LEHMBAU-REGELN UND DIE NEUE DIN

Auswirkungen für die Gebäudebewertung

FACHVORTRAG

anlässlich der SBW Sachverständigen Jahrestagung 2014

von Dipl.Ing Olaf Paproth

1 Einführung

1.1 Was will der Vortrag?

Der Lehmbau ist zwar eine der ältesten und dauerhaftesten Bauweisen und doch ist er heute eine

Seltenheit. Kaum ein Sachverständiger im Bauwesen hat von ihm nennenswertes Wissen. Dennoch

existieren schon geraume Zeit verbindliche Regeln für den Lehmbau und seit Mitte 2013 auch wie-

der die ersten DIN-Normen. Die davor zuletzt gültigen DIN-Normen wurden erst in den 1970er Jah-

ren außer Kraft gesetzt, weil daran kein Bedarf mehr bestand. Zuvor waren sie nach dem Krieg, in

den Aufbauzeiten, wieder neu eingesetzt worden, damit auch mit diesem „Armeleutebaustoff“ das

nötigste getan werden konnte. Seit Mitte der 1980er Jahre entwickelte sich der Lehmbau neu, ange-

trieben von engagierten Denkmalpflegern und der Öko-Bewegung.

Dieser Vortrag will anhand der Existenz der Lehmbau-Regeln und der DIN-Normen einen Einblick in

den Stand der Technik des Lehmbaus heute geben. Im Idealfall kann er zur weiteren Beschäftigung

mit einem der idealsten Baustoffe überhaupt anregen. Dazu werde ich mir erlauben hier und da

starke Worte zu benutzen. Wenn Sie mir nicht glauben, überprüfen Sie es. Dann habe ich mit die-

sem Vortrag mein Ziel erreicht.

1.2 Vorurteile über Lehmbau

Lehm ist ein altertümlicher, wenig haltbarer, auf der Baustelle unpraktisch zu verarbeitender Baustoff,

der höchstens in kaputten Fachwerkhäusern vorkommt. Sinn macht er nur in solcherart Denkmälern

aus historischer Sicht und nicht weil es ein „richtiger“ Baustoff wäre. - Mit Verlaub, das ist völliger

Blödsinn.

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2 Das Bauen mit Lehm heute

2.1 Übersicht über die Bandbreite des Lehmbaus

Lehmbauprodukte werden im Roh- und Ausbau eingesetzt. Ein Schwerpunkt sind sicher die verschie-

denen Lehmunter- und Oberputze. Das schließt edle, farbige Designputze mit ein. Ein weiterer, deut-

lich wachsender Bereich ist die Innendämmung vorhandener Bausubstanz jeden Alters. Einen guten

Überblick gibt die Darstellung der Firma Claytec-Baustoffe aus Lehm: www.claytec.de/produkte/

bautechniken.html

http://www.claytec.de/produkte/bautechniken.html

2.2 Warum wird heute mit Lehm gebaut?

Warum gibt es eine geraume Anzahl von soliden, mittelständischen Unternehmen, die Lehmbaustof-

fe produzieren und andere, die sie verarbeiten? Nicht wenige leben ausschließlich von Bauen mit

Lehm. Es gibt fünf Hauptgründe für die Entscheidung für Lehmbaustoffe:

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1. Raumklima und Wohngesundheit

2. Ästhetik und Oberflächen

3. Bautechnische bzw. bauphysikalische Vorteile

4. Umweltverträglichkeit

5. Denkmalpflege

Zu 1. In Bezug ein gutes Raumklima – das sollte die oberste Pflicht der Architekten und Ingenieure

sein – sind Holz und Lehm allen anderen Raum umschließenden Baustoffen um Längen überlegen.

Wasserdampfadsorption von Oberflächenaufbauten bei 50/80/50 % rel. Luftfeuchte

Zu 2. Lehmbaustoffe bieten eine eigene und doch auch vielfältige Ästhetik. Die Oberflächen strah-

len eine eigene, harmonische Natürlichkeit aus, solange sie nicht mit künstlichen Zusätzen vermischt

werden. Die Bandbreite erstreckt sich vom Charme eines Jahrhunderte alten Fachwerkhauses, bis

zum modernen Museum.

Zu 3. Die guten Eigenschaften in puncto Wasserdampfadsorption und kapillarer Leitfähigkeit ha-

ben vielfältige Vorteile im modernen Bauen mit großen Dämmstärken und luftdichten Außenhüllen.

Es ist sicher zu viel gesagt, dass Lehmputze von bestimmter Stärke Be- und Entfüftungsanlagen über-

flüssig machen, doch gibt es aktuell laufende, EU-geförderte Forschungen, die dies zum Thema ha-

ben. Man kann davon ausgehen, dass Lehmputze die Dimensionierung dieser Anlagen verändern

können.

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Ein weiteres bauphysikalisches Thema ist die Innendämmung, die nur mit dem Einsatz von kapillar-

leitfähigen und wasserdampfsorptionsfähigen Materialien zuverlässig funktioniert. Dazu kommen wir

in einem weiterem Vortrag morgen.

http://www.claytec.de/referenzprojekte.html

Zu 4. Die Umweltverträglichkeit wird u.a. durch NaturePlus bestätigt. Lehmbaustoffe können ohne

Qualitätsverlust wiederverwendet werden. Und das nach Jahrhunderten und so oft Sie wollen. Lehm-

baustoffe sind diejenigen Massivbaustoffe mit dem geringsten Primärenergieverbrauch. Es ginge

hier zu weit in die Einzelheiten zu gehen. Schauen Sie sich bei www.natureplus.de um.

Zu 5. Zum Thema Denkmalpflege braucht an dieser Stelle nicht viel gesagt zu werden. Da vermu-

tet man ja eh alten Lehm. Im Fachwerkbau sind z.B. Leichtlehmsteine, vermauert mit Lehmmörtel,

die idealen Materialien. Die Kombination Lehm und Holz ist für die Dauerhaftigkeit der Holzkon-

struktion die best mögliche.

3 Relevanz für die Gebäudebewertung

Zitat eines Lehmbaustoffproduzenten: „Wenn wir die Kapazitäten von Knauf hätten, wären wir mit

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unserer Jahresproduktion am 2. Januar um 14 h fertig. Und das hat nur so lange gedauert, weil der

1. Januar ein Feiertag ist.“ Gut, die Relevanz von Lehmbaustoffen ist für den sachverständigen Gut-

achter also eher gering. Andererseits scheint es ja gute Gründe für das Bauen mit Lehm zu geben,

weshalb es ein wachsender Markt ist.

Gleichzeitig ist das Thema ökologische Nachhaltigkeit ein stetig wichtigeres Qualitätsmerkmal. Das

wird an der Wertermittlung von Gebäuden nicht spurlos vorbei gehen. Denken Sie allein an das

Thema von als Sondermüll zu entsorgender Baustoffe. Das kann teuer werden und – sollte – in der

Wertermittlung berücksichtigt werden. Lehmbaustoffe sind in diesem Sinne wertsteigernd.

Ebenso das Thema Wohnklima, Wohngesundheit. Die Zahl der durch Baustoffe ausgelösten Allergi-

en wächst beängstigend. In meiner täglichen Beratungspraxis habe ich im Schnitt etwa alle zwei Wo-

chen mit einem konkreten Fall zu tun, bei dem es nötig ist Allergie auslösende Baustoffe durch

Lehmbaustoffe zu ersetzen. Bisher ist es unbekannt, das Lehmbaustoffe Allergien auslösen können.

Dagegen können sie Schadstoffe aus der Luft binden. Also – sollte – auch das Thema Wohngesund-

heit den Gebäudewert beeinflussen. Damit bekommt auch der Lehmbau eine größere Relevanz.

4 Regeln und Normen im Lehmbau

Für den Sachverständigen ist es wichtig die einschlägigen Regeln und Normen zu kennen. Er kann

sicher nicht alle auswendig „vorbeten“, aber er sollte wissen, das es sie gibt und wo sie zu finden

sind. Glücklicherweise sind das im Lehmbau noch nicht allzu viele. Wissen sollten Sie, dass es den

Dachverband Lehm gibt (www.dachverband-lehm.de). Er hat die „Lehmbau-Regeln“ als als verbind-

lich anerkannten Stand der Technik definiert und herausgegeben. Er hat zusätzlich technische Merk-

blätter zur Verarbeitung von Lehmbaustoffen veröffentlicht, auf die sich ebenfalls berufen werden

kann. Der Dachverband Lehm war es auch, der die seit Mitte 2013 gültigen DIN-Normen für Lehm-

baustoffe entwickelt hat.

Die Lehmbau DIN-Normen definieren Produkteigenschaften von industriell produzierten Lehmbau-

stoffen. Sie gelten also nicht für örtlich hergestellte Baumaterialien aus Lehm. Es sind die folgenden

drei Normen:

Lehmsteine – DIN 18945

Lehmmauermörtel – DIN 18946

Lehmputzmörtel - DIN 18947

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Erlauben Sie mir es an dieser Stelle etwas langweilig zu finden mit Ihnen die Normen im Einzelnen

„durchzukauen“. Mir ist es hier wichtig, wie schon gesagt, dass Sie wissen, dass es sie gibt für den

Fall, dass Sie sie benötigen. Hier sind beispielhaft die in der DIN 18947 festgelegten Materialeigen-

schaften für Lehmputzmörtel dargestellt.

http://www.claytec.de/produkte/baustoffe-nach-din.html

Neben den Lehmbau-Regeln des Dachverband Lehm kommen wir Sachverständige auch nicht um

das aktuelle Standardwerk des Lehmbaus „Lehmbau-Praxis“ von Röhlen und Ziegert in einer zweiten

und aktualisierten Ausgabe herum (s.u.). Hier definiert sich der Stand der Praxis.

5 Fazit

Jetzt wissen Sie, das der Lehmbau keineswegs nur in der Denkmalpflege zu finden ist oder sonst

besser entfernt wird. Ein gutes Beispiel für solchen Unsinn war das Ausmauern von Fachwerk mit Po-

renbetonsteinen. An sich ist ja nichts gegen diese Mauersteine zu sagen, nur im Fachwerk haben sie

sich nicht bewährt. Sie haben die im Fachwerkbau unvermeidlich eindringende Feuchtigkeit zu lange

gehalten, so dass das Holzfachwerk über die Jahre schaden nahm. Wenn die Gefache mit Lehm

ausgefacht werden, geschieht das umgekehrte: Das Holz wird geschützt, weil die Feuchtigkeit vom

Holz kapillar weggesogen wird und durch den Lehm die Wand wieder verlässt – ein guter, nicht

sperrender Luftkalkputz außen vorausgesetzt.

Analog gilt das natürlich auch für moderne Bauweisen. Ich selbst habe 1993 mein erstes Holz-

Lehm-Haus geplant und gebaut. Seitdem ist in jedes weitere wenigstens ein Lehmdesignputz einge-

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setzt worden. So auch hinter dieser Solarfassade eines Unternehmens für Werkzeuge für die Gas-

und Wasserinstallation.

Vorher Nacher

Hätten Sie hier Lehmbaustoffe vermutet? Die Wände des Treppenhaus sind alle mit Tierrafino Lehm-

finish als Sichtflächen gestaltet. Er brennt nicht und lässt sich bei Verschmutzungen leicht nachwi-

schen und so sauber halten. Frühestens nach zehn Jahren ist die Notwendigkeit einer Renovierung

zu prüfen. Nicht selten wird dabei der Renovierungstermin verschoben, weil er doch noch nicht nötig

ist. Ein Aspekt, der bei der Wertermittlung nicht unerheblich sein kann.

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Zum Schluss noch der Literaturhinweis zu den bereits genannten Standardwerken im Lehmbau:

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