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Lebensqualitätsbewertung und Utilities in der Gesundheitsökonomie

Date post: 30-Dec-2016
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Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) (2014) 108, 120—125 Online verfügbar unter www.sciencedirect.com ScienceDirect journal homepage: http://journals.elsevier.de/zefq SCHWERPUNKT Lebensqualitätsbewertung und Utilities in der Gesundheitsökonomie Valuation of health-related quality of life and utilities in health economics Wolfgang Greiner , Kristina Klose Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement (AG 5), Bielefeld SCHLÜSSELWÖRTER Gesundheitsbezogene Lebensqualität; Lebensqualitäts- bewertung; Nutzwerte; Präferenzmessung; Gesundheitsökonomie Zusammenfassung Gesundheitsökonomische Evaluationen stellen einen bedeutsamen Anwen- dungsbereich der gesundheitsbezogenen Lebensqualität dar. Insbesondere die Entwicklung von nutzentheoretischen (präferenzbasierten) Lebensqualitätsinstrumenten wird durch gesund- heitsökonomische Forschung vorangetrieben. Zur Präferenzmessung stehen verschiedene theoriebasierte Methoden zur Verfügung, um für einzelne Gesundheitszustände die Lebens- qualität zu ermitteln und einen präferenzbasierten Indexwert berechnen zu können. Im Hinblick auf Allokationsentscheidungen auf kollektiver Ebene sollte dabei eine Stichprobe der Allgemeinbevölkerung als Referenzkollektiv befragt werden (wie bei den derzeit laufenden Valuation-Studien der EuroQol-Gruppe). (Wie vom Gastherausgeber eingereicht) KEYWORDS Health-related quality of life; valuation; utilities; preference measurement; health economics Summary Measuring health-related quality of life is an important aspect in economic evalua- tion of health programmes. The development of utility-based (preference-based) measures is advanced by the discipline of health economics. Different preference measures are applied for valuing health states to produce a weighted health state index. Those preference weights should be derived from a general population sample in case of resource allocation on a collective level (as in current valuation studies of the EuroQol group). (As supplied by publisher) Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Wolfgang Greiner, Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Gesund- heitsökonomie und Gesundheitsmanagement (AG 5), Postfach 10 01 31, D-33501 Bielefeld. E-Mail: [email protected] (W. Greiner). Lebensqualität — ein gesundheitsökonomisches Thema Die gesundheitsbezogene Lebensqualität (nachfolgend als Lebensqualität bezeichnet) ist in der gesundheitsöko- nomischen Evaluation von großer Bedeutung. In Zeiten http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2014.02.004 1865-9217/
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CHWERPUNKT

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SCHLÜSSELWÖRTERGesundheitsbezogeneLebensqualität;Lebensqualitäts-bewertung;Nutzwerte;Präferenzmessung;Gesundheitsökonomie

Zusammenfassung Gesundheitsökonomische Evaluationen stellen einen bedeutsamen Anwen-dungsbereich der gesundheitsbezogenen Lebensqualität dar. Insbesondere die Entwicklungvon nutzentheoretischen (präferenzbasierten) Lebensqualitätsinstrumenten wird durch gesund-heitsökonomische Forschung vorangetrieben. Zur Präferenzmessung stehen verschiedenetheoriebasierte Methoden zur Verfügung, um für einzelne Gesundheitszustände die Lebens-qualität zu ermitteln und einen präferenzbasierten Indexwert berechnen zu können. ImHinblick auf Allokationsentscheidungen auf kollektiver Ebene sollte dabei eine Stichprobe derAllgemeinbevölkerung als Referenzkollektiv befragt werden (wie bei den derzeit laufendenValuation-Studien der EuroQol-Gruppe).(Wie vom Gastherausgeber eingereicht)

KEYWORDSSummary Measuring health-related quality of life is an important aspect in economic evalua-tion of health programmes. The development of utility-based (preference-based) measures isadvanced by the discipline of health economics. Different preference measures are applied for

Health-related

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valuing health states to produce a weighted health state index. Those preference weights shouldbe derived from a general population sample in case of resource allocation on a collective level(as in current valuation studies of the EuroQol group).

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∗ Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Wolfgang Greiner, UniversitätBielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Gesund-heitsökonomie und Gesundheitsmanagement (AG 5), Postfach 1001 31, D-33501 Bielefeld.E-Mail: [email protected] (W. Greiner).

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ie gesundheitsbezogene Lebensqualität (nachfolgend alsebensqualität bezeichnet) ist in der gesundheitsöko-omischen Evaluation von großer Bedeutung. In Zeiten

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Abbildung 1 Lebensqualität in gesundheitsökonomisc

begrenzter Ressourcen im Gesundheitswesen ist die Imple-mentierung ökonomischer Prinzipien und Handlungsweisenunumgänglich. Neben der Beurteilung der Effektivität vonBehandlungs- und Therapiemaßnahmen gilt es auch, derenWirtschaftlichkeit (Effizienz) zu begutachten. Es bedarffolglich geeigneter gesundheitsökonomischer Studien, umdie Kosten und den Nutzen medizinischer Maßnahmen zuerfassen [1]. Das Ergebnis solcher Wirtschaftlichkeitsun-tersuchungen ist zu einem Großteil von der Methodik zurErfassung und Bewertung der Kosten- und Nutzenparame-ter abhängig, der somit eine zentrale Bedeutung in dergesundheitsökonomischen Evaluation zukommt. Die dabei zuberücksichtigenden Nutzenkomponenten lassen sich in fol-gende Kategorien einteilen:

1. direkter Nutzen (d.h. monetär messbare Ressourcenein-sparung, z.B. für eine ärztliche Behandlung),

2. indirekter Nutzen (d.h. monetär messbarer volkswirt-schaftlicher Gewinn an Arbeitspotential, z.B. durchVermeidung von Fehlzeiten),

3. intangibler Nutzen (d.h. psychosozialer Nutzen als mone-tär nicht messbare Einzel- oder volkswirtschaftlicheGröße, z.B. durch verbesserte körperliche Funktion).

Vor allem bei chronischen Krankheiten wirken sichBehandlungs- und Therapiemaßnahmen immer wenigerauf die Lebenserwartung, sondern vielmehr auf intangibleParameter aus, insbesondere auf die Veränderung derLebensqualität. Gerade für chronisch erkrankte Patientenist es daher bedeutsam, die Verbesserung der Lebensqualitättransparent zu machen, um den Nutzen einer medizinischenIntervention (korrekt) zu erfassen. Neben der individuellenBedeutung für den einzelnen Patienten nimmt die Erfassungder intangiblen Effekte auch für deren Sachverwalter, wiez.B. Krankenkassen, einen hohen Stellenwert ein, um fürbegrenzte Ressourcen einen größtmöglichen Nutzen zu reali-

sieren. Vor diesem Hintergrund haben in den letzten JahrenLebensqualitätseffekte von Gesundheitsleistungen zuneh-mend Eingang in ökonomische Wirtschaftlichkeitsanalysenbzw. gesundheitsökonomische Evaluationen gefunden [2,3].

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Evaluationen (eigene Darstellung in Anlehnung an [4]).

ebensqualität in gesundheitsökonomischenvaluationen

bb. 1 gibt einen Überblick über den Einsatz vonebensqualität im Rahmen von gesundheitsökonomischenvaluationen. Bei Studien ohne vergleichenden Charakter,ei denen die volkswirtschaftlichen Kosten einer Maß-ahme (Kosten-Analyse, cost analysis) bzw. einer KrankheitKrankheitskosten-Analyse, cost-of-illness analysis) erfassterden, kann Lebensqualität als Kostenparameter einge-en. Z.B. gehört zu den Kosten einer Organtransplantationuch die weiter eingeschränkte Lebensqualität unmittel-ar nach der OP [3,4]. Die Kosten-Kosten-Analyse (cost-costnalysis, cost-minimization analysis), eine vergleichendeosten-Analyse von zwei oder mehreren Maßnahmen, kannur sinnvoll eingesetzt werden, wenn der Nutzen der Maß-ahmen gleich ist. Diese Voraussetzung kann durch dieessung der Lebensqualität als Vergleichsparameter zurberprüfung der Übereinstimmung der Nutzen der verschie-enen Alternativen sichergestellt werden.

Bei der Kosten-Nutzen-Analyse (cost-benefit analysis)erden sämtliche Kosten und auch der gesamte Nutzen deru bewertenden Maßnahme in Geldeinheiten evaluiert. Stattebensqualität wird dabei in der Regel deshalb die Zahlungs-ereitschaft (Willingness-to-pay) der Betroffenen erhoben.iese Analyseform ist international derzeit aus methodi-chen Gründen am wenigsten gebräuchlich.

In Kosten-Wirksamkeits-Analysen (cost-effectivenessnalysis) können Lebensqualitätseffekte dagegen als nicht-onetäre Ergebnisparameter verwendet werden (z.B.

osten pro gewonnener Einheit auf der Lebensqualitäts-kala) [3—5]. Bei der Kosten-Nutzwert-Analyse (cost-utilitynalysis), als spezielle Form der Kosten-Wirksamkeits-nalyse, werden Effekte auf die Lebensqualität und dieebenserwartung in Kombination als Ergebnisparame-er einer Intervention berücksichtigt. Dazu werden die

atienten im Behandlungsverlauf zu ihrer Lebensqualitätefragt und aus diesen Angaben werden mittels einerpezifischen Berechnungsvorschrift (Tarif bzw. Value Set)utzwerte (sogenannte Utilities) berechnet, die den Kosten
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egenübergestellt werden. Nutzwerte geben den Wertieder, den der Patient oder die Allgemeinbevölkerunginem Gesundheitseffekt zuschreibt. Ursprünglich stammter Begriff aus der volkswirtschaftlichen Theorie undeschreibt, welchen Nutzen ein bestimmtes Produkt, z.B.ine Gesundheitsleistung, nach der Einschätzung des betrof-enen Individuums stiftet. Das am häufigsten angewendeteerfahren zur Ermittlung von Nutzwerten im Gesundheits-esen ist das Konzept der qualitätskorrigierten Lebensjahre

quality adjusted life years, QALY) [3—6]. Anders als ineutschland ist der QALY-Ansatz international weit verbrei-et und wird u.a. in England, Kanada und Australien zurnterstützung von Allokationsentscheidungen empfohlenowie häufig in randomisiert-kontrollierten Studien (RCT)ur Evaluation von Therapieverfahren verwendet [6,7].

sychometrische und wohlfahrtstheoretischensätze der Lebensqualitätsbewertung

ür die Messung der Lebensqualität lassen sich zwei Ansätzenterscheiden: Zum einen sind psychometrische Metho-en sehr verbreitet, mit deren Hilfe das multidimensionaleonstrukt der Lebensqualität operationalisiert und (teil-eise) aggregiert werden kann (z.B. Short Form-36 Healthurvey, kurz: SF-36). Zum anderen werden nutzentheoreti-che (präferenzbasierte) Verfahren verwendet, bei denenine Aggregation der Messergebnisse auf der Grundlageon Präferenzerhebungen bzw. dem resultierenden Tarif zuinem eindimensionalen Indexwert erfolgt (z.B. EQ-5D).ei dem letztgenannten Ansatz erfolgt eine Erweiterunger Lebensqualitätsmessung auf konzeptueller und methodi-cher Ebene durch die Einführung einer nutzentheoretischenetrachtung, die insbesondere für gesundheitsökonomischevaluationen entwickelt wurde [8]. Wenngleich in der Praxiseide Ansätze im Bereich der Gesundheitsökonomie Anwen-ung finden, nehmen insbesondere die präferenzbasiertenessinstrumente einen hohen Stellenwert im Anwendungs-ereich der gesundheitsökonomischen Evaluationen ein.

Die Einbeziehung von Lebensqualität in Kosten-Nutzwert-nalysen erfordert die Ableitung von Gewichtungsfaktorenurch eine kardinale Messung. Mithilfe des ermitteltenarifs können die einzelnen Lebensqualitätsdimensionen zuinem präferenzbasierten Index zusammengefasst werden1,8,9]. Zur Ermittlung des Tarifs erfolgt eine Messung derräferenzen eines Referenzkollektivs bezüglich der ent-prechenden Gesundheitszustände, d.h. die Bestimmung,elchem Gesundheitszustand welcher Lebensqualitätswertuzuordnen ist.

Generell liegen einer Kosten- und Nutzenbewertung fol-ende drei ökonomische Grundannahmen zugrunde: (1)en Ausgangspunkt der ökonomischen Grundannahmen bil-et die (traditionelle) Wohlfahrtstheorie. Demnach ergibtie Summe des individuellen Nutzens aller Gesellschafts-itglieder den gesellschaftlichen Nutzen (gesellschaftliche

ohlfahrt). (2) Als zweite Grundannahme ist die kardinaleessbarkeit individueller Nutzen als elementare Vorausset-ung bei der Gegenüberstellung von Kosten und Nutzenn einem Quotienten zu nennen. (3) Eine weitere für daserständnis von ökonomischen Analysen wichtige Grundan-ahme liegt darin, dass grundsätzlich eine Knappheit an

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W. Greiner, K. Klose

essourcen vorliegt (Knappheitsprinzip). Aufgrund dessenind ökonomische Analysen erforderlich, da es nicht möglichst, alle Ziele gleichzeitig zu erreichen bzw. die Befrie-igung aller Bedürfnisse zu realisieren. Zudem entstehenei der Allokation der knappen Ressourcen Opportunitäts-osten, d.h. die Kosten einer Alternative entsprechen demutzen derjenigen Alternative, die aus Knappheitsgrün-en nicht gewählt werden kann (Opportunitätskonzept).ie genannten Grundannahmen gehen in die entsprechen-en (wohlfahrtstheoretischen) Verfahren zur Ermittlung vonutzwerten ein [1,3,5,10].

Zu den gängigsten Methoden der Nutzenbewertungählen u.a. die Rating Scale, Standard Gamble und Time-rade-Off (TTO) [9,11,12]. Die Rating Scale (z.B. visuellenalogskala, VAS) besteht i.d.R. aus einer horizontalender vertikalen Linie mit eindeutig definierten Endpunk-en und einer vorgegebenen Skalierung (z.B. 0 bis 100),obei die Endpunkte die am niedrigsten und am höch-

ten bewerteten Gesundheitszustände repräsentieren. Dertudienteilnehmer erhält eine Anzahl an zu bewertendenesundheitszuständen und wird gebeten, den schlechtes-en und den besten Gesundheitszustand gemäß seinerersönlichen Präferenz auszuwählen. Die übrigen zu bewer-enden Gesundheitszustände sollen anschließend zwischenen Endpunkten angeordnet werden [8,9,12]. In der Litera-ur wird bei dem Rating Scale- bzw. VAS-Verfahren oftmalsie mangelnde Kardinalität und somit die Verletzung der auf-eführten zweiten ökonomischen Grundannahme kontroversiskutiert [3,13].

Bei dem Standard Gamble-Verfahren bewertet derroband ein hypothetisches Szenario, das einen bestimmtenesundheitszustand beschreibt. Eine mögliche Behand-

ung könnte demnach den Studienteilnehmer mit derahrscheinlichkeit p vollständig heilen oder mit derahrscheinlichkeit (1 - p) zum sofortigen Tod führen. Der

roband wird vor die Wahl gestellt, entweder den gege-enen Gesundheitszustand zu wählen (Alternative A) oderich auf die Ungewissheit zwischen dem besten Gesund-eitszustand und dem Tod einzulassen (Alternative B). Dieahrscheinlichkeit p wird solange variiert bis der Proband

wischen beiden Alternativen A und B indifferent ist. Darausird auf die Präferenz für den Gesundheitszustand geschlos-

en. Bei der Methode wird somit explizit die Unsicherheitber den Ausgang der Entscheidung in die Bewertung mitinbezogen [8,9,11,12].

Im Falle des TTO werden Individuen gebeten, Lebens-ahre in eingeschränkter Gesundheit gegen eine kürzereebensspanne in perfekter Gesundheit abzuwägen (Verfah-en der zeitlichen Abwägung). Der Befragte soll sich dabeiür eine von zwei Alternativen (Gesundheitszuständen) ent-cheiden:

Alternative 1: Es ist eine bestimmte Dauer t (meist 10Jahre) in dem zu bewertenden Gesundheitszustand zuverbringen.Alternative 2: Es wird vollständige Gesundheit erreicht,aber nur für die Dauer x (mit x < t).

Der Wert x wird so lange variiert, bis der Interviewteei beiden Kombinationen aus Gesundheitszustand und Zeitndifferent ist [9,11,12].

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Lebensqualitätsbewertung und Utilities in der Gesundheitsö

In jüngerer Zeit wird zudem die Methode des DiscreteChoice Experiments (DCE) zur Nutzenbewertung einge-setzt. Bei dem DCE erhält der Interviewte die Aufgabe,eine diskrete Entscheidung zwischen zwei oder mehreren(diskreten) Alternativen, wie z.B. Gesundheitszuständen,entsprechend seiner persönlichen Präferenz zu treffen. ImRahmen des DCE werden Alternativen durch verschiedeneAttribute (wie z.B. Mobilität, Schmerz oder soziale Einge-bundenheit) beschrieben und die relative Bedeutung derAttribute wird ermittelt. Insbesondere DCE hat in denletzten Jahren vermehrt an Bedeutung im Rahmen derGesundheitsevaluation gewonnen, da die Methode verschie-dene Vorteile bietet (insbesondere kein Iterationsprozess,Erleichterung des Verständnisses und der Anwendung)[5,14].

Die beschriebenen Methoden — Standard Gamble, TTO,DCE (und mit Einschränkung Rating Scale) — werden beider Ermittlung der präferenzbasierten Indexberechnungenvon Lebensqualitätsinstrumenten angewendet, um derenEinsatz im Rahmen von Kosten-Nutzwert-Analysen zu ermög-lichen. Die Indexwerte werden durch die Aggregationder einzelnen Antworten des Patienten nach festgelegtenBerechnungsvorgaben ermittelt. Jene Vorgaben basieren aufPräferenzen, die anhand von umfangreichen Bevölkerungs-befragungen (sogenannten Valuation-Studien) ermitteltwerden. Im Rahmen solcher Bevölkerungssurveys wird einebestimmte Anzahl von zuvor definierten Gesundheitszustän-den von einem Referenzkollektiv bewertet und anschließendwerden Abschlagswerte für die einzelnen Einschränkungender Lebensqualität mittels geeigneter Regressionsverfahrenberechnet. Anhand des ermittelten Tarifs bzw. Value Setskann jedem Gesundheitszustand, der durch den Lebens-qualitätsfragebogen ermittelt wird, ein entsprechenderNutzwert zugeordnet werden [6,15]. Das Value Set für denSF-6D (Short Form-6 Dimensions), eine Kurzform des SF-36, wurde z.B. unter Anwendung von Standard Gamblesowie von VAS-Verfahren entwickelt [16]. Dahingegen hatdie EuroQol-Gruppe für die Ermittlung der Tarife für die3-Level-Version des EQ-5D (EQ-5D-3L) VAS sowie TTO einge-setzt. Bei den Valuation-Studien für die erweiterte Versiondes EuroQol-Fragenbogens, den EQ-5D-5L (5 Level), findethingegen eine innovative Methodenkombination aus TTO undDCE zur Bewertung der Gesundheitszustände Anwendung[15,17].

Frage des Personenkreises

Neben der Auswahl der Methode zur Präferenzmessungmüssen im Vorfeld der Erhebung weitere wichtige Ent-scheidungen bezüglich der methodischen Vorgehensweisegetroffen werden, wie z.B. die Dauer des zu bewertendenGesundheitszustands und der zu befragende Personen-kreis. Es stehen generell folgende Personengruppen zurAuswahl: (1) die Patienten selbst, (2) deren Angehörige,(3) Ärzte bzw. Personen anderer Gesundheitsberufe oder

(4) die Allgemeinbevölkerung [9]. Insbesondere Patientenund die Allgemeinbevölkerung werden in der Literaturvielfach als geeignetes Referenzkollektiv genannt und kon-trovers diskutiert. So ergibt die Befragung von Patienten

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m Vergleich zur Allgemeinbevölkerung tendenziell höhereerte, was u.a. auf ein Coping- bzw. Adaptionsverhaltenei erkrankten Personen zurückgeführt wird. Zudem istelegt, dass sich diese beiden Personengruppen bezüglicher nicht-gesundheitsbezogenen Charakteristika, wie Alternd Geschlecht, unterscheiden. Weiterhin besteht Evidenzafür, dass reale und hypothetische Gesundheitszuständeu unterschiedlichen Bewertungen führen [5,13]. Leidl undeitmeir [18] haben u.a. empirisch belegt, dass ein Valueet für den EQ-5D-3L basierend auf erlebten Gesundheits-uständen von dem Value Set auf Grundlage der Bewertungypothetischer Gesundheitszustände durch eine Stichprobeer Allgemeinbevölkerung abweicht. Vor dem Hintergrunder aufgeführten Argumente wird deutlich, dass die Wahles Personenkreises bedeutsam für den Tarif zur Ermittlunger Nutzwerte und somit letztlich für die Berechnung derosteneffektivität ist [5,13].

Bei der Ermittlung der Gewichtungsabschläge von prä-erenzbasierten Lebensqualitätsinstrumenten wird in dernternationalen Literatur i.d.R. eine repräsentative Stich-robe der Allgemeinbevölkerung befragt. Dafür sprichtus gesundheitsökonomischer bzw. wohlfahrtstheoretischericht, dass die gesellschaftliche Wohlfahrt die Aggregationer Nutzen aller Individuen in einer Gesellschaft umfasst,nd dass insofern Entscheidungen über Kollektivgüter, dieeispielsweise durch Steuern oder Krankenkassenbeiträgenanziert werden, auf der Grundlage kollektiver Präfe-enzen der Allgemeinbevölkerung erfolgen sollte. Zwarönnten gemäß dem wohlfahrtstheoretischen Grundsatzer Konsumentensouveränität zunächst Patienten als besteepräsentanten der Betroffenen (Konsumenten) eingestufterden. Dem ist allerdings zu entgegnen, dass die aktuelleatientengruppe zukünftige bzw. potentiell betroffene Pati-nten in der Bevölkerung nicht (umfassend) repräsentiert.udem sind Coping- und Adaptionsstrategien der Patientennd der damit verbundene response shift für die Bewertungon Gesundheitszuständen nicht unproblematisch, wenniese direkt oder indirekt zur Allokation knapper Ressour-en genutzt werden soll. Ein weiteres Argument für dieefragung der Patienten als Referenzkollektiv, das in diesemontext vielfach genannt wird, lautet, Patienten könntenls Experten ihrer eigenen Gesundheit die Auswirkungenhres Gesundheitszustands am besten einschätzen. Theo-etisch könnte diesem Argument entgegnet werden, dassatienten einen Anreiz zu strategischem Verhalten habennd ihre Bewertungen bewusst so gestalten könnten, dassin günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis erzielt und knappeessourcen in die Behandlung ihrer Krankheit gelenkt wür-en. Einen empirischen Beleg für ein solches Verhalten gibts allerdings nicht [5,9,13]. Trotzdem sprechen Verteilungs-rgumente dafür, Allokationsfragen auf kollektiver Ebenehne Kenntnis der Konsequenzen der Entscheidungen für denndividuellen Nutzen der Entscheider zu treffen, also hin-er einem ,,Schleier der Ungewissheit‘‘ (,,veil of ignorance‘‘)19]. Strategische Antworten würden bei der Befragung derllgemeinbevölkerung ausbleiben, da diese Personen (erst)

n Zukunft von dem zu bewertenden Gesundheitszustandetroffen sein könnten (Ex-ante-Bewertung) [5,9,13].

Einen vielversprechenden Ansatz zur Überwindung desargestellten Gegensatzes bei der Frage, wessen Präferen-en zur Bewertung von Gesundheitszuständen herangezogenerden sollten, stellt das Konzept der ,,informed general

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opulation values‘‘ dar. Demnach wird für die Ressour-enallokation kollektiv finanzierter Güter weiterhin diellgemeinbevölkerung befragt. Allerdings wird dabei aufine detailliertere Beschreibung des zu bewertendenesundheitszustands (z.B. durch Patientenberichte) undomit auf eine informierte Erhebung der Präferenzen derllgemeinbevölkerung abgezielt [13].

aluation-Studie für den EQ-5D-5L — einraktisches Beispiel

ufgrund der Weiterentwicklung des EQ-5D von drei auf fünfntwortlevel werden derzeit weltweit Valuation-Studien fürie länderspezifischen EQ-5D-5L unter Anwendung einerethodenkombination aus TTO und DCE durchgeführt [15].ie Vergleichbarkeit der länderspezifischen Value Setsird durch einen hohen Grad der Standardisierung deraluation-Studien sichergestellt. Die Valuation-Studie fürie deutsche Version des EQ-5D-5L befindet sich der-eit in der Vorbereitung. Die Studie wird mithilfe voneschulten Interviewern im Rahmen von computergestütz-en Face-to-Face-Interviews deutschlandweit durchgeführterden (Computer Assisted Personal Interviewing, CAPI).s wird eine repräsentative Stichprobe der deutschen All-emeinbevölkerung als Referenzkollektiv befragt (N=1.000;indestalter von 18 Jahren), sodass der resultierenderäferenzbasierte EQ-5D-5LIndex im Rahmen von Kosten-utzwert-Analysen und somit letztlich zur Unterstützungon Allokationsentscheidungen im Gesundheitswesen einge-etzt werden kann [8,9].

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ie Messung der Lebensqualität ist von großer Bedeutung fürie Bestimmung der Kosten und Nutzen von Gesundheits-ütern. Lebensqualität ist als höchst patientenbezogenesnd somit auch ökonomisches Outcome einzustufen. Ausiesem Grund wurde die Lebensqualitätsforschung in denetzten zwei Jahrzehnten unter Beteiligung der Gesund-eitsökonomie weiterentwickelt. Dabei lag ein Schwerpunktnsbesondere auf der Entwicklung von nutzentheoretischenpräferenzbasierten) Messinstrumenten. Lebensqualität alsrgebnisparameter ist insbesondere für Kosten-Nutzwert-nalysen essentiell. Der dabei verwendete QALY-Ansatz ist

nternational gebräuchlich, stellt aber nicht die einzigeorm der Einbeziehung von Lebensqualität in ökonomischennalysen dar. Für Allokationsentscheidungen auf kollektiver

bene sollten populationsbezogene Bewertungen herange-ogen werden und das Konzept der ,,informed generalopulation values‘‘ [13] Gegenstand weiterer Forschungsak-ivitäten sein.

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W. Greiner, K. Klose

nteressenkonflikt

ie Autoren haben keinen Interessenkonflikt in Zusammen-ang mit der Publikation.

iteratur

[1] Schöffski O. Lebensqualität als Ergebnisparameter in gesund-heitsökonomischen Studien. In: Schöffski O, Graf von derSchulenburg JM, editors. Gesundheitsökonomische Evaluatio-nen. Berlin: Springer; 2012. p. 327—40.

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Neue Kurzinformation für Patienten erschienen:„Mukoviszidose — Was Eltern darüber wissen sollten‘‘ 125

[16] Morfeld M, Stritter W, Bullinger M. Der SF-36 Health Sur-vey. In: Schöffski O, Graf von der Schulenburg JM, editors.Gesundheitsökonomische Evaluationen. Berlin: Springer; 2012.p. 393—410.

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[19] Rawls J. Gerechtigkeit als Fairneß. Freiburg: Verlag Karl Alber;1977.

ZEFQ-SERVICE: TIPPNeue Kurzinformation für Patienten erschienen:„Mukoviszidose — Was Eltern darüber wissen sollten‘‘

Auf zwei Seiten informiert dieneu erschienene Kurzinforma-tion ,,Mukoviszidose — Was Elterndarüber wissen sollten‘‘ über Krank-heitszeichen, Untersuchungs- undBehandlungsmöglichkeiten. Elternfinden hier wichtige Fakten undpraktische Tipps zum besserenUmgang mit der Erkrankung ihresKindes.Die Mukoviszidose ist eine ange-borene Stoffwechselkrankheit,die lebenslang bestehen bleibt. InDeutschland leben ungefähr 8000Menschen mit Mukoviszidose. Etwaeines von 2500 Neugeborenen istbetroffen. Bei Menschen mit Mukovis-zidose bilden die Drüsen im Körper ineinigen Organen einen zähen, kleb-rigen statt dünnflüssigen Schleim.Die Drüsengänge können leicht ver-stopfen und der dickflüssige Schleimstaut sich an. So können immerwiederkehrende Entzündungen auf-treten, wodurch langfristig dieOrganfunktionen gestört werden.Mukoviszidose wirkt sich nicht aufdie Intelligenz der Betroffenen ausund ist auch nicht ansteckend. DieErkrankung schreitet mit der Zeit

Erwachsenenalter und werden 40Jahre und älter.Das Ärztliche Zentrum für Quali-tät in der Medizin (ÄZQ) entwickeltim Auftrag von KassenärztlicherBundesvereinigung (KBV) undBundesärztekammer (BÄK) Kurzin-formationen für Patienten. In einemKooperationsprojekt erstellt das ÄZQgemeinsam mit der Allianz Chroni-scher Seltener Erkrankungen (ACHSE)e. V. zehn Kurzinformationen zu aus-gewählten seltenen Erkrankungen,um die Aufmerksamkeit für diesesThema zu erhöhen.Die Informationen stehen allenniedergelassenen Ärzten zum Aus-drucken kostenlos zur Verfügung, umsie bei Bedarf Patienten oder Elternpersönlich auszuhändigen.Die Kurzinformation ,,Mukoviszidose‘‘sowie Informationen zu über 30 wei-teren Themen können Sie abrufenunter:

• Kurzinformation für Patienten,,Mukoviszidose‘‘www.patienten-information.de/kurzinformation-fuer-patienten/mukoviszidose

kurzinformation-fuer-patienten/mukoviszidose/quellen

• Kurzinformationen für Patien-ten auf Patienten-Information.dewww.patinfo.org

• Kurzinformationen für Pati-enten in der ARZTBIBLIOTHEKwww.arztbibliothek.de/kurzinformation-patienten

Außerdem finden Sie die Informa-tionen auch im KV-SafeNet unter:portal.kv-safenet.de auf der Unter-seite ,,Downloads‘‘.

Korrespondenzadresse:Svenja Siegertwissenschaftliche Mitarbeiterin,ÄrztinPatientenbeteiligung/PatienteninformationÄrztliches Zentrum für Qualität inder Medizin (ÄZQ)Gemeinsames Institut von BÄK undKBVTiergartenTowerStraße des 17. Juni 106-10810623 Berlin Tel: 030-4005-2527,

fort. Mit einer konsequenten Behand-lung erreichen viele heutzutage das

• Methodik und Quellwww.patienten-info

enrmation.de/

Fax: 030-4005-2555Email: [email protected]


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