+ All Categories
Home > Documents > Landwirtschaft im Dreiländereck Stabil durch Vielfalt … · 320 hektar Mais spielen für den...

Landwirtschaft im Dreiländereck Stabil durch Vielfalt … · 320 hektar Mais spielen für den...

Date post: 17-Sep-2018
Category:
Upload: dohanh
View: 212 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
5
12 REPORTAGE NEUE LANDWIRTSCHAFT 11 | 2011 Klaus Böhme, NL-Redakteur N ach einem total verregneten Sommer- urlaub an der Ostsee und turbulentem Wetter in den letzten Wochen hatte ich einen tollen Herbsttag erwischt, um ins Dreiländereck zu fahren. Ganz im südöstlichen Zipfel Deutschlands, wo bei Zittau die Grenzen von Deutschland, Polen und Tschechien aufein- andertreffen, gibt es seit jeher fruchtbares Land und fleißige Landwirte. Einer von ihnen, der Ge- schäftsführer der MIKU Agrarprodukte GmbH, hatte mich eingeladen und endlich klappte es. Der goldener Herbst lässt eher an Urlaub, als an harte Landwirtearbeit denken. Aber schon auf dem Weg nach Oberseifersdorf sind aber überall Drillmaschinen und Düngerstreuer auf den Feldern, und ich fahre kilometerlang hinter Traktoren mit gehäckseltem Mais her. Ich komme deshalb mit etwas Verspätung an. Als ich mich bei Ehrenfried Zücker dafür mit den Maistransporten entschuldige, lächelt der Geschäftsführer: „Bei uns kann das aber nicht gewesen sein. Wir sind nämlich heute mit der Silomaisernte fertig geworden. Unsere Silos sind voll.“ Man merkt ihm Erleichterung und Freude an. Eine wichtige Etappe im Land- wirtschaftsjahr ist erfolgreich bewältigt. Die 320 Hektar Mais spielen für den Betrieb eine Landwirtschaft im Dreiländereck Stabil durch Vielfalt und Bodenständigkeit Dort, wo Deutschland, Polen und Tschechien aufeinandertreffen, betreiben Landwirte aus der Region ein Agrarunternehmen mit vielen Produktionszweigen. Die Vielfalt hat der MIKU Agrarprodukte in Oberseifersdorf bei Zittau in den letzten Jahren die notwen- dige Stabilität gegeben. Keine Spitzenleistungen, aber eine solide, kostengünstige Pro- duktion zeichnen das Unternehmen aus, für das die Verwurzelung im Territorium eine Trumpfkarte ist. Wir stellen einen ganz normalen ostdeutschen Landwirtschaftsbetrieb vor.
Transcript
Page 1: Landwirtschaft im Dreiländereck Stabil durch Vielfalt … · 320 hektar Mais spielen für den Betrieb eine Landwirtschaft im Dreiländereck Stabil durch Vielfalt und Bodenständigkeit

12 reportage

Neue LaNdwirtschaft 11 | 2011

Klaus Böhme, NL-Redakteur

Nach einem total verregneten sommer-urlaub an der Ostsee und turbulentem wetter in den letzten wochen hatte

ich einen tollen herbsttag erwischt, um ins dreiländereck zu fahren. Ganz im südöstlichen Zipfel deutschlands, wo bei Zittau die Grenzen von deutschland, Polen und tschechien aufein-

andertreffen, gibt es seit jeher fruchtbares Land und fleißige Landwirte. einer von ihnen, der Ge-schäftsführer der MiKu agrarprodukte Gmbh, hatte mich eingeladen und endlich klappte es. der goldener herbst lässt eher an urlaub, als an harte Landwirtearbeit denken. aber schon auf dem weg nach Oberseifersdorf sind aber überall drillmaschinen und düngerstreuer auf den feldern, und ich fahre kilometerlang hinter traktoren mit gehäckseltem Mais her.

ich komme deshalb mit etwas Verspätung an. als ich mich bei ehrenfried Zücker dafür mit den Maistransporten entschuldige, lächelt der Geschäftsführer: „Bei uns kann das aber nicht gewesen sein. wir sind nämlich heute mit der silomaisernte fertig geworden. unsere silos sind voll.“ Man merkt ihm erleichterung und freude an. eine wichtige etappe im Land-wirtschaftsjahr ist erfolgreich bewältigt. die 320 hektar Mais spielen für den Betrieb eine

Landwirtschaft im Dreiländereck

Stabil durch Vielfalt und Bodenständigkeit

Dort, wo Deutschland, Polen und Tschechien aufeinandertreffen, betreiben Landwirte aus der Region ein Agrarunternehmen mit vielen Produktionszweigen. Die Vielfalt hat der MIKU Agrarprodukte in Oberseifersdorf bei Zittau in den letzten Jahren die notwen­dige Stabilität gegeben. Keine Spitzenleistungen, aber eine solide, kostengünstige Pro­duktion zeichnen das Unternehmen aus, für das die Verwurzelung im Territorium eine Trumpfkarte ist. Wir stellen einen ganz normalen ostdeutschen Landwirtschaftsbetrieb vor.

Page 2: Landwirtschaft im Dreiländereck Stabil durch Vielfalt … · 320 hektar Mais spielen für den Betrieb eine Landwirtschaft im Dreiländereck Stabil durch Vielfalt und Bodenständigkeit

13reportage

Neue LaNdwirtschaft 11 | 2011

große rolle. immerhin sind 1.000 Kühe und ihre Nachzucht zu füttern und da spielt Mais die entscheidende rolle.

Milchproduktion gibt den Takt vorKern des Betriebes ist die als 1.930er typenpro-jekt gebaute und am 7. Oktober 1980 einge-weihte Milchviehanlage. um sie ging es auch vor allem, als sechs Landwirte 1991 eine Gmbh gründeten. Von der agros aktiengesellschaft, die im auftrag der Mitglieder das LPG-Vermö-gen verwaltete, kauften die sieben mutigen Landwirte die Milchviehanlage, die hoffläche und die tiere, übernahmen Pachtverträge und starteten in die Marktwirtschaft. das Kürzel MiKu kommt dann auch von „Milchkuh“ und kennzeichnet den schwerpunkt. die damals großzügig angelegte Milchviehanlage (MVa) ist heute das Zentrum des gesamten Betrieb. an diesem standort war alles vorhanden, was für die Betriebsentwicklung gebraucht

wurde: fläche, räume, energie, wasser und abwasserentsorgung. durch Kauf und ein Bodenordnungsverfahren ist das umfang-reiche anlagengelände jetzt vollständig im Besitz der Gmbh.in der rekonstruierten anlage stehen heute noch 1.000 Kühe mit genügend Platz und Luft. das impulsa-Melkkarussell aus dem Jahr 1995 wurde in diesem Jahr erneuert. auf 32 Plätzen wird gemolken und die Mannschaft ist, wie ihr chef, zufrieden mit dem neuen MultiLactor von der impulsa aG aus elsterwerda. in Oberseifers-dorf wurde die zweite anlage und das erste Karussell in deutschland mit diesem neuen Melkverfahren ausgestattet. ehrenfried Zücker meint, die impulsa-techniker hätten nicht zu viel versprochen: das system sei wirklich menschen- und tierfreundlich. Melkerin sabine Jutza ist mit der neuen technik zufrieden. Nur beim dippen der Zitzen gibt es noch Probleme meint sie, und läuft mit dem Becher von Kuh

BetriebsspiegelMIKU Agrarprodukte GmbH

6 Gesellschafter, 57 AK2.033 ha, dav. 389 ha EigentumPflanzenproduktion

1.484 ha Ackerland (Lö 4, 55 BP)549 ha Grünland14 Arbeitskräfte

Milchproduktion1.000 Milchkühe (8.700 kg / Kuh und Jahr)910 Jungrinder und Kälber23 Mitarbeiter

Schweineproduktion230 Sauen (24,5 abgesetzte Ferkel)1.500 Mastschweine 3 Mitarbeiter

GemüsebauWerkstattFuttermittellagerBiogas und Handwerk

▪▪▪

▪▪

▪▪▪

Die MIKU Agrarprodukte hat mit den Zwei­gen Milchproduktion, Schweineproduktion, Pflan­zenbau, Gemüse und Biogas ein breites Produk­tionsspektrum. Fotos: Böhme

1 Geschäftsführer Ehrenfried Zücker im Gespräch mit Melkerin Sabine Jutza.2 Das neue MultiLactor Melkkarussell von Impulsa mit 32 Plätzen.

1 2

Page 3: Landwirtschaft im Dreiländereck Stabil durch Vielfalt … · 320 hektar Mais spielen für den Betrieb eine Landwirtschaft im Dreiländereck Stabil durch Vielfalt und Bodenständigkeit

14 reportage

Neue LaNdwirtschaft 11 | 2011

zu Kuh. das Karussell sei zuverlässig und das Melkzeug gut zu handhaben. „das Melken ist angenehmer als früher“, sagt die Melkerin zusammenfassend. Geschäftsführer Zücker zeigt an einer Kuh mit gewaltigem euter, wie durch die sammelstück-freie Vierteltrennung eine hohe Bodenfreiheit erreicht wird. Viel verspricht er sich von dem niedrigen Vakuum, der gleichmäßigen Ge-wichtsverteilung und leichten Melkbechern für die schonung der euter. die Kühe scheinen der gleichen Meinung zu sein: ruhig und zufrieden lassen sie die Prozedur über sich ergehen.

Alle drei Jahre eine InvestitionNeben der Milchviehanlage sind in zwei Bau-abschnitten luftige, großzügige ställe für die 910 Kälber und Jungrinder entstanden. an ihrem Beispiel erläutert ehrenfried Zücker sein

investitionskonzept: „alle drei Jahre investieren wir so um die 1,5 Millionen euro. Nicht alles auf einmal, sondern schrittweise, so wie wir es finanziell schaffen ohne in die Klemme zu kommen und auch so, wie es unser Betrieb technisch und organisatorisch verkraftet.“ die drei Jahre halten die Oberseifersdorfer natürlich nicht sklavisch ein, aber in etwa läuft es immer wieder auf diesen Zeitraum hinaus. auf dem großen Gelände ist schon viel Neues entstanden, aber manches wartet noch auf eine neue Nutzung. Platz ist auch noch genug. Besonders wertvoll für die Gmbh sind die 1980 großzügig gebauten Lagerräume. „wir haben zum Beispiel den stickstoffdünger für das ganze Jahr 2012 schon gekauft und einge-lagert. ich glaube, das war ein gutes Geschäft, und so machen sich die Lagermöglichkeiten am ende auch bezahlt“, erklärt Geschäfts-

führer Zücker. er zeigt auf zwei ehemalige Gewächshäuser, die zu ddr-Zeiten für die Gemüseanzucht gedacht waren. auf einem von ihnen ist jetzt ein einfaches Blechdach. so ist kostengünstig viel Lagerraum entstanden. das andere Gewächshausskelett wird jetzt noch nicht gebraucht. „aber seine Zeit kommt auch. die verzinkten stahlträger sind noch in Ordnung“, so Zücker.

Biogas passt gut zur MilchLange haben die Gesellschafter geprüft, ob sie eine Biogasanlage bauen und welche es sein soll. sicherer Betrieb, maximaler einsatz von Gülle und gute einpassung in den Betrieb waren die ausschlaggebenden faktoren. die Gesellschafter haben zahlreiche anlagen besichtigt, sich ihre Vor- und Nachteile erklä-ren lassen und letztendlich fiel die wahl auf weltec Biopower. 2006 stand die 500 kw-anlage. inzwischen wird in den zwei fermentern stabil Biogas produziert. eingesetzt werden 85 % Gülle.. 2009 wurden 3,6 Millionen kw, 2010 sogar 4 Millionen kw verkauft. die wärme wird für die Getreidetrocknung, für eine schweine-zuchtanlage mit 230 sauenplätzen und für die Beheizung der Gebäude auf dem Betriebs-gelände genutzt. im winter reicht die wärme gerade aus, meint der allein geschäftsführende Gesellschafter. da die einspeisung des stroms direkt auf dem Betriebsgelände möglich ist, und auch für die wärmenutzung nur kurze wege anfallen,

Das Jungvieh fühlt sich in den an die Anlage angebauten luftigen Ställen wohl.

Nach der Maisernte wird der Boden bear­beitet und anschließend von Andreas Zatschler Winterweizen gedrillt.

Page 4: Landwirtschaft im Dreiländereck Stabil durch Vielfalt … · 320 hektar Mais spielen für den Betrieb eine Landwirtschaft im Dreiländereck Stabil durch Vielfalt und Bodenständigkeit

15reportage

Neue LaNdwirtschaft 11 | 2011

bestehen ideale Bedingungen. Gleich neben der Biogasanlage stehen zwei Getreidesilos von je 1.000 tonnen Kapazität. eines von ihnen versorgt die Biogasanlage mit der für die trocknung notwendigen wärme. Geprüft

wird jetzt, ob für die bessere wärmenutzung im sommer ein weiteres Getreidesilo für die trocknung mit umgebaut werden soll. auch die schweinezuchtanlage steht unmittelbar neben der Biogasanlage.

Vielfalt auch bei den FeldfrüchtenNeben der Milch- ist die Pflanzenproduktion die zweite tragende säule des unternehmens. auf knapp 1.500 hektar ackerland erzeugen 14 Mitarbeiter im Jahr rund 4.000 t weizen,

,

Zwischen Fermenter und Nachgärbehälter der Biogasanlage ist das Getreidesilo zu sehen. Arnd Schröder ist für die Schweineproduktion verantwortlich.

Page 5: Landwirtschaft im Dreiländereck Stabil durch Vielfalt … · 320 hektar Mais spielen für den Betrieb eine Landwirtschaft im Dreiländereck Stabil durch Vielfalt und Bodenständigkeit

16 reportage

Neue LaNdwirtschaft 11 | 2011

1.200 t winter- und 600 t sommergerste. Bei raps werden erträge um die 39 dt ja hektar und damit rund 630 t rapssaat erreicht. win-terweizen ist bei den relativ guten Böden die spitzenfrucht, sowohl was den anbauumfang (40 % der ackerfläche) als auch was die erträge angeht. im schnitt werden 87 dt/ha geerntet. die anderen Getreidearten, darunter auch 20 ha hafer machen noch einmal etwas über 20 % der fläche aus. an größeren Posten kommen dann noch 20 % Mais dazu. selbst das würde schon künftigen Greening-anfor-derungen der eu genügen. aber in Obersei-fersdorf und den umliegenden Orten werden

auch noch 24 ha Zuckerrüben, 5 ha Kartoffeln und 50 ha feldgemüse angebaut. „was fruchtfolgen sind, das wissen wir von unseren eltern und im studium haben wir gelernt, wie man sie für Bodenfruchtbarkeit und -gesundheit einsetzt. seit Jahrzehnten praktizieren wir das so, damals in der LPG und heute in unserer Gmbh. in gut durchdachten mehrgliedrigen fruchtfolgen produzieren wir schon aus eigeninteresse, denn unsere wirt-schaftsweise ist auf Nachhaltigkeit angelegt. da brauchen wir keine Vorschriften und strafen von der eu,“ hebt Geschäftsführer Zücker hervor. das sei nur wieder mit antragstellung

und unnützen Kontrollen verbunden – all das erfordere unnötige Bürokratie.

Stützpunkt als dörfliches Schmuckstück

technisch sind die Pflanzenbauer gut ausge-rüstet. als Zugmaschinen fahren sie fendt-traktoren. die flotte umfasst 13 Maschinen. Bei den erntemaschinen ist claas trumpf: zwei Lexion-Mähdrescher, ein Jaguar-häcksler sowie Mähtechnik und schwader für die rund 550 ha Grünland. „heimathafen“ für die technik ist der technikstützpunkt in Mittelherwigsdorf. der stützpunkt ist zur straßenseite hin ein gut renovierter Oberlausitzer Bauernhof, in dem die werkstatt untergebracht ist. dahinter stehen zwei große technikhallen. hier ist alles unter dach und fach und vier schlosser und ein Landtechnikmeister halten die gesamte technik in schuss und führen darüber auch reparaturen für Nachbarbetriebe aus.

Fest verwurzelt in den Dörferndie MiKu agrarprodukte ist im territorium fest verwurzelt. Mit 57 arbeitsplätzen ist sie in der strukturschwachen region einer der größeren arbeitgeber. ihr tun wirkt sich auf die dörfer nachdrücklich aus und deshalb arbeiten Betrieb und Kommunen eng zusam-men, stimmen Vorhaben ab und die MiKu zahlt nicht nur steuern, sondern setzt sich auch sonst für bessere Lebensbedingungen in den Gemeinden ein. das erleichtert wie-derum investitionen und trägt zur stabilität des unternehmens bei. (bö) NL

Häckslerfahrer Ehrenfried Renger ist mit der Maisernte fertig und reinigt jetzt das Schneidwerk von hartnäckigem Schmutz und Pflanzenteilen.

Stolz verkündet der Betrieb, dass er den zum Technikstütz­punkt gehörenden Bauernhof mit dem denkmalgeschützen Umgebindehaus sa­niert hat.

Der Blumenkohl wird bei der Ernte gleich in die Verpackung des Kunden gepackt und auf den Hänger geladen.


Recommended