Leitlinienorientierte Interventionen bei einer ... · 24 Punkte LPK Baden-Württemberg...

Leitlinienorientierte Interventionen bei einer Tabakabhängigkeit –

Aufgaben in der ambulanten und stationären Versorgung

Anil BatraSektion Suchtmedizin und Suchtforschung

Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Prof. Dr. A. Batra, Sektion Suchtmedizin und Suchtforschung – Universitätsklinik Tübingen

Anteil der nikotinabhängigen Raucher

SAMHSA (2005), Results from the 20004 National Survey on Drug Use & Health


Wozu Leitlinien?

vielfältige, kaum zu überblickende Behandlungsangebote

Techniken unter-schiedlichster Genese, Fundierung, Vorgehens-weise, Effektivität und Evidenzbasierung

Angehörige von Gesundheitsberufen mit suchttherapeutischer Ausbildung sowie Personen außerhalb der zugelassenen Heilberufe


Wachsende Bedeutung von Leitlinien

Leitlinien sind eines der wichtigsten Instrumente des Qualitätsmanagements.Dabei ist die Integration von Leitlinien in Qualitätsmanagementprogramme die effektivste Leitlinien-Implementierungsmaßnahme. Die Berücksichtigung evidenzbasierter Leitlinien in vertragsärztlichen Versorgungsprogrammen (Disease Management und hausärztliche Versorgung) ist durch das SGB V gesetzlich vorgeschrieben.

Ollenschläger et al., 2007


Publizierte Leitlinien

U.S. Department of Health and Human Service. Clinical Practice Guideline. Treating Tobacco Use and Dependence 2008 American Psychiatric Association. Practice guidelines for the treatment of patients with substance use disorders. Treatment Of Nicotine Dependence 2006WHO Europe: Evidence Based Recommendations on the Treatment of Tobacco Dependence 2001Swedish Guidelines 1998UK Guidelines 2000 German Guidelines:● Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft:

Therapieempfehlungen Tabakabhängigkeit, 2010 www.akdae.de● Ausarbeitung der AWMF S3-Leitlinien durch DG-Sucht, DGPPN u.a. bis

2012● Tabakentwöhnung bei COPD - S3 Leitlinie der Dt.Gesellschaft für

Pneumologie. Pneumologie, 2008. 62(5):255-272.

http://www.akdae.de/


Quellen (Metaanalysen, kontrollierte Studien, Reviews)

Quellleitlinien

Cochrane Database (Cochrane StudyGroup) (Cochrane Reviews) The Cochrane Library, Oxford: Update Software

Medline, Pubmed, Psychlit, Psycinfo


Inhalte von Leitlinien

Diagnostik

Niederschwellige Motivationsstrategien

Psychotherapeutische Programme

Medikamentöse Hilfen

Empfehlungen zum Umgang mit speziellen Problemen in der Beratung und Behandlung (Jugendliche, Schwangere, psychiatrische Komorbidität)


Diagnostik: Messinstrumente für Nikotinabhängigkeit

Fagerström Tolerance Questionnaire (FTQ) (Fagerström, 1978)

Fagerström Test for Nicotine Dependence (FTND) (Heatherton et al., 1991)

Heaviness of Smoking Index (HSI) (Heatherton et al., 1989)

Nicotine Dependence Syndrome Scale (NDSS) (Shiffman et al., 2004)

Cigarette Dependence Scale (CDS, Etter et al. 2003)


Evidenzbasierte Tabakentwöhnung

Motivierende Gesprächsführung

Individuelle Beratung

Verhaltenstherapeutisch orientierte Gruppen- und Einzelbehandlung

Medikamentöse Unterstützung


„Psychotherapeutische“ Schwerpunkte

Aufforderung zum Rauchverzicht


Verhaltenstherapeutische Methoden ● Einzeln oder

in der Gruppe


Effektivität der Ärztlichen Anweisung

Therapieform Studienarme OR Abstinenzquote

Keine Anweisung 9 1,0 7,9

Ärztl. Anweisung 10 1,3(1,1-1,6)

10,2(8,5-12,0)

Jeder Arzt sollte seinen rauchenden Patienten dringend raten, den Tabakkonsum aufzugeben (Evidenz A),

aber: Effekte sind gering

US Guideline, 2000/2008



Motivational Interviewing (Miller & Rollnick)

Wenn ich mich selbst reden höre, lerne ich, was ich glaube...

…die eigenen Worte sind überzeugender als die Worte einer

anderen Person


Kurzinterventionen

Abfragen des Rauchstatus ("Ask"):

Anraten des Rauchverzichts ("Advise"):

Ansprechen der Aufhörmotivation („Assess“):

Assistieren beim Rauchverzicht („Assist“):

Arrangieren der Nachbetreuen („Arrange“):

Die 5 A´s

Bezug herstellen (Relevance)

Risiken benennen (Risks)

Vorteile des Rauchstopps verdeutlichen (Rewards)

Hindernisse und Schwierigkeiten ansprechen (Roadblocks)

Wiederholen (Repetition)

Die 5 R´s


Einfluss der Dauer von Kurzinterventionen

Therapieform Studien-arme

OR Abstinenz-quote

Kein Kontakt 30 1,0 10,9

MinimalerKontakt (<3min)

19 1,3(1,01-1,6)

13,4(10,9-16,1)

Mässiger Kontakt(3-10min)

16 1,6(1,2-2,0)

16,0(12,8-19,2)

IntensiverKontakt (>10min)

55 2,3(2,0-2,7)

22,1(19,4-24,7)



Effektivität diverser Interventionsformen

Therapieform Studien-arme

OR Abstinenz- quote

Keine Unterstützung

20 1,0 10,8

Selbsthilfe 93 1,2 (1,02-1,3)

12,3 (10,9-13,6)

Proactive Telefonberatung

26 1,2 (1,1-1,4)

13,1 (11,4-14,8)

Gruppenberatung 52 1,3 (1,1-1,6)

13,9 (11,6-19,1)

Individuelle Beratung

67 1,7 (1,4-2,0)

16,8 (14,7-19,1)



Optimale Therapiebedingungen

91-300 min totale Therapiezeit (OR 3,2, 28,4% vs. 11,0%)

> 8 Sitzungen (OR 2,3, 24,/% vs. 12,4%)

Ärztliche Unterstützung (OR 2,2, 19,9% vs. 10,2%)

Individuelle Unterstützung (OR 1,7, 16,8% vs. 10,8%)

Evidenz: A

AWMF-Leitlinie, 2004


Inhalte der Verhaltenstherapie

Motivationsförderung (Informationen, Vorteilsbegründung)

Abstinenz-vorbereitung Verhaltensbeobachtung, Identifikation von

Risikosituationen Stimulus-/Selbstkontrolle Vertragsmanagement, soziale Unterstützung

Konsum-beendigung

Operante Verstärkung, Feedback Aufbau von Alternativverhalten Entspannungstraining Vermittlung gesundheitsförderlichen Verhaltens

Stabilisierung

Rückfallverhütung (Rollenspiele, kognitive Vorbereitung)


Formen medikamentöser Unterstützung

Nikotinersatztherapie● Pflaster● Kaugummi● Sublingualtablette● Lutschtablette● Inhaler● (Mundspray)● (Nasalspray)

Bupropion

Vareniclin

(Cytisin)


Beratung mit und ohne Medikation

Therapieform Studienarme OR Abstinenzquote

Counseling 11 1,0 14,6

Medikation und Counseling

13 1,7 (1,7)

22,1 (18,1-26,8)

Die Kombination ist wirkungsvoller als einzelne Komponenten (A)

US Guideline 2008


2,3

1,7

3 2,9

2,2

3,8

1,7

1,2

1,71,5

1,8

2,5

1,9

1,5

2,32,1 2

3,1

1

1,5

2

2,5

3

3,5

Pflaste

r 6-14

wo

Kaugu

mmi 6-14

wo

Spray

Inhale

r

Buprop

ionVare

niclin

e

OR

x

Evidenz der Effektivität (vs. Placebo)(US Guideline 2008) N=83 Studien


Curriculum Tabakentwöhnung der Bundesärztekammer

Zielgruppe: Ärzte

Umfang: 20 Stunden kombiniert in einem „Blended Learning“-Format (8 Std.) + zwei Präsenzeinheiten (12 Stunden)

Anbieter: Bezirksärztekammer Südwürttemberg / Nordrheinische Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung u.a.

Informationen:Tel.:030 / 400456412 Email: [email protected]


Inhalte des BÄK-Curriculums

Das Tabakproblem im gesellschaftlichen Kontext, Strategien der Tabakkontrollpolitik und ärztliche Interventionsmöglichkeiten

Gesundheitliche Folgen des Tabakkonsums und des Rauchstopps

Grundlagen der Tabakabhängigkeit

Methoden der Tabakentwöhnung

Patientenansprache, Diagnostik und Intervention

Implementierung der Tabakentwöhnung am ärztlichen Arbeitsplatz


IRT-ProgrammVerhaltenstherapeutisches Gruppenprogramm

Inhalte: vorangestelltes E-Learning Modul /Tabakabhängigkeit, Motivationsstrategien, Therapieelemente, Vermittlung Kurskonzept, Rollenspiele

Dauer / Umfang: 2 Tage / 20 Stunden

24 Punkte LÄK Bayern

Teilnehmergebühr: 550 Euro (inklusive: Zertifikat, Schulungsunterlagen, Zugang zu Internetportal )

Institut für Raucherberatung & TabakentwöhnungLimburgstraße 16a81539 München Telefon: 089 / 68 99 95 11Email:[email protected]:http://www.rauchfreiwerden.de/


Rauchfrei-Programm

Verhaltenstherapeutisches Gruppenprogramm

Inhalte: Tabakabhängigkeit, Motivationsstrategien Therapieelemente, Vermittlung Kurskonzept, Rollenspiele

verkürzte Schulungen für Personen mit psychotherapeutischen Zusatzqualifikationen.


Teilnehmergebühr: 950,- Euro (inklusive: Zertifikat, Schulungsunterlagen, Getränke)

IFT Gesundheitsförderung Gesellschaft mbHHerrn Danilo BraunMontsalvatstr. 1480804 München Tel.: 089 / 360804-91E-Mail:[email protected]://www.rauchfrei-programm.de


Nichtraucher in 6 Wochen

Arbeitskreis RaucherentwöhnungHerrenbergerstr. 2372070 TübingenTel. 07071/29-8 83666Email:[email protected]:http://www.medizin.uni-tuebingen.de/ukpp

Verhaltenstherapeutisches Gruppenprogramm

Inhalte: Tabakabhängigkeit, Motivationsstrategien, Therapieelemente, Vermittlung Kurskonzept, Rollenspiele


24 Punkte LPK Baden-Württemberg

Teilnehmergebühr: 300,- Euro (inklusive: Zertifikat, Schulungsunterlagen, Getränke und Verpflegung)


„Teachable moment“ – Initiativen im ambulanten und stationären Setting

Gesundheitliche Probleme und akute Risiken● stärken die kognitive Dissonanz● schaffen ein verändertes Bewusstsein für die

Problematik des Rauchens ● erhöhen die Aufhörmotivation

„Potential“ für mögliche Beratungen und Kurzinterventionen

Strukturierte Raucherberatung im stationären Setting dringend indiziert


Weiterbehandlung nach stationärer Motivationsbehandlung

RAUCHFREI-FAXDas ABC der Raucherberatung &

Fax-to-Quit

…………

A

Erfassung des Tabakkonsums

B

Information und Beratung

C

Einleitung einer Behandlung

ABC - Beratungsalgorithmus


Maßnahmen zur Implementierung in der Praxis

● Einbeziehen des Praxisteams ● Rauchverhalten der Praxismitarbeiter thematisieren● Bilden eines Entwöhnungsteams ● mit dem Team Aufgaben identifizieren und zuweisen

▐ organisatorischer Ablauf der Tabakentwöhnung▐ Checklisten und Dokumentationshilfen ▐ Info-Material erstellen/beschaffen (Flyer, Poster)▐ Recherchen zu regionalen Beratungsangeboten

● Schulung/Einweisung des Teams ▐ organisatorischer Ablauf der Tabakentwöhnung▐ Vermittlung von Grundlagen der Tabakentwöhnung

● Regelmäßige Informations- und Beratungsangebote● Proaktive Haltung in der Motivationsarbeit


Finanzierung der Tabakentwöhnung

Aktuelle Situation:● Finanzierung von Tabakentwöhnungsgruppen

durch die Krankenkassen auf freiwilliger Basis im Rahmen des §20 SGB V (Prävention)

● Keine Finanzierung medikamentöser Hilfen● Keine direkte Finanzierung der Leistungen von

medizinischen Berufsgruppen


Handlungsbedarf

Anerkennung der Tabakabhängigkeit durch KrankenkassenAusarbeitung von Identifikationskriterien für die Bewilligung von LeistungenStärkere Berücksichtigung tabakbezogener Störungen in der Aus- und Weiterbildung von GesundheitsberufenVerankerung der Raucherberatung und Tabakentwöhnung im ambulanten und stationären SettingFinanzierung der Beratung und Behandlung von Rauchern

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit

Date post:	04-Aug-2019
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