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Lembegleitung im Mathematik-Unterricht: Ansprüche, Funktionen, Bedingungen und Realitäten

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224 Kurt Hess Lembegleitung im Mathematik: -Unterricht: Anspriiche, Funktionen, Bedingungen und Realitaten Zusammenfassung: In samtlichen Fachdidaktiken und Bildungswissenschaften dominiert seit einigen Iahren eine (so- zial-)konstruktivistische Orientierung, welche traditionelle, behavioristisch gepragte Didaktikkon- zepte sukzessive abl5st. Die Studie von Hess (2003) erhellt, inwiefern sich diese Neuorientierung in den fachdidaktischen Einstellungen von Lehrpersonen der ersten drei Grundschuljahre spiegeJt und inwiefern sie in der konkreten Lernbegleitung zu erkennen ist. Die Ergebnisse zeigen primar eine deutlich konstruktivistische Einstellung der Lehrpersonen und sekundar eine geringe Koha- renz zur Umsetzung sowie eine Benachteiligung der schwacheren Rechnerinnen und Rechner wah- rend der individuellen Lernbegleitung. Abstract: In recent years, (social-)constructivist approaches have dominated mainstream didactics and edu- cational science. They have been gradually replacing more traditional behaviourist-oriented didac- tic concepts. The study by Hess (2003) describes to what extent this reorientation of approach is apparent in teachers' attitudes towards methodology in the first three years of primary school. It also describes the degree to which this reorientation is reflected in teachers' support of the learning process. The results suggest that a marked constructivist orientation has only been adopted to a limited extent. A second finding reveals that high achievers in arithmetic are more stimulated to learn through active discovery than lower achievers. 1 Konstruktivistisch orientierte Fachdidaktik Dass sich Fachdidaktiken an konstruktivistischen Erkenntnistheorien orientieren, ist in Fachkreisen unbestritten, zumindest was die Kemaussagen betreffen: a) Wissen wird nicht passiv aufgenommen, sondem yom denkenden Subjekt aktiv aufgebaut und b) "Kognition dient der Organisation der Erfahrungswelt des Subjekts und nicht der ,Er- kenntnis' einer objektiven ontologischen RealiHit" (von Glasersfeld 1996, S. 96). Reus- ser (1999a) bezweifelt allerdings die Tauglichkeit dieser Grundlagen, urn didaktische Ansatze zu begriinden. Seiner Ansicht nach bediirfen sie einer sorgfaitigen padagogisch- didaktischen Reflexion, bis sie in beabsichtigter Richtung greifen, weil es beim schuli- schen Lemen nicht nur urn die Frage "wie kornmt Erkenntnis zu Stande?" geht, sondem auch urn Momente der Verhaitenssteuerung. Abschnitt 1 beschreibt die Charakteristik konstruktivistischer Erkenntnistheorien und den Kontrast zu behavioristischen Lehr-lLemtheorien. Daran anschliessend folgt die Skizzierung einer konstruktivistisch orientierten Mathematik-Didaktik. (JMD 26 (2005) H. 3/4, S. 224-248)
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Kurt Hess

Lembegleitung im Mathematik: -Unterricht: Anspriiche, Funktionen, Bedingungen und Realitaten

Zusammenfassung:

In samtlichen Fachdidaktiken und Bildungswissenschaften dominiert seit einigen Iahren eine (so­zial-)konstruktivistische Orientierung, welche traditionelle, behavioristisch gepragte Didaktikkon­zepte sukzessive abl5st. Die Studie von Hess (2003) erhellt, inwiefern sich diese Neuorientierung in den fachdidaktischen Einstellungen von Lehrpersonen der ersten drei Grundschuljahre spiegeJt und inwiefern sie in der konkreten Lernbegleitung zu erkennen ist. Die Ergebnisse zeigen primar eine deutlich konstruktivistische Einstellung der Lehrpersonen und sekundar eine geringe Koha­renz zur Umsetzung sowie eine Benachteiligung der schwacheren Rechnerinnen und Rechner wah­rend der individuellen Lernbegleitung.

Abstract:

In recent years, (social-)constructivist approaches have dominated mainstream didactics and edu­cational science. They have been gradually replacing more traditional behaviourist-oriented didac­tic concepts. The study by Hess (2003) describes to what extent this reorientation of approach is apparent in teachers' attitudes towards methodology in the first three years of primary school. It also describes the degree to which this reorientation is reflected in teachers' support of the learning process. The results suggest that a marked constructivist orientation has only been adopted to a limited extent. A second finding reveals that high achievers in arithmetic are more stimulated to learn through active discovery than lower achievers.

1 Konstruktivistisch orientierte Fachdidaktik

Dass sich Fachdidaktiken an konstruktivistischen Erkenntnistheorien orientieren, ist in Fachkreisen unbestritten, zumindest was die Kemaussagen betreffen: a) Wissen wird nicht passiv aufgenommen, sondem yom denkenden Subjekt aktiv aufgebaut und b) "Kognition dient der Organisation der Erfahrungswelt des Subjekts und nicht der ,Er­kenntnis' einer objektiven ontologischen RealiHit" (von Glasersfeld 1996, S. 96). Reus­ser (1999a) bezweifelt allerdings die Tauglichkeit dieser Grundlagen, urn didaktische Ansatze zu begriinden. Seiner Ansicht nach bediirfen sie einer sorgfaitigen padagogisch­didaktischen Reflexion, bis sie in beabsichtigter Richtung greifen, weil es beim schuli­schen Lemen nicht nur urn die Frage "wie kornmt Erkenntnis zu Stande?" geht, sondem auch urn Momente der Verhaitenssteuerung.

Abschnitt 1 beschreibt die Charakteristik konstruktivistischer Erkenntnistheorien und den Kontrast zu behavioristischen Lehr-lLemtheorien. Daran anschliessend folgt die Skizzierung einer konstruktivistisch orientierten Mathematik-Didaktik.

(JMD 26 (2005) H. 3/4, S. 224-248)

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1.1 Konstruktivismus als Erkenntnistheorie

Konstruktivismus ist eine (Sammel-)Bezeichnung1 fur verschiedene Spielarten einer er­kenntnistheoretischen Orientierung. Dessen Kemaussagen lauten: Wissen liisst sich we­der durch die Sinnesorgane noch durch Kommunikation passiv aufnehmen, das lemende Subjekt erzeugt es in einem aktiven Konstruktionsakt (vgl. Abb. I). Die Giite der Kon­struktionen lassen sich nicht an der Wahrheit, sondem nur an der Bewahrung in der on­tologischen Realitiit messen, also an der Brauchbarkeit der individuellen Wahmehmun­gen, Begriffe oder Theorien. "Wirklichkeit ist damit immer kognitiv konstruierte Wirk­lichkeit" (Gerstenmaier & Mandl 1995, S. 868). In dies em Sinne dient die Kognition der Organisation subjektiver Erfahrungswelten und nicht der Erzeugung "objektiver" Er­kenntnisse uber eine ontologische Realitiit.

Erfahrung Wissen

Kognitive Struktur

Bisherige Konstruktionen deuten die

Abb. 1: Wahrnehmung und Erkenntnisgewinn als aktive Konstruktionsleistung des Subjekts

Abb. 1 zeigt den Prozess der kognitiv konstruierten Wirklichkeit. Bereits die Wahmeh­mung ist ein kognitiv gesteuerter Akt. Die Sinneszellen - beispielsweise die Stabchen und Zapfchen in der Netzhaut des Auges - konnen nicht "wahr"-"nehmen". Sie werden lediglich durch Lichtwellen gereizt und senden diese Reize in einem unspezifischen Co­de an das Gehim. Die Interpretation des subjektiv wahrgenommenen Objektes ist also eine Konstruktionsleistung unserer kognitiven Strukturen, unserer Erfahrungen und un­seres Wissens.

Auf dies em Fundament grundet der sozialkonstruktivistisch-dialogische Ansatz von Urs Rufund Peter Gallin (1999a, 1999b). In der ersten Auseinandersetzung mit einer-

Eine ausfuhrliche Gegeniiberstellung der verschiedenen konstruktivistischen Ansatze leistet Diesbergen (1998). Reusser (1999a, S. 7) unterscheidet zwischen den philosophisch-erkennt­nistheoretischen und den empirisch-sozialwissenschaftlichen Spielarten des Konstruktivismus. Gerstenmaier & Mandl (1995) schlagen eine ahnliche Strukturierung vor: Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie als philosophische Ausrichtung und "neuer" Konstruktivismus mit sozio­logischen, kognitionswissenschaftlichen und psychologischen Zugangen. Die dritte Kategorie fuhrt Ansatze der Instruktionspsychologie und der empirischen Padagogik an.

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individuellen Konstruktionsprozessen Spielraum bietenden - Aufgabe suehen Lemende ihren eigenen Weg, sie stellen im Dialog mit anderen Kindem ihre Erfahrungen dar und erhalten yom Gegentiber Einbliek in deren subjektiven Konstruktionen. Die Generierung eines Regelwissens ist erst am Ende des Lemprozesses vorgesehen. Das Lehrmittel von Ruf und Gallin (1995) tragt analog dieses Dreisehrittes den Titel Ich mache es so! Wie machst du es? Das machen wir abo Der soziale Austauseh tiber singulare Erfahrungen ist fUr die Kinder spannend, weil das Lemen von individuellen Wegen und Losungen aus­geht und nieht yom Reproduzieren vorgegebener Wege.

Die radikalen Konstruktivisten urn Heinz von Foerster, Paul Watzlawiek und Ernst von Glasersfeld gebrauehen geme Metaphem, urn das konstruktivistisehe Paradigma darzustellen. In der Blindenmetapher moehte z.B. ein blinder Wanderer jenseits eines Waldes einen Fluss erreiehen. Er sueht aus den vie len offenen Wegen (s)einen mogli­chen aus. Aueh nach reieher Erfahrung mit verschiedenen Wegen kennt der Wanderer nie die ontologisehe Realitat des Waldes, sondem immer nur seine erfahrenen Wege, die er durch Anstossen an Baumen gefunden hat. (von Glasersfeld 1998, S. 19)

Die Metapher bietet der Kontrastierung mit der behavioristischen Orientierung und der anschliessenden Skizzierung einer konstruktivistisch orientierten Mathematik-Didak­tik gute Ankntipfungsmogliehkeiten.

1.2 Kontrastierung zu einer behavioristischen Orientierung

Nach behavioristiseher Auffassung von Lemen wiirde die Blindenmetapher anders lau­ten: Eine BlindenfUhrerin lauft dem Wanderer mit einer Gloeke voraus und lotst ihn durch den Waldo Als Belohnung wirkt eine materielle Verstarkung und nicht das Er­folgserlebnis, das Ziel erreicht zu haben. Da der Blinde moglichst nirgends anstossen solI, lauft er einfaeh dem Glockenton nacho Das Wissen tiber den Wald besteht auch nach zahlreichen Wiederholungen aus der Erfahrung "dem akustischen Signal naehlau­fen" und waldspezifischen Sinneseindrueken (z.E. Geruche und Gerausehe). Die Ausei­nandersetzung mit den Baumen und die Erfahrungen mit versehiedenen Wegen bleibt weit gehend aus.

Behavioristische Lemtheorien machen Aussemeize, assoziative (willktirliche) Ver­kntipfungen, Fehlervermeidung, Ergebnisorientierung, mechanische Wiederholungen und extrinsische Motivationsquellen fUr den Lemerfolg verantwortlich. Die Lemenden nehmen darin eine passive Rolle ein. Demgegeniiber betonen konstruktivistische Theo­rien die Bedeutung internal ablaufender Lemprozesse, in welchen Fehler (an Baumen anstossen) wichtige Erfahrungen sind. 1m Zentrum stehen aktive, intrinsisch motivierte und urn Verstehen bemiihte Suchprozesse der Lemenden.

Tab. 1 fasst diese beiden Auffassungen yom Lehren und Lemen in einer stiehwortar­tigen Gegeniiberstellung zusammen. Der Gefahr, dass sie durch ihre Verktirzung und Po­larisierung schwarz/weiss farbt, sollen einige Bemerkungen entgegenwirken: 1. Die Un­terrichtskomplexitat lasst sich nicht auf die beiden Pole reduzieren. Manche Unterricht­handlungen finden ihre didaktische Begrundung ausserhalb der dargestellten Kategorien (vgl. Hess 2003, S. 159-168). Dazu ein Beispiel aus der referierten Studie, welche die Lembegleitung zwischen den beiden Polen auswertet: "Die Lehrerinnen geben knappe und unterrichtlich wirksame Impulse, damit sie [wahrend der Lembegleitung aueh ... ; Anmerkung KH 2005] die Begleitung der ganzen Klasse wahmehmen und eine gewisse Lemkultur ,warm halten' konnen. Die disziplinarisch und unterrichtsokonomisch moti­vierte Lembegleitung findet also ihre Begrundung eher in der alltagsdidaktischen Not-

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wendigkeit als im Einstellungskonzept" (ebd., S. 199-200). 2. Die Hinwendung zu einem neuen Paradigma kann nieht im Sinne eines Entweder-oder, sie muss im Sinne eines Sowohl-aIs-aueh gesehen werden (vgl. Reusser 1999b). Begrundung: WeiI beim mathe­matisehen Lemen Verstehensprozesse und die Erzeugung operativer Beziehungen im Zentrum stehen, erseheinen behavioristisehe Theorien im vorliegenden Kontext eher in einem schalen Licht. Sie tragen aber ein grosses Potenzial, wenn es z.B. urn die Stabili­sierung von Verhaltensmustem oder urn Automatisierungsprozesse geht.

Tab. 1: Gegenuberstellung konstruktivistischer und behavioristischer Theorien

Behaviorismus Konstruktivismus

Lehren Lemen Lehren Lemen

Sinnesreize reproduzieren, am singulare Konstruktio- aktives Lemen, am vermitteln Produkt orientiert nen ermoglichen Prozess orientiert

Fremdsteuerung Fremdbestimmtes, begleitete mitverantwortliches passives Lemen Selbststeuerung Lemen3

Belehrung bewusstloses Ler-nen!

Lembegleitung verstehendes Lemen

stoffliche Assoziatives Lemen komplexe exemplarisches Lemen Sezierung Lemumgebung

kleinschrittiges kleine Schritte an Kemideen kumulatives Lemen Vorgehen orientiertes Vorgehen

Defizite tilgen Vermeidung von Fehler sind wichtige Hoffnung auf Fehlem, Misserfolg Erfahrungen Erfolg

traditionelle innere einsames Lemen Instruktion substan- Dialogisches, Differenzierung zieller Aufgaben2 soziales Lemen

mechanische traditionelle innere WiederhoJung = natiirliche Wiederholung Differenzierung2 Automatisierung Differenzierung2

extrinsische extrinsische soziale Verstarkung intrinsische Motivation Verstarkung Motivation Lemziele erreichen

Lemverantwortung Lemverantwortun~ als liegt bei Lehrperson Mitverantwortung der

Schiller/-innen

Anmerkungen: I Die zugespitzte Bezeichnung stammt von Reusser (1999b, S. 13).2 Die Ausfuh­rungen zu mathematisch substanziellen Aufgabenstellungen und zur natiirlichen Differenzierung folgen in Abschnitt 1.3 3 Die ublicheren Bezeichnungen wie 'eigenstandige Lerner' oder 'selb­standiges Lemen' wird didaktisch bewusst durch das Konzept einer zunehmenden Mitverantwor­tung ersetzt.

1.3 Grundziige einer konstruktivistisch orientierten Mathematik­Didaktik

Die in Absehnitt 1.1 zusammengefassten Kemaussagen lassen unsehwer erkennen, dass die Grundziige der heutigen Mathematik-Didaktik konstruktivistiseh orientiert sind. Die

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Betonung muss auf einer konstruktivistisch orientierten Mathematik-Didaktik liegen, weil sich eine Fachdidaktik nicht nur auf Erkenntnis- oder Lemtheorien stUtzen kann. Die singuHire Konstruktion bzw. die soziale Co-Konstruktion von Wissensstrukturen ist nur die eine - kognitionspsychologische - Seite, welche im Unterricht mit mathemati­schen (Gestaltung reichhaltiger Lemumgebungen), emotionalen (Motivation, SeIbst­wertgefiihl), anthropologischen (eigene Verhaltenssteuerung der Lemenden) und sozia­len Momenten (Lem- und Kommunikationskultur) in Interaktion tritt. Zwei mathematik­didaktisch sichtbare Konturen mit konstruktivistischer Ausrichtung werden in den nachs­ten beiden Abschnitten beIeuchtet und unter dem Aspekt Anspruche an Lehrpersonen und Lemende reflektiert.

1.3.1 Reichhaltige Lemumgebungen und natiirliche Differenzierung

Die konstruktivistisch ausgerichtete Lehrperson bietet mathematisch reichhaltige Aufga­ben an, welche Schlilerinnen und Schlilem mit unterschiedlichen Kompetenzen singulare Zugriffe ermoglichen. Die alt bekannte Formel die Lehrperson holt die Schulerinnen und Schuler dort ab, wo sie stehen (vgl. Schwarzer & Steinhagen 1975) erflihrt damit eine grundlegende Reform: Die Lemenden sollen in den Lemumgebungen Ankniipfungsmog­lichkeiten finden, damit sie seIber singulare Beziige zwischen Verfiigbarem und Neuem herstellen konnen (vgl. Abb. 2). In der konkreten Schulsituation hat es sich allerdings bewahrt, mit dem einen oder andem SchUler Lemvereinbarungen zu treffen, damit das Lemen verbindlicher wird. Der entscheidende Unterschied zum genannten Abholen des Schlilers besteht also aus einer kontinuierlich wachsenden Mitverantwortung des Schli­lers beziiglich seines eigenen Lemens.

toffscgmcmicrung

Lcrnbegl eitung:

I-li lfe zur Bcarbc ilUng des vorgcgcbcncn Lcmscgmcnts

tmdi tioncl lc inncrc Ditlcrcnzicnillg: Tendcnz Produktorientierung

Design substanzicllc Lcnnungcbung

findcl1 - Sozialcr Austausch

natlirlichc DilTc rcnzicrung: Tcndcnz Pro7..cssoricnticnmg

cigcncs I .Cnla

segment

Abb. 2: Traditionelle innere und natilrliche DifJerenzierung (Hess 2003, S. 50)

Bei der tradition ellen inneren DifJerenzierung liegt die Zuteilung von stofflichen Seg­menten, Schwierigkeitsgraden, Zahlenraumen, Aufgabenumfang etc. in der Verantwor­tung der Lehrperson. Der Prototyp einer naturlichen DifJerenzierung liegt beim sprach­schOpferischen Texte schreiben vor: Die Lemenden bekommen ein Thema und schreiben dazu Gedanken auf, welche aus ihrem eigenen Erfahrungsrepertoire stammen. Jedes

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Kind greift auf seinen W ortschatz und seine Sprachkompetenzen zurUck, macht seine Fehler etc. Selbst wenn die SchUler im Unterricht vorausgehend SatzanHinge geiibt ha­ben und diese in den Texten besonders beachten soIlen: Die einen wahlen Satzanfange, die in der Fortsetzung einfachere Satzkonstruktionen verlangen, andere wahlen sehr re­dundante SatzanHinge etc.

Die Mathematik-Didaktik sucht mit den reichhaltigen Lemumgebungen und der na­mrlichen Differenzierung in derselben Richtung (vgl. Hess 2003, S. 41-52). Eine ma­thematisch reichhaltige Aufgabe besteht z.B. aus einer sprachlich oder bildlich model­lierten Sachsituation, welche die Schiilerinnen und Schiiler an ihrem eigenen Vorwissen ankniipfend mathematisieren. Die Lehrperson beabsichtigt mit einer solchen Aufgabe (im Unterschied zu traditionellen Textaufgaben), dass aIle Kinder mit ihrem Vorwissen Zugange und individuelle Losungswege finden. Bei der (dialogischen) Auswertung inte­ressiert also nicht nur eine einzige richtige Losung, sondem verschiedene Fazetten von Losungsansatzen. Das dialogische Lemen von Ruf und Gallin (1999a, 1999b) basiert auf solchen offenen Situationskontexten, Renate Rasch (2003) zeigt an 42 Situationen auf, wie Kinder damit umgehen.

1.3.2 Lembegleitung

Eine konstruktivistisch orientierte und padagogisch reflektierte Fachdidaktik smtzt sich auf folgende vier Pramissen:

• 1. Priimisse: Ein Mathematik-Unterricht, der das aktive, mitverantwortliche Lemen ins Zentrum stellt, ist offen gegeniiber vieWiltiger Lehr- und Lemfor­men. Ein ausgewogenes Verhaltnis zwischen Instruktion und Konstruktion kann ebenso in einem kreativen Frontalunterricht mit anschliessenden dezentrierten Lemphasen erfolgen wie in einem projektartigen Unterricht.

• 2. Priimisse: Die Kinder sind beim individuellen Lemen auf eine Begleitung durch die Lehrperson - welche im Verlaufe der Lemprozesse eine abnehmende Steuerungsfunktion iibemehmen kann - angewiesen. Das von Reusser (l994b, S. 30) dargestellte Modell der cognitive apprenticeship geht z.B. davon aus, dass unerfahrenere Lerner einer engeren Fiihrung bediirfen als erfahrenere.

• 3. Priimisse: Die singularen bzw. dialogischen Lemprozesse und deren Beglei­tung durch die Lehrperson bediirfen der Einbettung in eine nach Autonomie strebende Unterrichtskultuf1 (vgl. 1.3.3).

• 4. Priimisse: Nach konstruktivistischem Verstandnis sollten Lehrpersonen die Suchwege und Konstruktionsprozesse der Kinder begleiten - sich also an deren rotem Faden des Denkens orientieren - und nicht eigene Losungsmuster bei­bringen oder iibersmlpen. Sie nehmen z.B. Losungswege oder Fehler auf, fragen nach den Entstehungsgeschichten und geben den Lemprozessen neue Impulse.

Bei einer Belehrung in behavioristischem Sinne reisst die Lehrperson die Kinder aus ih­rem Denkprozess heraus, indem sie mit "das ist falsch - mache es so" reagiert. Der Un­terschied zwischen der Belehrung und einer konstruktivistisch orientierten Lembeglei­tung kommt beim Lemen durch Interaktion zwischen den Reprasentationsebenen deut­lich zum Ausdruck (vgl. Hess 2003, S. 72-81 sowie S. 229-233). Die konstruktivistisch orientierte Lehrperson bittet z.B. den SchUler, seinen Rechenweg mit Wendeplattchen zu legen. Sie erfahrt dadurch, wie er gerechnet hat und der Schuler ist gefordert, seinen

2 Unterrichtskultur wird als Oberbegriff von Lern- und Kommunikationskultur verwendet.

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symbolisch vollzogenen Weg auf eine enaktive Ebene zu ubersetzen. Fur ihn Offnen sich Moglichkeiten, vertiefte Einsichten in Strukturen zu gewinnen und der Lembegleiterin bieten sich diagnostische Anhaltspunkte, die wiederum zu neuen Lemimpulsen f'iihren konnen. Die belehrende Variante wiirde beinhalten, dass die Lehrperson aus dem symbo­lisch notierten ihre eigenen Schlusse zieht und mit direkten Anweisungen interveniert: "Lege zuerst die erste, dann die zweite Zahl und zum Schluss zahlst du aIle gelegten Plattchen". Es kommt zum Ausdruck, dass der behavioristische Ansatz und damit die traditionelle innere Differenzierung eher am Produkt "richtiger Losungsweg, richtiges Ergebnis" orientiert ist und der konstruktivistische mit seiner narurlichen Differenzie­rung an den Denk- und Lemprozessen (vgl. Abb. 2).

Unabhiingig der erkenntnis- oder lemtheoretischen Ausrichtung solI die Lembeglei­tung auch zu erweiterten Selbst- und Sozialkompetenzen fUhren. Angesprochen ist z.B. der Aufbau einer zunehmenden Mitverantwortung oder der Umgang mit Frustrationen. Auch sozial-emotional erfUllt die Lembegleitung wichtige Funktionen: Die Lemenden bekommen Zuwendung, Anerkennung und Verstarkung, welche ihren Lemprozessen wichtige Srutzen und neue Kraft geben konnen.

1.3.3 Anspriiche an Lehrpersonen und Lemende

Die Begleitung dieses individueIlen/sozialen Lemens greift wiederum auf kognitions­psychologischer Ebene. Deren Einbindung in eine produktive Unterrichtsdynamik stellt an die Lehrpersonen und die Lemenden aber einige weitere Anspriiche.

Eine nach Autonomie strebende Unterrichtskultur bildet die Basis dafiir, dass die Lehrperson Freiraume fur eine Begleitung mathematischer Lemprozesse findet. So lange diese mit organisatorischen, disziplinarischen und aufgabentechnischen Fragen beschaf­tigt ist, kann sie keine mathematisch inhaltliche Lembegleitung anbieten. Reusser (1999b) skizziert eine solche - Autonomie suchende - Unterrichtskultur und illustriert sie mit Beispielen wie Lempartnerschaften, unterschiedliche Formen des Kleingruppen­unterrichts oder Reflexion anregende Werkzeuge (z.B. Lemtagebucher). Er verweist darauf, dass "Kinder die Fahigkeiten zur Selbstwahmehmung, Selbststeuerung und Selbstverantwortung ihres eigenen Lemens ( ... ) graduell zu entwickeln beginnen, wenn ihnen dazu Spielraume gewahrt und sie entsprechend angeleitet werden, das heisst, wenn das Ziel der Steuerungsautonomie des Lemens nicht bloss aIs Femziel ans Ende der Schulzeit verlegt, sondem mit Beginn der ersten Klasse als tagliche Prozessvorausset­zung schrittweise realisiert wird" (ebd. S. 14). Mit anderen Worten: Die Lehrperson tragt beim Aufbau der Unterrichtskultur eine Schlusselrolle. Ihr muss es yom ersten Schultag an bewusst sein, in welche Entwicklungsrichtung und mit welchen methodisch-didak­tisch-organisatorischen Werkzeugen diese voranschreiten solI, damit ein zunehmend mitverantwortlicheres Lemen moglich wird.

Auch Wittmann (1995) fordert mit Bezug auf die Managementlehre, dass die Unter­richtsgestaltung vermehrt durch eine indirekte Steuerung (via mathematisch reichhaltiger Aufgaben und namrlicher Differenzierung) erfolgen solI. Damit sind Anspriiche an eine Lem- und Kommunikationskultur verbunden, die ein aktiv-entdeckendes Lemen ermog­lichen, es in eine positive Fehlerkultur, in ein "Erforschungsinteresse an mathematischen Verknupfungsstrukturen" (vgl. Hess 1998) und in eine Anschauungskultur (Anschau­ungsmittel als epistemologische Werkzeuge an der Hand der SchUlerinnen und SchUler und nicht als didaktische Kriicken, die es moglichst schnell abzulegen gilt) einbinden.

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Die Tragfahigkeit einer Unterrichtskultur hangt von unterrichtspragmatisch begrund­baren elementaren Voraussetzungen ab, wie z.B. der Einhaltung regulierter Umgangs­formen, der Organisation der dezentrierten KHi.rung von Schtilerfragen oder vom Ver­bindlichkeitscharakter von Aufgaben, die von Schulem gewahlt werden (vgl. Hess 2003, S. 197, 199). Die Beantwortung der von Krauthausen (1997) gestellten Frage, ob dieser modeme Unterricht aus einem bunten Markttreiben mit unverbindlichen Buffet­Angeboten und einem didaktisch organisierten Chaos bestehe, hangt also wesentlich von der angestrebten bzw. aufgebauten Unterrichtskultur abo

Die skizzierten Anspruche verdeutlichen: Die paradigmatische Neuorientierung des Mathematik-Unterrichts setzt das aktive SchUlerlemen ins Zentrum. Dennoch bleiben Lehrerinnen Schlusselfiguren mit komplexen Aufgaben. Reusser (1999b, S. 14) be­schreibt dies anschaulich mit einer metaphorischen Aufzahlung: "Der Funktionsmix und die Komplexitiit der Anforderungen an die Rollen von Lehrerinnen und Lehrem sind zu anspruchsvoll, als dass sie sich auf einfache Begriffe reduzieren liessen. Lehrpersonen bleiben ( ... ) auch kiinftig vieles in einem. Neben Stoffdarstellem und Lemberaterinnen auch: Entwicklungshelferinnen, Ratgeber, Anleiterinnen, Pauker, Giirtner, Zureder, Kri­tikerinnen, Gespriichspartner, Beschlitzerinnen, Teamarbeiter, Animateure, Moderatoren, Trainer, Fiirsprecherinnen, Zensoren, Tr6ster, Friedensstifterinnen, Unterhalterinnen und Sozialarbeiter". Die mit einer solchen Aufzahlung geweckten Assoziationen lassen all­gemein didaktische Rollenanforderungen - wie sie die Praxis stellt - in einer beispielhaf­ten Palette aufscheinen. Sie wei sen insofem auf die Relativitat der folgenden Darstellung - einer empirischen Untersuchung zu didaktischen Einstellungen und fachdidaktischen Umsetzungen - hin, als diese aus einer grossen unterrichtlichen Komplexitiit eindimen­sionale Erhebungen und Analysen vomimmt. (Diese Bemerkung bringt der Autor aus ei­ner kritischen Distanz zu seiner eigenen Studie an. Auch die folgenden Kapitel 2 und 3 werden aus einer solchen Warte dargelegt)

2 Didaktische Einstellung von Lehrpersonen

Die Studie von Hess (2003) geht den beiden Fragen nach, inwiefem die didaktische Ein­stellung (Belief) von Lehrpersonen der ersten drei Grundschuljahre der aktuellen ma­thematik-didaktischen Stossrichtung entspricht und mit welcher Koharenz die fachdidak­tische Umsetzung wiihrend dezentrierten Lembegleitungsphasen erfolgt.

2.1 Profil der empirischen Studie

Die Stichprobe zur Messung der Beliefs umfasste eine Treatment- (N = 65) und eine Kontrollgruppe (N = 33) aus dem Kanton Thurgau (CH). Die ersteren haben sich im Schuljahr 98/99 (12) auf freiwilliger Basis entschieden, auf das eher konstruktivistisch orientierte Zahlenbuch (Hengartner & Wieland 1995) umzusteigen, wiihrend die Kon­trollgruppe weiterhin mit einem traditionellen Lehrmittel arbeitete (vgl. Abb. 3).

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tl t2 13 I

t4 I

t5 I

I Unterricht mit ZB / mit TG Lehnnittel / Weiterbildung

I

Belief-Erhebung I .. . .... ................ ....... .. ........ ......... ......... .. .... 8elief-Erhebung II

t6 I

I

I I

Utrechter-Test I ... ... ..... .. .. ... ... ... ................ _ ..................... ........ Ut rechter-Test II

Interview

Videostudie

Fragcbogen

Abb. 3: Forschungsplan

Anmerkungen: ZB = Zahlenbuch, TG = Thurgau(er), Weiterbildung = monatliche Weiterbildungs­veranstaltungen (mit Inhalt klinischer Unterrichtsexperimente; vgl. Krauthausen 1998).

Die Messung der Beliefs umfasste einen Pra- und ein Jahr spater einen Posttest (Mess­zeitpunkte t1 und t5). Zwischen den beiden Messzeitpunkten erfolgten in der Treat­mentgruppe verschiedene Interventionen: Schiilertests eingangs des Schuljahres (t2 und t6; Utrechter-Test; vgl. Hengartner & Rothlisberger 1995) mit anschliessenden halbstan­dardisierten Interviews mit Lehrpersonen (13), Weiterbildungsveranstaltungen (zwischen t2 und t6), Videoaufnahme einer Mathematik-Lektion mit Auswertungsgesprach und begleitender Fragebogenerhebung (t4).

Lehrpersonen mit Zahlenbuch: Lehrpersonen mit kantonalem Treatmentgruppe Lehrrnittel: Kontrollgru~e

Untersuchungsteil A: Einstellunl!;skonzept Lehrerinnen 1. bis 3. Klasse

Anzahl Lehrerinen N=65 N=33

Untersuchungsteil C: Mathematischer Schiilertest 1. Klassen

Anzahl Klassen N=23 N=7

Anzahl Schiiler N=334 N=93

Untersuchunl!:steil B: Vi ,.1: 1. Klassen ~ r--

'--'---

Anzahl Klassen N= 12 N=7 I--f-

Abb. 4: Stich proben der drei Untersuchungsteile

Der zweite empirische Teil bestand aus den erwahnten Videoaufnahmen (N = 19), aus welchen die Lehr-/Lemdialoge wahrend dezentrierten Lemphasen herausgefiltert und analysiert wurden. Diese Stichprobe bestand aus einer Teilmenge derjenigen der Einstel­lungsmessung (vgl. Abb. 4). Sie teilt sich wiederum in eine Treatment- (N = 12) und eine Kontrollgruppe (N = 7). Damit die lnteraktionen mit mathematisch schwacheren und

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starkeren Lemem separat ausgewertet werden konnten, losten 334 Schulerinnen und SchUler aus den Treatmentklassen und 93 aus den Kontrollklassen in der ersten Schul­woche der ersten Klasse einen Pra- und Ende des Schuljahres einen Posttest (Utrechter­Test; ebd.).

2.2 Einstellungskonzept und Veranderung

Die (fach-)didaktische Einstellung (belief) unterliegt einer subjektiven Logik mit Struk­turcharakter und tragt je nach theoretischer Position einen grosseren affektiven, kogniti­yen oder konativen (handlungsbezogenen) Anteie. Die Handlungsrelevanz von Beliefs wird in neuerer Zeit auch in Frage gestellt (vgl. Mass 2005, S. 122) bzw. als Verande­rungsresistenz ausgewiesen (vgl. Staub & Stem 1998). In der Sozialpsychologie wird die Nichmbereinstimmung zwischen affektiven, kognitiven und konativen Aspekten auch mit der Dissonanztheorie von Festinger (1959) beschrieben. Bei der Uberprufung des Zusammenhangs zwischen Einstellungskonzepten und didaktischen Handlungen gilt es, zwischen Kompetenzen und Performanzen4 zu unterscheiden und einen kritischen Blick auf analytisch herausgefilterte Verhaltensausschnitte zu werfen, da Verhalten stets in Beziehungsgeschichten eingebunden ist und sensibler Kontextanalysen bedarf. 1m An­schluss an die Studie von Pehkonen und Tomer (1996, S. 6) wurde folgende Definition von Belief vorgenommen: "Beliefs setzen sich aus relativ uberdauemdem subjektivem Wissen von bestimmten Objekten oder Angelegenheiten sowie damit verbundenen Emo­tionen und Haltungen zusammen". In Zusammenhang mit Veranderungsprozessen ist die Formulierung "von relativ iiberdauerndem subjektivem Wissen" von zentraler Bedeu­tung.

Shaw, Davis & McCarty (1991) stellen ein dynamisches und nach heutigen Ge­sichtspunkten pauschales Modell flir den Gesinnungswandel von Lehrpersonen dar (vgl. Abb. 5). Neuere Ansatze (z.B. Gellert 2003, Jungwirth 2004 oder Maass 2005) konnen darin eine Verortung finden. 1m dargestellten Modell konnte die Vision aus einer kon­struktivistischen Orientierung bestehen, welche zur Gestaltung reichhaltiger Lemumge­bungen und einer namrlichen Differenzierung motiviert. Bei der unterrichtlichen Reali­sierung k6nnten StOrungen zur Resignation und einer Ruckkehr zu bewahrten didakti­schen Mustem ruhren. Das entscheidende Moment rur die Veranderung didaktischer Einstellungen liegt in der Bereitschaft, eine Verpflichtung zu ubemehmen, das heisst, die StOrungen zu reflektieren und an der Umsetzung gewisse Anpassungen vorzunehmen. Die Identifikation mit der Vision kann also durch reflektierte Erfahrungen prozesshaft wachs en, bis die padagogische Verpflichtung gegeniiber Verunsicherungen bei Schwie­rigkeiten uberwiegt.

4

Es wird im englischsprachigen Raum seit Jahren eine breite Diskussion zu didaktischen Ein­stellungen bzw. Beliefs gefUhrt. 1m Rahmen dieser Publikation wird die Diskussion nicht auf­gegriffen. Empfohlene Literatur fUr den Einstieg in die Diskussion: Grigutsch (1996), Gri­gutsch, Raatz & Tomer (1998). Es ist schwierig, aus komplexen Unterrichtssituationen isolierte didaktische Kompetenzen von Lehrpersonen zu filtem und sie in einen Zusammenhang mit Beliefs zu stellen. Die im Unter­richt gezeigten Performanzen sind stets im Verbund mit verschiedensten zu erfiillenden Rol­lenerwartungen und zeitlich gewachsener Beziehungsgeschichten (zwischen Lehrpersonen und Lemenden) zu interpretieren.

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234 Kurt Hess

Etwas differenziertere Theorieentwiirfe zu Veranderungsprozessen im Mathematikunter­richt liefert Gellert (2003) mit seinem Beitrag zur Exzeptionalitat (Aussergewohnlich­keit) und Alltaglichkeit der Veranderung von Mathematikunterricht und Jungwirth (2004) mit ihrem Beitrag zu Lehrerpraktiken in Neuerungskontexten.

Kulturumgebung

Vision

reflektiere reflektieren

Storung L-_______ ----' Verpflichtung

reflektieren

Abb. 5: Dynamik des didaktischen Gesinnungswandels (Shaw, Davis & McCarty 1991)

2.2.1 Exzeptionalitat und Alltaglichkeit der Veranderung von Mathematikun­terricht

Gellert (2003) beschreibt zwei Zyklen, die Lehrpersonen bei Veranderungsprozessen durchlaufen. Der eine lasst sich als ein Schwanken zwischen Zufriedenheit und Arbeits­aufwand bezeichnen. Er geht davon aus, dass eine diffuse Unzufriedenheit mit dem Un­terrichtsalltag bei der Lehrperson nach einer Klarung und anschliessend nach einer Er­hohung des Arbeitsaufwandes fiihrt. Wenn Zweifel am Nutzen der Erhohung des Ar­beitsaufwandes autkommen, wird der Arbeitsaufwand wiederum reduziert und zu einer vorher Unzufriedenheit aus16senden Unterrichtspraxis zurUckgekehrt. Als letzte Station des Veranderungsprozesses steht die Zufriedenheit durch Ausbleiben von Misserfolgen. Wahrend der erste Zyklus an Gewohnung orientiert ist, ist der zweite eher am Exzept, das langsam zur Gewohnheit wird bzw. an sich entwickelnden Routinen, orientiert. Die im referierten Ansatz von Shaw, Davis & McCarty (1991) "iibernommenen Verpflich­tung en bei Storungen" sind bei Gellert (2003) als diffuse UnzuJriedenheit mit dem Unter­richtsalltag und Klarung der Ursachen der UnzuJriedenheit sowie als ErhOhung des Ar­beitsaufivandes auszumachen (ebd., S. 159). Ais bedeutsam "erscheinen die Einsicht in die Notwendigkeit von Veranderung sowie die Bereitschaft, Routinen infrage zu stellen, da es im Kern darum geht, ob Routinen aktualisiert oder konserviert werden" (ebd., S. 167). Gellert weist darauf hin, dass der BegriffInnovation nicht statisch im Sinne einer zeitlich begrenzten Massnahme zu verstehen ist, bei der eine als defizitar bewertete Pra­xis moglichst schnell durch eine Idealvorstellung ersetzt wird. Sein Vorschlag beinhaltet, professionelle Entwicklung als kontinuierlichen Vorgang bzw. als Zyklus sich entwi­ckelnder Routinen zu verstehen. Diese dynamische Sicht von Innovation geht einher mit einem "schon wahrend der Studienzeit" (ebd., S. 168) vermittelten Selbstverstandnis ei-

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Lernbegleitung im Mathematikunterricht 235

ner kontinuierlichen beruflichen Fortbildung und der Selbstverstandlichkeit einer beruf­lichen Kooperation.

2.2.2 Lebrerpraktiken in Neuerungskontexten

Jungwirth (2004) untersuchte mit dem soziologisch-ethnografischen Forschungsansatz Praktiken von Lehrpersonen, welche diese in Neuerungskontexten zur Anwendung brin­gen. Ihr "Interesse gilt der Art und Weise, wie Lehrpersonen agieren, wenn Sie drange­hen, ihren Unterricht zu verandern" (ebd. S. 91). Sie richtet also ihren Fokus auf die Binnenperspektive der Lehrpersonen, indem sie auf Memos von diversen Gesprachen mit ihnen, auf Beobachtungen von Gesprachen unter Lehrpersonen, e-mail-Korrespon­denzen, Telefonatsnotizen, Interviews und Videoaufzeichnungen von Unterriehtslektio­nen zurUck greift und naeh ethnografischer Auswertungslogik analysiert und interpre­tiert. Das Spannende an diesem Forschungsansatz ist die Erhebungs- und Aus­wertungsnahe zum Forsehungssubjekt.

Folgende Ergebnisse zu Lehrerpraktiken in Neuerungssituationen hat Jungwirth her­aus gearbeitet:

• Die Vorbereitungen der Lehrpersonen richten sich bei besonderen Formen des Unterrichtens (als Neuerungskontext) auf grosse Linien des Unterrichts. Es wird also zunachst der Rahmen geklart, wann z.B. die zeitlichen Bedingungen be­stimmte Aktivitaten zulassen bzw. begiinstigen. 1m Zweifelsfalle miissen Neue­rungsanliegen den Gegebenheiten angepasst werden, denn das normale schul i­sche Leben geht vor.

• Das Schulbuch ist nicht der alleinige Bezugspunkt in Neuerungskontexten. Die Lehrpersonen recherchieren im Internet, kontaktieren Personen und suchen Bib­liotheken auf, urn passende Aufgaben "fur den anderen Unterricht" zu finden.

• In Neuerungskontexten wandelt sich der Lehrer - metaphoriseh gesprochen -vom "Bastler" zum "Ingenieur". Der Bastler versucht mit dem Material auszu­kommen, das verfugbar ist, der Ingenieur stellt Fragen "an das Universum" und versucht zur Beantwortung neue Mittel zu entwickeln.

• Lehr- und Lernziele spielen in Neuerungskontexten eine beseheidene Rolle. • Wiederkehrend steht das Machbare im Sinne von handlungsrelevantem Wissen

und Alltagslosungen im Zentrum der Antizipation von Neuerungskontexten. Dieses Maehbare kommt in einem Aktionsforschungsprogramm analog den feh­lenden Zielsetzungen aueh ohne konkrete Fragestellungen aus. Die Lehrperso­nen orientieren sich an der Wiederherstellung von Normalitat: "Es wird abge­zielt auf Beseitigung oder Minimierung des Ungewohnlichen, des Zweifels" (ebd. S. 100). Und genau hier setzt der oben dargestellte Vorschlag von Gellert (2003) an: Professionelle Entwicklung sollte nieht statisch im Sinne einer zeit­lich begrenzten Masssnahme, sondern als kontinuierlicher Vorgang bzw. als Zyklus sich entwickelnder Routinen verstanden werden.

• In diesem kritisierten Veranderungsverstandnis bleibt auch die Diskussion iiber didaktische Konzepte aus. Die Lehrpersonen sprechen eher grundsatzliche Posi­tionen wie entdeekendes Lemen an, aber kaum Mathematikspezifisches.

• Die Erwartung eines besonderen mathematisehen Gewinns ist Ausschlag gebend fur das Praktizieren neuer Lernformen.

• Klassische Muster des fragend-entwickelnden Unterrichts greifen auch in neuen Lehr-/Lernsituationen.

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236 Kurt Hess

• In Neuerungskontexten mit Aktionsforschungsprogrammen erfolgen rasche In­terpretationen "Die Daten scheinen fUr sich zu sprechen. Man kann hierin eine Reproduktion der Bewertungspraxis der Profession sehen: Lehrerinnen sind sich gewohnt und entsprechend versiert darin, SchUlerdokumente rasch zu beurteilen und daraus ihre Schliisse zu ziehen" (ebd. S. 99).

Den Lehrpersonen geht es also in Neuerungskontexten vomehmlich urn die Bewaltigung von Unterrichtssituationen und weniger urn die Begrundung und Analyse durch Zielset­zungen bzw. wahrend Aktionsforschungsprogrammen urn Fragestellungen. Die Kardi­nalfrage, warum Veranderungsprozesse im Alltag eingeleitet werden, vermag Jungwirth mit ihrer Untersuchung allerdings nicht schliissig zu klaren, sie gibt uns aber Hinweise, indem sie eine pragmatisch orientierte Handlungstheorie heranzieht: Handeln fUhrt zum Zweifeln, wenn jemand nicht mehr seinen bewahrten Gewohnheiten folgen kann. "Dies ist die Phase des realen Zweifels. Aus dieser Phase heraus fiihrt nur eine Rekonstruktion des unterbrochenen Zusammenhangs. Die Wahmehmung muss neue oder andere Aspek­te der Wirklichkeit erfassen, die Handlung muss an anderen Punkten der Welt ansetzen oder sich selbst umstrukturieren" (Joas, zit. in ebd., S. 106). Diese allgemeinen Aussagen zur Begrundung von Handlungen, die Veranderungen einleiten, lassen uns zur Studie von Hess (2003) zuruckkehren. Aus den Interviewdaten (t3) kann ein Aspekt aus Jung­wirths Forschungsbericht bestatigt werden: Die erste spontane Reaktion auf die Frage, wie die Lehrpersonen mit ihrer heterogenen Klassensituation umgehen, beantworteten die meisten mit einem Achselzucken und dem Kommentar "das machen wir schon ir­gendwie, das sind wir uns gewohnt, das ist halt so" (ebd. S. 218). Die Machbarkeitsfak­ten und die eher sparlich geausserten mathematikdidaktischen Argumente gehen also auch aus dieser Studie hervor. Zudem konnen die meisten Lehrpersonen ihre bewahrten Gewohnheiten (z.B. Seite fUr Seite aus dem Lehrmittel abarbeiten) weiter verfolgen, auch wenn der Interviewer ihnen ein heterogenes Klassenprofil eines Schiilertests - der als Neuerungskontext wahrend der ersten Schulwoche der ersten Primarklasse stattfand­zeigt (vgl. ebd., S. 217-225).

2.3 Messung der didaktischen Einstellung

Die Messung der didaktischen Einstellung erfolgte tiber das erwahnte Instrument Ein­stellungen zum Mathematikunterricht von Staub und Stem (1998), welches einer Uber­setzung aus dem Englischen von Peterson, Fennema, Carpenter & Loef (1989) ent­spricht. In diesem Paper and Pencil-Test beurteilten die Lehrpersonen zu den Messzeit­punkten tl und t5 (N = 98) 48 Glaubenssatze auf einer fUnfteiligen Ratingskala zwischen iiberhaupt nicht einverstanden und sehr einverstanden5

.

Beispiele: • Lehrerinnen und Lehrer sollten SchUler ermutigen, ihre eigenen Losungswege

fUr Mathematikaufgaben zu suchen, auch wenn diese ineffizient sind (Item 2). • SchUler benotigen ausfUhrliche Anleitungen dazu, wie Textaufgaben zu IOsen

sind (Item 46). 1m ersten Beispiel lasst sich die Zustimmung einer konstruktivistischen und die Ableh­nung einer behavioristischen didaktischen Orientierung zuordnen und im zweiten Bei­spiel umgekehrt. Aus der Beurteilung aller Items resultiert fUr jede Lehrpersonen ein

Die vollstandigen Beurteilungskategorien lauteten: iiberhaupt nieht einverstanden, eher einver­standen, unentsehieden, eher nieht einverstanden, iiberhaupt nieht einverstanden.

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Lernbegleitung im Mathematikunterricht 237

numeriseher Wert, der zwischen 1 (konstruktivistische Orientierung) und 5 (behavioristi­sche Orientierung) liegt.

2.4 Hauptergebnisse

Die Lehrpersonen der Treatment- und der Kontrollgruppe orientieren sich nach dem Pra­und Posttest sehr konstruktivistisch (vgl. Tab. 2) und es sind keine statistiseh signifikan­ten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen und Messzeitpunkten (tl und t5) festzu­stell en.

Tab. 2: Mittelwerle aus der Erhebung der didaklischen Einslellung

Treatmentgruppe (N = 65) Kontroligruppe (N = 33) Pratest (t1), M = 2.05 (SD = 0.40) M= 2.15 (SD = 0.37) Posttest (t5) M = 2.00 (SD = 0.40) M = 2.16 (SD = 0.44)

Anmerkung: Die Messzeitpunkte des Pra- und Posttests sind mit 11 und 15 bezeichnet, weil zwi­schen Pra- und Posttest weitere Erhebungen stattfanden (vgl. Abb. 3).

1m Detail ergaben sich aus den Hypothesenprufungen folgende Hauptergebnisse: 1. Unter den Erstklass-Lehrpersonen (Teilmenge der Gesamtstichprobe) zeigten

die Umsteigerinnen aufs Zahlenbueh (Treatmentgruppe) zu den Zeitpunkten tl und t5 eine signifikant konstruktivistischere Orientierung gegenuber der Kon­trollgruppe, welche weiterhin mit einem traditionellen Lehrmittel arbeitete [t (28) = -2.07, p = .048 < .05/ t (28) = -2.50, p = .02 < .05). Dieses Teilergebnis ist von Bedeutung, weil im zweiten Forschungsfenster ausschliesslich Lehrper­sonen mit ersten Klassen in die Videostudie einbezogen wurden.

2. Die didaktisehe Einstellung und der Lehrmittelwechsel sind nieht altersabhan­gIg.

3. Konstruktivistischer orientierte Lehrpersonen besuchten eher Weiterbildungs­kurse, welche dieser Gesinnung entsprechen als behavioristisch orientierte.

4. Der Weehsel auf ein konstruktivistisch orientiertes Lehrmittel wirkte sieh nieht auf die Einstellungskonzepte aus. Diese blieben zwischen den Messzeitpunk­ten t1 und t5 stabil.

5. Die (minimalen) Veranderungen in den didaktisehen Einstellungen k6nnen nieht auf das Lehrmittel zuruekgefiihrt werden.

Die quantitative Studie wurde durch ein Interview mit 30 Erstklass-Lehrpersonen er­ganzt. Darin gaben diese Auskunft (Zeitpunkt t3; naeh der schriftlichen Belief-Erhe­bung), warum sie auf der Ratingskala einzelne Items urn zwei und mehr Einheiten ab­weichend yom konstruktivistischen Pol beurteilten (in Item 2 beurteilten sie z.B. unent­schieden, eher nicht einverstanden oder iiberhaupt nicht einverstanden; vgl. Kap. 2.3). Die qualitative Auswertung der Antworten ergab die in Tab. 3 dargestellten Argumenta­tionstypen, mit welchen die Lehrpersonen ihre behavioristisch orientierten Urteile be­grundeten.

Tab. 3: Begriindungskategorien der Item-Beurteilungen

• Mangelndes Verstehen der Aussage • Spraehprobleme (Fremdspraehigkeit) • Subjektive Interpretation des Items • Aspekte zum aktiv-entdeckenden Lemen

• Argument "schwachere Reehner" • Behavioristische Orientierung

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238 Kurt Hess

Die Begriindungskategorien "mangelndes Verstehen" und "subjektive Interpretation" k6nnen pauschalisiert als ein Antwortgeben auf eine nicht gestellte Frage gedeutet wer­den. Die Kategorien "schwachere Rechner" und "behavioristische Orientierung" sind entweder auf eine Minderheit bezogen behavioristisch geHirbt oder grundsatzlich (vgl. Kap. 1.2 und 2.2.2). Die Antworten zu "Sprachprobleme" verweisen darauf, dass fremd­sprachige Kinder hiiufig die Aufgabenstellung nicht verstehen. Argumente in der Kate­gorie "aktiv-entdeckendes Lemen" weisen in eine konstruktivistische Richtung, fedem aber aus vieWiltigen didaktischen Griinden die Absolutheit der Aussage abo Dies erfolgt im Sinne der Differenzierung zwischen mitverantwortlichem und eigenstandigem Ler­nen, mit Betonung auf ersterem.

Eher behavioristisch beurteilte Items begriinden die Lehrpersonen also mehrheitlich didaktisch und nicht auf der linearen Achse zwischen den erkenntnis- oder lemtheoreti­schen Polen Konstruktivismus und Behaviorismus.

Die Auswertung der Interviews erfolgte uber die von Mayring (1997, S. 62) darge­stellten inhaltsanalytischen Techniken. Nach Sichtung des gesamten Datenmaterials konnten sechs Kategorien gebildet und diesen (mit genugender Interrateriibereinstim­mung) auch Aussagen der Lehrpersonen zugeordnet werden. Es folgte eine erste Paraph­rasierung nach festgelegten Regeln (ebd.). Durch Streichung nicht inhaltstragender Text­stellen und der Ubersetzung auf eine grammatikalische Kurzform lies sen sich gr6bere inhaltliche Ballaste abwerfen. Nach dieser Datemeduktion lagen einheitlich geordnete und auf den substanziellen Kern reduzierte Aussagen vor. Die Textstellen wurden durch Vereinheitlichung des Abstraktionsniveaus und Reduktion durch Selektion (Streichen bedeutungsgleicher Paraphrasen) einer zweiten Paraphrasierung unterzogen. Es folgte eine letzte Zusammenfassung durch Konstruktion und Integration: Paraphrasen mit ahn­lichem Inhalt fanden Zusammenschluss in einer neu konstruierten Kurzform. legliches Streichen von bedeutungsgleichen Textstellen wurde numerisch ausgezahlt und erscheint hinter den paraphrasierten Aussagen als eine in Klammem gesetzte Zahl. Wiederholte bedeutungsgleiche Aussagen derselben Person wurden nicht mitgezahlt.

2.5 Interpretation der Befunde zur didaktischen Einstellung

Das erste Forschungsfenster weist darauf hin, dass die didaktische Einstellung von Lehr­personen der ersten drei Grundschuljahre weit gehend mit dem heutigen mathematik­didaktischen Mainstream ubereinstimmt. "Dafiir sprechen die stabilen Messwerte, die Altersunabhangigkeit und die Resistenz der Einstellungskonzepte gegenuber Interventi­onseinflussen, z.B. durch ein neues Lehrmittel. Auch die mundlichen Argumente der Lehrerinnen zu vorausgehend behavioristisch beurteilten Belief-Items beinhalten keine Rechtfertigung einer Belehrungs-Didaktik. Die Konsequenzen, welche die Lehrerinnen aus den Vortest-Ergebnissen ihrer SchUler ziehen, sind analog: Es uberwiegen didakti­sche Bestrebungen nach narurlicher Binnendifferenzierung, individueller Zielerreichung und sozialem Lemen" (Hess 2003, S. 241). Es bleibt weit gehend eine unbeantwortete Frage, ob Lehrpersonen der unteren Grundschuljahre konstruktivistischer orientiert sind als solche in hOheren Klassen: Eine informelle Nachuntersuchung mit 60 Kindergartne­rinnen - welche sich in einem Nachdiplomkurs zur Grundschullehrerin der ersten und zweiten Klasse nachqualifizieren - ergab, dass diese noch deutlich konstruktivistischer eingestellt sind als die Lehrpersonen der ersten drei Grundschuljahre. Aus einer Untersu­chung von Staub und Stem (1998) mit 27 Grundschullehrem der 3. und 4. Klasse steht

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Lernbegleitung im Mathematikunterricht 239

die didaktische Einstellung mit einem Wert von M = 2.66 zu Buche. In der Fachliteratur sind Hinweise zu finden, dass es flir Lehrpersonen im Verlaufe der Schuljahre zuneh­mend schwieriger wird, padagogisch Wtinschbares fachlich urnzusetzen. In den unteren Klassen besteht jedenfalls eine ausgepragte Vorstellung tiber einen entwicklungsorien­tierten Unterricht, welcher von einem aktiven Lemen und von den Erfahrungen der Schtilerinnen und Schtiler ausgeht (vgl. Gellert 1999).

Die als behavioristisch notierten Abweichungen bei der Beurteilung einzelner Items begrundeten die Lehrpersonen vorwiegend tiber didaktische Bedingungen und Erfahrun­gen mit schwacheren Rechnem und Fremdsprachigen und sie verwiesen auf den ange­sprochenen Funktionsmix, den sie im Unterricht zu erflillen haben (vgl. Kap. 1.3.3). In Anbetracht vorliegender Forschungsergebnisse ware es eine wichtige Aufgabe der Wei­terbildung, die von den Lehrpersonen ausgeschlossenen Schtilergruppen in den Fokus zu nehmen und den Lehrpersonen ein erweitertes didaktisches Repertoire, positive Erfah­rungen und Praxis gebundene Reflexionsm6glichkeiten anzubieten. Solche begleiteten didaktischen Erfahrungen sollten die Chance Offnen, vorhandene Beliefs auf aIle Schtile­rinnen und Schtiler bezogen zu verfolgen und eine padagogische Verpflichtung auch bei auftauchenden Schwierigkeiten zu tibemehmen (vgl. Abb. 5).

Dass der (frei wahlbare) Umstieg auf ein neues Lehrmittel nicht mit dem Einstel­lungskonzept korreliert, kann in verschiedenen altemativen Entscheidungsfaktoren eine Begrundung finden, z.B. in der gestalterischen Gefalligkeit, der Wirksamkeit des Wer­bemanagements oder im Sozialprestige.

Ein weiterer Grund flir die fehlende Korrelation ist darin zu suchen, dass die Treat­ment- und die Kontrollgruppe nicht trennscharf auseinander zu halten sind. "Fast die I-Ialfte der Umsteigerinnen setzt neben dem Zahlenbuch flankierend das kantonale Lehrmittel ein. Umgekehrt orientieren sich 43% der Lehrerinnen, welche hauptsachlich mit dem Thurgauer Lehrmittel unterrichten, auch am Zahlenbuch" (Hess 2003, S. 170). Lehrerin (L 28) unterrichtet z.B. weiterhin mit dem bisherigen Lehrmittel, obwohl aus ihren Einschatzungen ein sehr konstruktivistischer Belief-Wert von 1.7 resultierte. Sie ausserte sieh kurz uncl klar: "Mit clem traclitionellen Lehrmittel kann ieh ebenso einen Unterricht gestalten, wie es die Autoren des Zahlenbuchs vorschlagen" (ebd., S. 169). Die offenbar fliessenden Ubergange zwischen Treatment- und Kontrollgruppe 16sen in empirisch-wissenschaftlicher Hinsicht vielleicht eine Konstemierung aus. Die Mehr­fachorientierung an Lehrmitteln scheint aber eine reale Tatsache zu sein, die - als Teil­ergebnis - in die Daten durchschlagen solI (vgl. Jungwirth 2004).

Es erstaunt nicht, dass die (marginalen) Veranderungen in der didaktischen Einstel­lung unabhangig des eingesetzten Lehrmittels erfolgen. Dies lasst sich tiber die fehlende Trennscharfe zwischen den Vergleichsgruppen und tiber den Stellenwert des Lehrmittels bei der Generierung didaktischer Einstellungskonzepte begrunden. Ein Lehrmittel ist le­diglich gedrucktes Papier, dessen Realisierung und die Interpretation didaktischer Erfah­rungen hangen eher von subjektiven Einstellungen ab als von Intentionen seitens eines Lehrmittels. Die Lehrpersonen bilden also keine (Lehrmittel-)Realitaten ab, sie suchen und entwickeln aus der eigenen Erfahrung heraus ihren didaktischen Weg. "Da Lehrmit­tel keine Direktiven auferlegen k6nnen und sich nicht selbst verwirklichen, tragen die didaktischen Konstruktionen der Lehrerinnen die Verantwortung daflir, auf welchem

6 Vergleich mit den Kindergartnerinnen: M = 1.81, mit Lehrpersonen der ersten Klasse: M = 1.96, mit Lehrpersonen der ersten bis dritten Klasse: M = 2.09. Der Wert I entspricht dem konstruktivistischen, der Wert 5 dem behavioristischen Endpunkt der Skala.

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Weg sie welche Unterrichtinhalte umsetzen und welche Erfahrungen sie damit machen" (ebd., S. 173). Aber eben: Veranderungsprozesse gehen von reflektierten StOrungsque1-len aus, welche z.B. durch SchUler, Kolleginnen, Eltem, Fachartikel etc. hervorgerufen werden. Die Bedeutung der Reflexion und des Perspektivenwechsels bringt die yom Au­tor zugespitzte Erkenntnis von Dick (1996) auf den Punkt: Der Aphorismus Erfahrung ist der beste Lehrer bedarf einer Prazisierung: "Gewohnheiten, die gestort und reflektiert werden, sind der beste Lehrer" (Hess 2003, S. 144; vgl. Abb. 5).

3 Lembegleitung als didaktisches Handeln

Das zweite Forschungsfenster geht dem didaktischen Handeln wahrend dezentrierter Lemphasen nacho Die Fragestellung lautet: "Was tun ( ... ) Lehrpersonen, wenn sie die Kinder beim individuellen Lemen begleiten, ihnen helfen oder sie unterstiitzen?"

Das empirische Design beinhaltet eine videografische Erhebung von 19 Mathematik­Lektionen mit ersten Grundschulklassen (vgl. Abb. 3 und 4). Die Lehrpersonen erhielten den Auftrag, eine Lektion nach freier Themen- und Lehrmittelwahl zu gestalten. Die Hypothesen basierten Analysen der Lehr-ILemdialoge kommen nach der spezifischen Betrachtung der Rolle der Lehrperson wahrend der Lembegleitung zur Darstellung.

3.1 Die Rolle der Lehrperson als Lembegleiterin

Wahrend dezentrierter Lemphasen (z.B. in der Lemwerkstatt oder beim traditionellen Aufgabenlosen) kann die Lehrperson als Begleiterin auf Lemprozesse der SchUler/-innen einwirken. Die Gestaltung mathematisch reichhaltiger Aufgaben ermoglicht es diesen, eigene Zugange mit individuell vorhandenen Ressourcen zu tinden.

Dezentrierte Lemformen rufen nach einem sorgfaltigen Aufbau einer Lem- und Kommunikationskultur, damit es der Lehrperson gelingt, die verfUgbare Zeit von durch­schnittlich 1.5 Minuten pro Lektion und SchUler fUr die Begleitung des mathematischen Lemens effektiv zu nutzen (ebd., S. 196). Die Gestaltungsfreiheiten innerhalb dieser Rolle hangen wesentlich yom Ausmass der Mitverantwortung ab, den die SchUlerinnen und SchUler tibemehmen (konnen) und der lehrerseits vorgenommenen Organisation dieser Lernzeit. Unterrichtspraktisch bedingt dies z.B.: Fremdkontrollen durch Selbst­kontrollen ersetzen, Lempartnerschaften zur Klarung aufgabentechnischer oder organisa­torischer Unsicherheiten einrichten, disziplinarische Angelegenheiten einer teilautono­men Lemkultur tibergeben, Reflexionsgesprache tiber das Lemverhalten anbieten etc. Dies sind mogliche tragende Elemente, damit die Lembegleiterin nicht von anderen Aufgaben und damit verbundener Rollenerwartungen iiberdeckt wird.

Die Qualitat der Lembegleitung hangt auch davon ab, inwiefem sich die Lehrperson wirklich auf den einzelnen Lemprozess einlassen kann. Solange die Sorge urn denjeni­gen SchUler, der die Lemkultur torpedieren konnte, die Prozessbegleitung des Einzelnen einschrankt, sind inhaltliche Analysen der Lembegleitung eher fraglich. Dennoch: Der angesprochene Funktionsmix innerhalb der Rollen, welche die Lehrpersonen wahrend dem Unterricht wahrzunehmen haben, wird es nie ein laborahnliches Setting geben, das keine Rollendiffusionen abbildet. Aus Sicht der Gestalterin und Uberwacherin einer Un­terrichtskultur ist es also verstandlich, wenn die Lehrperson einem SchUler eine ,,Anlei­tung zur Betriebsamkeit" gibt, wenn sie damit einer moglichen StOrung vorbeugen kann. In der folgenden Analyse von Lehr-/Lemdialogen wird ein solches Tun allerdings auf

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Lernbegleitung im Mathematikunterricht 241

das Konto einer belehrenden Lembegleitung verbucht und bleibt mit den angesproche­nen Zweifeln behaften.

3.2 Analyse der Lembegleitung

In den Klassen der 19 videografierten Mathematik-Lektionen setzten 12 hauptsachlich das Zahlenbuch ein (Treatmentgruppe) und 7 das kantonale Lehrmittel (Kontrollgruppe). Die Analyse der Lektionen fasst die praktizierten Unterrichtsformen und die verbalen Ausserungen der Lehrpersonen wahrend der Lembegleitung in Kategorien und unter­zieht sie quantitativen und qualitativen Analysen. Die didaktischen Einstellungen werden mit den Lehr-lLemdialogen verglichen, wei 1 die erkenntnis- und lemtheoretischen Ori­entierungen darin vermutlich eher zum Ausdruck kommen als an einer unterrichtsorgani­satorischen Oberflache. Die Vergleiche zwischen der Begleitung schwacherer und star­kerer Rechner konnten durch vorausgegangene Schlilertests ermoglicht werden7

Aus der Kategorisierung der verbalen Ausserungen wiihrend der Lembegleitung kommen hier lediglich die beiden Hauptkategorien Eingehen auf den Denk oder Lern­weg des Schulers (LB4) und den Schuler aus seinem Denk- und Lernweg reissen, dieser folgt dem Gedankengang der Lehrperson (LB6) zur Darstellung (vgl. ebd., S. 174-185). Die beiden Kategorien spiegeln die theoretisch polarisierten Ansichten konstruktivisti­scher und behavioristischer Auspragung.

"In der belehrend interpretierten Situation erteilt die Lehrerin Handlungsanweisun­gen ohne erkennbaren Bezug zur Lemerfahrung des SchUlers. Der Denkprozess findet in ihrem Kopf statt, der Schuler fiihrt lediglich die Handlung aus" (ebd., S. 200). 1m fol­genden Beispiel eines behavioristisch (belehrend) gepragten Dialogs zwischen der Lehr­person LII und einem SchUler liegt die Rechnung ,,7 + 8" und zwei Stangen mit Steck­kuben (die sie seIber zusammen gesteckt hat) auf dem SchUlertisch.

L: Acht und wie vie 1 gibt zehn? Zwei. Und wie viele bleiben von diesen Sieben ub­rig, wenn du zwei absteckst? (Die Lehrerin steckt zwei Kuben von der Siebner­an die Achterstange)

S: Wenn ich zwei von diesen wegnehme, bleiben noch fiinf. L: Mhm. Undjetzt zahlst du die Funf, die Funfnoch dazu. Zehn und fiinf? S: Funfzehn. L: Gibt fiinfzehn (schreibt es dem SchUler aufs Blatt). Acht und sieben gibt auch

fiinfzehn. (authentisches Transkript von Lehrperson LIl, 21 :52:26 - 22:13: 15) Hier ubemimmt die Lehrperson das Denken, das yom SchUler aufzubauende Struktur­bewusstsein verkommt zur handelnden Betriebsamkeit nach Rezeptur. Das Lemen be­schriinkt sich auf die Durchfiihrung einer diktierten medialen Obersetzung.

Bei der konstruktivistisch orientierten Lembegleitung (LB4) nimmt die Lehrperson die singularen Erfahrungen der SchUler und SchUlerinnen ernst und riickt sie ins Zentrum der Interaktion. Das folgende konstruierte Beispiel stiitzt sich auf den authentischen Dia­log von LII und zeigt eine konstruktivistisch orientierte Moglichkeit im Umgang mit Fehlem auf:

7

L: Sieben und acht. Erklare mir, wie du vorgehst. S: Gibt fiinf.

Mit dies em Sampling liegt eine Verkmzung des Settings Mathematikunterricht VOf, die empi­risch begriindbar ist, dem Anliegen bzw. den Fragestellungen aber nur annaherungsweise ge­niigen k5nnen.

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242 Kurt Hess

L: Zeig mir, wie du das machst. S: (Zahlt acht Finger ab und beginnt beim neunten, sieben weiter zu zahlen. Sobald

zehn Finger gezahlt sind, schliesst er beide Hande und zahlt die restlichen funf des zweiten Summanden. Am Schluss streckt er runfFinger auf.)

L: Aha, du hast zuerst acht gezahlt und nachher sieben. Dann ist runf gleich viel wie sieben zahlen und acht zahlen?

S: Ja. L: Kontrolliere das! S: (Ftihrt ein analoges Zahlprozedere durch) Stirnrnt, gibt auch runf. L: Gibt sieben und acht mehr als sieben? S: Ja sicher. - Au, runf ist weniger als sieben. Ah, ich weiss, ich habe die zehn ver-

gessen, gibt runfzehn. (Konstruierte Variante zum Ausschnitt von Lll) Die Lehrperson geht in diesem Beispiel auf die Erfahrungen des Schtilers ein und gibt weiterfiihrende Impulse. Sie erfahrt seine Losungsstrategie und mit we1chen Hilfsmitteln er zu den Ergebnissen gelangt ist. Die konstruktivistisch orientierte Lernbegleitung tragt analog dem klinischen Interview sensu Piaget auch ein grosses diagnostisches Potenzial.

3.3 Hauptergebnisse

1. Die Lehrpersonen treten (statistisch gesehen) wahrend der halben Lektion in der Funktion der Lernbegleiterin auf (vgl. Abb. 6).

Zeit in Minuten (pro 45-Minutcn-Lcktion) 45

40

35

30

25

20

15

10

• Frontaluntcrricht

[) Lcrnbcglci tung

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Abb. 6: Vergleich zwischen individualisierten Lernbegleitungsphasen und lehrerzentriertem Frontalunterricht

Die Streuung zwischen den einzelnen Lektionen ist aber sehr gross. In 11 von 19 Lektionen gibt es eine signifikante Dominanz von dezentrierten Lernsitua­tionen gegeniiber frontalen Angeboten. Bei Ll7 kornrnt keine Frontalsituation vor und bei L23 iiberwiegt der Frontalunterricht mit ca. 36 Minuten gegeniiber 6 Minuten dezentrierten Lernens.

2. Eine Lektion dauert 45 Minuten, die Lernbegleitung durchschnittlich 23und frontale Unterrichtssequenzen 15.5. Die verbleibenden 6.5 Minuten gehen im

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Wesentlichen auf das Konto Unterrichtsorganisation (z.B. einrichten, aufrau­men). Frontalunterricht setzt sich aus den Varianten fragend-entwickelnder Unterricht, Vorrnachen-Nachmachen, Demonstration, Organisationsklarung, Lehrerrnonolog und Frontalspiel zusammen. Auf die Mittelwerte bezogen ste­hen dezentrierte Lemforrnen in einem ausgewogenen Verhaltnis zu frontalen Sequenzen [t (18) = -1.56,p =.l3 > .05].

3. Die (behavioristisch orientierte) Belehrung uberwiegt gegenuber einer kon­struktivistisch orientierten Lembegieitung [Z = -2.81, p = .01 < .05] (vgl. Abb. 7). Nur in 3 von 19 Lektionen dauert die konstruktivistische Begleitung langer als die belehrende. Es wurden nur die effektiven Sprechzeiten der Lehrperso­nen zu mathematischen Inhalten gemessen (Die Auswertung erfolgte mit der SoftwareViprism®, die auch in der TIMSS-R-Studie verwendet wurde). Die ca. 15 Sekunden, die bei L17 mit einer konstruktivistischen Begleitung zu Buche stehen, bedeuten: Die Lehrperson hat wahrend dieser Zeit mit einem oder meh­reren Schiilem in konstruktivistischem Sinne gesprochen. Zusammen mit den ca. 2.6 Minuten Belehrung ergibt dies bei L17 eine mathematisch-inhaltliche Lembegleitungszeit von knapp 3 Minuten (vgl. Abb. 7). Zum Vergleich: Die Lehrperson hat wahrend der ganzen Lektion (45 Minuten) einen dezentrierten Unterricht angeboten. Sie nutzte den Hauptteil der Lektion (42 Minuten) fur Herumlaufen, organisatorische, aufgabentechnische (z.B. mit welchem Schreibstift solI ich schreiben), disziplinarische und andere Angelegenheiten, welche sich nicht auf einen mathematischen Inhalt bezogen.

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Abb. 7: Dauer der konstruktivistischen und behavioristischen Lernbegleitung pro Lektion

4. Die Lehrpersonen unterstUtzen schwachere und starkere Rechner gleich lang [Z = -.60, p = .55 > .05]. Sie belehren aber eher die schwacheren als die starke­ren [Z = -2.29, p = .02 < .05]. Die Quantitiit der Lembegleitung ist also ver­gleichbar, die Qualitat unterscheidet sich deutlich.

5. Die Einstellungskonzepte spiegeln sich nicht in der Qualitat der Lembeglei­tung. Die konstruktivistische Einstellung korreliert nicht mit einer gleich ge-

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sinnten Lembegleitung und auch nicht in umgekehrter Richtung mit einer ge­ringeren Belehrung [r = -.09,p =.29> .05 und r = .13,p = .30 > .05].

3.4 Interpretation der Befunde zur Lembegleitung

In Abb. 6 fallen die grossen Differenzen zwischen den einzelnen Klassen auf. Insbeson­dere reisst der Unterricht von Lehrperson L17 mit ausschliesslich dezentrierten Lempha­sen aus der Streuung aus. Bei derselben Lehrperson besteht ein deutliches Missverhaltnis in Richtung einer belehrenden Lembegleitung (vgl. Abb. 7). Das Beispiel zeigt deutlich, dass ein dezentrierter Unterricht nicht mit einem konstruktivistisch orientierten Unter­richt gleichgesetzt werden darf. Die didaktische Orientierung der Lehrperson Hisst sich also eher an der Qualitat der Lembegleitung als an didaktischen Lehr- und Lemformen ablesen.

Der erste Befund zeigt eine breite Streuung zwischen frontalen und dezentrierten Un­terrichtsphasen. Er darf als giinstig beurteilt werden, wenn die Unterschiede auf padago­gisch relevante Momente und individuelle Klassensituationen abgestimmt sind. Es ware spannend, solche Momente zu bestimmen und in Relation zu individueUen Klassensitua­tionen auszuleuchten.

Das zweite Ergebnis Offnet einen breiten Interpretationsspielraum. Die konstruktivis­tisch orientierten Lehrpersonen setzen offenbar nicht urn, was sie geme mochten. Hier konnen die Variablen Unterrichtsbedingungen, Rollenkonfusionen und didaktische Kompetenzen in vieWiltige Beziehungen gebracht werden: Vielleicht mochte die Lehr­person den Denkweg des Einzelnen aufuehmen und ihm neue Impulse geben, gleichzei­tig ist sie aber bestrebt, moglichst vielen Kindem eine Begleitung anzubieten. Mogliche Rollenkonflikte konnen z.B. durch relativ kurze Anleitungen zur "bewusstlosen Beschaf­tigung" gelOst werden. Es ware allerdings eine unzulassige VerkUrzung, wenn die Beleh­rung ausschliesslich auf den Faktor Zeit und die Rollenkonflikte zurUckgefuhrt wiirden. Auch die dritte Variable der didaktischen Handlungskompetenzen muss ins Spiel ge­bracht werden (vgl. Gellert 1999). Die kommunikativen Fahigkeiten und Absichten der Lehrperson sowie die Autonomie einer Lemkultur konnten die Bedingungen und damit die Qualitiit des einzelnen Lehr-lLemdialogs wesentlich verbessem. Wenn die Lehrper­sonen in einer Richtung suchen, die sie im Unterricht nicht oder nur unbefriedigend um­setzen konnen, sollte die Lehrerinnen- und Lehrerweiterbildung bei den Handlungskom­petenzen der Lehrpersonen ansetzen. Das Verhaltnis zu den Unterrichtsbedingungen und den Rollenkonflikten kann sich dadurch neu einstellen.

Zum dritten Ergebnis: Es darf als positives Zeichen beziiglich des Umgangs mit He­terogenitat gewertet werden, wenn sich die Lehrpersonen gleich viel Zeit nehmen fur die Begleitung schwacherer und starkerer Rechner. 1m Interview ausserten aber einige, dass es vor aHem starkeren vorbehalten sei, aktiv-entdeckend zu lemen. Diese Einschrankung losen die Lehrpersonen dadurch ein, dass sie den schwacheren eher Anleitungen zu einer Betriebsarnkeit geben, wohingegen starkere eher Impulse fur ein aktiv-entdeckendes Lemen erhaIten. Dies entspricht einer ungerechten Verteilung von Bildungschancen (vgl. Hess 2004a), zumal es geniigend Hinweise dafur gibt, dass ein aktiv-entdeckendes Lemen auch bei Schiilerinnen und SchUlem mit besonderen Lembediirfnissen greifen wiirde (vgl. z.B. Scherer 1995; Moser Opitz 2001).

Der vierte Befund deutet daraufhin, dass weniger der Faktor zeitliche Ressourcen als vielmehr die Handlungskompetenzen im dynamischen Verbund mit den (nicht aufgebau-

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ten) Unterrichtsbedingungen und den Rollenkonfusionen in Richtung einer behavioris­tisch gepragten Lembegleitung fuhren.

4 Didaktische Konsequenzen

4.1 Schlussbemerkungen zu den Hauptergebnissen

Vie1erorts finden (in der Schweiz) hitzige Diskussionen iiber die Lehrrnittelwahl und die Stufen iibergreifende Kompatibilitat unterschiedlicher Lehrwerke statt, in der Meinung, die Konzeptionen wiirden a) eins zu eins im Unterricht abgebildet und b) die Schiilerin­nen und SchUler wiirden sich lehrrnittelspezifische Wissensstrukturen aufbauen. Die the­oretischen Ausfiihrungen sowie die Ergebnisse zur didaktischen Einstellung und zur Lembegleitung zeigen, dass die Lehrpersonen in konstruktivistischer Richtung suchen, notabene unabhangig von unterrichtlich eingesetzten Lehrrnitte1n und dahinter liegender fachdidaktischer Konzeptionen. Die Lehrpersonen gestalten ihre Mathematik-Lektionen entsprechend eigener Absichten und Kompetenzen und es lassen sich weder in der di­daktischen Unterrichtsgestaltung (z.B. beziiglich natiirlicher Differenzierung) noch be­ziiglich der Qualitat der Lembegleitung greifbare Lehrrnitte1einfliisse eruieren.

Die drei wichtigsten Befunde der Studie stecken den Rahmen fur die Ziehung von Konsequenzen:

• Die Lehrpersonen zeigen eine deutlich konstruktivistische didaktische Orientie­rung.

• Es besteht eine geringe Koharenz zwischen der Einstellung und der didaktischen Umsetzung wahrend der individuellen Lembegleitung.

• Schwachere Rechner sind beziiglich Unterstiitzung des individuellen Lemens benachteiligt.

4.2 Konsequenzen fUr die Lehrerinnen- und Lehrerbildung

Didaktische Einstellungen bestehen aus einem relativ iiberdauemden sUbjektiven Wissen und damit verbundenen Emotionen und Haltungen. Daher sollten angehende Lehrperso­nen ihre Erfahrungen aus der eigenen Schulzeit mit neuen Lehr- und Lemerfahrungen erweitem k6nnen. In dieser Richtung reflektierte Erfahrungen zielen darauf ab, dass die Studierenden auch bei StOrungen angepeilte Visionen verfolgen und gemachte Erfahrun­gen nicht auf dem Konto "unrealisierbare Theorie" abhaken.

Realistische bzw. realisierbare Konsequenzen zum Befund, dass eine konstruktivis­tisch orientierte Lembegleitung nur bescheiden umgesetzt wird, sind auch auf allgemein didaktischer Ebene anzusiedeln. Sobald sich angehende Lehrpersonen weniger an ihren eigenen Lehrhandlungen orientieren, sondem das aktive Lemen der Kinder ins Zentrum rUcken, ist ein Schritt in die gewiinschte Richtung getan. Der weiter fiihrende Aufbau konstruktivistisch orientierter Unterrichtskonzeptionen ist an "langerfristige Entwick­lungsprozesse gebunden, die erst im Zuge reflektierter Lemerfahrungen Bildungsres­sourcen freilegen" (Hess 2003, S. 248; vgl. Hess 2004b). Damit sind auch konkrete Er­wartungen an die Weiterbildung verbunden.

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4.3 Konsequenzen fUr die Weiterbildung

Die referierte Studie weist einerseits auf die konstruktivistische Einstellung der Lehrper­sonen hin und andererseits auf deren dtirftige ~msetzung wahrend der Lembegleitung. Diese Diskrepanz erzeugt bei den Lehrpersonen ein Bediirfnis nach einer Weiterbildung, in der sie ihre ungelosten Fragen stellen durfen. (Derart prasentieren sich viele Lehrper­sonen dem Autor, der auch Weiterbildungskurse leitet) Es spielt keine Rolle, ob die Lehrpersonen ihre Fragen auf die Unterrichtsbedingungen, auf die Erweiterung didaktischer Handlungskompetenzen, die multipel zu erfiillenden Rollen oder auf die Unterrichtskultur beziehen: Sie erwarten, dass sie mit ihren singula­ren Erfahrungen ernst genommen werden und auf ihrem didaktischen Lemweg neue Im­pulse und erweiterte Reflexionsmoglichkeiten erhalten. Insofem gelten die dargestellten Konsequenzen beziiglich Grundausbildung - Auseinandersetzung mit der eigenen didak­tischen Einstellung, Konfrontation mit den singularen Lehr- und Lemerfahrungen, Ori­entierung am aktiven Lemen und Selbsterfahrungen mit konstruktivistisch orientierten Lehr- und Lemformen - auch fur die Weiterbildung. Erst wenn die Reflexion und die Erweiterung konkreter Erfahrungen durch neue Impulse im Zentrum stehen, bieten ab­strakte theoretische Hintergrunde individuelle und empirisch prufbare Zugange. Die Weiterbildung solI also analog der Desiderata zum Anfangsunterricht an bereits gemach­ten Erfahrungen anknupfen (vgl. Selter 1995). Sie braucht nicht bei "Stunde Null" zu beginnen "und aus einer theoretischen Wolke heraus Botschaften zu verbreiten" (Hess 2003, S. 252).

4.4 Sonderpadagogische Anspriiche

Der dritte Hauptbefund geht aus der Analyse der Lembegleitung schwacherer Rechne­rinnen und Rechner hervor: Diese erhalten eher eine Anleitung zur Betriebsamkeit, wo­hingegen starkere eher Impulse in Richtung eines aktiven und konstruktiven Lemens er­halten. Mogliche Interpretationen fiihren neben den Handlungskompetenzen der Lehr­personen auch ungiinstige Unterrichtsbedingungen (z.B. Klassengrossen) und simultan zu erfiillende Lehrerrollen an.

Es bleibt festzuhalten, dass die qualitativ unterschiedliche Lembegleitung schwache­rer und starkerer Rechner einer ungerechten Verteilung von Bildungschancen entspricht. Es gibt genugend Belege dafiir, dass alle Lemenden - also unabhiingig ihres Lemverhal­tens und Leistungsvermogens - von einem aktiven und Verstehen erzeugenden Lemen profitieren. Wenn den Lehrpersonen Verstandnis entgegengebracht wird, dass sie die notwendige Zeit fiir eine konstruktivistisch orientierte Begleitung schwacherer Rechner nicht aufbringen konnen, weil sie neben der Begleitung aller Kinder auch eine Lernkul­tur aufrecht zu erhalten haben, dann sind die Bedingungen zu hinterfragen. (vgl. Hess 2004a)

Vieles lasst sich uber eine relativ autonome Lem- und Kommunikationskultur in dem Sinne regulieren, dass die Lehrperson einen erweiterten zeitlichen Spielraum fUr die Lembegleitung erhiilt. In integrativen Schulmodellen mit Schulischen Sonderpiidagogen im Unterricht konnen zudem die personellen Ressourcen der Grundschullehrpersonen wesentlich erweitert werden.

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Adresse des Autors

Dr. phil. Kurt Hess Piidagogische Hochschule Zentralschweiz - PHZ Zug Institut fur Bildungsmanagement und Bildungsokonomie Zugerbergstrasse 3 CH-6300 Zug

Manuskripteingang: 30. September 2004 Typoskripteingang: 30. September 2005


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