

durch übermäßige Verschuldung und die

Einhaltung der Schuldenbremse, die den

Ländern (von Ausnahmefällen abgesehen)

ab 2020 eine Neuverschuldung verbietet.

― Dem neu eingeführten Stabilitätsrat

obliegt die laufende Haushaltsüber-

wachung von Bund und Ländern.

― Die Länder berichten dem Stabilitäts-

rat jährlich über die Entwicklung be-

stimmter Haushaltskennziffern zur

aktuellen Haushaltslage, über die

Einhaltung der Kreditaufnahmegren-

zen sowie die voraussichtliche Ent-

wicklung bei Zugrundelegung stan-

dardisierter Annahmen (Standardpro-

jektion).

― Bei Überschreiten bestimmter

Schwellenwerte leitet der Stabilitäts-

rat eine Prüfung ein, ob der betreffen-

den Gebietskörperschaft eine Haus-

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Sanierungsverfahren nach § 5 Stabilitätsratsgesetz

Januar 2015. *) sowie Wirtschaftsminister des Bundes.

StabilitätsratFinanzminister von Bund

und Ländern *)

Überwachung der

Haushaltswirtschaft

HaushaltskennziffernFinanzierungssaldo,

Kreditaufnahme,

Schuldenstand,

Zins-Steuer-Relation

Standardprojektion

Sanierungsvereinbarung mit

dem Stabilitätsrat

Abbau der Nettokreditaufnahme

Benennung der erforderlichen Maßnahmen

regelmäßige Berichterstattung

2 012

1 810

1 609

1 408

1 207

1 006

805

604

402

201

0

Feststellung einer

drohenden

Haushaltsnotlage

Evaluation

Überschreitung von

Schwellenwerten

20202010

Stabilitätsberichtejährlich

Graphik 15

haltsnotlage droht. Gleiches gilt,

wenn die Standardprojektion keine

zufriedenstellenden Ergebnisse zeigt.

― Stellt der Stabilitätsrat eine drohende

Haushaltsnotlage fest, vereinbart er

mit der betreffenden Gebietskörper-

schaft ein in der Regel fünfjähriges

Sanierungsprogramm. Dieses Sanie-

rungsprogramm legt fest, wie die Net-

tokreditaufnahme im Sanierungszeit-

raum abzusenken ist und welche

Maßnahmen dazu umzusetzen sind.

― Zweimal jährlich – im April und im

September – berichten die betreffen-

den Gebietskörperschaften über die

Umsetzung der Maßnahmen und den

voraussichtlichen Erfolg ihrer Konso-

lidierungsanstrengungen. Falls erfor-

derlich, sind sie verpflichtet, weitere

Maßnahmen zu benennen, um den

angestrebten Konsolidierungserfolg

sicherzustellen.

Derzeit gibt es vier Sanierungsländer. Die

mit dem Stabilitätsrat abgeschlossenen

Sanierungsprogramme umfassen den Zeit-

raum 2012 bis 2016.

Aber: Anstrengen müssen sich natürlich

alle Länder, um die Schuldenbremse ab

2020 einzuhalten. Nur einigen wenigen

Ländern gelingt dies aus dem Stand.

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Ausgabenzuwächse je Einwohner zwischen 2003 und 20131

7,6%

8,4%

11,0%

14,2%

14,8%

15,1%

15,3%

18,9%

23,0%

23,7%

26,2%

26,3%

26,9%

27,1%

29,5%

31,7%

BERLIN

Sachsen-Anhalt

Mecklenburg-Vorp.

Thüringen

Brandenburg

Bremen

Sachsen

Hamburg

Niedersachsen

Schleswig-Holstein

Nordrhein-Westfalen

Rheinland-Pfalz

Hessen

Bayern

Baden-Württemberg

Saarland

Graphik 16

Januar 2015. Ausgangsdaten: ZDL, eigene Berechnungen. Bereinigt um die Ausgaben im Länderfinanzausgleich. Einwohner nach Zensus. 1 Länder und

Gemeinden

Länderdurchschnitt 22,7%

Und warum kommen manche Länder

derzeit mit ihrem Geld nicht aus?

Das zeigt ein Blick auf die Zuwachsraten

der Ausgaben. Die streuen unter den Län-

dern – zwischen 7,6 % und 31,7 %. Wohl-

gemerkt, für einen Zeitraum von zehn Jah-

ren. Da verläuft sich mancher Sonderef-

fekt, der für ein einzelnes Jahr Bedeutung

gehabt haben mag.

Deshalb wird man sich dort im Einzelfall

kaum auf außerordentliche Finanzierungs-

erfordernisse berufen können.

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Finanzströme im Bundesstaat (Auszug)

Zahlungen des Bundes an die Länder

GA Wirtschaft 754

Wohngeld 880

GA Agrarstruktur 667

BaFöG1 226

GA Wissenschaft/ Forschung

639

Kosten der Unterkunft

3 235

GA Bildung 695

Städtebauförderung 683

Regionalisierungs-mittel 6 876

Gemeindeverkehrs-finanzierung

1 581

Entflechtungsmittel 2 569

Investition Ganztagsschulen

Sonstige Finanzströme

EU-Strukturmittel 3 758

Elterngeld 1 710

Forschungsförderung 5 030

Erneuerbare Energien 13 200

Ausgaben des Bundes Verteidigung, Umwelt, Landwirtschaft

16 500

Steuervergünstigungen 21 700

Finanzhilfen 2 845

Sozialversicherungen 163 400

Bundesstaatlicher Finanzausgleich

Steuereinnahmen 619 700

Verteilung der Umsatzsteuer (Länderanteile)

87 800

Länderfinanzausgleich 8 500

Bundesergänzungs-zuweisungen

10 000

Januar 2015. Millionen Euro. Bundesstaatlicher Finanzausgleich gemäß vorläufiger Abrechnung des BMF für das Jahr 2013, alle anderen Zahlen für das Jahr 2010.

Graphik 17

Auf eine Gesamtbetrachtung kommt

es an …

Die Beziehungen zwischen dem Bund und

den Ländern wie auch den Ländern unter-

einander beschränken sich nicht auf die

Steuerverteilung. Vielmehr gibt es eine

Vielzahl von Finanzierungsflüssen, darun-

ter

― Gemeinschaftsaufgaben (u.a. Agrar-

struktur und Küstenschutz, Verbesse-

rung der regionalen Wirtschaftsstruk-

tur),

― Finanzhilfen (u.a. Investitionshilfen

für Seehäfen, Städtebauförderung,

Leistungen nach dem Gemeinde-

verkehrsfinanzierungsgesetz),

― Geldleistungsgesetze des Bundes (u.a.

Grundsicherung im Alter und bei Er-

werbsminderung, Kosten der Unter-

kunft, Wohngeld, Leistungen nach

dem BAföG),

― Hochschulpakt, Exzellenzinitiative

für Spitzenforschung an Hochschulen,

― Förderung des öffentlichen Personen-

nahverkehrs,

― diverse Förderprogramme des Bundes

(u.a. Innovationsförderung), Sonder-

programme der Kreditanstalt für

Wiederaufbau (u.a. Wohnraummo-

dernisierungs- und Wohneigentums-

programme),

― Subventionen für einzelne Wirt-

schaftsbereiche (Steinkohlebergbau),

― Umlage nach dem Erneuerbare-

Energien-Gesetz (EEG), landwirt-

schaftliche Sozialpolitik,

― Investitionen des Bundes in Bundes-

fernstraßen/Bundesautobahnen,

Schienenwege und Bundeswasser-

straßen.

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Alle diese Finanzierungszuflüsse haben,

ebenso wie Beschaffungen des Bundes,

unterschiedliche Verteilungswirkungen,

weil sie sich nicht gleichmäßig (d.h. ein-

wohnerbezogen) auf die Länder verteilen.

Hinzu treten die spezifischen Wirkungen

von Steuervergünstigungen, die ebenfalls

nicht regional gleichmäßig wirken, darun-

ter die Umsatzsteuervergünstigungen für

Bergbahnen und Hoteliers, die Investiti-

onszulage oder Steuerermäßigungen für

die Land- und Forstwirtschaft.

In diesem diffizilen Geflecht ist es leicht,

den Überblick zu verlieren.

Am Anfang einer Neuregelung der födera-

len Finanzbeziehungen muss daher eine

Bestandsaufnahme stehen, die über die

heutigen Finanzströme und ihre Vertei-

lungswirkungen Auskunft gibt. Erst im

Gesamtkontext lässt sich beurteilen, ob

die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse

gewahrt ist.

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5

Allianz Versicherungen

Bakelite GmbH

Bausparkasse Schwäbisch Hall

Blaupunkt

Fiat Group Automobiles Germany AG

Deutsche Grammophon

Deutsche Bank

Hoffmann-La Roche

I.B.M. DeutschlandKali Chemie AG

Kodak Deutschland

KukidentMannesmann AG

Minimax AG

Mondamin GmbH

Neckermann

Deutsche Philips GmbH

Rütgers Germany GmbH

Sarotti

Siemens & Halske

Schwarzkopf

Stiebel-Eltron

UFA

Varta AG

Volkswagen

Berlin

Bremen

Hamburg

Hannover

Braunschweig

Essen

Köln

Düsseldorf

Wuppertal

FrankfurtWiesbaden

Stuttgart

München

10

3412

156

64

33

2843

98

Januar 2015. Klett`s Spezialliste der verlagerten und sitzverlegten Betriebe der Ostzone und von Berlin, 1950; eigene Auswertungen.

Unternehmensverlagerungen aus Berlin nach 1945

Agfa

Deutsche Bau- und Bodenbank

Deutsche Babcock und Wilcox AG

Deutsche Erdöl AG

C & A Brenninkmeyer

Deutsche Industriebank

Dyckerhoff & Widmann AG

General Motors

Hertie

Knorr Bremse AG

Lindt & Sprüngli

Telefunken

Graphik 18

Unternehmensverlagerungen nach

1945

Zu den historischen Gründen unterschied-

licher Steuerkraft gehören unter anderem

die Nachwirkungen der deutschen Tei-

lung. Diese sind bis heute nicht umfassend

aufgearbeitet.

Ein Teilaspekt lässt sich jedoch aufzeigen:

die Unternehmensverlagerungen (bzw.

Verlagerung von Unternehmenssitzen) aus

Berlin als unmittelbarer Folge der deut-

schen Teilung. »Klett’s Spezialliste der

verlagerten und sitzverlegten Betriebe«

geht von 2 000 Firmen aus, die in den

unmittelbaren Nachkriegsjahren von Ber-

lin in das Bundesgebiet wechselten; davon

sind rd. 900 (Stand 1950) namentlich in

der »Spezialliste« nachgewiesen.

Hiervon sind nur wenige wieder nach Ber-

lin zurückgekehrt. Die anderen tragen

heute zur Wirtschaftskraft jener Länder

bei, in denen sie ihre neuen Firmensitze

und Produktionsstätten begründet haben.

Stand Januar 2015

Daten: Zentrale Datenstelle der Landesfinanzminister,

Statistisches Bundesamt, Bundesministerium der Fi-

nanzen

© Senatsverwaltung für Finanzen, Berlin, 2015

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Texte (Auszüge)

Grundgesetz für die Bundesrepublik

Deutschland

Art. 107 Abs. 2 GG

Durch das Gesetz ist sicherzustellen, daß die un-

terschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen

ausgeglichen wird; hierbei sind die Finanzkraft

und der Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeinde-

verbände) zu berücksichtigen. Die Voraussetzun-

gen für die Ausgleichsansprüche der ausgleichs-

berechtigten Länder und für die Ausgleichsver-

bindlichkeiten der ausgleichspflichtigen Länder

sowie die Maßstäbe für die Höhe der Ausgleichs-

leistungen sind in dem Gesetz zu bestimmen. Es

kann auch bestimmen, daß der Bund aus seinen

Mitteln leistungsschwachen Ländern Zuweisun-

gen zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen

Finanzbedarfs (Ergänzungszuweisungen) ge-

währt.

Gesetz über verfassungskonkretisierende

allgemeine Maßstäbe für die Verteilung des

Umsatzsteueraufkommens, für den Finanz-

ausgleich unter den Ländern sowie für die

Gewährung von Bundesergänzungs-

zuweisungen (Maßstäbegesetz - MaßstG)

§ 3 Maßstäbegesetz

Von Mehr- oder Mindereinnahmen gegenüber den

länderdurchschnittlichen Einnahmen sowie von

überdurchschnittlichen Mehreinnahmen oder un-

terdurchschnittlichen Mindereinnahmen je Ein-

wohner gegenüber dem Vorjahr muss dem betref-

fenden Land ein Eigenbehalt verbleiben.

§ 6 Maßstäbegesetz

Der Finanzausgleich unter den Ländern dient der

Annäherung ihrer Finanzkraft. Dabei sind die Ei-

genstaatlichkeit der Länder einerseits und ihre

Einbindung in die bundesstaatliche Solidarge-

meinschaft andererseits zu berücksichtigen. Es

bestehen Ausgleichsansprüche der Länder mit un-

terdurchschnittlicher Finanzkraft (ausgleichsbe-

rechtigte Länder) und Ausgleichsverbindlichkei-

ten der Länder mit überdurchschnittlicher Finanz-

kraft (ausgleichspflichtige Länder).

§ 9 Maßstäbegesetz

Der angemessene Ausgleich erfordert eine den

ländereigenen Aufgaben entsprechende hinrei-

chende Annäherung der Finanzkraft der Länder.

Diese ist erreicht, wenn die Eigenstaatlichkeit der

Länder und ihre Einbindung in die bundesstaatli-

che Solidargemeinschaft zugleich berücksichtigt

sind. Auszuschließen sind sowohl eine entschei-

dende Schwächung der Leistungsfähigkeit der

ausgleichspflichtigen Länder als auch eine Nivel-

lierung der Finanzkraft der Länder. Der Länderfi-

nanzausgleich darf weder die Finanzkraftabstände

zwischen einzelnen Ländern aufheben, noch zu

einer Verkehrung der Finanzkraftreihenfolge un-

ter den Ländern führen.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom

20. Februar 1952 (1 BvF 2/51)

Das bundesstaatliche Prinzip begründet seinem

Wesen nach nicht nur Rechte, sondern auch

Pflichten. Eine dieser Pflichten besteht darin, daß

die finanzstärkeren Länder den schwächeren Län-

dern in gewissen Grenzen Hilfe zu leisten haben.

Diese Pflichtbeziehung führt nach der Natur der

Sache zu einer gewissen Beschränkung der finan-

ziellen Selbständigkeit der Länder. ( … )

Eine Kontrolle der Ausgabenwirtschaft der Län-

der ist sowohl dem Bunde als auch den Ländern

untereinander durch Art. 109 GG verwehrt. Aber

auch hierdurch wird der horizontale Finanzaus-

gleich nicht berührt. Denn in § 5 FAG sind nur

bestimmte typische Ausgaben, und zwar durch-

weg nach objektiven Maßstäben in die Berech-

nung des Ausgleichs einbezogen worden, so daß

weder eine leichtfertige Ausgabenwirtschaft eines

ausgleichsberechtigten Landes noch eine sparsa-

me Ausgabenwirtschaft eines pflichtigen Landes

die Höhe der Beiträge und Zuschüsse berühren

kann. Deshalb ist auch der Vorwurf unberechtigt,

daß die ausgleichspflichtigen Länder die Folgen

fremder Willensentscheidungen zu tragen hätten.

( … )

Die Frage, bis zu welchem Intensitätsgrad in den

so abgesteckten Grenzen der horizontale Finanz-

ausgleich vorgetrieben werden kann, ist eine fi-

nanzpolitische und keine verfassungsrechtliche.

Sie entzieht sich der Prüfung durch das Bundes-

verfassungsgericht.

Bundesverfassungsgericht, Urteil des Zweiten

Senats vom 27. Mai 1992 (2 BvF 1, 2/88, 1/89,

1/90)

Der horizontale Finanzausgleich nach Art. 107

Abs. 2 Satz 1 GG ist in erster Linie ein Ausgleich

des Finanzaufkommens; Sonderbedarfe einzelner

Länder haben daher außer Betracht zu bleiben. Er

dient dazu, den Ländern staatliche Selbständigkeit

durch eine aufgabengerechte Finanzausstattung zu

ermöglichen (vgl. BVerfGE 72, 330 [383]). Dies

Page 25: 'LH6WHXHUNUDIWGHU/lQGHU YRU$XVJOHLFK · am Länderfinanzausgleich übernommen wie 2008. Dagegen muss Hessen seinen aktuellen Einbruch auf 20 % (von zuvor 30 % im Jahre 2008) erst

25 / 25

verlangt, die absoluten Erträge der Länder im

Hinblick auf das Verteilungsziel des Länderfi-

nanzausgleichs angemessen vergleichbar zu ma-

chen. Erst dadurch können die Erträge als Indika-

toren für die Finanzkraft der Länder im Hinblick

auf die Erfüllung der ihnen verfassungsrechtlich

zugewiesenen Aufgaben dienen.

Das geeignete und grundsätzlich angemessene

Kriterium hierfür ist die Einwohnerzahl. Sie ist

der gegebene Bezugspunkt, wenn es um den Ver-

gleichsmaßstab für die Fähigkeit der Länder geht,

ihre Aufgaben zu erfüllen. Mit diesem Kriterium

wird zwar ein Bedarfsmaßstab für die Aufgaben-

erfüllung durch die Länder zugrundegelegt. Die-

ser ist aber in dem Sinne abstrakt, daß er jedweder

besonderen, aus spezifischen Situationen sowie

eigenen Prioritäts- oder Dringlichkeitsentschei-

dungen der Länder herrührenden Ausgabenlast

vorgelagert ist. Nur wo die Angemessenheit die-

ses Kriteriums aus unverfügbar vorgegebener

struktureller Eigenart von Ländern, wie sie den

Stadtstaaten eigentümlich ist, von vornherein ent-

fällt, ist es gerechtfertigt, die tatsächliche Ein-

wohnerzahl als Bezugspunkt für die Vergleich-

barmachung des Finanzaufkommens zu modifi-

zieren (vgl. BVerfGE 72, 330 [400 f.]). ( … )

Verfassungsgerichtlicher Kontrolle unterliegt al-

lein die Entscheidung des Gesetzgebers selbst. Sie

muß ihre Grundlage in verläßlichen objektivierba-

ren Indikatoren finden. Soweit der Gesetzgeber

sich für einen Veredelungsfaktor entscheidet, muß

dessen Ausgestaltung innerhalb der Bandbreite

der Indikatoren verbleiben, die für die strukturelle

Eigenart der Stadtstaaten aussagekräftig sind.

Auch ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, die

Gründe für die Wahl des konkreten Wertes der

Einwohnerwertung darzulegen; bei der Gestaltung

des Länderfinanzausgleichs übt er, anders als eine

Verwaltungsbehörde, kein gesetzesgebundenes

Ermessen aus.

Bundesverfassungsgericht, Urteil des Zweiten

Senats vom 24. Juni 1986 (2 BvF 1, 5, 6/83, 1/84

und 1, 2/85)

Die Berücksichtigung der vorgegebenen struktu-

rellen Eigenart der Stadtstaaten Bremen und

Hamburg durch die Einwohnerwertung des § 9

Abs. 2 FAG ist dem Grunde nach zumindest zu-

lässig. Es handelt sich hierbei nicht um die Ein-

stellung von Sonderbedarfen dieser Länder in die

Berechnung des Länderfinanzausgleichs, sondern

um die Folge einer spezifischen Problematik des

deutschen Bundesstaates. Das Bestehen von

Stadtstaaten gehört zum historischen Bestand der

deutschen Staatsentwicklung, insbesondere auch

seit der Entstehung des deutschen Bundesstaates

im 19. Jahrhundert. Es ist sachgerecht, die An-

dersartigkeit der Stadtstaaten gegenüber den Flä-

chenstaaten im Länderfinanzausgleich zu berück-

sichtigen. Dies kann in Form einer Einwohnerver-

edelung geschehen, die Auswirkungen auf alle

Flächenstaaten hat. Die Andersartigkeit der Stadt-

staaten betrifft nämlich nicht etwa nur deren

Nachbarländer, sondern alle Glieder des Bundes.

Umfang und Höhe dieser Berücksichtigung dür-

fen allerdings vom Gesetzgeber nicht frei gegrif-

fen werden. Sie müssen sich – nach Maßgabe ver-

läßlicher, objektivierbarer Indikatoren – als an-

gemessen erweisen, wobei auch die Auswirkung

der Einwohnerwertung gemäß § 9 Abs. 3 FAG –

verglichen mit der Wertung der Einwohner einer

Durchschnittsgemeinde – mit in Ansatz zu brin-

gen ist. Als solche Indikatoren kommen etwa in

Betracht: ein schlichter Großstadtvergleich, bei

dem die Finanzausstattung von Städten vergleich-

barer Größe – unter Einbeziehung der für sie

wirksamen staatlichen Sonderleistungen – mit

derjenigen der Länder Bremen und Hamburg ver-

glichen wird; das Fehlen der Möglichkeit eines

landesinternen Finanzausgleichs in den Ländern

Bremen und Hamburg, die beide Ballungszentren

ohne Umland sind; die Besonderheit, daß die

Länder Bremen und Hamburg Hauptstädte ohne

Umland sind. Dabei kann auch ein Blick auf die

hanseatische Pendlerproblematik geworfen wer-

den. Diese hat insofern eine stadtstaatenspezifi-

sche Komponente, als die beiden Hansestädte für

die Wirtschaftsregion, in der sie liegen, Industrie-,

Handels- und Dienstleistungszentren darstellen,

die zugleich Enklavecharakter haben, d.h. nach al-

len Seiten von Staatsgrenzen umschlossen sind.

( … )

Die zulässige Berücksichtigung stadtstaatlicher

Besonderheiten kann nicht die Bedeutung einer

finanziellen Status- oder Besitzstandsgarantie

haben; sie ist auch weder eine Absicherung ge-

genüber allgemeinen wirtschaftlichen Struktur-

veränderungen, die nicht zuletzt durch technologi-

sche und weltwirtschaftliche Entwicklungen be-

dingt sind und die Hansestädte härter als andere

treffen mögen, noch gegenüber Verschiebungen

des Wohlstandsniveaus zwischen den Bundeslän-

dern. Gegenüber solchen Veränderungen und

Wandlungen kann der Länderfinanzausgleich kei-

ne Abhilfe bieten.


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