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Leben mit Nr. 39 / Jan. 2002 · AKTUELLES 4 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 2000...

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Nr. 39 / Jan. 2002 ISSN 1430-0427 Auditives Kurzzeitgedächtnis Das Feuerstein-Programm – Instrumental Enrichment Schnarchen und Tagesmüdigkeit Kognitives Entwicklungstempo und Verhalten Die Rolle der Großeltern Leben mit
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Page 1: Leben mit Nr. 39 / Jan. 2002 · AKTUELLES 4 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 2000 GuK-Kästen verkauft Zweite Auflage von GuK im Druck Innerhalb von einem Jahr konnten wir

Nr. 39 / Jan. 2002ISSN 1430-0427

Auditives Kurzzeitgedächtnis

Das Feuerstein-Programm – Instrumental Enrichment

Schnarchen und Tagesmüdigkeit

Kognitives Entwicklungstempo und Verhalten

Die Rolle der Großeltern

Leben mit

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E D I T O R I A L

Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 1

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

im Namen aller Mitarbeiterinnen des InfoCentersmöchte ich mich für die guten Wünsche, die unszum neuen Jahr erreichten, bedanken. Auch wirwünschen unseren Leserinnen und Lesern nach-träglich ein gesundes und gutes 2002.

Wir haben uns schon wieder mit viel Engagementin die Arbeit gestürzt. Auch in diesem Jahr stehen, neben dertäglichen Beratungsarbeit, viele Projekte auf unserem Programm.Einige werden in dieser Zeitschrift schon vorgestellt.

In dieser Ausgabe von Leben mit Down-Syndrom befassen wir unsmit dem schlechten auditiven Kurzzeitgedächtnis, das häufig beiKindern mit Down-Syndrom festgestellt wird. Auch geht es um daskognitive Entwicklungstempo und das Verhalten der Kinder. Es istwichtig, dass wir als Eltern und Pädagogen über diese ThemenBescheid wissen, damit wir unsere Kinder besser verstehen.

Interessant für alle, die die Integration befürworten, und noch mehrfür diejenigen, die noch skeptisch sind, ist eine Studie aus England,in der zwei Gruppen Teenager miteinander verglichen wurden. Die eine Gruppe besuchte eine Sonderschule, die andere warintegriert in eine Regelschule. Welche Unterrichtsform war amerfolgreichsten?

Und schauen wir diesbezüglich noch etwas weiter. Welche Länderschnitten bei der weltweiten Vergleichsstudie unter Schülern undSchülerinnen (PISA) sehr gut ab? Genau – eine ganze Reihe Länder,in der schulische Integration seit vielen Jahren praktiziert wird,wie Finnland, Schweden, Japan oder Neuseeland. Werden damitnicht Argumente, dass Integration schädlich sein könnte für die„anderen“ Schüler, widerlegt?

Überlegen und argumentieren können, gute Lesefähigkeiten, dasWesentliche vom Unwesentlichen unterscheiden können sindwichtige Voraussetzungen für die Weiterentwicklung jedes Kindes.Vielleicht wäre die Denk-Methode von Professor Reuven Feuerstein,das „Instrumental Enrichment“, eine gute Fördermöglichkeit? Wirstellen die Methode vor.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Artikeln und weiteren Berichten wiedereinige interessante Lesestunden bereiten zu können.

Herzlich Ihre

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I N H A L T

2 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002

AktuellesNachrichten aus dem Deutschen Down-Syndrom InfoCenter .............................. 3Deutsche Down-Syndrom-Wochen 2001/2002 ....................................................3Kleine Schritte ......................................................................................................5

PsychologieKognitives Entwicklungstempo und Verhalten .................................................... 6Das auditive Kurzzeitgedächtnis ........................................................................12

MedizinSchnarchen und Tagesmüdigkeit – (k)ein Problem?............................................18Internationaler Down-Syndrom-Mosaik-Verein ..................................................21

FörderungDas Feuerstein-Programm – Instrumental Enrichment...................................... 22

Integration Integration in der Schule – Vorteile und Schlüssel zum Erfolg ............................28

FamilieDie Rolle der Großeltern ....................................................................................34Schau Oma, so geht das mit dem Laptop! ..........................................................36

FreizeitBewegung im Wasser und Schwimmen ..............................................................38

PublikationenKinderbücher......................................................................................................42Bücher zum Thema Integration und Förderung ................................................44

Erfahrungsberichte ........................................................................................ 48

Berichte von VeranstaltungenTreffen der Behindertenverbände in Berlin ........................................................56 Dr. Jack Warner in Deutschland ........................................................................57EDSA-Treffen in Luxemburg ..............................................................................58Kongress in Rumänien........................................................................................58

VeranstaltungenTermine usw. ....................................................................................................60

Bestellungen / Vorschau / Impressum ............................................................63

Diese Karte aus

unserer Post-

kartensammlung

stammt von der

Scottish Down’s

Syndrome Asso-

ciation

Titelbild: Lisa Felke

Foto Rückseite:

Faltblatt „Down-Syndrom.

Die wichtigsten Fragen und

Antworten in Kürze“

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A K T U E L L E S

Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 3

Nachrichten aus demDeutschen Down-SyndromInfoCenter

Dank an alle Gruppen

Ein herzliches Dankeschön möchten wirhier allen sagen, die im Oktober 2001während der Deutschen Down-Syndrom-Wochen wieder aktiv geworden sind.Das Poster Glück gehabt wurde zwei-tausend Mal verschickt und war in vie-len Praxen, Schulen, Kliniken, Amtsge-bäuden usw. zu sehen. Die Postkarte,nun auch ohne den Aufdruck der Akti-onswochen, wird weiterhin von uns an-geboten.

Nicht immer war es einfach, das Pos-ter unterzubringen, weil das hoch bri-sante Thema nicht überall erwünschtwar, wie uns z.B. eine Gruppe meldete.Leider stellten wir fest, dass einige we-nige die Botschaft Glück gehabt nichtrichtig verstanden. Selbstverständlichbezieht sich diese Aussage auf das Baby,das trotz des Down-Syndroms zur Weltgebracht wurde, es hat Glück gehabt, esdarf leben. Auf jeden Fall haben sichviele Menschen mit dem Thema ausein-ander setzen müssen und wir bekamenfür unser Postermotiv sehr viele positi-ve Reaktionen.

Aktionsbuch geplant

Schon seit 1995, als zum ersten Mal dieDeutsche Down-Syndrom-Woche statt-fand, sammeln wir Berichte, Fotos, Zei-tungsartikel, Plakate, Programme etc.von den Aktionen, die in dieser Wocheorganisiert wurden. Leser unserer Zeit-schrift haben uns dieses Material jedesJahr zugeschickt und nun stehen hier imInfoCenter drei gut gefüllte Ordner, dieaber leider nur wenige Menschen an-schauen können. Dabei ist es Mut ma-

Wir sammeln Postkarten,

Plakate und andere

Informationsmaterialien,

die zu Aktionszwecken

eingesetzt werden.

Dieses Plakat bekamen wir

von der Kieler Initiative für

Down-Syndrom (K.I.D.S.).

chend, anregend und erfreulich, von alldiesen Aktivitäten zu lesen. Man be-kommt sofort Lust, das eine oder ande-re auch selbst zu organisieren.

Um dieses Material auch anderenzur Verfügung zu stellen, sind wir dabei,es in einem Heft zusammenzustellen,das wir Ihnen in der Mai-Ausgabe vonLeben mit Down-Syndrom vorstellenmöchten. Haben Sie noch interessanteBeiträge? Tipps für wirkungsvolle Ak-tionen, Berichte über gelungene Projek-te, Zeitungsberichte, eine Gottesdienst-gestaltung oder Fotos von Infoständenetc.? Schicken Sie uns die bis Ende Fe-bruar zu. Dann ist Redaktionsschluss.

Dieses Aktionsbuch soll auch wider-spiegeln, wie Eltern Dinge bewegenkönnen, wie die Down-Syndrom-Selbst-hilfegruppen durch vielfältige Auf-klärungsarbeit die Situation von Men-schen mit Down-Syndrom in Deutsch-land verbessern können.

Und Sie können ein solches Aktions-buch auch bei der Suche nach Sponso-ren für Ihre Aktionen in den nächstenOktoberwochen gezielt einsetzen.

Down-Syndrom-Wochen 2002

Stand 2001 das Thema Pränataldiagnos-tik im Mittelpunkt, haben wir uns nunfür dieses Jahr ein ganz anderes Themaausgedacht. Wir möchten den erwach-senen Menschen mit Down-Syndrom inZusammenhang mit dem Thema Kunstund Kultur in den Mittelpunkt stellen.Menschen mit Down-Syndrom malen,töpfern oder bildhauern, sie sind Schau-spieler im Theater, machen Musik,schreiben Geschichten und Gedichte,tanzen oder machen mit bei Filmenoder in Kinospots.

Was im Einzelnen von uns zu diesemThema als Aktionsmaterial hergestelltwird, können wir jetzt noch nicht sagen.Das erfahren Sie dann in der nächstenZeitschrift. Wichtig zunächst bei den ers-ten Überlegungen Ihrer Aktionen ist dasThema: „Menschen mit Down-Syndromund die Kunst.“

Deutsche Down-Syndrom-Wochen:

Wieder ein Erfolg!

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A K T U E L L E S

4 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002

2000 GuK-Kästen verkauftZweite Auflage von GuK im Druck

Innerhalb von einem Jahr konnten wirzweitausend Mal die Gebärdenkarten-sammlung verkaufen. Dies ist ein enor-mer Erfolg. Nicht nur werden die Ge-bärdenkarten eingesetzt bei der Kom-munikation von kleinen Kindern mit Down-Syndrom. Auch bei Kindern miteiner anderen Behinderung, die ähnli-che Schwierigkeiten mit der Spracheoder beim Sprechenlernen haben, wer-den die GuK-Karten benutzt. Schulen,Frühförderstellen, Kindergärten undLogopädische Praxen gehören neben El-tern zu denjenigen, die GuK einsetzen.Wir freuen uns natürlich mit Prof. EttaWilken, die das Konzept der Karten ent-wickelte, über diesen Erfolg. Mittlerwei-le ist die zweite Auflage, mit nur gering-fügigen Änderungen, in der Druckerei.

Der Preis (Euro 43,– incl. Versand-kosten) und die Zahlungsbedingungen(gegen Vorkasse) bleiben gleich.

Erweiterung von GuK geplant

Von vielen Seiten erreicht uns großesLob für die schön gestalteten Karten.Und … wir bekommen immer mehr An-

Inhaltlich wurde sie leicht überarbeitet.Es wurde u.a. auch auf den Einsatz vonGebärden im Kindergarten eingegan-gen, der die Kommunikation zwischenden Kindern vereinfachen kann. Wirfreuen uns, dass wir Frau Prof. Wilkenwieder gewinnen konnten, den Text zuüberarbeiten.

Außerdem war es uns wichtig, dasLayout dieser Broschüre den anderenBroschüren anzupassen. Deshalb sindnun auch die Schwarzweiß-Bilder durchFarbfotos ersetzt worden.

Informationen auf Türkisch

Unser Faltblatt Down-Syndrom – Diewichtigsten Fragen und Antworten inKürze können wir nun auch in einer tür-kischen Übersetzung anbieten. Die vie-len Anfragen nach Informationen in die-ser Sprache machten dies dringend not-wendig.

Übersetzungen auf Albanisch undauf Rumänisch sind ebenfalls erhältlich.

Neuerscheinungen im Frühjahr 2002„Tipps für Lehrer“ und Ergänzung zu„Kleine Schritte“

Zwei Publikationen, die in diesem Früh-jahr fertig gestellt werden, möchten wirschon ankündigen.

Wir arbeiten zurzeit an einer Bro-schüre für die Schule mit Tipps für Leh-rer und Lehrerinnen, die ein Kind mitDown-Syndrom in ihrer Klasse haben.

Außerdem werden die drei Macqua-rie-Hefte: Frühes Lesen, Schreiben undRechnen neu übersetzt, ergänzt und indas gleiche Layout wie Kleine Schrittegebracht.

In unserer Mai-Ausgabe werden wirdie neuen Veröffentlichungen ausführ-lich vorstellen.

fragen nach einer Erweiterung.Gemeinsam mit Frau Prof. Wilken

planen wir nun eine zweite GuK-Samm-lung. Dort sollen die Begriffe aufgenom-men werden, die jetzt in der Praxisschon vermisst werden. So hat sich z.B.herausgestellt, dass man die GuK-Kar-ten in vielen Schulen für Kinder mit ei-ner geistigen Behinderung und in Schu-len für gehörlose Kinder benützt. Dortkönnen zusätzlich eine Reihe Gebärden,die für den Schulalltag wichtig sind, ge-braucht werden.

Kindergarten-Broschüre wieder neuaufgelegt

Die Broschüre Das Kind mit Down-Syn-drom im Regelkindergarten wurde neuaufgelegt. Eine kleine, aber feine Bro-schüre, die schon seit vielen Jahren vonEltern und Kindergärten bei uns bestelltwird. Sie gibt erste wichtige Informatio-nen an Erzieherinnen, die die Integrati-on eines Kindes mit Down-Syndrom inihren Kindergarten planen.

Neue Publikationen

Eine wichtige Aufgabe des Deutschen Down-Syndrom-InfoCenters ist das Bereitstellen von Informationsmate-rial. In den letzten Monaten haben wir wieder einigePublikationen vorbereitet, die zwar beim Schreiben die-ser Zeilen noch nicht alle druckfertig sind, jedoch abApril 2002 bei uns erhältlich sein werden. Deshalbmöchten wir sie Ihnen hier schon einmal angekündigen.

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A K T U E L L E S

Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 5

Patentrezepte gibt es nicht in derFrühförderung. Dies gilt auch für

das Frühförderprogramm Kleine Schrit-te. Kleine Schritte ist eng an das Mac-quarie-Programm angelehnt und richtetsich auf Kinder mit Entwicklungsverzö-gerungen bis zu einem Alter von vierJahren. Das Programm geht von demPrinzip aus, dass jedes Kind und jedeFamilie anders ist. Auch ist es nur einesder Hilfsmittel für die Förderung desKindes. Es ist kein Lösungsbuch für dievielfältigen Probleme, die den Eltern ei-nes geistig behinderten Kindes begeg-nen. Wohl ist es eine Schriftenreihe, dieschon zigtausend Eltern mit geistig be-hinderten Kindern in vielen Ländern ei-ne Stütze war bei der gezielten Hilfe,den Sohn oder die Tochter bei einer Ent-wicklungsverzögerung in wichtigen Be-reichen zu fördern.

Es ist übrigens kein Buch im engerenSinne, sondern eine Mappe mit acht Ar-beitsheften. Die Texte sind gut verständ-lich und direkt in der Praxis anwendbar.Auch wird vieles mit Beispielen ver-deutlicht. Form und Inhalt dieser Aus-gabe laden zu einem direkten Gebrauchmit dem Kind ein.

Das erste Heft gibt Hintergrundinfor-mationen zu dem Macquarie-Frühför-derprogramm und dem Anwendungs-bereich von Kleine Schritte. In demzweiten Heft werden Anleitungen gege-ben, wie man das Programm auf die Be-dürfnisse des Kindes einstellen unddurchführen kann. Die Arbeitshefte 3

Frühförderprogramm „Kleine Schritte“Meindert Haveman

Seit einem halben Jahr ist das Frühförderprogramm Kleine Schritte beim Deutschen Down-Syndrom InfoCen-ter erhältlich und hunderte von Familien und Fachleutenhaben es bereits bestellt. Auch Studenten der Sonder-pädagogik wurden schon damit konfrontiert. Professor Meindert Haveman von der Fakultät für Reha-bilitationswissenschaften an der Universität in Dortmundhat es seinen Studenten schon vorgestellt. Für Leben mitDown-Syndrom hat Professor Haveman nun auch einekurze Besprechung dieses Programms geschrieben.

bis 7 sind jeweils ausgerichtet auf be-stimmte Entwicklungsbereiche wie ex-pressive Sprache, Grobmotorik, Fein-motorik, rezeptive Sprache und persön-liche und soziale Fähigkeiten. All dieseBereiche werden übrigens in ihrem in-ternen Zusammenhang besprochen. Indem letzten Arbeitsheft ist eine Reihevon Prüflisten aufgeführt, die den Elternbei dem Überprüfen des Entwicklungs-stands ihres Kindes, dem Evaluieren derEntwicklungsfortschritte und dem Fest-legen von Lernzielen helfen kann.

Das Macquarie-Programm aus Aus-tralien und das Portage-Programm ausden USA sind nicht nur im englisch-sprachigen Bereich, sondern auch inEuropa und vielen anderen Ländern dieam meisten bekannten und gebrauchtenFrühförderprogramme, die in und mitFamilien mit einem geistig behindertenKind angewendet werden. Das Pro-gramm ist jetzt durch das Deutsche Down-Syndrom InfoCenter in einerüberarbeiteten Version – Kleine Schrit-te – für den deutschen Sprachraum ineiner didaktisch informativen und at-traktiven Form publiziert worden.

Dieses Frühförderprogramm wurdedurch Cora Halder in der Mai-Ausgabedieser Zeitschrift schon ausführlich vor-gestellt und beschrieben, nämlich nachsowohl den Grundlagen, dem Aufbaudes Programms, dem Anschließen anden Entwicklungsstand des Kindes undden Bedürfnissen der Eltern als auchnach den Konsequenzen für die tägliche

Arbeit mit dem Kind (Leben mit Down-Syndrom, Nr. 37, Mai 2001, S. 6–10). DaKleine Schritte in dieser Publikation vielausführlicher präsentiert wurde, werdeich nicht weiter auf Form und Inhaltedieses Frühförderprogramms eingehen.

Kleine Schritte bietet den Eltern dieMöglichkeit, um zusammen mit profes-sionellen Partnern sich in der Frühför-derung bedürfnisgerecht, familienzen-triert und systematisch mit der Weiter-entwicklung des Kindes zu beschäftigen.Der spontane Kontakt mit dem Kind inSpiel und Freizeit wird in diesem Pro-gramm stimuliert und gefördert.

Empfehlung

Kleine Schritte ist ein international be-währtes Programm in der Frühförde-rung und ist sehr geeignet für Eltern,Pädagogen und andere Mitarbeiter, diein der Frühförderung von Kindern mitgeistiger Behinderung kooperieren.

Prof. Dr. Meindert J. HavemanRehabilitation und Pädagogik bei

geistiger BehinderungFakultät Rehabilitations-

wissenschaftenUniversität Dortmund

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6 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002

Kognitives Entwicklungs-tempo und VerhaltenHellgard Rauh

Internationale Längsschnittstudien bei Kindern mit Down-Syndrom und auch die Berliner Längsschnittstudieberichten, trotz Unterschieden in den – insgesamt jeweilsguten – Förderbedingungen, über ähnliche Verlaufskur-ven der geistigen, motorischen und sprachlichen Ent-wicklung. Die individuellen Unterschiede bei Verlaufs-kurven und Entwicklungstempo sind groß.Aus dem zweiten Lebensjahr ließ sich das Entwicklungs-niveau über drei Jahre später allerdings eher aus Ver-haltensmerkmalen der Kinder als aus den erreichtenEntwicklungsmeilensteinen vorhersagen. Kinder, die sich besonders langsam entwickelten, zeig-ten auch ein eher ungünstiges Verhaltensmuster ihresleistungsbezogenen Verhaltens. Die Bindungsqualität der Kinder mit Down-Syndromließ sich vergleichbar zu der nicht behinderter Kinderklassifizieren. Bindungssicherheit korrelierte aber imVorschulalter nicht notwendigerweise mit rascheremEntwicklungstempo. Bindungssichere Kinder schienenjedoch im Verhaltensverlauf eindeutiger und insgesamt„umgänglicher“ zu sein als bindungsunsichere Kinder.

Längsschnittstudien bei Kindern mitDown-Syndrom

Längsschnittstudien bei Kindern mitDown-Syndrom, die in verschiedenenRegionen der Welt einschließlichDeutschland in den letzten 20 Jahrendurchgeführt wurden, haben unser Bildvon der Entwicklung dieser Kinder er-heblich differenziert. Auch in Berlin ha-ben wir mehr als 30 Kinder mit Down-Syndrom über mehrere Jahre in ihrerEntwicklung begleiten dürfen. Sie wur-den zwischen 1986 und 1995 geborenund sind nun zwischen fünf und 14 Jah-re alt. Von 25 Kindern haben wir ziem-lich ausführliche Entwicklungsdaten.

In vielen Hinsichten können wir unsereBerliner Kinder mit denen in anderenRegionen der Welt vergleichen, weil wirzur Erfassung des jeweiligen Entwick-lungsstandes der Kinder dasselbe Test-verfahren verwendet haben, nämlichdie Bayley Scales of Infant Development(Bayley, 1969; 1993). Im Durchschnittähneln unsere Ergebnisse denen in denUSA (z.B. Atkinson et al., 1995; Dunst,1990; Pueschel, 1984; Pueschel et al.,1987, 1995; Sigman & Ruskin, 1999), inKanada (Bowman, s. Rauh, Rudinger,Bowman, Berry, Gunn, Hayes, 1991), inEngland (z.B. Carr, 1978; 1988), in Aus-tralien (Berry, Gunn & Andrews, 1984;

Crombie & Gunn 1998) oder Deutsch-land (Rauh, 1997; 1999). Alle diese Län-der zeichnen ein verhältnismäßig hoherLebensstandard, eine gute Gesundheits-versorgung und das Bestreben aus,auch Kinder mit erheblichen Behinde-rungen in das allgemeine Bildungswe-sen und das gesellschaftliche Leben zuintegrieren. Sie unterscheiden sich je-doch in der Art und Intensität der Früh-förderung. Diese scheint sich aber nichtin generell unterschiedlichen Entwick-lungsverläufen auszuwirken, wie dieumfangreichen Studien in Australienzeigen.

In der australischen Untersuchung(Crombie & Gunn, 1998) wurden Kinderaus zwei Geburtsjahrgängen verglichen.Der eine Jahrgang wurde kurz vor, derandere kurz nach der Einführung diffe-renzierter Frühfördermaßnahmen undintegrativer Kindergärten und Schulenuntersucht. Die Befunde über die Ent-wicklungsverläufe der Kinder bis ins Ju-gendalter legen allerdings nahe, dasssich weder der Zeitpunkt des Beginnsder institutionalisierten Frühförderungnoch ihre Dauer, noch ihre inhaltlicheAusrichtung in den Entwicklungswertender Kinder niederschlugen. Dagegenzeigten Kinder, die von ihren Elternganz selbstverständlich in das sozialeAlltagsleben einbezogen, z.B. bei Aus-flügen und Besuchen mitgenommenwurden, im Alter von 14 Jahren ein bes-seres Entwicklungsniveau als Kinder,denen diese anregende Einbeziehungversagt blieb.

Dass sich die Frühförderungswir-kungen nicht nachweisen ließen, könn-te auch daran liegen, dass bereits beidem ersten Geburtsjahrgang die Dis-kussionen um die Notwendigkeit vonFrühförderung das Erziehungsklima fürdie Kinder positiv beeinflusst habenkönnen.

Allgemeiner Entwicklungsverlauf beiKindern mit Down-Syndrom

In den ersten drei Lebensjahren ent-spricht nach den übereinstimmendenBefunden der verschiedenen Längs-schnittstudien der geistige Entwick-lungsverlauf der Down-Syndrom-Kin-der im Mittel etwas mehr als dem hal-ben Tempo nicht behinderter Kinder.D.h., im Alter von zwei Jahren kannman im Durchschnitt von einem Ent-wicklungsniveau von etwa zwölf bis 14Monaten ausgehen, allerdings mit einer

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 7

erheblichen Streubreite. In den folgen-den Jahren vermindert sich das Ent-wicklungstempo auf etwa ein Drittel des„normalen“ Entwicklungstempos. Dasdürfte im Wesentlichen daran liegen,dass bei nicht behinderten Kindern nunsprachliche Kompetenzen ganz wesent-lich die geistigen Leistungen charakteri-sieren und Kinder mit Down-Syndromhier häufig ein zusätzliches Handicaphaben.

Im Alter von zehn Jahren befandensich die kalifornischen Kinder auf einemdurchschnittlichen geistigen Entwick-lungsniveau von vier Jahren (Sigman &Ruskin, 1999) und auf einem Sprach-entwicklungsniveau von dreieinhalbJahren. In der australischen Studie(Crombie & Gunn, 1998), die die ge-samte Down-Syndrom-Population desbetreffenden Jahrgangs in Brisbane er-reichte, befanden sich die Jugendlichenim Alter von 14 Jahren auf einem geis-tigen Entwicklungsniveau, das einemdurchschnittlichen Entwicklungsaltervon etwa fünf Jahren entsprach. Ersteweiterführende Studien berichten überweitere, wenn auch langsame Entwick-lungsfortschritte bis in das Erwachse-nenalter hinein (Carr, 1988).

IQ-Veränderung und Entwicklung

Das in den ersten Jahren vergleichswei-se zügigere, dann aber langsamere Ent-wicklungstempo scheint für Kinder mitDown-Syndrom charakteristisch zu seinund unterscheidet sie von geistig behin-derten Kindern anderer diagnostischerGruppen einschließlich autistische Kin-der (Sigman & Ruskin, 1999). Wennman das Entwicklungsalter durch dasLebensalter dividiert und mit 100 mul-tipliziert (um das Komma zu vermei-den), dann sinkt der Quotient mit zu-nehmendem Lebensalter, bei der kali-fornischen Down-Syndrom-Gruppe z.B.von 66,5 auf 45,8. Dies führt selbst inwissenschaftlichen Publikationen zu derfälschlichen Interpretation, dass bei die-sen Menschen „die Intelligenz gesun-ken“ sei. Die geistigen Fähigkeiten ha-ben jedoch in der Regel weiter zu- undnicht abgenommen; nur hat sich dasEntwicklungstempo im Vergleich zu an-deren Menschen gleichen Alters ver-langsamt.

Die motorische Entwicklung vonKindern mit Down-Syndrom verläuftnach diesen Längsschnittstudien in denersten zwei bis drei Lebensjahren noch

langsamer als die geistige Entwicklung,holt sie aber nach dem dritten Lebens-jahr in der Regel ein oder überholt siesogar (Rauh, 1997; Carr, 1978). In deraustralischen Studie zeigten die Kinderbis mindestens in das Jugendalter hin-ein Fortschritte in der Motorik (Jobling& Gunn, 1995; Jobling, 1998).

Die geistige und die motorische Ent-wicklung verlaufen allerdings nicht pa-rallel. Zudem unterscheidet sich ihr Zu-sammenspiel von Kind zu Kind. Mankann daher nicht vom motorischen Ent-wicklungsniveau auf das geistige Niveauschließen, was sich in den ersten Le-bensjahren ja aufdrängen könnte, denndie Kinder werden ja vor allem von Ärz-ten untersucht und von Krankengym-nastinnen betreut.

Obgleich sich weder in unseren Un-tersuchungen noch in Australien ir-gendwelche für alle Kinder geltendenEntwicklungsplateaus bestätigen ließenoder irgendwann bei einem Kind dieEntwicklung generell stockte, gab es er-kennbare Schwankungen im Entwick-lungstempo, gemessen am Durchschnittnicht behinderter Kinder.

So benötigten viele Kinder eine ver-gleichsweise sehr lange Zeit, um vomKrabbeln und Sich-zum-Stand-Ziehenzum freien Laufen zu gelangen. Dannaber beschleunigten sie ihre motori-schen Entwicklungsschritte. Eine ver-gleichbare Stagnation zeigten viele derKinder in der geistigen Entwicklung aufeinem Entwicklungsniveau um die 24bis 30 Monate. Auf diesem Niveauwechseln die Testanforderungen zustärker sprachlichen Leistungen. Diesesprachlichen Leistungen umfassen nichtnur das Benennen und Sprechen, son-dern auch das Zeigen und das Verglei-chen von Bildern und das Verstehen vonsprachlich formulierten Aufforderun-gen. Offensichtlich fällt es vielen Kin-dern mit Down-Syndrom besondersschwer, den Wechsel vom Denkhandelnoder der „sensomotorischen Intelligenz“zum anschaulich-symbolischen Denkenzu vollziehen.

Mit Beginn der Sprachentwicklungspaltet sich die geistige Entwicklung inTeilbereiche auf, die ihrerseits jeweilsunterschiedliche Entwicklungsverläufenehmen. Die meisten Kleinkinder mitDown-Syndrom können mit anschauli-chen und konkreten Aufgaben, am liebs-ten mit Formpuzzles oder Bauklötzenoder verkleinerten Alltagsgegenständen

(Symbolspiel), recht gut problemlösendumgehen, während sie mit bildhaftenund sprachlichen Symbolisierungenoder gar mit einfachen Ordnungsbegrif-fen, wie „gleich“ und „anders“, einfa-chen quantitativen Begriffen, wie größer/kleiner, mehr/weniger, oder mit Kurz-zeit-Merkaufgaben (Sich-Merken vonBildern oder Wörtern) größere Schwie-rigkeiten haben.

Im Alter von fünf bis sechs Jahren,also kurz vor Beginn der Schulpflicht-zeit, sprachen die meisten Kinder derBerliner Untersuchung gerade erst inZwei- und Dreiwortkombinationen, ei-nige äußerten sich sogar immer noch inEinwortsätzen. Buckley (Buckley & Bird,1993) versucht mit einigem Erfolg, die-sen langsamen Spracherwerb durchfrühes Lesenlernen (Erkennen vonWortkarten) visuell zu unterstützen.

Nach Rondal (1995) verbessern sichdie sprachlichen Kompetenzen der jun-gen Menschen mit Down-Syndrom zwarbis ins Erwachsenenalter, aber auchdann sind ihre Sätze häufig noch un-vollständig und grammatikalisch nichtimmer korrekt. Es stellt sich daher dieFrage, ob die Kinder mit Down-Syn-drom ihre Erstsprache nach den glei-chen Prinzipien erwerben wie nicht be-hinderte Kinder oder eher wie wir eineFremdsprache, also mühsamer und zu-dem ohne die stützende Hilfe einer Erst-sprache. Die auch im Vergleich zur all-gemeinen geistigen Entwicklung zusätz-lich verzögerte Sprachentwicklung unddie Probleme mit Aussprache undGrammatik bis ins Erwachsenenalterhinein sind ein Problem, mit dem sichdie meisten jungen Menschen mit Down- Syndrom mehr plagen müssen als an-dere Menschen mit geistigen Behinde-rungen.

Individuelle Unterschiede im Entwicklungsverlauf bei Kindern mit Down-Syndrom

Eine weitere wichtige Erkenntnis ausunserer Längsschnittstudie ist, dassKinder mit Down-Syndrom sehr unter-schiedlich sind und sich sehr unter-schiedlich entwickeln.

Bereits bei der Geburt unterscheidensie sich erheblich. Manche sind sehrschlaff und matt, andere haben einenvergleichsweise besseren Muskeltonusund wirken wacher. Viele haben zu-sätzliche gesundheitliche Beeinträchti-gungen. Schließlich unterscheiden sie

Page 9: Leben mit Nr. 39 / Jan. 2002 · AKTUELLES 4 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 2000 GuK-Kästen verkauft Zweite Auflage von GuK im Druck Innerhalb von einem Jahr konnten wir

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8 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002

sich wie andere Kinder auch im persön-lichen Temperament. Ein Kind lässt sichleichter anregen als ein anderes; einesweint leichter als ein anderes, eines istleichter erschöpft als ein anderes.

Auch im Entwicklungstempo unter-scheiden sie sich erheblich, sogar nochmehr als Kinder ohne Behinderungen.Weiterhin unterscheiden sie sich im Zu-sammenspiel der verschiedenen Ent-wicklungsbereiche, etwa der geistigenund motorischen Entwicklung. Wennbei dem einen Kind beide Bereiche fastparallel laufen, zeigen sie bei anderenganz unterschiedliche Verflechtungen.In den ersten beiden Lebensjahren „ver-legten sich“ manche Kinder auf die Wei-terentwicklung des Lautierens, wenn siein der motorischen Entwicklung hängenblieben, oder schienen in der geistigenEntwicklung zeitweilig zu stagnieren,wenn sie ihre neuen Möglichkeiten derLokomotion, der motorischen Fortbe-wegung, erkundeten. Da das Entwick-lungstempo aber Schwankungen unter-liegt, und dies von Kind zu Kind und vonVerhaltensbereich zu Verhaltensbereichin unterschiedlichem Ausmaß, sind Vor-hersagen auf die Weiterentwicklungschwierig.

Entsprechend gab es in unserer Un-tersuchungsgruppe keine Beziehungenzwischen der vorsprachlichen Entwick-lung des Lallens und dem Zeitpunkt desersten Auftretens von Zweiwortkombi-nationen. Zwar wechselten die Kindernicht plötzlich von einem raschen zu ei-nem langsamen Entwicklungstempooder umgekehrt. Aber wie bei nicht be-hinderten Kindern auch, mischten sichgerade beim Wechsel vom sensomotori-schen Denkhandeln des Kleinstkindeszum sprachlich-symbolisierenden Den-ken im Vorschul- und Schulalter dieKarten offenbar neu.

Ähnliche Beobachtungen berichtenSigman und Ruskin aus Los Angeles(Sigman & Ruskin, 1999). Dort waren 63Kinder zwischen drei und elf Jahren un-tersucht worden. Die Rangplätze im geis-tigen Entwicklungsniveau waren inner-halb der Gruppe der Kinder mit Down-Syndrom über die Zeitspanne von achtJahren weniger stabil als etwa bei au-tistischen Kindern oder entwicklungs-verzögerten Kindern anderer Diagnose-gruppen. Besonders gering war ihreRangplatz-Stabilität in der expressivenSprache: Aus der Zahl der mit drei Jah-ren gesprochenen Wörter ließ sich das

spätere Sprachniveau kaum vorhersa-gen. Dieses hing schon eher mit demSprachverständnis zusammen, das dieKinder mit drei Jahren gezeigt hatten.Diese geringen Vorhersagemöglichkei-ten späterer „Fähigkeiten“ aus früherenlegen es nahe, sich die Entwicklungs-verläufe der Kinder genauer anzu-schauen und dabei auch das Verhaltender Kinder, um einen Hinweis auf mög-liche Entwicklungsmotoren oder Ent-wicklungshemmnisse zu erhalten.

Verhalten von Kleinkindern mit Down-Syndrom und Entwicklung

Zum Bayley-Test gehört eine Zusam-menstellung von Verhaltenseinschät-zungen (Infant Behavior Record, IBR:Bayley, 1969), mit denen der Untersu-cher das Verhalten des Kindes währendder Testuntersuchung charakterisiert.Bei der Analyse der verschiedenen Ver-haltensaspekte im IBR des Bayley-Testsgab das Lebensalter der Kinder wenigOrdnungshilfe. Das geistige (kognitive,mentale) Entwicklungsalter war dage-gen aufschlussreicher.

Die Verhaltensänderungen mit stei-gendem Entwicklungsalter entsprachenzum einen den bei nicht behindertenKindern erwartbaren Veränderungen.So stieg zum Entwicklungsalter von vierbis sechs Monaten die Objektorientie-rung deutlich an. In diesem Entwick-lungsalter üben Kinder ihre Kompetenzdes Greifens und interessieren sichdementsprechend für alles Greifbare.Im Entwicklungsalter von sieben bisneun Monaten stieg die Anfangs-Ängst-lichkeit in der Testsituation („Frem-deln“), und im Entwicklungsalter von 16bis 21 Monaten verringerte sich die Ko-operation mit dem Untersucher oderder Untersucherin („Trotz“). „Trotz“ beieineinhalbjährigen Kindern stellt eineArt Eingangsproblem einer neuen Ent-wicklungsstufe dar. Die Kinder begin-nen nun zwar, sich bereits vor derHandlungsausführung Ziele vorzustel-len; sie sind aber noch ganz starr an ih-re Ziele fixiert und können davon kaumablassen oder zu anderen wechseln. Un-terbricht man sie im Verfolgen ihrer Zie-le oder will man sie auf andere Ziele um-lenken, bricht ihr fragiles Handlungs-und Motivationssystem zusammen undsie zeigen Verhalten, das als Wut, Ärgeroder Trotzverhalten vielen Eltern ver-traut ist.

Individuelle Unterschiede im Verhalten und kognitive Entwicklung

Lässt sich aus Unterschieden im Ver-halten der Kinder ihre spätere Entwick-lung vorhersagen?

Im Alter von 21 Monaten waren un-sere Kinder im Durchschnitt auf einemEntwicklungsniveau von etwa zwölf Mo-naten, einige darüber, andere darunter.Da über dieses Alter von fast allen Pro-jektkindern Testergebnisse und Verhal-tensbeurteilungen vorlagen, versuchtenwir, sowohl aus dem Entwicklungsni-veau als auch aus dem Verhalten mit 21Monaten das geistige Entwicklungsni-veau der Kinder mit 54 Monaten vor-herzusagen. Nach diesem Alter fand beieinigen Kindern ein Testwechsel statt.

Die beste Vorhersage ergab sichnicht aus dem geistigen Entwicklungs-niveau mit 21 Monaten, sondern aus ei-ner einzigen Verhaltensskala, die als„Reaktivität“ bezeichnet wird. Mit ihrwird erfasst, wie rasch ein Kind auf einneues Testmaterial, eine neue Aufgabereagiert oder wie mühsam der Untersu-cher es auf eine neue Gegebenheit hin-lenken muss. Bis zu 40 % der späterenNiveauunterschiede konnten aus diesenRatings vorhergesagt werden (im Ver-gleich zu nur 26 % aus dem geistigenEntwicklungsniveau). Zusammen mitdem motorischen Entwicklungsniveaubei 21 Monaten erreichte die Prognosesogar mehr als 50 %. „Reaktivität“könnte mit Empfindlichkeit für Neues,mit Neugier, interessierter Wachheitgleichgesetzt werden (Rauh et al., 1999).

„Reaktivität“ ist aber nicht zu jedemEntwicklungszeitpunkt der beste Prä-diktor. Bei der Vorhersage aus dem Le-bensalter von 15 Monaten, als die Kin-der im Durchschnitt auf einem Entwick-lungsniveau von etwa neun bis zehnMonaten waren, auf das Entwicklungs-niveau im Alter von (in diesem Falle)fünf Jahren, erwies sich mit 46 % Vari-anzaufklärung die Skala „Ansprechbar-keit durch den Untersucher“ als der vor-hersageträchtigste.

Mit dieser Skala wird das in diesemEntwicklungsalter neue Verhalten derKinder erfasst, nicht nur auf das Test-material zu reagieren, sondern auch aufdas Sprechen und Zeigen des Untersu-chers. Darin zeigt sich ihre neue Fähig-keit, den Untersucher als Teil der Test-aufgabe und als Partner bei der Aufga-be wahrzunehmen und auf ihn zu rea-gieren.

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 9

Verhaltensverlaufsmuster und Entwicklungstempo

In einem weiteren Schritt untersuchtenwir die Verhaltensverlaufsmuster beiKindern mit unterschiedlichem Ent-wicklungstempo. Hierzu teilten wir dieKinder unserer Untersuchungsgruppein drei Entwicklungstempo-Gruppen ein(Arens, 1996). Als Einteilungskriteriumdienten uns die mentalen Entwicklungs-testergebnisse der Kinder im Alter zwi-schen drei und fünf Jahren, also jenseitsder Kleinstkindphase.

In fast allen Verhaltensmerkmalenhoben sich die „zügig“ sich entwickeln-den und die Kinder mit „mittlerem“Tempo von den besonders „langsamen“ab. Die „mittleren“ Kinder waren den„zügigen“ im Prinzip ähnlich; sie zeigtendas Verhalten eventuell nur etwas we-niger ausgeprägt oder ein wenig später.Die sich besonders „langsam“ ent-wickelnden Kinder waren dagegen be-reits in den ersten Entwicklungsmona-ten weniger sozial orientiert, etwas we-niger aktiv und reagierten deutlich ver-zögerter und matter auf die Testan-gebote. Letzteres konnte man bei ihnenauch noch im Entwicklungsalter von sie-ben bis neun Monaten beobachten,wenn bei den anderen Kindern das Ob-jektinteresse bereits ausgeprägt war. Imweiteren Entwicklungsverlauf tendier-ten die „langsamen“ Kinder, die häufigmotorisch zunächst besonders matt wa-ren, zu nun erhöhter motorischer Akti-vität.

Beides spricht bei diesen Kindern füreine verminderte Kontrolle oder Steue-rung der Motorik und der Aktivität. Siereagierten jedoch immer noch verzögertauf die Testaufgaben oder auf Aufga-benwechsel. Auf vergleichbarem Leis-tungsniveau (Entwicklungsalter) warensie deutlich weniger auf die Aufgabenbezogen. Ihre Kooperation im Test sankmit 16 bis 18 Entwicklungsmonatennicht nur entwicklungsalterstypisch ab,sondern blieb auch in den folgendenMonaten und Jahren auf einem oft ge-ringen Niveau. Sie waren ausgespro-chen schwierig zu testende Kinder mitausgeprägten Ausweichverhaltenswei-sen.

Im Unterschied zu den „langsamen“Kindern waren die sich insgesamt eher„zügig“ entwickelnden Kinder bereitsfrüh sozial aufgeschlossen und am Testinteressiert. Wenn ihnen eine Aufgabezu schwer erschien, hatten ihre Aus-

weichverhaltensweisen eher den Cha-rakter von Alternativangeboten; sie„stiegen“ aber aus der Situation nicht„aus“. Ihr Einbruch an Kooperativitätmit 16 bis 18 Monaten Entwicklungsal-ter war minimal und deutlich geringerals auch bei den Kindern mit mittleremTempo. Letztere „erholten“ sich aber,im Unterschied zu den „langsamen“Kindern, in den folgenden Monaten underreichten im Entwicklungsalter von gutzwei Jahren das Kooperationsniveauder „zügigen“ Kinder.

Insgesamt zeigen diese Ergebnisse,dass sich beim Erreichen des gleichenEntwicklungsniveaus die Kinder wäh-rend des Tests auch je nach ihrem un-terschiedlichen Entwicklungstempo imVerhalten unterscheiden. Dabei sind esbesonders solche Verhaltensweisen, dieAspekte des Leistungsverhaltens undder Leistungsmotivation beinhalten, diemit dem Entwicklungstempo korre-spondieren.

Bindungssicherheit und Entwicklungstempo

Bei einem Teil der Kinder haben wir,als sie das geistige Entwicklungsniveauvon zwölf Monaten erreicht hatten, die„Fremde Situation“ nach Ainsworth(Ainsworth & Wittig, 1969) durchge-führt und die Bindungsqualität der Kin-der ermittelt. Die „Fremde Situation“ isteine Abfolge von kleinen Szenen, in de-nen beobachtet wird, wie das Kind sichin einer neuen Umgebung (Raum mitSpielzeug und zwei Stühlen für Mutterund eine fremde Erwachsene) verhältund wie es verkraftet, von der Mutter fürwenige Minuten mit einer Fremden odersogar ganz allein gelassen zu werden.Aus der Art, wie es die zurückkehrendeMutter begrüßt, wird die Bindungssi-cherheit des Kindes eingeschätzt.

Die entwicklungspsychologische For-schung schreibt der Bindungssicherheitgroße Bedeutung bei. Gegen Ende desersten Lebensjahres (bzw. bei ver-gleichbarem Entwicklungsniveau) ent-wickeln nahezu alle Kinder eine intensi-ve persönliche Bindung an die Hauptbe-treuungsperson bzw. an wenige Perso-nen im unmittelbaren Umkreis. DieseBindung („attachment“) hat aus derEvolutionsgeschichte offenbar den Sinn,das erwachende Erkundungsverhaltendes Kindes abzusichern. Strebt das Kindkrabbelnd oder laufend von der siche-ren Basis, in der Regel der Mutter, fort,

um Gegenstände, den Raum, anderePersonen zu explorieren, dann begibt essich in mögliche Gefahren. Bindungs-verhalten wird dann aktiviert, ver-gleichbar einem psychologischen Gum-miband. Das bislang erkundungsfreudi-ge Kind wird ängstlich, furchtsam; esversichert sich mit Blicken der Bin-dungsperson oder sucht ihre Nähe undihren Trost, um dann, „wohl aufge-tankt“, wieder auf Erkundung zu gehen.

Diese Balance zwischen Explorationund Bindung ist im zweiten Lebensjahrfast verhaltensbeherrschend und lässtsich in der Regel gut beobachten.Während also alle Kinder eine intensiveBindung entwickeln, gibt es dennochUnterschiede in der Art ihrer Bindungund im Ausdruck ihres Bindungsverhal-tens. Diese Unterschiede sind wahr-scheinlich überwiegend das Ergebnisihrer frühen Erfahrungen mit ihrenBindungspersonen. Die Mehrzahl derKinder entwickelt eine unkompliziertesichere Bindung, bei der das Gummi-bandverhalten eindeutig funktioniert(Bischof-Köhler, 1998).

Es gibt aber auch Kinder, die ihreGefühle entweder nur sehr verhaltenausdrücken, als würden sie befürchten,dass zu heftige Reaktionen ihre „siche-re Basis“ gefährden könnten, und Kin-der, die ganz massiv und sogar ärgerlichreagieren, wenn sie die Situation selbstnicht ganz unter ihrer Kontrolle haben.Ohne hier auf eine lange wissenschaftli-che Debatte einzugehen (Cicchetti &Serafica, 1981; Rauh & Calvet-Kruppa,1992; Rauh, 1999; Rauh, Arens, Calvet-Kruppa, 1999; Serafica & Cicchetti,1976; Thompson & Cicchetti, 1985;Vaughn et al., 1994), lässt sich heuteschlussfolgern, dass sich das Konzeptvon Bindung und Exploration auch aufKinder mit Down-Syndrom anwendenlässt.

Auf der Grundlage der Beobachtun-gen in der „Fremden Situation“ konntenwir die Kinder in solche mit sichererund unsicherer Bindung unterscheiden.Wir hatten zunächst die Erwartung,dass sich bindungssichere Kinder zügi-ger entwickeln als unsichere Kinder.Dies hat sich jedoch zumindest für dasVorschulalter nicht bestätigt. Dennochunterschieden sich die Kinder je nachihrer Bindungsqualität in ihren Verhal-tensverlaufsmustern in durchaus cha-rakteristischer Weise.

Kinder, die als bindungssicher be-

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zeichnet werden konnten, zeigten aus-geprägt ein Verhaltensmuster, wie esklassischerweise dem jeweiligen geisti-gen Entwicklungsstand entsprechendürfte, also wachsendes Interesse anGegenständen im Entwicklungsalter vonvier bis sechs Monaten, Anfangsängst-lichkeit und Fremdeln mit sieben bisneun Monaten, Absinken der Koopera-tion mit 18 Monaten, verstärkte Rück-versicherung zur Mutter mit einem Ent-wicklungsalter von zwei Jahren. DieseVerhaltensänderungen waren dannaber auch auf diese Entwicklungsalters-zeiten begrenzt.

Kinder mit desorganisiert unsiche-rer Bindung zeigten sich weit über dieFremdelzeit hinaus als erhöht ängstlich.Kinder mit vermeidend-unsicherer Bin-dung waren im Entwicklungsalter vonzwölf bis 18 Monaten zum Untersucherfast freundlicher als zur Mutter, derenAnwesenheit sie in dieser Zeit kaum zubeachten schienen. BindungsunsichereKinder schienen es zudem schwierigerzu haben, aus dem Kooperationsein-bruch um die 18 Monate Entwicklungs-alter wieder herauszufinden und dieentsprechende Freude und Begeiste-rung an der Untersuchung zu ent-wickeln, die für die bindungssicherenKinder so charakteristisch erschien.

All diese Verhaltensunterschiedestimmen sehr gut mit dem Konzept derBindungssicherheit/Bindungsunsicher-heit überein. Die Verhaltensmerkmale,in denen sich die Kinder je nach Bin-dungsqualität unterschieden, betrafendie Stimmung, die Emotionen und diesoziale Zuwendung, kaum jedoch dasLeistungsverhalten. BindungssichereKinder waren einfach „netter“ und „an-genehmer“ als unsichere Kinder.

Schlussfolgerungen

Kinder mit Down-Syndrom zeigen indi-viduell sehr unterschiedliche Verläufe,und zwar sowohl in ihrer mentalen/ko-gnitiven als auch in ihrer sprachlichenund ihrer motorischen Entwicklung. IhrVerhalten in der Testsituation ist, wiebei anderen Kindern auch, eher Aus-druck ihres kognitiven Entwicklungs-standes als ihres Lebensalters oder garihres Syndroms. Darüber hinaus ist ihrVerhalten ein wichtiger Hinweis darauf,wie sie die Herausforderungen einerTestsituation erleben, und dieses Erle-ben kann auf ihre weitere Entwicklunghinweisen.

Kinder, die sich besonders langsam ent-wickeln, scheinen schon früh Schwie-rigkeiten zu zeigen, sich auf ein Stimu-lusangebot auszurichten. Sie reagierenzudem auf neue Anforderungen, auchauf solche, die eigentlich im Rahmen ih-res Leistungsniveaus liegen, häufigermit problematischen Verhaltensweisen,wie motorischer Unruhe, Abwehr, Aus-weichen und Abbruch der Kooperation.Längerfristig können sich das Beharrenauf Vertrautem und Sicherem und dasVermeiden von auch noch so kleinenHerausforderungen bzw. die Resignati-on bereits bei Versagensandeutungen inStagnation der Entwicklung und mitun-ter auch dem Zerfall bereits erworbenerKompetenzen auswirken (Cuskelly,Zhang & Gilmore, 1998; Rauh 1996;Wishart 1988; 1998).

Auch das Bild vom stets heiteren undleicht zu führenden Kinde mit Down-Syndrom stimmt nicht generell (Gunn &Cuskelly, 1991; Sigman & Ruskin,1999). Je nach Entwicklungsphase sindsie leichter oder weniger leicht zu len-ken. Je nach bisherigem Entwicklungs-verlauf sowie An- und Überforderungs-erfahrungen bilden sie offenbar ein sehrunterschiedliches Selbstbild aus und un-terschiedliche Strategien, sich vorSelbstbildbeschädigungen zu schützen(Wilken, 1997). Denn die Kinder spürendurchaus bereits im Kindergartenalter,dass ihnen auch im Vergleich zu ande-ren Kindern vieles nicht gelingt. Einigeverleiten dann ihre Mitwelt durch Char-me und gestellte Hilflosigkeit, vermeint-lich schwierige Situationen an ihrerStelle zu lösen. Andere bieten alternati-ve Aufgabenlösungen, vielleicht die zurvorangegangenen Aufgabe, als Aus-gleichsgabe an. Wiederum andere ver-suchen, die Mitwelt durch ihre wenigerbeeinträchtigten sozialen Gaben, etwazur Clownerie, oder durch einen or-dentlichen Trotzanfall zu beeinflussen.Wiederum andere werden traurig undresignieren, werden passiv. Im Schulal-ter kann ihre Resignation sogar körper-liche Formen psychosomatischer Be-schwerden annehmen.

Nicht alles Verhalten ist aber an dasEntwicklungsniveau und das Entwick-lungstempo gekoppelt. Dies zeigen dieBefunde zur Bindungssicherheit. Bin-dungssicherheit entsteht aus den sozia-len und emotionalen Interaktionserfah-rungen mit den Eltern, oft besondersder Mutter. Im Vergleich zu Müttern

nicht behinderter Kinder waren Müttervon Kindern mit Down-Syndrom mit si-cher gebundenen Kindern in ihrer In-teraktion mit ihrem Kinde sogar nocheinfühlsamer und feinfühliger (Rauh etal., 1999) als Mütter mit nicht behinder-ten Kindern vergleichbaren Entwick-lungsniveaus. Sie gestalteten die Spiel-interaktionen ohne jegliche Hektik, gin-gen auf die Spielinitiativen ihrer Kinderein, waren zugewandt und freundlich,ohne dirigistisch zu sein. Mütter unsi-cher gebundener Kinder dagegen hiel-ten sich entweder aus der Spielinterak-tion mit dem Kind weitmöglichst herausoder sie hatten das Bedürfnis, ihrerseitsdas Kind ständig anzuregen und zu len-ken sowie sein Verhalten zu steuern undeinzugrenzen. Offensichtlich warenauch sie verunsichert in ihrem Vertrau-en zu ihrem Kind und seinem Verhalten.

Es ist zwar zunächst vielleicht irri-tierend, dann vielleicht aber auch tröst-lich, dass leistungsbezogenes und sozi-al-emotionales Verhalten voneinanderunabhängig sind. Denn ob ein Kind sichbesonders langsam oder rasch ent-wickelt, kann viele Gründe haben. Aberauch ein langsam sich entwickelndesKind kann demnach eine sichere sozial-emotionale Bindung aufbauen, ein an-genehmes soziales Verhalten ent-wickeln und sich rundum wohl fühlen.Andererseits muss eine zügigere Ent-wicklung nicht notwendigerweise auchmit einem ausgeglichenen sozial-emo-tionalen Selbstbild einhergehen.

Allerdings dürften emotional entlas-tende und unterstützende Bedingungensowie einfühlsame Förderung für Kin-der mit Down-Syndrom von besondererBedeutung sein, zumal ihre Verletzlich-keit bei weniger optimalen Bedingun-gen besonders groß ist.

Anschrift der AutorinProf. Dr. Hellgard RauhInstitut für Psychologie

Universität PotsdamKarl-Liebknecht-Str. 24-25

14476 Potsdam-Golm

Dieser Artikel ist erschienen inFrühförderung interdisziplinär,

19. Jg., S. 130-139 (2000). Wir danken dem Ernst Reinhardt

Verlag und der Autorin für die freund-liche Genehmigung, diesen Artikel in

Leben mit Down-Syndrom veröffentlichen zu dürfen.

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Lisa und OmaMargot Wahl

Ich weiß es noch so genau, als ob esheute wäre, als an einem Samstag in

Juni 1996 das Telefon klingelte und mei-ne Tochter nur sagte: „Hallo Oma!“

Es war ein absoluter Glückstag. EinMädchen, hieß es, Lisa, sie ist gesundund es ist alles dran, genau was so einkleines Menschlein alles braucht.

Überglücklich fuhr ich gleich amVormittag los zur Klinik, um mein er-sehntes Enkeltöchterlein in die Arme zuschließen und den frisch gebackenen El-tern zu gratulieren.

Als ich die kleine Lisa sah, war esmir irgendwie komisch zumute, denn dawar etwas, was ich nicht recht zuordnenkonnte. Aber das Kind war ja geradeerst ein paar Stunden alt, da bildet mansich vielleicht auch nur etwas ein, dach-te ich zu meiner Beruhigung. Gesagt ha-be ich nichts, denn egal wie, sie wirdmeine große Liebe werden.

Der frisch gebackene Opa und ichfeierten mit den Nachbarn die Ankunftder neuen Erdenbürgerin. Am nächstenMorgen kam der Anruf meiner Tochter,der mir meinen Verdacht bestätigte. DieÄrzte vermuten bei Lisa das Down-Syn-

drom und einen Herzfehler dazu.Schock bei allen. Hilflosigkeit, die im-mer wiederkehrende Frage: Warumwir? Die kleine Hoffnung, dass die Ärz-te sich irren! Was sagen die Urgroßel-tern? Was können wir tun?

Gleich am Morgen fuhr ich wieder zumeinen Liebsten ins Krankenhaus. Fürmich war es damals schon klar: Ich lie-be meine Lisa und werde alles tun, wasman nur kann. Und man kann sehr vieltun. Meine Tochter und mein Schwie-gersohn haben sich sofort anhand vonFachbüchern über das Down-Syndrominformiert und weitergebildet. Auch ichhabe sehr viel darüber gelesen und ver-sucht zu helfen, wo es nur ging.

Heute ist Lisa fünf Jahre alt und be-sucht den Regelkindergarten mit Inte-grativgruppe und ist ein fröhliches, lie-benswertes Mädchen mit viel Verstandund Herz.

Krankenhausaufenthalte, Herzope-rationen, Tränen, Kummer, Verzweif-lung, all das hat Lisa mit all ihrer Stär-ke überwunden. Es ist uns gelungen,durch die Annahme und das Verstehender Behinderung zum „normalen“ Le-ben zurückzukehren. Nicht mehr zu fra-gen, warum gerade wir, sondern zu sa-gen, gerade wir, weil es uns mit Lisa gutgeht.

Allen Großeltern, die nicht ganz ge-sunde Enkelkinder haben, ganz egal ob

es sich um das Down-Syndrom oder umeine andere Behinderung oder Krank-heit handelt, möchte ich Mut machen,diese Kinder anzunehmen und zu lie-ben. Das ist so wichtig wie das täglicheBrot.

Lisa hat ein gesundes Schwester-chen, Laura. Ich habe also doppeltesGlück, denn ich habe noch ein Enkel-töchterlein. Stolz bin ich auf meineTochter und meinen Schwiegersohn,denn eine Fruchtwasseruntersuchunghaben sie bei der zweiten Schwanger-schaft ausgeschlagen mit der Begrün-dung, wenn es der Zufall so möchte unddas zweite Kind auch behindert ist, neh-men wir es dennoch in unsere Arme.

Toll, so eine Oma!

Geht mit einem zur

Fastnacht, bringt einem

das Fahrradfahren bei

und verwöhnt einen so

ab und zu.

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Kinder mit Down-Syndrom und das auditive Kurzzeitgedächtnis Sandy Alton

Sandy Alton ist Beratungslehrerin für Schüler mit Down-Syndrom in Oxfordshire,England. In diesem Aufsatz beschäftigt sie sich mit der Funktion des auditiven Kurz-zeitgedächtnisses und beschreibt, welche Probleme Kinder mit Down-Syndrom haben,wenn ihr auditives Kurzzeitgedächtnis häufig nicht so funktioniert.Sie gibt außerdem viele Tipps, wie man gerade auch in der Schule damit umgehenund wie man den Kindern trotz dieser Schwierigkeiten beim Lernen helfen kann.Dieser Artikel erschien in „Journal“, einer Zeitschrift, die herausgegeben wird vonder Down’s Syndrome Association in London, England, Ausgabe 95, Winter 2000 /2001.

Welche Aufgaben hat das auditiveKurzzeitgedächtnis?

Das auditive Kurzzeitgedächtnis hilftuns dabei, Sprache zu verstehen. Wirnutzen diesen Speicher, um uns gespro-chene Sprache zu merken, sie zu verar-beiten, zu verstehen und anzupassen,und zwar so lange, bis wir darauf rea-gieren können. Es wird auch verbalesoder phonologisches Arbeitsgedächtnisgenannt.

Es ist nur einer der Gedächtnisspei-cher, über die das Gehirn verfügt (Bri-stow J., Cowley P., Daines B., 1999). Einweiterer ist das visuelle Gedächtnis. Stu-dien bei Kindern mit Down-Syndromzeigen, dass die Funktion dieses Ge-dächtnisses weitaus besser ist als dasauditive Kurzzeitgedächtnis.

Wie funktioniert das auditive Kurzzeitgedächtnis?

Eine Beschreibung über die Art undWeise, wie das auditive Kurzzeitge-dächtnis funktioniert, finden wir im Mo-dell Arbeitsgedächtnis (Baddeley undHitch, 1974). Laut diesem Modell wer-den Informationen, die wir hören, in ei-nem Teil des Kurzzeitgedächtnissesfestgehalten, das man die phonologi-sche Schleife nennt (Baddeley, 1986).Die Wörter verbleiben hier lang genug,

um sie zu verstehen, bevor sie ins Lang-zeitgedächtnis transportiert werden.Dies ist wichtig, denn wenn wir unsnicht an den Anfang eines Satzes erin-nern können, sind wir auch nicht in derLage, die Bedeutung des ganzen Satzeszu erfassen.

Informationen in der phonologi-schen Schleife verschwinden schnell.Sie werden dort nur zwei Sekunden fest-gehalten, es sei denn, sie werden durcheinen artikulatorischen Kontrollprozessbearbeitet. Das machen wir durch die sogenannte innere Rede. Die Menge anDaten, die wir in dieser Zeitspanne vonzwei Sekunden behalten können, nenntman die auditive „Digit Span“. Wir kön-nen die Kapazität dieses Speichers mes-sen, indem wir herausfinden, an wieviele Einheiten, die mit einer Schnellig-keit von einem Wort pro Sekunde ge-sprochen werden, eine Person sich un-mittelbar erinnert und wie viele Einhei-ten sie in der selben Folge wiederholenkann. Diese Speicherkapazität misst al-so die Fähigkeit einer Person, zuzu-hören und zu sprechen

Kann man die Leistung des auditivenKurzzeitgedächtnisses steigern?

Es gibt verschiedene Faktoren, die dieLeistung des auditiven Kurzzeitgedächt-nisses steigern können. Hauptsächlich

bestimmt die Geschwindigkeit, mit derwir in der Lage sind, Sprache aufzuneh-men und zu produzieren, wie viele In-formationen wir in der Zwei-Sekunden-Spanne festhalten können. Je schnellerwir zu sprechen lernen, desto mehr sindwir im Stande, Wörter durch innere Re-de artikulatorisch aufzufrischen und zuhalten, bevor sie wieder verschwinden(Baddeley, et al., 1975). Die Kapazitätdes Arbeitsspeichers nimmt bei Kindernnormalerweise mit dem Alter allmäh-lich zu, übereinstimmend mit derSprachentwicklung. Im Durchschnitthat ein Vierjähriger ein Kurzzeitwortge-dächtnis von zwei bis drei Einheiten. Beieinem 14-Jährigen liegt diese Kapazitätdurchschnittlich bei ca. sieben Einhei-ten. Unser auditives Arbeitsgedächtnisnimmt also zu, je älter wir werden.

Andere Faktoren, die die Leistungdes Kurzzeitgedächtnisses verbessernkönnen, sind Auffrischung und Organi-sation. Auffrischung ist das – mittels in-nerer Rede – Wiederholen von Informa-tionen, um sich diese besser zu merken.In der Regel setzt dieser Prozess bei Kin-dern, die sich normgemäß entwickeln,mit ca. sieben Jahren ein (Gathercole,1998).

Organisation beinhaltet das Katego-risieren, Einteilen und Zusammenfas-sen von ähnlichen Informationen, um

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das Abrufen zu erleichtern. Sowohl dieFähigkeiten zum Auffrischen wie zumOrganisieren entwickeln sich automa-tisch, je älter ein Kind wird. Es ist aller-dings nicht möglich, diese Fähigkeitendarüber hinaus durch Training nochweiter zu verbessern.

Verbesserte Fähigkeiten bei der Auf-nahme und Verarbeitung von Informa-tionen bewirken, dass mehr Wörter ef-fektiver behalten werden können.

Nicht nur hängt das auditive Kurz-zeitgedächtnis direkt zusammen mit derGeschwindigkeit, in der man Wörter ar-tikulieren kann (Jarrold et al., 1999), Un-tersuchungen haben außerdem gezeigt,dass verbesserte Fähigkeiten in diesemBereich auch das Tempo, in dem Kinderneue Wörter lernen und lesen lernen,günstig beeinflussen.

Welche Faktoren behindern das auditive Kurzzeitgedächtnis?

Lange Wörter, Wörter, die ähnlich klin-gen, oder unbekannte Wörter verursa-chen Probleme. Lange Wörter brauchenmehr Zeit, um sie zu artikulieren, esdauert länger, um sie zu verarbeiten,und sie werden schneller vergessen.

Unser Gedächtnis ist daher für ein-silbige Wörter besser ausgestattet als fürWörter mit drei Silben. Dies gilt sowohlfür Wörter, die wir hören, als auch fürWörter, die wir nur sehen. Ebenso ist esschwieriger, zwischen Wörtern, dieähnlich klingen, zu unterscheiden. Sol-che Wortreihen werden leichter verges-

sen. Schließlich ist es für das Gedächtniseinfacher, sich etwas zu merken, wasihm schon bekannt ist. Wenn uns Wör-ter völlig fremd sind, brauchen wirmehr Zeit, diese aufzunehmen, zu ver-arbeiten und zu lernen. Speziell für einKind mit einer verzögerten Sprachent-wicklung ist es schwer, sich unbekann-te Wörter anzueignen.

Wie beeinflusst das Down-Syndromdas auditive Kurzzeitgedächtnis?

Viele Kinder mit Down-Syndrom habenein schlechtes auditives Kurzzeitge-dächtnis. Im Allgemeinen ist jedoch dasLangzeitgedächtnis nicht beeinträchtigt,genauso wie das Gedächtnis für visuelleund räumliche Informationen.

Untersuchungen haben gezeigt, dassdie Speicherkapazität von Kindern mitDown-Syndrom sich nicht automatischweiterentwickelt, so wie dies bei gleich-altrigen anderen Kindern der Fall ist.(Hulme & Mackenzie, 1992). Teenagermit Down-Syndrom verfügen in der Re-gel über eine Speicherkapazität von dreibis vier Einheiten im Vergleich mit Tee-nagern ohne Behinderung, die bis zusieben Elemente speichern und verar-beiten können. Dies bedeutet, dass derUnterschied zwischen ihrem Entwick-lungsalter und der Leistung ihres auditi-ven Kurzzeitgedächtnisses immer grö-ßer wird.

Eigentlich erwartet man, wenn mandas sprachliche und das kognitive Ni-veau von Menschen mit Down-Syndrom

in Betracht zieht, wesentlich bessereMerkfähigkeiten. Dies ist jedoch nichtder Fall, wie verschiedene Untersu-chungen bewiesen haben (Jarrold, C.,2000, Kay-Raining, Bird & Chapman,1994).

Weshalb haben Kinder mit Down-Syndrom ein schlechtes auditivesKurzzeitgedächtnis?

Dies ist nicht deutlich. Es gibt verschie-dene Meinungen und es bedarf sicher-lich noch weiterer Untersuchungen,aber es scheint so, dass Kinder mit Down-Syndrom nicht die üblichen Stra-tegien entwickeln, wie das Wiederho-len, Organisieren oder Gruppieren vonInformationen, die ihm dabei helfen,sich diese zu merken.

Es sieht danach aus, dass Kinder mitDown-Syndrom nur sehr langsam undineffizient Informationen wiederholenoder dies überhaupt nicht machen.Wenn man bedenkt, dass Kinder, diesich normal entwickeln, auch erst absieben Jahren mit diesem Verarbei-tungsprozess anfangen, kann man diesfolglich auch nicht erwarten von Kin-dern mit Down-Syndrom, deren Ent-wicklungsalter unter sieben Jahrenliegt. Wenn man aber Kinder mit Down-Syndrom vergleicht mit sich normal ent-wickelnden Kindern unter sieben Jah-ren (die also auch noch nicht in der La-ge sind, Informationen für sich zu wie-derholen), stellt man fest, dass sogarhier Kinder mit Down-Syndrom bei Ge-

O je, was hat der Lehrer da gesagt?

Das habe ich schon wieder glatt ver-

gessen.

Wie gut, dass meine Freundin es wenigs-

tens noch weiß. Zusammen gelingt uns

die Aufgabe bestimmt.

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mationen die unterschiedlichsten Me-thoden anzuwenden, damit die Datenauf verschiedene Kanäle in die einzel-nen Gedächtnisspeicher gelangen kön-nen. Nur mit „Tafel und Geschwafel“ zuunterrichten, ist zu wenig – speziellwenn man körperliche und praktischeFertigkeiten unterrichtet. Für viele Kin-der, nicht nur für die mit einem schlech-ten auditiven Gedächtnis, ist das Lernennur durch Zuhören nicht der optimaleWeg. Tatsache ist, dass das Lernen ein-geschränkt wird, wenn keine anderenMedien benutzt werden. In den folgen-den Absätzen behandeln wir einigeSchlüsselthemen und zeichnen Strategi-en auf, die die Situation verbessern kön-nen.

Auswirkungen eines schlechten auditiven Kurzzeitgedächtnisses

Probleme im Bereich des auditiven Kurzzeitgedächtnisses bedeuten immerauch Schwierigkeiten bei der Sprach-entwicklung und beim Wortschatzauf-bau. Wie ein Schüler auf gesprocheneSprache reagiert oder was er aus egalwelcher Situation lernt, hängt immersehr von seinen auditiven Fähigkeitenab. Tatsache ist einfach, dass Wörter,die man nur hört, zu schnell aus demArbeitsgedächtnis verschwinden.

Ein Kind, das sich bemüht zu behal-ten und zu verarbeiten, was gerade ge-sagt wurde, wird bald überfordert sein,wenn die Informationen für ihn fremdeBegriffe oder lange, komplizierte Sätzeenthalten. Das Kind wird entweder ganzabschalten oder nur einige Brocken be-halten, meistens vom Anfang oder Endeeines Satzes. In Situationen, in denenkonzentriert zugehört werden muss,verursacht dies häufig große Problemefür das Kind. Dies kann z.B. in folgendenSituationen passieren:

im Erzählkreisbei Versammlungenbeim Zuhören von neuen Geschichtenbei Diskussionen in der Klassebeim Entgegennehmen vonAnweisungen wenn das Kind konfrontiert wird mitunbekannten Themen oder unbekann-tem Vokabularbeim Satzrechnen

Schlechte auditive Wahrnehmung undVerarbeitung beeinflussen auch dasAufnehmen von Lernregeln und die Ent-wicklung von Organisationsfertigkeiten.

dächtnisübungen schlechter abschnei-den. Dies kann man nicht einfach mit ei-nem schlechten auditiven Gedächtniserklären (Gathercole & Adams, 1993;Gathercole, Adams & Hitch, 1994).

Auch andere Studien weisen daraufhin, dass der Hauptgrund, weshalb Kin-der mit Down-Syndrom in diesem Be-reich so schlecht abschneiden, nicht derdes Wiederholens ist (Jarrold et al.,2000 Gathercole & Baddeley, 1990). Ei-ne plausiblere Ursache scheint ein Pro-blem zu sein mit der phonologischenSchleife, wie z.B. ein Mangel beim Hal-ten oder ein extrem schnelles Erlöschenvon Daten. Obwohl man annehmenwürde, dass Hörprobleme oder einelangsame Artikulation für das schlechteauditive Kurzzeitgedächtnis verant-wortlich sind, konnte dies durch Unter-suchungen nicht bewiesen werden (Jar-rold, 2000).

Kann das auditive Kurzzeitgedächt-nis verbessert werden?

Studien haben gezeigt, dass wenn esProbleme bei dem inneren artikulatori-schen Auffrischungsprozess gibt, einspezielles Trainingsprogramm zu einererweiterten Gedächtnisspanne führenkann (Comblain, A., 1994 und Broadleyet al., 1994). Langfristig gesehen warder Effekt jedoch gering, viele derzunächst verbesserten Gedächtnisleis-tungen nahmen allmählich wieder aboder verschwanden ganz. Es ist mög-lich, dass weiteres intensives Trainingdie Speicherkapazität auf Dauer verbes-sern kann. Dafür sind jedoch mehr Un-tersuchungen notwendig.

Wenn das Problem bei der phonolo-gischen Schleife selbst liegt, ist die ein-zige wirksame Strategie, sprachliche In-formation verstärkt durch visuelle Mittelanzubieten.

Gibt es weitere Strategien, um dasschlechte auditive Kurzzeitgedächt-nis zu umgehen?

Es ist möglich, die Schwierigkeiten, diedurch das schlechte auditive Kurzzeit-gedächtnis entstehen, ein wenig zu mil-dern, indem man speziell angepassteUnterrichtsstrategien und geeignete Dif-ferenzierungsmaßnahmen anwendet.

Diese Lernstrategien sollten nichtausschließlich auf das auditive Kurz-zeitgedächtnis gerichtet sein. Wennman Kinder unterrichtet, ist es immerwichtig, bei der Vermittlung von Infor-

Um motiviert zu bleiben, benötigt derSchüler in allen oben genannten Situa-tionen zusätzliche visuelle Unterstüt-zung, einfühlsame Hilfen und viel Ver-stärkung (Lob).

Wie kann man Merkfähigkeitenentwickeln/trainieren?

Halten Sie die Aktivitäten kurz undsorgen Sie für genügend Pausen: Lernenmit einem schlechten Gedächtnis ist an-strengend!

Sorgen Sie dafür, dass es möglichstwenig „Störfaktoren“ gibt.

Lieder, Reime und Rhythmen könnenals Unterstützung dienen.

Gedächtnisspiele wie Kofferpacken,Memory, Kimspiele etc. sind ein gutesTraining.

Machen Sie Screen-Spiele! Dies sindSpiele, wobei ein kleiner Schirm zwi-schen dem Kind und einem Partner auf-gestellt ist. Der Partner gibt dem Kind ei-ne kurze Anweisung, ohne jegliche vi-suelle Hilfe. Das Kind muss diesen Auf-trag ausführen und kann sich dabei nurauf seine auditiven Gedächtnisfähigkei-ten verlassen. Ein solcher Auftrag könn-te z.B. sein, verschiedene Karten oderBilder in einer gewissen Reihenfolge zuordnen.

Das Kind soll sich eine bestimmte Mit-teilung vom einen auf den nächsten Tagmerken. Diese Mitteilung muss wahr-scheinlich eine Woche lang immergleich lauten, bis das Kind sie erfolg-reich behalten kann.

Auch durch Rollen- und Theaterspieleund rhythmische Übungen kann das Ge-dächtnis trainiert werden.

Rituale unterstützen das Lernen undsind gut geeignet, organisatorische Fer-tigkeiten einzuüben.

Geben Sie Gelegenheit zu ausreichendpraktischem Üben bei den verschiede-nen, oft vorkommenden Lernabfolgen.

Geben Sie Extra-Zeit und ermutigenSie das Kind, Informationen noch ein-mal zu lesen.

Stellen Sie sicher, dass für die Erledi-gung von Aufgaben lieber nur eine Fer-tigkeit benötigt wird, statt einer Reiheunterschiedlicher Fertigkeiten.

Was sind die speziellen Auswirkun-gen auf die Sprachentwicklung?

Das Kurzzeitgedächtnis spielt wie schonmehrmals beschrieben eine wichtigeRolle bei der Entwicklung der Sprachein den verschiedensten Bereichen: beim

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 15

Spracherwerb und beim Abspeichernvon Wörtern (dies beinhaltet auch dasphonetische Bewusstsein und Diskrimi-nation); beim Verstehen der Bedeutung(inklusive das grammatikalische Be-wusstsein) und beim Produzieren vonSprache (gesprochen und geschrieben).

Ein Kind kann Probleme haben:beim Verarbeiten und Speichern von

Informationen, besonders wenn es umrein verbale Sprache ohne visuelle Ver-stärkung geht.

beim Lernen von neuen Wörtern – Namen von Dingen.

beim phonologischen Bewusstsein –lernen von Buchstaben und Lauten.

beim Sich-Erinnern an Dinge, die esgehört hat – auditives Gedächtnis.

beim Sich-Merken von neuen, unbe-kannten Wörtern oder abstrakten Be-griffen – Kinder mit Down-Syndrom nei-gen dazu, konkrete Wörter, besondersSubstantive, zu benutzen.

beim Sich-Merken von Reihenfolgenund Wortlisten. Diese sind schnell ver-gessen, wenn sie nicht dauernd benutztund wiederholt werden.

beim Folgen von langen verbalen An-weisungen.

beim Verstehen von verbalen Infor-mationen – auditive Wahrnehmung.

beim Herausfiltern von Sprache voreiner Geräuschkulisse, z.B. in einer lau-ten Umgebung oder wenn es vielestörende Nebengeräusche gibt – auditi-ve Diskrimination.

beim Lesenlernen.

beim Verstehen von Lesetexten –wahrscheinlich weil wenn wir lesen dieWörter zuerst in innere Rede verwan-delt werden, bevor sie Bedeutung be-kommen.

beim Bilden von langen Wörtern.beim Bilden von langen Sätzen.beim Lernen von Grammatik.

Wie kann ich diese Probleme umgehen?

Stellen Sie sicher, dass Ablenkungenim Hintergrund so gering wie möglichsind.

Halten Sie Augenkontakt. Sprechen Sie klar und deutlich.Geben Sie nicht zu viele verbale In-

struktionen auf einmal.Teilen Sie Informationen in Kategori-

en auf und unterrichten Sie diese Kate-gorien getrennt: Das Anwenden von Ka-tegorien hilft dem Kind auch dabei,Wortschatz aufzubauen.

Versuchen Sie, Assoziationen zu le-gen: Verbinden Sie neue Informationenund Begriffe mit einem bekannten Wort,einer bekannten Situation oder mit vi-suellem Material.

Machen Sie Sprache „sichtbar“. Wich-tige Wörter oder tägliche Checklistenkönnen mit Bildern, Zeichen, Symbolenoder Farbangaben versehen werden.

Stellen Sie eine individuelle Übersichtzusammen mit Zeichen oder Bildern fürwichtige Alltagsbegriffe oder fachspezi-fischen Begriffen. Dies ist gut geeignetfür den Sekundarbereich.

Unterrichten und entwickeln Sie die

Lesefertigkeiten des Kindes. Für vieleKinder mit Down-Syndrom ist Lesen einvisuelles Hilfsmittel, das eingesetzt wer-den kann, um das schwache Kurzzeit-gedächtnis zu kompensieren.

Unterstreichen oder betonen Sie diewichtigsten Wörter.

Benutzen Sie Wortbäume, Wortmap-pen oder Wortwebs.

Unterteilen Sie Informationen in klei-nere Einheiten und benutzen Sie kurze,einfache Sätze, die für das Kind leichterzu bearbeiten sind.

Bringen Sie dem Kind bei, wie es In-formationen flüsternd für sich noch ein-mal wiederholen kann.

Pause, wiederholen und überprüfen –dies ermöglicht dem Kind, lang genugüber die Informationen nachzudenken,sie dann ins Langzeitgedächtnis zutransformieren und dort festzuhalten.

Lassen Sie dem Kind die Daten wie-derholen oder erklären.

Wiederholen Sie die Instruktionenoder Informationen, die an die ganzeKlasse gegeben wurden, noch einmalspeziell für dieses Kind.

Geben Sie dem Kind die Gelegenheit,innerhalb des Unterrichts Informatio-nen zu wiederholen, auch wenn Sie derMeinung sind, das Kind beherrsche denStoff nun schon.

Machen Sie dem Kind klar, in welcherSituation genaues Zuhören sehr wichtigist, z.B. nennen Sie seinen Namen, zei-gen Sie kurz auf die Ohren, geben Sieihm einen „Hör-gut-zu-Sticker“ odersetzen Sie es vorne in die Klasse.

Wenn getestet werden sollte, ob dasKind den Stoff verstanden hat, kannman am besten Arbeitsblätter mit ge-schlossenen Fragen benutzen. Auchsollte die abgefragte Menge kurz sein,lieber eine Seite nach der anderen ab-fragen als lange Texte auf einmal.

Beim Merken von Reihen und Abfolgen:Denken Sie an visuelle Verstärkung,

regelmäßige Wiederholung und Auffri-schung.

Musik, Rhythmus und Lieder könnensowohl sehr hilfreich sein beim Sich-Merken von z.B. dem Alphabet, denEinmaleins-Reihen, Wochentagen wieauch beim Unterrichten von phonologi-schen Fertigkeiten und Buchstabenfol-gen. Manchmal wird die Melodie alleinschon dem Kind „auf den Sprung“ hel-fen.

Mit Memory-Spielen

kann man die Merk-

fähigkeit trainieren

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16 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002

Auswirkungen auf die Grammatik

Grammatik unterstützt die Fähigkeit, ei-nen Satz zu verstehen und ihn weiter-zuverarbeiten. Grammatik ist abstraktund kann sehr komplex sein und hängtdamit zusammen, ob man in der Lageist, einen ganzen Satz zu behalten. Esbedeutet auch die Fähigkeit, mit länge-ren Sätzen umgehen zu können. Hat einKind hiermit Probleme, wird es eben-falls größere Schwierigkeiten beim Ler-nen und Verstehen von Grammatikre-geln haben. Wenn wir sprechen oderschreiben, müssen wir uns dauernd analle Aspekte eines Satzes erinnern (z.B.die Zeit, Präpositionen). Einige Kindermit Down-Syndrom sind zwar imstan-de, ihre Grammatikkenntnisse zu ver-bessern, ihnen fällt es jedoch sehrschwer, diese Fertigkeit beim Schreibenzu übertragen. Darauf wird später indiesem Aufsatz noch hingewiesen.

Aus Studien geht hervor, dass Kin-der mit Down-Syndrom speziell Schwie-rigkeiten haben mit:

Präpositionendem Benutzen der Vergangenheits-formder Konjungation eines Wortesdem Gebrauch von persönlichen Für-wörtern (er, sie, ihr, euer etc.)mit aktiven und passiven Satzkon-

struktionen (Der Hund jagt die Katze,die Katze wurde vom Hund gejagt) (Kumin, L., 1994).

Wie kann ich die Grammatik verbessern?

Unterrichten Sie grammatikalische Re-geln in einem interessanten, bedeu-tungsvollen Kontext und in praktischenSituationen.

Machen Sie grammatikalische Regelnauch „sichtbar“ – benutzen Sie dazu Bil-der, konkrete Gegenstände, Symbole,Gesten, Gebärden und das geschriebeneWort.

Schreiben

Einem Kind, das Probleme mit dem au-ditiven Kurzzeitgedächtnis hat, wird eshäufig schwer fallen, sich an die einzel-nen Buchstaben und Laute, an dieRechtschreibung und an die gesproche-nen Sätze zu erinnern und effektiv aufGeschichten und Gedichte zu reagieren.Dies hat Auswirkungen auf das Schrei-ben. Einen Satz aufzuschreiben, ist einehöchst komplizierte Aufgabe. DerSchüler muss in der Lage sein, Wörter

und Ideen zu verarbeiten, einzuteilenund zu speichern, gleichzeitig über einegute Feinmotorik verfügen, um dieBuchstaben schreiben zu können, undsich außerdem an die richtige Schreib-weise erinnern.

Wesentlich ist es, dass man sich klarmacht, dass lesen, sprechen undzuhören helfen können, Schreibfertig-keiten zu entwickeln. Es ist also äußerstwichtig, diese Fähigkeiten zunächst zuüben, bevor man überhaupt mit denSchreibübungen anfängt.

Es ist ebenfalls von Bedeutung, sichdarüber im Klaren zu sein, dass auchwenn ein Kind mit Down-Syndrom im-stande ist, einen grammatikalisch rich-tigen Satz zu sprechen, oft was dieGrammatik betrifft unsicher wird, wennes aufgefordert wird, diesen Satz aufzu-schreiben. Für viele Schüler mit Down-Syndrom ist es schon eine ganze Leis-tung, wenn sie überhaupt einen gram-matikalisch richtigen Satz bilden kön-nen. Nun auch noch den Satz so langebehalten zu müssen, damit man ihn auf-schreiben kann, bedeutet für sie einengroßen Arbeitsaufwand, weil viele derKinder auch Schwierigkeiten mit derFeinmotorik haben und deswegen län-ger brauchen, um die Wörter aufzu-schreiben.

Es ist also sehr wahrscheinlich, dasssie die Wortfolge während des Schrei-

bens vergessen. Selbstständig Notizen zumachen und das Schreiben von Diktatensind deshalb häufig sehr problematisch.

Auch die Rechtschreibung kann sehrschwierig für das Kind sein, weil es dasErinnern und die auditive Diskriminati-on von vielen unterschiedlichen phone-tischen Lauten beinhaltet sowie die An-wendung von mehreren grammatikali-schen Regeln. Viele Kinder mit Down- Syndrom werden Wörter rein aus demvisuellen Gedächtnis heraus schreiben.Durch gut strukturierten Unterricht mitvielen Wiederholungen können ihnenjedoch einfache phonetische Regeln (wieGroß-Kleinschreibung, übliche Endun-gen etc.) beigebracht werden.

Wie kann ich das Schreibenlernenfördern?

Unterrichten Sie intensiv phonetischeund alphabetische Regeln.

Helfen Sie dem Kind mit so genannten„Eselsbrücken.“

Verwenden Sie in Ihrem Unterrichtviele sensomotorische und visuelle Ma-terialien; Buchstaben lassen sich kne-ten, mit Fadenlegen, nachlaufen etc.

Heben Sie beim Üben gleiche Buchsta-bengruppen (st, sch) mit einer Farbehervor.

Benutzen Sie lautunterstützende Ge-bärden als motorische Gedächtnisstüt-ze. Das Kind lernt schnell Laut und die

Da muss ich erst einmal

überlegen. Wie schreibt

man das auch wieder?

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 17

dazu gehörende Gebärde miteinanderzu kombinieren. Die Finger/Hand-Be-wegung löst oft automatisch den ge-wünschten Laut aus.

Der Zusammenhang des gesproche-nen und des geschriebenen Wortes sollbetont werden – ermutigen Sie das Kind,zunächst laut zu lesen oder zu sprechen,bevor es anfängt zu schreiben.

Verlangen Sie anfangs, dass nur be-kannte Sätze und Ereignisse aufge-schrieben werden.

Lassen Sie das Kind Geschichten vonKassetten anhören und ermutigen Siees, die Geschichte nachzuerzählen. DasBand kann ja immer wieder gestopptwerden, das Kind kann so immer kurzeSequenzen zurückerzählen und sie nachund nach aufschreiben.

Zählen

Viele Kinder mit Down-Syndrom habenSchwierigkeiten mit Mathematik, ob-wohl die Entwicklung ihrer rechneri-

schen Fähigkeiten dem normalen Mus-ter folgt. Die Ursache davon ist, dassauch beim Rechnen Informationen ge-speichert werden müssen, bevor sieweiterverarbeitet werden können. Ab-gesehen davon gibt es Probleme beimabstrakten Denken. Für Kinder mit ei-nem schlechten auditiven Kurzzeitge-dächtnis ist u.a. Kopfrechnen deshalbproblematisch wie auch das Lernen vonEinmaleins-Reihen. Auch hier gilt wie-der, dass das Einüben von mathemati-schen Vorgängen nur mit Hilfe von vi-suellen Mitteln und durch viele prakti-sche Übungen erfolgen soll.

Wie kann ich rechnerische Fähigkeiten verbessern?

Lassen Sie das Kind Zahlenreihen/Mengen mit viel visuellem Material ein-üben (Zehnerstangen, Hundertertafel).

Benutzen Sie so oft wie möglich kon-kretes Material.

Bestimmte Zahlen/Mengen können

mit immer den gleichen Farben kombi-niert und so eingeübt werden.

Ebenfalls lassen sich einfache Rechen-operationen mit einem strukturiertenMaterial einüben (z.B. Montessorimate-rial, Cuisinair).

Dieser Artikel ist erschienen in Jour-nal, Ausgabe 95, Winter 2000/2001.Journal ist die Mitgliederzeitschrift

der Down’s Syndrome Association inLondon, England,

Wir danken unseren englischen Kollegen und der

Down’s Syndrome Associationfür die freundliche Genehmigung, diesen Artikel übersetzen und in

Leben mit Down-Syndrom veröffentlichen zu dürfen.

Großväter und EnkeltöchterWas Opas ihren Enkeln nicht alles zei-

gen können: Wie man Windmühlen

anpustet (Pia mit Opa Bogdanowicz),

wie man Traktor fährt (Theresa

Eggenkemper mit ihrem Opa) und

wie man Fische angelt, zeigt Uropa

Werner seiner Enkelin Lisa Brutschin.

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18 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002

Die Fragebogenaktion

597 Elternhäuser schickten den ausge-füllten Fragebogen an uns zurück. Diesentspricht bei 3000 versandten Bögeneiner Rücklaufquote von 19,9 % (597/3000). 32 Merkmale wurden abgefragt,z.B. allgemeine Daten wie die aktuelleKörpergröße/-gewicht, Geschlecht, Ge-burtsdatum, aber auch spezielle Faktenzum Down-Syndrom (Herzoperation,kieferorthopädische Behandlung etc.).In Anlehnung an den Dresdner OSAS-Fragebogen (OSAS = obstruktivesSchlafapnoe-Syndrom) sollten die ElternAngaben zu Hinweiszeichen und Sym-ptomen eines OSAS bei ihrem Kind ma-chen, wie z.B.:

„Mein Kind schnarcht nachts:nein/manchmal/fast in jeder Nacht“oder „Mein Kind kann sich tagsüber nurschwer konzentrieren: ja/manch-mal/fast an jedem Tag“.

Ergebnisse

Wir fanden bei den zurückgesandtenFragebögen eine normale Geschlechts-verteilung: 47,6 % (283/597) Mädchenund 52,4 % (313/597) Knaben.

Die Ein- bis Fünfjährigen stellten mit49,2 % (294/597) den größten Anteil dererfassten Kinder dar. Danach folgten dieSechs- bis Zehnjährigen mit 34,0 %(203/597). Die Gruppe der Elf- bis 15-jährigen umfasste 11,9 % (71/597) Kin-

der. Die weitere Altersverteilung ist inAbb. 1 ersichtlich.

67,9 % der Kinder mit Down-Syn-drom schnarchten nachts. Das MerkmalSchnarchen trat bei 46,6 % der Kinder„manchmal“ auf, während 21,3 % derKinder „fast in jeder Nacht“ schnarch-ten. In etwa 70 % der Fälle wurden dieMerkmale Kopfreklination bzw. Knie-Ellenbogen-Lage, unruhiger Schlaf,nächtliches Erwachen oder Mundat-mung tagsüber „manchmal“ bzw. „fastimmer“ beobachtet. Rund 60 % der Kin-

der zeigten „manchmal“ oder „fast im-mer“ das Merkmal Nykturie (= nächtli-ches Wasserlassen)/Enuresis oder Ta-gesmüdigkeit. 50 % der Kinder hattenebenfalls „manchmal“ bzw. „fast immer“Konzentrationsschwierigkeiten oder ei-nen trockenen Mund. Etwa ein Drittelder Kinder litt unter anderweitigenSchlafstörungen, morgendlich verkleb-ten Augen, nahm Medikamente ein oderwurde bereits am Herzen operiert. Je-des fünfte Kind war am Morgen nurschwer weckbar, tagsüber blass, hyper-

Schnarchen und Tagesmüdigkeit (k)ein Problem?Ekkehart Paditz

Bei Kindern mit Down-Syndrom spielen Schnarchen und damit verbun-dene Atmungsstörungen im Schlaf eine viel größere Rolle, als bishervermutet wurde. Die möglichen Ursachen und Folgen wurden schon inden vorangehenden Beiträgen in Leben mit Down-Syndrom dargestellt(Ausgaben Nr. 33/Januar 2000 und Nr. 34/Mai 2000). Wir möchten uns bei allen Eltern herzlich bedanken, die sich die Mühegemacht haben, den Fragebogen aus der Zeitschrift auszufüllen undnach Dresden zu schicken. Wie versprochen, soll nun über die erstenErgebnisse berichtet werden.

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 19

aktiv oder neigte zu Infekten (siehe Ta-bellen 1 und 2).

Die Merkmale schlechte morgendli-che Weckbarkeit, Mundtrockenheit,Blässe, die Angabe anderer Schlaf-störungen, verminderte Konzentrati-onsfähigkeit, Infektneigung, Nacht-schweiß, unruhiger Schlaf und Mundat-mung kamen bei Schnarchern signifi-kant häufiger vor.

Besonders offensichtlich waren dieUnterschiede in der Häufigkeit der Ant-wortangaben „fast immer“ ausgeprägt.15,8 % der Schnarcher waren „fast im-mer“ morgens nur schwer weckbar,während das nur für etwa halb so vieleNichtschnarcher zutraf (6,9 %).

Ähnlich verhielt es sich mit demMerkmal Mundtrockenheit: 25,9 % derSchnarcher hatten „fast immer“ einentrockenen Mund und im Vergleich dazunur 10,1 % der Nichtschnarcher. DieUnterschiede betrafen auch das Schla-fen mit rekliniertem Kopf, das bei 37,8% der Schnarcher als typisch für „fast je-de Nacht“ angegeben wurde. Bei denNichtschnarchern galt das nur für 21,4% der Kinder. Doppelt so viele Schnar-cher wie Nichtschnarcher konnten sichtagsüber „fast immer“ nur schwer kon-zentrieren (8,6 % vs. 3,9 %).

Ungleich verteilt war ebenfalls dasMerkmal unruhiger Schlaf: Schnarcher35,9 % und Nichtschnarcher 20 % derFälle. Fast dreimal so viele Schnarcherwie Nichtschnarcher wiesen tagsüber„fast immer“ das Merkmal Mundat-mung auf (33,7 % vs. 12,2 %) (Abb. 2).

Interessant, aber von der möglichen Be-deutung noch unklar, ist der signifikan-te Unterschied zwischen Nichtschnar-chern und Schnarchern, was die Benut-zung eines Kopfkissens beim Schlafenangeht. Während bei Nichtschnarcherndie Verteilung mit/ohne Kopfkissenannähernd gleich war (46,3 % vs. 53,7%), schliefen etwa zwei Drittel derschnarchenden Down-Syndrom- Kinder(64,1 %) mit einem Kopfkissen und dasverbleibende Drittel (35,9 %) ohne einsolches.

Entgegen unserer Erwartungen la-gen keine signifikanten Unterschiedezwischen Schnarchern und Nicht-schnarchern bezüglich folgender Merk-male vor: Nykturie/Enuresis, Rauchge-

wohnheiten der Familienmitglieder, Al-lergiehäufigkeit, Geschlecht und Vorlie-gen einer polysomnographischen Unter-suchung.

Zusammenfassung und Praxis-Tipps

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Kin-der mit Down-Syndrom relativ häufigAuffälligkeiten zeigen, die im Zusam-menhang mit nächtlichen Atmungs-störungen stehen können. Größere Un-tersuchungen über diese Zusammen-hänge bei Patienten mit Down-Syndromfehlen bisher.

Aus anderen Studien ist bekannt,dass Kinder mit Down-Syndrom beinächtlichen Untersuchungen im Schlaf-labor mehr Sättigungsabfälle im Sauer-stoffgehalt des Blutes aufweisen als an-dere Kinder. Bekannt ist ebenfalls, dassdiese Abfälle der Sauerstoffsättigung mitden Symptomen Mundatmung, beson-deren Schlafpositionen (z.B. Knie-Ellen-bogen-Lage, Kopfreklination), Tages-müdigkeit, Konzentrationsschwächeund hörbarer Ruheatmung verbundensein können. Gehäufte Mundatmung,Schnarchen und Atempausen im Schlafwerden auch in anderen Studien alshäufigere Befunde bei Down-Syndromerwähnt. Aber nicht nur die Störung derSauerstoffversorgung im Schlaf kannProbleme für die Hirnfunktion (undauch für das Herz und den Blutdruck)hervorrufen. Die zahlreichen Weckre-aktionen führen zu einer Störung derSchlafarchitektur und damit zur Ver-minderung des Erholungseffektes desSchlafes.

nein manchmal fast jede(n) Nacht (Tag)

Weckbarkeit 76,3 10,5 13,2

Mundtrockenheit 50,0 29,4 20,6

Reklination 27,7 39,8 32,5

Schnarchen 32,1 46,6 21,3

Konzentration 44,8 48,0 7,2

Tagesmüdigkeit 41,2 48,3 10,5

Nachtschweiß 72,5 23,9 3,6

nachts wach 27,2 49,1 23,7

Mundatmung 24,8 48,7 26,5

unruhiger Schlaf 30,4 38,8 30,8

Tabelle 1: Häufigkeit ausgewählter wichtiger Befunde, die auf eine schlafbezogene Atmungsstörung

hinweisen können, bei 597 Kindern und Jugendlichen mit Down-Syndrom (Angaben in %)

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20 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002

Prädisposition

Kinder mit Down-Syndrom weisen eini-ge Begleiterkrankungen (z.B. Hypothy-reose, Mittelgesichtshypoplasie) auf, diesie für die Entwicklung schlafbezogenerAtmungsstörungen (z.B. ObstruktivesSchlafapnoe-Syndrom = OSAS) prädis-ponieren. Diese Befunde und auch an-dere prädisponierende Faktoren (z.B.Rachenmandelhyperplasie) sind in denmeisten Fällen einer Therapie zugäng-lich.

Deshalb sollte bei Kindern mit Down-Syndrom in der ärztlichen Anam-nese gezielt nach Schlafstörungen bzw.nächtlichen Atmungsstörungen und de-ren typischen Symptomen (z.B. Tages-müdigkeit, Mundatmung) gefragt wer-den, um entsprechende diagnostischeund therapeutische Schritte bei den Kin-dern einleiten zu können.

Es lohnt sich deshalb, eine ausführ-liche Anamnese zu erheben und beiHinweisen für eine Schlafstörung even-tuell auch im Schlaflabor zu untersu-chen, da sehr oft und mit ganz unter-schiedlichen Mitteln geholfen werdenkann. Um dies zu verdeutlichen, sollenzum Schluss noch einige praktischeTipps gegeben werden:

Operation oder eine Maske?

Beim Nachweis eines obstruktivenSchlafapnoe-Syndroms im Schlaflabormuss mit dem HNO-Arzt besprochenwerden, ob eine operative Entfernungder Rachenmandeln oder auch der Gau-menmandeln erforderlich ist (Achtung!

Falls ein Herzfehler vorliegt, vor derOperation mit dem Kinderkardiologensprechen und den HNO-Arzt auf denHerzpass mit den Hinweisen zur Endo-karditisprophylaxe hinweisen!). Falls ei-ne HNO-ärztliche Operation nicht indi-ziert ist, sollte gemeinsam mit denSchlaflaborärzten überlegt werden, obeine nächtliche Therapie mit einerCPAP-Maske ratsam ist. Wir haben mitdieser Behandlung bei Kindern mit Down-Syndrom in allen Altersgruppenschon vom ersten Lebensjahr an guteErfolge erzielen können.

Ein achtjähriges Mädchen mit Down-Syndrom begann endlich zu wachsen,nachdem mit der CPAP-Maskentherapiebegonnen wurde. Ein 17-jähriger Ju-gendlicher mit CPAP-Maskenbehand-lung führte diese nächtliche Therapienur noch unregelmäßig durch – undprompt reagierte das Herz wieder, so-dass eine große Reise abgesagt werdenmusste. Eine Hypothyreose und eine al-lergische Schwellung der Nasenschleim-haut sollten nicht übersehen werdenund gegebenenfalls behandelt werden.

Einschlafstörungen

Einschlafstörungen sind oft mit Erzie-hungsproblemen und weniger mit orga-nischen Erkrankungen verbunden. Der-artig gestresste Eltern sollten ermuntertwerden, auch mal Grenzen zu setzenund ihre eigenen Bedürfnisse anzumel-den. In diesen Situationen kann ein Kin-derpsychologe für die Entspannung derSituation sorgen. Ein abendlicher Spa-

ziergang, warmer Tee und ein warmesFußbad können das Einschlafen manch-mal fördern.

Alpträume

Durchschlafstörungen sind nicht immernur Folge des Schnarchens. Alpträumekönnen bis ins Jugendalter hinein zuschweren Durchschlafstörungen, zuAngst und Panik, Schweißausbruch undHerzrasen führen. Man muss nur da-nach fragen. Inzwischen gibt es relativeinfache Strategien, Alpträume loszu-werden. Man bittet die Kinder oder Ju-gendlichen, ihren Alptraum zu zeich-nen. Danach kommt die Frage: „Waskönnte man gegen den Alptraum tun,(z.B. gegen das Gespenst oder gegen denWolf oder gegen die Räuber mit demMesser ...)? Oft kommen dabei erstaun-liche eigene Ideen zustande. Und nachtswird dann besser geschlafen, weil manberuhigt einschlafen kann und imWachzustand selbst eine Lösungsmög-lichkeit gefunden hat. Aber das wäreschon wieder ein neues Thema, überdas es sich lohnen würde, an dieser Stel-le etwas ausführlicher zu berichten.Falls jemand derartige Zeichnungenoder Berichte über Alpträume bei Kin-dern, Jugendlichen oder auch Erwach-senen mit Down-Syndrom besitzt oderkennt, würden wir uns über eine kurzeZuschrift per Post oder E-Mail sehr freu-en. In der neu gegründeten Arbeits-gruppe Traumforschung der DeutschenGesellschaft für Schlafforschung undSchlafmedizin (DGSM) haben wir unsvorgenommen, auf diesem Gebiet Infor-mationen zu sammeln, um auch hier ef-fektive Hilfsangebote zur Verfügungstellen zu können.

Anschrift der Verfasser:Priv.-Doz. Dr. med. habil. Ekkehart Paditz

Stud.Med. Stefanie OttoKlinik und Poliklinik für Kinder- und

Jugendmedizin der Medizinischen FakultätCarl Gustav Carus der TU DresdenD-01307 Dresden, Fetscherstr. 74

Tel. 0351/458 3160, Fax 0351/458 4399 E-Mail: Ekkehart.Paditz@

mailbox.tu-dresden.de

nein ja geplant

andere Schlafstörungen 70,0 30,0 –

PSG 96,3 3,7 –

Herz-Operationen 30,4 67,9 1,7

andere Operationen 55,3 44,7 –

Nykturie/Enuresis 40,4 16,5 –

Kopfkissen 41,8 58,2 –

Allergie 85,5 14,5 –

Medikamente 65,5 34,5 –

Physiotherapie 17,5 82,5 –

Tabelle 2: Weitere Antworten in der Fragebogenaktion bei 597 Kindern

und Jugendlichen mit Down-Syndrom (Angaben in %)

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 21

Internationaler DS-Mosaik-Verein gegründetDie neu gegründete internationale „Down-Syndrom Mosaic Association“ (IDSMA) mit Sitz in Texas, USAmöchte weltweite Kontakte mit interessierten Familienund Fachleuten knüpfen. Der Verein hat jetzt ca. 150Online-Mitglieder. Ein erster Kongress ist für das Jahr 2003 geplant.Wir möchten in diesem Zusammenhang kurz auf diezwei am häufigsten gestellten Fragen zum Down-Syndrom-Mosaik eingehen.

Down-Syndrom-Mosaik Was bedeutet das?

Man nimmt an, dass bei etwa 2 bis 3 %der Menschen mit Down-Syndrom eineMosaikform vorliegt. Fachleute aus Me-dizin und anderen Wissenschaften ha-ben diesen Begriff der Kunst entnom-men. In der Kunst ist ein Mosaik eineDekoration, hergestellt aus verschiede-nen Einzelteilen, z.B. aus unterschied-lich farbigen Steinchen. Bei Menschenumschreibt das Wort Mosaik eine Kon-dition, wobei die betreffende Personzwei oder mehr Zelllinien hat, die sich inihrer genetischen Ausstattung unter-scheiden.

Die Mosaikform kann man, wie beianderen Chromosomenstörungen, durcheine Blutuntersuchung feststellen. Eszeigt sich dann, dass eine Gruppe Zellenmit dem normalen Satz von 46 Chromo-somen und dass eine weitere GruppeZellen mit einem Extra-Chromosom 21,also mit 47 Chromosomen, ausgestattetist. Es kommt jedoch nur selten vor,dass eine Person zwei unterschiedlicheZelllinien (eine trisome und eine diso-me) hat.

Wenn man Mosaik entdeckt, wirdhäufig ein bestimmter Prozentsatz ge-nannt, der angibt, in wie vielen der Zel-len das Extra-Chromosom 21 vor-kommt. So wird z.B. bei einem Neuge-borenen, das die charakteristischenMerkmale des Down-Syndroms auf-weist, eine Chromosomenuntersuchunggemacht. In der Regel werden die Chro-mosomen von 20 Blutzellen analysiert.Wenn man fünf Zellen findet mit demnormalen Satz von 46 Chromosomen

und 15 mit dem zusätzlichen Chromo-somenmaterial liegt Down-Syndrom-Mosaik vor. In diesem Beispiel haben 25 % (5/20) der Zellen kein zusätzlichesChromosom, aber 75 % der Zellen(15/20) weisen Extra-Genmaterial auf.So wird die Diagnose des Babys auf Mo-saik-Down-Syndrom mit 75 % lauten.

Es hat sich gezeigt, dass der prozen-tuale Anteil innerhalb der Zellen in denverschiedenen Geweben des Körperssehr unterschiedlich sein kann. Sokönnte beispielsweise die Anzahl triso-mer Zellen in den Muskeln anders seinals die in den Blut- oder Gehirnzellen. Eswird angenommen, dass dieser Unter-schied zusammenhängt mit dem jewei-ligen Moment, in dem die beiden Zellli-nien entstehen.

Ab und zu lassen Menschen mit ei-nem Mosaik z.B. im Rahmen einer Stu-die auch andere Gewebe des Körpersuntersuchen. Dies betrifft dann meis-tens die Haut oder das Rückenmark.Auch kann es vorkommen, dass gele-gentlich, wenn die Person operiert wird,noch andere Gewebeproben entnom-men und dann untersucht werden. Ob-wohl der Prozentsatz, inwieweit dieHirnzellen betroffen sind, einen Hinweisgeben könnte auf die intellektuellenFähigkeiten von Personen mit dem Mo-saik, ist es schwierig, dieses Material zutesten.

Wie wird sich das Kind entwickeln?

Jedes Kind kommt zur Welt mit einereinmaligen Ausstattung mit Talentenund Fähigkeiten. Es ist jedoch unmög-lich vorherzusagen, welche Talente und

Fähigkeiten dies sein werden und wiedieses Potenzial entwickelt und einge-setzt werden kann. Dies gilt für ein Kindmit 46 wie für eines mit 47 Chromoso-men gleichermaßen und gilt selbstver-ständlich genauso für ein Kind mit ei-nem Mosaik. Nur ganz allgemein kannman sagen, dass der Intelligenzquotientbei Personen mit dem Down-Syndrom-Mosaik durchschnittlich höher (10 bis30 Punkte) liegt als bei Menschen mitTrisomie 21.

Lässt sich nun aus der prozentualenVerteilung der Zellen mit 46 oder 47Chromosomen ableiten, wie gut jeweilsdie Entwicklung eines Kindes verlaufenwird? Verständlicherweise möchten El-tern dies gerne wissen. Dies ist jedochnicht ohne Weiteres möglich. Normaler-weise werden die Blutzellen analysiert.Die Zahl der hier gefundenen disomenZellen muss aber nicht unbedingt über-einstimmen mit der Verteilung in denHerz-, Hirn- oder Hautzellen.

Ausführliche Studie im Internet

Auf der Homepage des Vereins findetsich u.a. eine interessante, ausführlicheStudie zu diesem Thema, die von Dr.Colleen Jackson-Cook vom Departmentof Human Genetics der Virginia Com-monwealth University stammt.

Ebenfalls kann man über diese Ho-mepage Kontakt aufnehmen zu anderenFamilien, in denen ein Kind mit Down-Syndrom-Mosaik lebt, und in Berichtenvon erwachsenen Menschen mit Mosaiklesen, wie sie ihr Leben bewältigen, wel-che Schwierigkeiten und Möglichkeitensie haben.

Die Adresse der Homepage lautet:www.mosaicdownsyndrome.com

Verein sucht weltweit Kontakt

Bill Green, der Vize-Präsident der IDS-MA, möchte in möglichst vielen LändernKontakte aufbauen. Bis jetzt gibt es ca.150 Online-Mitglieder. Sie stammen ausden USA und den Niederlanden, Aus-tralien, Malaysia, Rumänien, Norwegen,England, Schweden, Belgien und Kana-da. Der Verein möchte gern in jedemLand eine Anlaufstelle einrichten, an diesich betroffene Familien wenden kön-nen. Ein erster internationaler Kongressist für 2003 geplant.

Interessierte Familien und Fachleu-te können mit Bill Green Kontakt auf-nehmen: E-Mail: [email protected]

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22 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002

Wer ist Feuerstein?Reuven Feuerstein, ein gebürtigerRumäne, arbeitete in Israel mit Immi-grantenkindern. Nach den gebräuchli-chen Standardtests überprüft, stelltesich heraus, dass viele dieser Kindernach den Testergebnissen als lern-schwach einzustufen waren und damitnicht den Anforderungen einer Regel-ausbildung entsprachen. Da ReuvenFeuerstein dies nicht akzeptieren woll-te, entwickelte er andere Messverfah-ren. Mit der „LPAD-Methode“ (LearningPotential Assessment Device) erforschteer, was ein Kind noch erlernen kann.Außerdem entwickelte er das Denk-übungsprogramm „Instrumental En-richment“ (IE).

Reuven Feuerstein, jetzt Professorder Psychologie in Tel Aviv, Gründerund Direktor des Hadassah Wizo Cana-da Research Institute, wurde 1921 inRumänien als eines von neun Kinderngeboren. Sein Vater war Dozent der Jü-dischen Wissenschaften. Er emigrierte1944 nach Israel.

Feuerstein absolvierte eine Lehrer-ausbildung und studierte Psychologie ander Universität in Bukarest. Nach demZweiten Weltkrieg studierte er in derSchweiz u.a. bei Carl Jaspers, Carl Jungund Jean Piaget. 1954 promovierte eran der Universität von Genf. 1970 er-warb er an der Sorbonne in Paris einenDoktortitel in Entwicklungspsychologie.

Seit 1965 ist Professor Feuerstein Di-rektor des Hadassah Wizo Canada Re-search Institute, das seit 1993 Teil desInternational Center for the Enhance-ment of Learning Potential (ICELP) inJerusalem ist.

Sein Lebenswerk und die zentraleAufgabe von ICELP war und ist die Ent-wicklung der Theorie der strukturellenkognitiven Modifizierbarkeit und dervermittelten Lernerfahrungen, des Test-verfahrens (LPAD) und des IE-Pro-gramms.

Nach seinem Studium war ReuvenFeuerstein als Sonderpädagoge und Be-rater in Jugendcamps in Israel tätig, woer mit Überlebenden des Holocaust ar-beitete. Später entwickelte er zusam-men mit anderen Lernprogramme fürbenachteiligte marokkanische, jüdischeund Berberkinder und Jugendliche. DerKontakt zu diesen Kindern, die sich häu-fig, trotz eines großen Lernpotenzials,nicht gut entwickelt hatten, brachte ihndazu, eine Methode zu entwickeln, um

Das Feuerstein-Programm –Instrumental Enrichment

Mit einem ganz speziellen „Gehirn-Jogging“ bringt derisraelische Psychologie-Professor Feuerstein geistig be-hinderten Kindern lesen, schreiben und nachdenken bei,so fing der Artikel „Der wunderbare Weg des Dr. Feuer-stein“ in der November-Ausgabe 2001 von Readers Di-gest an. In diesem Bericht sagt Feuerstein u.a.: „DasGehirn kann sich regenerieren, auch wenn es geschä-digt ist. Ein geringes Maß an Intelligenz ist ein Zustand,keine Charaktereigenschaft. Und Zustände kann manverändern. Ich möchte Kindern mit einer Lernbehinde-rung helfen, sich zu ändern und ein erfülltes Leben zuführen.“Daraufhin bekamen wir verschiedene Anrufe: Wer istFeuerstein? Was steckt hinter der Feuerstein-Methode?Ist das etwas für mein Kind mit Down-Syndrom? Schon 1992 brachte Leben mit Down-Syndrom eine Se-rie von Artikeln über die Feuerstein-Methode. Leidergab es damals wie auch heute noch keine Möglichkeit,in Deutschland Kurse in „Instrumental Enrichment“ zubelegen, wie das in vielen anderen Ländern möglichwar. Einige Eltern und Fachleute reisten zwar nach Is-rael und ließen sich direkt bei ICELP ausbilden, abernachdem auch die Materialien nicht in einer deutschenÜbersetzung vorlagen, konnte diese „Denkmethode“hier nie richtig Fuß fassen.Nun bewegt sich etwas. Wir haben einen ersten Kontaktmit dem ICELP-Institut in Jerusalem geknüpft. Dabeihat sich gezeigt, dass Professor Feuerstein und seineMitarbeiter Interesse haben, auch in Deutschland dieseinternational anerkannte Fördermethode bekannt zumachen. Gemeinsam wird nun nach Möglichkeiten ge-sucht. Erstmals soll 2002 ein Seminar stattfinden. AlsEinstimmung stellen wir Ihnen hier Feuerstein und sei-ne Theorie vor. Interessenten für einen Kennenlernkurssollten sich im Down-Syndrom-InfoCenter melden.

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 23

dieses Lernpotenzial zu wecken. Nichtnur benachteiligte Kinder profitiertenvon seinem Programm, auch leistungs-schwache und geistig behinderte Kin-der und Jugendliche wurden und wer-den damit gefördert. Großen Erfolg er-zielte Feuerstein bei Kindern und Ju-gendlichen mit Down-Syndrom.

Immer häufiger wird die Feuerstein-Methode heute auch außerhalb der ur-sprünglichen Zielgruppe angewendet.Firmen bieten Feuerstein-Kurse an fürihre leitenden Angestellten, um derenLeistungen zu steigern, in Frankreich istdas FIE Teil des Managertrainings undArbeitslose sind dort besser vermittel-bar, wenn sie einen Feuerstein-Kurs ge-macht haben. Auch hochbegabte Kin-der sowie Menschen nach einemSchlaganfall können durch diese Metho-de gefördert werden.

Das FIE-Programm ist inzwischenschon in 18 Sprachen übersetzt. Welt-weit gibt es 45 Zentren, die mit ICELPzusammenarbeiten sowie Kurse anbie-ten für Lehrer, Psychologen und Eltern,die sich in der FIE-Methode ausbildenlassen möchten.

Die Theorie

In seiner Theorie geht Feuerstein davonaus, dass ein Mensch modifizierbar sei,d.h., dass er imstande sei, über seinheutiges Niveau hinauszukommen. Feu-erstein unterstellt, dass Menschen trotzvorhandener Veranlagungsunterschie-de mit zielgerichteten Übungen errei-chen können, wirksamer zu denken.

Dies macht er durch eine so genannte„modifizierte Lernerfahrung“.

Für diese modifizierte Lernerfah-rung benötigt man einen Mediator, eineZwischenperson, einen Vermittler, deraktiv an dem Interaktionsprozess zwi-schen dem Schüler und seiner Umweltbeteiligt ist. Diese Person hilft demSchüler, die Reize in der richtigen Wei-se zu verarbeiten, ein Problem richtigeinzuschätzen und so zu richtigen Lö-sungen zu gelangen.

Bei Kindern mit Down-Syndrom fällthäufig auf, dass sie aus ihrer Umgebungwenig Reize aufnehmen und diese kaumverinnerlichen. Deswegen können sieaus diesen Reizen hinsichtlich ihrer so-zialen und kognitiven Entwicklung we-nig Nutzen für sich ziehen. Oft sind siepassiv oder wenig motiviert oder siesind zwar aktiv, aber „es bleibt nichtshängen“.

Feuerstein unterscheidet im Denk-prozess drei Phasen. Jede dieser Phasenbesteht aus verschiedenen Unterstufen.

Die erste Phase ist die Aufnahme: Hierunterscheidet er: systematisches Arbei-ten, Raum- und Zeitordnung, Dinge be-nennen, verschiedene Informationengleichzeitig aufnehmen.

Die zweite Phase ist die Verarbeitung:Hier unterscheidet man die Analyse desProblems, die Trennung der Informati-on in wichtig und belanglos, das Pro-blem formulieren, Verbindungen her-stellen, angebotene Informationen inGruppen und Klassen aufteilen.

Die dritte Phase ist die Wiedergabe:Hier ist es wichtig, so zu handeln odersich auszudrücken, so zu kommunizie-ren, dass der andere versteht, was manwill.

Das Programm

Instrumental Enrichment ist ein Denk-übungsprogramm, das aus 14 verschie-denen Instrumenten oder Programmtei-len besteht. Jedes Instrument enthält ei-ne Reihe von Arbeitsblättern, die vonBlatt zu Blatt schwieriger in der Bear-beitung werden. Jedes Instrument sti-muliert und übt eine oder mehrereDenkvorgänge.

Im Instrument „Punkte“ lernt manz.B. systematisch, exakt und akkurat zuarbeiten und den Dingen einen Namenzu geben. Im Instrument „Orientierungim Raum“ lernt man neben räumlicherOrientierung auch das Wahrnehmenvon Verbindungen und Beziehungen.

Natürlich ist „Instrumental Enrichment“kein Medikament, durch das sich die In-telligenz jedes Menschen beliebig stei-gern lässt. Um den maximalen Vorteilaus dieser Methode herauszuholen,kann und darf man nicht nur währendder Unterrichtszeit damit arbeiten, son-dern man muss auch so viel wie möglichim Alltagsleben auf diese Art und Weisemit dem Kind umgehen: herausfordern,Lernsituationen kombinieren, zum Pro-blemlösen anregen, aktivieren, selbst-ständig handeln lassen usw. Auch inden so genannten klassischen Unter-richtsfächern (Rechnen, Lesen, Recht-schreiben) sind Übertragungen sinnvollund angebracht.

Bei der Arbeit mit FIE können beiKindern mit Down-Syndrom neben so-zialen Verhaltensweisen die kognitivenKenntnisse erheblich verbessert wer-den. Um als soziales Wesen überhauptfunktionieren zu können, sind Grund-kenntnisse wie Lesen, Schreiben, Zäh-len, Rechnen usw. unentbehrlich, sagtFeuerstein, da man ohne diese Fähig-keiten bzw. Fertigkeiten nicht mitspie-len kann, nicht reisen, nicht einkaufen,nicht telefonieren, nicht handarbeiten,nicht kochen und keinen Sport in derGruppe betreiben kann.

Eine Integration der Kinder auf ho-hem Niveau und eine wesentliche Teil-nahme am sozialen Leben können da-durch unter günstigeren Bedingungenstattfinden.

Einsetzbar ist dieses Programmnicht nur für Kinder mit Down-Syn-drom, sondern für Regelschüler ab ca.neun Jahren; für Schüler mit einer Lern-beeinträchtigung erscheint ein Alter vonelf bis zwölf Jahren angemessen.

„Das Gehirn kann sichregenerieren, auch wennes geschädigt ist“, sagtFeuerstein. „Ein geringesMaß an Intelligenz istein Zustand, keine Cha-raktereigenschaft. UndZustände kann man ver-ändern. Ich möchte Kin-dern mit einer Lernbe-hinderung helfen, sich zuändern und ein erfülltesLeben zu führen.“

Viele Erzieher glauben,man solle Kindern mit einer geistigen Behinde-rung nur leichte – meistmanuelle – Arbeitenübertragen. Feuersteindagegen setzt auf dieHerausforderung durchkomplexe intellektuelleAufgaben.

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24 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002

Instrumental Enrichment besteht ausnahezu 500 Seiten von „Papier und

Bleistift“-Übungen, die in 14 „Instru-mente“ unterteilt sind. Das Programmwird üblicherweise in drei bis fünf Wo-chenstunden, mit Abständen, währendmehrerer Jahre dargeboten. Zwei oderauch drei Instrumente werden abwech-selnd im gleichen Zeitabschnitt gelehrt,damit ein Gleichgewicht hergestellt wer-den kann zwischen den angesproche-nen Funktionsarten, der Art und Weiseihrer Darbietung und den Bedürfnissender Schüler.

Obwohl Instrumental Enrichmentzur Förderung von Gruppen entworfenwurde, kann sie aber auch für einzelneSchüler verwendet werden. Beim Ein-zelunterricht werden die Lehrer bzw.die Eltern ermutigt, die Instrumente unddie Folge ihrer Anwendung selbst zu be-stimmen, sodass sie am besten die Män-gel der Schüler korrigieren können. Sokönnen z.B. die Instrumente, diefließendes Lesen und Schreiben voraus-setzen, für eine spätere Stufe des Pro-gramms zurückgestellt werden.

Eine typische Lektion umfasst eineEinführung, selbstständige Arbeit, eineBesprechung und eine Zusammenfas-sung. In der Einführung definieren Leh-rer und Schüler die Natur der Probleme,mit denen sie es zu tun haben. Wenn dieLernziele geklärt sind, bereitet der Leh-rer den Schüler vor, indem er ihm mitden erforderlichen Begriffen, dem Wort-schatz und den Operationen hilft.Grundlegende Regeln und Beziehungenwerden gesucht und geeignete Strategi-en festgestellt. Während der Schülerselbstständig arbeitet, untersucht derLehrer kognitive Prozesse, gibt er-klärendes Feedback, verhindert Frus-tration und gibt ein Beispiel für kogniti-ves Verhalten ab.

Er vermittelt das Gefühl der Kompe-tenz, die Regulierung des Verhaltensund das Bewusstsein für die eigene Ver-änderung. In der auf die Einzelarbeitfolgenden Diskussion werden verschie-

dene Strategien im Hinblick auf ihreWirksamkeit verglichen. Beim Transferwenden sich Lehrer und Schüler vonden Aufgaben zu anderen Bereichen. Inden wenigen Minuten, die der Zusam-menfassung gewidmet sind, bewertetder Schüler das in der Lektion Erreich-te.

Lehrer und Eltern müssen speziellin Theorie und Praxis und in der Me-thodologie des Instrumental Enrich-ment ausgebildet werden. Die Ausbil-dung bewirkt eine Veränderung in derHaltung des Lehrers bzw. des Eltern-teils, die von der passiven Akzeptierungdes Schülers bzw. Kindes zu einer akti-ven Veränderungs-Einstellung führt.Außerdem werden die Grundlagen derTheorie und die Meisterung des Instru-mentariums vermittelt. InstrumentalEnrichment ist kein programmiertesLernen. Die Einsicht, die Verwendungvon Irrtümern als Quelle weiteren Ler-nens, die geplante Erweiterung von derAufgaben-Seite zu anderen Gebietenund wieder zu den Aufgaben zurück unddas verordnete und diagnostische Leh-ren erfordern einen flexiblen undführenden Lehrer.

Es gibt Leitfäden für die Instrumen-te, die das Prinzip der Seite oder derEinheit in allgemeinen Begriffen aufzei-gen, sowie die erforderlichen Operatio-

nen, die angesprochenen mangelhaftenFunktionen, die Schwierigkeiten, vordenen der Schüler steht, und Anregun-gen und Methoden zur Meisterung, Um-gehung oder Beseitigung der vorherge-sehenen Schwierigkeiten. Es werdenauch Vorschläge gemacht für die Über-tragung der Prinzipien auf das berufli-che sowie das zwischenmenschliche Ge-biet und auf tägliche Lebenserfahrun-gen. Es gibt jedoch keine vorgeschrie-benen „Drehbücher“. Zur Entwicklungvon Einsicht und Verallgemeinerungmüssen umfassende Beispiele gewähltwerden, die jeweils dem speziellenSchüler angemessen sind.

Jedes Instrument ist mit innererKohärenz (= Zusammenhang) aufge-baut, sodass folgende und komplexereAufgaben sich auf das in der Meisterungfrüherer Aufgaben und Instrumente er-worbene Wissen stützen. In allen In-strumenten lernen die Schüler zu ver-schlüsseln und zu entschlüsseln, die Da-ten klar in Form von Graphiken, Tabel-len und Diagrammen zu präsentieren,bei der Sammlung von Daten die rele-vanten auszuwählen und die Antworthinauszuschieben, bis man nachge-dacht hat. Die Betonung liegt dabei eherauf dem abstrakt Theoretischen als aufdem Konkreten, eher auf Repräsentati-on als auf Manipulation und auf der Be-wusstwerdung des Prozesses, mit des-sen Hilfe eine Lösung erreicht wurde,und der Nützlichkeit dieses Prozesses inanderen Bereichen des Lebensraumes.In fast jedem Instrument gibt es Seiten,auf denen der Schüler lernt, Fehlerquel-len zu erkennen und zu definieren. In-folge der Objektivierung der Fehler wer-den sie unbedrohlich und zur Quelleweiteren Lernens und Wachstums.

Moment ... Ich muss nachdenken!

Wir möchten im folgenden Artikel das FIE etwas aus-führlicher vorstellen. In ähnlicher Form erschien dieserBericht schon einmal in Leben mit Down-Syndrom(Ausgaben Nr. 9, 10 und 11, 1992).

Figur 1. Organisation der Punkte

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Übersicht über die Instrumente

Feuerstein verwendet in seinem Materi-al 14 verschiedene „Instrumente“, dieunterschiedliche Ziele verfolgen:1. Organisation der Punkte2. Orientierung im Raum I3. Orientierung im Raum II4. Erfassung zeitlicher Beziehungen5. Familiäre Beziehungen6. Erfassung nummerischer Beziehungen7. Analytische Wahrnehmung8. Vergleichen9. Kategorisierung10. Syllogismus (Schluss vom Allgemei-nen aufs Besondere)11. Übertragung von Beziehungen (Transitive Beziehungen)12. Instruktionen (Anweisungen)13. Farbige Schablonen14. Bilderrätsel

1. Organisation der Punkte

Die Organisation der Punkte wird als erstes Instrument gelehrt, hauptsäch-lich, weil die Aufgaben nichts mit demüblichen Schullehrstoff zu tun habenund einen stark motivierenden Charak-ter besitzen.

Bei diesem Instrument besteht dieAufgabe in der Organisierung eineramorphen, unstrukturierten Wolke vonPunkten durch die Projektion einer An-zahl von Modellfiguren. Darüber hinausbesteht jedoch das Ziel darin, in demSchüler das Bewusstsein zu erzeugen,dass es der Mensch ist, der Ordnung undStruktur auf der Grundlage verinner-lichter Regeln und Beziehungen einemUniversum auferlegt, dessen Gegen-stände und Ereignisse nicht organisiertsind.

Viele kognitive Funktionen und Ope-rationen sind in der erfolgreichen Erfül-lung der Aufgabe verwickelt. Das Feldmuss gegliedert und die Punkte getrenntwerden. Es muss eine klare Wahrneh-mung der charakteristischen Kriteriender Modell-Figuren bestehen.

Unter den kognitiven Funktionen,die bei der Meisterung der Aufgaben miteinbezogen sind, befinden sich u.a.: diesystematische Suche durch visuelleÜbertragung, die Anwendung räumli-cher Orientierung, die Bezugnahme aufzwei Informationsquellen, die Präzisionund Genauigkeit sowie planendes Ver-halten. Unter den verschiedenen Ge-dankenprozessen, die durch die Organi-sierung der Punkte ausgelöst werden,befinden sich die Darstellung der proji-

zierten Figuren, hypothetisches und fol-gerndes Denken.

Die vollendete Figur muss mit demModell verglichen werden, um die Stim-migkeit zu überprüfen, Impulsivität unddas Versuch-und-Irrtum-Verhalten müs-sen beherrscht werden. Die spontaneAnwendung all dieser kognitiven Funk-tionen wird durch Ausbildung von Ge-wohnheiten ermutigt, indem sie wieder-holt angewandt werden (vgl. Figur 1).

2. Orientierung im Raum (I)3. Orientierung im Raum (II)

Der Zweck der beiden Instrumente „Ori-entierung im Raum“ besteht darin, einstabiles System von Bezügen für die Be-schreibung räumlicher Beziehungen zuentwickeln.

Das erste Instrument führt ein per-sönliches System von räumlichen Bezü-gen ein, während das zweite mit demuniversellen Bezugssystem von Him-melsrichtungen und Koordinaten arbei-tet. Im ersten Instrument wird die Posi-tion eines Gegenstandes als relativ zu ei-nem anderen Gegenstand beschrieben,sodass sie sich ändert, wenn die eigenePosition oder die des anderen Gegen-standes sich ändert. Im zweiten Instru-ment sind die Positionen fixiert und kon-stant; sie benötigen keine Bezüge, umPosition, Lage oder Orientierung zu be-schreiben.

Beide Instrumente erfordern bildli-che Vorstellungen und die Fähigkeit,„sich in anderer Leute Schuhe zu ver-setzen“. Die transzendente Funktion derAufgabe besteht im Verständnis und inder Toleranz für Ideen und Haltungen,die aus anderen Perspektiven stammenund von den eigenen abweichen (Fi-gur 2).

4. Erfassung zeitlicher Beziehungen

Das Instrument „Erfassung zeitlicherBeziehungen“ lehrt Begriffe und Be-zugssysteme, mit deren Hilfe die Schülerdie Zeit als Objekt und als Dimensionbegreifen können. Vom ursprünglichenBegriff der Zeit als messbares, stabilesIntervall aus wird die Aufmerksamkeiterweitert, und zwar derart, dass sie dieRelativität von Zukunft, Gegenwart undVergangenheit und den irreversiblenFluss von einer Zeitform zu einer ande-ren einschließt.

Es gibt Aufgaben, die der subjekti-ven Wahrnehmung objektiver Zeitab-schnitte gewidmet sind. Die Beziehun-gen zwischen Ursachen und Wirkungenund Mitteln werden erforscht. Zeit undRaum werden in einer Einheit zusam-mengefasst, die sich mit Geschwindig-keit abfasst. Eine der Funktionen derzeitlichen Beziehungen besteht darin,divergierende Antworten und die Erfor-schung von Alternativen zu ermutigen.

Die Betonung liegt in diesem Instru-ment, wie in allen anderen des IE-Pro-gramms, mehr auf dem Vorgang, aufdem „Warum“ und „Wie“ einer Ant-wort. Indem die Schüler ermutigt wer-den, die vorgegebenen Daten danach zubewerten, ob sie ausreichend sind, umdie gestellte Frage zu beantworten, ler-nen sie, dass es Fälle gibt, in denen dieUnfähigkeit zu antworten nicht beschä-mend, sondern durchaus angemessensein kann und daher zu einer Suchenach der Information führen sollte, dieeine Antwort ermöglichen wird.

5. Familiäre Beziehungen

Das Instrument „Familiäre Beziehun-gen“ ist ein gutes Beispiel für die in-haltsfreie Natur der Instrumente und ih-

Figur 2. Orientierung im Raum

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re Unabhängigkeit von vorher erworbe-nem Wissen.

In diesem Instrument ist die Familiedas Musterbeispiel für alle sozialen In-stitutionen und die Verwandtschaft istTräger des Unterrichts in symmetri-schen, asymmetrischen und hierarchi-schen Beziehungen. Die Bewahrung derIdentität trotz Transformationen unddie Fähigkeit, frühere Rollen zu bewah-ren bei gleichzeitiger Übernahme neuerRollen, spiegelt sich in der Vielzahl vonRollen, die ein Familienmitglied anneh-men kann. Ein Individuum kann bei-spielsweise gleichzeitig Sohn, Vater,Ehemann, Großvater, Onkel, Neffe, En-kel, Schwager, ein Lehrer, Mitglied ei-ner Kirche und ein Golfspieler sein.

Der relative Aspekt der Beziehun-gen, in denen die Rolle bestimmt wirddurch den Beziehenden, wird auch illus-triert durch die Vereinigung von Fami-lien durch Heirat und durch den Zu-wachs neuer Generationen. Die Fähig-keit, zu kategorisieren, und wiederholt,nach neuen Gesichtspunkten, von neu-em zu kategorisieren, wird durch dieDifferenzierung zwischen Status undRolle gelehrt.

Der Schüler muss u.a. mehrere In-formationsquellen verwenden, die räum-liche und zeitliche Beziehung beachten,die Natur der Probleme definieren, nachrelevanten Anhaltspunkten suchen, prä-zise Bezeichnungen verwenden, Hypo-thesen aufstellen, logisch und analo-gisch denken. Zusätzlich wird von demSchüler verlangt, dass er unter Verwen-dung von Symbolen und Zeichen ver-und entschlüsselt.

6. Erfassung numerischer Beziehungen

Zahlenreihen haben mit der Vorhersag-barkeit von Ereignissen in einem durchGesetzmäßigkeiten beherrschten Uni-versum zu tun. Die stabile Beziehung,die zwischen scheinbar unverbundenenEreignissen besteht, kann entdeckt undübersetzt werden in Regeln zur Be-schreibung der Vergangenheit und Vor-wegnahme und Voraussage der Zukunft

Die Schüler lernen systematischnach organisierenden Prinzipien zu for-schen, indem sie die einzelnen Punkteeiner Serie vergleichen und die Verän-derungen, die von einem Punkt zum an-deren auftreten, erkennen. Diese Aufga-ben greifen auf diese Weise die episodi-sche Wahrnehmung der Wirklichkeit

mentarisch und isoliert. In Ermange-lung eines reichen Wortschatzes zurLenkung der Wahrnehmung werdenviele Einzelheiten, charakteristischeMerkmale und Eigenschaften vernach-lässigt.

Das Instrument erweckt im Schülerdas Bewusstsein für die Bedeutung desvergleichenden Verhaltens, baut dieVoraussetzungen und Techniken für dasVergleichen auf und enthält Aufgaben,die spezielle Übung im Auffinden vonÄhnlichkeiten und Verschiedenheitender zu vergleichenden Einzelheiten bie-ten.

Vergleichendes Verhalten erfordertdie Anwendung einer Anzahl von kogni-tiven Funktionen: eine klare und dauer-hafte Wahrnehmung der einzelnen Din-ge oder Themen, die Bewahrung des Be-ständigen und Unveränderlichen inmit-ten der Transformationen, Aufmerk-samkeit für relevante Details und diegleichzeitige Verwendung von mehre-ren Informationsquellen (vgl. Figur 3).

9. Kategorisierung

Dieses Instrument basiert auf Prozessenund Fertigkeiten, die durch „Vergleiche“erworben wurden, und führt zu ande-ren, komplizierteren logisch-verbalenInstrumenten. Es konzentriert sich aufdie Organisierung von Daten zu überge-ordneten Kategorien auf der Grundlagevon gemeinsamen, vereinheitlichendenPrinzipien der Klassifizierung.

Der Schüler lernt, dass es möglichist, das gleiche Universum nach vielenverschiedenen Kriterien wieder undwieder zu teilen und verschiedene Attri-bute gleichzeitig anzuwenden, um durchlogische Multiplikation Gruppen zu bil-den. Gliederung des Feldes und diver-gentes Denken sind nur zwei der not-wendigen kognitiven Operationen. Dar-über hinaus vermittelt das Instrumentdem Schüler die Einsicht, dass er derprimär Bestimmende bei der Projektionder Beziehungen ist, durch die Objekteund Ereignisse organisiert werden.

10. Syllogismen 11. Transitive Beziehungen

Syllogismen und transitive Beziehungensind zwei anspruchsvolle, logisch-ver-bale Instrumente. Sie bilden eine fortge-schrittenere Ebene des abstrakten Den-kens, basieren jedoch auf dem in frühe-ren Instrumenten erworbenen Gelern-ten.

an, indem sie den Schüler zwingen,nach beständigen und sogar übergeord-neten Beziehungen in den Fällen zu su-chen, die scheinbar keine Verbindungbesitzen. Zahlenreihen sind ein ausge-zeichnetes Beispiel für die Verallgemei-nerung von Prinzipien und ihre Anwen-dung durch „Überbrückung“. Eine feste,stabile Beziehung, die die Voraussagevon zukünftigen Ereignissen erlaubt, istin einer Zahlenreihe entdeckt worden.Die Fähigkeit, die Vergangenheit zu er-klären und zukünftige Ereignisse vor-wegzunehmen auf der Grundlage einerentdeckten Regel, wird dann auf natio-nale, historische und soziale Gescheh-nisse angewandt.

7. Analytische Wahrnehmung

Das „Analytische Wahrnehmen“ ist einnon-verbales Instrument, das die Kor-rektur verschwommener, unklarer Wahr-nehmung, die zu einer unvollkomme-nen, unpräzisen Information führt, be-zweckt.

Der Schüler lernt, dass jedes Ganzedurch eine strukturelle oder operatio-nelle Analyse in Teile zerlegt werdenkann und dass die tatsächliche Tren-nung willkürlich ist und von äußerenKriterien abhängt. Er lernt, dass dasGanze aufgrund der Beziehung zwi-schen den Teilen größer ist als die Sum-me der Teile, und wird sich der Mög-lichkeit bewusst, den Prozess umzukeh-ren und aus den gleichen Teilen neueGanze zu bilden.

Eine Vielfalt kognitiver Operationensind in der erfolgreichen Meisterungdieser Aufgaben eingeschlossen. Sieumfassen Identifizierung, Differenzie-rung, Unterscheidung, Kategorisierung,Darstellung, hypothetisches Denkenund logisches Argumentieren.

8. Vergleichen

Dieses Instrument lehrt den Schüler, dieÜbereinstimmungen und Unterschiedezwischen zwei oder mehreren Gegen-ständen oder Ereignissen zu finden undsie auf Grund der gleichen Dimension zubeschreiben. Während alle Menschenfähig sind, zu vergleichen, gibt es vieleLeute, deren Vergleichsverhalten nurals Reaktion auf eine begrenzte Gruppevon Bedürfnissen ausgelöst wird.

Selten vergleichen die Schüler spon-tan. In Abwesenheit eines spontanen,vergleichenden Verhaltens bleiben jederGegenstand und jede Erfahrung frag-

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ausgeschnittenen Figuren voneinanderunterscheiden. Die Aufgabe besteht da-rin, die geeigneten Schablonen aus denauf einem Plakat gedruckten auszu-wählen, die Reihenfolge zu bestimmen,in der die einzelnen Schablonen über-einander liegen, und das gegebene Mus-ter im Kopfe wieder aufzubauen.

Um diese Aufgabe zu bewältigen,muss der Schüler das komplizierte Mus-ter analysieren, die verschiedenen Kom-ponenten identifizieren und die not-wendigen Schablonen in der Vorstel-lung übereinander legen, wobei er dieNatur der Transformationen, die imVerlauf der Übereinanderlegung eintre-ten werden, im Sinn behalten muss.

Die innere Darstellung, die erforder-lich und für den speziellen Schüler er-reichbar ist, ergibt sich oft zur vollstän-digen Überraschung des Lehrers, des-sen Ausbildung und Training in speziel-ler Erziehung die Verwendung vomKonkreten betont hat. Motorische Mani-pulation und „Versuchs- und Irrtums-verhalten“ stören die Verwendung ko-gnitiver Funktionen höherer Ebenenund behindern den speziellen Schülereher, als ihm zu helfen.

14. Bilderrätsel (Karikaturen)

Obwohl das IE-Programm die kognitiveEntwicklung betont, so ist es doch eben-so an den affektiven und nicht-intellek-tualen Faktoren und an der sich gegen-

Bei den transitiven Beziehungen han-delt es sich um die Erforschung der zwi-schen Mitgliedern geordneter Gruppenbestehenden Unterschiede, die durchdie Bezeichnungen von „größer als“,„gleich wie“ und „kleiner als“ beschrie-ben werden können. Die Aufgaben kon-zentrieren sich auf die Schlüsse, die ausden bekannten Beziehungen zwischenzwei oder mehreren Elementen gezogenwerden können, und auf die Entschei-dungen, die von diesen auf Beziehungenzwischen anderen Elementen übertra-gen werden können.

Das Instrument Syllogismen stütztsich auf die Gemeinsamkeiten der Grup-penmitglieder und strebt danach, ein in-nerlich geleitetes, zwingendes Bedürf-nis nach deduktivem und induktivemArgumentieren, folgerndem Denkenund logischer Beweisführung zu bewir-ken.

12. Instruktionen (Anweisungen)

Das Instrument betont die Entschlüsse-lung verbaler Anweisungen und ihreÜbertragung in eine Handlung und dieVerschlüsselung einer Handlung in eineverbale Form. Die Aufgaben ermutigenplanendes Verhalten und bekämpfendie Impulsivität.

Die Schüler müssen teilweise An-haltspunkte verwenden, um Zwei- oderVieldeutigkeiten zu klären und Schluss-folgerungen ziehen zu können. Die Na-tur der Aufgabe besteht darin, dieFähigkeit des Schülers zu entwickeln,Anweisungen auszuführen, und zwarindem er nach Schlüsselworten und Be-ziehungen sucht. Er lernt jede Vieldeu-tigkeit zu klären, indem er angemesse-ne Fragen stellt. Die Verfahren, die zurAusführung der erhaltenen Anweisun-gen verwendet werden, befähigen denSchüler, selbst klare und präzise An-weisungen zu geben.

13. Repräsentative Schablonen-muster (farbige Schablonen)

Im repräsentativen Schablonenmuster,das aus Arthur’s Stencil Design Test(1930) entwickelt und angepasst wurde,verwendet der Schüler das Vorstel-lungsvermögen, indem er eine kompli-zierte Reihe von Schritten durchführt,die für die Rekonstruktion eines Musterserforderlich sind. Das Modellmuster injeder Aufgabe entsteht durch Überlage-rung einzelner Schablonen, die sich inFarbe, Größe und Form der aus ihnen

seitig verstärkenden Natur der affekti-ven, kognitiven und motivierenden Ele-mente interessiert. Dieses Instrumentstellt sowohl absurde wie auch humor-volle Situationen bildlich dar, ebensowie auch diejenigen, in denen eine star-ke Verbindung besteht zwischen objek-tiver Wirklichkeit und subjektiver Wahr-nehmung. Es gibt eine Anzahl von bild-lich dargestellten Situationen, die be-zwecken, den Schüler zu veranlassen,nach einer Erklärung und Lösung desabgebildeten Problems zu suchen.

Quellen:Wolfgang Reich in „Moment … ich muss

nachdenken“, Leben mit Down-Syndrom, 1992Internet: www.icelp.com

Figur 3. Vergleichen

Seminar über Feuerstein

Gemeinsam Leben – Gemeinsam Lernen Freising e.V. organisiert amSamstag, 23. Februar 2002 eine Fort-bildung zum Thema Instrumental En-richment. Referentin: Helga Ebert Thema: Der wunderbare Weg des Dr.Feuerstein.Kontakt: Julia Zacherl-König, Tel.: 0 81 61 / 2 20 92E-Mail:[email protected]

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28 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002

The Hampshire Studie

1986 wurden innerhalb einer Studie Da-ten über alle Aspekte der Entwicklungund der schulischen Leistungen von 90Teenagern mit Down-Syndrom (zwi-schen elf und 19 Jahren) gesammelt.Damals besuchten diese Teenager ohneAusnahme eine Sonderschule: 95 gin-gen in eine Schule für geistig Behinder-te und fünf in eine Schule für Lernbe-hinderte.

1999 nahmen 46 Familien mit Tee-nagerkindern mit Down-Syndrom (zwi-schen elf und 20 Jahren) teil an einerähnlichen Studie. 28 Teenager besuch-ten eine Sonderschule – 24 eine Schulefür geistig Behinderte, vier eine Schulefür Lernbehinderte –, 18 Schüler warenintegriert in der Sekundarstufe der ört-lichen Regelschule und hatten ihreganze Schulzeit in einer integrativenUmgebung verbracht.

Es wurden Antworten auf folgende Fra-gen gesucht:

1. Entwickeln sich Teenager in Sonder-schulen heute, bedingt durch mehrKenntnisse über ihre spezifischen Lern-probleme und durch positive Verände-rungen bezüglich sozialer Akzeptanzvon Menschen mit einer Behinderung,besser als 1986?

2. Entwickeln sich Teenager in Regel-schulen besser als die Teenager von1986?

3. Welche Vor- oder Nachteile der Inte-gration kann man feststellen, wenn manintegrierte Teenager von 1999 ver-gleicht mit ihren Altersgenossen, dieSonderschulen besuchen?

Hier kann nur eine Zusammenfassungder wichtigsten Ergebnisse der Studiegegeben werden.

Sowohl die Studie von 1986 als auchdie von 1999 untersuchten Entwick-lungsfortschritte in folgenden Berei-chen: lebenspraktische Fähigkeiten,Kommunikationsfähigkeit, akademi-sche Fähigkeiten, soziale Kompetenzund Verhalten.

Lebenspraktische Fertigkeiten bein-halten die persönliche Autonomie, wasKleidung, Hygiene, Toilettengang undEssen betrifft.

Bei den Kommunikationsfähigkeitengeht es um das Verstehen und das Be-

Integration in der SchuleVorteile und Schlüssel zum Erfolg

Sue Buckley

Am Symposium Down-Syndrom und Sprache in Luxem-burg im Oktober 2001 stellte Sue Buckley die Ergebnisseeiner von ihr durchgeführten Studie vor. Das Ziel derStudie war es, zu untersuchen, ob es Unterschiede imEntwicklungsstand gab zwischen Teenagern mit Down-Syndrom, die eine Sonderschule besuchten, und denje-nigen, die in einer Regelschule integriert waren.

Die Untersuchung wurde von der Down Syndrome Educational Trust in Zusammenarbeit mit der Univer-sität von Portsmouth durchgeführt. Die beiden Schüler-gruppen wurden 1999 miteinander verglichen. Außer-dem standen dem Forscherteam die Daten einer Unter-suchung über den Entwicklungsstand von Teenagernaus 1986 zur Verfügung. Die Ergebnisse sind eindeutig.Die Vorteile für eine integrative Beschulung sind un-übersehbar. Ergänzt wird dieser Aufsatz mit den Ergeb-nissen einiger anderer neuer Studien aus England.

Das Resümee lautet, dass alle Kinder mit Down-Syn-drom und mit ihnen auch alle anderen Kinder mit einerLerneinschränkung in Regelschulen an ihrem Wohnortunterrichtet werden sollten. Es gibt kein Argument, dasfür eine Sonderbeschulung spricht!

Zur Autorin Sue Buckley

Professor of Developmental Disability,Centre for Disability Studies, Depart-ment of Psychology, University ofPortsmouth, Director of Research, TheDown Syndrome Educational Trust,Portsmouth

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 29

nutzen von gesprochener Spracheund/oder einer Gebärdensprache.

Akademische Fähigkeiten umfassendas Lesen, Schreiben, Rechnen, denUmgang mit Geld und Allgemeinwissen.

Mit sozialen Fähigkeiten werden dieUnabhängigkeit außerhalb des Hauses(sich im Straßenverkehr bewegen, einenBus benutzen können, Einkäufe erledi-gen), das Vorliegen von sozialen Kon-takten außerhalb der Schule und Akti-vitäten in der Freizeit beschrieben.

Im Bereich Verhalten untersuchteman schwierige oder unpassende Ver-haltensweisen.

1999 wurden die gleichen Bereichemit dem gleichen Testverfahren unter-sucht wie 1986. Zusätzlich wurden allediese Bereiche mit zwei anderen stan-dardisierten Tests überprüft, damit dieErgebnisse vergleichbar sind mit Studi-en, die in anderen Teilen der Welt ge-macht werden (der Vineland Scale ofAdaptive Behaviour und The ConnorsParent Rating Scales).

Gleiche Ausgangssituation

Insgesamt unterschieden sich die dreiVergleichsgruppen nicht wesentlichvoneinander, was die Variablen, die dieEntwicklung eines Kindes beeinflussen,betraf. Die Altersverteilung, die AnzahlJungen und Mädchen, die Stellung desKindes innerhalb der Familie (Einzel-kind, erstes, mittleres oder letztes Kind)und der soziale Stand ihrer Familienwaren gleich. Nur in einem Punkt un-terschieden sich die Teenager von 1999.Die Gruppe, die eine Regelschule be-suchte, war wesentlich jünger (Durch-schnitt der Gruppe 14 Jahre, acht Mo-nate) als die der Sonderschulteenager(16 Jahre, vier Monate). Da alle Fertig-keiten mit dem Alter zunehmen (dieshatte auch schon die Untersuchung von1986 ergeben), bedeutete dies, dass dieintegrativen Schüler dadurch eher be-nachteiligt waren.

Eine wichtige Frage, auf die wirnoch eingehen möchten, ist: Wie konn-ten die Forscher sicher sein, dass dieKinder, die in eine Regelschule kamen,nicht schon fitter als die Sonderschülerwaren, als sie mit der Schule anfingen?Weil man damals diese Schüler nicht ge-testet hat, kann man diesbezüglich nichtabsolut sicher sein. Jedoch wurden1988, als man in South-East Hampshiremit der Integration anfing, fast alle fünf-jährigen Kinder mit Down-Syndrom in

die Regelschule aufgenommen, unab-hängig von ihren Fähigkeiten. In denübrigen drei Bezirken von Hampshirefing man mit der Integration erst vielspäter an, dort besuchten alle Kinder ei-ne Sonderschule.

So wird angenommen, dass die bei-den Gruppen Teenager damals bei ih-rem Start ins Schulleben die ganzeBandbreite an Fähigkeiten, die bei Down-Syndrom üblich ist, repräsentier-te, sich also nicht sehr voneinander un-terschieden.

Um jedoch die Vergleichsgruppen sosorgfältig wie möglich zusammenzu-stellen, nahm man die fünf schwächstenTeenager aus der Sonderschulgruppeheraus.

Die Fragebögen waren anonymi-siert. Bei der Auswertung wussten dieForscher nicht, welchen Schultyp dasKind besucht hat oder noch besuchte.

Ergebnisse1. Lebenspraktische Fähigkeiten

In diesem Bereich hatten die meistenTeenager von 1986 über die Jahreschon einen hohen Standard an Selbst-ständigkeit erreicht. Die Studie fand kei-ne gravierenden Unterschiede bei die-sen Fähigkeiten zwischen den Kontroll-gruppen von 1986 und 1999. Sowohlbei den Sonder- wie bei den Regel-schülern verbesserten sich die lebens-praktischen Fähigkeiten mit zunehmen-dem Alter. Diese Bereiche werden vorallem innerhalb der Familien trainiert.Sie spielen jedoch in den Sonderschulen– speziell in den Schulen für geistig Be-hinderte – auch eine wichtige Rolle aufdem Lehrplan.

2. Kommunikationsfähigkeit

Die Kommunikationsfähigkeit der Tee-nager hat seit 1986 enorm zugenom-men, aber nur bei den Teenagern, dieeine integrative Schule besuchten. Beidem Vineland-Kommunikationstest kannman den Unterschied zwischen integra-tiven und Sonderschülern sehr deutlichsehen. Es gibt zwar zwischen den bei-den Gruppen keine wesentlichen Unter-schiede beim Sprachverständnis, aber wohl signifikante Unterschiede bei denexpressiven Sprachfähigkeiten. Die Teen-ager in den Regelschulen waren ihrenAltersgenossen aus den Sonderschulenim Durchschnitt zwei Jahre und sechsMonate voraus (Durchschnittswerte von

fünf Jahren und neun Monaten vergli-chen mit drei Jahren und drei Monaten).

3. Akademische Fähigkeiten

Die akademischen Fähigkeiten der Tee-nager von 1999 in Lesen, Schreiben undMathematik haben signifikant zuge-nommen im Vergleich mit den Leistun-gen der Teenager von 1986. Aber auchhier erreichen die integrativ beschultenKinder wesentlich mehr als die Sonder-schüler.

Die Teenager von 1999 in den Son-derschulen haben zwar bessere Leis-tungen beim Schreiben und in Mathe-matik verglichen mit den Sonder-schülern von 1986, aber z.B. nicht imLesen.

Die Teenager von 1999, die in Re-gelschulen gingen, schnitten in diesenkognitiven Bereichen wie Lesen, Schrei-ben und Mathematik am besten ab. Mitdem Vineland-Testverfahren konntendie Unterschiede genau gemessen wer-den. Die Teenager von 1999 aus der In-tegration waren den Sonderschülern indiesen Bereichen um drei Jahre und vierMonate voraus (Durchschnitt neun Jah-re, ein Monat und fünf Jahre, neun Mo-nate).

In dem Bereich „Umgang mit Geld“gab es zwischen den Kontrollgruppenkeine großen Unterschiede.

4. Soziale Kompetenz und Freizeitaktivitäten

Alle Teenager von 1999 erreichten bes-sere Ergebnisse bei der sozialen Unab-hängigkeit und bei sozialen Kontaktenim Vergleich mit den Ergebnissen von1986. Es gab diesbezüglich keinen Hin-weis auf Unterschiede zwischen denbeiden Schultypen mit einer Aussonde-rung, die auf einen eventuellen Vorteilder Sonderschule schließen lässt. Diesbezog sich auf einen Aspekt der „Inter-personal Relationships Scale“, die diepersönliche Interaktivität und die Fähig-keiten, Freundschaft zu schließen, un-tersucht. Diese waren bei den Teena-gern in Sonderschulen wesentlichhöher.

Teenager mit Down-Syndrom in in-tegrativen Regelschulen waren ab undzu sozial isoliert, nicht weil die nicht be-hinderten Mitschüler sie nicht einbezo-gen, sondern weil sie nicht immer dieMöglichkeit hatten, eine spezielle engeFreundschaft zu entwickeln, die auf ge-genseitigem Verständnis, ähnlichen Fä-

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30 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002

higkeiten und Interessen, die währendder Teenagerjahre so wichtig sind, auf-baut. Obwohl die Jugendlichen mit Down-Syndrom Freunde hatten und anAktivitäten teilnahmen, waren dieseKontakte doch anders gelagert.

Die Teenager mit Down-Syndromkonnten damals in Hampshire integriertwerden, weil ihre Eltern und die Psy-chologen der Trust diese Integration fürsie erkämpft hatten, während Altersge-nossen mit ähnlichen Lernschwierigkei-ten noch die Sonderschulen besuchten.

Diese Ergebnisse müssen jedochsorgfältig und differenziert ausgelegtwerden. Die Forscher stellten nämlichfest, dass die jüngeren Teenager in derRegelgruppe (diejenigen unter 15 Jah-ren) schon wesentlich besser auch sozi-al integriert waren und höhere Scoreserzielten als die Sonderschüler. Wahr-scheinlich profitierten diese Schülerschon von einer zunehmenden Erfah-rung mit Integration innerhalb derSchule. Nachdem festgestellt werdenkonnte, dass die soziale Kompetenz derTeenager in allen Bereichen die gleicheoder wesentlich besser war, wenn siezur Regelschule gingen, und die jünge-ren auch schon besser abschnitten beider Freundschaftsfrage, kann die Emp-fehlung nur sein, alle Kinder mit leich-ten sowie schweren Lernproblemen indas Regelschulsystem aufzunehmen,damit nicht nur die akademischen Leis-tungen, sondern auch die sozialenFähigkeiten sich optimal entwickelnkönnen.

5. Verhalten

Im Allgemeinen gibt es kaum Unter-schiede im Verhalten zwischen den bei-den Kontrollgruppen. Die Ergebnisseauf der Vineland-Scale zeigten etwasweniger Problemverhalten bei den inte-grierten Teenagern.

Altersbedingte Effekte

Die Leistungen im Bereich lebensprak-tischer und sozialer Fähigkeiten verbes-serten sich bei den Teenagern von 1999sowie bei den Teenagern von 1986 mitzunehmendem Alter. Auch die kommu-nikativen und akademischen Fähigkei-ten nahmen mit steigendem Alter beiden integrierten Teenagern signifikantzu. In diesem Bereich waren jedoch kei-ne bedeutenden Lernfortschritte bei denJugendlichen, die in Sonderschulen gin-gen, festzustellen.

Auch in den Niederlanden besuchen heute die

meisten Kinder mit Down-Syndrom eine Regel-

schule.

Eine neue Veröffentlichung, die Sonderausgabe

der Zeitschrift „Down + Up“ mit dem Titel „Een

wereld van verschil“, beschäftigt sich mit der

sozialen Integration von Schülern mit Down-

Syndrom in der Regelschule.

Das Heft bietet eine Fülle an Empfehlungen,

die dazu beitragen können, dass die Integration

auch gelingt. Gerade die sozialen Aspekte

spielen dabei eine bedeutende Rolle. In dieser

Broschüre wird aus der Praxis von zwölf Schu-

len berichtet und gezeigt, wie dort Lehrer und

Eltern die soziale Integration dieser Schüler-

gruppe unterstützen.

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 31

Unterschied Jungen/MädchenNur in den Bereichen Kommunikation,Lesen und Schreiben konnten mit Hilfedes Vineland-Tests Unterschiede festge-stellt werden zwischen Jungen undMädchen. Als Gruppe waren die inte-grierten Jungen bei der expressivenSprache und beim Lesen deutlich in ih-rer Entwicklung zurück im Vergleichmit den Mädchen. Dies könnte mit derTatsache zusammenhängen, dass Jun-gen mit Down-Syndrom in der Sprech-motorik größere Schwierigkeiten haben.

Zusammenfassung

Kehren wir noch einmal zurück zu denFragen, die wir uns gestellt haben.

1. Entwickeln sich Teenager in Son-derschulen heute, bedingt durch mehrKenntnisse über ihre spezifischen Lern-probleme und durch eine positive Ver-änderung bezüglich sozialer Akzeptanzvon Menschen mit einer Behinderung,besser als 1986?Bei den Teenagern in Sonderschulenkonnten nur wesentliche Verbesserun-gen bei einigen akademischen Fähigkei-ten (Schreiben und Mathematik) festge-stellt werden. Beide Teenager-Gruppenvon 1999 hatten sich in Bezug auf so-ziale Unabhängigkeit sowie soziale Kon-takte in der Kommune leicht verbessert.

2. Entwickeln sich Teenager in Regel-schulen besser, schneller als die Teena-ger von 1986?Die in einer Regelschule integriertenTeenager waren den Teenagern von1986 weit voraus in sprachlicher Kom-munikation, bei ihren Lese- und Schreib-fähigkeiten, in Mathematik und teilwei-se ebenso im Verhalten. Sie hattenaußerdem mehr soziale Kontakte außer-halb der Schule und waren sozial selbst-ständiger.

3. Welche Vor- oder Nachteile der In-tegration kann man bei den Teenagernvon 1999 feststellen, im Vergleich mitihren Altersgenossen, die Sonderschu-len besuchen?Die besseren Leistungen im Bereich dergesprochenen Sprache und der Lese-fähigkeiten waren das auffallendste Er-gebnis. Die integrativ beschulten Ju-gendlichen mit Down-Syndrom sindihren Altersgenossen aus den Sonder-schulen im Schnitt zwei Jahre und sechsMonate voraus, was die Sprachfähigkei-ten betrifft, und drei Jahre und einen

Monat im Bereich des Lesens undSchreibens. Auch verfügen sie übermehr mathematische Kenntnisse undAllgemeinwissen, die Verhaltensauffäl-ligkeiten sind geringer.

Der einzige Nachteil, der festgestelltwurde, war, dass es in der Integrations-schule keine Gleichaltrigen mit einemähnlichen Entwicklungs- und Interes-senniveau gibt, sodass es den Teena-gern schwer fällt, enge Freundschaftenzu schließen. Kinder mit Down-Syn-drom waren die Ersten, die überhauptin das Regelschulsystem integriert wur-den. Deshalb gab es dort keine anderenKinder mit Lernschwierigkeiten, diesebesuchten alle noch Sonderschulen.

Weshalb keine Vorteile in den Sonderschulen?

Nachdem die Ergebnisse der Studie be-kannt waren, schien es wichtig, eine Er-klärung dafür zu finden, weshalb es fürdie Sonderschüler – trotz der kleinerenKlassen und der speziell dazu ausgebil-deten Sonderpädagogen – keine mess-baren Vorteile in diesem System gab.Man würde wenigstens erwarten, dassdie Teenager in den Sonderschulen überbessere lebenspraktische Fähigkeitenund mehr praktische Selbstständigkeitverfügten, besonders weil dies ja die Be-reiche sind, die im Lehrplan diesesSchultyps eine hohe Priorität haben.Darüber hinaus waren die Schüler inden Sonderschulen bei unserer Studiebedeutend älter.

Das Forscherteam war auch über-rascht, dass die Sonderschüler zwarbessere Leistungen erreichten beimSchreiben und Rechnen als diejenigenvon 1986 (dies lässt darauf schließen,dass in den letzten Jahren doch einmehr akademischer Lehrplan benutztwurde), jedoch nicht beim Lesen.

Die Schwierigkeit hier liegt wahr-scheinlich in der Tatsache, dass es Auf-gabe des Sonderpädagogen ist, eineGruppe von acht bis zehn Schülern sehrunterschiedlichen Entwicklungsstandes(wie das in einer Schule für geistig Be-hinderte üblich ist) im Lesen zu unter-richten. Es ist jedoch schier unmöglich,dem Kind mit Down-Syndrom in diesemLernumfeld (im Vergleich zu einer „nor-malen Klasse“) die gleiche Qualität undQuantität an Unterstützung und Anlei-tung zu geben, wie engagiert der Lehrerauch ist, wie sorgfältig er seinen Unter-richt auch plant. In einer regulären

Klasse lernt das Kind mit Down-Syn-drom lesen, zählen und rechnen in einerGruppe von gleichaltrigen Kindern, dieihm ständig kompetentes Vorbild undHelfer sind, die es motivieren und anre-gen.

Die Fortschritte bei der expressivenSprache bei den integrierten Teenagernsind wahrscheinlich zwei Faktoren zuverdanken:

Das Kind mit Down-Syndrom ist täg-lich viele Stunden in einem „normalen“sprachlichen Umfeld, hat also dauerndrichtige sprachliche Vorbilder und hatselbstständig die Möglichkeit, an Diskus-sionen und Gesprächen teilzunehmen.

Der Schüler nimmt Tag für Tag an al-len üblichen Lese- und Schreibübungenteil. Der Schüler mit Down-Syndrommuss genauso seine Aufgabe schriftlicherledigen, auch wenn das mit Hilfe einerLSA (Learning Support Assistent/Inte-grationshelfer) geschieht und er nochnicht selbstständig schreiben kann. Aufdiese Art und Weise übt er grammatika-lisch richtige Sätze zu formulieren, auchwenn er solche Sätze in spontanen Ge-sprächen noch nicht verwenden kann.Durch das Lesen, Schreiben und Übenvon Diktaten wird er immer mehr Wör-ter und grammatikalische Regeln lernenund übt gleichzeitig ständig eine deutli-che Aussprache. Genau all diese Berei-che sind für die meisten Kinder mit Down-Syndrom besonders schwierig.

Es ist einfach nicht denkbar, dass ei-ne Sonderschule ein solches effektivesLernumfeld für die kognitive Entwick-lung bieten kann.

Da es außerdem in der Regelschulekeine Nachteile gibt, was die Entwick-lung der lebenspraktischen und sozialenFähigkeiten betrifft, oder im Verhalten,kann aus diesen Daten geschlossen wer-den, dass Kinder mit Down-Syndromsowie alle Kinder mit Lernschwierigkei-ten am effektivsten in Regelschulen ge-fördert werden können.

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32 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002

Ergebnisse weiterer Studien

Schlechtes Zeugnis für die Sonderschule

In einer anderen neuen Studie ausGroßbritannien (Beadman, 1997 undDew-Hughes, 1999) werden ebenfallsverschiedene Aspekte der Integrationuntersucht und diese mit Daten ausSonderschulen verglichen. Aus den Er-gebnissen lassen sich Erklärungen fürden mangelnden schulischen Erfolg inSonderschulen ableiten.

In der ersten Studie, Beadman(1997), wird über 24 Kinder mit Down-Syndrom berichtet, die Grundschulen inDevon (Süd-England) besuchten. 13 Kin-der waren integriert und elf besuchteneine Sonderschule. Die Kinder in denRegelschulen wurden durch einen LSA(Learning Support Assistent) – am An-fang ihrer Schulkarierre meistens fullti-me – unterstützt.

Beadman berichtete, dass in denSonderschulen dem Lesenlernen wenigAufmerksamkeit und Zeit gewidmetwurden und dass es in diesen Schulenauch kaum geeignetes Material zum Le-senlernen gab. Die Methoden, wennschon geübt wurde, waren ungeeignet.Die meisten Kinder lernten nicht lesen.

Das Personal war neuen For-schungsergebnissen gegenüber nichtaufgeschlossen und vertrat die Mei-nung, dass die Sonderschule, so wie siearbeitete, den Bedürfnissen aller behin-derten Kinder gleichmäßig gerecht wur-de. Viele Pädagogen wehrten sich, aufdie unterschiedlichen Diagnosen derKinder einzugehen und ihren Unterrichtden unterschiedlichen Lernprofilen derKinder anzupassen. So widerstrebte es,laut dieser Studie, den Sonderpädago-gen, auf spezielle Bedürfnisse der Kin-der mit Down-Syndrom einzugehen. Siewären Teil der Schülergruppe und dieArbeitsweise mit ihnen sollte sich nichtvon der der anderen unterscheiden. Ihrspezielles Lernprofil, durch viele For-schungsergebnisse belegt, wurde nichtberücksichtigt.

Beadman machte weiterhin die glei-che Erfahrung wie das Forschungsteamaus Portsmouth. Die Sonderschullehrerwaren kaum bereit, an Fortbildungenteilzunehmen, die speziell zu Themenwie kognitive oder Sprachentwicklung

oder Lesenlernen bei Kindern mit Down-Syndrom angeboten wurden. Dagegenbesuchten Lehrer in Regelschulen regel-mäßig solche Fortbildungen und gestal-teten den Unterricht für ihre Integrati-onskinder den neuesten Erkenntnissenentsprechend.

Studie zur sozialen Entwicklung

Die zweite Studie von Dew-Hughes 1999verglich die soziale Entwicklung zwi-schen Kindern mit einer schweren Lern-beeinträchtigung, die integriert waren,und denen, die Sonderschulen für geis-tig Behinderte besuchten.

Sie berichtet, dass diese Kinder miteiner schweren Lernbeeinträchtigung inder Integration in der Lage waren,

selbstständig und in Gruppen zu ar-beiten, und zwar mehr als 300 % längerals ihre Altersgenossen in der Sonder-schule,

spontan Gruppen und Paare formten,wobei sie auch sehr genau wussten,welcher Mitschüler ein besserer Arbeits-partner und welcher der bessere Spiel-partner war,

nachdem sie eine Aufgabe abgeschlos-sen hatten, selbstständig zu einer ande-ren sinnvollen Beschäftigung zu wech-seln.

Sie hatten in der Regel zwei Stundenmehr Unterricht am Tag als die Sonder-schüler, deren Tagesablauf häufig durchnotwendige Pflege und Mobilitäts-schwierigkeiten geprägt wurde.

Die Vergleichsgruppe in der Sonder-schule war weniger kompetent undmehr auf Hilfe Erwachsener angewie-sen, musste kaum Verantwortung über-nehmen für ihre eigenen Schulsachenund bekam kaum die Möglichkeit, zuwählen oder ihre Aktivitäten selbst zubestimmen. Ihr Alltag war stark geglie-dert mit sehr vielen kurzen Aktivitäten,die häufig an die Fähigkeiten derschwächsten Kinder der Gruppe ange-passt wurden.

Studie in Integrationsschulen – wie beliebt sind Schüler mit Down-Syndrom?

Es wurden in Hampshire noch ver-schiedene andere Studien durchgeführtzum Thema soziale Integration, sozialeAkzeptanz und soziale Interaktion. Die-se Studien liefern keinen Vergleich zuder Situation in Sonderschulen, weil sienur in integrativ arbeitenden Schulendurchgeführt wurden. Es wurden also

hier die Schüler mit Down-Syndromverglichen mit den sich normal ent-wickelnden Schülern.

Laws et al. (1996) untersuchte, wiebeliebt die acht- bis elfjährigen Schülermit Down-Syndrom waren, die in einerRegelschule integriert waren. 16 Kindermit Down-Syndrom, alle in unterschied-lichen Schulen, wurden verglichen mit122 Klassenkameraden. Es wird be-richtet, dass die Mehrzahl der Kindermit Down-Syndrom mittelmäßig beliebtwar und genauso oft als Freund ausge-wählt wurde wie die anderen Kinder.Allerdings wurden sie weniger genanntals „bester Freund“ oder als jemand,den man nach Hause einlädt. Dies kannman schon als Hinweis betrachten aufdie Situation, die dann im Teenageralterentsteht – die Probleme, ebenbürtigeFreundschaften schließen zu können.

Interessanterweise hat das Verhal-ten der Kinder mit Down-Syndrom kei-nen Einfluss auf ihre Popularität, wiedas aber schon bei ihren nicht behin-derten Altersgenossen der Fall war. Die-se waren meistens nicht sehr beliebt,wenn sie störende Verhaltensweisenzeigten. Daraus kann man schließen,dass die Kinder mit Down-Syndromvielleicht einen gewissen Bonus haben.(Dies kann man als positiv ansehen,man sollte aber auch bedenken, dasswenn andere Kinder unpassendes Ver-halten von einem Kind mit Down-Syn-drom akzeptieren, dies nicht dazubeiträgt, dass dieses Kind sein Verhal-ten ändert.)

Die Beliebtheit der Kinder mit Down-Syndrom wurde weder beeinflusst vonihrer expressiven noch rezeptivenSprachfähigkeit, was wiederum die Ak-zeptanz bei den anderen Kindern schil-dert.

Wie viele Interaktionen haben Teenager mit Down-Syndrom?

Quail (2000) führte eine kleine Studiedurch, in der die sozialen Interaktionenvon sieben Teenagern mit Down-Syn-drom, die in der Sekundarstufe ver-schiedener Regelschulen integriert wa-ren, untersucht wurden.

Sie berichtet, dass es keinen Unter-schied gab in der Anzahl noch in derLänge der einzelnen Interaktionen.Wenn man aber die Interaktionen die-ser Teenager genauer anschaut, stelltman fest, dass sie häufiger von einer an-deren Person initiiert wurden, als das

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 33

der Fall war bei den anderen Teena-gern, und dass es mehr Interaktionenmit Erwachsenen gab. Das Gespräch be-zog sich meistens auf die Arbeit,während bei den anderen Teenagernsich die Gespräche um andere Themendrehten. Die Teenager in der Studiewurden alle unterstützt von einer LSA,was erklärt, dass die Interaktionen meis-tens mit einem Erwachsenen stattfan-den und eher arbeitsbezogen waren.

Positiv ist es, dass die Teenager aufjeden Fall genauso viele und lange Ge-sprächsmomente hatten wie die ande-ren Schüler. Negativ zu bewerten ist,dass es zu viele Interaktionen mit einemErwachsenen gab und dass die Interak-tionen hauptsächlich von einem Partnerausgingen.

Die Ergebnisse dieser Studie sind sehrwertvoll, weil sie in Schulen diskutiertwerden können und man für diese Pro-blematik sensibilisiert wird. So kanndurch eine bestimmte Sitzordnungmehr Möglichkeit zu Interaktionen ge-schaffen werden, ebenfalls ist die Rolleder LSA zu überlegen. Auch kann manmit dem Schüler mit Down-Syndromz.B. im Rollenspiel „Konversation“ üben.Die anderen Schüler kann man auf-klären und um Unterstützung bitten.

Studie über das Selbstbewusstsein

Es wird manchmal darauf hingewiesen,dass das Selbstwertgefühl und die Zu-friedenheit bei Schülern mit Down-Syn-drom vielleicht darunter leiden könn-ten, wenn sie in einer integrativen Um-

gebung lernen. Denn dort wären sie jadie ganze Zeit zusammen mit Kindern,die viel kompetenter sind. Dazu gibt eseine kleine Studie von Gould (1998).

Gould untersuchte das Selbstwertge-fühl von 24 Teenagern zwischen zwölfund 18 Jahren, elf integriert und 13 ineiner Sonderschule. Alle Schüler hattenein gesundes Selbstbewusstsein: Siekonnte also keine Unterschiede feststel-len und folgerte daraus, dass es wichtigist, dass der Einzelne sich glücklich undsicher fühlt in seiner Schule und dass erpositive Verstärkung bekommt für seineAnstrengungen und Leistungen dort. Siefand außerdem keine Zusammenhängezwischen der jeweiligen Kompetenz unddem Selbstbewusstsein dieser Teena-ger.

Fazit

Bei allen Studien wurde deutlich, dasses kein einziges schlagendes Argumentfür eine Beschulung in einer Sonder-schule gibt, weder ein akademischesnoch ein praktisches, persönliches odersoziales. Dies gilt sowohl für eine Schu-le für Lernbehinderte als auch für eineSchule für geistig Behinderte. Die einzi-ge Schwachstelle der Regelschule ist,dass es dort zurzeit noch schwierig istfür die Teenager mit Down-Syndrom,adäquate Freunde zu finden, weil in-nerhalb ihrer Schule keine oder noch zuwenige Schüler sind, die auf einem ähn-lichen Entwicklungsniveau stehen undmit denen sie Freundschaften ent-wickeln könnten.

Das Forscherteam aus Portsmouthschließt seine Studie mit folgender Emp-fehlung: „Da sich in allen Bereichen ei-ne schulische Integration positiv aus-wirkt, müssen alle Kinder mit Lern-schwierigkeiten in das Regelschulsys-tem aufgenommen werden. Die Son-derschulen könnten geschlossen wer-den!“

Das vollständige Literaturverzeichnis kann beim Deutschen Down-Syndrom

InfoCenter angefragt werden.

Wir danken The Down Syndrome EducationalTrust in Portsmouth

für die Bereitstellung des Materials.

Auch in England gibt es inzwischen für das Lehrpersonal

an Regelschulen verschiedene informationsbroschüren

über die Integration von Schülern mit Down-Syndrom.

Hier eine Publikation der Down’s Syndrome Association.

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34 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002

Die Rolle der Großeltern

„Mich hat die Begegnung mit Alexander gelehrt, wasunter Behinderung zu verstehen ist. Ich kann sie ledig-lich als einen Aspekt seiner Persönlichkeit wahrneh-men, die so reich ist wie die anderer Kinder. Ich habeerfahren, dass es sich lohnt, sich auf ihn einzulassen.“

Zitat aus dem Buch „Alexander – Sehe, auch ich lebe“,in dem Gert Greitemeyer die ersten vier Jahre mit sei-nem Enkel, der Down-Syndrom hat, beschreibt.

Die bevorstehende Geburt eines Ba-bys wird in der Regel von der

ganzen Familie mit viel Vorfreude er-wartet. Die Hoffnungen und die Freudewerden jedoch jäh zerstört, wenn dasmit Spannung erwartete Baby mit Down-Syndrom auf die Welt kommt. So-wohl die Eltern des Kindes wie auch dieGroßeltern erfahren ähnliche Gefühlevon Verwirrung, Schock und Trauer.

Die Reaktion der Großeltern ist al-lerdings anders gelagert – sie leidennicht nur wegen des Neugeborenen,sondern auch wegen des Schmerzes ih-res eigenen Kindes. Ein Großvater for-mulierte das so: „Ich bin natürlich sehrbesorgt über das Wohlergehen meinesEnkelkindes, aber mein Herz zerbrichtfast, wenn ich an meinen Sohn und mei-ne Schwiegertochter denke, die dies nundurchmachen und nicht das ganz nor-male Glücksgefühl, Eltern zu werden,ungetrübt erleben und genießen kön-nen.“

Wechselbad der Gefühle

Oft scheinen alle nach der Geburt einesBabys mit Down-Syndrom erst einmalwie betäubt. Dies ist jedoch eine ganznatürliche Reaktion, um sich gegen denunerträglichen Schmerz zu schützen, esschafft außerdem Zeit, einen Weg zu fin-den, mit dem „Schicksal“ umzugehen.

Häufig folgen Gefühle von Ableh-nung oder des Nicht-Wahrhaben-Wol-lens. Alles scheint unwirklich, „dieskann nicht wirklich passiert sein“ oder„es liegt bestimmt ein Irrtum vor“, sindBeispiele solcher Verweigerungsstrate-

gien. Großeltern halten daran oft fest,entgegen aller Vernunft hoffen sie, dassdie Diagnose über ihr Enkelkind nichtrichtig war. Es kommt sogar vor, dassGroßeltern sich weigern, in die Klinik zukommen oder anzurufen, um nicht mitder schmerzlichen Wahrheit konfron-tiert zu werden.

Leider kann ein solches Verhaltenals Desinteresse angesehen werden, dasdie Trauer der Eltern noch verschlim-mert und das ihnen die Unterstützung,die sie so sehr brauchen, raubt. Es istwichtig einzusehen, dass, so lange mansich weigert, die Wahrheit zu akzeptie-ren, man auch nicht trauern kann. Sichweigern, dieses Schicksal anzunehmen,wie verständlich dies auch ist, hilft ei-nem nicht weiter. Um aus diesem emo-tionalen Loch zu kommen, muss mandurch eine Phase des Trauerns gehen.Trauer ist der natürlichste Ausdruck al-ler Emotionen, die wir erfahren, wennwir mit Dingen konfrontiert werden, dieuns verletzen. Den Schmerz nicht zuge-ben zu wollen, den man empfindet,kann stressbedingte Krankheiten, De-pressionen, Schlaflosigkeit etc. bewir-ken. Nur indem an diesem Schmerz „ge-arbeitet“ wird, wenn Tränen zugelassensind, wenn darüber gesprochen wirdmit Freunden und Verwandten, kanndie Trauer allmählich überwunden wer-den. Wenn Großeltern versuchen,„stark“ zu bleiben, ihre Gefühle zu un-terdrücken, wird es ihnen unmöglichsein, positive Hilfe anzubieten.

Oft fühlen sich Großeltern und El-tern nicht in der Lage, miteinander über

Von oben nach unter: Dominik Fürst mit

Oma Lilli, Theresa Eggenkemper mit

ihrem Uropa und Uli Kanawin mit seiner

Großmutter

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 35

ihre Gefühle zu reden. Man möchte sichgegenseitig nicht verletzen, man möch-te sich gegenseitig schützen. Ehrlichund offen miteinander über die neue, sounerwartete Situation zu reden, hilft:„Geteilter Schmerz ist halber Schmerz“und schweißt Familien näher zusam-men.

Eine andere häufig vorkommendeReaktion aus solchen „tragischen“ Ge-gebenheiten ist Zorn. Diese kann ver-steckt sein in der Frage: „Weshalb aus-gerechnet wir?“ Sie kann gerichtet seingegen Gott, gegen Ärzte oder gegen dasKrankenhaus, wo das Kind geborenwurde. Irgendjemand muss als „Schul-diger“ gefunden werden.

Ab und zu richtet sich die Wut auchgegen das Kind mit Down-Syndrom,weil es behindert ist, und diese un-glückselige Situation könnte die totaleAblehnung des Kindes zur Folge haben.

Leider gibt es keine einfache Ant-wort, wie man mit Wut umgeht. Obwohlauch diese Reaktion nachzuvollziehenist, ist sie äußerst unproduktiv. „MeineWut verschwand, als ich eines Tages amBett meines Sohnes stand und statt:„Warum ich?“, fragte: „Warum er?“, er-zählte eine junge Mutter den Großeltern.

Problematisch sind die Gefühle vonSchuld und Schuldzuweisung. Kom-mentare wie: „Das ist in unserer Fami-lie noch nie vorgekommen“, bedeutennur noch mehr Stress. In einigen Kultu-ren wird die Geburt eines Kindes mit Be-hinderung als eine Art Strafe angesehenfür etwas, das in der Vergangenheit, jasogar in einem vorigen Leben passiertist.

Einige Eltern und Großeltern sehenin der Tatsache, ein Kind mit einer Be-hinderung in der Familie zu haben, einZeichen von Schwäche oder von vererb-ten Mängeln, sogar wenn dies bewiese-nermaßen nicht stimmt. Schuld undSchuldzuweisung sind zwecklos. Esgrenzt einen von anderen ab und er-schwert Hilfen von außen. Großelternkönnen eine hilfreiche Rolle spielen, El-tern davon zu überzeugen, dass es kei-nen Schuldigen gibt und niemand übereinen Schuldigen spricht.

Depressionen und Ängste sind ande-re Reaktionen, die auftreten können. Diebeste Art, mit Niedergeschlagenheit um-zugehen, ist anzuerkennen, dass Trau-er unter diesen Umständen eine norma-le zulässige Reaktion ist. Sich aktiv umdas Wohl des Kindes zu kümmern, kann

die düstere Stimmung zerstreuen oderan Intensität verlieren lassen. Wenn je-doch die Depression sehr massiv undanhaltend ist, ist professionelle Hilfenötig.

Akzeptanz ist die Reaktion, die mansich für das Kind mit Down-Syndromerhofft. Obwohl die Traurigkeit darüber,ein behindertes Kind zu haben, nie ganzverschwindet, wird dieses Gefühl all-mählich weniger. Sowohl Eltern alsauch Großeltern werden, wenn dasKind heranwächst, mindestens genausoviele positive, erfreuliche Dinge mit demKind mit Down-Syndrom erleben wiemit jedem anderen Kind.

Eine Großmutter meinte: „Ich werdees wohl nie ganz akzeptieren, dass mei-ne Kinder dieses Schicksal getroffen hat.Dies verändert jedoch nichts an der Lie-be, die ich für meine Enkelin empfinde.“

Unterstützung durch GroßelternViele Großeltern, die die finanziellenMöglichkeiten und die nötige Freizeithaben, genießen enorm von den ge-meinsamen Aktivitäten und von der ge-meinsamen Zeit, die sie mit ihren En-keln verbringen, und bauen so eine in-tensive Beziehung zu ihrem Enkelkindauf. Häufig haben Großeltern auch einemehr entspannte Haltung gegenüberihren Enkeln. Sie machen sich auch kei-ne großen Sorgen mehr darüber, dasEnkelkind vielleicht zu sehr zu verwöh-nen, wie das früher für sie als junge El-tern mit ihren eigenen Kindern vielleichtein Problem darstellte. Geschichten vonergebenen Großeltern, die jeden Wunschvon den Augen ihrer Enkel ablesen, sindMärchen. Trotzdem können natürlichDinge wie zu langes Aufbleiben, zu vie-le Süßigkeiten zu naschen oder andereFamilienregeln zu ignorieren – auchwenn es alles noch so gut gemeint ist, zuReibungen innerhalb der Familie füh-ren. Speziell wenn das Kind z.B. eineDiät befolgen sollte oder wegen be-stimmter Verhaltensweisen eine gewis-se Führung braucht.

Großeltern können Streitereien überden richtigen Umgang mit dem Enkel-kind vermeiden, wenn sie genau nach-fragen, was die Bedürfnisse des Kindessind und was sie speziell beachten soll-ten, gerade was die Förderung oder dieErnährung betrifft.

Zeit ist das wertvollste Geschenk

Großeltern können sich zu richtigen Ex-

perten entwickeln und so dauerhafteHilfe bieten, wann und wo dies am meis-tens nötig ist. Gerade weil die Großel-tern nicht für die tagtägliche Pflege desKindes aufkommen müssen, haben siemehr Zeit und oft die besseren Nerven,mit dem Enkel die Dinge zu tun, wozudie Eltern nicht so kommen, und tragenso bei zum Wohlergehen des Kindes.Opa wirft geduldig immer wieder denBall und hilft dem Kind so bei seiner Ko-ordination, die Oma hat vielleicht so vielGeduld, stundenlang das Schleifenbin-den oder das Fahrradfahren zu üben.Das kostbarste Geschenk, das Großel-tern dem Kind schenken können, istZeit.

Tipps für Großeltern

Die meisten Elterngruppen, Förder-stellen und Schulen sind an Kontaktenzu Großeltern interessiert. Einige Down-Syndrom-Gruppen organisieren sogarGroßelterntreffs oder Informationsver-anstaltungen speziell für diese Zielgrup-pe.

Großeltern sind auch gern geseheneGäste bei Tagungen über Down-Syn-drom, wo sie sich weiterbilden können.Diese Kenntnisse kommen dem Enkel-kind zugute.

Vermeiden Sie Klischee-Ratschlägeoder Kommentare wie „Es ist GottesWille“ oder „Tante Sowieso hat gesagt,dass …“. Solche Bemerkungen tröstennicht, sondern verursachen nur nochmehr Aufregung.

Das Vorbild der Großeltern kann Schu-le machen. Wenn Sie mit dem neuen En-kelkind liebevoll umgehen, werden dasandere in der Familie übernehmen.

Auch oder gerade nonverbale Äuße-rungen, wie ein liebevolles Streichelndes Kindes und ein In-den-Arm-Neh-men der Eltern, drücken oft mehr ausals Worte. Mitleidige Blicke und ein be-sorgter Ton verschlimmern die düstereStimmung.

Seien Sie sich bewusst, dass die Elternin der ersten Zeit sehr sensibel reagie-ren. Seien Sie vorsichtig mit ihren Äuße-rungen und denken Sie daran, dass Ih-re, wenn auch gut gemeinten, Bemer-kungen leicht falsch interpretiert wer-den können.

Lassen Sie Ihre Kinder wissen, dass siemit Ihnen rechnen können, in guten wiein schlechten Zeiten. Viele Großelternkönnen ihre Zeit selbst einteilen und soan die Bedürfnisse der Familie anpas-

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36 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002

Als unser erstes Enkelkind 1982 zurWelt kam, freuten wir uns sehr und

wollten, wie wohl die meisten Großel-tern, möglichst viel von seinem Lebenmitbekommen. Durch die räumlicheEntfernung – wir lebten damals in Er-langen, unsere Tochter mit Familie inErlenbach am Main – sahen wir denkleinen Uli immer in Abständen undkonnten so seine Entwicklung gut ver-folgen. Er war ein aufgewecktes Babyund es machte Spaß, ihn zu beobachtenund mit ihm zu spielen. Von seiner Be-hinderung – Uli hat Down-Syndrom – er-fuhren wir erst, als er fast ein Jahr altwar. Mein Mann, Ulis Opa, war wohlmehr betroffen oder erschrocken alsich, aber für uns beide war klar, dassdieser Junge gefördert werden kannund wir uns alle Mühe geben würden,dies zu tun.

Da wir beide zu diesem Zeitpunktschon in Rente waren, konnten wir unsZeit nehmen und unsere Tochter bei Be-suchen entlasten. Uli entwickelte sich

gut und erfreulicherweise konnte ichdabei sein, als er mit 17 Monaten seineersten freien Schritte machte. Es warimmer schön, seine Fortschritte zu erle-ben. Als er elf Monate alt war, bekam ereinen Bruder und so konnten die beidenmiteinander aufwachsen.

Wenn meine Tochter „Heimaturlaub“machte, übernahmen wir die Kinderund spielten und plauderten den ganzenTag mit ihnen. Mein Mann, ein ganz lei-denschaftlicher Lego-Baumeister, bauteihnen Türme und Häuser und ließ sie da-mit spielen. Uli begann sich schon frühfür Bücher zu interessieren, so las ich ihm vor und wir blätterten sie gemein-sam durch. Er „erzählte“ mir dannauch, nur noch nicht für mich verständ-lich, aus den Büchern.

Zwei Urlaube verbrachten wir mitden Enkelkindern und unserer Tochteran der Ostsee, was sicher dazu beitrug,dass die Kinder zu Oma und Opa eingutes Verhältnis entwickelten. Diese Ur-laube waren zwar nicht nur erholsam,

sen. Nur schon das Wissen um diese Un-terstützung kann die Situation für dieneuen Eltern etwas entspannen undfestigt die Familienbande.

Sie könnten anbieten, regelmäßig zuBesuch zu kommen, im Haushalt zu hel-fen oder auf das Kind aufzupassen.Manchmal kann es für alle Beteiligtenangenehm sein, wenn Großeltern in ei-nem z.B. nahe gelegenen Hotel unter-kommen.

Versuchen Sie herauszufinden, wasdie beste Zeit für einen Besuch oder einTelefonat ist. Die Familie möchte be-stimmt auch ihre Privatsphäre behaltenund ab und zu kommen Besuche einfachnicht gelegen.

Unstimmigkeiten zwischen Ihnen undIhren Kindern sollten die Beziehung mitdem Enkelkind nicht beeinflussen. DasBand zwischen Großeltern und Enkel-kindern kann etwas Einmaliges, Schö-nes sein. Diese Beziehung kann demKind bei seiner Entwicklung in vielenBereichen helfen.

Bedenken Sie, dass es immer wiederemotionale Tiefs geben kann, sowohlbei Ihnen als auch bei den Eltern desKindes. Gefühle von Trauer, von Wutund das Nicht-akzeptieren-Wollen kom-men bei speziellen Anlässen wiederhoch, z.B. bei Geburtstagen, beim Schul-eintritt oder später, wenn das Enkel-kind den Führerschein machen möchteoder heiraten will. Wenn Sie dies imVorfeld wissen, fällt es leichter, mit die-sen Reaktionen umzugehen.

Denken Sie daran, dass die Liebe zwi-schen Großeltern und Enkelkind einma-lig ist. Ihr Enkel ist in erster Linie einKind wie alle anderen. Vielleicht mussman sich mit diesem Kind mehr be-schäftigen als mit anderen, aber die Be-dürfnisse unterscheiden sich nicht inder Art. Ihr Enkel mit Down-Syndromwird Ihre Liebe, Ihre Witze und Spiele,Ihre Geschichten und Lieder genausodankbar annehmen wie das die anderenEnkelkinder tun.

Dieser Artikel erschien im Newsletterdes DS Centre of Western PennsylvaniaPittsburgh, USA.

Schau Oma, so geht dasmit dem Laptop!Eine Großmutter berichtet

Bücher hat Uli (4 Jahre) am

liebsten. Und Oma liest und

liest.

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 37

aber wir hatten viel Freude und konntendie Zeit mit den Kindern genießen.Schon beim zweiten Urlaub stand fest,dass die junge Familie für zwei Jahrenach Afrika gehen würde, da meinSchwiegersohn dort als Entwicklungs-helfer arbeiten wollte. Wir waren trau-rig darüber, würden wir so die Kinderlange nicht sehen und ihre weitere Ent-wicklung nicht verfolgen können. Auchder Gedanke, dass es für Uli dort keinespezielle Förderung geben würde,machte uns Sorgen. Aber wir konntendaran nichts ändern und so bemühtenwir uns hier, unsere Tochter aus derFerne zu unterstützen.

Wir gingen regelmäßig zu den Ver-anstaltungen der Down-Syndrom-Grup-pe in Erlangen und ich las verschiedeneBücher, um mich über Fördermöglich-keiten zu informieren. Wir sandten denKindern Spielsachen, Lernhefte und vie-les mehr und versorgten unsere Tochtermit Informationsmaterial.

Erfreulicherweise vergingen die dreiJahre in Rwanda gut und die Kinder unddie Eltern kehrten gesund und munterzurück. Sie verbrachten die ersten Wo-chen nach der Rückkehr bei uns, sodasswir den Kontakt zu den Kindern wiedergut aufbauen konnten. Ihr nächsterWohnort lag dann in der Nähe vonFrankfurt am Main.

Da die Kinder nun die Schule be-suchten, konnten sie nur an den Wo-chenenden oder in den Ferien zu uns zuBesuch kommen. Uli war uns gegenüberstets lieb, voller Vertrauen und Interes-se und immer bereit, mit uns zu lesen,zu spielen und inzwischen auch mit Opafernzusehen.

Als Uli acht Jahre alt war, starb meinMann, sein geliebter Opa. Es dauerte ei-ne Weile, bis Uli begriff, dass er nunnicht mehr da war, und seine Trauerhielt noch lange an. Auch heute noch er-innert er sich an ihn.

In den folgenden Jahren sah ich Uliund seinen Bruder bei meinen Besuchenoder wenn sie nach Erlangen kamen.Unser Verhältnis war stets gut, wussteer doch, dass ich immer Zeit für ihn hat-te. Wir gingen Fußball spielen auf derWiese vor dem Haus, machten Spazier-gänge im nahe gelegenen Wald, wo eram liebsten querfeldein lief, und be-suchten Spielplätze. Ich war gerne mitihm unterwegs, es war immer spannend.Da er aber auf mich hörte, empfand iches nie als Problem, ihn zu betreuen.

Viel Zeit für Uli

Mein Schwiegersohn hatte dann, als Ulizehn Jahre alt war, aus beruflichenGründen die Möglichkeit, nach Nürn-berg zu wechseln. So lebten die Enkel-kinder nun erstmals in meiner Nähe.Nun sahen wir uns oft und Ulis ersteSchritte alleine in die Unabhängigkeitwaren mit Besuchen bei mir verbunden.Zuerst brachte ihn meine Tochter zurHaltestelle des Linienbusses in Nürn-berg. Ich holte ihn dann in Erlangen ander Bushaltestelle ab, später ging er denWeg vom Bus zu mir alleine. Es warennur etwa fünf Minuten zu laufen, aberfür Uli eine wunderbare Leistung, under war entsprechend stolz auf sich.

Oft übernachtete er auch bei mir,wohl auch ein Stück Ablösung vom El-ternhaus. Da ich Zeit für ihn hatte, kamer stets gern, und so kannte ich seine In-teressen und konnte Spiele und Bücherbesorgen, die ihm Freude machten.

Mit der Zeit wurde Uli immer selbst-ständiger und unser Verhältnis verän-derte sich. Nun begann er, mir zu hel-fen, ging mit mir spazieren, nahm michin seinen Urlaub mit und erzählte mir.Inzwischen war er ein junger Mann ge-worden, besuchte mich weiterhin regel-mäßig und gerne und begann seiner-seits, sich Gedanken um meine Zukunftzu machen. Da sich meine Tochter indiesen Jahren um meine älteren Schwes-

tern kümmerte, beschäftigte ihn das Äl-ter-Werden. In der Schule hatte er Kon-takt zu Zivildienstleistenden und so er-schien es für ihn klar, später auch ein-mal mein Zivi zu werden und mich dannzu versorgen.

Schau Oma, so geht das mit dem Laptop!

Vor mehr als einem Jahr, Uli war in-zwischen 18 Jahre alt, zog ich zur Fa-milie meiner Tochter, die nun auch nachErlangen gezogen war, und wurde UlisZimmernachbarin. Unser Verhältnis istnun sehr eng, Uli verbringt viel Zeit beiund mit mir. Wir lesen zusammen,schauen gemeinsam fern, lösen Kreuz-worträtsel und vieles mehr. Uli spieltgerne Veeh-Harfe, ich höre ihm gernezu. Seit kurzem hat er einen Laptop under bringt mir die Grundkenntnisse amComputer bei. So lernen wir ständigweiter miteinander und voneinander.Uli kümmert sich fürsorglich um mich,hilft mir beim Aufräumen, versorgtmich mit Tee und kleinen Mahlzeitenund schaut immer nach mir, wenn ernach Hause kommt.

Es ist schön für mich zu sehen, wiegut er sich entwickelt hat, wie viele Mög-lichkeiten es für ihn und seine Freundegibt und wie selbstbewusst er seinenWeg geht.

Irene Kanawin

Jetzt zeigt der 19-jährige Uli, wo es

langgeht. Schau Oma, so geht das mit

dem Laptop!

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38 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002

Schwimmen lernen, schwimmen kön-nen – wer kann es lernen, wann

kann man es lernen, was gibt es zu be-achten, gibt es für Menschen mit Down-Syndrom besondere Voraussetzungen?Bewegung im Wasser, getragen werdendurch das Wasser, Bewegungskoordi-nation, Konditionssteigerung – idealeBedingungen für Menschen mit Down-Syndrom zur Steigerung ihrer motori-schen Fähigkeiten? Schwimmen als ei-ne der gesündesten Sportarten?

Fragen über Fragen. Im Folgendensoll es nicht darum gehen, wie erlerneich diese oder jene Bewegung oderSchwimmart, sondern vielmehr, was istan Generellem wichtig.

Wassergewöhnung an erster Stelle

Jeder Mensch kann lernen, sich im Was-ser zu bewegen und zu schwimmen.Aufgrund seiner mit Luft gefüllten Lun-gen ist der Mensch auch ohne Bewe-gung im Wasser „schwimmfähig“. Waswir erlernen, ist die Art und Weise, wiewir uns im Wasser bewegen.

Der „Umgang“ mit Wasser, die An-passung unserer Sinnesorgane an dasElement Wasser, erfolgt bereits imFruchtwasser im Mutterleib. Trotzdemmüssen wir uns erst wieder an Wassergewöhnen – je eher, desto besser unddesto leichter fällt es uns.

Bereits beim Waschen und Badenkann sich eine positive oder negativeEinstellung zum Wasser entwickeln. Da-

mit keine Angst vor Wasser aufkommt,ist das Eingehen auf die Reaktion desKindes wichtig, egal ob Down-Syndromoder nicht. Es ist sicherlich nicht einfachzu unterscheiden, ob das Kind einfachkeine Lust auf Wasser hat, mit ihm nichtrichtig vertraut oder wirklich ängstlichist.

Die Wassergewöhnung nimmt des-halb den höchsten Stellenwert beimThema Schwimmen ein. Die Erfahrunghat gezeigt, dass es oft sinnvoller ist,hier mehr Zeit aufzubringen, denn nurwer im Wasser sicher ist, gerät nicht soleicht in Angst und Panik, wenn z.B.Wasser ins Gesicht spritzt oder auchmal Wasser geschluckt wird. Besondersfür Kinder mit Down-Syndrom ist dieswichtig, um ungewohnte und unbe-kannte Einflüsse möglichst schnell zuverarbeiten. Nur Sicherheit im Wasserverhindert Angst.

Schwimmen kann jeder!

Man muss unterscheiden zwischen derBewegung im Wasser und dem eigentli-chen Schwimmenlernen. VerschiedeneSchwerpunkte werden gesetzt bei:

Baby- und KleinkindschwimmenVorschulschwimmenSchulschwimmen GrundschuleSchulschwimmenErwachsenenschwimmen

Menschen mit Down-Syndrom könnenan jeder der verschiedenen Phasen teil-nehmen. Jedoch ist durch die geistige

Bewegung im Wasser und Schwimmenmit Babys und Kleinkindern

Georg Ruhrmann

Montag, 18.00 Uhr, Übungsabend der DLRG Stadt Fulda:Sechzig Kinder stürmen die Schwimmhalle und springen mit großem Hallo zu Schwimmausbildung und-training ins Wasser. In der Gruppe der sechs bis 36 Monate alten Kleinkin-der: Anna, 23 Monate mit Down-Syndrom. Sie ist beimBaby- und Kleinkindschwimmen mittendrin – selbstver-ständlich, ohne großes Aufsehen und mit unendlich vielSpaß.

Behinderung und die Entwicklungsver-zögerung eine Auswirkung auf die di-daktische Vorgehensweise im Unter-richt notwendig. Die Trainer haben beider Ausbildung, besonders in gemisch-ten (integrativen) Gruppen, zu berück-sichtigen, dass das Bewegungsvermö-gen nicht mit dem eines gesunden Kin-des zu vergleichen ist. Auch ist die Ge-schwindigkeit des Unterrichts an daskognitive Vermögen des betreffendenKindes anzupassen.

Begleiterkrankungen beachten

Besondere Berücksichtigung muss un-bedingt die Tatsache finden, dass vieleKinder mit Down-Syndrom an „Begleit-erkrankungen“ leiden. Dies bedeutetaber nicht, dass deswegen keinSchwimmunterricht besucht werdenkann. Sollten die Eltern Bedenken ha-ben, sollten sie diese mit ihrem Arzt aus-räumen. Ausschlussfaktoren können je-doch sein: eine festgestellte Herzschädi-gung und/oder Defekte im Bereich derOhren. Hier ist unbedingt die individu-elle Absprache mit dem behandelndenArzt notwendig. Beim Schwimmen istentsprechende Vorsicht walten zu las-sen, Tauchübungen, besonders bei Ohr-problemen, sind auszulassen.

Das richtige Outfit

Neben den körperlichen Voraussetzun-gen ist natürlich das richtige Outfit nichtaußer Acht zu lassen.

Spaß im Wasser mit Anna (21 Monate)

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 39

Es sollte sich nicht nur auf Schwimm-windel, Badehose oder -anzug undHandtuch beschränken. Um Erkältun-gen und Entzündungen zu verhindern,sollten Bademantel und Schwimmsa-chen zum Wechseln dazukommen. EineChlorbrille empfiehlt sich erst bei Vor-schulkindern, Nasenklemme und be-sonders Ohrstopfen sind sorgsam zuverwenden. Chlorbrillen und Ohrstop-fen dürfen auf keinen Fall bei Tauch-übungen verwendet werden, da hier aufGrund des stärkeren Umgebungsdruckserhebliche Verletzungsgefahren beste-hen.

Wasser trägt, ein Vorteil nicht nurfür Menschen mit Down-Syndrom. DieEntlastung der Stütz- und Haltearbeitder Muskulatur sowie der relativ langsa-me Bewegungsablauf ermöglichen imWasser einfach zu kontrollierende Be-wegungen. Auch bei einfachen Bewe-gungen muss die Muskulatur warm blei-ben. Wasser leitet Körperwärme etwa20 Mal schneller ab als Luft, d.h., Was-ser hat im Vergleich zur Luft einen we-sentlich größeren Kühleffekt. Daher gilt:

Je jünger der Schwimmschüler, destohöher die Wassertemperatur.

Je niedriger die Wassertemperatur,desto kürzer und bewegungsintensivermüssen die Schwimmstunden gestaltetwerden.

Baby- und Kleinkindschwimmen(1/2 Jahr bis 3 Jahre)

Wir alle kennen Fotos, Filme, Platten-Cover mit Babys, die mit weit geöffnetenAugen und Mund unter Wasser schwim-men. Man muss dabei keine Angst umdie Kleinen haben. In den ersten Wo-chen nach der Geburt sind die Reflexe,

die ein Atmen und Schlucken verhin-dern, noch vom Mutterleib her vorhan-den. Diese Reflexe verlieren die Babysallerdings rasch. Diese Fotos sehen si-cherlich goldig aus, da aber schwer ab-zuschätzen ist, wann diese Reflexe ver-schwinden, sollte man mit solchemSchwimmen äußerst vorsichtig sein undkeine Experimente machen!

Das so genannte Babyschwimmenkann mit etwa einem halben Jahr be-ginnen, wobei von Schwimmen natür-lich noch keine Rede sein kann. Es istsinnvoll, zu Hause in der Wanne oderunter der Dusche von Anfang an erste„Schulungsversuche“ zu beginnen.Mund, Augen, Nase und Ohren werdenmit körperwarmem Wasser an Spritzergewöhnt. Für Kinder mit Down-Syn-drom ist besonders das Duschen eineErfahrung, die sie in der Regel nur sehrungerne machen möchten. Das Kind istbeim feinen Prasseln des Wassers be-sonders auf den Kopf sensorisch nicht inder Lage, es richtig einzuordnen. Einkurzes „Darunterdurchhuschen“ hilft,Babys und Kleinkinder langsam daranzu gewöhnen.

Im Schwimmbecken halten idealer-weise Mutter oder Vater ihr Kind imArm und „kuscheln“ miteinander. Sokann sich das Baby gut an das Wasser

gewöhnen. Durch eine Hin- und Her-Be-wegung (Pendeln) bekommt das Babyausreichend Möglichkeiten, um sichrichtig im Wasser „auszutoben“ und zuzappeln. Den besten Halt des Babys hatman dabei am Brustkorb. Mit diesemGriff lässt es sich auch in Bauchlage ne-ben einem herziehen. In Rückenlageliegt man es sich auf die eigene Brustund schiebt es mit den Füßen vorandurchs Wasser. Dabei hält man es amsichersten im Hüftbereich und stützt esseitlich mit den eigenen Oberarmen.

Mit Kindern mit Down-Syndromkönnen dieselben Übungen gemachtwerden. Wichtig ist nur, es darin zu un-terstützen, den Kopf über Wasser zuhalten, denn durch die allgemeine Hy-pertonie ist die Nackenmuskulatur nochgering ausgebildet. Besonders wichtigist es, beim Ziehen des Babys in Bauch-lage darauf zu achten. Oft wird darausein Schieben in einer stehenden Haltungstatt in liegender.

Mit den Babys im Wasser spazierengehen, abwechselndes Ziehen undSchieben, hin und her pendeln, Bewe-gungen zu Liedern, Möglichkeiten gibtes genug, mit dem Kind zu „schwim-men“. Zwischendurch sollte das Ku-scheln zum Ausruhen, Beruhigen undWärmen nicht vergessen werden. Solltedas Baby Wasser schlucken, ist derSchreck oft größer als der Schluck Was-ser. Mit dem Baby lachen, es mit einerleichten Schaukelbewegung ablenkenund als Eltern immer ein „freundlichesGesicht“ machen, dann ist der SchluckWasser in der Regel ganz schnell ver-gessen. Je mehr Sicherheit die Elternhaben und ausstrahlen, desto sichererfühlen sich die Kinder.

Bei den älteren Babys und Kleinkin-dern kommen springen, „schwimmen“mit Schwimmflügeln, ziehen an denHänden, in die Luft werfen usw. nachund nach hinzu.

Bei Babys sollte die „Schwimmstun-de“ zwischen 15 und 30 Minuten dau-ern, je nach Alter und Wassertempera-

Alter in Jahren

0,5 – 33 – 66 – 10

10 und älter

Wassertemperaturin °C

3328 – 32

2828

Wasseraufenthalt in Minuten

10 – 2020 – 35bis 45bis 45

Kleinkindschwimmen: Gemischte Gruppe

zwischen sieben und zehn Monaten

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40 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002

tur. Nach dem Schwimmen sind eingründliches Abwaschen mit chlorfreiemWasser, sofortiges Abtrocknen, beson-ders der Ohren, und Einölen oder -cre-men für die zarte Babyhaut wichtig.

Vorschulschwimmen (Kleinkinder-schwimmen, 3 bis 6 Jahre)

Im Alter von vier bis sechs Jahren kannman von „Schwimmunterricht“ spre-chen, da hier die ersten Gleit- undSchwimmübungen und -bewegungengemacht werden können.

Sind Kinder, übrigens auch Erwach-sene, im Wasser und sollen schwimmenlernen, führen sie „instinktive Reflex-schwimmbewegungen“ (Bauermeiser)durch. Diese Bewegungen ähneln in derArmbewegung dem „Hundepaddeln“und dem Brustschwimmen, im Bein-schlag dem Kraulschwimmen. Kindermit Down-Syndrom zeigen diese „in-stinktiven Reflexschwimmbewegungengen genauso wie nicht behinderte Kin-der. Sie unterscheiden sich lediglich inder Stärke und dem Zeitpunkt. Oft ist ei-

Kurs-abschnitt

1. – 4. Std.

5. – 7. Std.

8. – 10. Std.

11. – 12. Std.

.

13. – 14. Std.

15. Std.

Ziele bei Bewegungs-grundformen

Spielerische Vertrautheit

mit dem Element Wasser

Wassergewöhnung; schwim-

merische Grundfertigkeiten

Wasserbewältigung

Beinbewegung

(Schwunggrätsche)

Armbewegung,

Baderegeln

Koordination Arm- und Bein-

bewegung (Kopplung)

Atmung,

Tauchen

Prüfung „Seepferdchen“

Ziele bei den koordinativenFähigkeiten

Springen, laufen, hüpfen im

Wasser, tauchen, ausatmen ins

Wasser, auftreiben, gleiten

Gleiten, „Toter Mann“

Grobform der Beinbewegung

Gesicht ins Wasser,

Grobform der Armbewegung,

Festigung der Beinbewegung

Körperstreckung,

gerade Lage im Wasser,

Springen

Ausdauerndes Schwimmen

Sprung vom Beckenrand und

25 m schwimmen

Heraufholen eines Gegenstandes

mit den Händen aus schulter-

tiefem Wasser

Mittel

Entchen, Ringe,

Klammern

Bank, Treppe,

Brett, Nudel

Nudel,

Baderegeln

Brett,

Nudel

Ringe

Ring

Hier das Beispiel eines

möglichen Kursplans.

Die Kursabschnitte für

Kinder mit Down-

Syndrom können und

sollen bewusst nicht

definiert werden.

ne Umkehrung der Arm- und Beinbe-wegung zu sehen, d.h. die Arme schla-gen auf und ab, während die Beinegleichzeitig angehockt werden. Letzt-endlich stellen diese Bewegungen eineFortsetzung des Krabbelns im Babyalterdar. Bei nicht behinderten Kindern er-folgt dabei die Atmung nach vorn übereine starke Nackenhaltung des Kopfes.Kinder mit Down-Syndrom haben hier,genauso wie schon beim Babyschwim-men, große Probleme, diese Nackenhal-tung zu bewerkstelligen.

Es ist wichtig, diese Reflexschwimm-bewegungen zu fördern, da sie nicht nurVoraussetzungen für die eigentlicheSchwimmbewegung sind, sondern aucheinen gewissen Selbstschutz bedeuten.Haben Kinder, ob mit oder ohne Down-Syndrom, eine besonders gute Wasser-gewöhnung, kann man oft ein „Tauch-schwimmen“ beobachten, bei dem sienur zum Luftholen auftauchen. Bei Kin-dern mit Down-Syndrom ist ganz be-sondere Vorsicht geboten, da Kraft undKoordination am Anfang dafür nicht

ausreichend sind. Ständige Beobach-tung und Begleitung sind unerlässlich.

Kinder mit Down-Syndrom könnenwie jedes andere auch Schwimmen ler-nen. Jedoch nehmen die einzelnen Be-reiche Wassergewöhnung und Wasser-bewältigung einen sehr viel größerenStellenwert in Bezug auf das Schwim-menlernen ein. Erst wenn diese beidenBereiche weitestgehend abgeschlossensind, ist mit den einzelnen Bewegungenzu beginnen. Die Schwimmbewegungenselbst müssen in kleinen Schritten ein-geführt und oft wiederholt werden. Wiesonst auch brauchen die Kinder durchdie geistige Entwicklungsverzögerungviele Wiederholungen und Anregungen,um die neuen Bewegungsabläufe undImpulse aufzunehmen.

Das gesamte Vorgehen entsprichtaber vom Grundsatz her den Regeln ei-nes normalen Schwimmkurses.

Schulschwimmen Grundschule (7 Jahre und älter)

Spätestens jetzt stellen vor allen Dingen

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 41

Alter in Jahren Schüler (Anfänger) Schüler (Schwimmer)

pro Lehrer pro Lehrer

0,5 – 3 Einzelunterricht

3 – 4 2 – 3

5 – 6 4 – 6 bis 5

7 – 8 8 – 10 bis 10

9 – 10 bis 12 bis 12

11 und älter bis 15 bis 15

in Schwimmvereinen viele Trainer dieFrage: Einfach nur Schwimmen oderLeistungsschwimmen? Das Entschei-dende ist dabei nicht die Frage, sonderndie Tatsache, dass sie genauso auch Be-hinderten gestellt wird und sie leis-tungsschwimmerisch trainiert werden.Bei Paralympics und Specialympicswerden hervorragende Leistungen ge-bracht. Es stellt sich daher eigentlichnicht die Frage, ob ein behindertes Kindschwimmen soll, sondern wie intensives trainieren soll. Fragen, die sich an-dere Eltern auch stellen, wenn sie er-kennen, dass ihr Kind Spaß am Schwim-men hat.

Anregungen und Tipps

Zum Abschluss ein paar Anregungen:Einige Dinge sind selbstverständlich, ge-raten aber deswegen oft in Vergessen-heit. Einiges stammt aus meiner Erfah-rung als Schwimmausbilder.

Die allgemeinen Baderegeln beachten.Das Kind zu nichts zwingen: überzeu-

gen, aber keinen Druck ausüben, auchnicht über eine Gruppe, keine Angst vorWasser aufbauen. Jedes Kind brauchtseine Zeit, bis „der Knoten platzt“.

Die Schwimmstunde auch mal früherbeenden, wenn das Kind friert, müdeist, Angst hat.

Kranke Kinder (Erkältung, Infekte,Hauterkrankungen) gehören nicht insWasser.

Den Kindern Badeschläppchen anzie-hen und nicht ohne Unterlage auf denFußboden setzen, auch nicht mit Bade-kleidung (Pilze).

„Traumatische Erlebnisse“ solltendem Schwimmlehrer mitgeteilt werden:Hat das Kind massiv negative Erfahrun-gen mit Wasser gemacht (Beinahe-Er-trinken, Ertrinkungsunfälle miterlebtetc.), diese nicht herunterspielen. Mit ei-ner sehr behutsamen Wassergewöh-nung kann die Angst genommen unddas Schwimmen beigebracht werden.Bei behinderten Kindern ist es schwe-rer, dies zu erkennen und Ängste zunehmen.

Vorsicht bei Schwimmreifen, beson-ders mit integrierten „Hosen“! Die Kin-der können durchrutschen bzw. sich beieinem Umkippen des Reifens nicht be-freien (rausrutschen) und bleiben mit

dem Kopf unter Wasser. Nur unter per-manenter Aufsicht verwenden!

Gruppengröße (siehe Tabelle 1)Fragen Sie nach Qualifikation und Ar-

beitsweise des Trainers/der Trainerin:– Wie groß ist seine/ihre Gruppe? – Wie ist das Altersgefüge?– Ist er/sie beim Anfängerschwimmenmit im Wasser und leitet er/sie an odersteht er/sie nur am Beckenrand?– Ist er/sie Rettungsschwimmer, be-herrscht zumindest die lebensrettendenSofortmaßnahmen?

Georg Ruhrmann, 36 Jahre, Vater derzweijährigen Anna mit Down-Syndrom und

des sechs Monate alten Moritz.Seit 13 Jahren als Technischer

Leiter der DLRG Ortsgruppe Stadt Fulda e.V.für die Schwimm- und Rettungsschwimm-

Ausbildung sowie die Schulung der Ausbilder verantwortlich.

Tabelle 1. Gruppengröße

Mike Kain (12 Jahre) ist schon

ein ausgezeichneter Schwimmer.

Nun hat er mit einem Tauchkurs

angefangen, zuerst in einem

Schwimmbad, inzwischen war er

auch schon beim Tauchen in

einem See. Mikes Kommentar:

„Super cool.“

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42 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002

KinderbücherClaudia Dümmler

Drei Kinderbücher, in de-nen es um „Anderssein“geht, und die uns unter-schiedlich gut gefallen ha-ben, möchten wir Ihnenheute vorstellen: der Foto-bildband „Hanna“, das Bil-derbuch „Irgendwie an-ders“ und ein Lesebuch„Paul ohne Jakob“.

HANNALebensbilder einesKindesCathia Hecker – Fotografien; Ulla Heye-Ebenthal – TexteVerlag: Edition des Regenbogen e.V., ISBN 3-00-007901-7100 Seiten, 69 Schwarzweiß-Abbildun-gen in Duotone, gebundenPreis: 19,84 Euro

In der vorletzten Ausgabe Leben mitDown-Syndrom haben wir ein Buch

mit wunderbaren Texten – „Träume än-dern Ihr Gesicht“ – vorgestellt, heutemöchten wir einen Bildband mit beein-druckenden Fotografien besprechen.

Das Buch ist nicht dazu gedacht,Aufklärungsarbeit über das Down-Syn-drom vorzunehmen. Es ist ein Bildbandüber ein zehnjähriges Mädchen, das„zufälligerweise“ auch Down-Syndromhat, wie schon der Titel sagt – „Lebens-bilder eines Kindes“.

Die 69 sensiblen Schwarzweiß-Foto-grafien werden zu Anfang und am Endedes Buches begleitet von der Biografieüber Hannas Entwicklungsweg. Die Au-torin Ulla Heye-Ebenthal, die Hanna fürden Zeitraum der Frühförderung be-treute, schreibt stellvertretend für Han-nas verstorbene Mutter einfühlsam vom

Zeitpunkt der Geburt, von den Ängstender Eltern vor einer anstehenden Herz-Operation, dem Aufwachsen mit denbeiden jüngeren Geschwistern, den ge-meinsamen Zeiten während der Kinder-garten- und Schulzeit.

Sie erzählt aber auch von den Be-sonderheiten dieses Kindes, seiner oftunbändigen Lebenslust, seiner Sponta-nität und seiner Einfühlsamkeit.

Die Fotojournalistin Cathia Hecker,die Hanna über einen Zeitraum von ein-einhalb Jahren begleitet hat, hat inihren Bildern deren Alltag stimmungs-voll eingefangen. Es zeigt sich uns nichtein Kind, bei dem die Behinderung desDown-Syndroms im Vordergrund steht.Beim Durchblättern des Buches tritt dieBehinderung vollkommen in den Hin-tergrund, ja man scheint sie gar nichtmehr zu bemerken.

Fotos, die Hanna vertieft beim Maleneines Bildes zeigen, konzentriert bei derPflege des Pferdes, voll kindlicher Freu-de beim Spiel mit ihren Schwestern,nachdenklich auf einem Polster sitzend,wütend und schreiend im Streit mitihren Geschwistern und als eines derletzten Bilder erschöpft von den alltägli-chen Anforderungen.

Bilder eines Kindes wie jedes ande-re auch, in Freude, Trauer, Wut …

Ein Buch, das durch den Text dasAugenmerk des Lesers und Betrachtersauf die Besonderheiten eines Kindes mitDown-Syndrom leitet, das durch seine

Fotos dann aber zeigt, dass die Behin-derung zur absoluten Nebensache gerät.

Der Bildband besticht durch seineAufmachung. Die Anordnung der Fotos,die immer wieder durch einzelne Ge-dichte von Peter Härtling, Rose Auslän-der und Hilde Domin unterlegt werden,trägt dazu bei, Eltern und allen, die mitbehinderten Kindern leben und arbei-ten, aufzuzeigen, dass dieses Anders-sein ganz „normal“ ist.

Irgendwie Anders

Autor: Kathryn Cave, Chris RiddellVerlag OetingerISBN 3-7891-6352-XPreis: 24,– DM

Ein Kinderbilderbuch schon für dieKleinsten. Die Thematik des Anders-

seins wird hier anhand von zwei Fanta-sietierfiguren näher gebracht. Irgend-wie Anders, ein kleines blaues Kerlchen,wohnt allein ohne einen einzigenFreund auf einem hohen Berg. Im Wis-sen um sein Anderssein unternimmt erzahlreiche Anstrengungen, um zu seinwie die anderen. Er versucht zu lächeln,zu malen, zu sprechen wie die anderen,nur um endlich in ihre Gemeinschaft

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 43

Das Buch liest sich griffig, man bleibtdarüber, weil man eigentlich bis zumSchluss auf ein „Happyend“ wartet.

Für meinen Geschmack, die ichselbst als Mutter in vergleichbarer Si-tuation – ein behindertes und zwei nichtbehinderte Kinder – mit der Problema-tik täglich lebe, ist das Buch teilweiseschwer nachvollziehbar. Auch meine14-jährige Tochter meinte dazu nur:„Gut geschrieben, aber sehr hart, wiePaul mit seinem Bruder umgeht. So wasgibt es doch gar nicht!“

Wohl gab es immer mal wieder,auch bei uns, Auseinandersetzungen,weil vermeintlich das Augenmerk zusehr auf das behinderte Kind gerichtetwurde, aber zu einer Ablehnung – wieim Buch – hat das unter den Geschwis-tern nicht geführt. Selbst in unserembekannten Umfeld hat niemand ver-gleichbare Erfahrungen gemacht. DerAutorin gelang aber dennoch ein sicherlesenswertes und zum Nachdenken an-regendes Buch. Im Gegensatz zu vielenanderen Büchern mit vergleichbarerThematik ist dieses nicht Mitleid hei-schend, sondern bezieht seine Span-nung aus der ablehnenden Haltung desgroßen Bruders.

aufgenommen zu werden. Aber egal wiesehr er sich auch bemüht, er findet kei-ne Gnade vor ihren Augen. Traurigkehrt er nach Hause auf seinen Bergzurück, als es an der Tür klopft und einanderes „Etwas“ davor steht. IrgendwieAnders kann gar nicht begreifen, dasssich jemand für ihn interessiert. Vor derTüre steht ein „Etwas“, das mit seineroffenen Art auf ihn zugeht und feststellt:„Ich bin genau wie du auch irgendwieanders.“ Die beiden werden zu dickenFreunden und als dann noch einmal je-mand – ein Menschenkind, das nunwirklich sehr merkwürdig in ihren Au-gen aussah – mit ihnen Kontakt aufneh-men wollte, dann schickten sie es nichteinfach weg, sondern rückten etwasnäher zusammen und nahmen es in ih-re Mitte.

Das Buch geht, ohne das Thema Be-hinderung anzusprechen, auf einfühlsa-me Weise auch mit dieser Problematikum. Bereits kleinen Kindern ist durchdie blaue Figur des Irgendwie Andersgut vermittelbar, wie man sich fühlt,wenn man nicht dazugehört. Die Grün-de hierfür sind völlig offen gelassen. Seies nun aufgrund einer geringen Körper-größe, eines fremdländischen Ausse-hens oder Ähnlichem.

Das Buch sollte wohl dazu gedacht sein,Kindern schon frühzeitig zu vermitteln,dass Freundschaft und Toleranz nichtdort enden, wo ein anderer sich von mirdurch irgendwelche Kriterien unter-scheidet. Leider vermisst man in demBuch allerdings, dass das Tolerieren desanderen von der so genannten Normge-sellschaft ausgehen sollte. Akzeptanzund Freundschaft findet der Andersar-

tige auch hier nur unter seinesgleichen.So sollte der ungezwungene, natürlicheUmgang zwischen Nichtbehindertenund Behinderten aber gerade nicht aus-sehen und den Kindern auch nicht un-bedingt vermittelt werden.

Paul ohne JacobAutorin: Paula FoxVerlag SauerländerISBN 3794143752Preis: 22,95 DM

Ein Jugendbuch ab zehn Jahren undfür Erwachsene. Hier geht es um ei-

ne Geschwisterproblematik zwischendem elfjährigen Paul und seinem umvier Jahre jüngeren Bruder Jacob.

Der kleine Bruder hat von Geburt aneinen Konstruktionsfehler, er hat näm-lich das Down-Syndrom. Paul versuchtalles, um seinen Bruder zu ignorieren,er redet nicht mit und über ihn, er ver-sucht, nicht an ihn zu denken, und über-haupt geht er ihm aus dem Weg, wo ernur kann, und das bereits seit siebenJahren. Selbst als er in der Schule seineBiografie schreiben soll, beschreibt erseine Familie nur als aus Vater, Mutterund sich selbst bestehend. Durch hart-näckiges Leugnen versucht er seinenBruder ungeschehen zu machen. Erzieht sich auf seinen Ausflügen nach derSchule zurück in den Wald, um endlichRuhe zu haben vor seinem Bruder. Dortist es still und er begegnet nicht Jacob,dem Blödmann mit der großen Zunge,der sabbert und mit Schlitzaugen in dieWelt guckt.

Seine Eltern finden vermeintlich al-les nur an Jacob toll. Paul hat das Ge-fühl, selbst kaum beachtet zu werden.Als Paul eines Tages zwangsweise mitJacob unterwegs ist und alle Leute, de-nen sie begegnen, Jacob als seinen Bru-der erkennen, ist Paul erstaunt, dass of-fensichtlich all sein beharrliches Leug-nen nichts genutzt hat, man weiß, dassJacob sein Bruder ist. Selbst am Endedes Buches, auf der Geburtstagsfeier,kurz vor Jacobs Einschulung, gibt eskaum einen versöhnlichen Aspekt zwi-schen den Geschwistern. Oder vielleichtdoch ein vager Hoffnungsschimmer desAufeinanderzugehens?

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Integrative Berufsvorbereitung

Unterstütztes Arbeitstraining fürMenschen mit Behinderung

Autoren: Andreas Hinz, Ines BobanVerlag Luchterhand, 2001Beiträge zur IntegrationISBN 9 78472 048459Preis: Euro 19,90

Klappentext: „Die Hamburger Arbeits-assistenz bietet auf der Grundlage desAnsatzes der Unterstützten Beschäfti-gung seit 1996 das Ambulante Arbeits-training und seit 1998 das Integrations-praktikum an mit einem wegweisendenKonzept für den Übergang von derSchule in die Arbeitswelt und für den

Wechsel von Sonderinstitutionen aufden allgemeinen Arbeitsmarkt. Hierbeiwird ein betriebliches Arbeitstrainingauf den allgemeinen Arbeitsmarkt er-möglicht, das durch Arbeitsassisten/-innen mittels Beratung und Qualifizie-rung am Arbeitsplatz unterstützt wirdund auf tariflich entlohnte, sozialversi-cherungspflichtige Arbeitsverhältnissezielt.

Der vorliegende Band beleuchtet dieEinschätzung aller an diesem ProjektBeteiligten: der Teilnehmer/-innen, vonEltern, Arbeitsassistenten/-innen, Vor-gesetzten in Betrieben des ersten Ar-beitsmarktes, zuweisende Berufsbera-ter/-innen und begleitende Berufsschul-lehrer/-innen.

Mit Hilfe einer Vergleichsgruppe vonbehinderten Mitarbeitern/-innen undGruppenleitern/-innen aus Werkstättenfür Behinderte wird darüber hinauserstmals der innovative Weg des Über-gangs von der Schule in das Arbeitsle-ben mit dem traditionellen Weg durchspezielle Institutionen verglichen.“

Dies ist u.a ein wichtiges Buch für alleEltern, die für ihre behinderten Kinderden Wunsch haben, einen Arbeitsplatzin einer integrativen Umgebung zu fin-den. Freilich findet sich nicht überall ei-ne Vermittlungsstelle wie die Hambur-

ger Arbeitsassistenz mit ihren unter-stützenden Maßnahmen, aber allmäh-lich entstehen in Deutschland doch im-mer mehr ähnliche Angebote. Dieseneuen Stellen können von den Erfah-rungen, die aus Hamburg vorliegen,profitieren.

Aber auch Eltern können aus denunzähligen Interviews, die die Autorenmit allen Beteiligten des Projekts geführthaben, vieles lernen: über die Erfahrun-gen am Arbeitsplatz aus Sicht der Ju-gendlichen, der Arbeitsassistenten undder Arbeitgeber, über Träume, die nichtwahr werden, Hoffnungen, die nicht inErfüllung gehen, aber auch Wege, diezum Erfolg führen. Und Ideen und An-regungen brauchen wir als Eltern, da-mit wir gut vorbereitet diesen nächstenneuen Abschnitt im Leben unserer Kin-der begleiten können.

Vom Integrationsmodell für Behin-derte zur Schule für alle Kinder

Autor: Gottfried BiewerVerlag: Luchterhand, 2001ISBN 9 783472 048480Preis: Euro 24,54

Diese theoretische Arbeit ist entstandennach einem sechsjährigen Forschungs-projekt an der integrativen Schule derAktion Sonnenschein in München.

Klappentext: „Die von dem MedizinerTheodor Hellbrügge gegründete inte-grative Schule in München war das ers-te Modell in Deutschland, das sich dieGemeinsamkeit im Unterricht von Kin-

Bücher zum Thema Integration

Im Luchterhand-Verlag erschienen in der wissenschaft-lichen Reihe zur Theorie der Integrationspädagogik vorkurzem zwei neue Bücher zum Thema Integration, diewir hier kurz vorstellen möchten.Der erste Band befasst sich mit der integrativen Berufs-vorbereitung. Der Bedarf an dieser Maßnahme ent-stand, als die ersten Schüler mit Behinderungen ihre in-tegrative Schulzeit abgeschlossen hatten und nun auchweiter gemeinsam mit Nichtbehinderten auf das Berufs-leben vorbereitet werden sollten. Diese Lücke wurde inHamburg durch zwei zusätzliche Dienste der Hambur-ger Arbeitsassistenz geschlossen. Das zweite Buch setzt sich auseinander mit den Mög-lichkeiten der Integration behinderter Schüler in die all-gemeine Schule.

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 45

Bücher zum Thema Förderung

dern mit und ohne Behinderung zumZiel gesetzt hatte. Mit ihrer pädagogi-schen Arbeit regte sie die Integrations-diskussion in Deutschland an und ge-wann eine erhebliche internationaleAusstrahlung.“

Das Buch beschreibt die Arbeit inden Integrationsklassen der Grund- undHauptschule. Es analysiert und beurteiltdie pädagogischen Aspekte des Schul-modells auf der Grundlage der gegen-wärtigen Diskurse über reformpädago-gische Schulen, der aktuellen deutsch-sprachigen Integrationsdiskussion unddes Diskurses über „inclusive schools“im angelsächsischen Sprachraum. ImHinblick auf die zukünftige Entwicklungumreißt dieses Buch Konturen einereinbeziehenden Schule, deren Ziel inder Bewältigung der Verschiedenheit ih-rer Schüler besteht.

FeinmotorikEin Ratgeber zur Förderung vonKindern mit Down-Syndrom

Autorin Maryanne BruniVerlag G&S, 2002Paperback, Großformat, ca. 250 SeitenISBN 3-925698-75-2Preis: Euro 25,–

Im Januar 2002 erscheint in der Reihe„Edition 21“ des G&S Verlages ein neu-es Buch zum Thema Down-Syndrom:Feinmotorik – ein Ratgeber zur Förde-rung von Kindern mit Down-Syndrom.

Dieses Buch informiert Eltern, Leh-rer und Therapeuten auf leicht ver-ständliche Weise über die feinmotori-schen Fähigkeiten von Kindern mit Down-Syndrom und es zeigt, wie diesemit einfachen Mitteln gefördert werdenkönnen. Die Autorin, Maryanne Bruni,eine erfahrene Ergotherapeutin und sel-ber Mutter eines Kindes mit Down-Syn-drom, erklärt dem Leser anhand vonpraktischen Beispielen, wie man dieFähigkeiten entwickelt, die notwendigsind, um letzten Endes zum Beispiel ei-nen Bleistift zu halten, mit einer Scherezu schneiden, sich selbst anzuziehenoder einen Computer zu benutzen.

Das Buch schenkt aber auch medizi-nischen, physischen und psychologi-

Tipp für einfache Lesebücher

Üben Sie mit Ihrem Kind das Lesen?Sind Sie auch auf der Suche nach ein-fachsten Lesebüchern? Es gibt viele Le-sebücher für gute Leser/-innen, jedochnur wenige mit geringem Textumfangund niedrigem Schwierigkeitsgrad.

Der „Kleine Verlag“ bietet eine Seriesolcher Bücher an. Diese Reihe heißt „Umis Abenteuer“. 20 motivierende Le-seabenteuer für Erstleser/-innen, in de-ren Mittelpunkt aller Geschichten derkleine Bär Umi steht. Jedes Leseheft ent-hält eine in sich abgeschlossene Ge-schichte mit unterschiedlichem Schwie-rigkeitsgrad.

Auf der Lesestufe eins gibt es zweiHeftchen mit jeweils sieben Seiten undeinem Satz pro Seite. Lesestufe zwei bissieben enthält jeweils drei Bücher, wo-bei die Geschichten auf der höchsten Le-sestufe dann schon elf Seiten umfassenmit bis zu fünf Sätzen pro Seite. Der Preis pro Leseheft liegt bei DM 3,95.Empfehlenswert!

Bestellen bei: Der Kleine Verlag, Osterwiese 621409 Embsen OT OerzenTel. und Fax: 0 41 34 / 91 07 10Internet: www.der-kleine-verlag.deE-Mail: [email protected]

schen Charakteristika von Kindern mitDown-Syndrom besonderes Augenmerkund zeigt, wie diese die feinmotorischeEntwicklung beeinflussen und auf wel-che Besonderheiten geachtet werdenmuss.

Illustriert mit vielen Fotografienstellt die Autorin eine ganze Reihe vonÜbungen vor, die Schritt für Schritt ver-ständlich erklärt werden und genau aufdie Bedürfnisse von Kleinkindern,Schulkindern und Jugendlichen abge-stimmt sind. Der Leser kann sich ausdiesem Angebot die geeigneten Übun-gen aussuchen und sie leicht in das täg-liche Leben zu Hause und in der Schuleeinbinden. Es ist sicher eine der Stärkendieses Buches, dass es viele Möglichkei-ten zeigt, wie sinnvolle Fördermaßnah-men im ganz normalen Alltag unterge-bracht werden können.

Sinnvoll und nützlich sind auch dieGeschenklisten für Omas und Opas, da-mit endlich Dinge geschenkt werden,die man wirklich brauchen kann unddie im Sinne dieses Buches einsetzbarsind.

Das Buch gibt Eltern und Therapeu-ten die Unterstützung, die sie brauchen,um einem Kind zu helfen, seine feinmo-torischen Fähigkeiten nach und nachauszubauen und die ersten Schritte inein unabhängiges Leben zu machen.

„Feinmotorik – ein Ratgeber zur Förde-

rung von Kindern mit Down-Syndrom“

ist ab sofort auch beim Deutschen

Down-Syndrom InfoCenter erhältlich

Ankündigung Neuerscheinungin Januar 2002

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Down-Syndrom und Internet-Mailing-Liste

Die Benutzer der Down-Syndrom-Mailing-Liste kennendas Gefühl. Man schaltet den Computer an, neugierig,freudig, sich mit den „Cyberfriends“ auszutauschen.Wer hat geschrieben? Um was geht es heute?Welchen Stellenwert hat der Austausch über das Inter-net? Über was wird „gechattet“? Wie brauchbar sind dieInformationen? Was bedeutet die Mailing-Liste für dieeinzelne Familie? Einige Ergebnisse aus einer englischenStudie möchten wir hier weitergeben.

Während der letzten Jahre hat sichdie Menge an medizinischen In-

formation, die man im World Wide Webfinden kann, vervielfacht. Nicht nur zuvielen Krankheiten, auch zum ThemaBehinderung findet sich eine unvorstell-bare Menge Wissenswertes, aber auchviel Verwirrendes und Widersprüchli-ches.

Viele Internetseiten sind dem Down-Syndrom gewidmet. Diese Seiten wer-den hauptsächlich von Eltern genutzt.Das Deutsche Down-Syndrom InfoCen-ter bekommt zunehmend mehr Anfra-gen von Menschen, die durch die Ho-mepage auf das Center aufmerksam ge-worden sind. Diese Anfragen kommennicht nur aus Deutschland, auch Deutschsprechende Familien und Fachleute imAusland sowie Studenten weltweit fin-den so den Weg zu uns.

Außer den tausenden Informations-seiten zu speziellen Themenbereichengibt es viele hundert Mailing-Listen, de-ren Ziel es ist, Probleme zu diskutierenund Unterstützung zu bieten. Die Mit-glieder einer solchen Liste geben Erfah-rungen und Tipps weiter, trösten beiKummer, stärken bei Ärger und freuensich mit, wenn es Freudiges gibt.

Studie: Mails wurden ausgewertet

In letzter Zeit hat es verschiedene Stu-dien gegeben, die die Kommunikationauf solchen Mailing-Listen untersuchthaben. Eine Studie (Robert S.P. Jonesund Heledd Lewis, University of Wales)schaute nach dem Inhalt der Kommuni-kation der Down Syndrome DiscussionGroup in England. Diese Mailing-Liste

beschreibt sich als „eine Gruppe mithunderten, wenn nicht tausenden Le-sern und vielen aktiven Teilnehmern,wo jedes denkbare Thema in Zusam-menhang mit Down-Syndrom irgend-wann diskutiert wird“.

Sechs Monate lang wurden alleNachrichten, die über diese Liste gin-gen, festgehalten und analysiert. Manstellte fest, dass sich die Themen mit ge-wissem Regelmaß wiederholten unddass man nach einem Monat eine Ein-teilung in fünf Kategorien vornehmenkonnte, in denen man dann auch fast al-le Nachrichten der folgenden fünf Mo-nate unterbringen konnte. Außerdemwurde bei einer Stichprobe von 77 Hil-fe-Anfragen innerhalb dieser sechs Mo-nate und zu einem etwas späteren Zeit-punkt von noch einmal fünf Monatenuntersucht, zu welcher Tageszeit dieAnfragen gesendet worden waren:während der normalen Arbeitszeit (wo-chentags von 9 bis 17 Uhr oder außer-halb der Arbeitszeit).

Außerdem wurde nach einem Jahrwährend zwei Wochen noch einmalüberprüft, ob die fünf Kategorien derNachrichten weiterhin gültig waren.

Schnelle Hilfe, auch außerhalb derBürozeiten

Was den Zeitpunkt betrifft, wann dieAnfragen um Rat und Hilfe gesendetwurden, konnte man feststellen, dass 73 % dieser Anfragen außerhalb der üb-lichen Bürozeiten verschickt wurden, al-so zu einer Uhrzeit, wo man sonst keinHilfeangebot mehr vorfindet. In einemBeispiel fragte ein Vater an, wie er sich

bei dem nächsten Testtermin in zweiTagen verhalten sollte. Es ging um denEinschulungstest seines Sohnes, wovonder erste Teil sehr frustrierend verlau-fen war. In den nächsten 24 Stundenreagierten 16 Personen mit Ratschlägenund Tipps und im Verlauf der weiterenWochen wurden 40 Nachrichten zu die-sem Thema geschickt.

Diese schnelle Möglichkeit, Hilfe zubekommen, ist ein wesentlicher Be-standteil der Liste und wird von denTeilnehmern sehr geschätzt. So schriebeine Mutter: „Ich möchte allen danken,die auf meine Frage reagiert haben. Soviele Tipps, so viele gute Anregungen.Ich bin platt.“ Oder ein Vater: „Ihr (Cy-perfriends) kommt gleich nach dem gu-ten Nachbarn!“

Inhalt der Mails

Die Teilnehmer der Diskussionsgruppetauschten Informationen aus über me-dizinische Fragen, über die Erziehungund die Entwicklung der Kinder, überneue Behandlungsmethoden und Lern-materialen, über die verschiedenstenDienstleistungen, über Fachleute immedizinischen und pädagogischen Be-reich, über Diskriminierung gegenüberMenschen mit Down-Syndrom, überTermine, Bücher, Videos und Computer,über Stress und Frust und über persön-liche Krisen. Diese Informationen konn-ten in die folgenden fünf Kategorien ein-geteilt werden:

RatschlägeTeilnahmeInformationUnterstützungMeinungen

Im Vordergrund standen häufig das ge-genseitige Mutmachen, um sich gegenMissstände zu wehren, das Gefühl, et-was mit den anderen feiern zu wollen,und der Wunsch, Hoffnung und Opti-mismus zu verbreiten. Auch das Anlie-gen zu vermitteln, das Kind zu sehenund nicht in erster Linie die Behinde-rung, war oft wichtig. Über den Wertoder die Rolle der Diskussionsgruppemachte man sich ebenfalls Gedanken.

Die Mailing-Listen bieten ihren Mit-gliedern eine Reihe positiver Hilfen, dieman im eigenen Umfeld so nicht findenkann. Es ist eine Plattform, wo Eltern In-formationen abfragen, Erfahrungen aus-tauschen und Ratschläge holen können.Das Gemeinschaftsgefühl kann man gutspüren. Was besonders auffallend war,

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 47

che Freuden – meine Frau ist wiederschwanger, hurra, mein Kind hat daserste Mal vom Löffel gegessen, meinKind darf in den Regelkindergarten etc.– mitgeteilt und manchmal auch mora-lisch das Händchen gehalten, wenn malwieder was völlig gegen den Strich ge-gangen war mit Ämtern, Behörden,Krankenkassen oder der Weltschmerzeinen überrollte.

Snakken statt chatten

Es entstand – ohne festen Plan – dieIdee, sich einmal zu treffen, sich per-sönlich kennen zu lernen, zu wissen, mitwem man zum Teil doch schon privateDinge besprach.

Da das Wetter sich gut anhörte, ha-ben wir dann am 28. Juli 2001 unserenGarten hergerichtet und auf die Famili-en gewartet, die da kommen wollten,aus Viersen, Vechta, Rotenburg (Weser),Kiel und Magdeburg. Die anderen Chat-

Wir, d.h. unsere beiden großenTöchter sowie mein Mann und

ich, sind seit ca. fünf Jahren Nutzer desWorld Wide Web. Dies gestaltete sichzunächst recht mühselig, es war viel zuteuer, zu schwierig, zu undurchsichtig.Irgendwann haben wir angefangen,über das Down-Syndrom nachzulesen,haben uns Homepages herausgesucht,Fachberichte gelesen und viele interes-sante Dinge gefunden, die unseren Blickerweitern. Es fing an, uns richtig Spaßzu machen.

Wir fanden dann auch einen Chat-Room, an dem sich Personen beteilig-ten, die in irgendeiner Art an dem The-ma Down-Syndrom interessiert waren.Wir haben uns eingeklinkt und uns miteinigen Eltern unterhalten, die kleinereKinder mit Down-Syndrom hatten. Esfand ein reger Austausch fachlicher wieauch privater Art statt. Es wurden Er-ziehungsprobleme besprochen, einfa-

ist der meist positive Ton. Neuen Mit-gliedern wird zur Geburt ihres Kindesgratuliert und sie werden unmittelbarverbunden mit einem Netzwerk von po-sitiven Eltern, die Mut machen möchtenund bereit sind, ihre eigenen Erfahrun-gen weiterzugeben.

Umgangston nicht immer freundlich

Manchmal können die Reaktionen aufder Liste aber auch ziemlich schroffsein. Auf die Frage einer Studentin (dieDiskussionsgruppe ist auch eine Infor-mationsquelle für Schüler und Studie-rende): „Ich muss eine Arbeit über Down-Syndrom schreiben. Wer kannmir Informationen über diese Krankheitgeben?“, kam sofort die Antwort: „DasErste, was Sie sich merken sollten, ist,dass Down-Syndrom keine Krankheitist!“

Ab und zu geht es hoch her und wirdheftig über ein Thema gestritten. Dannwerden auch mal Höflichkeits- und To-leranzgrenzen verletzt. Persönliche An-

griffe und Anfeindungen können vor-kommen. Dies wird von manchen Le-sern kritisiert und sehr enttäuscht wahr-genommen und kann sogar der Grunddafür sein, die Liste zu kündigen. Aberdies ist selten, meistens sehen sich dieTeilnehmer der Diskussionsgruppe alseine große Familie, in der man um To-leranz und Respekt wirbt.

Auch Fachleute können von einersolchen Mailing-Liste etwas lernen

Viele Fachleute sehen diese Art von In-formationsweitergabe sehr kritisch undwarnen immer wieder davor, nicht alleszu glauben, vor allem wenn es um me-dizinische Themen geht. Statt Elternaber zu entmutigen, die neuen Techno-logien zu nützen, wäre es vielleicht sinn-voller, dazu beizutragen, gute und ver-lässliche Informationen ins Netz zu stel-len.

Eine Mailing-Liste bietet nicht nurviele Vorteile für Eltern, sie ist auch ei-ne reiche Informationsquelle für Stu-

Interesse an der DS-Mailing-Listein Deutschland?

Schicken Sie die Nachricht: Down-Syndrom Briefkasten Start (unter Betreff/Subject) an die E-Mail-Adresse:[email protected]

Internet-Chat-Room Modeerscheinung oder Chance?Marion Broeker

denten. Außerdem könnte es nicht scha-den, wenn Fachleute solche Mailing-Lis-ten ab und zu durchschauen würden.Als Mitleser könnten sie hier noch eineMenge dazulernen.

Diese Studie wurde ausgeführt durch Dr. Robert Jones, Senior Lecturer in Clinical

Psychology, University of Wales. Ein ausführlicher Bericht über die Studiewurde veröffentlicht in Down-Syndrome

research und practise, Volume 6, Issue 3, July 2001, eine Publikation der

Down-Syndrom Educational Trust.

Teilnehmer wohnten zu weit weg oderwaren selbst im Urlaub, leider. VollerNervosität empfingen wir die ersten Gäs-te und wurden immer entspannter. Fürunser Büfett hatte jeder etwas mitge-bracht, die bereitgestellten Grills warenin voller Arbeit, die Kinder hatten einenriesigen Spaß auf der Wasserrutsche,wir Erwachsenen unterhielten uns. Eswar einfach riesig. Solche Tage gehenleider viel zu schnell zu Ende und somussten sich Pasquale (fast 2 J), Patrick(5 J), Melanie (10 J), Celina (11 J), Ste-fanie (15 J) und Daniel (29 J) viel zu frühwieder voneinander verabschieden, al-lerdings mit dem festen Versprechen, soetwas im nächsten Jahr wieder zu star-ten.

Wir können nur jedem, der die Mög-lichkeit hat, mit dem PC im Internet zuarbeiten, anraten, sich in diese Art derKommunikation und Informationssucheeinzuschalten. Es lohnt sich, man lerntMenschen kennen, die man ohne seinKind mit Down-Syndrom niemals er-reicht hätte, und das wäre schade ge-wesen. Aus allen Dingen des Lebens,und wenn sie einen erst noch so nieder-geschlagen haben, kann man positiveErfahrungen ziehen, dies ist ein guterWeg dazu.

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48 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002

Mit großem Interesse las ich den Ar-tikel „Das maßgeschneiderte Kind“

von Dr. Storm in der Ausgabe Nr. 38 inLeben mit Down-Syndrom. Die vonHerrn Storm angesprochenen jüngstenEntwicklungen in der pränatalen Dia-gnostik können sicherlich zu einer Ver-größerung der allgemeinen Intoleranzgegenüber behinderten Menschen bei-tragen. Doch trotz all der damit verbun-denen Gefahren bin ich eine Befürwor-terin der pränatalen Diagnostik. Dennohne diese Untersuchungsmethodenhätte unsere Tochter Annika vielleichtnicht überlebt.

Es ist unbestreitbar, dass viele Kin-der keine Chance zum Leben erhalten,weil ihre Mütter durch die Pränataldia-gnostik vor der Geburt über die Behin-derung informiert wurden und sich auf-grund dessen zum Abbruch entschei-den. Mir ist es aber sehr wichtig zu be-tonen, dass meiner Ansicht nach nichtdie pränatale Diagnostik ursächlich zurAbtreibung besonderer Kinder führt,sondern die negative Einstellung zu sol-chen Kindern! Aufgrund dieser negati-ven Meinung wird die Besonderheit un-serer Kinder im gesellschaftlichen Zu-sammenleben oftmals zu einer Behin-derung für sie. Wenn man jedoch mit

einer lebensbejahenden, annehmendenEinstellung eine Schwangerschaftdurchlebt, kann die pränatale Diagnos-tik positiv sein und manchmal einegroße Hilfestellung geben – so empfindeich es jedenfalls.

Bevor ich schwanger wurde, setztenmein Mann und ich uns damit ausein-ander, dass es keine Garantie für das„perfekte“ Kind gibt. In unseren Ge-sprächen bezog ich deutlich Stellung,auch ein eventuell behindertes Kindaustragen zu wollen. Dass ich danntatsächlich ein behindertes Kind be-kommen würde, hätte ich natürlichnicht gedacht. Mein Mann konnte sichmeiner kompromisslosen Meinung da-mals nicht anschließen und hoffte, ermüsse sich niemals konkret damit aus-einander setzen, doch es kam anders.

Als ich mit 28 Jahren schwangerwurde, fragte mich die Frauenärztinroutinemäßig, ob ich eine Amniozentesewolle, was ich ablehnte. In der 24.Schwangerschaftswoche lag unsereTochter dann so günstig, dass die Ärztinbei der Ultraschalluntersuchung eineAuffälligkeit erkennen konnte. Sie über-wies mich zum Pränataldiagnostiker ander Universitätsklinik Köln, dieser be-stätigte ihren Verdacht und stellte die

Diagnose „Kompletter AV-Kanal“. Dadieser Herzfehler häufiger in Verbin-dung mit Behinderungen auftritt, emp-fahl er uns, die Amniozentese und eineNabelschnurpunktierung durchführenzu lassen. Die Entscheidung dafür fieluns aufgrund der damit verbundenenRisiken für das ungeborene Kind rechtschwer, doch wir wollten nun gerneKlarheit, so weit dies möglich war.

In diesem Zusammenhang sprachder Arzt auch über die Möglichkeit einerAbtreibung. Er tat dies sehr sachlichund ohne uns beeinflussen zu wollen.Dennoch war ich völlig geschockt, alsich nach der Diagnose des Herzfehlersund dem Verdacht auf das Vorliegen ei-ner Behinderung nun auch noch dasWort Abtreibung hörte. Für mich warsofort klar, dass dies nicht in Frage kä-me. Wochen später las ich dann, dassman ab der 20. Schwangerschaftswo-che ohnehin nicht mehr von einer Ab-treibung sprechen kann, sondern dasKind ausgeleitet wird, d.h., die Muttermuss das Kind richtig gebären. Ab der24. Schwangerschaftswoche hat dasKind dabei gute Chancen, lebend auf dieWelt zu kommen, doch genau dies soll jaeigentlich vermieden werden!

Wir erfuhren zwei Tage später amTelefon vom Vorliegen der freien Triso-mie 21. Beide Nachrichten waren eingroßer Schock für uns. Wir wollten dochein ganz „normales“, gesundes Kind!Und nun? Ist nun alles vorbei? Nein!

Ich hatte eine grobe Vorstellung vomDown-Syndrom, doch was tatsächlichalles dahintersteckt, wusste ich zu die-sem Zeitpunkt noch nicht. In unserer ersten Hilflosigkeit gingen wir in dasKrankenhaus in unserer Kleinstadt Lim-burg, um uns erste Informationen zu be-sorgen und mit „Fachleuten“ reden zukönnen. (Dass Eltern sich oftmals vieleher als Fachleute erweisen, lernte icherst später.) Dort trafen wir eine netteKrankenschwester, die meinte, Men-schen mit Down-Syndrom seien die Kö-nigskinder unter den Behinderten, dasie im Gegensatz zu einigen anderen Be-hinderungsarten aktiv am Leben teil-nehmen und gut zu fördern sind.

Meine Freundin recherchierte sofortim Internet nach Kontaktadressen, so-dass wir bereits am nächsten Abend te-lefonisch mit anderen Eltern von Kin-dern mit Down-Syndrom redeten. Sie al-le sprachen uns viel Mut zu. Nach einerdurchheulten Nacht saß ich morgens im

Glück gehabt – Annika fiel in der Pränataldiagnostik auf

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Bett, fand langsam meine Zuversichtwieder und begann mich mit meiner„neuen“ Schwangerschaft anzufreun-den.

Annika war und ist ein Wunschkind,daran hat ihre Behinderung nichtsgeändert! Auch mein Mann empfindetdies heute so, doch zuvor führten wirzahlreiche Gespräche. Für ihn war dieBehinderung seiner Tochter ein schwe-rer Schlag, die Nachricht des Herzfeh-lers konnte er relativ gelassen anneh-men, da er auf die medizinischen Mög-lichkeiten vertraute. Bei mir war es ge-nau umgekehrt: Der Herzfehler erschienmir sehr bedrohlich und ich hatte vieleÄngste, die Behinderung hingegenkonnte ich gut akzeptieren. Für mich istAnnika ohnehin nicht „behindert“, sieist einfach anders. Und gibt es nicht so-gar auch Vorteile? So wird Annika mei-ner Ansicht nach z.B. niemals einem sostarken Leistungsdruck ausgesetzt sein,wie er oftmals in Schule und Arbeitsle-ben vorherrscht.

Während ich also eine Abtreibungstrikt ablehnte, dachte mein Mannschon etwas differenzierter darübernach. Wir diskutierten viele gegensätz-liche Argumente, dabei versuchte meinMann mich aber niemals in seinem Sin-ne zu beeinflussen. Er akzeptierteschließlich meine unumstößliche Ent-scheidung und trug sie mit, worüber ichsehr erleichtert war. Mein Mann musstesich einfach erst daran gewöhnen, eine„etwas andere“ Tochter zu haben, undbrauchte Zeit, um dies alles zu verar-beiten.

Nachdem sich die Krisenstimmungder ersten drei Tage gelegt hatte, kehr-te auch bei uns wieder die Normalitätein, nur mit dem Unterschied, dass un-sere Normalität einfach ein wenig an-ders ist als bei anderen. Und überhaupt,was ist schon normal? Als wir unserenEltern erzählten, sie würden ein beson-deres Enkelkind bekommen, warenauch sie zunächst sehr bestürzt, docherfuhren wir von beiden Seiten sofortUnterstützung. Auch die restliche Ver-wandtschaft nahm positiv Anteil undstand hinter uns. Ebenso erzählten wirim Freundes- und Kollegenkreis, dasswir ein behindertes und krankes Kinderwarteten und uns bewusst dafür ent-schieden haben. Nach den ersten er-schreckten Schweigesekunden unsererjeweiligen Gesprächspartner erfuhrenwir durchweg positive Reaktionen. Dies

hat vielleicht auch ein wenig damit zutun, dass ich sehr offen über das Themaspreche und deutlich herausstelle, dassunsere Tochter ein gewolltes und ange-nommenes Kind ist.

Informationen sammeln

Die pränatale Diagnostik brachte uns al-so den großen Vorteil, den Herzfehlerund die Behinderung bereits vor der Ge-burt zu erfahren. So konnten wir uns erstens in Ruhe emotional damit aus-einander setzen und zweitens Informa-tionen sammeln. Die restliche Schwan-gerschaft nutzte ich intensiv zur Litera-turrecherche. Dies war die Grundlage,um später den behandelnden Ärzten inBezug auf den Herzfehler zahlreicheFragen stellen zu können. Ebenso er-möglichte es mir meine differenzierte

Vorbereitung, darauf zu achten, dassvon Geburt an alle empfohlenen Vorsor-geuntersuchungen für Kinder mit Down- Syndrom durchgeführt wurden.

Während der restlichen Schwanger-schaft wurden wir weiterhin von derFrauenärztin in Frankfurt betreut,gleichzeitig gab es engmaschige Kon-trollen in der Pränataldiagnostik inKöln. Diese doppelte Betreuung vermit-telte mir eine gewisse Sicherheit, da An-nikas körperliche Entwicklung von Spe-zialisten beobachtet wurde. Als der Prä-nataldiagnostiker kein körperliches

Wachstum mehr feststellen konnte undes für Annikas Herz kritisch wurde, be-stimmte er den Zeitpunkt zur Einleitungder Geburt. Und so kam am 9. Septem-ber 2000 nach 39 Schwangerschaftswo-chen unsere Tochter in der Univer-sitätsklinik Köln zur Welt. Leider konn-te sie direkt nach der Geburt nur für ei-ne Minute auf meinem Bauch liegen,anschließend wurde sie sofort von denbereitstehenden Ärzten in das angren-zende Untersuchungszimmer gebrachtund medizinisch versorgt. Während ichnoch im Kreißsaal lag, hörte ich meinKind im Nebenraum schreien – dies warein sehr schwerer Augenblick für michund ich war froh, dass zumindest meinMann zu diesem Zeitpunkt bei unsererTochter sein konnte. Nach der Erstver-sorgung wurde Annika auf die Intensiv-

station verlegt und ich sah sie erst amnächsten Tag wieder. Doch was sah ich?Wenig Menschenkind, stattdessen vieleKabel und Infusionsschläuche. UnsereTochter ist jedoch eine zähe Kämpfer-natur, nach bereits einem Tag konntesie auf die kardiologische Station verlegtwerden. Ohne die medizinische Versor-gung im Krankenhaus hätte Annika kei-ne Überlebenschance gehabt, doch diedort herrschende Atmosphäre istschwer zu ertragen. Nach vier langen,nervenaufreibenden Wochen konntenwir endlich heimgehen.

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In der heimischen Atmosphäre klapptees auch mit dem Stillen so allmählichbesser. Da ich während der Schwanger-schaft bereits ausführlich gelesen hatte,dass das Stillen eines Babys mit Down-Syndrom zwar etwas mehr Geduld er-fordert, aber genauso möglich ist, ließich mich von den nicht sehr kooperati-ven Kinderkrankenschwestern nichtentmutigen. Zum Glück war Annikatrotz ihres Herzfehlers kräftig genug,um aus eigener Kraft zu trinken.

In den ersten Wochen zu Hause hat-te ich ständig Angst um Annika, dochmit der Zeit entwickelte ich mehr Gelas-senheit und regte mich nicht sofort auf,wenn ihre Hände und Füße für sie ty-pisch zyanotisch (blau) waren.

Weniger gelassen reagierte ich aufAnnikas mangelnde Gewichtszunahme.Für die bevorstehende Operation war esnötig, dass sie ein bestimmtes Gewichterreichte, daher beobachteten die Ärztejedes Gramm auf der Waage mit kriti-schen Augen, wodurch auch wir uns un-ter Druck setzten – umso schlimmerwurde die Situation natürlich.

Im Januar 2001 gab es den nächstenKrankenhausaufenthalt in der Univer-sitätsklinik Köln. Im Anschluss an eineHerzkatheteruntersuchung bekam An-nika eine Lungenentzündung, die sieglücklicherweise gut auskurierte.

Die Operation (sieben Stunden lang)fand dann im April 2001 im Herzzen-trum der UniversitätskinderklinikGießen statt, danach lag Annika fürzwölf Tage auf der Intensivstation. Dieswar unsere bisher schwerste Zeit mitunserer tapferen Tochter, wir hattenviel Angst um ihr Leben. Doch Annikaverfügt über einen starken Lebenswillenund hat alles gut überstanden.

Ihren ersten Geburtstag feierten wirganz groß und bekamen dazu dasschönste Geschenk: Fünf Monate nachder Operation stellte sich der ge-wünschte Erfolg ein, d.h., der zu hoheLungendruck ist gesunken, sodass sienun auch medikamentenfrei ist.

Mit ihren 13 Monaten ist unsere An-nika recht aktiv: Sie kann mit Unterstüt-zung sitzen, brabbelt munter vor sichhin und hat entdeckt, dass sie durchRobben ein entfernt liegendes Spielzeugerreichen kann. Auch der erste Zahn istinzwischen durchgebrochen. Annika isst zwar Gemüse- und Obstbrei, aberihre Hauptnahrungsquelle besteht nochimmer aus Stillen. Leider schläft sie nur

sehr ungern und wenig und macht desÖfteren die Nacht zum Tag.

Seit ihrem dritten Lebensmonat ge-hen wir regelmäßig zur Krankengym-nastik nach Bobath, im 13. Lebensmo-nat begannen wir mit der Ergotherapie.Die Hausfrühförderung der Lebenshilfefand vom dritten bis zum zehnten Le-bensmonat statt, zurzeit pausieren wirdamit.

Annika ist ein fröhliches, aufge-wecktes, willensstarkes, tapferes Kindmit einem starken Lebenswillen. UnserLeben mit unserer Zaubermaus istmanchmal sehr anstrengend, aber wun-derschön und ohne sie können wir esuns nicht mehr vorstellen!

Daniela Schulz

Hurra, wir habenein Kind mit Down-Syndrom

Bin ich zu euphorisch, dass ich michfreue, ein Kind zu haben, das nicht

ganz der Norm entspricht?Aber „solche“ Kinder sind in der Re-

gel kein Thema. In Zeitschriften wie „El-tern“ wird hauptsächlich über „norma-le“ Kinder berichtet. Behinderte Kinderund deren Probleme kommen kaum zurSprache. Eine Anregung meiner Frau,auch im Bezug auf den Down-Syndrom-Aktionsmonat das Thema einmal aufzu-greifen, wurde ziemlich barsch abgetan,mit dem Hinweis, man könne es nun

nicht jedem recht machen und es gäbeschließlich in ihrer Zeitschrift eine Kon-takt-Ecke für Eltern mit behindertenKindern.

Aber häufig auch betroffene Famili-en, die ich aus zwei Selbsthilfegruppenkenne, und Eltern, die ich bei einem Se-minar mit Frau Prof. Dr. Wilken in Mar-burg kennen gelernt habe, sprechen von„Sorgenkindern“, mit „denen“ man jedeMenge Schwierigkeiten hat. Es tauchtauch die Frage auf, was machen wir,wenn wir noch einmal ein „solches“Kind bekommen.

Diese Aussagen mag ich nicht ohneKommentar stehen lassen und fragedann, warum sie ihre Kinder als „sol-che“ Kinder bezeichnen. Wie nennen sieihre Kinder ohne Down-Syndrom? Soll-ten wir als betroffene Eltern nicht ein-fach von unseren Kindern sprechen?Kein Wunder, wenn Außenstehende sokeinen Bezug zu unseren Kindern be-kommen. Kein Wunder, dass dann nachpränataler Untersuchung mit dem Be-fund Down-Syndrom „solche“ Kinderabgetrieben werden.

Wenn ich meine Meinung so darlege,scheine ich einen wunden Punkt zu tref-fen und das Gesprächsthema wirdschnell gewechselt. Ich füge jedes Malnoch hinzu, dass ich meine Tochter ein-fach liebe, so wie sie ist! Und unendlichglücklich bin, dass sie da ist.

Schon früh in der Schwangerschaftmeiner Frau traten erhebliche Problemeauf und wir lebten mit der Angst, dasKind zu verlieren. Bereits in der siebtenSchwangerschaftswoche musste meineFrau mit Blutungen ins Krankenhaus.

Hurra, Sarah ist da!

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Mit knapp vier Jahren kam Manuelzu uns in die integrative Kinder-

tagesstätte, in der er zweimal wöchent-lich Krankengymnastik und Sprachthe-rapie bekommt. Er hat sich schnell undvor allem gut bei uns eingelebt, hattekaum Berührungsängste, war neugie-rig, kurz-um er fühlte sich schnell wohl.

Der einzige Druck, der auf ihm las-tete, was im Kindergarten dann auchschnell deutlich wurde, war der fehlen-de aktive Sprachgebrauch.

Manuel ist ein aufgeschlossenes, mo-tiviertes und interessiertes Kind, das dieLautsprache aufgrund von syndromspe-zifischen Aspekten der Sprachentwick-lung noch nicht zielgerichtet benutzenkann. Einige wenige Wörter wie Mama,Papa, ja, nein konnte er verbal äußern,es reichte jedoch nicht, um seine alltäg-lichen kommunikativen Bedürfnisse zubefriedigen.

Auffällig gut waren jedoch seine Imi-tationsfähigkeit und die konsequent vonihm gebrauchte Mimik und Gestik zumErreichen seiner Ziele. Und genau hier-aus resultierten dann unsere erstenÜberlegungen, die GuK mit Manueldurchzuführen. In intensiven Ge-sprächen innerhalb der Gruppe und mitden Eltern kamen wir dann überein-

stimmend zu dem Ergebnis, Manuel dieGebärden sprachbegleitend anzubieten,wobei auch die Kindergartengruppeund das Elternhaus auf jeden Fall mit-einbezogen werden sollten.

Primäres Ziel war es, Manuel eineKommunikationsmöglichkeit zu bieten,die seine kommunikative Kompetenz er-weitert, den weiteren Spracherwerb för-dert und ihm ein Stück Selbstständigkeitnäher bringt.

In Zusammenarbeit mit seinen El-tern wurden vorerst Gebärden ausge-sucht, die aus dem individuellen Inte-ressensgebiet Manuels stammten undvon denen wir glaubten, dass er siewirklich auch einsetzen bzw. gebrau-chen könnte.

Mit die ersten Gebärden, die er er-lernte, waren „bitte, essen, trinken“,und schon hier waren wir völlig über-rascht, wie schnell und mit welcherSelbstverständlichkeit er die Gebärdenbenutzt hat. Was das methodische Vor-gehen der Gebärdeneinführung anging,so wurden ihm in der sprachtherapeu-tischen Einzelsituation die Gebärdenzum ersten Mal gezeigt, erklärt, vorge-macht und ihm zum Nachahmen ange-boten. Später haben wir versucht, dieGebärden sofort in der Gruppe einzu-

Dort wurde dann das Kind für tot er-klärt. Vier Tage später wurde dies wie-der zurückgenommen. Dann waren esZwillinge, dann das Kind zu groß unddann zu klein, zu viel Fruchtwasser unddann wieder zu wenig. Über die ganzeZeit waren die Herztöne sehr schlechtund meine Frau war täglich beim Arztoder im Krankenhaus zur Kontrolle,auch an den Wochenenden. Sie mussteWehenhemmer schlucken, die extremeNebenwirkungen hatten, und drei Mo-nate auf der linken Seite liegen. Der Ab-schluss war ein Wehenbelastungstest,der anstatt drei Stunden drei Tage dau-erte. Wenige Stunden nach der Geburtam 4. Oktober 2000 bekamen wir ver-mittelt, dass unsere Tochter Sarah Down-Syndrom hatte. Gleichzeitig wur-de uns mitgeteilt, dass ein Herzfehler(kompletter AV-Kanal) Probleme berei-tete. Die Operation sollte im ersten Le-bensjahr erfolgen. Das Down-Syndromhat uns kaum betrübt, das Herz hat unsmehr Sorgen gemacht. Im Internet fandich schon am ersten Tag Informationenüber das Down-Syndrom.

Nachdem meine Frau und Sarahnach 21 Tagen Intensivstation endlichzu Hause waren, haben wir uns weiterinformiert und hatten das Gefühl, dassbei vielen Therapien und Fördermaß-nahmen oft das Wichtigste übersehenwird. Nämlich das Kind einfach zu lie-ben und zu behüten und mit ihm Freu-de und Spaß zu haben. Dabei haben wirfestgestellt, dass sich unsere Freude aufunsere Familie, Verwandte, Freundeund Nachbarn überträgt.

Nun nach fast einem Jahr hat sichdas Problem Herz von alleine erledigtund unsere Tochter Sarah entwickeltsich zu unserer Freude prächtig.

Ich bleibe dabei: Hurra, wir habenein Kind ... mit Down-Syndrom.

Ein Ereignis hat uns viel Mut gemacht.Vor kurzem waren meine Frau, meineTochter und ich in Slowenien. Dort ha-ben wir eine junge Frau (18 Jahre alt)mit einer Trisomie 21 kennen gelernt.Sie spricht drei Sprachen (Slowenisch,Italienisch und Englisch) und lernt ge-rade Spanisch. Sie fährt Rad, läuftSchlittschuh und spielt ein wenig Ten-nis. Auf unsere Frage nach dem Ge-heimnis sagte uns der Vater: Liebe undAnnehmen!

Andreas Kramlich

Manuel gebärdet mit GuK und alle Kinder gebärden mit

Positive Erfahrungen mit gebärdenunterstützter Kommunikation im Kindergarten

Was magst du

spielen?

Manuel ant-

wortet: „Haus

bauen.“

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Keine Kur – mit Schicksal abfinden!

Unser Sohn Fabian wurde im Januar2000 mit Down-Syndrom und komplet-tem AV-Kanal geboren. Im August 2000wurde er zweimal operiert und kammunter mit geschlossenen Löchern undeinem Herzschrittmacher nach Hause.Ich empfand unser aller Erholungsbe-dürfnis als sehr groß, zumal unsere in-zwischen vierjährige Tochter Annika indieser Zeit auch sehr viel mitmachenmusste. Wir hatten zuerst die Reha inTannheim beim Rentenversicherungs-träger beantragt – abgelehnt, danachbei der Krankenkasse – auch abgelehnt.Jedes Mal war die Begründung, dass Fabian sich dort nicht sichtlich bessererholen würde, als er es bei uns zu Hau-se tat. Was nun?

Ich sprach beim Sachbearbeiter derDAK vor, wo ich denn nun neue Kraftherkriegen solle, und er riet mir zu ei-nem Antrag auf Mutter-Kind-Kur. DieKur wurde vom Medizinischen Dienstabgelehnt mit der Begründung, ich seinicht allein erziehend, nicht berufstätig,hätte mich nun mal mit einem Schick-salsschlag abzufinden (stand so in derAblehnung) und hätte eh keine Erho-lung mit zwei so kleinen Kindern. Mei-ne Frustration über diese Argumenteging in Wut über, ich formulierte einenlangen und heftigen Widerspruch (übri-gens mit Hilfe der DAK-Angestellten)und wurde von einer neuen Ärztin be-gutachtet, die Down-Syndrom als sol-ches schon als Kurgrund anerkannte.Bumm! Nur nie aufgeben.

Vor Kurantritt rief ich im Kurhausan, um Fabian sozusagen anzukündi-gen. Die Antwort war, dass das Down-Syndrom doch kein Problem sei, sieschon oft Kinder mit Down-Syndromdabei hatten und ja auch jedes Kind un-terschiedlich sei. Das klang ja schon malgut.

Gute Organisation, freundliche Atmosphäre

Ich fuhr mit meinen Kindern im Juli2000 in das Haus Tannenhof in Todt-nauberg (Schwarzwald) und machte tol-le Erfahrungen, die ich gerne weiterge-ben möchte.

Wir hatten ein Zwei-Zimmer-Appar-

tement mit Küche und Bad, Büfett beiFrühstück und Abendessen und langeKinderbetreuungszeiten von 8.30 bis16.30 Uhr, eine Stunde Mittagspause.Ich konnte die Kinder in die Gruppen ge-ben, ich musste aber nicht. Ich war alsovöllig frei, mir Zeit für mich zu nehmenoder mich auch auf ein Kind alleine zukonzentrieren. Das war sehr schön.

Das Zimmer war mit einer Baby-phonanlage ausgestattet, sodass ichabends verschiedene Angebote (The-menabende, Sport, Basteln) nutzenkonnte, während meine beiden Rackerschliefen.

Fabian bekommt seine eigene Integrationshelferin

Annika ging sehr schnell gerne in ihreKindergruppe, da sie durch den Kinder-garten den Ablauf gewöhnt ist. Fabiandagegen fiel es sehr schwer, sich einzu-gewöhnen, er ist ja auch erst eineinhalbgewesen. So gab ich ihn erst einmal nurin die Gruppe, wenn ich Termine hatte,und lag dann doch ziemlich unent-spannt auf meiner Fangopackung mitdem Wissen, dass Fabian fast nur brüll-te. Nach einem Gespräch mit derKurärztin und der für mich zuständigenSozialpädagogin wurde eine Einzelbe-treuung für Fabian vorgeschlagen undbei der DAK beantragt. Das Kurhaus be-sorgte schon die zusätzliche Kraft,wenngleich noch keine Kostenzusageder Krankenkasse vorlag, sodass seineBetreuerin gleich am nächsten Tag los-legte, sich mit Fabian vertraut zu ma-chen.

Sie wurde seine Bezugsperson, fuhrihn zum Schlafen durch den Wald, gingquasi als Integrationshelferin mit in sei-ne Kindergruppe und holte ihn auchnach dem Mittagsschlaf aus seinemBett, wenn ich unterwegs war. Ab derzweiten Woche ging es in der Gruppemerklich besser und fortan spielte erdort viel, gierte nach Keksen (so wurdemir berichtet) und heulte nur noch denkurzen Trennungsschmerz, wenn ichihn in die Gruppe brachte.

Seine Betreuerin war immer mit inder Gruppe und sie kümmerte sich wirk-lich toll um ihn, wie übrigens auch dieanderen Gruppenbetreuerinnen. DieseVorgehensweise hat sich sehr positivauf meine Erholung ausgewirkt. Natür-lich ist es mit zwei kleinen Kindern nieso erholsam wie ohne oder mit älterenKindern. Wenngleich es unruhige Näch-

Erfolgreiche Mutter-Kind-Kur

führen, sodass auch die anderen Kinderder Gruppe schnell mit den Gebärdenvertraut wurden. Und schon hier hatteManuel dann die ersten positiven Erleb-nisse mit der GuK: Er konnte am Tisch„sagen“, was er haben wollte, und wur-de verstanden.

Er selbst freute sich am meisten überdie erzielten Erfolge und forderte im-mer neue Gebärdenkarten.

Doch auch für die anderen Kinderder Gruppe sind die Gebärden eine Be-reicherung: Sie haben „Manuels Spra-che“ kennen gelernt und benutzen sie inihrer Kommunikation mit ihm.

Nach nun gut zehn Monaten – Ma-nuel ist gerade sechs Jahre alt geworden– beherrscht er an die 35 Gebärden, dieer auch konstant gebraucht, um sich zuverständigen.

Erst die Gebärde, danach die Lautsprache

Als besonders positiv ist es zu betrach-ten, dass Manuel die großen Bedenkenseiner Eltern widerlegen konnte, erwürde durch die Gebärden die Motiva-tion zum aktiven, verbalen Sprachge-brauch verlieren. Eher das Gegenteil istder Fall: Durch die Gebärden wurde ihmder Druck der lautsprachlichen Kom-munikation genommen.

Er artikuliert mehr denn je, ist im-mer mehr bemüht, sich lautsprachlichzu verständigen, und lässt die Gebärdesofort ganz weg, wenn er in der Lage ist,den gemeinten Begriff zu artikulieren.

Auch im Namen von Manuel möchteich mich als seine Sprachtherapeutinherzlich bedanken für die tolle Zusam-menarbeit mit der Kindergartengruppeund vor allem mit den Eltern von Manu-el.

Denn jeder Einzelne war sehrbemüht, die Gebärden zu erlernen,sprachbegleitend zu gebrauchen und inden jeweiligen Alltag zu integrieren.

Meike Wellmann

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te gab und anstrengende Mahlzeiten,habe ich mich trotzdem gut erholt, weiles im Vergleich zu daheim nur eine klei-ne Anstrengung darstellte.

Zufrieden

Das Haus Tannenhof ist wirklichbemüht, die Mütter zu entlasten, undhat für alle Probleme ein offenes Ohr. Indem Kurhaus sind alle willkommen, so-wohl Mütter als auch Väter mit Kindern.Auch Familien, bei denen der Vater„Kurlaub“ machte, d.h. einen Tagessatzselbst zahlte, aber volle drei Wochen mitdabei war. Außerdem war das Alter derKinder egal, es gab Kinder unter zweiJahren und Kinder über zwölf Jahre undalle wurden in Kindergruppen betreut,auch die Jüngsten

Mit welchen Sorgen auch immer, ichhatte das Gefühl, meine Betreuerin zujeder Zeit ansprechen zu können. Undes wurde immer nach Lösungen ge-sucht. Das gab mir ein gutes Gefühl. DieMütter bzw. die Väter wurden sehrernst genommen und die Kinder wur-den angenommen wie sie waren, ausmanchen Erzählungen war herauszu-hören, dass die Kinder mit Down-Syn-drom sich schnell zu Lieblingen ent-wickelten. Auch Fabian nahm einen Teilder Leute aus dem Speisesaal für sichein. Er fand immer jemanden, der ihmsein gerade heruntergeschmissenes Brot

wieder aufhob. Das stellte übrigensauch eine Super-Entlastung für michdar.

Ich kann also dieses Kurhaus für ei-ne Kur wirklich empfehlen.Die Adresse lautet: Haus TannenhofRadschertstraße 35, 79674 TodtnaubergTel. 07671/9930 Fax 07671/993588

Ulrike Schwalbach, Mainz

Seminar für Geschwister

Kann ich hier nächstes Jahr wiedermitmachen?“ Mit dieser Frage be-

grüßte mich mein Sohn Timo (9), als ichihn vom diesjährigen Geschwistersemi-nar abholte. Das Seminar oder Freizeit-Wochenende, das vom Verein „Gemein-sam mit Behinderten“ für Kinder mit be-hinderten Brüdern oder Schwestern inRodgau veranstaltet wurde, fand diesesJahr zum vierten Mal statt. Es nahmen20 Kinder im Alter zwischen sieben und13 Jahren daran teil, die von Frau Mar-lies Winkelheide und ihren fünf Mitar-beiterinnen betreut wurden. Frau Win-kelheide leitet seit über 20 Jahren Ver-anstaltungen für die Geschwister behin-

derter Kinder und hat darüber auch ei-nige Bücher geschrieben.

Das Geschwisterseminar bietet Kin-dern und Jugendlichen die Möglichkeit,Kontakt mit anderen Kindern aufzuneh-men, die in ihrer häuslichen Umgebungähnliche Situationen vorfinden, und mitihnen über eventuelle Probleme zusprechen, die sie beschäftigen. Damitdie Kinder den nötigen Abstand gewin-nen können, beinhaltet die Veranstal-tung zwei Übernachtungen. Auch wirdvon den Betreuerinnen später nichtsvon den Gesprächen an die Eltern wei-tergegeben, was die Kinder nicht selbstwollen.

Am Freitagnachmittag trafen dieTeilnehmer des Geschwisterseminarsein und suchten sich im Jungen- bzw.Mädchenschlafraum ihr Quartier für diekommenden zwei Nächte aus. ErsteKontakte wurden geknüpft, die Elternverabschiedeten sich und die Betreue-rinnen machten sich mit den Kindernbekannt. Die diesjährige Tagung standunter dem Schwerpunktthema „Was wirzu tragen haben“. Hierzu fanden Ge-sprächskreise und Rollenspiele sowohlin der Gesamtgruppe als auch in Klein-gruppen statt, es wurde gebastelt, ge-sungen und gespielt. In Anlehnung andas Thema bekam jedes Kind einenRucksack geschenkt, den es selbst be-malen konnte. In diesem Rucksack fan-den sich außer selbst gestalteten Erin-nerungen auch liebevoll ausgesuchteAndenken an das Seminar. Jedem Kindwurde versucht klar zu machen, dass eszwar seinen persönlichen „Rucksack“zu tragen habe, ihn aber aufgrund derErfahrungen aus dem Geschwistersemi-nar vielleicht ein wenig leichter packenkönne.

Als wir Eltern unsere Kinder amSonntagmittag abholten und bei Kaffeeund Kuchen das Wochenende ausklin-gen ließen, sahen wir strahlende, aus-gelassene Kinder, die mit ihren neuenFreunden spielten.

Unser Dank gilt Frau Winkelheideund ihrem Team, die es verstanden ha-ben, unseren Kindern unvergesslicheStunden mit viel Zeit und Verständnis zuschenken. Ich hoffe, dass auch im nächs-ten Jahr wieder ein Geschwistersemi-nar in Rodgau stattfindet, damit ich mei-nem Sohn seinen Wunsch erfüllen kann.

Dagmar Warkner, Rodgau

Fabian mit „seiner“

Integrationshelferin Katja

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Zum Glück gibt es davon bei uns genug. Der einzige (nicht wirkliche) Nachteil

ist, dass Laura jetzt noch schneller, nochweiter weglaufen bzw. jetzt wegfahrenkönnte. Aber tatsächlich ist es so, dasssie die mit ihr gemeinsam festgesetztenGrenzen am jeweiligen Ende unsererStraße einhält.

Wir hoffen und wünschen, dass aufdiese Weise noch viele andere Kinderdas Fahrradfahren lernen.

E. Fischer, Karlsdorf

Kommunionfeierin der Gemeinde

Unser Andre (neun Jahre) hatte indiesem Jahr das schöne Fest der

heiligen Kommunion. Und es wurde einbesonderes Fest, anders als bei unse-rem großen Sohn. Schon die Vorberei-tungen waren eine Herausforderung,besonders für mich als Mutter. Ich woll-te gern, dass das Fest bei uns in der Ge-meinde stattfinden würde. Andererseitsstrebte die Schule, die Andre besucht,eine eigene interne Kommunionfeier fürdie Kinder mit einer Behinderung an.

Wir entschieden uns für den „nor-malen“ Weg in der Gemeinde. Für man-che unfassbar, für viele selbstverständ-lich. Ich ging voller Optimismus an dieSache ran. Aber die erste Schwierigkeitgab es schon, als die Gruppen für denKommunionsunterricht gebildet wur-den. Keiner traute sich die Situation zu,ein Kind mit Down-Syndrom in derGruppe zu haben. Mir blieb nichts an-deres übrig, als selbst mit in die Gruppeals Gruppenmutter zu gehen. Mein Ge-danke war es eigentlich gewesen, ihn al-leine in die Gruppenstunde zu schicken,um ihm zu zeigen, dass ich ihm das zumeinen zutraue und damit auch eine ge-wisse Selbstverständlichkeit zu zeigen.Nachdem also die Mütter alle unsicherwaren, entschloss ich mich, mit einerMutter die Gruppe mit Andre und dreiweiteren Jungs zu übernehmen.

Die ersten Stunden waren für michgrausam, denn die Kinder hielten einesehr große Distanz zu Andre, und dasobwohl sie drei Jahre mit ihm im Kin-dergarten waren, was dank einer kom-petenten Erzieherin auch sehr gut ge-klappt hatte. Deshalb hatte ich mir, wasdie Integration betraf, gar keine Sorgen

Zu ihrem fünften Geburtstag bekamLaura ein Fahrrad der Größe 16, das

dann leider die meiste Zeit in der Gara-ge stand. Auch das Fahrrad mit Stütz-rädern fand Laura eine wackelige Ange-legenheit. Jedenfalls behagte ihr dasGanze nicht und sie war – wenn über-haupt – nur sehr schwer zu bewegen,sich auf das Fahrrad zu setzen und zufahren. Als wir dann eineinhalb Jahrespäter einen Funtrailer (das ist ein an-gehängtes zweites Tandem-Rad) kauf-ten, war ihr kleines Fahrrad gänzlichabgeschrieben. In diesem Sommer nunstellte sich die Frage, was ist, wenn Lau-ra zu groß für den Funtrailer ist, waswahrscheinlich im nächsten Jahr derFall sein wird. Unsere so geschätzte Mo-bilität hier zu Hause in der Rheinebenewie auch im Urlaub an der Nordsee nundahin? Kaum daran zu denken! Im Julierzählten uns dann Freunde, wie ihrenicht behinderten Kinder das Fahrrad-fahren gelernt hatten. Gleich am nächs-ten Tag setzten wir das Gehörte in dieTat um, und das ging so:

1. Stützräder abmontieren, die be-hindern nur.2. Sattel und Lenkstange so weitnach unten machen, dass Laura,wenn sie auf dem Sattel sitzt, mitbeiden Füßen gut auf dem Bodenstehen kann.3. Die Pedale abschrauben. Und dann fing Laura mit Begeiste-

rung an, Fahrrad „zu laufen“. Nach ei-ner Weile begann sie, sich mit beidenFüßen gleichzeitig abzustoßen und dieBeine dann hochzunehmen. Dabei be-kam sie immer mehr „Schwung“ unddie Ausrollphasen wurden so immerlänger. Laura bereitete es zunehmendSpaß und wir feuerten sie zwi-schendurch an: „Eins, zwei, drei, undSchwuuuung!“ Strahlend und stolz kamsie zu uns zurückgerollt. Nach einigerZeit rollte sie um die Kurve, im Kreis,über die Bordsteinkante usw. Auf dieserArt und Weise machten wir kleine Fahr-radtouren und kamen so mit „Schwung“immer ein Stück weiter. Bei einer dieserGelegenheiten sagte ich zu Laura: „Dukönntest statt die Beine immer hoch zuhalten, sie auf die Pedale stellen. Das istnicht so anstrengend.“ „Okay!“, antwor-

tete sie. Zu Hause montierten wir die Pe-dale wieder dran, denn die hatten wiram Anfang der ganzen Übung ja abge-schraubt, damit Laura beim Abstoßensich mit den Waden nicht an den Peda-len stieß und wehtat. Also, gesagt, ge-tan! Und dann setzte sich Laura aufsFahrrad, holte Schwung, stellte die Füßeauf die Pedale und treppelte los. Wirstanden da und konnten fast nicht glau-ben, was wir sahen. Laura konnte Fahr-rad fahren! Und das genau vier Tage vorihrem zehnten Geburtstag! Wir habennach ein paar Tagen Lenker und Sattelwieder so hoch wie möglich geschraubt,

aber immer noch so, dass Laura mit bei-den Füßen auf den Boden kommt, dennzum Losfahren stößt sie sich noch ab.Zum Bremsen benutzt sie richtig dieHandbremse und nimmt erst wenn siesteht die Füße runter. Wichtig ist jedochvor allem, dass Laura, wenn sie unsi-cher ist, die Füße auf den Boden stellenkann.

Darum werden wir auch erst imFrühjahr auf ein Fahrrad für ihre Größeumsteigen. Auf diese schwungvolle Wei-se hat Laura in drei Monaten das Fahr-radfahren gelernt und unsere Fahrrad-touren betragen schon einige Kilometer– allerdings noch auf geteerten Wegen.

Wie Laura mit „Schwung“ Fahrradfahren lernte

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E R F A H R U N G S B E R I C H T

Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 55

Benjamin wird 25!Einladung zum Geburtstag

Nicht bloß mit einer Karte, sonderngleich mit einem Geburtstagsbuch

hatten die Eltern von Benjamin zu sei-nem 25. Geburtstag eingeladen. Wirfanden die Idee so anregend, dass wirsie hier weitergeben möchten.

Das schön gestaltete Buch, beste-hend aus Farbkopien, enthält Fotos ausdem Leben von Benjamin. Es wird er-gänzt durch kleine Texte über besonde-re Erlebnisse aus Benjamins Leben undvor allem durch witzige Sprüche vonBenjamin selbst. Die eingeladenen Gäs-te bekamen so mit der Einladung gleichnoch eine Übersicht über die wichtigs-ten Ereignisse in Benjamins Leben, „dieaußergewöhnliche Lebens- und Liebes-geschichte von einem Kind mit großemHerzen“. Kein Wunder, wurde das Festein großer Erfolg.

gemacht. Zunächst lief jedoch alles ganzanders und ich wollte wirklich fastschon aufgeben. Aber da war Andre, dermit einer Hingabe und voller Stolz er-zählte, wie er sich auf das große Festfreue, ich merkte auch, wie er den Kon-takt zu den Jungs suchte.

Und das ist alles?

Sie aber blockten ab und machten öfterdumme Bemerkungen. Eines Tages kamwieder eine Bemerkung und ich rea-gierte anscheinend etwas getroffen. Bisdann ein Junge fragte, weshalb Andreso anders und was der Unterschied zwi-schen ihnen und Andre wäre. Spontanmalte ich ihnen auf einem Blatt dieChromosomen auf und erklärte den„Defekt“. Darauf sagte der eine Junge:„Und das ist alles?“

Seit dem Moment hat sich die Situa-tion schlagartig verändert. Als dann dieVorbereitungen in der Kirche kamen,waren sie ihm gegenüber sehr hilfsbe-reit, und als der große Tag kam und siemerkten, dass er Angst hatte bzw. ihmdoch sehr mulmig war, nahmen sie ihn

auf dem Weg in die Kirche an die Hand.Als er zum Altar gehen sollte, um Gabenzu bringen, und als er die erste heiligeKommunion empfing, gingen die „Kolle-gen“ sehr fürsorglich mit ihm um, nah-men ihn an der Hand und schautennach ihm. Und wir, mein Mann und ich,waren glücklich und stolz auf unsere„Kommunionkinder“. Andre strahlteund war sehr, sehr glücklich.

Viele Menschen sprachen uns dannauf die besondere Atmosphäre in derKirche während des Gottesdienstes an.Auch ich empfand es so und war froh,dass ich trotz anfänglicher Schwierig-keiten das Ganze so „durchgezogen“hatte.

Eines wurde mir dann doch sehr be-wusst. Andre ging mit sehr viel mehrFreude, mit viel mehr Aufrichtigkeit alsdie anderen an dieses Fest heran.

Es war ein gelungener Tag. Undschön ist es, dass Andre der Gemeindeein wenig näher gekommen ist. Vieleempfinden ihn jetzt als viel „normaler“als vorher.

Claudia Brönner, Erlenbach

Zwei Seiten aus dem

Geburtstagsbuch von Benjamin

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56 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002

Bedarf wahrnehmen – Barrieren abbauen – Lösungen entwickeln

In etwa 3 % aller Familienhaushalte mitKindern lebt ein behindertes Kind. Ingeringer Zahl wachsen Kinder mit Be-hinderung heute außerhalb ihrer Her-kunftsfamilie auf.

Beispielhaft einige Zahlen für Men-schen mit geistiger Behinderung:

Von den (geschätzten) 420.000 Men-schen mit geistiger Behinderung inDeutschland sind etwa 185.000 im Kin-des- und Jugendalter. 85 % von ihnenleben in Familien (160.000). Als er-wachsene Menschen leben 60 % weiter-hin bei ihren Eltern oder bei Angehöri-gen (140.000). In Einrichtungen lebenbundesweit etwa 120.000 Menschenmit geistiger Behinderung.

Unsere Erfahrungen in der Arbeitmit behinderten Menschen und auchder Fünfte Familienbericht der Bundes-regierung belegen: Familien mit behin-derten Angehörigen aller Altersgruppen

erfüllen ihre Aufgaben äußerst verant-wortungsvoll und mit großer Selbstver-ständlichkeit.

Gleichzeitig bedeutet dies für die Fa-milien jedoch auch ein deutlich niedri-geres Familieneinkommen (Berufstätig-keit der Mutter oft nicht möglich, daherkeine Rentenanwartschaften etc.) undbesonders hohe Belastungen vor allemfür die Mütter.

Dabei ist der Anspruch, den Famili-enalltag alleine zu bewältigen, gerade inFamilien mit behinderten Angehörigenbesonders ausgeprägt. Hilferufe erfol-gen häufig erst sehr spät.

Mit welchen zusätzlichen Belastun-gen sehen sich Familien mit behin-derten Angehörigen konfrontiert?

Für viele Familien bedeutet das Zusam-menleben mit behinderten Angehörigeneine Bereicherung. Dennoch erwachsenaus dem Zusammenleben zusätzlicheBelastungen:

Der Berufsalltag stellt hohe Anforde-rungen an Flexibilität, Mobilität undWeiterbildung. Die so wichtigen sozia-len Netzwerke mit Großeltern, Freun-den und Nachbarn sind unter diesen Be-dingungen nur schwer aufzubauen undzu erhalten. Viele Menschen aus demengeren sozialen Umfeld trauen es sichnicht zu oder sind nicht in der Lage, er-satzweise auch einmal die Betreuungdes behinderten Angehörigen zu über-nehmen.

Das Armutsrisiko ist höher, geradeauch bei allein erziehenden Eltern mitbehinderten Kindern.

Die Versorgung, Betreuung, Erziehungund Förderung behinderter Kinder isthäufig anstrengend. Arztbesuche, The-rapietermine und tägliche Fördermaß-nahmen, die zu Hause von den Elterndurchzuführen sind, stellen eine weite-re Belastung dar und sind in der Regelmit hohem Verantwortungsdruck ver-bunden: „Was aus Ihrem Kind wird, dasliegt nun ganz bei Ihnen!“

Eine oftmals erhöhte gesundheitlicheAnfälligkeit eines Menschen mit Behin-derung kann zu vielen zusätzlichen Er-krankungen führen.

Geschwister tragen emotional undpraktisch an der Betreuung des behin-derten Bruders oder der Schwester mit.Bei den Eltern stellt sich häufig das Ge-fühl oder die Situation ein, den nicht be-hinderten Geschwistern nicht gerechtzu werden.

Viele Eltern leben mit hohen psychi-schen Belastungen bei der Annahmedes behinderten Kindes in seiner Ein-zigartigkeit – ein oftmals lebenslangerProzess.

Die Partnerschaft der Eltern ist zu-sätzlichen Belastungen ausgesetzt.

Insbesondere bei einer schweren Kör-perbehinderung oder auch bei anderenumfassenden Behinderungsarten und-formen des Angehörigen treten erheb-liche physische und auch psychische Be-lastungen vor allem der Mütter auf.

Erwartungen und Forderungen:

Weitere Anstrengungen zum Abbauvon Vorurteilen, z.B. durch mehr Inte-gration.

Praktische, an der Familie orientierte

Familien mit behinderten Angehörigenin einer sich wandelnden Gesellschaft

Verschiedene große Verbände hatten Fachleute und Be-troffene, die in Fragen der Unterstützung von Familienmit behinderten Angehörigen wichtige Funktionen aus-üben, vom 17. bis 19. Oktober 2001 nach Berlin eingela-den, um sich untereinander, aber auch mit Beteiligtenaus Fachprojekten, Politik und Wissenschaft auszutau-schen und Leitlinien für zukünftige Entwicklungen beider Unterstützung von Familien mit behinderten An-gehörigen zu formulieren. Über die veranstaltendenVerbände hinaus waren zahlreiche weitere Verbändeund Selbsthilfegruppierungen durch Teilnehmer(innen)vertreten. Die Teilnehmer(innen) fassten zum Schluss dieser Fach-tagung ihre Forderungen in dem Berliner Memorandumzusammen.

Berichte von Kongressen, Symposien, Veranstaltungen

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 57

offene Hilfen und deren rechtliche Absi-cherung. Damit meinen wir insbeson-dere: Beratungsangebote; Familienun-terstützende Dienste; integrative Ange-bote und Plätze in Krippen, Kindergär-ten, Schulen, in weiteren Bildungsein-richtungen und Vereinen; Wahlange-bote für das Wohnen und Arbeiten inambulanten und stationären Formen.Regionale Ungleichheiten sind nicht zuakzeptieren.

Gut erreichbare, unkompliziert abzu-rufende und aufeinander abgestimmteHilfeangebote, die sich am Bedürfnisder Familie und des behinderten An-gehörigen orientieren, und die notwen-dige Information darüber.

Hilfen, die für Familien unabhängigvon ihrer sozialen Lage verfügbar sind:Entbürokratisierung soll grundsätzli-ches Misstrauen ablösen, denn niemandist freiwillig behindert! Reklamiert eineFamilie beim Zusammenleben mit ei-nem behinderten Angehörigen Hilfe, sobenötigt sie diese – und entsprechend istsie bereitzustellen. Unwürdige Prozedu-ren sind zu ersparen.

Bereitstellung von Mitteln für den Aus-bau der Selbsthilfe und des freiwilligenEngagements von Menschen, die behin-derte Mitbürger beim Zusammenlebenin ihrer Gemeinde unterstützen.

Bildungsangebote für Eltern und An-gehörige mit ausdrücklicher Berück-sichtigung der Geschwister.

Berücksichtigung der Zusammenar-beit mit Eltern und Familien und derenUnterstützung in den Lehrplänen dermedizinischen und sozialen Berufe. Be-

Wir erwarten eine offene,solidarische Gesellschaft,die bejaht, dass Menschensehr verschieden sind undsein dürfen. Der sozialeAusschluss von Menschenmit Behinderung mussvon Anfang an vermiedenwerden.

reitstellung von Mitteln für die Fort- undWeiterbildung der Fachleute geradeauch zu Familienthemen und zur Ver-besserung des Familienbezugs.

Eine stärkere Förderung der For-schung, die Menschen mit Behinderungund ihren Angehörigen dienlich ist. Siesind an den Prozessen von Beginn an zubeteiligen.

Wachsamkeit gegenüber medizini-schen und gentechnischen Entwicklun-gen, die zur Selektion und Diskriminie-rung behinderter Menschen führen.

Vermeidung jeglichen Kosten-Nutzen-Denkens im Zusammenhang mit behin-derten Menschen. Keine weiteren Spar-maßnahmen zu Lasten behinderterMenschen und ihrer Familien.

Dr. Jack Warner in Deutschland

Bericht von Martina Groß

Dr. Jack Warner behandelt seit etwa 40Jahren Kinder mit Down-Syndrom. Sein erfolgreiches Konzept ist eine ganzheit-liche Therapie, die Krankengymnastik, Frühförderung, Ernährungsberatung,medizinische Beratung und Untersu-chung beinhaltet.

Darüber hinaus hat Dr. Warner voretwa 16 Jahren basierend auf seinenForschungen eine Stoffwechselergän-zung (Hap Caps) entwickelt, mit der erseine Patienten (ca. 12000 Kinder mitDown-Syndrom innerhalb der letzten 16Jahre) versorgt.

Seit etwa 40 Jahren ist bekannt, dassMenschen mit Down-Syndrom aufgrundeiner Störung im Zellstoffwechsel ein er-höhtes Niveau an freien Radikalen ha-ben. Dies hat u.a. eine Schwächung desImmunsystems zur Folge und wirkt sichnegativ auf den Gesamtorganismus aus.Die Hap Caps senken nachweislich dasNiveau der freien Radikale.

Sprechstunde und Vortrag

Dr. Warner kam mit seinem fünfköpfi-gen Team aus Kalifornien für einedreitägige Sprechstunde vom 1. bis 3.November 2001 nach Pfrondorf bei Tü-bingen. 29 Eltern hatten sich mit ihrenKindern angemeldet. Einige, wie auchwir mit unserem Sohn Moritz, waren

bereits zuvor schon bei Dr. Warner inAmerika gewesen. Für die meisten wares jedoch das erste Zusammentreffen.Obwohl viele schon von Dr. Warner undseiner Arbeit mit Down-Syndrom-Kin-dern wussten, war es bisher meist dieweite Reise nach Amerika, die sie voneiner Vorstellung ihrer Kinder abgehal-ten hatte.

Die Sprechstunde wurde durch ei-nen Informationsabend am 1. Novem-ber ergänzt. Es waren ca. 50 interes-sierte Zuhörer in die Kirnbachschulenach Pfrondorf gekommen, darunterauch Kinderärzte und Physiotherapeu-ten. Der Vortrag mit anschließenderDiskussion und auch die individuellenUntersuchungen während der Sprech-stunde wurden vom Englischen insDeutsche übersetzt. Daher gab es keineVerständigungsprobleme, alle Fragenkonnten geklärt werden.

An den drei Tagen wurde jedes Kindeiner Augenärztin und einer Kran-kengymnastin vorgestellt. Des Weiterenwurden der entwicklungsneurologischeStatus und alle weiteren wichtigen Da-ten (wie z.B. Verlauf der Schwanger-schaft, Krankengeschichte) erfasst. Dr.Warner beriet jede Familie ausführlichund individuell in einem persönlichenGespräch, das für die Eltern auf einerAudiokassette aufgenommen wurde.Die krankengymnastische Beratungwurde auf einer Videokassette aufge-zeichnet, sodass man zu Hausenochmals „nachsehen“ kann.

Die Resonanz der Eltern und von Dr.Warner mit seinem Team war durch-weg sehr positiv, weshalb Dr. Warnerspontan entschied, auch nächstes Jahrwieder eine Sprechstunde in Deutsch-land abzuhalten. Es ist geplant, diese zuerweitern und neben Tübingen einezweite Station weiter im NordenDeutschlands anzubieten.

Wer mehr über die Arbeit und den Be-such von Dr. Warner wissen möchte,kann sich an uns wenden:Martina und Michael Groß Tel.: 0 70 71/36 81 33 E-Mail: [email protected]

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58 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002

Am 6. Oktober 2001 trafen sich dieVorstandsmitglieder der European

Down Syndrome Association (EDSA) an-lässlich ihrer semestriellen Sitzung imEuro-Hotel in Gonderingen. Eingeladenhatte die im Oktober 2000 gegründete„Trisomie 21 Lützebuerg asbl“.

Der Grundstein der EDSA wurde be-reits im November 1987 während desersten europäischen Kongresses zumThema Down-Syndrom in Lüttich ge-legt, offiziell begann sie ihre Aktivitätenanlässlich der ersten Generalversamm-lung am 28. Januar 1989 in Paris. DerVorstand setzt sich zusammen aus je-weils zwei Vertretern nationaler Down-Syndrom-Vereinigungen, vorzugsweisejeweils einem Elternteil und einer Fach-kraft (Pädagoge, Mediziner ...). Dies solldie Gleichwertigkeit zwischen Elternund Fachleuten hervorheben und dieNotwendigkeit der Kooperation unter-streichen.

Aufgaben von EDSA sind:

die Rechte aller Menschen mit Down-Syndrom als vollwertige Mitglieder derGesellschaft zu verteidigen

durch Information sie zu lehren, ihreFähigkeiten zu nutzen und ihre Rechtezu gebrauchen

für differenzierten Unterricht und adä-quate Arbeitsbedingungen zu plädieren

die betroffenen Eltern zu begleiten,denn die Familie ist die Basis der Inte-gration und sie braucht vor allem Infor-mation in allen Bereichen, sowohl vonanderen betroffenen Familien wie vorallem von Fachleuten, die die Bedürf-nisse der Eltern erkennen und unter-stützen sollen. Deshalb unterstreicht dieEDSA die Wichtigkeit von Werten wieSolidarität, soziales Engagement,Transparenz, Qualität und Kooperationaller Hilfsleistungsdienste.

und im Allgemeinen möchte sie ein po-sitives Bild von Menschen mit Down-Syndrom vermitteln, die Gesellschaft fürIntegration sensibilisieren und Informa-tion, Weiterbildung und Forschung un-terstützen.

Bleibt noch zu erwähnen, dass dieEDSA Mitglied des European Disability

Forums (EDF) ist, einer europäischenOrganisation, die sich im Rahmen derEU-Kommission in Brüssel für die Inter-essen behinderter Menschen einsetzt.

Neben den klassischen Tagesord-nungspunkten wie Kassenbericht, neueMitglieder und Ähnlichem befasste sichdie Sitzung in Luxemburg vor allem mitdem EDSA-Aktionsplan für 2001:

Diskussion des „Dokumentes zur Iden-tität, Wertvorstellungen und Prioritätender europäischen Down-Syndrom-Ver-einigungen“.

Vorstellung der ersten Version des„Europäischen Protokolls für Präventiv-medizin für Menschen mit Down-Syn-drom“.

Zusammenarbeit EDSA–DSI (DownSyndrome International)

Gemeinsame Aktionen für den „Eu-ropäischen Behindertentag“

Datenbank für Down-Syndrom-Biblio-graphie.

Es ist schon Tradition, dass an-schließend an diese EDSA-Treffen eineDown-Syndrom-Tagung stattfindet. Diesbietet sich für die jeweilige Veranstalteran, weil zu dem Vorstandstreffen eineReihe Fachleute aus den verschieden-sten Ländern Europas anreisen, diegerne bereit sind, Gastvorträge zu hal-ten.

So organisierte der luxemburgischeDown-Syndrom-Verein ein Symposium,das sich primär mit der Sprachentwick-lung und dem Lesenlernen bei Kindernmit Trisomie 21 sowie mit Fragen, diesich im Zusammenhang mit dem Lernenin der Schule stellen, befasste.

Nachdem Professor Juan Perera,Präsident der European Down Syndro-me Association und Professor an derUniversität der Balearen in Palma deMallorca, die Herausforderungen, diedas Neue Europa an Menschen mit einerTrisomie stellt, erläutert hatte, wurde inverschiedenen Vorträgen auf die The-men Sprachentwicklung und schuli-sches Lernen eingegangen. Hauptrefe-rentin war dabei Prof. Sue Buckley vonder Universität in Portsmouth.

Das nächste EDSA-Treffen findet am

9. Mai 2002 in San Marino, Italien stattund wird organisiert von Professor Ra-sore-Quartino. (Einladung und Pro-gramm auf Seite 60)

Erster DS-Kongressin Rumänien

Der Welttag der Behinderten wurdedieses Jahr in Rumänien, einem

Land, das lange Zeit große Schwierig-keiten hatte im Umgang mit seinen Be-hinderten, auf eine besondere Weise be-gangen. Unter großem Interesse der Me-dien fand in Craiova (Süd-Rumänien)zum ersten Male ein Kongress zumThema Down-Syndrom statt, wozu Re-ferenten aus verschiedenen europäi-schen Ländern eingeladen waren. Ge-sponsert wurde die Veranstaltung vonUnicef und World Vision, zwei großenOrganisationen, die sich in Rumänienu.a. einsetzen für die Interessen be-nachteiligter Kinder. Ohne diese finan-zielle Unterstützung wäre ein solcherKongress nicht möglich gewesen.

Aber es war dem unermüdlichenEinsatz der Vorsitzenden der Eltern-gruppe, Liana Vizlan, zu verdanken,dass die beiden großen Verbände sichüberhaupt beteiligten. Frau Vizlan wares auch, die die Idee zu diesem Kon-gress hatte und die es innerhalb von vierMonaten schaffte, nicht nur auf interna-tionaler Ebene Referenten zu finden,sondern erstmals Eltern und Fachleutein Rumänien zusammenbrachte.

Die Teilnahme am Kongress war füralle Teilnehmer gratis. Sogar die Kostenfür die Anreise per Bahn und eine Über-nachtung im Kongresshotel wurden fürdie Vertreter der unterschiedlichen In-stitutionen von Unicef übernommen.Dies ist notwendig, denn die Gehältersind in Rumänien so gering, dass dieMenschen, auch wenn sie interessiertsind, sich es einfach nicht leisten kön-nen, selbst für die Unkosten aufzukom-men. So waren fast 100 Fachleute, dar-unter Ärzte, Pädagogen, Logopäden undPhysiotherapeuten, aus ganz Rumäniennach Craiova gekommen.

Die anwesenden Eltern kamen alleaus der Umgebung von Craiova. Weil esparallel auch eine Veranstaltung für dieKinder gab und der Nikolaus für alleGeschenke mitbrachte, waren auch sie

Treffen der Vorstandsmitglieder der European Down Syndrome Association(EDSA) in Luxemburg

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 59

zahlreich gekommen. Unter den Gästenwaren außerdem der Inspektor, der in-nerhalb des Ministeriums für Bildungund Wissenschaft zuständig ist für dasSonderschulwesen, die beiden Direkto-ren von Unicef und World Vision inRumänien und Politiker aus Craiova undUmgebung.

Eine wichtige Bedingung, damitRumänien mehr Anerkennung inner-halb der Europäischen Gemeinschaftbekommt, ist, dass die Lebenssituationvon Menschen mit einer Behinderungim Land verbessert werden muss. Des-halb besteht in letzter Zeit zunehmendauch von politischer Seite der Wunsch,sich hier zu engagieren. Die Presse unddas rumänische Fernsehen waren auchdeswegen da, um über das besondereEreignis zu berichten.

An diesem ersten Informationstagkonnten einige allgemeine Themen vor-gestellt werden. Nach den verschiede-nen Grußworten stellte Cees Zuidhoffaus den Niederlanden und Sekretär derEuropäischen Down Syndrom Associa-tion, die Ziele dieses Vereins vor, beton-te die unbedingte Notwendigkeit der In-tegration und machte deutlich, dassVeränderungen nur durch engagierteEltern veranlasst werden können. Diesgelte für Rumänien genauso wie für diewesteuropäischen Länder. ProfessorRasore-Quartino aus Genua, Italien,hielt einen Vortrag über die medizini-schen Aspekte und Cora Halder vomDeutschen Down-Syndrom InfoCenterreferierte über verschiedene Lernbe-sonderheiten bei Down-Syndrom. DieReferate wurden in englischer Sprachegehalten und ins Rumänische übersetzt.

Am Nachmittag fanden verschiede-ne Workshops statt. Professor Rasoretraf sich mit Medizinern zu einer inten-siven Gesprächsrunde. Sam Cambellaus Schottland und Cees Zuidhoff hiel-ten innerhalb eines Workshops für dieEltern Vorträge über Förderung, Inte-gration in Schule und Beruf, Familienle-ben usw., an die sich eine lebhafte Dis-kussion mit vielen, vielen Fragen an-schloss. Auch Prof. Rasore wurde amSchluss von den Eltern mit Fragen bom-bardiert.

Die Fachleute trafen sich zu einemeigenen Workshop. Dabei ging es umSprachentwicklung und Lesenlernen(Cora Halder) und um die schulische In-tegration (Jeanette Schouten, niederlän-dische Stichting Down-Syndroom).

Kongress war ein großer Erfolg

Dies war ein sehr gelungener Kongress.Nicht nur weil wichtige Informationenweitergegeben werden konnten und esden Rumänen klar wurde, dass es zumThema Down-Syndrom doch schon sehrviel Wissen gibt, auf das man in Rumä-nien nun auch zurückgreifen kann. Sozog die Ausstellung mit Büchern, Zeit-schriften, Broschüren, Videos und Ma-terialien zum Thema Down-Syndromaus den verschiedenen europäischenLändern die Teilnehmer fast „magisch“an. In einem Land, in dem es überhauptkeine Literatur über Down-Syndromgibt, war dies eine enorme Erfahrung.

Gründung eines nationalen Down-Syndrom-Vereins geplantAber auch die Tatsache, dass hier zumersten Mal ein Treffen von Eltern undFachleuten stattfand, dass die Men-schen zum ersten Mal feststellten, dasssie jeweils nicht allein sind, dass es auch

in Rumänien engagierte Eltern undFachleute gibt, die sich alle bemühen,die Situation der Kinder und Erwachse-nen mit Down-Syndrom zu verbessern,war eine positive Erfahrung. Vertreterunterschiedlicher Organisationen undInstitutionen lernten sich hier kennen,erfuhren hier von ihrer gegenseitigenExistenz. Dies ist mit Sicherheit ein ganz wichtiges Ergebnis des Kongressesund es bildet den Anfang einer Zusam-menarbeit aller Gruppen, die sich fürdas Wohl der Menschen mit Down-Syn-drom in Rumänien einsetzen wollen.Der Grundstein für eine nationale rumä-nische Organisation wurde gelegt.

Das Deutsche Down-Syndrom InfoCen-ter wird auch in Zukunft einen engenKontakt zu der Elternvereinigung inCraiova halten und die beiden Projektedort, die Frühförderstelle in Craiova unddas Schulprojekt Theodora, versuchenzu unterstützen.

Rechtzeitig zum ersten

Down-Syndrom-Kongress

in Rumänien wurde der

Flyer „Down-Syndrom –

die wichtigsten Fragen

und Antworten“ fertig.

Das Deutsche Down-Syn-

drom InfoCenter ließ dazu

seine eigene Broschüre ins

Rumänische übersetzen.

Unicef und World Vision

kamen für die Druckkos-

ten auf.

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60 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002

Ankündigungen von Down-Syndrom-Veranstaltungen

Internationale Konferenz in San Marino stellt den Erwachsenen mit Down-Syndrom in den Mittelpunkt

Vom 9. bis 11. Mai 2002 findet in derRepublik San Marino die zweite inter-nationale Konferenz zum Thema Down-Syndrom statt. Das Thema lautet: Er-wachsene Menschen mit Down-Syn-drom – eine neue Herausforderung fürdie Gesellschaft.

Professor Rasore-Quartino ist derPräsident der Konferenz, die unter derSchirmherrschaft der EDSA durchge-führt wird. Namhafte Wissenschaftleraus allen Teilen der Welt sind als Refe-renten eingeladen.

Menschen mit Down-Syndrom wer-den immer älter, die Anzahl an älterenund alten Menschen mit Trisomie 21nimmt ständig zu. Über medizinischeund psychische Probleme, über die wei-tere Förderung und Lebensgestaltungder erwachsenen Menschen mit Down-Syndrom liegen noch nicht so viele Er-kenntnisse vor und wenn, sind dieseerst wenig bekannt. Der Schwerpunktder Konferenz liegt auf der Vermittlungvon Wissen und Erfahrung in diesemBereich.

Auf dem Programm stehen u.a. folgen-de Themen:

Gesundheitsaspekte Ernährung Alzheimer-Krankheit Depressionen und psychotischeVerhaltensweisenSex und Sexualität pharmakologische Behandlung Weiterbildung Arbeit soziale Integration in Schule undBerufRolle der Familie, der GeschwisterSprache und GedächtnisRehabilitationQualität der Dienstleistungeneuropäische Projekte für Erwachsene

Die Referenten kommen aus Italien,Spanien, Frankreich, England, Däne-mark, Schweden, Belgien, der Slowakei,Kanada und den USA.

Die Kongresssprachen sind Italie-nisch und Englisch. Die Vorträge wer-den simultan übersetzt.

Der Kongressgebühr beträgt Euro129,12 für Professionals, Euro 77,47 fürAngehörige.

Wenn Sie an weiteren Informationenüber diese Konferenz, an Anmeldefor-mularen etc. interessiert sind, könnenSie diese beim Deutschen Down-Syn-drom InfoCenter anfordern. Wir sendenIhnen die Unterlagen gerne zu.

Kongress-Organisation:Ufficio Attivita PormozionaliVia Scialoja 1 – 47893 CailungoRepubblica di San MarinoTel.: 05 49/99 45 35Tel.: 05 49/90 36 28Fax: 05 49/90 37 06E-Mail: [email protected]

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 61

Down-Syndrom-Fachtagung 4. – 6. Oktober 2002 in Potsdam

Perspektiven für Menschen mit Down-Syndrom

Das Down-Syndrom-Netzwerk Deutsch-land e.V. veranstaltet wieder, dieses Malin Kooperation mit der Universität Pots-dam, eine deutsche Fachtagung. Mitdieser Tagung sollen Eltern, Betroffeneund Fachleute angesprochen werden.Neben den Perspektiven der Förderungvon Kindern und Kleinkindern im schu-lischen, vor- und außerschulischen Be-reich sollen die Entwicklungsförderungvon Jugendlichen, Heranwachsendenund Erwachsenen sowie Integration,Lebens- und Arbeitsgestaltung inhaltli-cher Schwerpunkt sein.

Bei dieser Tagung wird es ein Rah-menprogramm für Kinder, Jugendlicheund junge Erwachsene mit Down-Syn-drom geben. Für Fachvorträge undWorkshops sind eine Reihe namhafte Re-ferentinnen und Referenten eingeladen.

Näheres zum Programmablauf, An-meldeverfahren usw. erfahren Sie abMärz 2002 beim:Down-Syndrom-Netzwerk e.V. Eifgenweg 1a, 51061 KölnFax: 02 21 / 600 23 61E-Mail: [email protected]: www.down-syndrom-netzwerk.de

Der Veranstaltungsort ist die UniversitätPotsdam am Neuen Palais. Es ist rat-sam, sich die Unterkunft frühzeitig zureservieren, da das Angebot an günsti-gen Übernachtungsmöglichkeiten in un-mittelbarer Umgebung begrenzt ist. Fürdie Zimmerreservierung wenden Siesich bitte an: Potsdam Tourismus Tel.: 03 31/2 75 58-0

Seminare für Eltern von Kindern mitDown-Syndrom

Wie schon seit vielen Jahren findenauch im Jahre 2002 wieder einige Se-minare für Eltern von Kindern mit Down-Syndrom bei der Lebenshilfe inMarburg statt. Geleitet werden die Se-minare von Frau Prof. Etta Wilken.

Nach den ersten Jahren28. Februar bis 2. März 2002für Eltern von Kindern mit Down-Syn-drom im Kindergarten- und Schulalter.

In den ersten Jahren

13. bis 15. Juni 2002für Eltern von Kindern mit Down-Syn-drom im Baby- und Kleinkindalter.

Hier bin ich: So lebe ich, so möchte ichleben21. bis 23. November 2002für Eltern von Teenagern mit Down-Syndrom (Altersstufe 15 bis 20 Jahre)Parallel ein Seminar für die Jugendli-chen selbst.Info: Frau Heide BeckerBundesvereinigung LebenshilfeTel.: 0 64 21 / 491-172

Vorträge zu:Kleine Schritte und Lesenlernen

2002 werden wieder einige Vorträgeund Workshops zu dem Frühförderpro-gramm Kleine Schritte und zum ThemaSprachentwicklung/Frühes Lesen statt-finden.Bekannt sind schon folgende Termine:

für Kleine Schritte:Münster, 9. Februar 2002Nürnberg, 23. Februar 2002Mainz, 19. April 2002

für Lesenlernen/Frühes Lesen:Friedberg, 20. April 2002Freiburg, 15. Mai 2002Hamburg, 2. November 2002Informationen beim Deutschen Down-Syndrom InfoCenter: Tel.: 0 91 23 /98 21 21

Integrationssymposium in Bayern19. bis 20. April 2002Pädagogisches Zentrum, Ingolstadt

Das 8. Bayerische Integrationssymposi-um steht unter dem Moto „Vom Integra-tionskindergarten zur Integrationsfir-ma“. Außer Fachvorträgen von Prof.Andreas Hinz, Prof. Hans Wocken undProf. Herbert Tschampler finden zahl-reiche Workshops zu den Themen Inte-gration behinderter Menschen in Kin-dergarten, Schule, Beruf, Freizeit undWohnen statt.

Die Veranstalter sind der Verein Ge-meinsam Leben – Gemeinsam Lernen,Bayern, der Förderkreis für integrierteErziehung e.V. Ingolstadt und der Mon-tessori-Landesverband Bayern.Info: www.integration-bayern.de Mathias Kluge Tel.: 0 94 84 / 782Rainer Ulherr, Tel.: 08 41 / 491 31 60

„Leben mit Down-Syndrom“ Ausstellung des DS-InfoCenters inWolfenbüttel

Die Informationsausstellung „Leben mitDown-Syndrom“ ist vom 9. bis 27. Fe-bruar 2002 in Wolfenbüttel zu sehen.Ausstellungsort ist die Kommisse in derKommißstraße 5 in 38300 Wolfenbüttel Informationen bei der Arbeitsgemein-schaft Down-Syndrom:Tel.: 0 53 31/4 68 03 oder Tel.: 0 53 31/3 31 45

Moritz Höhne, Schauspieler bei

RambaZamba in „Kkaffee Leben

und Tod“, ein Stück nach den

Phantasien der Spieler.

Theater im Pferdestall Kultur-

Brauerei Berlin, Prenzlauer Berg.

Das Theater RambaZamba

kommt im Oktober nach Nürn-

berg in die Tafelhalle.

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62 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002

Leben mit Down-Syndrom im Angebot

Da wir in unserem Down-Syndrom Info-Center allmählich große Platzproblemehaben, möchten wir unsere Lagerbestän-de wieder etwas abbauen. Deshalb bietenwir die drei Ausgaben der Zeitschrift Leben mit Down-Syndrom aus dem Jahr2000 für Euro 4,– pro Stück (zuzüglichPorto und Versand) an. Sie können dieHefte einzeln oder im Dreierpack bestel-len. Die Themen sind alle noch aktuell.

Heft Nr. 33 / Januar 2000

In dieser Ausgabe wird ausführlich überdas Stillen berichtet. Sie finden hieraußerdem verschiedene Artikel, die sichmit erwachsenen Menschen mit Trisomie21 befassen.Weitere Themen sind u.a.:

Schwierige VerhaltensweisenRoutine und AngewohnheitenAtmungsstörungen im SchlafStörungen des Stirnhirns.

Heft Nr. 34 / Mai 2000

Berichte über das Montessori-Konzeptund die schulische Integration, zwei Arti-kel von Prof. Siegfried Pueschel, Buchbe-sprechungen und Erfahrungsberichte fin-den Sie in dieser Ausgabe.Außerdem:

Down-Syndrom und AutismusNeue Aspekte der schulischenFörderungDas Castillo-Morales-KonzeptBerichte vom 7. DS-Weltkongress

Heft Nr. 35 / September 2000

In diesem Heft geht es u.a. um:(GuK) Gebärdenunterstützte KommunikationZweisprachigkeitKognitive Entwicklung bei KleinkindernVerhaltensweisen bei SchulkindernGesundheitliche Probleme bei erwach-senen Menschen mit Down-SyndromIntegrationDie Adoleszenz und wie man diese Zeitüberlebt

Und weiter: Themen zum Nachdenken,Berichte über Freizeitaktivitäten und vie-le Erfahrungsberichte.

Neue DS-Selbsthilfegruppen

in Düsseldorftriplet – Verein für Menschen mit Down-Syndrom, ihre Familien und FreundeKontakt:Familie Deutzmann/SchumacherTel.: 02 11 / 43 30 04Familie Böcker Tel.: 02 11/57 32 73

in HeidelbergPro Down Heidelberg e.V.An der Tiefburg 469121 HeidelbergFax: 0 62 21/45 22 68

in TitiseeKontakt: Frau Annette StubnerHirschbühlweg 479822 Titisee-Neustadt

in NeuwiedGruppe: Down-Syndrom – na und?Kontakt: Frau Petra GrabisTel.: 0 26 31/ 5 41 01

in StuttgartKontakt:Familie Hauser Tel.: 07 11/8 66 13 15Familie Stepp Tel.: 07 11/47 82 11

in OldenburgKontakt: Frau Martina AhlrichsMeerkamp 92a26133 Oldenburg

in KielK.I.D.S. Kieler Initiative Down-Syndrom Kontakt: Frau Sünne Burmeister Tel.: 0 43 03 / 3 18Frau Inga Böge, Tel.: 0 43 21 / 3 80 44Internet: www.kids-kiel.de

DS-Engagement gewürdigt

Frau des Monats im WDR für Enga-gement in Sachen Down-Syndrom

Das WDR Fernsehen – Frau TV ehrt re-gelmäßig eine Frau des Monats. DieseAuszeichnung steht für besondere Leis-tungen, Tatkraft und Engagement in Po-litik, Beruf, Familie, Kunst oder Sozia-les. Im Monat Dezember wurde FrauMarlies Grieb aus Düsseldorf gewähltfür ihr Engagement in Sachen Down-Syndrom! Nachzulesen bei: www.wdr.de/tv/frautv/fraudesmonats

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002 63

Folgende Informationsmaterialien sind beim DeutschenDown-Syndrom InfoCenter erhältlich:

Euro

Broschüre „Down-Syndrom. Was bedeutet das?“ 7

Neue Perspektiven für Menschen mit Down-Syndrom 20

Videofilm „So wie Du bist“, 35 Min. 20

Albin Jonathan – unser Bruder mit Down-Syndrom 15

Medizinische Aspekte bei Down-Syndrom 3

Das Baby mit Down-Syndrom 3

Das Kind mit Down-Syndrom im Regelkindergarten 3

Herzfehler bei Kindern mit Down-Syndrom 3

Das Stillen eines Babys mit Down-Syndrom 3,50

Sonderheft „Diagnose Down-Syndrom, was nun?“ 10

Erstinformationsmappe 23

GuK – Gebärdenkartensammlung (incl. Porto) 43

Kleine Schritte Frühförderprogramm (incl. Porto) 59

Poster „Down-Syndrom hat viele Gesichter“ A3 2

10 Postkarten „Glück gehabt“ 5

10 Postkarten „Tumur und Stephan“ 5

Posterserie „Down-Syndrom – Na und?“ Format A1 12

Format A2 7

Format A3 5

Down-Syndrom, Fragen und Antworten, pro 10 Stück 0,50

Zeitschrift Leben mit Down-Syndrom ältere Ausgaben 5

+ Porto nach Gewicht und Bestimmungsland

Bestellungen schriftlich an:Deutsches Down-Syndrom InfoCenterHammerhöhe 391207 Lauf / PegnitzTel.: 0 91 23 / 98 21 21Fax: 0 91 23 / 98 21 22

Sie können noch eine Reihe weiterer Informationsmaterialien und Fach-bücher beim Deutschen Down-Syndrom InfoCenter bestellen. Bitte fordernSie unsere Bestellliste an.

Wer Artikel zu wichtigen und interessanten Themen beitragen kann, wird von der

Redaktion dazu ermutigt, diese einzuschicken.

Garantie zur Veröffentlichung kann nicht gegeben werden. Einsendeschluss für die

nächsten Ausgaben von Leben mit Down-Syndrom: 28. Februar 02, 30. Juni 02

Impressum

Herausgeber:Selbsthilfegruppe für Menschen mit Down-Syndrom und ihre Freunde e.V.Erlangen

Redaktion:Deutsches Down-Syndrom InfoCenterHammerhöhe 391207 Lauf / PegnitzTel.: 0 91 23 / 98 21 21Fax: 0 91 23 / 98 21 22E-Mail: [email protected]

Wissenschaftlicher Redaktionsrat:Ines Boban, Prof. Werner Dittmann, Dr. Wolfgang Storm, Prof. Etta Wilken

Repros und Druck:Fahner Druck GmbHNürnberger Straße 1991207 Lauf an der Pegnitz

Erscheinungsweise:Dreimal jährlich, zum 30. Januar, 30. Mai und 30. SeptemberDie Zeitschrift ist gegen eine Spende beider Selbsthilfegruppe erhältlich.

Bestelladresse:Deutsches Down-Syndrom InfoCenterTel.: 0 91 23 / 98 21 21 Fax: 0 91 23 / 98 21 22

Die Beiträge sind urheberrechtlich ge-schützt. Alle Rechte vorbehalten. Nach-druck oder Übernahme von Texten für Internetseiten nur nach Einholung schrift-licher Genehmigung der Redaktion. Mei-nungen, die in Artikeln und Zuschriftengeäußert werden, stimmen nicht immermit der Meinung der Redaktion überein.

Die Redaktion behält sich vor, Leser-briefe gekürzt zu veröffentlichen undManuskripte redaktionell zu bearbeiten.

ISSN 1430 - 0427

Vorschau Für die nächste Ausgabe (Mai 2002) von Leben mit Down-Syndrom sind geplant:

… Ernährung/Gewichtskontrolle

… Lernaspekte – Vom Umgang mit Schülern mit Down-Syndrom

… Hautprobleme bei Kindern mit Down-Syndrom

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64 Leben mit Down-Syndrom Nr. 39, Jan. 2002

Ja, ich möchte Ihre Arbeit mit einer Spende von .......... Euro unterstützen:

Name (Blockschrift) ……………………………………………………………………………………………….....................…………Unser Kind mit DS ist am ...............………...........…….. geboren und heißt ……………………………..…….........……….Straße ………………………………………………………………………………………………………………............................... PLZ/Ort/(Staat) ………………………………………………………………… Tel./Fax ……………………............….................

‘ Bei einer Spende ab EURO 25,– erhalten Sie regelmäßig unsere Zeitschrift

InlandIch bin damit einverstanden, dass meine Spende jährlich von meinem Konto abgebucht wird.

(Diese Abbuchungsermächtigung können Sie jederzeit schriftlich widerrufen.)

Konto Nr. ……………………………………………….. BLZ ……………………………………..............………...........Bankverbindung ………………………………………………Konto-Inhaber ………………………………............................

Meine Spende überweise ich jährlich selbst: Konto der Selbsthilfegruppe Nr. 50-006 425, BLZ 763 500 00

bei der Sparkasse Erlangen. Unter Verwendungszweck „Spende” Ihren Namen und Ihre Anschrift eintragen.

Ausland (Spende ab Euro 30,–)Postanweisung oder Überweisung auf das Konto der Selbsthilfegruppe Nr. 50-006 425, BLZ 763 500 00

bei der Sparkasse Erlangen. Unter Verwendungszweck „Spende” und Ihren Namen und Ihre Anschrift eintragen

Datum ……………………………… Unterschrift ……………………………………………………..................................…....

Ihre Spende ist selbstverständlich abzugsfähig. Die Selbsthilfegruppe ist als steuerbefreite Körperschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschafts-

steuergesetzes beim FA Erlangen anerkannt. Bei Spenden über Euro 50,– erhalten Sie automatisch eine Spendenbescheinigung.

Bitte ausgefülltes Formular auch bei Überweisung/Scheck unbedingt zurückschicken an: Deutsches Down-Syndrom InfoCenter, Hammerhöhe 3, 91207 Lauf (Tel. 0 91 23/98 21 21, Fax 0 91 23/98 21 22)

Dreimal jährlich erscheint die Zeitschrift Leben mit Down-Syndrom,in der auf ca. 60 Seiten Informationen über das Down-Syndromweitergegeben werden.

Die Themen umfassen Förderungsmöglichkeiten, Sprachentwick-lung, medizinische Probleme, Integration, Ethik u.a. Wir geben die neuesten Erkenntnisse aus der Down-Syndrom-Forschung aus dem In- und Ausland wieder. Außerdem werden neue Büchervorgestellt, gute Spielsachen oder Kinderbücher besprochen sowie über Kongresse und Tagungen informiert. Vervollständigt wirddiese informative Zeitschrift durch Erfahrungsberichte von Eltern.

Ihre Spende ist selbstverständlich abzugsfähig. Die Selbsthilfe-gruppe ist als steuerbefreite Körperschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftssteuergesetzes beim FA Erlangen anerkannt.

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www.ds-infocenter.de

Antworten auf die wichtigstenFragen zum Thema Down-Syndrom,kurz und verständlich –zusammengefasst in einem Flyer

d e u t s c h e s

i n f o c e n t e rdown-syndrom

DownSyndrom

?Die wichtigsten

Fragen und Antworten

in Kürze


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