+ All Categories
Home > Documents > Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte...

Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte...

Date post: 14-Jun-2020
Category:
Upload: others
View: 0 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
74
DE Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine Landscape-Analyse der EU-Regelungen zur Rechenschaftspflicht und zur öffentlichen Finanzkontrolle Landscape- Analyse 2014 EUROPÄISCHER RECHNUNGSHOF
Transcript
Page 1: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

DE

Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine Landscape-Analyse der EU-Regelungen zur Rechenschaftspflicht und zur öffentlichen Finanzkontrolle

Landscape-Analyse

2014

EUROPÄISCHERRECHNUNGSHOF

Page 2: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

EUROPÄISCHER RECHNUNGSHOF12, rue Alcide De Gasperi1615 LuxembourgLUXEMBURG

Tel. +352 4398-1

E-mail: [email protected]: http://eca.europa.eu

Twitter: @EUAuditorsECAYouTube: EUAuditorsECA

Zahlreiche weitere Informationen zur Europäischen Union sind verfügbar über Internet,Server Europa (http://europa.eu).

Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2014

ISBN 978-92-872-0952-8doi:10.2865/18082

© Europäische Union, 2014Nachdruck mit Quellenangabe gestattet.

Die Genehmigung zur Wiederverwendung oder Vervielfältigung der Abbildung 1 muss direkt beim Copyright-Inhaber eingeholt werden.

Printed in Luxembourg

Page 3: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

DE 2014

Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine Landscape-Analyse der EU-Regelungen zur Rechenschaftspflicht und zur öffentlichen Finanzkontrolle

Landscape-Analyse

Page 4: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

02Inhalt

Seite

Abkürzungen

I–IX Zusammenfassung

1–6 Einleitung

2–5 Zweck der Landscape-Analyse

6 Zur Struktur dieses Berichts

7–24 Teil I – Rechenschaftspflicht und öffentliche Finanzkontrolle

7–10 Öffentliche Rechenschaftspflicht

11–14 Der Beitrag der öffentlichen Finanzkontrolle zur Rechenschaftspflicht

15–18 Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle in Bezug auf den Haushalt der EU

19–24 EU-Rechenschaftspflicht über den EU-Haushalt hinaus – Kontrolle über Stellen, Instrumente, politische Maßnahmen, Umsetzung und Ergebnisse

25–149 Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

25–27 Der Appell zur Verbesserung der Rechenschaftspflicht der EU

28–29 Die größten Herausforderungen für Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

30–42 1. Von der EU und den Mitgliedstaaten koordinierte Maßnahmen

34–36 Koordinierung der Strategie Europa 2020

37–38 Finanz- und wirtschaftspolitische Koordinierung im Rahmen des Europäischen Semesters

39–42 Zwischenstaatliche Instrumente

43–65 2. In Partnerschaft mit anderen verwaltete EU-Mittel

45–50 Externe Partnerschaften

51–65 Einwerbung von Finanzmitteln des Privatsektors

66–76 3. Die EU der verschiedenen Geschwindigkeiten und die variable Architektur der Politik

68–69 Unterschiedliche Integrationsstufen in den Mitgliedstaaten in verschiedenen Politikbereichen

70–76 Euro, finanzpolitische Steuerung und demokratische Aufsicht

Page 5: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

03Inhalt

77–114 4. Regelungen zur Rechenschaftspflicht für Organe und Einrichtungen der EU

78–82 Entlastungsverfahren für die Organe und sonstigen Einrichtungen der EU

83–86 Organe und Einrichtungen der EU, die nicht dem parlamentarischen Entlastungsverfahren unterliegen

87–102 Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der Europäischen Zentralbank

103–110 Regelungen zur Rechenschaftspflicht und zur Finanzkontrolle der Europäischen Investitionsbank und des Europäischen Investitionsfonds

111–114 Unverhältnismäßige Kontrolle und Rechnungsprüfung bei kleineren Stellen und Haushalten

115–139 5. EU-Regelungen im Bereich des Finanzmanagements und der Finanzkontrolle

116–117 Die Zuverlässigkeit der Rechnungsführung

118–132 Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Vorgänge

133 Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung

134–139 Der Rechtsrahmen für den EU-Haushaltsplan

140–149 6. Auswirkungen und Ergebnisse von EU-Politiken

142–147 Herausforderungen bei der Messung der Auswirkungen und Ergebnisse des EU-Haushalts

148–149 Die Herausforderung bei der Messung der Auswirkungen von Regelungsinstrumenten

150–183 Teil III – Herausforderungen im Zusammenhang mit der Antwort der EU auf die Finanzkrise

151 Die Kette der Ereignisse und die Reaktionen der EU

152–160 Regulierung und Überwachung des Finanzsektors

161–169 Mechanismen zur finanziellen Unterstützung für Mitgliedstaaten

170–183 Verstärkte wirtschafts- und finanzpolitische Überwachung

172 Verstärkte Maßnahmen zur finanz- und wirtschaftspolitischen Koordinierung auf EU-Ebene

173 Das Europäische Semester

174–183 Verlässliche volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen und Statistiken

184–186 Teil IV – Schlussfolgerungen und Überlegungen

Anhang – Liste der EU-Agenturen

Page 6: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

04Abkürzungen

AdR: Ausschuss der Regionen

AEUV: Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

BIP: Bruttoinlandsprodukt

BoP: Balance of Payments mechanism (Zahlungsbilanz‑Mechanismus)

CCI: Convergence and Competitiveness Instrument (Instrument für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit)

CRD IV: Capital Requirements Directive IV (Eigenkapitalrichtlinie IV)

CRIS: Common Relex Information System (Gemeinsames RELEX‑Informationssystem)

CRR: Capital Requirements Regulation (Eigenkapitalverordnung)

CTBTO: Comprehensive Nuclear‑Test‑Ban Treaty Organization (Organisation des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen)

DAS: Zuverlässigkeitserklärung (Déclaration d‘assurance)

EAD: Europäischer Auswärtiger Dienst

EBA: Europäische Bankenaufsichtsbehörde

EDA: European Defence Agency (Europäische Verteidigungsagentur)

EDP: Entrepreneurship Development Programme (Programm zur Entwicklung des Unternehmertums)

EFRE: Europäischer Fonds für regionale Entwicklung

EFSF: Europäische Finanzstabilisierungsfazilität

EFSM: Europäischer Finanzstabilisierungsmechanismus

EG: Europäische Gemeinschaft

EIB: Europäische Investitionsbank

EIOPA: European Insurance and Occupational Pensions Authority (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung)

EP: Europäisches Parlament

EPSAS: European Public Sector Accounting Standards (Europäische Rechnungsführungsgrundsätze für den öffentlichen Sektor)

ESA: European Supervisory Authority (Europäische Aufsichtsbehörde)

ESF: Europäischer Sozialfonds

ESFS: European System for Financial Supervision (Europäisches Finanzaufsichtssystem)

ESM: Europäischer Stabilitätsmechanismus

ESMA: European Securities and Markets Authority (Europäische Wertpapier‑ und Marktaufsichtsbehörde)

ESRB: European Systemic Risk Board (Europäischer Ausschuss für Systemrisiken)

ESZB: Europäisches System der Zentralbanken

EU: Europäische Union

EuGH: Europäischer Gerichtshof

EuRH: Europäischer Rechnungshof

EUISS : European Institute for Securities Studies (Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien)

EUSC: European Union Satellite Centre (Satellitenzentrum der Europäischen Union)

EWSA: Europäischer Wirtschafts‑ und Sozialausschuss

EZB: Europäische Zentralbank

FFR: Financial Framework regulation (Verordnung über den Finanzrahmen)

FI: Finanzierungsinstrument

FSB: Financial Stability Board (Finanzstabilitätsrat)

FuE: Forschung und Entwicklung

GD DEVKO: Generaldirektion Entwicklung und Zusammenarbeit

Page 7: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

05Abkürzungen

GD ECFIN: Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen

GSR: Gemeinsamer strategischer Rahmen

HO: Haushaltsordnung (gilt für den Gesamthaushaltsplan der Union nebst Anwendungsbestimmungen)

IAEO: Internationale Atomenergie‑Organisation

IPSAS: International Public Sector Accounting Standards (Internationale Rechnungsführungsgrundsätze für den öffentlichen Sektor)

ISA: International Standards on Auditing (Internationale Prüfungsgrundsätze)

ISSAI: International Standards of Supreme Audit Institutions (Internationale Normen für Oberste Rechnungskontrollbehörden)

IT: Informationstechnologie

IWF: Internationaler Währungsfonds

KMU: Kleine und mittlere Unternehmen

MFR: Mehrjähriger Finanzrahmen

MIP: Macroeconomic Imbalances Procedure (Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht)

MS: Mitgliedstaat

MVW: Massenvernichtungswaffen

NKB: Nationale Kontrollbehörde

NRP: Nationales Reformprogramm

NSA: National Supervisory Authorities (Nationale Aufsichtsbehörden)

ODA: Official Development Assistance (Öffentliche Entwicklungshilfe)

ÖPP: Öffentlich‑private Partnerschaft

ORKB: Oberste Rechnungskontrollbehörde

RAL: Reste à Liquider (noch abzuwickelnde Mittelbindungen)

RRD: Recovery and Resolution Directive (Abwicklungsrichtlinie)

SKSV: Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts‑ und Währungsunion

SMART: konkret, messbar, erreichbar, sachgerecht und mit einem Datum versehen (specific, measurable, achievable, relevant and timely)

SSM: Single Supervisory Mechanism (Einheitlicher Aufsichtsmechanismus)

UN: Vereinte Nationen

UNFCC: United Nation Framework Convention on Climate Change (Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen)

UNSCR 1540: United Nations Security Council Resolution 1540 (Resolution 1540 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen)

US: Vereinigte Staaten

WB: Weltbank

WWU: Wirtschafts‑ und Währungsunion

Page 8: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

06Zusammenfassung

IDies ist die erste vom Europäischen Rechnungshof (EuRH) erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend von Recherchen und Erfahrungswerten des Hofes werden darin breit angelegte Themenfelder im Zusammenhang mit Fragen behandelt, die unmittelbar mit den Aufgaben des Hofes verbunden sind. Diese Landscape‑Analyse befasst sich mit den „EU‑Regelungen zur Rechenschafts‑pflicht und zur Finanzkontrolle“; eine zweite Landscape‑ Analyse, die die „Risiken für den Gesamthaushalt der EU“ behandelt, wird in den kommenden Monaten veröffent‑licht werden.

IIGegenstand dieser Analyse sind die für die Strategien, Instrumente, Stellen der Europäischen Union (EU) und entsprechenden öffentlichen Finanzmittel maßge‑benden Regelungen zur Rechenschaftspflicht und zur Finanzkontrolle sowie die damit verbundenen Heraus‑forderungen. Für die Zwecke dieser Analyse bezieht sich Rechenschaftspflicht vorwiegend auf die demokratische (insbesondere parlamentarische) Beaufsichtigung poli‑tischer Strategien und Tätigkeiten öffentlicher Stellen, während öffentliche Finanzkontrolle die Prüfung der Rechnungsführung und die Wirtschaftlichkeitsprüfung von politischen Strategien und entsprechenden öffentli‑chen Mitteln sowie deren Verknüpfung mit dem Rechen‑schaftsprozess betrifft.

IIIZiel dieser Analyse ist es, ein Bewusstsein für die Heraus‑forderungen im Zusammenhang mit den EU‑Regelungen für die Rechenschaftspflicht und die Finanzkontrolle zu schaffen und Anstoß zu diesbezüglichen Überlegungen zu geben. Es werden daher in diesem Fall keine „Prü‑fungsempfehlungen“ ausgesprochen, sondern es wird auf einige Fragen hingewiesen, die von den auf EU‑Ebene maßgeblichen politischen Entscheidungsträgern, den rechtsetzenden Organen und den Vertretern der „Audit‑gemeinde“ in Angriff genommen werden sollten.

IVDas vorliegende Dokument gliedert sich in vier zusam‑menhängende Abschnitte: Teil I beschreibt die Verknüp‑fungen zwischen Rechenschaftspflicht und öffentlicher Finanzkontrolle. Es werden darin sechs Schlüsselele‑mente für eine solide Kette der Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle ermittelt. In Teil II werden sechs wichtige Bereiche beschrieben, in denen auf EU‑Ebene Heraus‑forderungen in Bezug auf die Rechenschaftspflicht und die öffentliche Finanzkontrolle bestehen. Teil III befasst

sich mit den Regelungen für die Rechenschaftspflicht und die Finanzkontrolle in Bezug auf die verschiedenen neuen EU‑ und zwischenstaatlichen Instrumente, die als Reaktion auf die Finanzkrise rasch entwickelt wurden. Der letzte Teil enthält die Schlussfolgerungen dieser Analyse.

VDie sechs Elemente einer soliden Kette der Rechen-schaftspflicht und der Finanzkontrolle sind

i) klare Definition von Funktionen und Zuständigkeiten;

ii) Zuverlässigkeitserklärungen des Managements hinsichtlich der Erreichung politischer Zielset‑zungen (finanzielle und leistungsbezogene Berichterstattung);

iii) umfassende demokratische Aufsicht;

iv) Vorliegen von Feedback‑Schleifen, um korrektive Maßnahmen/Verbesserungen zu ermöglichen;

v) ein starkes Mandat für unabhängige externe Prüfer zur Prüfung der Rechnungsführung, der Einhaltung der Rechtsvorschriften (Compliance) und der Wirt‑schaftlichkeit und

vi) Umsetzung von Prüfungsempfehlungen und Wei‑terverfolgung von Prüfungen.

Diese Elemente veranschaulichen die Verknüpfung zwi‑schen der Rechenschaftspflicht und der Rolle der öffentli‑chen Finanzkontrolle zur Unterstützung dieses allgemei‑neren Prozesses und können dazu beitragen, ein Modell zum Testen neuer Regelungen zur Rechenschaftspflicht und zur Finanzkontrolle in der Zukunft zu entwerfen.

VIDie sechs wichtigen Bereiche, in denen auf EU-Ebene Herausforderungen in Bezug auf die Rechenschafts-pflicht bestehen, sind folgende:

i) Die von der EU und den Mitgliedstaaten ko-ordinierten Maßnahmen sind Instrumente, die entweder innerhalb des Rechtsrahmens der EU liegen oder auf zwischenstaatlichen Überein‑kommen beruhen, oder eine Kombination davon. Solche Strukturen entstehen aus einer Vielfalt von Gründen, können aber auf einem fragmentierten System parlamentarischer Kontrolle und öffentli‑cher Finanzkontrolle fußen.

Page 9: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

07Zusammenfassung

ii) EU-Mittel werden im Rahmen einer Partner-schaft mit anderen Akteuren verwaltet, zum Beispiel internationalen Organisationen, Drittlän‑dern und privaten Partnern. Sie können nicht auf dieselbe Weise und in demselben Ausmaß dem demokratischen Prozess und Prüfungsprozess der EU unterliegen wie direkte EU‑Haushaltsausgaben. Um das auszugleichen, müssen die eigenen Syste‑me der Partner für die Rechenschaftspflicht und die Finanzkontrolle ausreichend und zuverlässig sein.

iii) Politische Strategien werden von einem Teil der EU‑Mitgliedstaaten umgesetzt („Europa der ver-schiedenen Geschwindigkeiten“). Das Euro‑Wäh‑rungsgebiet ist ein Beispiel für einen komplexen politischen Aufbau und Steuerungsmechanismen, an denen nicht alle Mitgliedstaaten der EU beteiligt sind.

iv) Das institutionelle Gefüge der EU umfasst eine zunehmende Anzahl von Einrichtungen. Für Grup‑pen von EU‑Einrichtungen gelten verschiedene Regelungen in Bezug auf die Rechenschaftspflicht und die Finanzkontrolle, zum Beispiel je nach Ein‑nahmenquelle. Unterschiede zwischen Rechnungs‑führungs‑, Prüfungs‑ und Entlastungsregelungen können unverhältnismäßige Kontrollniveaus, Lücken und Überschneidungen zur Folge haben.

v) Das Finanz- und Leistungsmanagement im Be-reich der EU-Haushaltsführung unterliegt umfas‑senden Vorschriften zur parlamentarischen Kontrol‑le und Prüfung. Herausforderungen bestehen nach wie vor im Hinblick auf die Straffung der an erster Stelle auf Ebene der Mitgliedstaaten stattfindenden Abläufe im Zusammenhang mit der Governance, der Rechenschaftspflicht und der Prüfung. Dies gilt für die Einnahmen, besonders aber für Ausgaben im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung. Primär‑kontrollen sind in einigen Mitgliedstaaten nach wie vor unzulänglich und tragen trotz kostspieliger Prüfungsüberschneidungen nicht zur Ermittlung und Behebung von Fehlern bei.

vi) Outputs, Auswirkungen und Ergebnisse poli-tischer Strategien beruhen auf Instrumenten außerhalb des Haushalts. Der EU‑Haushalt bildet nur einen Teil der Ressourcen, die zu den Ergeb‑nissen politischer Initiativen der EU beitragen (zu den weiteren zählen nationale Haushaltsmittel der Mitgliedstaaten sowie Unterstützung aus privaten Quellen). Außerdem können politische Strategien auch ausschließlich auf Rechts‑ und Regelungs‑instrumenten beruhen. Ein umfassendes System der Finanzkontrolle und der Rechenschaftspflicht,

bei dem das Hauptaugenmerk auf den Ergebnis‑sen liegt, muss all diese politischen Bestandteile gemeinsam bewerten.

VIIDurch die Antwort der EU auf die Finanzkrise wurde die Schaffung neuer EU‑ oder zwischenstaatlicher Ins‑trumente mit spezifischen Regelungen für die Rechen‑schaftspflicht und die Finanzkontrolle beschleunigt. Bestimmte zwischenstaatliche Instrumente werden direkt von den Mitgliedstaaten finanziert (EZB, EIB, ESM, SSM), und obwohl sie in Bezug auf den EU‑Haushalt weniger ins Gewicht fallen, erfordern sie umfassende demokratische Kontrolle und öffentliche Finanzkontrolle in einem angemessenen Umfang, was das Verhältnis zwi‑schen solchen Instrumenten und Rolle sowie Funktionen bestimmter EU‑Organe und ‑Einrichtungen, den Umfang der derartigen supranationalen Instrumenten unterlie‑genden öffentlichen Mittel sowie ihre Verknüpfung mit EU‑Zielsetzungen und Systemrisiken betrifft.

VIIIEinige allgemeine Schlussfolgerungen hinsichtlich der Frage, wie die Rechenschaftspflicht und die öffentliche Finanzkontrolle auf EU‑Ebene verbessert werden können, lauten u. a. wie folgt:

— Für koordinierte oder zwischenstaatliche Instrumen‑te könnte ein Kontrollsystem (parlamentarische Aufsicht und öffentliche Finanzkontrolle) erforderlich sein, das auf die verstärkte Zusammenarbeit zwi‑schen der EU und den Mitgliedstaaten abstellt.

— Es bedarf stärker aufeinander abgestimmter, umfassender Regelungen in Bezug auf sämtliche EU‑Politikbereiche, Instrumente und Mittel, die von den Organen und Einrichtungen der EU verwaltet werden. Parlamente und Prüfer des öffentlichen Sek‑tors sollten in der Lage sein, sämtliche mit diesen Tä‑tigkeiten verbundenen Aspekte der wirtschaftlichen Haushaltsführung und alle öffentlichen Finanzen und Ressourcen innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs zu bewerten.

— Bessere Verwaltungs- und Kontrollsysteme im Hinblick auf Aktivitäten und Mittel der EU sind Voraussetzung für Transparenz, verantwortungs‑volles Verwaltungshandeln und Rechenschafts‑pflicht. Zur Verbesserung der Rechenschaftspflicht für den EU‑Haushalt sind eine bessere Gliederung von Zielsetzungen, Kontrollen hinsichtlich der Einhaltung von Regeln, eine bessere Messung der Wirkung und Ergebnisse sowie eine Verbesserung

Page 10: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

08Zusammenfassung

der damit verbundenen internen Kontroll‑ und Be‑richterstattungssysteme notwendig. Dies sollte von allen Parteien, die an der Verwaltung und Kontrolle von EU‑Mitteln beteiligt sind, angestrebt werden, insbesondere von Mitgliedstaaten in Bezug auf ihre Verantwortung für das Ausgeben von EU‑Mitteln (besonders jene unter geteilter Mittelverwaltung).

— Im Hinblick auf die Bemessung der Auswirkungen und Ergebnisse politischer Strategien der EU, bei denen der EU‑Haushalt eine relativ geringe Rolle spielt, für die es jedoch auf EU‑Ebene wichtige regulatorische oder rechtliche Bestimmungen gibt, ist eine Schwerpunktsetzung erforderlich. Die Rechenschaftspflicht für politische Strategien der EU verlangt daher, dass die Parlamente sowohl auf EU‑Ebene als auch auf nationaler Ebene eine umfas‑sende Kontrolle über europäische Instrumente aus‑üben. Dies mag Zusammenarbeit in einem Umfang erfordern, der in der bestehenden Architektur für die Rechenschaftspflicht und die Finanzkontrolle von EU‑ und zwischenstaatlichen europäischen Instru‑menten nicht vorgesehen ist.

— Eine Verringerung kostspieliger Prüfungsüber-schneidungen für politische Strategien und Mittel der EU erfordert, dass alle dafür zweckdienlichen Möglichkeiten untersucht werden, indem in erster Linie sichergestellt wird, dass Prüfer jeder Ebene sich ausreichend auf die Arbeit der anderen Prüfer ver‑lassen können. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten der Hof und nationale Rechnungskontrollbehörden ihre Zusammenarbeit verstärken.

IXDiese Analyse zeigt eine Agenda für einen potenziellen Dialog und die weitere Ausarbeitung möglicher künftiger Lösungen auf.

Page 11: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

09Einleitung

01 Als unabhängiger externer Prüfer der Europäischen Union (EU) trägt der Europäische Rechnungshof (EuRH) zur Transparenz und Rechenschaftspflicht des Verwaltungs‑handelns der EU bei. Dieses Engagement bildet das Herzstück der regelmäßigen Prüfungen der Einnahmen und Ausgaben der EU durch den Hof. Die Zeit nach der Finanzkrise ist ein geeigneter Zeitpunkt, um eine Bestandsaufnahme bestehender EU‑Regelungen zur öffentlichen Rechenschaftspflicht und zur Finanzkontrolle vorzu‑nehmen, um diese in der Zukunft zu verbessern.

Zweck der Landscape-Analyse

02 Landscape‑Analysen sind ein neues Produkt des Hofes. Sie befassen sich mit breit angelegten Themenfeldern und basieren auf der Recherchearbeit und dem Wissens‑ und Erfahrungsschatz des Hofes.

03 Dies ist die erste von zwei solcher Landscape‑Analysen. Die vorliegende Analyse ist den „EU‑Regelungen zur Rechenschaftspflicht und zur öffentlichen Finanzkontrolle“ gewidmet, die andere hingegen den „Risiken für die EU‑Haushaltsführung“.

04 Die Analysen stellen eine wichtige Basis für Konsultationen und den Dialog mit dem Adressatenkreis des Hofes sowie für die zukünftige Prüfungsarbeit des Hofes dar. Sie helfen dem Hof, Bemerkungen über Fragen vorzulegen, die nicht notwendigerweise per se einer Prüfung unterliegen, aber dennoch für die öffentliche Rechenschafts‑pflicht und den Prüfungsauftrag des Hofes von Bedeutung sind.

05 Mit der Bewertung der gegenwärtigen EU‑Regelungen zur Rechenschaftspflicht und zur Finanzkontrolle sowie der Ermittlung damit verbundener Herausforderungen ver‑folgt diese Analyse das Ziel, weitere Überlegungen und eine Debatte über ein Thema anzuregen, das für die demokratische Legitimität des institutionellen Systems der EU von größter Bedeutung ist. Es werden daher keine spezifischen „Prüfungsempfehlun‑gen“ ausgesprochen, sondern es wird auf einige Fragen hingewiesen, die von den auf EU‑Ebene maßgeblichen politischen Entscheidungsträgern, Rechtsetzungsorganen und den Vertretern der „Auditgemeinde“ in Angriff genommen werden sollten.

Page 12: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

10Einleitung

Zur Struktur dieses Berichts

06 Dieser Bericht gliedert sich in vier Teile:

ο Teil I beschreibt die wesentlichen Merkmale eines Rahmens zur Rechenschafts‑pflicht, die Rolle der öffentlichen Finanzkontrolle bei der Verbesserung der Rechenschaftspflicht und die derzeit auf EU‑Ebene bestehenden Regelungen zur Rechenschaftspflicht und zur Finanzkontrolle.

ο Teil II betrifft die öffentliche Debatte über eine Stärkung der Rechenschafts‑pflicht auf EU‑Ebene und hebt die wesentlichen Herausforderungen für die öffentliche Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle hervor, die vom Hof ermit‑telt wurden. Diese umfassen die Rechenschaftspflicht und die Finanzkontrolle in Bezug auf die zwischenstaatlichen Maßnahmen von EU‑Mitgliedstaaten, die Auswirkungen und Ergebnisse der EU‑Politik, die Zusammenarbeit mit externen Partnern, die Einwerbung privatwirtschaftlicher Finanzierungen zur Ergänzung öffentlicher Investitionen und neue Stellen oder Zuständigkeiten der EU.

ο In Teil III werden infolge der Finanzkrise aufgekommene Herausforderungen und die Reaktion der EU bis heute beschrieben, insbesondere in Bezug auf die Sicher‑stellung finanzieller Stabilität, die Stärkung der Aufsicht über den Finanzsektor und die Verbesserung der finanz‑ und wirtschaftspolitischen Aufsicht.

ο Teil IV bietet einen Überblick über die Herausforderungen und notwendigen Überlegungen für die Zukunft.

Page 13: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

11Teil I – Rechenschaftspflicht und öffentliche Finanzkontrolle

Öffentliche Rechenschaftspflicht

07 In einem allgemeinen Modell (siehe Abbildung 1) wird Rechenschaftspflicht als das Verhältnis zwischen Akteuren und einem Forum beschrieben, wobei die Akteure das Forum über ihr Gebaren und ihre Leistung informieren. Das Forum verfügt über die Autorität, über die Akteure zu urteilen, und verlangt von diesen erforderlichenfalls, korrektive Maßnahmen zu ergreifen.

Rechenschaftspflicht als soziale Beziehung: wesentliche Dimensionen

Abb

ildun

g 1

Akteur Forum

Informieren über Verhalten Diskussion Beurteilung

FolgenInformelle

Formelle

© Prof. Mark A. P. Bovens (siehe Abbildung „Analysing and Assessing Accountability: A Conceptual Framework‘, European Law Journal, Vol. 13, Nr. 4, Juli 2007, S. 454).

08 Anhand dieses Modells können einige wichtige Herausforderungen in Verbindung mit Systemen der Rechenschaftspflicht im Allgemeinen bewertet werden:

— Akteure in öffentlichen Einrichtungen können mit der Schwierigkeit konfrontiert sein, dass sie mit verschiedenen Ebenen und Dimensionen des Verwaltungshan‑delns und mit mehreren Foren für die Kontrolle von Maßnahmen zu tun haben, d. h. mit „vielen Augen“, die für die Aufsicht zuständig sind.

— Für Parlamente und sonstige Behörden, die für die Kontrolle öffentlicher Stellen verantwortlich sind, besteht die Herausforderung in Exekutivstrukturen, die sich aus mehreren Parteien oder mehreren Ebenen zusammensetzen, was es schwerer macht, zu bestimmen, wer rechenschaftspflichtig ist. Dies wird häufig als Prob‑lem der „vielen Hände“ bezeichnet.

— Eine weitere Herausforderung betrifft die Frage, worüber Rechenschaft abzule‑gen ist. Parlamente können vor der Entscheidung stehen, ihren Fokus entweder auf die Kontrolle von Inputs – besonders finanzielle Inputs – oder aber auf Aus‑wirkungen und Ergebnisse zu richten.

— Die Herausforderung der Sicherstellung der Rechenschaftspflicht geht über die gesetzlich vorgeschriebene und parlamentarische Kontrolle hinaus. Öffentliche Stellen stehen vor der Herausforderung, Beziehungen mit der Öffentlichkeit im Allgemeinen sowie mit ihren Angestellten, Hauptkunden und sonstigen Betei‑ligten handhaben zu müssen.

Page 14: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

12Teil I – Rechenschaftspflicht und öffentliche Finanzkontrolle

1 ISSAI 12: Der Wert und Nutzen von ORKB – Bewirkung einer Veränderung im Leben der Bürgerinnen und Bürger, INTOSAI, März 2013, Präambel, Absatz 2.

2 ISSAI 1: Die Deklaration von Lima.

3 ISSAI 12: Der Wert und Nutzen von ORKB – Bewirkung einer Veränderung im Leben der Bürgerinnen und Bürger, Präambel, Absatz 1, angenommen anlässlich des XXI. INCOSAI 2013.

09 Diese Fragen und die damit verbundenen Probleme sind auf EU‑Ebene noch eine Spur komplexer. Wie nachstehend in den Teilen II und III erklärt wird, treten in den institutionell komplexen Systemen der EU Herausforderungen auf, sobald ein Mangel an Klarheit über die Rollenverteilung, eine Überschneidung von Funktionen oder Lücken in Bezug auf Kontrolle und Aufsicht vorliegen.

10 In der Präambel der kürzlich erschienenen Internationalen Norm für Oberste Rech‑nungskontrollbehörden (ISSAI 12) wird Rechenschaftspflicht wie folgt beschrieben: „In einer Demokratie werden Strukturen geschaffen und gewählte Vertreter sind befugt, den Willen des Volkes zu implementieren und durch legislative und exekutive Organe in ihrem Auftrag zu handeln. Ein bei Institutionen des öffentlichen Sektors in einer Demokratie zu berücksichtigendes Risiko ist, dass Macht und Ressourcen schlecht verwaltet oder missbraucht werden können, was zu einem Vertrauensver‑lust führt, der den Kern des demokratischen Systems untergraben kann. Deshalb ist es entscheidend, dass die Bürgerinnen und Bürger eines Landes ihre Vertreter zur Rechenschaft ziehen können. Demokratisch gewählte Vertreter können nur zur Re‑chenschaft gezogen werden, wenn sie wiederum diejenigen zur Rechenschaft ziehen können, die ihre Entscheidungen umsetzen.“1

Der Beitrag der öffentlichen Finanzkontrolle zur Rechenschaftspflicht

11 Öffentliche Finanzkontrolleinrichtungen sind ein wichtiger Bestandteil der Rechen‑schaftspflicht. Ihr Hauptziel ist es, eine unabhängige, wirksame und glaubwürdige Kontrolle der öffentlichen Ressourcen bereitzustellen2.

12 In der ISSAI 12 wird die Rolle der öffentlichen Finanzkontrolle in Bezug auf die Re‑chenschaftspflicht wie folgt erklärt: „Die öffentliche Finanzkontrolle, für die sich die Obersten Rechnungskontrollbehörden (ORKB) einsetzen, sind ein wichtiger Faktor, wenn es darum geht, im Leben der Bürgerinnen und Bürger Veränderungen zu be‑wirken. Die Prüfung von staatlichen Organen und Organen des öffentlichen Sektors durch ORKB hat positive Auswirkungen auf das Vertrauen in der Gesellschaft, da sie sich an die Hüter öffentlicher Ressourcen richtet und wie gut diese die Ressourcen verwenden. Dieses Bewusstsein unterstützt wünschenswerte Werte und bestärkt die Rechenschaftspflicht, was wiederum zu besseren Entscheidungen führt. Sobald die Prüfungsergebnisse veröffentlicht worden sind, können die Bürgerinnen und Bürger die Hüter öffentlicher Ressourcen zur Rechenschaft ziehen. So fördern ORKB die Ef‑fizienz, Rechenschaftspflicht, Wirksamkeit und Transparenz der öffentlichen Verwal‑tung. Eine unabhängige, wirksame und glaubwürdige ORKB ist deshalb ein wesent‑licher Bestandteil in einem demokratischen System, in dem Rechenschaftspflicht, Transparenz und Integrität unverzichtbare Teile einer stabilen Demokratie sind.“3

Page 15: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

13Teil I – Rechenschaftspflicht und öffentliche Finanzkontrolle

13 Die mehrschichtige Governance‑Struktur der EU erfordert die Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten sowie zwischen weiteren Regierungsebenen in den Mitgliedstaaten selbst. Sie verlangt außerdem eine ange‑messene Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen Parlamenten und Prüfern des öffentlichen Sektors auf allen Ebenen. Eine solche Zusammenarbeit sollte eine vollständige Kontrolle der öffentlichen Finanzressourcen ermöglichen, darunter die Gewähr für die Richtigkeit der Jahresabschlüsse, die Bewertung der Übereinstim‑mung der Vorgänge mit den geltenden Rechtsvorschriften und die Leistungsbeurtei‑lung erreichter Ergebnisse (Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit).

14 Der Hof hat sechs Schlüsselelemente der öffentlichen Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle ermittelt (siehe Tabelle 1). Jedes dieser Elemente bildet ein Glied einer Kette, wobei eine Schwachstelle an einem Punkt die Gesamtwirksamkeit zu untergraben droht.

Sechs Schlüsselelemente für öffentliche Rechenschafts-pflicht und Finanzkontrolle

Tabe

lle 1

1. Funktionen und Zuständigkeiten

→Funktionen und Zuständigkeiten, die allen EU- und sons-tigen Organen zugewiesen werden, die an der Umsetzung politischer Strategien und der Verwaltung von Mitteln beteiligt sind

2. Information und Berichterstattung

Anforderungen an öffentliche Manager in Bezug auf die Bereitstellung ausreichender, sachdienlicher, genauer und zeitnaher Informationen und die Berichterstattung über die Umsetzung und die Ergebnisse für die Zwecke der Rechenschaftspflicht

3. Demokratische Kontrolle und Finanzkontrolle

→Regelungen und Chancen in Bezug auf die demokratische Aufsicht und Kontrolle von öffentlichen Managern durch die Parlamente

4. Konsequenzen und Feedback → Mechanismen, um sicherzustellen, dass die Ergebnisse öffentlicher Aufsicht und Kontrolle in den Rechtsetzungs- und Haushaltsbeschlussverfahren berücksichtigt werden

5. Auftrag der öffentlichen Finanzkontrolle

Benennung unabhängiger externer Prüfer mit der Befugnis, eine große Bandbreite öffentlicher Prüfun-gen durchzuführen (Prüfung der Rechnungsführung, Compliance-Prüfung und Wirtschaftlichkeitsprüfung), dem Recht auf Zugriff auf benötigte Informationen und der Verpflichtung, Parlamenten und der Öffentlichkeit Bericht zu erstatten

6. Berichterstattung und Weiterverfolgung

→ Vorschriften für die Weiterverfolgung und Berichterstat-tung über Ergebnisse der öffentlichen Finanzkontrolle

Quelle: EuRH.

Page 16: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

14Teil I – Rechenschaftspflicht und öffentliche Finanzkontrolle

Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle in Bezug auf den Haushalt der EU

15 Der Rechenschaftsrahmen für die Verwaltung und die Finanzkontrolle der EU umfasst drei Schlüsselfunktionen: Europäisches Parlament und Rat, die eine demokratische Aufsicht bieten; Kommission und sonstige Einrichtungen der EU, die Exekutivaufga‑ben ausüben; und der Hof als Prüfungsorgan der EU (siehe Abbildung 2).

Rechenschaftsrahmen für die Verwaltung und Finanzkontrolle der EU

Abb

ildun

g 2

Beric

hterst

attun

g

über

die Pr

üfung

: una

bhän

gige,

objek

tive I

nform

ation

enPrü

fungs

manda

t aufg

rund

der V

erträg

e

Verantwortung für

die Ausführung des EU-Haushalts

aufgrund der Verträge

Berichterstattung

im Zusammenhang mit

der Rechenschaftspflicht: Transparenz

EuropäischerRechnungshof Prüfung Europäische Kommission

und Verwaltungsbehörden der MS

Europäisches Parlamentund Rat (MS)

Quelle: EuRH.

Page 17: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

15Teil I – Rechenschaftspflicht und öffentliche Finanzkontrolle

16 Die unabhängige externe Prüfung durch den Hof bietet Gewähr in Bezug auf

— die Zuverlässigkeit der Rechnungsführung der EU;

— die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Einnah‑men und Ausgaben des EU‑Haushalts;

— die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung unter dem Gesichtspunkt der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit bei der Verwendung von EU‑Mitteln.

17 Die Prüfung durch den Hof ist ein Glied einer längeren Kette von Regelungen der finanziellen Rechenschaftspflicht im Bereich der geteilten Mittelverwaltung. Die Prü‑fungen auf EU‑Ebene dienen dazu, die Rechenschaft, die die Kommission gegenüber dem Europäischen Parlament ablegt, zu überprüfen. Die Kommission ist wiederum auf ein System von Managementerklärungen und Prüfungsbescheinigungen auf Ebene der Mitgliedstaaten angewiesen. Die Verwendung von EU‑Mitteln durch die Mitgliedstaaten unterliegt darüber hinaus der Kontrolle durch die entsprechenden Parlamente.

18 Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sieht einen spezifi‑schen Rechenschaftsmechanismus in Bezug auf den EU‑Haushalt vor, der als „Entlas‑tungsverfahren“ bekannt ist. Dieses betrifft vier wichtige EU‑Organe: das Europäische Parlament, den Rat, die Kommission und den Hof (siehe Abbildung 3).

Abb

ildun

g 3 Das Entlastungsverfahren für den EU-Haushalt

Europäische Kommission Europäischer Rechnungshof Rat der EU Europäisches Parlament

legt Rechenschaft ab prüft empfiehlterteilt Entlastungund unterbreitet

Empfehlungen

Artikel 319 AEUV:

„[… erteilt] das Europäische Parlament

der Kommission Entlastung zur Ausführung

des Haushaltsplans …“

Artikel 319 AEUV:

„Auf Empfehlung des Rates erteilt das Europäische Parlament …“

Artikel 318 AEUV: Artikel 287 AEUV:

„Der Rechnungshof prüft die Rechnung

über alle Einnahmen … der Union.“

„Die Kommission legt dem Europäischen

Parlament und dem Rat jährlich die Rechnung des

abgelaufenen Haushaltsjahres … vor.“

Quelle: EuRH.

Page 18: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

16Teil I – Rechenschaftspflicht und öffentliche Finanzkontrolle

EU-Rechenschaftspflicht über den EU-Haushalt hinaus – Kontrolle über Stellen, Instrumente, politische Maß-nahmen, Umsetzung und Ergebnisse

19 Die Rechenschaftspflicht ist nicht darauf beschränkt, Rechenschaft über die Verwen‑dung der Gelder der Steuerzahler im Wege des Gesamthaushalts der EU abzulegen, sondern sie umfasst außerdem die Rechenschaftslegung über

— politische Entscheidungen und festgelegte Zielsetzungen;

— Ergebnisse und Wirkung der politischen Strategien der EU;

— die Verwendung von Mitteln aus privaten oder internationalen Quellen, die bereitgestellt werden, um EU‑Politiken umzusetzen, sowie die Übereinstimmung dieser Projekte mit den EU‑Strategien;

— die Wirksamkeit von Reaktionen der EU auf Systemrisiken für die finanziellen Interessen der Union und ihrer Mitgliedstaaten.

20 Die Rechenschaftspflicht im weiteren Sinne kann über eine Anzahl von Kanälen erreicht werden. Ein Kanal ist die demokratische Rechenschaftspflicht – die Rechen‑schaftspflicht der Europäischen Kommission gegenüber dem Rat – in Form der Ver‑treter der Mitgliedstaaten auf Ministerebene, die ihren nationalen Parlamenten – und dem Europäischen Parlament – gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Ein zweiter Kanal ist die Rechenschaftspflicht gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern der EU. Für die Gewählten bedeutet dies, dass sie das Urteil der Wähler im Rahmen von Wah‑len und sonstigen Wegen der demokratischen Teilhabe an öffentliche Entscheidun‑gen annehmen. Aber nicht alle öffentlichen Stellen werden gewählt, und selbst die, die gewählt werden, bleiben zwischen den Wahlen rechenschaftspflichtig. Eine dritte Form der Rechenschaftspflicht ist die Achtung der Rechtsstaatlichkeit – die rechtliche Rechenschaftspflicht, die von den Gerichtshöfen entwickelt wird. Eine vierte Form der Rechenschaftspflicht ist die administrative und finanzielle Rechenschaftspflicht, die den Hauptfokus von Prüfern des öffentlichen Sektors, einschließlich des Hofes, bildet.

21 Die politischen und exekutiven Organe der EU sind in Bezug auf festgelegte Ziel‑setzungen und strategische Entscheidungen politisch rechenschaftspflichtig. Im Allgemeinen sehen Prüfer des öffentlichen Sektors wie der Hof davon ab, die Begrün‑detheit bestimmter politischer Zielsetzungen im Rahmen der politischen Prozesse der EU infrage zu stellen. Damit befasst sich der Hof generell nur begrenzt, nämlich wenn eines der sonstigen am Rechtsetzungsprozess der EU beteiligten Organe den Hof formell um eine Stellungnahme ersucht.

Page 19: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

17Teil I – Rechenschaftspflicht und öffentliche Finanzkontrolle

22 Eines der Anliegen der öffentlichen Finanzkontrolle ist es, die Auswirkungen politi‑scher Strategien im Zuge ihrer Umsetzung und die Frage zu untersuchen, ob diese Auswirkungen den erklärten Absichten solcher politischen Strategien entsprechen. Oftmals ist es allerdings schwer, die Wirksamkeit zu bewerten, was besonders dann der Fall ist, wenn erklärte Zielsetzungen vage oder möglicherweise nicht im Einklang mit den eigentlichen politischen Absichten sind.

23 Es ist daher nicht leicht, eine klare Grenze zwischen der Umsetzung politischer Strate‑gien – ein legitimes Anliegen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen – und der Begründet‑heit einer politischen Strategie zu ziehen, was prinzipiell nicht Teil des Prüfungsum‑fangs sein sollte. Es ist sehr schwer, die Wirksamkeit von Strategien gemessen an der Wirkung zu beurteilen und außer Acht zu lassen, in welchem Umfang unzulängliche politische Ergebnisse durch die Konzeption der Strategie beeinflusst sind. Eine Reihe von diesbezüglichen Empfehlungen ist in Sonderberichten des Hofes zu finden.

24 Die oben beschriebenen Fragen werden im Folgenden näher ausgeführt. Es sollen die Fragen im Zusammenhang mit den EU‑Regelungen zur Rechenschaftspflicht und zur Finanzkontrolle aufgezeigt werden.

Page 20: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

18

Der Appell zur Verbesserung der Rechenschaftspflicht der EU

25 Nach mehreren Jahren der Finanzkrise ist der Ruf bestimmter Regierungen und Institutionen stark geschädigt. Es wurde die Qualität der wirtschaftspolitischen Steuerung der eng miteinander verflochtenen Volkswirtschaften der EU und auch die damit verbundene Rolle einiger EU‑Organe hinterfragt, die unter bestimmten Umständen ausgeweitet wurde. Das Vertrauen und die Zuversicht der Öffentlichkeit in die Organe und die Politik der EU haben in diesem Zeitraum abgenommen – im Herbst 2007 setzten 48 % der Bürgerinnen und Bürger ihr Vertrauen in die EU4. Fünf Jahre später, im Frühjahr 2012, war die Vertrauensrate auf 31 % gefallen5.

26 Der Hof und die ORKB der Mitgliedstaaten haben betont, wie wichtig es ist, dass die Grundsätze der Transparenz und der Rechenschaftspflicht auf kohärente und konse‑quente Weise auf alle im Zuge der Reaktion auf die Krise eingesetzten öffentlichen Mittel angewendet werden6.

27 Derselbe Appell erging von den Präsidenten des Europäischen Rates, der Kommissi‑on, der Euro‑Gruppe und der Europäischen Zentralbank in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Dezember 2012, in denen sie einen auf vier Bausteinen beruhenden Fahrplan für eine echte Wirtschafts‑ und Währungsunion vorstellten. Die ersten drei Bausteine betreffen den Ausbau des finanz‑ und wirtschaftspolitischen Rahmens der EU, während der vierte spezifisch darin besteht, die Notwendigkeit der Sicherstellung von demokratischer Legitimität und Rechenschaftspflicht anzuerken‑nen. Bislang wurden die Bestandteile der vier Bausteine in Bezug auf die verschiede‑nen vorgeschlagenen politischen Instrumente fallweise in Angriff genommen.

Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

4 Siehe Standard‑Eurobarometer, Frühjahr 2007 und Frühjahr 2012, General‑direktion Kommunikation der Europäischen Kommission (Link: http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/eb/eb77/eb77_publ_de.pdf).

5 60 % der Befragten der Eurobarometer‑Studie (Frühjahr 2012) gaben an, kein Vertrauen in die EU zu setzen (gegenüber 31 %, die Vertrauen in die EU setzten). Eine leichte Verbesserung wurde im Zuge der Studie im Herbst 2012 festgestellt (57 % Misstrauen gegenüber 33 % Vertrauen), doch in 20 der 27 Mitgliedstaaten der EU hatte die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger immer noch kein Vertrauen in die EU.

6 Siehe Erklärung 2013 des Kontaktausschusses der Obersten Rechnungs‑kontrollbehörden der EU über die „Bedeutung angemessener Regelungen für die Finanzkontrolle und Rechenschaftspflicht im Rahmen der Europäischen Wirtschafts‑ und Währungsunion und der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU“ (www.contactcommittee.eu).

Page 21: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

19Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

Die größten Herausforderungen für Rechenschafts-pflicht und Finanzkontrolle der EU

28 Der Hof hat, dem Aufruf nach einer Verbesserung der Rechenschaftspflicht Rechnung tragend, eine Reihe spezifischer Herausforderungen ermittelt (siehe Tabelle 2).

Sechs Bereiche, in denen Herausforderungen in Bezug auf die Rechenschaftspflicht und die Finanzkontrolle bestehen

Tabe

lle 2

Bereiche Art der Herausforderung Ziffern

1. Koordinierte Maßnahmen EU-MS

→Sicherstellung koordinierter öffentlicher Kontrolle und Finanzkontrolle auf EU- und nationaler Ebene für koordi-nierte Maßnahmen

30–42

2. In Partnerschaft mit anderen verwaltete Mittel

Rechenschaftspflicht für Mittel, die in Partnerschaft mit anderen (externen oder privaten Partnern) verwaltet werden. Erfüllung der Erfordernisse der Transparenz und Rechenschaftspflicht von an Partnerschaften beteiligten öffentlichen und sonstigen Akteuren

43–65

3.EU der verschiedenen Geschwindigkeiten/variable politische Architektur

→Ausübung demokratischer Kontrolle und umfassender öffentlicher Finanzkontrolle für Gruppen von Mitglied-staaten und Drittländer, die an verschiedenen politischen Bereichen oder Instrumenten beteiligt sind

66–76

4. Aufbau der EU (Organe und Einrichtungen)

→ Sicherstellung effizienter und wirksamer Aufsicht und Finanzkontrolle über die Gesamtheit der Organe und Einrichtungen der EU

77–114

5. Finanz- und Leistungsmanagement

→ Verbesserung der Rechenschaftspflicht für die Gesamt-qualität des Finanz- und Leistungsmanagements der EU 115–139

6. Auswirkungen und Ergeb-nisse politischer Strategien

→ Überwachung und Bewertung der Auswirkungen und Folgen der EU-Politik 140–149

Quelle: EuRH.

29 In den folgenden Abschnitten von Teil II werden diese Bereiche näher ausgeführt.

Page 22: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

20Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

1. Von der EU und den Mitgliedstaaten koordinierte Maßnahmen

30 In den meisten von den EU‑Verträgen erfassten Bereichen werden die Zuständig‑keiten zwischen der EU und den Mitgliedstaaten aufgeteilt. Zum Beispiel hängen verschiedene EU‑Politiken weitgehend von den Haushaltsmitteln der Mitgliedstaa‑ten ab (der EU‑Haushalt stellt weniger als 1 % des BIP dar gegenüber 49 % des BIP der EU, die 2013 von den Mitgliedstaaten ausgegeben wurden7). Das Erreichen breit angelegter Zielsetzungen der Verträge durch Strategien und Zielvorgaben (z. B. die Europa‑2020‑Ziele) hängt hauptsächlich von den Maßnahmen der Mitgliedstaaten ab, die durch deren nationale Haushalte finanziert werden. Die neuen EU‑Regelungen zur finanz‑ und wirtschaftspolitischen Koordinierung umfassen die Gesamtheit der öffentlichen Ausgaben der EU, allerdings unterliegen alle Maßnahmen in diesem Bereich einem komplexen System der Zusammenarbeit. In solchen Fällen ist ein koor‑diniertes Handeln der EU erforderlich, um gemeinsame Zielsetzungen zu erreichen.

31 Dies führt zu parallelen Rechenschaftslinien. Die Kommission ist gegenüber dem Eu‑ropäischen Parlament und dem Rat rechenschaftspflichtig, was die Koordinierungs‑maßnahmen in ihrem Zuständigkeitsbereich betrifft, und kann vom Hof geprüft wer‑den8. Nationale Stellen sind in Bezug auf Maßnahmen, die gemäß nationalem Gesetz zur Verwendung nationaler Haushaltsmittel durchgeführt werden, ihrem jeweiligen Parlament gegenüber rechenschaftspflichtig und können von ihrer Obersten Rech‑nungskontrollbehörde (ORKB) geprüft werden.

32 Die Herausforderung besteht darin, dass die Rechenschaftspflicht für die meisten koordinierten Maßnahmen fragmentiert bleibt. Verantwortlichkeiten sind auf die jeweiligen Parlamente und Rechnungskontrollbehörden der Mitgliedstaaten verteilt. In Fällen, in denen eine politische Maßnahme supranationale Systemrisiken beheben soll, der politische Eingriff aber in Form von EU‑Koordinierung zwischen Mitglied‑staaten erfolgt, steht die EU vor der Herausforderung, die diesbezügliche Finanzkont‑rolle und die parlamentarische Kontrolle zu koordinieren.

33 Die Erlangung eines vollständigen Überblicks über von den Mitgliedstaaten und der EU koordinierte öffentliche Finanzen und Politiken setzt außerdem die Koordinierung und Zusammenarbeit aller ORKB und Parlamente voraus. Die erforderliche Koordinie‑rung geht deutlich über das hinaus, was für die Prüfung des EU‑Haushalts erforder‑lich ist.

7 Eurostat‑Daten über die Gesamtausgaben des Staates als Prozentanteil des BIP (http://epp.eurostat.ec.europa.eu/tgm/table.do?tab=table&init=1&plugin=1&language=de&pcode=tec00023).

8 Unabhängig davon, ob die Kommission Mittel indirekt, durch Mitgliedstaaten oder direkt ausgibt, unterliegen diese Ausgaben der Prüfung durch den Hof.

Page 23: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

21Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

Koordinierung der Strategie Europa 2020

34 Viele Beispiele für koordinierte Maßnahmen sind in der Strategie Europa 2020 ent‑halten. Wie die Kommission anmerkte, hängt der Erfolg der Strategie Europa 2020 entscheidend von der Fähigkeit der Mitgliedstaaten der EU ab, auf nationaler Ebene ihren Teil zur Umsetzung der notwendigen Reformen beizutragen, die gemäß den sieben Leitinitiativen für die Ankurbelung des Wachstums erforderlich sind9.

35 Der Steuerungsrahmen für die Strategie Europa 202010 sieht Folgendes vor:

— Die politische Richtungsweisung ist Aufgabe des Rates.

— Die Kommission schlägt die Strategie vor, überwacht die Umsetzung und erstat‑tet über Fortschritte Bericht.

— Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, pro Jahr zwei Berichte zu erstellen, in denen dargelegt wird, was sie unternehmen, um sich den nationalen Zielen der Strategie Europa 2020 zu nähern. Beide Berichte sind vollständig in das nationale Haushaltsverfahren und das Europäische Semester zu integrieren, das eingeführt wurde, um die politische Koordinierung innerhalb der EU zu verbessern.

36 Die Governance‑Regelungen sehen vor, dass das Europäische Parlament im Vorfeld der endgültigen Beschlussfassung durch den Rat am Dialog beteiligt ist und Diskus‑sionen in und zwischen nationalen Parlamenten anregt. Die Strategie sieht jedoch weder explizit vor, dass Parlamente ihre Umsetzung oder Ergebnisse beaufsichtigen, noch verlangt sie eine koordinierte öffentliche Finanzkontrolle zwischen den jeweili‑gen Ebenen der EU und der Mitgliedstaaten.

Finanz- und wirtschaftspolitische Koordinierung im Rahmen des Europäischen Semesters

37 Im Rahmen des Europäischen Semesters sollen die finanz‑ und wirtschaftspolitischen Koordinierungsprozesse auf nationaler und EU‑Ebene gestrafft werden. Zu diesem Zweck ist ein strikter jährlicher Zeitplan für die Erhebung, Analyse und Beurteilung einer großen Palette wirtschaftlicher Indikatoren zu beachten. In den Ziffern 174‑176 und in Abbildung 7 in Teil III werden die Auswirkungen dieser gestärkten Rolle auf die EU‑Koordinierung ausführlich dargelegt.

9 KOM(2010) 2020 endgültig vom 3.3.2010 „Europa 2020 – Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“, Zusammenfassung, S. 5‑6, Absätze 2 und 7.

10 KOM(2010) 2020 endgültig, Zusammenfassung, S. 28, Abschnitt 5.2.

Page 24: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

22Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

38 Die Wirksamkeit des Überwachungsrahmens beruht auf der Leistung verschiedener Akteure im Prozess: Der Rat ist für Beschlüsse zur wirtschaftspolitischen Koordinie‑rung und Steuerung zuständig, die Kommission hingegen für Koordinierungs‑ und Überwachungsfunktionen. Darüber hinaus ist in allen Verordnungen vorgesehen, dass dem Europäischen Parlament Informationen zu übermitteln sind, um einen Dia‑log über die verschiedenen Feststellungen und Empfehlungen zu ermöglichen.

Zwischenstaatliche Instrumente

39 Gleichermaßen erfordern einige Maßnahmen, die als Reaktion auf die Wirtschafts‑ und Finanzkrise ergriffen wurden, auch koordiniertes Handeln seitens der Mitglied‑staaten, das durch zwischenstaatliche Übereinkommen oder Verträge bestimmt ist. Teil III dieses Berichts enthält eine vollständigere Analyse der Auswirkungen von Maßnahmen, die von der EU als Reaktion auf die Wirtschafts‑ und Finanzkrise getrof‑fen wurden, auf die öffentliche Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle.

40 In ihrem „Konzept für eine vertiefte und echte Wirtschafts‑ und Währungsunion“11 aus dem Jahr 2012 begriff die Kommission die demokratische Legitimität als Säule einer echten Wirtschafts‑ und Währungsunion (WWU), die zwei Grundsätze umfasst:

— Erstens ist die Rechenschaftspflicht auf der Ebene sicherzustellen, auf der die maßgebliche Entscheidung getroffen wird, wobei auch die Ebene, auf die sich die Entscheidung auswirkt, gebührend zu berücksichtigen ist.

— Zweitens ist bei der Fortentwicklung der WWU wie auch bei der europäischen Integration ganz allgemein stets darauf zu achten, dass der Grad der demokrati‑schen Legitimität dem Umfang der von den Mitgliedstaaten an die Europäische Union übertragenen Souveränitätsrechte angemessen ist.

41 In Bezug auf den zweiten Grundsatz ist je nach Art der Umstände eine politische und rechtliche Entscheidung zu treffen, ob außerhalb des Geltungsbereichs bestehender Rechenschaftsmechanismen der EU zwischenstaatliche Mechanismen zu verwenden sind oder nicht. Ein ausgedehnter Rückgriff auf diese Option könnte Fragen hinsicht‑lich der Rechenschaftspflicht und der Governance aufwerfen, die früher oder später in Angriff genommen werden müssten.

42 Einer Empfehlung der Kommission nach sollten zukünftige Instrumente zur Regelung der WWU innerhalb des rechtlichen und institutionellen Rahmens der EU konzipiert werden, der unter anderem die Kontrolle durch das Europäische Parlament vorsieht.

11 COM(2012) 777 final/2 vom 30.11.2012.

Page 25: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

23Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

2. In Partnerschaft mit anderen verwaltete EU-Mittel

43 In verschiedenen Politikbereichen ist es zur Erreichung der EU‑Ziele erforderlich, dass die EU‑Organe mit anderen Akteuren zusammenarbeiten: entweder im Wege exter‑ner Partnerschaften (z. B. mit Drittländern oder internationalen Organisationen) oder über Partnerschaften mit dem Privatsektor. In solchen Fällen beruht die Wahrneh‑mung der Rechenschaftspflicht auf der externen Prüfung, der Governance‑Struktur der verpartnerten Parteien sowie auf den EU‑internen Regelungen zur Finanzkontrol‑le und Rechenschaftspflicht.

44 Zur Vermeidung von Überschneidungen oder Lücken sollten sich die Partner jedoch auf ein einziges Finanzkontrollsystem stützen können. Dazu bedarf es ausreichender und zuverlässiger Systeme für Berichterstattung und Finanzkontrolle. Dies könnte da‑durch erreicht werden, dass die eigenen Systeme der Partner für die interne und ex‑terne Prüfung besser gefördert und überprüft werden. In den folgenden Abschnitten werden Beispiele behandelt, in denen diesbezügliche Herausforderungen bestehen.

Externe Partnerschaften

45 Ein Beispiel sind die Partnerschaften der EU mit Behörden in Drittländern und/oder mit internationalen Organisationen (wie den Vereinten Nationen oder der Weltbank). Dieser Fall tritt häufig ein, wenn die EU und ihre Mitgliedstaaten gefragt sind, um zur Bewältigung globaler Herausforderungen beizutragen, etwa bei der Erfüllung der Millennium‑Entwicklungsziele der Vereinten Nationen, der Bekämpfung des Klima‑wandels oder im Kampf gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Im Rahmen der Partnerschaften werden entweder EU‑Finanzmittel bereitgestellt oder gemeinsame Maßnahmen unter Beteiligung von EU‑Einrichtungen durchgeführt.

Page 26: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

24Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

46 Die Kommission ist sich bewusst, dass die Durchsetzung der Transparenz und der Re‑chenschaftspflicht bei den in Partnerschaft durchgeführten Maßnahmen mit beson‑deren Herausforderungen verbunden sein kann12. Auch die Wirtschaftlichkeitsprü‑fungen des Hofes zu Hilfen der EU, die über Organisationen der Vereinten Nationen geleistet wurden, weisen auf eine Reihe von Schwierigkeiten hin (siehe Kasten 1).

47 Wenn sich die EU dafür entscheidet, mit Partnern zusammenzuarbeiten und sich auf deren Kontroll‑ und Berichterstattungssysteme zu stützen, sollte sie ein hohes Maß an Transparenz und Rechenschaftspflicht befürworten und sicherstellen.

48 Im Rahmen der Budgethilfe unterstützt die EU mehr als 70 Länder durch Überwei‑sung von Finanzmitteln, die über die öffentlichen Mittelbewirtschaftungssysteme in den Empfängerländern geplant und verwaltet werden sollen. Bei der Bereitstellung von Budgethilfe muss die Kommission bestimmte Bedingungen einhalten und nach‑weisen, dass die Empfängerländer die allgemeinen Fördervoraussetzungen erfüllen.

49 Durch von den Vereinten Nationen oder der Weltbank koordinierte Maßnahmen mit mehreren Gebern werden Mittel von Gebern verwaltet, die mit anderen Mitteln ver‑schmelzen und nicht für spezifisch identifizierbare Ausgaben zugewiesen werden. In diesen Fällen stützt sich die Kommission auf die Finanzkontrollsysteme der Vereinten Nationen13.

Kast

en 1 Schwache Überwachung der Umsetzung durch die Vereinten Nationen und der

Zielerreichung

In seinem Sonderbericht Nr. 15/2009 wies der Hof auf folgende Aspekte hin:

ο Obwohl die Kommission die Mittelbewirtschaftungssysteme ihrer UN‑Partner (mithilfe eines aus vier Säulen beste‑henden Analyseverfahrens) prüft, ist sie von UN‑Berichten abhängig, durch die die praktische Funktionsweise der Kontrollsysteme und die Erreichung der Ergebnisse bestätigt werden. Zum Zeitpunkt der Prüfung war es der Kom‑mission noch nicht gelungen, von den Vereinten Nationen diesbezüglich ausreichende Informationen zu erhalten (Zusammenfassung, Ziffer IV).

ο Der Beirat der externen Rechnungsprüfer der UN hat der Kommission gegenüber nicht zufriedenstellend nachge‑wiesen, dass die Verfahren der Finanzkontrolle in der Praxis funktionieren, und der Hof hatte Schwierigkeiten bei der Prüfung der Verwendung von EU‑Mitteln, die über die Vereinten Nationen abgewickelt wurden (Zusammenfassung, Ziffer V).

12 Siehe zum Beispiel SEK(2010) 409 endgültig vom 1.4.2010 „Innovative Financing at a global level“ (Innovative Finanzierungen auf internati‑onaler Ebene), S. 14, Ziffer 2.5, zur Zusammenarbeit im Bereich innovative Finan‑zierung; und KOM(2011) 218 endgültig, Verbesserung der EU‑Rechenschaftslegung bei der Entwicklungsfinanzierung Beitrag zum Peer Review der öffentlichen Entwicklungshilfe der EU, S. 7, Ziffer 1, Finanzie‑rung von Klimaschutzmaß‑nahmen.

13 Die im Jahr 2012 aus dem Gesamthaushaltsplan an internationale Organisationen geleisteten Zahlungen belie‑fen sich auf 1,4 Milliarden Euro; mehr als die Hälfte davon wurde über von mehreren Gebern finanzierte Projekte ausgeführt. Jahresbericht des Hofes zum Haushaltsjahr 2012, Ziffer 7.6, Fußnote 3.

Page 27: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

25Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

50 In seinem Jahresbericht  zum Haushaltsjahr 2012 ermittelte der Hof Herausforderun‑gen in zwei spezifischen Bereichen: Budgethilfe und von mehreren Gebern finanzier‑te Projekte.

— Bei der Budgethilfe kann sich die Ordnungsmäßigkeitsprüfung des Hofes nur bis zu dem Punkt erstrecken, an dem die Mittel an das jeweilige Partnerland gezahlt werden. Ab diesem Punkt hängt die Rechenschaftspflicht für solche Beihilfen von den im Empfängerland geltenden Regelungen zur Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle ab14.

— Für die Ausgaben der EU im Rahmen der Budgethilfe bedeuten Maßnahmen mit mehreren Gebern und ähnliche Instrumente der Zusammenarbeit ebenso wie das komplexe System der Vorschriften und Verfahren (einschließlich Ausschrei‑bungsverfahren und Auftragsvergabe) ein hohes Risiko für die Ordnungsmäßig‑keit. Allerdings wird das Ausmaß, in dem Vorgänge anfällig sind für Fehler, wie sie im Rahmen der Ordnungsmäßigkeitsprüfung des Hofes definiert sind, durch das Wesen der Instrumente und Zahlungsbedingungen begrenzt15.

Einwerbung von Finanzmitteln des Privatsektors

51 Bei einer Reihe von EU‑Aktivitäten ist in direkter oder indirekter Weise Privatkapital beteiligt. Dazu gehören Darlehens‑ und Anleiheaktivitäten der EU‑Organe wie der EIB oder die Verwendung von EU‑Haushaltsmitteln zur Mobilisierung privater Investi‑tionen. Die Einwerbung von privaten Finanzmitteln mithilfe von EU‑Geldern dürfte künftig noch weiter zunehmen. In der Strategie Europa 2020 wird hervorgehoben, dass das Investieren in Wachstum die Mobilisierung von privatem Kapital erfordert und dass „Europa (...) sich nach besten Kräften bemühen [muss], seine finanziellen Mittel wirksam einzusetzen, [und] mit der Kombination privater und öffentlicher Mit‑tel neue Wege beschreiten und innovative Instrumente schaffen [muss], um die benö‑tigten Investitionen zu finanzieren“16. Auch im mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) für 2014‑2020 wird ein deutlicher Schwerpunkt auf die Rolle des Privatsektors bei der Mobilisierung von Investitionen und auf die Rolle der Finanzierungsinstrumente bei der Verstärkung der möglichen Wirkung des EU‑Haushalts gelegt17.

52 Gemäß der neuen Haushaltsordnung18 kann die EU mit dem Privatsektor im Rahmen öffentlich‑privater Partnerschaften zusammenarbeiten, um alternative finanzielle Unterstützung für die Tätigkeiten der EU und für die Entwicklung oder Umsetzung von EU‑Projekten bereitzustellen. Zu den Schwierigkeiten in Verbindung mit diesen Instrumenten gehört die Notwendigkeit, für die öffentlichen Mittel ein angemesse‑nes Maß an Transparenz und Rechenschaftspflicht zu gewährleisten. Darüber hinaus ist bei solchen Instrumenten eine Leistungsmessung im Hinblick auf die Erreichung der mit den finanzierten Tätigkeiten angestrebten Ziele erforderlich.

14 Jahresbericht des Hofes zum Haushaltsjahr 2012, Ziffern 7.6‑7.8.

15 Jahresbericht des Hofes zum Haushaltsjahr 2012, Ziffern 7.5‑7.6.

16 KOM(2011) 2020 endgültig, S. 26.

17 KOM(2011) 500 endgültig vom 28.6.2011 „Ein Haushalt für Europa 2020 – Teil I“, S. 10/11.

18 Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates (ABl. L 298 vom 26.10.2012, S. 1) und Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1268/2012 der Kommission vom 29. Oktober 2012 über die Anwendungsbestimmungen für die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union (ABl. L 362 vom 31.12.2012, S. 1).

Page 28: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

26Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

53 Die in Finanzinstrumenten und öffentlich‑privaten Partnerschaften verwendeten EU‑Mittel unterliegen der Prüfung durch den Hof und der Kontrolle durch das Euro‑päische Parlament im Rahmen des allgemeinen Entlastungsverfahrens. Allerdings sind diese Instrumente ihrem Wesen nach mit Herausforderungen hinsichtlich der Governance, der Prüfung und der parlamentarischen Kontrolle verbunden, wie in den nachfolgenden Abschnitten aufgezeigt wird.

54 Finanzierungsinstrumente (FI) können die Form von Beteiligungs‑/Risikokapital oder auch von Kreditfinanzierungsinstrumenten annehmen (wie Darlehen oder Garantien oder Risikoteilungsvereinbarungen mit Finanzinstituten, um die durch den Einsatz von EU‑Mitteln erzielte Wirkung zu steigern). Ziel ist, Marktversagen oder der Unterfinanzierung von Projekten zu begegnen, sowie bei der Verwendung von EU‑Mitteln eine Hebelwirkung zu erzielen. Die Umsetzung solcher FI kann im Rah‑men der zentralen Mittelverwaltung (direkte oder indirekte Mittelverwaltung) oder der geteilten Mittelverwaltung mit den Mitgliedstaaten (Finanzierungsinstrumente dieser Art werden allgemein als Financial Engineering Instruments (FEI) bezeichnet) erfolgen.

55 Bei im Wege der indirekten Mittelverwaltung ausgeführten Finanzierungsinstrumen‑ten19 ist die Kommission für die Festlegung der politischen Ziele und strategischen Ausrichtung der zentral verwalteten Mittel verantwortlich. Sie ist außerdem an den Governance‑Strukturen der entsprechenden Instrumente beteiligt und ist letztlich rechenschaftspflichtig für die Verwendung der EU‑Mittel.

56 Im Rahmen des vorherigen MFR für 2007‑2013 hat die Kommission eine Reihe von Mängeln bei den Regelungen zur Rechenschaftspflicht und zur Finanzkontrolle in Verbindung mit Finanzierungsinstrumenten festgestellt20. Auch vom Hof wurden ei‑nige Schwierigkeiten ermittelt, insbesondere im Zusammenhang mit FEI im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung mit den Mitgliedstaaten (siehe Kasten 2).

57 Mit den neu verabschiedeten und im Rahmen des aktuellen MFR geltenden Regelun‑gen für Finanzierungsinstrumente21 sollen für sämtliche Finanzierungsinstrumente kohärente Vorschriften, Verwaltungsverfahren, Prüfungs‑ und Berichtspflichten sichergestellt werden. Darüber hinaus erstattet die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat jährlich über die Leistung aller Finanzierungsinstrumente Bericht22.

19 Im Einklang mit Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe c und Artikel 139 Absatz 4 der Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union kann die Kommission „(ii) internationale Organisationen und deren Agenturen, (iii) die EIB und den Europäischen Investitionsfonds, (...) (v) öffentliche Einrichtungen, (vi) privatrechtliche Einrichtungen, die im öffentlichen Auftrag tätig werden, sofern sie ausreichende Finanzsicherheiten bieten“ mit der Ausführung von Finanzierungsinstrumenten betrauen. Diese Einrichtungen „können (...) – unter ihrer Verantwortung – die Ausführung Finanzmittlern (...) weiterübertragen“.

20 Europäische Kommission (2011) „Ein Rahmen für die nächste Generation innovati‑ver Finanzinstrumente – die EU‑Beteiligungs‑ und Kredit‑finanzierungsplattformen“, KOM(2011) 662 endgültig.

21 Titel VIII (Artikel 139 und 140) der Haushaltsordnung (Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012.

22 Artikel 140 Absatz 8 der Haushaltsordnung.

Page 29: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

27Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

Kast

en 2 Beispiele für Mängel in der aktuellen Kette der Rechenschaftspflicht und Finanz-

kontrolle für Finanzierungsinstrumente (FEI)

Der Hof ermittelte die folgenden wichtigsten Schwachstellen23:

ο Unzulänglichkeit der Bestimmungen in Bezug auf die Hebelwirkung und den revolvierenden Mitteleinsatz;

ο die Möglichkeit, dass Finanzierungsinstrumenten überhöhte Mittel zugewiesen werden;

ο die Möglichkeit einer ungerechtfertigten Vorzugsbehandlung des privaten Sektors und

ο unklare Förderfähigkeitsbedingungen für Betriebskapital.

Instrumente dieser Art sind mit Risiken und Problemen verbunden, die beispielsweise die Rechnungsführung über die Verwendung von EU‑Mitteln, ihre Überwachung, die Eigentumsrechte an den Instrumenten und die diesbezüg‑lichen Verwaltungskapazitäten der Kommissionsdienststellen betreffen.

Auch im Verordnungsrahmen stellte der Hof Schwächen fest.

23 Stellungnahme Nr. 7/2011.

58 Zur Einhaltung der neuen Haushaltsordnung unterzeichnete die Kommission mit der EIB und dem Europäischen Investitionsfonds (EIF) Rahmenabkommen über die Zu‑sammenarbeit im Finanz‑ und Verwaltungsbereich (FAFA), in denen die Anforderun‑gen an die operative und finanzielle Berichterstattung sowie die Prüfungspflichten24 für zentral verwaltete Finanzierungsinstrumente festgelegt sind, die für den Zeitraum 2014‑2020 eingerichtet und der EIB und dem EIF anvertraut werden.

59 Im Hinblick auf Finanzierungsinstrumente im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung sind in der Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen25 die Arten von Instrumen‑ten, die Formen ihrer Umsetzung sowie die Berichtspflichten festgelegt, wodurch standardisierte Vorschriften für Finanzierungsinstrumente eingeführt werden, um in allen Mitgliedstaaten eine einheitliche Berichterstattung und Überwachung der politischen Ergebnisse sicherzustellen.

60 Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich noch nicht einschätzen, ob die Einführung dieser neuen Vorschriften zur Behebung der Mängel ausreichen wird.

24 Im Rahmenabkommen ist festgelegt, dass von einem unabhängigen externen Prüfer eine Erklärung zur Zuverlässig‑keit der Jahresabschlüsse der Instrumente, zur ordnungs‑gemäßen Funktionsweise der Kontrollsysteme für das Instru‑ment und zur Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Vorgänge abzugeben ist.

25 Titel IV der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschafts‑fonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres‑ und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres‑ und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320) („Verordnung mit ge‑meinsamen Bestimmungen“).

Page 30: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

28Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

61 Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) sind eine Form der Zusammenarbeit zwischen staatlichen Stellen und dem Privatsektor. Traditionelle ÖPP werden in den Mitgliedstaaten in der Regel zur Bereitstellung von Infrastrukturen oder öffentlichen Diensten geschlossen und sind üblicherweise privatrechtlich organisiert. Sie zielen auf eine Steigerung der Wirtschaftlichkeit von öffentlichen Diensten durch Risikotei‑lung und die Nutzung von privatwirtschaftlichem Know‑how ab.

62 Zu den spezifischen Arten von ÖPP zählen: „Build‑Own‑Operate“ (BOO, umfasst Bau, Eigentum und Betrieb) ohne Übertragung von Vermögenswerten an den öffentlichen Sektor; „Buy‑Build‑Operate“ (BBO, umfasst Kauf, Bau und Betrieb) mit Verkauf öffent‑licher Vermögenswerte an eine ÖPP zur Verbesserung der Dienstleistungserbringung; „Build‑Operate‑Transfer“ (BOT) umfasst Bau, Betrieb und Übertragung nach Ablauf ei‑nes festgelegten Zeitraums; „Design‑Build‑Finance‑Operate“ (DBFO, umfasst Entwurf, Bau, Finanzierung, Betrieb) mit Ähnlichkeit zu BOT.

63 Auf EU‑Ebene werden ÖPP entweder zur Verwaltung von EU‑Mitteln für spezifische Bereiche geschlossen (z. B. Gemeinsame Unternehmen, die hauptsächlich für den Bereich Forschung gegründet werden) oder sind selbst Empfänger von EU‑Beihilfen. Solche ÖPP sind im Grunde eine Form der öffentlichen Auftragsvergabe, für die die entsprechenden Vorschriften der EU gelten. Sie müssen mit den EU‑Vorschriften zum Funktionieren des Binnenmarktes, dem Stabilitäts‑ und Wachstumspakt, den EU‑Rechtsvorschriften für das öffentliche Beschaffungswesen und Konzessionen sowie den Wettbewerbsvorschriften vereinbar sein.

64 Bei Mischfinanzierungsinstrumenten werden für Maßnahmen im Zusammenhang mit den Außenbeziehungen verschiedene Arten der Unterstützung miteinander kom‑biniert, darunter Zinsvergütungen, technische Hilfe, direkte Finanzhilfen, Darlehens‑garantieregelungen, Kostenübernahmen und die Bereitstellung von Risikokapital. Mischfinanzierungsinstrumente werden hauptsächlich von der Europäischen Inves‑titionsbank (EIB) umgesetzt. Das Parlament hat wiederholt dazu aufgerufen, dass im Zusammenhang mit dem EEF oder von der Kommission und der EIB umfangreichere und höherwertige Informationen bereitgestellt werden (siehe Ziffer 107).

65 Die Rechenschaftspflicht für ÖPP und Mischfinanzierungsinstrumente ist von den Vorschriften, die für die mit der Verwaltung dieser Instrumente betrauten Finanz‑mittler gelten, und den Regelungen auf Ebene der einzelnen Instrumente abhängig. Fragen im Zusammenhang mit der Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle auf Ebe‑ne der Finanzmittler, z. B. EIB und EIF, werden nachfolgend behandelt (siehe Ziffern 103‑110). Die Rechenschaftspflicht auf Ebene des Instruments hingegen würde eine fallbezogene Analyse erfordern.

Page 31: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

29Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

3. Die EU der verschiedenen Geschwindigkeiten und die variable Architektur der Politik

66 Innerhalb der EU ebenso wie im weiter gefassten wirtschaftlichen und politischen Umfeld Europas bilden sich nach und nach verschiedene Formen einer vertieften Integration heraus, wobei jedoch nicht alle Mitgliedstaaten den Wunsch oder die Fähigkeit haben, sich mit der gleichen Geschwindigkeit zu entwickeln. Bestimmte Initiativen schreiten daher nur unter Beteiligung eines kleineren Kreises von Mitglied‑staaten und/oder Drittländern voran. Das Ergebnis ist das sogenannte „Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten“ (siehe Abbildung 4).

67 Das Euro‑Währungsgebiet ist ein wichtiges Beispiel für einen solchen Kreis von Mitgliedstaaten, die vor oder getrennt von anderen Mitgliedstaaten einen bestimm‑ten politischen Rahmen eingeführt haben, auf dessen Grundlage sich ein komplexes Gebilde aus politischer Architektur, Governance‑Mechanismen und Fragen der parla‑mentarischen und Finanzkontrolle herausgebildet hat.

Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten und Zusammenarbeit mit Drittländern

Abb

ildun

g 4

Island, Liechtenstein, Norwegen

EU-Zollunion (32)

Europäische Union (28)

Europäischer Wirtschaftsraum (31)

Schengen-Raum (26)

Irland, Zypern

Schweiz

Türkei,

Vatikan EU- Währungs-abkommen (4)

Euro-Währungsgebiet (18)

Tschechische Republik, Dänemark, Litauen, Ungarn, Polen, Schweden

Belgien, Deutschland, Estland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Lettland, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Slowenien, Slowakei und Finnland

Andorra, Monaco,San Marino

Bulgarien,Kroatien,Rumänien,Vereinigtes Königreich

Quelle: EuRH.

Page 32: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

30Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

Unterschiedliche Integrationsstufen in den Mitgliedstaaten in verschiedenen Politikbereichen

68 Mit jeder Erweiterung der EU um neue Mitgliedstaaten ist es schwieriger gewor‑den, zu verschiedenen politischen Initiativen eine Einigung zu erzielen, und daher wahrscheinlicher, dass sich einige der Mitgliedstaaten mit anderer Geschwindigkeit entwickeln als andere. Unterschiedlich zusammengesetzte Teilgruppen können sich aus folgenden Sachverhalten ergeben:

— Beteiligungs-/Nichtbeteiligungsklauseln (Opt-in/Opt-out) und Ausnahme-regelungen: Den Mitgliedstaaten bleibt die Entscheidung darüber überlassen, ob sie bestimmte EU‑Politiken umsetzen oder nicht26.

— Verstärkte Zusammenarbeit: Ein Kreis von Ländern kann übereinkommen, in bestimmten politischen Fragen zusammenzuarbeiten (Bsp.: EU‑Patentrecht27, Scheidungsrecht28 und die vorgeschlagene Finanztransaktionssteuer (FTS)29).

— Verbundene Verträge: Verschiedene Abkommen wurden außerhalb des Rechts‑rahmens der EU zwischen Teilgruppen von EU‑Mitgliedstaaten unterzeichnet. Auf diese Weise wurde 1985 beispielsweise das Schengener Abkommen vereinbart, das allerdings nachträglich durch den Vertrag von Amsterdam in EU‑Recht über‑nommen wurde. Weitere Beispiele sind der Europäische Stabilitätsmechanismus, der Prümer Vertrag, der Fiskalpakt und das Übereinkommen über ein einheitli‑ches Patentgericht.

— Überprüfung und Aussetzung: Die Grundlage dafür bilden Vorgaben für die Umsetzung bestimmter von der EU festgelegter Auflagen oder Kriterien. Der Kooperations‑ und Überprüfungsmechanismus (Cooperation and Verification Mechanism, CVM) ist eine Schutzmaßnahme, auf die sich die Kommission berufen kann, wenn es einem neuen Mitgliedstaat nicht gelungen ist, die während der Beitrittsverhandlungen eingegangenen Verpflichtungen in den Bereichen Frei‑heit, Sicherheit und Justiz oder Binnenmarktpolitik zu erfüllen.

— Offene Methode der Zusammenarbeit: Hierbei handelt es sich um eine Form der EU‑Governance auf der Basis freiwilliger Zusammenarbeit zwischen Mit‑gliedstaaten, die sich auf nicht zwingendes Recht wie Leitlinien und Indikatoren, Leistungsvergleiche (Benchmarking) und bewährte Verfahren stützt (z. B. der Euro‑Plus‑Pakt).

69 Wie aus Abbildung 4 deutlich hervorgeht, sind an bestimmten politischen Maß‑nahmen auch verschiedene Kreise von Drittländern beteiligt. In diesem Umfeld mit verschiedenen Geschwindigkeiten, in dem Initiativen in einer Reihe politischer Bereiche von einem kleineren Kreis der EU‑Mitgliedstaaten durchgeführt werden, ist eine komplexe politische und Governance‑Architektur aufgebaut worden. Dies führt ebenfalls zu Herausforderungen bei den Regelungen zur Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle.

26 Gegenwärtig bestehen Nichtbeteiligungsklauseln für fünf Mitgliedstaaten: Dänemark (vier Opt‑outs), Irland (zwei Opt‑outs), Polen (ein Opt‑out), Schweden (ein Opt‑out, aber nur de facto) und das Vereinigte Königreich (vier Opt‑outs).

27 Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes (ABl. L 361 vom 31.12.2012, S. 1), einschließlich aller nachträglichen Änderungen.

28 Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehe‑scheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehe‑bandes anzuwendenden Rechts (ABl. L 343 vom 29.12.2010, S. 10), auch als Rom‑II‑Verordnung bezeichnet.

29 Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12. Dezember 2012 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionssteuer (COM(2012) 631 – C7‑0396/2012 – 2012/0298 (APP)).

Page 33: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

31Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

Euro, finanzpolitische Steuerung und demokratische Aufsicht

70 Das Euro‑Währungsgebiet setzt sich aus einer Gruppe von Mitgliedstaaten zusam‑men, die den Euro als gemeinsame Währung eingeführt haben. Sein Bestehen hat eindeutig die tiefgreifendsten Folgen für die EU. Nicht nur sind die verschiedenen Gruppen von Mitgliedstaaten an unterschiedlichen Bündnissen beteiligt oder unter‑liegen unterschiedlichen Rechtsvorschriften (siehe Ziffer 172), sondern einige dieser Maßnahmen basieren zudem auf zwischenstaatlichen Vereinbarungen und nicht auf EU‑Recht.

71 Zwar wurde die Rolle des Parlaments für diese auf den AEUV gestützten Maßnahmen und Instrumente in Bezug auf den Rechtsetzungsprozess gestärkt, sie bleibt aber weiterhin schwach in Fragen der Rechenschaftspflicht für Beschlüsse des Rates. Über‑dies wird bei Maßnahmen, die im Rahmen zwischenstaatlicher Instrumente wie dem Fiskalpakt ergriffen werden, das in der EU bestehende institutionelle und verfahrens‑rechtliche System der Kontrolle und Gegenkontrolle vollständig umgangen.

72 Die zum Schutz des Euro gefassten Beschlüsse haben im Zusammenhang mit der Finanzpolitik weitreichende Folgen für die demokratische Rechenschaftspflicht. Zwar obliegt ein hohes Maß an Entscheidungsgewalt der Kommission, dem Rat und dem Europäischen Parlament, doch werden die meisten Dringlichkeitsmaßnahmen von den Finanzministern des Euro‑Währungsgebiets – der Euro‑Gruppe – beschlossen. Dieser Gruppe, die als Plattform für die Zusammenarbeit zwischen den Regierungen des Euro‑Währungsgebiets dient, wurde kein ebenbürtiger Mechanismus für die koordinierte demokratische Kontrolle zwischen dem Europäischen Parlament (EP) und den nationalen Parlamenten zu Zwecken der Kontrolle, des Eingreifens und der ausreichenden Legitimierung von Beschlüssen und Maßnahmen an die Seite gestellt.

73 Die Außenminister von 11 Mitgliedstaaten haben einen Vorschlag vorgelegt, dem zufolge die demokratische Kontrolle über die Politik des Euro‑Währungsgebiets nicht vom EP als Ganzes, sondern nur von den MdEP aus Ländern des Euro‑Währungsge‑biets ausgeübt werden sollte30.

30 Die Außenminister von Belgien, Dänemark, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Polen und Portugal. „Final report on the Future of Europe Group“ („Westerwelle‑Report“, Abschlussbericht über die Gruppe zur Zukunft Europas), 2012.

Page 34: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

32Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

74 Dem steht jedoch entgegen, dass der Euro die Währung der EU insgesamt und nicht nur des Euro‑Währungsgebiets ist (Artikel 3 EUV) und dass das Europäische Parla‑ment die Volksvertretung der gesamten EU ist (Artikel 14 EUV). Den geltenden Ver‑tragsbestimmungen zufolge sind die Mitgliedstaaten der EU im Ministerrat vertreten. Das Europäische Parlament hingegen setzt sich nicht aus Vertretern der Mitgliedstaa‑ten, sondern aus „Vertretern der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger“ zusammen (Artikel 14 EUV).

75 Diese Bestimmungen veranlassten das Europäische Parlament31 und die Kommission32 zu der Feststellung, dass es dem EP – als der Volksvertretung mit Zuständigkeit für die gesamte EU und damit für den Euro – obliegen muss, EU‑Beschlüssen die notwen‑dige demokratische Legitimation zu verleihen.

76 An dieser Diskussion lässt sich der Zusammenhang zwischen Mechanismen der de‑mokratischen Rechenschaftspflicht und der wahrgenommenen demokratischen Legi‑timation ablesen. Insbesondere in den wichtigsten Politikbereichen kann der Ansatz der verschiedenen Geschwindigkeiten langfristig Folgen für die Rechenschaftspflicht haben.

31 Europäisches Parlament, Thyssen‑Bericht, 2012.

32 COM(2012) 777 final, S. 41.

Page 35: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

33Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

4. Regelungen zur Rechenschaftspflicht für Organe und Einrichtungen der EU

77 Der institutionelle Rahmen der EU besteht aus sieben Organen, zwei Beratungs‑gremien, dem Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD), der für die Zwecke der Haus‑haltsordnung als Einrichtung angesehen wird, der Europäischen Investitionsbank, 41 Agenturen33, acht Gemeinsamen Unternehmen und anderen durch die EU‑Ver‑träge und abgeleitetes Recht eingerichteten Stellen34. All diese Einrichtungen üben eine Vielzahl von Funktionen zur Erreichung von EU‑Zielen aus, oft in Abstimmung mit einzelstaatlichen Stellen. Die meisten, aber nicht alle EU‑Einrichtungen werden vollständig aus dem EU‑Haushalt finanziert. Abhängig von den jeweiligen Finanzie‑rungsquellen gelten unterschiedliche Regelungen zur Rechenschaftspflicht und zur Finanzkontrolle.

Entlastungsverfahren für die Organe und sonstigen Einrichtungen der EU

78 Dem Entlastungsverfahren unterliegen die Kommission, die meisten anderen EU‑ Organe und eine Reihe von EU‑Einrichtungen (siehe Ziffer 18). Für einige EU‑Einrich‑tungen, die nicht dem Entlastungsverfahren unterliegen, können stattdessen andere Formen der Kontrolle durch das EP anwendbar sein. Einige EU‑Einrichtungen sind finanziell in erster Linie ihren Leitungsgremien gegenüber rechenschaftspflichtig.

79 Die Kommission nimmt die Gesamtverantwortung für die Ausführung des EU‑Haus‑haltsplans wahr und unterliegt damit dem Entlastungsverfahren des EP für diesen Haushaltsplan. Andere Organe und Einrichtungen hingegen geben einen Teil der EU‑Haushaltsmittel in eigener Verantwortung aus und verfügen in einigen Fällen über Finanzierungsquellen außerhalb des EU‑Haushaltsplans. Zur Erfüllung ihrer Rechenschaftspflicht werden vom Parlament individuelle Entlastungsbeschlüsse gefasst.

33 Siehe Anhang für eine Liste der 40 Agenturen: 33 dezentrale Agenturen, sechs Exekutivagenturen und eine Euratom‑Agentur. Diese Zahl schließt auch den einheitlichen Abwicklungsmechanismus und den einheitlichen Abwicklungsfonds ein, die derzeit als Einrichtung der Union errichtet werden.

34 Der Europäische Bürgerbeauftragte, der Europäische Datenschutzbeauftragte und Agenturen im Verteidigungsbereich unter Aufsicht des Rates.

Page 36: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

34Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

Kast

en 3 Artikel 94 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments

Die Vorschriften über das Verfahren zur Entlastung der Kommission in Bezug auf die Ausführung des Haushalts‑plans gelten entsprechend für

ο das Verfahren zur Entlastung des Präsidenten des Europäischen Parlaments bezüglich der Ausführung des Einzelhaus‑haltsplans des Europäischen Parlaments;

ο das Verfahren zur Entlastung der Personen, die für die Ausführung der Einzelhaushaltspläne anderer Organe und Ein‑richtungen der Europäischen Union wie Rat (in Bezug auf seine Tätigkeit als Exekutive), Gerichtshof der Europäischen Union, Rechnungshof, Europäischer Wirtschafts‑ und Sozialausschuss und Ausschuss der Regionen verantwortlich sind;

ο das Verfahren zur Entlastung der Kommission für die Ausführung des Haushaltsplans des Europäischen Entwicklungsfonds;

ο das Verfahren zur Entlastung der für die Haushaltsführung verantwortlichen Organe von rechtlich selbständigen Einrichtungen, die Unionsaufgaben wahrnehmen, soweit in den für ihre Tätigkeit geltenden Rechtsvorschriften eine Entlastung durch das Parlament vorgesehen ist.

80 Die Geschäftsordnung des EP sieht vor, dass sich diese Einzelentlastungen auf dasselbe Verfahren stützen wie die Entlastung für den Gesamthaushaltsplan (siehe Kasten 3).

81 Der Rat nimmt im Entlastungsverfahren eine wichtige Rolle ein, insbesondere durch die Entlastungsempfehlungen, die er dem EP in jedem Jahr ausspricht (Arti‑kel 319 AEUV). Allerdings ist der Rat, obwohl er aus dem EU‑Haushalt finanziert wird, an der im Parlament geführten Debatte zu seiner eigenen Entlastung nicht beteiligt. De facto gibt es kein gesondertes Verfahren für die Rechenschaftspflicht und die öffentliche Kontrolle des Rates hinsichtlich seiner eigenen Ausgaben.

Page 37: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

35Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

Anwendungsbereich des Entlastungsverfahrens

Tabe

lle 3

Institutionelle Gruppe Organ/Einrichtung Finanzierungs- quelle

Entlastungs- verfahren

EU-Organe

Europäisches Parlament, Europäische Kommission, Gerichtshof, Rechnungshof EU-Haushalt Entlastung durch das EP1

Europäischer Rat und Rat2 EU-Haushalt Sui Generis3

Europäische Zentralbank Nationale Zentralbanken EZB-Rat

Andere von der EU eingesetzte Einrichtungen und sonstige

Stellen

Beratungsgremien (EWSA und AdR) EU-Haushalt Entlastung durch das EP

Agenturen (haushaltsfinanziert) EU-Haushalt Entlastung durch das EP4

Andere Einrichtungen5 EU-Haushalt Entlastung durch das EP

Gemeinsame Unternehmen Beitrag aus dem EU-Haushalt Entlastung durch das EP

Europäischer Auswärtiger Dienst EU-Haushalt Entlastung durch das EP

Agenturen (selbstfinanziert) Selbstfinanziert Entlastung durch Leitungsgremien

Agenturen (unter der Aufsicht des Rates im Verteidigungsbereich) Beiträge der Mitgliedstaaten Entlastung durch

Leitungsgremien

EIB Kapital stammt von den Mitgliedstaaten6

Entlastung durch Leitungsgremien

1 Siehe Ziffern 78‑80.2 Der Europäische Rat wurde am 1. Dezember 2009 mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon eines der sieben Organe der Union. Artikel 13

Absatz 1 seiner Geschäftsordnung sieht vor, dass der Europäische Rat und sein Präsident vom Generalsekretariat des Rates unter der Aufsicht seines Generalsekretärs unterstützt werden.

3 Siehe Ziffer 81.4 Die sechs Exekutivagenturen unterliegen keinem gesonderten Entlastungsbeschluss, sondern werden im Rahmen der allgemeinen Entlastung

der Kommission einbezogen.5 Dazu gehören der Europäische Bürgerbeauftragte und der Europäische Datenschutzbeauftragte.6 Das Kapital der EIB stammt von den Mitgliedstaaten (siehe Ziffer 105), sie finanziert sich aus eigener Tätigkeit.

Quelle: EuRH.

82 Es besteht eine Reihe von Ausnahmen vom normalen Entlastungsverfahren, beson‑ders in Fällen, in denen öffentliche Mittel aus anderen Quellen als dem EU‑Haushalt bereitgestellt werden (siehe Tabelle 3).

Page 38: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

36Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

Organe und Einrichtungen der EU, die nicht dem parlamen-tarischen Entlastungsverfahren unterliegen

83 Eine Reihe von Organen und Einrichtungen der EU wird nicht direkt aus dem EU‑Haushalt finanziert:

— Das Kapital der Europäischen Zentralbank (EZB) stammt von den nationalen Zentralbanken; die Einkünfte, die der Bank zufließen, ergeben sich aus ihren währungspolitischen Aufgaben innerhalb des Europäischen Systems der Zent‑ralbanken (ESZB). Die Rechnungsführung der EZB wird von einem unabhängigen Rechnungsprüfer geprüft. Zusätzlich prüft der Hof die EZB hinsichtlich der Effizi‑enz ihrer Verwaltung und des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) (siehe Ziffern 87, 88, 96).

— Die Europäische Investitionsbank ist selbstfinanziert und wird von einem unab‑hängigen Rechnungsprüfer geprüft (siehe Ziffer 108).

84 Was die EU‑Agenturen angeht, so sind drei Agenturen selbstfinanziert (HABM, CPVO35 und CdT) und werden vom Hof geprüft. Drei Agenturen im Verteidigungsbereich (EDA, EUISS und EUSC)36, die unter die Verantwortung des Rates fallen, werden über die Beiträge der Mitgliedstaaten finanziert und von unabhängigen externen Rech‑nungsprüfern geprüft. Für die Entlastung ist das Leitungsgremium der jeweiligen Ein‑richtung zuständig. Da solche Einrichtungen nicht über den EU‑Haushalt finanziert werden, obliegen sie nicht dem Entlastungsverfahren des Europäischen Parlaments. Doch auch wenn ihre Einnahmen nicht aus dem EU‑Haushalt stammen, werden sie durch die Ausübung öffentlicher Gewalt auf EU‑Ebene erzielt, und die Mittelver‑wendung dieser Einrichtungen hat denselben öffentlichen Charakter wie der Einsatz anderer EU‑Gelder. Für die bestehende unterschiedliche Behandlung liegt daher kein zwingender Grund vor.

85 Im Gegensatz dazu verlangen die neuen Rechtsvorschriften zur Schaffung des ein‑heitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM) als Einrich‑tung der EU seine Prüfung durch den Hof nach Artikel 287 Absatz 1 AEUV. Damit ist der Hof – obwohl der SRM nicht über den EU‑Gesamthaushaltsplan finanziert wird – zur Prüfung der Rechnungsführung, der Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Vorgänge sowie von Aspekten der wirtschaftlichen Haushalts‑führung (Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit) ermächtigt. Den Bestim‑mungen zufolge obliegt dem Hof auch die Berichterstattung über den einheitlichen Abwicklungsfonds, über mögliche Eventualverpflichtungen für den SRM und die Kommission und über alle sonstigen Angelegenheiten, deren Behandlung das Euro‑päische Parlament und der Rat als erforderlich ansehen.

35 Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates (ABl. L 11 vom 14.1.1994, S. 1) und Gemeinschaftliches Sortenamt (Verordnung (EG) Nr. 2100/94 (ABl. L 227 vom 1.9.1994, S. 1).

36 Die Europäische Verteidigungsagentur (EDA), das Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien (EUISS) und das Satellitenzentrum der Europäischen Union (EUSC).

Page 39: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

37Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

86 In gleicher Weise ist der Hof auch bezüglich des Europäischen Entwicklungsfonds (EEF), obwohl dieser nicht über den EU‑Haushaltsplan finanziert wird, ermächtigt, die Ausgaben und Leistung in Verbindung mit Projekten und der Budgethilfe zu prüfen, und das Europäische Parlament erteilt die Entlastung für die von der Kommission verwalteten EEF‑Ausgaben. Eine abweichende Regelung gilt für EEF‑Mittel, die von der Europäischen Investitionsbank (EIB) im Rahmen der Investitionsfazilität verwal‑tet werden (für den 10. EEF 1 500 Millionen Euro (10 %)). In seiner Stellungnahme zur Finanzregelung für den EEF drückt der Hof sein Bedauern darüber aus, dass die Ent‑lastungsbefugnis des Europäischen Parlaments über diese Fazilität vom Gesetzgeber (Rat und EP) ausgeschlossen wurde. Die Fazilität wird im Namen und auf Gefahr der EU betrieben. Durch den Ausschluss der Entlastungsbefugnis ist daher eine Lücke in der Rechenschaftskette entstanden.

Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der Europäischen Zentralbank

87 Gemäß den Artikeln 130 und 282 AEUV sind die EZB und die nationalen Zentralban‑ken der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, unabhängig von den anderen EU‑Organen und den Regierungen der Mitgliedstaaten. Dieser Status hat wichtige Konsequenzen bezüglich der Regelungen zur Rechenschaftspflicht und zur öffentli‑chen Finanzkontrolle für verschiedene Funktionen der EZB.

88 In Artikel 127 AEUV und im Protokoll Nr. 4 zum AEUV sind die Ziele und Aufgaben der EZB festgelegt. Das Hauptziel besteht darin, „die Preisstabilität zu gewährleisten“, und das zweite Ziel ist, „die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Union [zu unter‑stützen], um zur Verwirklichung der in Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union festgelegten Ziele der Union beizutragen“. In jüngerer Zeit wurde der EZB die Zuständigkeit für den einheitlichen Aufsichtsmechanismus nach Maßgabe desselben Artikels (Artikel 127 AEUV) übertragen, der dem Rat die Möglichkeit einräumt, „der Europäischen Zentralbank besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute und sonstige Finanzinstitute“ zu übertragen.

89 Die Leitungsgremien der EZB sind der EZB‑Rat und das EZB‑Direktorium. Der Präsi‑dent der EZB ist verpflichtet, der Kommission, dem Rat und dem Parlament einen Jah‑resbericht über die Tätigkeit des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und die Geld‑ und Währungspolitik im vergangenen und im laufenden Jahr vorzulegen, auf dessen Grundlage eine allgemeine Aussprache durchgeführt werden kann. Auf Ersuchen des Parlaments oder der EZB kann der Präsident zu spezifischen Aspekten von den zuständigen Ausschüssen des Europäischen Parlaments gehört werden37.

37 Artikel 284 Absatz 3 AEUV.

Page 40: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

38Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

90 Die Europäische Zentralbank wird nicht über den Gesamthaushaltsplan der EU finan‑ziert, und das Protokoll sieht keine Haushaltsentlastung durch das Parlament vor. Gemäß der Satzung der EZB wird ihre Rechnungsführung von einem unabhängigen externen Rechnungsprüfer, der vom EZB‑Rat empfohlen und vom Rat anerkannt wird, geprüft38. Nach Maßgabe derselben Bestimmungen des Protokolls Nr. 4 zum AEUV prüft der Hof die „Effizienz der Verwaltung der EZB”39.

91 In Literatur und Debatten wird umfassend diskutiert, in welchem Umfang die Zentralbanken über ihre Tätigkeiten im Bereich der Geld‑ und Währungspolitik auskunfts‑ und rechenschaftspflichtig sein sollten, wobei häufig die Bedeutung der diesbezüglichen Offenlegung für die Wirksamkeit und Transmission der Geldpolitik in den Finanzmärkten und Bankensystemen in den Mittelpunkt gestellt wird. Unge‑achtet der Wichtigkeit dieser Debatte ist eine diesbezügliche Positionierung jedoch nicht Zweck der vorliegenden Analyse. Stattdessen konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf die Rechenschaftspflicht der EZB gegenüber dem Parlament und auf die anwendbaren Regelungen zur Finanzkontrolle.

92 Es kann zu Recht festgestellt werden, dass der EZB durch die sie und das ESZB betref‑fenden Vertragsbestimmungen ein sehr hohes Maß an Unabhängigkeit gewährt wird, selbst im Vergleich zu anderen Zentralbanksystemen. Diese Fokussierung auf die Unabhängigkeit oder die Auffassung, dass die betroffenen Parteien die für sie gelten‑den Regelungen am besten selbst ausarbeiten, könnten die Gründe dafür sein, dass der Vertrag in Fragen der Rechenschaftspflicht der EZB gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit eher vage gehalten ist.

93 Die EZB ist laut Vertrag verpflichtet, vierteljährlich Bericht über die Tätigkeit des ESZB zu erstatten40 und dem Parlament, dem Rat und der Kommission einen Jahresbericht über die ESZB und die Geld‑ und Währungspolitik vorzulegen. Der Präsident der EZB hat die Aufgabe, dem Parlament und dem Rat den Bericht, der zum Gegenstand einer Plenardiskussion gemacht werden kann, zu erläutern. Der Vertrag sieht auch die Möglichkeit zur Anhörung (Ersuchen) anderer Mitglieder des Direktoriums vor. Diese Regelungen wurden in der Praxis weiterentwickelt. So sieht die Geschäftsordnung des Parlaments vor, dass der Präsident der EZB mindestens viermal jährlich vor dem Parlament eine Erklärung abgibt, und es werden von Mitgliedern des Direktoriums Vorkehrungen für Ad‑hoc‑Einladungen getroffen, um für einen regelmäßigen Infor‑mationsaustausch mit dem EP zu sorgen. Zudem beantwortet die EZB schriftliche Anfragen der MdEP.

94 Allgemein betrachtet ist der Umfang, in dem die nationalen Zentralbanken einer unabhängigen externen Prüfung durch externe Rechnungsprüfer des öffentlichen Sektors unterliegen, von Land zu Land unterschiedlich. Im Falle der EZB werden die Jahresabschlüsse gemäß dem Vertrag41 nicht vom Hof, sondern von unabhängigen externen Rechnungsprüfern geprüft. Die Prüfungszuständigkeit des Hofes „ist nur auf eine Prüfung der Effizienz der Verwaltung der EZB anwendbar”.

38 Artikel 27 Absatz 1 des Protokolls Nr. 4 über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank, AEUV.

39 Artikel 27 Absatz 2 des Protokolls Nr. 4 zum AEUV.

40 In der Praxis wird diese Anforderung von der EZB durch die Veröffentlichung ihrer Monatsberichte erfüllt.

41 Artikel 27 des Protokolls Nr. 4 zum AEUV.

Page 41: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

39Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

95 Zwar wird dem Hof durch diese Formulierung erheblicher Spielraum bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung (Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit) eingeräumt, aber dadurch, dass das Protokoll zum einen die Rolle exter‑ner Prüfer auf die Jahresabschlüsse und zum anderen auf die „Effizienz der Verwal‑tung“ beschränkt, wird dem Hof gegenüber der EZB eine andere Rolle zugewiesen als gegenüber anderen Einrichtungen der EU42. Dies spiegelt vermutlich die Bedeutung der Unabhängigkeit bei der Beschlussfassung in Geld‑ und Währungsfragen und den spezifischen Charakter der Funktionen der EZB wider.

96 Im Rahmen der Rechtsvorschriften zur Einrichtung des einheitlichen Aufsichtsmecha‑nismus (SSM) wird die EZB mit Aufsichtsaufgaben über Kreditinstitute im Euro‑Wäh‑rungsgebiet und in anderen teilnehmenden Mitgliedstaaten betraut43. Eine beson‑dere Regelung zur Rechenschaftspflicht ist im Rahmen der den SSM einführenden Verordnung vorgesehen. Die EZB bleibt unabhängig in ihren den SSM betreffenden Funktionen, ist den Bestimmungen zufolge jedoch dem Europäischen Parlament und dem Rat gegenüber rechenschaftspflichtig für ihre Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem SSM. Weiterhin sind Berichterstattungspflichten gegenüber dem EP und der Euro‑Gruppe vorgesehen (im Beisein teilnehmender Mitgliedstaaten, die nicht zum Euro‑Währungsgebiet gehören).

97 Zwischen der EZB und dem Europäischen Parlament wurde eine verhältnismäßig umfassende interinstitutionelle Vereinbarung44 geschlossen, in der die auf den SSM anzuwendenden Mechanismen der Rechenschaftspflicht festgelegt werden. Dazu gehören folgende Aufgaben der EZB:

ο jährliche Vorlage eines Berichts;

ο Vorlage vierteljährlicher Berichte über den Fortschritt in der Anlaufphase und die Aufsicht über die Wahrnehmung der der EZB im Rahmen des einheitlichen Aufsichtsmechanismus übertragenen Aufgaben;

ο Teilnahme des Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums des SSM an ordentlichen Anhörungen (zweimal jährlich) und Ad‑hoc‑Aussprachen in den zuständigen Ausschüssen des EP;

ο Teilnahme an vertraulichen Sondersitzungen unter bestimmten festgelegten Umständen;

ο Einbeziehung des EP in das Auswahlverfahren für den Vorsitzenden und den stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums;

ο Beteiligung an bestimmten Untersuchungen.

42 Im Zusammenhang mit den neuen Funktionen der EZB den SSM betreffend wurde vom Hof bereits darauf hingewiesen, dass seine Prüfung der „Effizienz der Verwaltung der EZB“ – wie auch bei anderen Einrichtungen in seinem Zuständigkeitsbereich – auf die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung ausgerichtet sein wird (Schreiben des Präsidenten des Hofes an den Präsidenten des EP vom 7. Februar 2013).

43 Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, (ABl. L 287 vom 29.10.2013, S. 63).

44 Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen Zentralbank über die praktischen Modalitäten für die Ausübung der demokratischen Rechenschaftspflicht und die Kontrolle über die Wahrnehmung der der EZB im Rahmen des einheitlichen Aufsichtsmechanismus übertragenen Aufgaben (2013/694/EU).

Page 42: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

40Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

98 Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) hat keinen eigenen Haushalt. Die EZB übernimmt die Sekretariatsaufgaben und finanziert seine Tätigkeiten. Während die EZB eigene Regelungen zur Finanzkontrolle hat, gibt es für den ESRB keine ent‑sprechenden spezifischen Regelungen.

99 Wie aus den bisherigen Ausführungen hervorgeht, hat sich die Rolle der EZB als Antwort auf den Druck der Finanzkrise und die daraus gezogenen Lehren zügig ver‑ändert, und die Sonderstellung und Kompetenz der EZB haben dazu geführt, dass ihr eine große Bandbreite an neuen Aufgaben übertragen wurde. Die EZB musste neue Funktionen in verhältnismäßig kurzer Zeit übernehmen. In vielen Fällen sind ihr diese neuen Rollen durch geeignete Rechtsinstrumente zugewiesen worden – in anderen Fällen sind die Rollen hingegen weniger formal.

100 Ein besonderes Beispiel ist die Rolle der EZB in ihren Beziehungen zu den Regierun‑gen der Mitgliedstaaten des Euro‑Währungsgebiets während der Wirtschafts‑ und Finanzkrise. Im Rahmen der sogenannten „Troika“ oder im Zusammenhang mit den „Programmpartnern“, die mit der Überwachung der EU/IWF‑Hilfsprogramme für die Mitgliedstaaten betraut sind, wird die EU von der Kommission „in Verbindung mit der EZB“ vertreten. Diese Regelung, nach der die Kommission „in Verbindung“ oder „in Absprache“ mit der EZB zusammenarbeitet, wird in bestimmten Rechtsinstrumenten weiter konkretisiert (z. B. im Rahmenvertrag zur Europäischen Finanzstabilisierungs‑fazilität (EFSF) und in der Verordnung zur Einrichtung des Europäischen Finanzsta‑bilisierungsmechanismus (EFSM). Allerdings ist die diesbezügliche Rolle im Rahmen dieser Instrumente nicht eindeutig definiert. Klar ist, dass sich die EZB in dieser Funk‑tion und auch allgemein direkter und einflussreicher mit den Mitgliedstaaten und ihren politischen Stellen auseinandergesetzt hat als zuvor im Zusammenhang mit der Wirtschaftsführung in den Mitgliedstaaten.

101 In dieser Hinsicht hat die EZB ihre neuen Funktionen und deren Ausübung in regel‑mäßigen Dialogen mit dem Europäischen Parlament diskutiert. Dies ist wichtig angesichts des komplexen Charakters der unterschiedlichen Rollen der EZB, wenn sie als Beraterin der Kommission zu entsprechenden Mitgliedstaaten oder als di‑rekte Ansprechpartnerin der Mitgliedstaaten fungiert, direkt oder als Sicherheit Staatsanleihen hält, Banken in Mitgliedstaaten mit Liquidität versorgt usw., während sie zugleich ihre Funktionen in Verbindung mit der Geld‑ und Währungspolitik im Euro‑Währungsgebiet, der Wirtschaftshilfe und (nun auch) der Bankenaufsicht erfüllt. Doch während die „Effizienz der Verwaltung der EZB“ in Bezug auf all ihre Funktionen der Prüfung durch den Hof unterliegt, ist für Funktionen, bei denen die EZB mit den Regierungen der Mitgliedstaaten zusammenarbeitet und diese unterstützt, und für Funktionen im Zusammenhang mit den Tätigkeiten der Troika bislang keine externe Prüfung vorgesehen.

Page 43: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

41Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

102 Angesichts der vielfältigen neuen Rollen der EZB und der notwendigen Geschwin‑digkeit, in der sich diese Rollen entwickelt haben, müssen die neuen Strukturen und deren Wirksamkeit und Umsetzung überwacht und bewertet werden. Diese Überwa‑chung/Bewertung muss sich auf robuste und zweckmäßige Regelungen zur Rechen‑schaftspflicht und zur Finanzkontrolle vor dem Hintergrund laufender Erfahrungen stützen können. Der rasche Wandel ist auch für die „Auditgemeinde“ eine echte Herausforderung – der Hof als einer der externen Prüfer der EZB und die nationalen Obersten Rechnungskontrollbehörden (ORKB) und andere externe Rechnungsprüfer von Zentralbanken im ESZB müssen sicherstellen, dass die Kenntnisse und Fähigkei‑ten auf dem neuesten Stand bleiben, um den Anforderungen an die Aufgabe eines Prüfers in einem sich schnell wandelnden Umfeld gerecht zu werden.

Regelungen zur Rechenschaftspflicht und zur Finanzkon-trolle der Europäischen Investitionsbank und des Euro-päischen Investitionsfonds

103 Die Europäische Investitionsbank (EIB) ist die Finanzierungsinstitution der EU, die durch die Finanzierung von Projekten zur Unterstützung von politischen Strategien der EU einen Beitrag zu europäischer Integration, Entwicklung und Kohäsion leistet. Auch wenn die Mehrheit der von der EIB finanzierten Projekte in der EU durchgeführt wird, übernimmt sie auch Finanzierungen außerhalb der EU.

104 Der Europäische Investitionsfonds (EIF) ist ein spezielles Instrument der EU für Risiko‑kapital und Garantien, das in erster Linie der Unterstützung von KMU und neuen Technologien dient. Der EIF ist Teil der EIB‑Gruppe und befindet sich im Miteigentum der Kommission. Die Vorschriften für die Beteiligung der Kommission am EIF sind in einem Beschluss des Rates dargelegt.

105 Hinsichtlich der geltenden Regelungen zur Rechenschaftspflicht stellt die EIB einen weiteren „Sonderfall“ dar. Obwohl es sich um eine Einrichtung der EU handelt, stammt ihre Kapitalausstattung aus den Mitgliedstaaten. Aus diesem Grund muss die Bank vor dem Rat der Gouverneure der EIB, der sich aus den Finanzministern der Mitgliedstaaten zusammensetzt, Rechenschaft über ihre Tätigkeit ablegen.

106 Als Einrichtung der Union ist die EIB gemäß Artikel 15 AEUV verpflichtet, unter weitestgehender Beachtung des Grundsatzes der Offenheit zu handeln. Für die EIB gelten keine speziellen Bestimmungen, die die Berichterstattung an das Europäische Parlament oder die direkte Zuständigkeit des EP für die EIB oder den EIF betreffen. Allerdings erstattet die EIB auf freiwilliger Basis über ihre Tätigkeit Bericht und legt dem EP jährlich Informationen vor, und das Parlament fasst jährliche Beschlüsse zur Leistungserfüllung durch die Bank.

Page 44: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

42Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

107 In den letzten Jahren hat das EP eine Reihe von Bedenken die Rechnungspflicht der EIB betreffend geäußert, darunter zu folgenden Aspekten:

— das Maß an Finanzaufsicht über die EIB, das von der EZB, der Bankenaufsichts‑behörde (EBA) oder den nationalen Aufsichtsbehörden sichergestellt werden könnte;

— der Ausschluss eines Teils der von der EIB verwalteten EU‑Programme und ‑Mittel vom Entlastungsverfahren für die EU‑Ausgaben und von der Berichterstattung zu den erzielten Ergebnissen;

— die Bewertung der Tätigkeiten mit erheblichen Multiplikatoreffekten, die durch den EU‑Haushalt garantiert werden;

— die Erklärung der Risiken im Zusammenhang mit der Anhebung der über den EU‑Haushalt bereitgestellten Garantieleistungen für von der EIB gewährte Darle‑hen und eine Erklärung zur Verwendung der durch diese Garantien erwirtschaf‑teten Erträge;

— die Notwendigkeit einer genauen Erläuterung der Verwaltungshonorare, die der EIB aus dem EU‑Haushalt gezahlt werden.

108 Bezüglich der Regelungen zur öffentlichen Finanzkontrolle der EIB und ihrer Tochter‑gesellschaft, dem EIF, besteht folgende Situation:

— Für die EIB ist ein Prüfungsausschuss eingesetzt, dessen sechs Mitglieder nach einer zwischen den Mitgliedstaaten vereinbarten Rotationsregelung benannt werden. Die Mitglieder, die bestimmte Kriterien – darunter Erfahrung im Bereich der Finanzkontrolle oder der Bankenaufsicht – erfüllen müssen, werden vom Rat der Gouverneure der EIB formell (einstimmig) ernannt. Der Prüfungsausschuss überträgt die Zuständigkeit für die Prüfung des Jahresabschlusses der Bank einer externen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die dem Prüfungsausschuss direkt berichtet. Der Prüfungsausschuss legt den Gouverneuren ein Prüfungsurteil zum Jahresabschluss vor zusammen mit einem Bericht und Empfehlungen.

— Für den EIF besteht ein Prüfungsausschuss, der von den Anteilseignern des EIF (der größte von ihnen ist die EIB) bestellt wird und ihnen gegenüber rechen‑schaftspflichtig ist. Er besteht aus drei Mitgliedern, die von je einer der Teilha‑bergruppen – der EIB, der Kommission und den Finanzinstitutionen – benannt werden. Die Ernennung in den Prüfungsausschuss erfolgt für drei aufeinander‑folgende Geschäftsjahre und ist verlängerbar, wobei in jedem Jahr die Amtszeit eines der Mitglieder ausläuft. Wie die EIB lässt der Prüfungsausschuss des EIF den Jahresabschluss der Fonds und seiner Tochtergesellschaften von einer Wirt‑schaftsprüfungsgesellschaft des Privatsektors prüfen.

Page 45: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

43Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

109 Die von der EIB oder dem EIF verwalteten EU‑Ausgaben und die EU‑Beteiligung am Kapital des EIF unterliegen nach Maßgabe der zwischen EIF, Hof und Kommission geschlossenen „Dreiervereinbarung“ der Prüfung durch den Hof. Allerdings sind EU‑Ausgaben, die vom EIF im Namen der Union getätigt werden, nicht Gegenstand der Dreiervereinbarung und werden vom Hof bis auf Empfängerebene in gleicher Weise geprüft wie alle anderen über den EU‑Gesamthaushaltsplan getätigten Ausgaben.

110 Die Tätigkeiten der EIB innerhalb und außerhalb Europas sind für eine Vielzahl an Akteuren von großem Interesse. Die wesentliche Herausforderung für alle Beteiligten besteht darin, genaue und umfassende Informationen zur Bewertung der Wirksam‑keit der verschiedenen Finanzinstrumente im Hinblick auf die mit ihnen verfolgten öffentlichen Ziele zu erlangen und bereitzustellen.

Unverhältnismäßige Kontrolle und Rechnungsprüfung bei kleineren Stellen und Haushalten

111 Gemäß EU‑Vertrag (Artikel 287 AEUV) prüft der Hof die Ausführung des EU‑Haushalts‑plans und des Europäischen Entwicklungsfonds sowie die Einnahmen und Ausgaben jeder von der Union geschaffenen Einrichtung oder sonstigen Stelle, soweit der Grün‑dungsakt dies nicht ausschließt.

112 Demnach ist der Hof verpflichtet, neben den jährlichen Prüfungen zur Ausführung des EU‑Haushaltsplans und des EEF auch spezifische jährliche Prüfungen zu jeder ein‑zelnen Agentur (40 Agenturen im Jahr 2014: 33 dezentrale Agenturen, sechs Exeku‑tivagenturen und eine Euratom‑Agentur45) und jedem Gemeinsamen Unternehmen (sechs im Jahr 2014) durchzuführen, und zwar unabhängig vom jeweiligen Haushalts‑volumen und davon, ob sie dem Entlastungsverfahren unterliegen.

113 Daraus ergibt sich für den Hof ein unverhältnismäßig höherer Prüfungsaufwand für Agenturen und Gemeinsame Unternehmen im Vergleich zu den anderen Einrichtun‑gen der EU. Künftig werden die Agenturen verpflichtet sein, die Zuverlässigkeit ihrer Jahresabschlüsse von privaten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften prüfen zu lassen, bevor sie der Kommission zu Konsolidierungszwecken vorgelegt werden. Darüber hinaus wird der Hof zu jeder Agentur einen spezifischen Jahresbericht ausarbeiten.

45 Siehe Anhang für eine vollständige Liste der EU‑Agenturen im Jahr 2014.

Page 46: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

44Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

114 Den aktuellen Regelungen zufolge sind für kleinere Stellen gesonderte Prüfungen erforderlich, während die größeren Einrichtungen in einer einzigen Gesamtprüfung zusammengefasst werden. Zur Steigerung der Kohärenz der Rechenschaftspflicht müssten entweder alle Organe und Einrichtungen gesonderte Jahresabschlüsse veröffentlichen und gesonderte Prüfungsberichte erhalten oder aber alle Agenturen in einem einzigen Prüfungsbericht behandelt werden. Das Abwägen zwischen diesen beiden Optionen hängt von dem Stellenwert ab, der einer ausgewogeneren Verwen‑dung von Ressourcen gegenüber der Maßgabe eingeräumt wird, getrennte Regelun‑gen zur Finanzkontrolle und Rechenschaftspflicht beizubehalten, die den Charakter der Governance‑Strukturen für die betreffenden Einrichtungen widerspiegeln.

5. EU-Regelungen im Bereich des Finanzmanagements und der Finanzkontrolle

115 Die Mitgliedstaaten sind an der Ausführung des EU‑Haushaltsplans beteiligt. Aller‑dings trägt die Kommission die Gesamtverantwortung dafür, eine zuverlässige Finanzberichterstattung, rechtmäßige und ordnungsgemäße Finanzvorgänge sowie ein sparsames, wirtschaftliches und wirksames Finanzmanagement (d. h. eine wirt‑schaftliche Haushaltsführung) sicherzustellen. Alle drei Elemente sind von wesentli‑cher Bedeutung. Die Tätigkeit des Hofes zeigt, dass die Kommission nicht in der Lage ist, zu all diesen Aspekten eine positive Zusicherung zu geben.

Die Zuverlässigkeit der Rechnungsführung

116 Die Aufstellung der Jahresabschlüsse erfolgt nun in Übereinstimmung mit einer Reihe von unabhängiger Seite vereinbarter Normen, die darauf abstellen, einen vollständigen Überblick über die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten der Union zu geben. Die Transparenz der zugrunde liegenden wirtschaftlichen Realität der EU‑Finanzen hat sich seit der Einführung der periodengerechten Rechnungsführung im Jahr 2005 deutlich verbessert. So sind nunmehr in der Rechnungsführung zahlrei‑che EU‑Einrichtungen konsolidiert, wodurch ein umfassenderes Bild über die von der EU getätigten Investitionen vermittelt wird. Darüber hinaus werden in den Jahres‑abschlüssen auch die Netto‑Finanzverbindlichkeiten der EU ausgewiesen sowie die Haushaltsrisiken in Verbindung mit Mechanismen zur finanziellen Unterstützung hilfsbedürftiger Mitgliedstaaten und das Ausmaß, in dem die langfristigen Verpflich‑tungen die für das Jahr veranschlagten Zahlungsermächtigungen übersteigen.

117 Seit dem Haushaltsjahr 2007 gibt der Hof ein uneingeschränktes Prüfungsurteil ab, dem zufolge die konsolidierte Jahresrechnung der Europäischen Union die Vermö‑gens‑ und Finanzlage der Union, die Ergebnisse ihrer Vorgänge, ihre Cashflows und die Veränderungen des Nettovermögens in Übereinstimmung mit der Haushaltsord‑nung und den auf den international anerkannten Rechnungsführungsgrundsätzen für den öffentlichen Sektor basierenden Rechnungsführungsvorschriften in allen wesentlichen Belangen insgesamt sachgerecht darstellt, d. h., er bestätigt die Zuver‑lässigkeit der Rechnungsführung.

Page 47: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

45Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Vorgänge

118 Der Hof gibt eine Zuverlässigkeitserklärung zur Rechtmäßigkeit und Ordnungsmä‑ßigkeit der zugrunde liegenden Vorgänge mit jeweils einem Prüfungsurteil zu den Einnahmen und zu den Ausgaben ab. Sowohl die Einnahmen als auch die geteilte Mittelverwaltung mit den Mitgliedstaaten der Ausgaben stellen Herausforderungen für die Rechenschaftspflicht und die Finanzkontrolle dar.

EU-Einnahmen

119 Die Einnahmen der EU setzen sich aus Eigenmitteln auf der Grundlage der Bruttonati‑onaleinkommen (BNE), der Mehrwertsteuer (MwSt.) und der traditionellen Eigenmit‑tel (Zölle auf Einfuhren und eine Produktionsabgabe für Zucker) zusammen. Seit 1994 gelangt der Hof, in dessen Zuverlässigkeitserklärung die besonderen Merkmale der MwSt.‑, BNE‑ und traditionellen Eigenmitteln erläutert werden46, zu dem Schluss, dass die Angaben zu EU‑Einnahmen frei von wesentlichen Fehlern sind.

120 Die BNE‑Eigenmittel zum Beispiel ergeben sich aus der Anwendung eines einheitli‑chen Satzes auf die BNE der Mitgliedstaaten. Die BNE‑Daten sind ausschlaggebend für die Ermittlung der Beiträge der einzelnen Mitgliedstaaten zu den EU‑Einnahmen und werden auf einzelstaatlicher Ebene geschätzt. Die BNE‑Schätzungen sind sehr komplexer Natur, und ihre Richtigkeit kann vom Hof nicht zuverlässig bestätigt wer‑den. Jede zu niedrige (oder zu hohe) Angabe des BNE für einen bestimmten Mitglied‑staat führt dazu, dass sich die Beiträge der anderen Mitgliedstaaten entsprechend erhöhen (oder verringern). Die Verteilung der EU‑Beiträge unter den Mitgliedstaaten hängt demnach von der Qualität der von den nationalen Statistikämtern erarbeiteten Schätzungen ab. Auch wenn die Kommission (Eurostat) Leitlinien vorgibt und sich um die Sicherstellung der Qualität der BNE‑Statistiken bemüht, gelangt der Hof in einem neueren Prüfungsbericht zu dem Schluss, dass solchen Kontrollen durch ihre Natur und ihren Umfang Grenzen gesetzt sind47.

121 Die Folge für die Rechenschaftspflicht ist eine starke Abhängigkeit der Behörden auf EU‑Ebene von einzelstaatlichen Kontrollen und Überprüfungen.

46 Siehe zum Beispiel Jahresbericht des Hofes zum Haushaltsjahr 2012, Prüfungsurteil zu den Einnahmen, Ziffern VIII und X., S. 11‑12.

47 Sonderbericht Nr. 12/2012 des Hofes „Wurden die Verfahren zur Erstellung zuverlässiger und glaubwürdiger europäischer Statistiken von der Kommission und Eurostat verbessert?“ (http://eca.europa.eu).

Page 48: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

46Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

Geteilte Mittelverwaltung mit den Mitgliedstaaten

122 Die EU‑Regelungen zum Finanzmanagement und zur Finanzkontrolle für die Aus‑führung des EU‑Haushaltsplans werfen verschiedene Fragen in Bezug auf die Re‑chenschaftspflicht und Prüfungsfragen auf, die sich daraus ergeben, dass die Verwal‑tungszuständigkeit für über 80 % der EU‑Haushaltsmittel zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten geteilt ist („geteilte Mittelverwaltung“).

123 Die Kommission führt den Haushaltsplan in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten in eigener Verantwortung entsprechend dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung aus. Die Mitgliedstaaten ihrerseits arbeiten mit der Kommission zusammen, um sicherzustellen, dass die Mittel nach dem Grundsatz der Wirtschaft‑lichkeit der Haushaltsführung verwendet werden (Artikel 317 AEUV).

124 Im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung obliegt den Mitgliedstaaten die Zustän‑digkeit für die Verwaltung von Ausgabenprogrammen und ‑regelungen, Auszahlun‑gen an Begünstigte und alle erforderlichen Maßnahmen (in Form von Rechts‑ und Verwaltungsvorschriften) zum Schutz der finanziellen Interessen der EU. In vielen Fällen werden EU‑Mittel auch zur Kofinanzierung von Projekten verwendet, die von nationalen oder regionalen Stellen der Mitgliedstaaten finanziert werden. Die Mitgliedstaaten übernehmen die Kosten für die Verwaltung der entsprechenden EU‑Programme und ‑Regelungen in ihrem Verantwortungsbereich. Wenn eine nati‑onale oder regionale Behörde ihre Aufgabe nicht ordnungsgemäß erfüllt, kann die Kommission bei den betreffenden Mitgliedstaaten Finanzkorrekturen und Wiederein‑ziehungen anwenden.

125 Diese Regelungen führen zu sich überschneidenden Linien der Rechenschaftspflicht bis hin zu den politischen Stellen auf EU‑Ebene und nationaler Ebene. Die Verwal‑tungsbehörden in den Mitgliedstaaten sind sowohl der Kommission als auch ihren eigenen nationalen Behörden gegenüber rechenschaftspflichtig.

126 Im Jahr 2004 schlug der Hof die Einführung eines integrierten internen Kontrollsys‑tems vor48. Er ermittelte die für ein solches System notwendigen Hauptmerkmale, um die Kommission in die Lage zu versetzen, ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag effektiver nachzukommen.

48 Stellungnahme Nr. 2/2004 des Rechnungshofs.

Page 49: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

47Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

127 Im Jahr 2006 nahm die Kommission einen Aktionsplan zur Schaffung eines solchen integrierten internen Kontrollrahmens an. Anschließend wurden diesbezügliche Maßnahmen in die Haushaltsordnung aufgenommen, darunter die jährlichen Zu‑sammenfassungen der Prüfungen und Prüfungsurteile, die freiwilligen nationalen Erklärungen der Mitgliedstaaten und die freiwilligen Berichte und Bescheinigungen nationaler Rechnungsprüfungsorgane in Bezug auf die Verwaltung der EU‑Mittel. In der Folge wurden zwar wichtige Elemente des integrierten internen Kontrollsystems umgesetzt, aber es könnte noch mehr erreicht werden (siehe Ziffer 137).

128 Nach Maßgabe der Haushaltsordnung sind die Behörden der Mitgliedstaaten verpflichtet, Jahresrechnungen und Verwaltungserklärungen zur Verwendung der EU‑Mittel sowie eine Zusammenfassung der Prüfungsberichte und durchgeführten Kontrollen vorzulegen. Die Mitgliedstaaten können ferner beschließen, eine nationa‑le Erklärung auf politischer Ebene herauszugeben. Bisher haben vier Mitgliedstaaten (Dänemark, die Niederlande, Schweden und das Vereinigte Königreich) von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

129 In Bereichen unter geteilter Mittelverwaltung ist die Kommission befugt, Ex‑post‑ Kontrollen zur Funktionsweise der Kontrollsysteme und zu den Ausgabenerklärungen durchzuführen. Aufgrund dieser Kontrollen kann sie die folgenden Abhilfemaßnah‑men anwenden:

— Wiedereinziehungen bei Begünstigten: Die Wiedereinziehungsmaßnahme wird von den Behörden des jeweiligen Mitgliedstaates (für Ausgaben im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung) und von der Kommission (insbesondere in Bereichen der direkten Mittelverwaltung) durchgeführt. Der Begünstige muss die erhalte‑nen Mittel vollständig oder teilweise zurückzahlen;

— Anwendung von Finanzkorrekturen bei den Behörden der Mitgliedstaaten: Die Kommission kann Finanzkorrekturen in Fällen einleiten, in denen die Mitglied‑staaten vorschriftswidrige Ausgaben nicht aufdecken und berichtigen. Die Korrekturen können für den Einzelfall oder durch Extrapolation der Ergebnisse berechnet werden oder es wird eine pauschale Berichtigung angewendet (wenn die beiden anderen Methoden nicht anwendbar sind).

130 In seinem Jahresbericht für 2012 traf der Hof eine Reihe von Feststellungen zu Wiedereinziehungen und Finanzkorrekturen49, dem jährlichen Synthesebericht der Kommission und der in diesem Bericht enthaltenen Bewertung von Fehlern und dies‑bezüglichen Wiedereinziehungen und Finanzkorrekturen50. Der Hof erläuterte zudem die Auswirkungen solcher Korrekturen auf seine Prüfungsurteile zur Zuverlässigkeit der Rechnungsführung und zur Ordnungsmäßigkeit der Vorgänge51.

49 Jahresbericht des Hofes zum Haushaltsjahr 2012, Ziffern 1.19‑1.35.

50 Jahresbericht des Hofes zum Haushaltsjahr 2012, Ziffern 1.41‑1.45.

51 Jahresbericht des Hofes zum Haushaltsjahr  2012, Anhang 1.1, Teil 3, Ziffer 22, S. 52.

Page 50: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

48Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

131 Nach dem gegenwärtigen System können bis zu zehn Jahre vergehen, ehe nach dem Auftreten von Fehlern entsprechende Korrekturen durchgeführt werden. Die Korrek‑turen sollen in erster Linie den EU‑Haushalt schützen und sind weniger darauf ausge‑richtet, Mitgliedstaaten und Begünstigte zur Einhaltung der Vorschriften anzuhalten. Im Ergebnis werden nicht förderfähige Ausgaben, solange sie von den Endbegünstig‑ten nicht wiedereingezogen werden, weiterhin vom nationalen Steuerzahler getra‑gen. Überdies wird die Rechenschaftspflicht für vorschriftswidrige Ausgaben noch viele Jahre nach ihrer Tätigung nicht erfüllt52.

132 Durch die in der Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen über die Struktur‑fonds53 für den Zeitraum 2014‑2020 vorgesehene Einführung eines Akkreditierungs‑verfahrens werden die Mitgliedstaaten hinsichtlich der administrativen Leistungsfä‑higkeit der nationalen Verwaltungs‑ und Kontrollstellen stärker in die Verantwortung genommen. Allerdings sollte nach Ansicht des Hofes die Kommission, die die oberste Verantwortung für den Haushaltsvollzug trägt, in diesem Prozess eine Aufsichtsrolle ausüben, um das Risiko der erst nachträglichen Aufdeckung einzudämmen54.

Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung

133 Im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung sind erhebliche Ver‑besserungen bei der effektiven Rechenschaftslegung für die mit dem EU‑Haushalt erzielten Ergebnisse erforderlich. Die diesbezüglichen Herausforderungen werden gesondert im nachfolgenden Abschnitt 6 betrachtet.

Der Rechtsrahmen für den EU-Haushaltsplan

134 Seit dem 1. Januar 2013 gelten die „neue“ Haushaltsordnung55 und ihre Anwendungs‑bestimmungen56. Auch wenn die Grundzüge der davor geltenden Regelungen zur Rechenschaftspflicht erhalten bleiben, wurden wichtige neue Elemente eingeführt, die eine nähere Betrachtung verdienen.

135 Im Rahmen der neuen Haushaltsordnung ist die Kommission für die Ausführung des EU‑Haushaltsplans auch weiterhin dem Europäischen Parlament und dem Rat – im Wege des Entlastungsverfahrens – gegenüber rechenschaftspflichtig.

52 Sonderbericht Nr. 7/2010 des Hofes „Prüfung des Rech‑nungsabschlussverfahrens“, Zusammenfassung, Ziffer V, S. 5.

53 Verordnung (EU) Nr. 1303/2013.

54 Stellungnahme Nr. 7/2011 des Rechnungshofs, Ziffer 25.

55 Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012.

56 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1268/2012 der Kommission.

Page 51: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

49Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

136 Auch die Gesamtstruktur der Finanzkontrolle ist weitgehend unverändert geblieben. Sie beruht auf einem internen Kontrollrahmen, der in erster Linie die Kommission befähigen soll, im Rahmen des Entlastungsverfahrens die politische Gesamtverant‑wortung für die Ausführung des EU‑Haushaltsplans zu übernehmen.

137 Allerdings werden mit der neuen Haushaltsordnung die Regelungen verschärft, nach denen die Mitgliedstaaten zur Übermittlung der geprüften Verwaltungserklärungen und jährlichen Zusammenfassungen an die Kommission verpflichtet sind, wobei jedoch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Subsidiarität die politische Aufsicht über die entsprechenden nationalen Behörden in den Mitgliedstaaten un‑berührt bleibt. Darüber hinaus ist die Vorlage nationaler Erklärungen auch weiterhin fakultativ.

138 Einige der in der Verordnung über gemeinsame Bestimmungen vorgesehenen wichtigen neuen Elemente wurden noch nicht vollständig übernommen, wie etwa Regelungen zu nationalen Partnerschaftsverträgen, neuen Leistungsrahmen und leistungsgebundenen Reserven57. Diese und weitere neue Elemente müssen in die in‑ternen Kontrollregelungen aufgenommen werden. Darüber hinaus stehen Vorschläge der Kommission noch aus, mit denen die Qualität der neuen Zuverlässigkeitserklärun‑gen der nationalen Behörden sowie der Informationen über die Durchführung von Programmen sichergestellt werden kann.

139 Die genannten Entwicklungen haben, zusammen mit den 2006 eingeleiteten Refor‑men, für Fortschritte auf dem Weg zur Schaffung eines integrierten Kontrollsystems gesorgt, das auf nationaler und EU‑Ebene künftig eine verstärkte Rechenschafts‑pflicht für die Verwendung von EU‑Mitteln gewährleisten wird. Allerdings besteht bisher kein lückenloses System. Aus den jährlichen Prüfungen des Hofes geht hervor, dass die bei der Kommission eingereichten Anträge zahlreiche Fehler enthalten, die von den nationalen Behörden bereits vorweg hätten korrigiert werden können. Zudem stellt der Hof in vielen Fällen fest, dass auch in von Rechnungsprüfungsbehör‑den bescheinigten Anträgen Fehler enthalten sind. Angesichts dieser Situation führt der Hof auch weiterhin Prüfungen bis auf Ebene der Endempfänger von EU‑Mitteln durch. Mit einer Verbesserung der Systeme sollte sich hier mehr Spielraum entwi‑ckeln – wenn sich der Hof bei seiner Prüfung der Rechnungsführung stärker auf die Arbeit anderer Prüfer verlassen kann.

57 Die Leistungsrahmen für die Programme der Europäischen Strukturfonds bestehen aus ausgewählten Finanz‑, Output‑ und Ergebnisindikatoren sowie den wesentlichen Umsetzungsschritten für jede Priorität. Sie sollen sicherstellen, dass mit den Programmen die Aufgaben im Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten abgedeckt werden. Eine leistungsgebundene Reserve beträgt 6 % des zugewiesenen Strukturfonds und wird unter dem Vorbehalt der erfolgreichen Umsetzung der Programmschwerpunkte zugewiesen. Siehe Verord‑nung (EU) Nr. 1303/2013 (Artikel 20 und 21).

Page 52: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

50Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

6. Auswirkungen und Ergebnisse von EU-Politiken

140 Die politischen Strategien der EU werden teilweise durch Haushaltsinstrumente und teilweise durch Rechts‑ und Regelungsinstrumente umgesetzt (siehe Abbildung 5):

— Haushaltsinstrumente: Die Umsetzung von politischen Strategien der EU hängt vom Haushalt der Europäischen Union ab. Einige Politikbereiche werden größtenteils aus nationalen Haushalten finanziert, ein kleinerer Teil aus anderen Finanzierungsquellen (z. B. durch Einwerbung privater Finanzmittel).

— Rechts- und Regelungsinstrumente: Die EU nimmt jedes Jahr neue Rechtsvor‑schriften an. Bei einem Großteil davon geht es um die Festlegung von Regeln oder Normen in Bereichen wie Binnenmarkt, Umweltschutz, Sozialpolitik und Wettbewerb.

Instrumente zur Umsetzung der EU-Politik

Abb

ildun

g 5

EU-Politiken und -Programme

EU-Haushalt

Rechts- und Regelungsinstrumente

Haushaltspläne der MS

Sonstige Finanzierungsquellen

141 Die Rechenschaftspflicht auf EU‑Ebene ist stark ausgeprägt, wenn das Hauptinstru‑ment der EU‑Haushalt ist, und weniger ausgeprägt, wenn andere Finanzierungs‑quellen oder Arten von Instrumenten in Anspruch genommen werden. In den folgenden Abschnitten werden die wichtigsten Herausforderungen bei der Mes‑sung der Auswirkungen und Ergebnisse von Tätigkeiten dargestellt, die aus dem Haushalt der EU finanziert werden, sowie bei der Messung der Auswirkungen von Regelungsinstrumenten.

Quelle: EuRH.

Page 53: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

51Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

Herausforderungen bei der Messung der Auswirkungen und Ergebnisse des EU-Haushalts

142 Der Hof hat sich dafür ausgesprochen, im Zeitraum 2014‑2020 die Ergebnisse bei Haushaltsvorgängen stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Der Hof hat die Kommis‑sion aufgefordert, ihre Systeme der Berichterstattung und Rechenschaftslegung zu überdenken und den Schwerpunkt nicht nur auf die Übereinstimmung mit den Vorschriften zu legen, sondern auch auf die erzielten Erfolge (Ergebnisse und Auswirkungen)58.

143 Die Mitgliedstaaten sollten auch ihre Leistungsberichterstattung verbessern. Zuver‑lässigen Finanzinformationen müssen zuverlässige nichtfinanzielle Informationen gegenüberstehen; dem Schwerpunkt der EU auf der Einhaltung der Vorschriften sollte ein Schwerpunkt auf Ergebnissen gegenüberstehen.

144 Die wichtigsten Herausforderungen in diesem Zusammenhang sind:

a) kohärente Leistungsindikatoren und zuverlässige Informationen;

b) Systeme, die genaue Informationen zu Ergebnissen liefern;

c) die Verbesserung des Evaluierungsberichts der Kommission im Hinblick auf die erzielten Ergebnisse.

Unzulängliche Leistungsindikatoren und Qualität der Informationen

145 Der Hof hat Fälle unzureichender Überwachungs‑ und Bewertungsverfahren auf‑gezeigt und darauf hingewiesen, dass die Relevanz, Zuverlässigkeit und Aktualität der von Verwaltungssystemen bereitgestellten Leistungsdaten verbessert werden müssen (siehe Kasten 4). Ganz grundsätzlich hat der Hof häufig festgestellt, dass mit EU‑Mitteln finanzierte Programme keine klaren und messbaren Ziele aufweisen. Geben Rechtsvorschriften oder Leitlinien unklare oder nicht messbare Ziele vor, oder sind die Ziele versteckt oder implizit, ist es für Prüfer oder andere Personen sehr schwierig festzustellen, ob die Mittelverwendung der EU sparsam, wirtschaftlich oder wirksam war. In solchen Fällen können die öffentlichen Vertreter nicht angemessen Rechenschaft von der Kommission und den Mitgliedstaaten für die in ihrem Namen getätigten Ausgaben fordern.

58 Jahresbericht des Hofes zum Haushaltsjahr 2012, Kapitel 10, Ziffern 10.25 und 10.26. Siehe auch Stellungnahme des Rechnungshofs Nr. 4/2012, Stellungnahme Nr. 7/2011, Stellungnahme Nr. 1/2012, Jahresbericht des Hofes zum Haushaltsjahr 2010, Ziffer 8.54, und Antwort des Hofes auf den zweiten Evaluierungsbericht der Kommission gemäß Artikel 318.

Page 54: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

52Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

Kast

en 4 Beispiele für Mängel bei den Leistungsdaten

Unzulängliche Leistungsindikatoren

ο Die Überwachungsfunktion der Kommission bei der Frage, ob die Ziele der Reform des Weinmarkts erreicht wurden, war angesichts des Fehlens zentraler Leistungsindikatoren eingeschränkt (Sonderbericht des Hofes Nr. 7/2012, Zif‑fern 50 und 57).

ο Der Hof zog die Schlussfolgerung, dass im Falle der vom EFRE kofinanzierten Finanzierungsinstrumente die Standard‑überwachungsinstrumente der Kohäsionspolitik unangemessen und nicht dafür geeignet waren, über die Wirtschaft‑lichkeit der Haushaltsführung der Finanzinstrumente zu informieren (Sonderbericht des Hofes Nr. 2/2012, Ziffern 82 und 121).

Relevanz, Zuverlässigkeit und Aktualität von Leistungsdaten

ο Der Hof stellte fest, dass im Fall der Beihilfen für die Modernisierung landwirtschaftlicher Betriebe der gemeinsame Begleitungs‑ und Bewertungsrahmen keine relevanten Daten für die Überwachung der Ergebnisse liefert, die mit den eingesetzten Mitteln erreicht werden (Sonderbericht des Hofes Nr. 8/2012, Ziffer 70).

ο Bei seiner Prüfung des Gemeinsamen RELEX‑Informationssystems (CRIS) stellte der Hof fest, dass Angaben fehlten, ungültig oder nicht aktuell waren und dadurch die Verlässlichkeit des Systems als Managementinstrument beein‑trächtigt wurde (Sonderbericht des Hofes Nr. 5/2012, Ziffer 79).

Evaluierungsbericht der Kommission zu den erzielten Ergebnissen

146 Seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ist die Kommission verpflichtet, einen Evaluierungsbericht über die Ergebnisse von Ausgabenprogrammen zu erstellen. Der Bericht ist Teil des Entlastungsverfahrens zur Ausführung des Haushaltsplans der EU59. Die ersten beiden Evaluierungsberichte haben jedoch nicht gezeigt, dass die grundlegenden Voraussetzungen für die Leistungsbewertung bereits bestehen. Im Juni 2012 gab der Hof seine Stellungnahme zum ersten Evaluierungsbericht der Kom‑mission ab und zog die Schlussfolgerung, dieser sei vage formuliert, enthalte wenig Substanz und führe infolgedessen nur zu geringem Mehrwert60.

147 Die Gründe dafür, dass die Kommission nicht in der Lage ist, eine allgemeine Bewer‑tung im Hinblick auf die erzielten Ergebnisse abzugeben, hat der Hof in früheren Sonderberichten zur Leistung verschiedener politischer Strategien und Instrumente dargelegt, bei denen sich Herausforderungen in Bezug auf eine umfassende Leis‑tungsevaluierung stellen.

59 Artikel 318 AEUV.

60 Stellungnahme des Rechnungshofs Nr. 4/2012 zum Evaluierungsbericht zu den Finanzen der Union, den die Kommission gemäß Artikel 318 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf der Grundlage der erzielten Ergebnisse vorlegt (ABl. C 179 vom 20.6.2012, S. 1).

Page 55: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

53Teil II – Die Herausforderungen in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der EU

Die Herausforderung bei der Messung der Auswirkungen von Regelungsinstrumenten

148 Es wird eine Ex‑ante‑Folgenabschätzung durchgeführt, um die möglichen sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen von Vorschlägen sowie den damit verbundenen Verwaltungsaufwand für nationale Behörden, Unternehmen und Bürger festzustellen. Die Ex‑ante‑Folgenabschätzungen der Kommission sind eine wesentliche Informationsquelle für die Gesetzgeber der EU, insbesondere für die Mitglieder der Fachausschüsse des Europäischen Parlaments und des Rates. Ihnen stehen jedoch keine systematischen Ex‑post‑Folgenabschätzungen gegenüber. Der Hof hat Schwachstellen im Zusammenhang mit Folgenabschätzungen festgestellt61:

— Bei Ex‑ante‑Folgenabschätzungen

ο stellt die Analyse sämtlicher wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Fol‑gen eine Herausforderung dar;

ο sind direkte Vergleiche zwischen alternativen Optionen häufig schwierig;

ο bleibt die Verfügbarkeit von Daten für Folgenabschätzungen ein Problem;

ο werden Aspekte der Umsetzung nicht immer ausreichend untersucht.

— Bei Ex‑post‑Folgenabschätzungen

ο werden Evaluierungen nicht systematisch in allen Gesetzgebungsbereichen vorgenommen;

ο werden Durchsetzungskosten und Verwaltungsaufwand nicht ausreichend quantifiziert.

149 Als „Hüterin der Verträge“ ist die Kommission für die Überwachung der Einhaltung des EU‑Rechts verantwortlich, Abweichungen werden dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Die Kommission ist auch für die Ex‑post‑Bewertung der Tätigkeiten der EU zuständig, darunter solche, die hauptsächlich Regelungsmaßnahmen betreffen. Die Durchführung von Ex‑post‑Bewertungen wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Folgen ist jedoch schwierig. Beispielsweise können die ursächlichen Zusammenhän‑ge zwischen EU‑Verordnungen und Folgen schwer nachzuweisen sein; Daten zu Kos‑ten und Verwaltungsaufwand fehlen möglicherweise oder ihre Erfassung ist kostspie‑lig; die Abstimmung mit nationalen Behörden ist möglicherweise kompliziert62.

61 Sonderbericht des Hofes Nr. 3/2010 „Folgenabschätzungen in den EU‑Organen: Helfen sie bei der Entscheidungsfindung?“, Ziffern 57‑81.

62 Stellungnahme des Rechnungshofs Nr. 1/2010 „Verbesserung des Finanzmanagements der Europäischen Union: Risiken und Herausforderungen“, Ziffern 14‑16.

Page 56: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

54Teil III – Herausforderungen im Zusammenhang mit der Antwort der EU auf die Finanzkrise150 Die Finanzkrise und die zu ihrer Bewältigung ergriffenen Maßnahmen stellen be‑trächtliche neue Herausforderungen für die Finanzkontrolle und Rechenschaftspflicht auf nationaler und europäischer Ebene dar. Lücken sind entstanden, und wichtige Fragen zur Rechenschaftspflicht müssen nun von der EU und den Mitgliedstaaten behandelt werden. Die nachstehenden Abschnitte bieten einen Überblick über die Reaktion auf die Finanz‑ und Wirtschaftskrise und die Folgen für die öffentliche Re‑chenschaftspflicht und Finanzkontrolle.

Die Kette der Ereignisse und die Reaktionen der EU

151 Die Krise, die im Jahr 2007 im Bankensektor ihren Anfang nahm, breitete sich in der Folge in anderen Sektoren aus und wirkte sich nachteilig auf die Tragfähigkeit der Staatsschulden, die Stabilität des Euro, das Wachstum und auf das Vertrauen der Bürger aus. Zur Überwindung der Krise mussten Sofort‑ und Sondermaßnahmen auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten ergriffen werden. Reformen für eine länger‑fristige Umstrukturierung der Rahmenbedingungen für die Steuerung im finanziel‑len, wirtschaftlichen und politischen Bereich Europas mussten eingeleitet werden (siehe Abbildung 6).

Reaktion der EU auf die Finanzkrise

Abb

ildun

g 6

Staatsschuldenkrise

Bankenkrise

Krise des Euro

Wirtschaftskrise

Vertrauenskrise

Reformen im Zusammenhang mit der RechenschaftspflichtEuropa-2020-Strategie

und mehrjähriger Finanzrahmen Wirtschaftspolitische

Koordinierung, Überwachung und Europäisches SemesterFinanzhilfen

zugunsten von Mitgliedstaaten

Bankensektor und Finanzmärkte: Finanzhilfen, neue Verordnungen und Aufsicht

Quelle: EuRH.

Page 57: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

55Teil III - Herausforderungen im Zusammenhang mit der Antwort der EU auf die Finanzkrise

Regulierung und Überwachung des Finanzsektors

152 Die erste Phase (2007‑2009) war eine weltweite Krise im Finanzsektor. Übermäßige Risikobereitschaft führte zusammen mit ungünstigen Entwicklungen auf den Finanz‑märkten zu beträchtlichen Verlusten bei den Investitionen mit der Folge, dass das re‑gulatorische Eigenkapital der Banken unter das geforderte Niveau fiel. Überdies kam es zu einer Austrocknung des Interbankenmarktes, und aufgrund von Verflechtungen gerieten durch die ernsten Probleme einiger großer Finanzinstitute viele andere Insti‑tutionen unter erheblichen Druck („systemisches Risiko“).

153 Um einen Zusammenbruch des Bankensystems zu verhindern, setzten die Mit‑gliedstaaten öffentliche Mittel zur Rekapitalisierung ihrer Banken ein, während die Zentralbanken dem Bankensystem Liquidität zur Verfügung stellten. Die Kommission bewilligte staatliche Beihilfen in Höhe von mehr als 5 Billionen Euro für den Finanz‑sektor und erläuterte ihre Kriterien für die Bewilligung von Beihilfen für Banken63. Die Banken erhielten zwischen 2007 und 2011 Steuergelder in Höhe von 1,6 Billio‑nen Euro (12,8 % des BIP der EU)64.

154 Die EU nahm ferner eine Reihe von Bestimmungen für die Tätigkeiten von Finanz‑dienstleistern und ‑märkten an, die größtenteils das Ergebnis internationaler Ver‑handlungen in der G20, innerhalb des Rates für Finanzstabilität (FSB) und des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht waren (Reform der Finanzregulierung). Darüber hinaus richtete die EU ein Europäisches Finanzaufsichtssystem (ESFS) ein, das am 1. Januar 2011 in Kraft trat (siehe Kasten 5).

63 COM(2012) 778 final vom 21.12.2012, SEC(2012) 443 final vom 21.12.2012, S. 29.

64 Der größte Teil wurde für Garantien aufgewendet, die sich auf rund 1 085 Milliarden Euro beliefen (8,6 % des BIP), gefolgt von Rekapitalisierungsmaßnahmen (etwa 322 Milliarden Euro oder 2,6 % des BIP), wertgeminderten Vermögensgegenständen (etwa 119,9 Milliarden Euro oder 0,9 % des BIP) und Liquiditätsmaßnahmen (89 Milliarden Euro oder 0,7 % des BIP).

Kast

en 5 Europäisches Finanzaufsichtssystem (ESFS)

Das ESFS besteht aus zwei Teilen:

ο Für die Finanzaufsicht auf Makroebene ist der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) zuständig, der unter anderem aus Vertretern der Zentralbanken und Vertretern der nationalen Aufsichtsbehörden besteht.

ο Für die Aufsicht auf Mikroebene sind die nationalen Aufsichtsbehörden auf einzelstaatlicher Ebene und drei Europä‑ische Aufsichtsbehörden auf EU‑Ebene zuständig: die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA), die Europäische Wertpapier‑ und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) und die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA).

Page 58: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

56Teil III - Herausforderungen im Zusammenhang mit der Antwort der EU auf die Finanzkrise

155 Im Einklang mit den Schlussfolgerungen des Gipfels der Mitglieder des Euro‑Wäh‑rungsgebiets von Juni 2012 und im Hinblick auf eine weitere Stärkung der Banken‑aufsicht billigte der Rat im Oktober 2013 den Vorschlag der Kommission für einen einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM)65. Innerhalb des SSM hat die EZB direkte Kontrollbefugnisse über die bedeutenderen „systemrelevanten” Banken in den entsprechenden Mitgliedstaaten und darüber hinaus Überwachungsrechte bei der Aufsicht über andere Banken durch einschlägige nationale Aufsichtsbehörden. „Systemrelevanz” ist hier durch Größe oder bestimmte andere Kriterien definiert.

156 Als nächsten Schritt hin zu einer Bankenunion und zur Verhinderung weiterer Bankenrettungspakete in der Zukunft schlug die Kommission am 10. Juli 2013 die Ein‑richtung eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM) vor, die in Kürze beschlossen werden dürfte66. Der Vorschlag sieht vor, dass im Rahmen des SRM Abwicklungskosten zunächst von den Aktionären und Gläubigern einer Bank („Bail‑in”) und erforderlichenfalls, als letztes Mittel, von einem einheit‑lichen Bankenabwicklungsfonds, der durch Beiträge des Bankensektors finanziert wird, getragen werden.

157 Durch die Krise wurden allgemeine Schwachstellen der Steuerung und Kontrolle des weltweiten Finanzsystems deutlich: die Anreizstrukturen für Banken, Risiken einzu‑gehen, die Rechnungslegungsvorschriften für die Bewertung und Offenlegung von Vermögen und Schulden sowie die Rolle von Wirtschaftsanalysten, Ratingagenturen, Rechnungsprüfern, Regulierungs‑ und Aufsichtsbehörden, die der Wirtschaft zu nahe standen und sich nicht ausreichend auf die Sicherung der Stabilität des Marktes und die Interessen der Verbraucher konzentrierten.

158 Die Reaktionen, zu denen die Sanierung vieler Banken durch Mitgliedstaaten und in einigen Fällen die Verstaatlichung privater Banken, die Einführung neuer Banken‑ und Finanzmarktvorschriften sowie die Reformen und die Einrichtung neuer Überwa‑chungsmechanismen auf EU‑Ebene gehörten, warfen Fragen im Zusammenhang mit Governance, Transparenz und Rechenschaftspflicht auf.

159 Eine der Herausforderungen bestand in diesem Zusammenhang darin, herauszu‑finden, wie die demokratische Legitimität bei der Ausarbeitung und Annahme von Rechtsvorschriften und der Funktionsweise neuer Instrumente sichergestellt werden kann. Weniger Aufmerksamkeit wurde in den frühen Phasen den notwendigen Re‑gelungen der Rechenschaftspflicht im Hinblick auf die Ergebnisse geschenkt, die mit diesen Instrumenten erreicht werden sollten.

65 Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates.

Siehe auch Verordnung (EU) Nr. 1022/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankaufsichtsbehörde) hinsichtlich der Übertragung besonderer Aufgaben auf die Europäische Zentralbank gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 (ABl. L 287 vom 29.10.2013, S. 5).

66 Derzeit im Stadium eines Beschlusses durch das Parlament, erste Lesung/einzige Lesung; Ref. T7‑0341/2014, Stand: 15.4.2014.

Page 59: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

57Teil III - Herausforderungen im Zusammenhang mit der Antwort der EU auf die Finanzkrise

Koordinierte Maßnahmen

160 Der Rahmen für die Rechenschaftspflicht innerhalb der neuen Architektur für die Regulierung und Überwachung des Finanzsektors, die als Reaktion auf die Krise ein‑gerichtet wurde, ist nicht genauer festgelegt. Beispielsweise fallen einige Systeme auf EU‑Ebene bisweilen lediglich zum Teil in den Zuständigkeitsbereich des Hofes:

— Die drei Aufsichtsbehörden (ESA) werden vom Hof geprüft.

— Für den SSM gelten die – bereits beschriebenen – besonderen Vorschriften, wo‑nach die EZB dem Rat und dem Europäischen Parlament rechenschaftspflichtig ist und ihre wirtschaftliche Haushaltsführung vom Hof geprüft wird67; nationale Aufsichtsbehörden innerhalb des SSM fallen jedoch nicht in die Zuständigkeit des Hofes; es bestehen keine Bestimmungen für die Bewertung des gesamten Aufsichtssystems durch Prüfer. Eine engere Zusammenarbeit mit den ORKB in den jeweiligen Mitgliedstaaten könnte umfassendere Bewertungen ermöglichen, derzeit bestehen jedoch noch keine derartigen Regelungen.

67 Artikel 27 Absatz 2 des Protokolls Nr. 4 AEUV über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank.

Page 60: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

58Teil III - Herausforderungen im Zusammenhang mit der Antwort der EU auf die Finanzkrise

Mechanismen zur finanziellen Unterstützung für Mitgliedstaaten

161 Die zweite Phase der Krise, die 2010 begann, war mit der Staatsverschuldung ver‑bunden. Bis Januar 2013 war gegen nicht weniger als 20 Mitgliedstaaten der EU ein Beschluss des Rates gemäß dem Verfahren bei einem übermäßigen Defizit ergangen. Die Verbindung zwischen Banken‑ und Staatsschulden wirkte sich auf die Finanzlage der Mitgliedstaaten aus. Zum einen sanierten einige Regierungen mehrere Banken mit finanziellen Problemen, zum anderen drohte aufgrund der hohen Exponierung der Banken gegenüber der Staatsverschuldung eine gefährliche Spirale; dies machte ein sofortiges Eingreifen auf EU‑Ebene erforderlich. Bis Mitte 2013 waren Mechanis‑men für die Finanzmarktstabilität eingerichtet worden, mit denen insgesamt 890 Mil‑liarden Euro bereitgestellt wurden, von denen 313,6 Milliarden Euro bis zu jenem Zeitpunkt verwendet worden waren68.

162 Die Banken‑ und Staatsschuldenkrise wirkte sich auf die Wirtschaftsleistung aus. Sparmaßnahmen, finanzpolitische Anpassungen, steigende Schuldendienstkosten und die Auswirkungen eines in Schwierigkeiten geratenen Bankensektors verschärf‑ten die rezessiven Folgen für die Wirtschaft der Europäischen Union:

— Die Defizite im Staatshaushalt im Euro‑Währungsgebiet und in der EU‑27 beliefen sich zwischen 2009 und 2010 auf über 6 % des BIP (mehr als das Doppelte der im Vertrag von Maastricht vereinbarten Höchstgrenze).

— Die öffentliche Verschuldung im Euro‑Währungsgebiet stieg zwischen 2007 und 2013 von 66,4 % auf 92,7 %69.

— Das BIP‑Wachstum im Euro‑Währungsgebiet und in der EU fiel unter sein langfris‑tiges Potenzial und rutschte im Jahr 2009 (– 4,4 % für das Euro‑Währungsgebiet) und im Jahr 2013 (– 0,4 % für das Euro‑Währungsgebiet) in den negativen Bereich. Real war das BIP im Euro‑Währungsgebiet 2013 niedriger als vor dem Beginn der Krise im Jahr 2007.

163 Die EU reagierte auf die Staatsschuldenkrise, indem sie finanzielle Unterstützung für in Schwierigkeiten geratene Mitgliedstaaten über eine Reihe von Mechanismen bereitstellte (siehe Tabelle 4).

164 Zu den im Rahmen der EU ergriffenen Initiativen gehören

— der Europäische Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM), der den Mitglied‑staaten Finanzhilfe auf der Grundlage von EU‑Haushaltsgarantien gewähren soll‑te (der Rat beschloss, dieses Instrument zum Ende des Jahres 2013 abzuschaffen);

— die Zahlungsbilanzhilfe, die vor der Krise eingeführt wurde und ebenfalls Darle‑hen und Kreditlinien mit Garantie aus dem EU‑Haushalt bietet.

68 Stand: 30. Juni 2013. Gestützt auf die gesamte Darlehenskapazität des Zahlungsbilanzmechanismus, der griechischen Darlehens‑fazilität, des EFSM und der auf 700 Milliarden Euro festgesetzten Gesamtober‑grenze der EFSF und des ESM (siehe Tabelle 4).

69 Eurostat, Online‑Daten, Finanzstatistik des Sektors Staat, gesamtstaatliches Defizit (in % des BIP) und gesamtstaatlicher Bruttoschuldenstand (in % des BIP); siehe auch Eurostat‑Pressemitteilung vom 22. Januar 2014.

Page 61: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

59Teil III - Herausforderungen im Zusammenhang mit der Antwort der EU auf die Finanzkrise

EU und zwischenstaatliche Mechanismen zur finanziellen Unterstützung

Tabe

lle 4

Instrumente der finanziellen Unterstützung

Zahlungsbilanz-hilfe

Euro-Währungsgebiet zwischenstaatliche

Darlehen für Griechenland

Europäischer Finanzstabilisie-rungsmechanis-

mus (EFSM)

Europäische Finanz-stabilisierungsfazilität

(EFSF)

Europäischer Stabi-litätsmechanismus

(ESM)

Rechtsform/institu-tionelle Form

EU-MechanismusZwischenstaatliche Vereinbarung

EU-MechanismusAktiengesellschaft der Länder des Euro-Währungsgebiets

Zwischenstaatliche Organisation

Kapitalstruktur

Aus dem EU-Haushalt (d. h. von allen EU-Mitgliedstaaten) garantiert

Keine, bilaterale von der Europäischen Kommission zusammengelegte Darlehen

Aus dem EU-Haushalt (d. h. von allen EU-Mitgliedstaaten) garantiert

Garantien und Übergarantien der Euro-Währungsgebiet- Länder

80 Milliarden Euro eingezahltes Kapital und 620 Milliarden Euro abrufbares Kapital

Darlehenskapazität 50 Milliarden Euro 80 Milliarden Euro 60 Milliarden Euro 440 Milliarden Euro 500 Milliarden Euro

Geliehene Beträge und begünstigte MS

13,4 Milliarden Euro (Lettland, Ungarn und Rumänien)

52,9 Milliarden Euro (Griechenland)

43,8 Milliarden Euro (Irland und Portugal)

166,1 Milliarden Euro (Griechenland, Irland und Portugal)

44,3 Milliarden Euro (Spanien und Zypern)

Instrumente Darlehen, Kreditlinien Darlehen Darlehen, KreditlinienDarlehen, Anleiheverkäufe auf den Primär- und Sekundärmärkten

Darlehen, Anleihever-käufe auf den Primär- und Sekundärmärkten

Dauer Ständiger Mechanismus

Darlehen, die sieben-einhalb Jahre nach dem Datum der Auszahlung in 22 gleichen Raten vierteljährlich zurückzuzahlen sind

Bis Ende Juni 2013. Läuft auch noch da-nach, bis alle bestehen-den Verbindlichkeiten zurückgezahlt sind

Bis Ende Juni 2013. Läuft auch noch danach, bis alle bestehenden Verbindlichkei-ten zurückgezahlt sind

Ständiger Mechanismus seit Oktober 2012

Wichtigste Entscheidungsorgane

Beschluss des Rates mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Europäischen Kommission

Euro-Gruppe

Beschluss des Rates mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Euro-päischen Kommission

Euro-Gruppe/Vorstand der EFSF

Euro-Gruppe/ESM-Gouverneursrat

Rechtsgrundlage Finanzierung

Artikel 143 AEUVZwischenstaatlicher Beschluss und Artikel 136 AEUV

Artikel 122 AEUV (ein Mitgliedstaat, der „außergewöhnlichen Ereignissen, die sich seiner Kontrolle entzie-hen”, gegenübersteht)

Zwischenstaatlicher Beschluss

Zwischenstaatlicher Vertrag im Zusammen-hang mit dem geänder-ten Artikel 136 AEUV

Rechenschaftspflicht Unterliegt dem Entlastungsverfahren der EU

Instrument fällt nicht unter das Entlastungsverfahren der EU. Tätigkeiten der Kommission zur Unterstützung des Mechanismus unterliegen dem Entlastungsverfahren der EU

Unterliegt dem Entlastungsverfahren der EU

Instrument fällt nicht unter das Entlastungsverfahren der EU. Die Hauptversammlung der Anteilseigner dient zur Entlastung in Bezug auf die Jahresabschlüsse. Tätigkeiten der Kommission zur Unterstützung des Me-chanismus unterliegen dem Entlastungsverfahren der EU

Instrument fällt nicht unter das Entlastungs-verfahren der EU. Gouverneursrat ist die Entlastungsbehörde. Tätigkeiten der Kom-mission zur Unterstüt-zung des Mechanismus unterliegen dem Entlastungsverfahren der EU

Öffentliche Finanzkontrolle

Prüfung durch den Hof gemäß Artikel 9a der Verordnung (EG) Nr. 332/2002

Keine Bestimmung

Prüfung durch den Hof gemäß Artikel 8 der Verordnung (EU) Nr. 407/2010

Privater Rechnungsprüfer wurde ernannt

ESM wird durch einen Prüfungsausschuss mit fünf Mitgliedern, eines davon aus dem Hof, ge-prüft, die ad personam handeln. Einsatz eines privaten Rechnungsprü-fers vorgesehen

Quelle: EuRH.

Page 62: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

60Teil III - Herausforderungen im Zusammenhang mit der Antwort der EU auf die Finanzkrise

165 Einige Schlüsselinitiativen wurden jedoch von EU‑Mitgliedstaaten außerhalb des Rahmens der EU ergriffen. Dies gilt für folgende Fälle:

— Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts‑ und Währungsunion (SKSV);

— griechische Darlehensfazilität – einem Instrument der Länder des Euro‑Wäh‑rungsgebiets, finanziert durch bilaterale Darlehen und die Europäische Finanz‑stabilisierungsfazilität (EFSF), gefördert durch die Europäische Kommission. Nati‑onale Beiträge zur griechischen Darlehensfazilität können von nationalen ORKB geprüft werden. Die griechische Rechnungskontrollbehörde könnte die Recht‑mäßigkeit der Ausgaben in Griechenland prüfen, nicht jedoch ihre Wirksamkeit, da sie keine Wirtschaftlichkeitsprüfungen durchführt; der Hof kann lediglich die technische Unterstützung durch die Europäische Kommission prüfen;

— Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (ESFS), die mit öffentlichen Mitteln finanziert wird und von den Mitgliedstaaten des Euro‑Währungsgebiets als pri‑vates Instrument ohne Vorschriften über die Prüfung oder Rechenschaftspflicht durch EU‑Organe eingerichtet wurde;

— Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM), der eingerichtet wurde, um in finanzielle Schwierigkeiten geratene Mitgliedstaaten im Euro‑Währungsgebiet zu unterstützen. Einige EU‑Organe werden diesen zwischenstaatlichen Vertrag umsetzen: Die Streitbeilegung wurde dem Europäischen Gerichtshof übertragen, die Überwachung nach Abschluss des Programms wird von der Europäischen Kommission und vom Rat vorgenommen. Für das Europäische Parlament (Re‑chenschaftspflicht) oder den Hof ist keine Aufgabe vorgesehen. Der ESM wird von einem Prüfungsausschuss aus fünf Mitgliedern geprüft, die ad personam handeln. Im Gegensatz zum Fiskalpakt sind keine Bestimmungen über eine künf‑tige Aufnahme des ESM in den EU‑Vertrag vorgesehen. Die politischen Organe der EU betonten jedoch: „Infolge der Mängel der bisherigen Architektur sind ei‑nige zwischenstaatliche Vereinbarungen getroffen worden, doch müssten diese letztendlich in den Rechtsrahmen der Europäischen Union integriert werden.“70

166 Der Hof kann die Mechanismen, die innerhalb des Rechtsrahmens der EU eingerichtet wurden (Zahlungsbilanzhilfe und EFSM), sowie die Aufgaben, die den EU‑Organen (z. B. GD ECFIN) für alle Unterstützungsmechanismen (einschließlich EFSF, ESM und griechische Darlehen) zugewiesen sind, im Hinblick auf die Bewertung der Qualifizie‑rung für verschiedene Unterstützungsmechanismen, die Festlegung von Bedingun‑gen, die Überwachung der Leistung der Länder und das Verfahren zur Ausarbeitung länderspezifischer Empfehlungen prüfen. Einige Wirtschaftlichkeitsprüfungen laufen in diesen Bereichen.

70 „Auf dem Weg zu einer echten Wirtschafts‑ und Währungsunion“, Fahrplan entwickelt vom Präsidenten des Europäischen Rates in Zusammenarbeit mit den Präsidenten der Europäischen Kommission, der Euro‑Gruppe und der Europäischen Zentralbank, 5. Dezember 2012.

Page 63: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

61Teil III - Herausforderungen im Zusammenhang mit der Antwort der EU auf die Finanzkrise

167 Bei allen Unterstützungsinstrumenten, die auf zwischenstaatlichen Vereinbarungen basieren, ist ein externer Prüfer vorgesehen. Überdies prüfen einige nationale ORKB die jeweiligen nationalen Anteile an verschiedenen Instrumenten der finanziellen Unterstützung. Die Folge dieser uneinheitlichen Vorgehensweise, gepaart mit unter‑schiedlichen Rechtsgrundlagen und verschiedenen Regelungen zur Rechenschafts‑pflicht, ist eine komplexe Governance‑ und Rechenschaftslegungsstruktur.

Koordinierte Maßnahmen

168 Der uneinheitliche Ansatz bei der Einrichtung von Mechanismen für die finanzielle Unterstützung und die partiellen Prüfungsbefugnisse verschiedener öffentlicher Kon‑trollbehörden erschweren einen umfassenden Überblick über die Reaktion auf Ebene der EU. Die Prüfungsregelungen müssten zu diesem Zweck verstärkt werden.

Leistungsbezogene Verwaltung

169 Derzeit informiert und berichtet die Kommission nicht umfassend darüber, ob die finanziellen Unterstützungsmaßnahmen wirksam zur Begrenzung von Ausstrahlungs‑effekten beitragen und ob es den Empfängerstaaten gelingt, durch die Einhaltung der vereinbarten Auflagen und Programme ihre finanziellen Schwierigkeiten zu bewältigen.

Page 64: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

62Teil III - Herausforderungen im Zusammenhang mit der Antwort der EU auf die Finanzkrise

Verstärkte wirtschafts- und finanzpolitische Überwachung

170 Mehrere Maßnahmen wurden ergriffen, damit durch die wirtschaftspolitische Ko‑ordinierung negative Ausstrahlungseffekte von Maßnahmen eingeschränkt werden können, die ein Mitgliedstaat durchführt. Dazu gehören eine Reihe von Verordnun‑gen und Richtlinien (das sogenannte „Six‑Pack“ bzw. „Two‑Pack“) sowie Verträge außerhalb des Rechtsrahmens der EU, die für die Unterzeichnermitgliedstaaten gelten (Fiskalpakt).

171 In diesen Vorschriften sind Obergrenzen für das Haushaltsdefizit und die Verschul‑dung sowie ein Überwachungsmechanismus zur Verhinderung von Ausstrahlungs‑effekten hauptsächlich innerhalb des Euro‑Währungsgebiets vorgeschrieben. Ferner wird der Zeitplan für das Haushaltsverfahren in den 28 Mitgliedstaaten im Rahmen des Europäischen Semesters gestrafft, und es werden Fragen im Zusammenhang mit den zugrunde liegenden volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen und Statistiken behandelt.

Verstärkte Maßnahmen zur finanz- und wirtschaftspoliti-schen Koordinierung auf EU-Ebene

172 Infolge der Finanzkrise ergriff die EU Maßnahmen zur Reform des Stabilitäts‑ und Wachstumspakts. Der erste Versuch war der Euro‑Plus‑Pakt. Die jüngere Reform besteht aus einer Reihe von Rechtsvorschriften, die als „Six‑Pack“ und „Two‑Pack“ bezeichnet werden und die die finanz‑ und wirtschaftspolitische Koordinierung und Überwachung auf EU‑Ebene verstärken sollen. Der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts‑ und Währungsunion (allgemein bekannt als „Fiskalpakt“) stärkt ebenfalls die gegenseitige Rechenschaftspflicht der Mitgliedstaaten.

— Der Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) ist eine Vereinbarung unter den 28 Mitgliedstaaten der EU, mit dem die Stabilität der Wirtschafts‑ und Währungs‑union (WWU) unterstützt und erhalten werden soll. Der Pakt, der sich in erster Linie auf Artikel 121 und 126 AEUV stützt, sieht die haushaltspolitische Überwa‑chung der Mitgliedstaaten durch die Europäische Kommission und den Minister‑rat sowie die Abgabe einer jährlichen Empfehlung zu politischen Maßnahmen vor, um die vollständige Einhaltung des SWP auch mittelfristig sicherzustellen. Der Pakt wurde im Juli 1997 in einer Entschließung und zwei Verordnungen des Rates erläutert. Die erste Verordnung „über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspoli‑tiken“, bekannt als „präventive Komponente“, trat am 1. Juli 1998 in Kraft71. Die zweite Verordnung „über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit”, bekannt als die „korrektive Komponente”, trat am 1. Januar 1999 in Kraft72. Alle EU‑Mitgliedstaaten mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs73 sind automatisch Mitglieder der WWU und des SWP, wie dies im EU‑Vertrag selbst festgelegt ist.

71 Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haus‑haltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1).

72 Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 6).

73 Nach Artikel 4 des Protokolls 15 zum AEUV gilt diese Verpflichtung nicht für das Vereinigte Königreich; nach Artikel 5 des Protokolls 15 zum AEUV gilt die Verpflichtung, übermäßige öffentliche Defizite zu vermeiden, für das Vereinigte Königreich.

Page 65: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

63Teil III - Herausforderungen im Zusammenhang mit der Antwort der EU auf die Finanzkrise

— Das „Six-Pack“ ist Sekundärrecht der EU und gilt grundsätzlich für alle 28 Mit‑gliedstaaten, enthält jedoch auch einige spezifische Regeln nur für Mitgliedstaa‑ten des Euro‑Währungsgebiets. Das „Two‑Pack“ gilt nur für Mitgliedstaaten im Euro‑Währungsgebiet.

— Mit den Verordnungen des „Six‑Pack“ und des „Two‑Pack“ werden verschiedene Aspekte der wirtschafts‑ und haushaltspolitischen Überwachung verstärkt. Zu den wichtigen gemeinsamen Merkmalen zählen: i) Annahme im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren; ii) eine stärkere Konsultation zwischen EP und den nationalen Parlamenten im Rahmen des Wirtschaftsdialogs; iii) regelmäßige Überprüfungen der Wirksamkeit, wie von der Kommission gefordert; iv) Bestim‑mungen über Linien der Rechenschaftspflicht zwischen den beteiligten Parteien.

— Der Fiskalpakt (SKSV)74 ist ein gesonderter Vertrag, der die Verantwortlichkei‑ten der Mitgliedstaaten untereinander im Hinblick auf die Haushaltsverfahren regelt, die zum Schutz des Euro erforderlich sind. Er ermächtigt die Kommission, den EuGH anzurufen, und sieht vor, dass dessen Urteile vollstreckbar sind. Durch den Vertrag werden ferner die wirtschafts‑ und finanzpolitischen Regeln der EU verstärkt, indem vorgeschrieben wird, dass entsprechende Bedingungen im einzelstaatlichen Recht verankert werden müssen und die Koordinierung und Überwachung durch EU‑Organe und im EU‑Recht festgelegte Maßnahmen erfol‑gen75. Die Kommission sorgt für die Überwachung und leitet die erforderlichen Korrekturverfahren ein.

74 Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts‑ und Währungsunion (SKSV), auch „Fiskalpakt“ genannt.

75 Siehe Artikel 10 und 11 des SKSV.

Page 66: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

64Teil III - Herausforderungen im Zusammenhang mit der Antwort der EU auf die Finanzkrise

Abb

ildun

g 7

Das Europäische Semester

Nov Dez Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez

GlossarJWB Jahreswachstumsbericht – WMB Warnmechanismus-Bericht – LE Länderspezifische Empfehlungen –IDR Eingehende Überprüfung – NRP Nationale Reformprogramme – SKP Stabilitäts- oder Konvergenzprogramm

Stellungnahme Europäische Kommission zu den Haushaltsentwürfen der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets; Herbstvorausschätzung

Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets stellen Haushaltsentwürfe auf

Europäische Kommission schlägt LE vor; Frühjahrsvorausschätzung

Europäischer Rat gibt politische Orientierungen

auf der Grundlage des JWB ab

Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets verabschieden Haushaltspläne

Europäischer Rat nimmt LE an

JWB und WMB; Start der IDR

Mitgliedstaaten legen NRP und SKP vor; Ergebnisse der IDR

Quelle: Europäische Kommission.

Zeitplan Europäisches Semester

Das Europäische Semester

173 Das Europäische Semester ist eine neue Governance‑Architektur, auf die sich die Mitgliedstaaten der EU im Jahr 2010 geeinigt haben76. Ziel ist es, die wirtschafts‑ und finanzpolitische Koordinierung auf nationaler und EU‑Ebene zu straffen; vorgesehen ist ein strikter jährlicher Zeitplan für die Erfassung, Analyse und Bewertung eines breiten Spektrums wirtschaftlicher Indikatoren. Es sollte allen beteiligten Akteuren (Europäisches Parlament und nationale Parlamente, Mitgliedstaaten und EU‑Orga‑nen) den notwendigen Rahmen für eine bessere Überwachung und Koordinierung an die Hand geben (siehe Abbildung 7).

76 Vereinbart von den EU‑Mitgliedstaaten am 7. September 2010 im Anschluss an die Vorschläge der Kommission IP/10/561 und IP/10/859 von Mai bzw. Juni 2010.

Page 67: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

65Teil III - Herausforderungen im Zusammenhang mit der Antwort der EU auf die Finanzkrise

Verlässliche volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen und Statistiken

174 Die Maßnahmen, die zur Förderung tragfähiger öffentlicher Finanzen ergriffen wur‑den, stellen neue Herausforderungen im Hinblick auf die öffentliche Rechenschafts‑pflicht und Finanzkontrolle dar. Die finanz‑ und wirtschaftspolitische Koordinierung stützt sich weitgehend auf qualitativ hochwertige Schätzungen und Statistiken zur Rechnungsführung, die unter den Mitgliedstaaten vergleichbar sind. Es gibt Belege dafür, dass die fehlende finanzpolitische Transparenz reale Kosten für die Mitglied‑staaten und die EU verursacht. Das Unvermögen einiger Regierungen, ihre tatsächli‑che Haushaltsposition zu bewerten, kam auf dem Höhepunkt der Krise erschwerend hinzu77.

175 Als Reaktion darauf nahm die Kommission über Eurostat im Jahr 2012 eine Bewer‑tung78 der Lage im Hinblick auf die Rechnungsführungsgrundsätze vor, die in den Mitgliedstaaten angewandt werden. In dem Bericht wurden die Auswirkungen harmonisierter öffentlicher Rechnungsführungsgrundsätze in den Mitgliedstaaten untersucht. IPSAS sind Rechnungsführungsgrundsätze für den öffentlichen Sektor, mit denen sichergestellt werden soll, dass periodengerechte Rechnungsabschlüsse zeitnahe, genaue und zuverlässige Informationen über die finanzielle und wirtschaft‑liche Lage einer öffentlichen Einrichtung ermöglichen. Die Kommission (Eurostat) konsultiert derzeit Interessenträger zur Eignung von IPSAS als Grundlage für die Entwicklung europäischer Rechnungsführungsgrundsätze für den öffentlichen Sektor (EPSAS), mit denen periodengerechte Rechnungsführungsgrundsätze für den öffentlichen Sektor in den Mitgliedstaaten definiert werden könnten.

176 Unabhängig von den zu vereinbarenden Rechnungsführungsgrundsätzen muss Transparenz folgende Elemente umfassen:

— hochwertige Informationen über Risiken, um die Sensibilisierung für mögliche wirtschaftliche Schocks im Sektor der öffentlichen Finanzen aufrechtzuerhalten;

— eine ordnungsgemäße und vollständige Offenlegung aller bestehenden und möglichen Verbindlichkeiten der Regierung und damit zusammenhängender Sektoren (um den Umfang der außerhalb des Haushalts laufenden Tätigkeiten zu klären, deren Kosten später auf die Regierung zurückfallen können);

— eine fristgerechte, effiziente und korrekte Meldung aller wirtschaftlichen Ereig‑nisse im integrierten Rechnungsführungssystem der öffentlichen Stellen.

77 Internationaler Währungsfonds (2012), Fiscal transparency, accountability, and risk (Finanzpolitische Transparenz, Rechenschaftspflicht und Risiken), Abteilung Fiskalpolitik und Abteilung Statistik, 7. August 2012.

78 Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament – Die angestrebte Umsetzung harmonisierter Rechnungsführungsgrund‑sätze für den öffentlichen Sektor in den Mitgliedstaaten – (SWD(2013) 57 final), COM(2013) 114 final.

Page 68: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

66Teil III - Herausforderungen im Zusammenhang mit der Antwort der EU auf die Finanzkrise

Koordinierte Maßnahmen

177 Die Wirksamkeit des Überwachungsrahmens hängt von der Leistung verschiedener Akteure innerhalb des Prozesses ab: Der Rat ist für Beschlüsse im Zusammenhang mit der wirtschaftspolitischen Abstimmung und Steuerung zuständig, die Kommission für die Kerntätigkeiten, die den Koordinierungs‑ und Überwachungsfunktionen der EU zugrunde liegen.

178 Das „Six‑Pack“, das „Two‑Pack“ und der Fiskalpakt enthalten Bestimmungen über die Abstimmung mit dem Europäischen Parlament: Alle Verordnungen sehen vor, dass dem EP Informationen vorzulegen sind und ein Dialog mit dem EP im Rahmen des Europäischen Semesters stattfinden muss. Die Bestimmungen sorgen für ein besser unterrichtetes Parlament und geben diesem die Möglichkeit, Einfluss auf die Beschlüsse des Rates zu nehmen. Es ist nicht klar, ob (und wie) beim Europäischen Semester und beim wirtschaftlichen Dialog die Arbeit der ORKB zu den entsprechen‑den Fragen berücksichtigt werden würde.

179 Die Bürger erwarten, dass öffentliche Stellen, einschließlich Rechnungshöfe, sie vor größeren Systemrisiken für ihre finanziellen Interessen warnen. Die Obersten Rech‑nungskontrollbehörden erkennen ihre Verantwortung an. Beim internationalen Kon‑gress (XXI. INCOSAI) der Internationalen Organisation der Obersten Rechnungskon‑trollbehörden (INTOSAI) im Jahr 2013 zogen die Mitglieder in ihrem Abkommen die Schlussfolgerung, von den ORKB werde erwartet, „dass sie auf gesamtwirtschaftliche und systeminhärente Probleme hinweisen, die sich auf die Nachhaltigkeit der Regie‑rungs‑ und Finanzpolitik auswirken könnten“. Als Oberste Rechnungskontrollbehörde der EU kann vom Hof erwartet werden, vor möglichen europäischen systeminhären‑ten Risiken zu warnen.

180 Rechnungskontrollbehörden sollen allerdings nicht die Aufgabe von Einrichtungen übernehmen, die Systemrisiken so früh wie möglich aufdecken und behandeln sollen, sondern bewerten, ob diese Stellen für solche Zwecke geeignet sind. Für eine Aus‑weitung der Rolle der Rechnungskontrollbehörden, wie sie in den Schlussfolgerun‑gen des INCOSAI vorgeschlagen wird, wäre jedoch ein breiterer Konsens mit anderen Akteuren erforderlich, und es müssten Überlegungen über die für diese Tätigkeiten notwendigen Kapazitäten angestellt werden.

Page 69: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

67Teil III - Herausforderungen im Zusammenhang mit der Antwort der EU auf die Finanzkrise

181 Das derzeitige System ist jedoch fragmentiert und erhöht die Komplexität der Rechenschaftspflicht und öffentlichen Finanzkontrolle. Eine klare Kompetenzab‑grenzung ist notwendig, damit die Behörden zur Rechenschaft gezogen werden können; dazu gehört auch die Verantwortung für die Verwaltung öffentlicher Mittel. Es ist immer schwieriger geworden, zu verstehen, wer in der EU für welche der oben dargestellten Bereiche zuständig ist. Die zunehmende Komplexität gefährdet die Legitimität der EU.

182 Sowohl im Fahrplan des Präsidenten des Europäischen Rates als auch im Konzept der Kommission wurden Vorschläge für eine verbesserte Wirtschafts‑ und Währungs‑union sowie eine Bankenunion vorgelegt. Zu den derzeit erörterten Möglichkeiten gehören unter anderem Befugnisse zur Überprüfung der nationalen Haushalte entsprechend den europäischen Verpflichtungen, mehr Einfluss der EU bei Steuern und Beschäftigung und längerfristig die Entwicklung einer Fiskalkapazität, eines Schuldentilgungsfonds zur Bewältigung kritischer Schuldenlagen und die gemein‑same Ausgabe öffentlicher Schuldverschreibungen durch Mitgliedstaaten des Euro‑Währungsgebiets. Einige dieser Vorschläge würden eine Änderung der Verträge erfordern. Es muss dafür Sorge getragen werden, dass für diese Mechanismen klare, kohärente und transparente Mechanismen zur Finanzkontrolle und Rechenschafts‑pflicht bereitgestellt werden.

183 Die Finanzkrise hat die Schaffung neuer Instrumente mit spezifischen Regelungen zur Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle beschleunigt. Diese Regelungen sind Beispiele für allgemeinere Herausforderungen, wie sie in Teil II oben dargestellt sind. Da bestimmte Instrumente rasch konzipiert wurden und sehr neu sind, sollten die bislang angewendeten Regelungen zur Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle in den nächsten Jahren überprüft werden; sofern es direkt oder indirekt um öffentliche Gelder geht, sollten Regelungen für eine angemessene Transparenz, Finanzkontrolle und Rechenschaftspflicht vorgesehen werden.

Page 70: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

68Teil IV – Schlussfolgerungen und Überlegungen

184 Angemessene Regelungen zur Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle sind für den Prozess der demokratischen Kontrolle unverzichtbar. Bei der Überprüfung des institu‑tionellen Gefüges der EU und seiner jüngsten Entwicklungen hat der Hof sechs Berei‑che ermittelt (siehe Tabelle 2), in denen besondere Herausforderungen bestehen.

185 Zur Verbesserung der Rechenschaftspflicht und der öffentlichen Finanzkontrolle auf EU‑Ebene sind folgende Punkte unerlässlich:

— Es sollten kohärente und umfassende Regelungen zur Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle für alle Politikbereiche, Instrumente und Mittel der EU bestehen.

— Es sollten kohärente und konsequente Regelungen zur Rechenschaftspflicht und öffentlichen Finanzkontrolle insbesondere für koordinierte und zwischenstaatli‑che Instrumente vorhanden sein. Angesichts der Komplexität muss der entspre‑chende Rahmen gut strukturiert sein und eine Abstimmung zwischen Parlamen‑ten und Rechnungskontrollbehörden auf nationaler und EU‑Ebene sicherstellen.

— Konsequentere und umfassendere Regelungen sind notwendig, um die Ver‑wendung aller von den Organen und Einrichtungen der EU verwalteten Mittel einzubeziehen.

— Alle an der Verwaltung und Kontrolle des EU‑Haushalts beteiligten Parteien müssen insbesondere folgende Aspekte verbessern: die Festlegung der Ziele, die Kontrollen der Einhaltung der Bestimmungen, die Messung von Auswirkungen und Ergebnissen und die damit zusammenhängenden internen Kontroll‑ und Berichterstattungssysteme.

— Eine verbesserte Zusammenarbeit der Parlamente ist nötig, um eine umfassende Kontrolle der europäischen Instrumente zu ermöglichen. Die bestehende Archi‑tektur für die Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle der europäischen Instru‑mente auf EU‑Ebene und zwischenstaatlicher Ebene muss verbessert werden.

186 Angesichts der Entwicklungen infolge der Finanzkrise sowie allgemein innerhalb der EU und der Mitgliedstaaten und in Anbetracht des derzeitigen Umfangs an wirtschaftlicher, haushaltspolitischer und währungspolitischer Integration ist eine stärkere Zusammenarbeit zwischen dem Hof und den ORKB der Mitgliedstaaten – auf bilateraler oder breiterer Basis abhängig von den jeweiligen Themen – zweifellos erforderlich, um eine vollständigere und umfassendere Kontrolle zu ermöglichen. Die gesamten Systeme der Rechenschaftspflicht und Finanzkontrolle innerhalb der EU müssen zudem gründlich überdacht und erörtert werden. In dieser Analyse wurde auf mehrere Lücken und Überschneidungen bei der Rechenschaftspflicht und Finanz‑kontrolle in diesen Systemen hingewiesen; damit sollte ein Beitrag zur Förderung und Fokussierung der Debatte geleistet werden.

Page 71: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

69Anhang

Liste der EU-Agenturen

33 Dezentrale Ämter und Agenturen

1. Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA)2. Agentur der Europäischen Union für Netz‑ und Informationssicherheit (ENISA)3. Agentur für das Europäische GNSS (GSA)4. Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER)5. Eurojust 6. Europäische Agentur für das Betriebsmanagement von IT‑Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und

des Rechts (eu‑LISA)7. Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der

Euro päischen Union (Frontex)8. Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA)9. Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA)10. Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU‑OSHA)11. Europäische Arzneimittel‑Agentur (EMA)12. Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA)13. Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA)14. Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA)15. Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA)16. Europäische Chemikalienagentur (ECHA)17. Europäische Eisenbahnagentur (ERA)18. Europäische Fischereiaufsichtsagentur (EFCA)19. Europäische Polizeiakademie (CEPOL)20. Europäische Stiftung für Berufsbildung (ETF)21. Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens‑ und Arbeitsbedingungen (Eurofound)22. Europäische Umweltagentur (EUA)23. Europäische Wertpapier‑ und Marktaufsichtsbehörde (ESMA)24. Europäisches Innovations‑ und Technologieinstitut (EIT) 25. Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE)26. Europäisches Polizeiamt (Europol)27. Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO)28. Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung (Cedefop)29. Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC)30. Gemeinschaftliches Sortenamt (CPVO) 31. Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK)32. Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM)33. Übersetzungszentrum für die Einrichtungen der Europäischen Union (CdT)

Anh

ang

Page 72: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

70Anhang

Sechs Exekutivagenturen

34. Exekutivagentur Bildung, Audiovisuelles und Kultur (EACEA)35. Exekutivagentur des Europäischen Forschungsrates (ERCEA)36. Exekutivagentur für die Forschung (REA)37. Exekutivagentur für Innovation und Netze (INEA) 38. Exekutivagentur für kleine und mittlere Unternehmen (EASME)39. Exekutivagentur für Verbraucher, Gesundheit und Lebensmittel (Chafea)

Eine Euratom-Agentur

40. Euratom‑Versorgungsagentur (ESA)

Anh

ang

Page 73: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

WO ERHALTE ICH EU‑VERÖFFENTLICHUNGEN?

Kostenlose Veröffentlichungen:

• Einzelexemplar: über EU Bookshop (http://bookshop.europa.eu);

• mehrere Exemplare/Poster/Karten: bei den Vertretungen der Europäischen Union (http://ec.europa.eu/represent_de.htm), bei den Delegationen in Ländern außerhalb der Europäischen Union (http://eeas.europa.eu/delegations/index_de.htm), über den Dienst Europe Direct (http://europa.eu/europedirect/index_de.htm) oder unter der gebührenfreien Rufnummer 00 800 6 7 8 9 10 11 (*).(*) Sie erhalten die bereitgestellten Informationen kostenlos, und in den meisten Fällen entstehen auch keine

Gesprächsgebühren (außer bei bestimmten Telefonanbietern sowie für Gespräche aus Telefonzellen oder Hotels).

Kostenpflichtige Veröffentlichungen:

• über EU Bookshop (http://bookshop.europa.eu).

Kostenpflichtige Abonnements:

• über eine Vertriebsstelle des Amts für Veröffentlichungen der Europäischen Union (http://publications.europa.eu/others/agents/index_de.htm).

Page 74: Lücken, Überschneidungen und Herausforderungen: eine ...€¦ · erstellte „Landscape‑Analyse“. Hierbei handelt es sich um eine neue Art der Publikation des Hofes. Ausgehend

QJ‑A

B‑14‑001‑EN‑C

ISS7834Q

J‑02‑14‑776‑DE‑C

EUROPÄISCHERRECHNUNGSHOF


Recommended