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Laborexperimente zur Mikrophysik der Wolken...Wolken, von der Kondensation bzw. Nukleation von...

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L ABOREXPERIMENTE ZUR M IKROPHYSIK DER WOLKEN Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doctor rerum naturalium (Dr. rer. nat.) vorgelegt der Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften der Technischen Universität Ilmenau von Diplom-Physiker Denis Duft Ilmenau im November 2010 urn:nbn:de:gbv:ilm1-2011000132
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LABOREXPERIMENTE ZUR

MIKROPHYSIK DER WOLKEN

Dissertation

zur Erlangung des akademischen GradesDoctor rerum naturalium (Dr. rer. nat.)

vorgelegt der Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaftender Technischen Universität Ilmenau

von

Diplom-Physiker Denis Duft

Ilmenau im November 2010

urn:nbn:de:gbv:ilm1-2011000132

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1. Gutachter: Prof. Dr. Thomas LeisnerKarlsruher Institut für Technologie

2. Gutachter: Prof. Dr. Gerhard GobschTechnische Universität Ilmenau

3. Gutachter: Prof. Dr. Ludger WösteFreie Universität Ilmenau

Tag der Einreichung: 27.11.2010Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 27.04.2011

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Zusammenfassung

Die vorliegende Dissertation stellt den schriftlichen Abschluss der wissenschaftlichen Arbei-ten im Rahmen meiner Promotion an der Technischen Universität Ilmenau dar. Die Arbeit be-schäftigte sich vorrangig mit der Konstruktion und dem Aufbau eines Experimentes zur Untersu-chung atmosphärisch relevanter geladener Partikel mittels der Technik der elektrodynamischenLevitation und anschließender Durchführung verschiedener Versuche. Die konstruierten Levita-toren und Vakuumkammern wurde dabei derart gestaltet, dass sich Temperatur und Druck, sowiedie Zusammensetzung der Gasatmosphäre in dem die Probe umgebenden Volumen zur Simula-tion atmosphärischer Bedingungen leicht verändern lassen können. Durch die geringe Höhe desGerätes werden dabei auch Untersuchungen der Partikel im Fokus konventioneller Mikroskopeermöglicht, wie sie zum Beispiel für die Raman- und Infrarotspektroskopie verwendet werden. Mitdem gewählten Aufbau gelang es erstmals, den Brechungsindex stark unterkühlter Wassertrop-fen im Temperaturbereich von -16°C bis -36°C zu messen. Desweiteren konnte nachgewiesenwerden, dass die homogene Nukleationsrate von unterkühlten Wassertropfen mit einem Ra-dius größer 4 µm Volumen-dominiert ist. In einem dritten Experiment wurde gezeigt, dass dasStabilitäts-Limit deformierter flüssiger Tropfen gegenüber dem klassischen Rayleigh-Limit mit derAmplitude der Deformation modifiziert werden muss.

Abstract

This dissertation represents the written scientific work in the frame of my graduation at theTechnical University Ilmenau. It deals mainly with the construction of an experimental setup forinvestigation of atmospheric particles by means of the Electrodynamic Levitation Technique andsubsequent realization of three different experiments. The constructed levitators and vacuumchambers allow variation of temperature, pressure and gas composition in the surrounding of thelevitated particle to achieve realistic atmospheric conditions. The low device height permits inves-tigations of metastable systems, for instance droplets of supercooled liquids and supersaturatedsolutions, to be performed in the focus of conventional microscopes as they are used for Raman-or Infrared spectroscopy. With the presented experimental setup it has been achieved to measurefor the first time the refractive index of supercooled liquid water in the temperature regime from−16C to −36C. In a second experiment it has been shown that the homogeneous nucleationrate of supercooled liquid water droplets with radii larger than 4 µm is volume-dominated. In a thirdexperiment the stability of highly charged liquid droplets has been investigated by analyzing in-duced shape oscillations of the droplet surface. A modified Rayleigh-Limit for rotation-symmetricdeformed charged droplets was proposed and is supported by the experimental data.

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung und Fragestellung 11.1 Bedeutung der Wolkenmikrophysik für Wetter und Klima . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Paulfallen-Laborexperimente an einzelnen Wolkentropfen . . . . . . . . . . . . . . 2

1.2.1 Brechungsindex superkritischer Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2.2 Gefrierverhalten unterkühlter Wolkentropfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.2.3 Coulomb-Instabilität hochgeladener flüssiger Tropfen . . . . . . . . . . . . . 3

1.3 Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2 Mikrophysik der Wolken 52.1 Kondensation von Wolkentropfen und Nebel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.2 Niederschlagsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

2.2.1 Niederschlagsbildung durch Koaleszenz der flüssigen Phase . . . . . . . . 92.2.2 Niederschlagsbildung über die Eisphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

2.3 Einfluss der Wolkenbildung auf das Klima . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.4 Elektrizität in der Atmosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

3 Methoden 133.1 Elektrodynamische Levitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

3.1.1 Das Pseudo-Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143.1.2 Die Quadrupol-Ionenfalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153.1.3 Exakte Lösung der Bewegungsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3.2 Elastische Lichtstreuung an sphärischen Partikeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203.2.1 Lorenz-Mie-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203.2.2 Polarisation des Streulichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213.2.3 Winkelabhängigkeit des Streulichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223.2.4 Resonanzen der Mie-Streuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

3.3 Das Modell der optisch-äquivalenten Kugel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

4 Experimenteller Aufbau 294.1 Aufbau der Paulfalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294.2 Die Vakuumkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314.3 Optischer Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

4.3.1 Automatische Höhenkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354.4 Temperaturmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

VII

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VIII Inhaltsverzeichnis

4.5 Erzeugung von Mikrotropfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394.5.1 Aufladung der Tropfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404.5.2 Ladungsträger auf flüssigen Tropfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

4.6 Steuerung des Experiments und Datenerfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

5 Brechungsindex superkritischer Lösungen 435.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435.2 Historisches zum Regenbogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445.3 Die Doppelpeakfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495.4 Der Inversionsalgorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495.5 Experimenteller Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

5.5.1 Streugeometrie und Kalibrierung relativer Streuwinkel . . . . . . . . . . . . 515.6 Aufbereitung der Streuspektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525.7 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

5.7.1 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

6 Gefrierverhalten stark unterkühlter Wolkentropfen 566.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566.2 Homogene Nukleation und klassische Nukleationstheorie . . . . . . . . . . . . . . 576.3 Statistik der homogenen Nukleation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 596.4 Nichtstationäre Nukleationsraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

6.4.1 Zeitabhängigkeit der Tropfentemperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 616.4.2 Zeitabhängigkeit des Tropfenvolumens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

6.5 Vergleich von Oberflächen- und Volumen-Nukleation . . . . . . . . . . . . . . . . . 646.6 Experimenteller Aufbau und Auswertemethodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

6.6.1 Detektion des Phasenübergangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656.7 Ergebnisse und Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

7 Coulomb-Instabilität hochgeladener flüssiger Tropfen 707.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 707.2 Stabilität geladener Tropfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

7.2.1 Das Rayleigh-Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 737.2.2 Oberflächenschwingungen im Multipolfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 747.2.3 Nichtlineare Oberflächenschwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

7.3 Durchführung des Experiments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 827.3.1 Berechnung der Schwingungsamplitude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

7.4 Auswertung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 857.4.1 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

8 Zusammenfassung und Ausblick 89

Literaturverzeichnis 92

Danksagung 99

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Kapitel 1

Einleitung und Fragestellung

1.1 Bedeutung der Wolkenmikrophysik für Wetter und Klima

Betrachtet man das Klima und Wettergeschehen auf der Erde, so stellt man fest, dass die darinauftretenden physikalischen und chemischen Vorgänge über viele Größenordnungen von Raumund Zeit ablaufen. Zu diesen Vorgängen gehören im mikroskopischen Größenbereich zum Bei-spiel die Absorption und Streuung des Sonnenlichts durch Moleküle der Luft, chemischen Um-setzungsreaktionen an Molekülen und Aerosolen welche die Zusammensetzung der Atmosphäremaßgeblich beeinflussen sowie die Bildung von Wolkentropfen an submikrometergroßen Aerosol-partikeln. Auf makroskopischer Ebene gehören dazu Vorgänge wie die Alterung und Bewegungentstandener Wolken in den sie umgebenden Luftmassen im geografisch lokalen bis hin zumkontinentalen Maßstab. Diese Prozesse können sich über Zeiträumen von Tagen und Wochenerstrecken, allerdings auch über Jahrzehnte bis zu Jahrhunderten, was Klimaschwankungen undVeränderungen globaler Parameter betrifft. Für ein Verständnis des Gesamtbildes und zur Ent-wicklung aussagekräftiger Simulationen zukünftigen Wetters und Klimas auf der Erde mit Hilfeleistungsfähiger Rechentechnik ist eine Kenntnis der einzelnen teilweise stark miteinander ge-koppelten Prozesse von entscheidender Bedeutung1.

Den Wolken kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu, denn sie be-einflussen maßgeblich den Strahlungshaushalt der Erde. Das tägliche Wettergeschehen, undin klimatologischer Hinsicht vor allem die Transmission und Dissipation von Energie innerhalbder Atmosphäre wird entscheidend durch die Häufigkeit des Auftretens von Wolken, der Größeder Wolkenpartikel und der in den Wolken gespeicherten latenten Wärmeenergie des flüssigenWassers mitbestimmt. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, die zeitliche Entwicklung vonWolken, von der Kondensation bzw. Nukleation von Wolkentropfen an einzelnen Aerosolpartikeln,über die Koagulation und Alterung der Wolkentropfen bis hin zur Niederschlagsbildung oder Auf-lösung genau zu verstehen. Die folgende Arbeit ist deshalb darauf ausgerichtet, ein experimentel-les System aufzubauen, welches die Untersuchung einiger dieser Prozesse auf mikroskopischerEbene im Labor ermöglicht.

1 Siehe dazu auch der Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC, 2007)

1

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2 Kapitel 1. Einleitung und Fragestellung

1.2 Paulfallen-Laborexperimente an einzelnen Wolkentropfen

Untersuchungen zur Physik und Chemie der Wolkentropfen können an großen Ensembles odereinzelnen Partikeln durchgeführt werden. Die hier vorliegende Arbeit beschäftigte sich mit Un-tersuchungen an einzelnen Partikeln. Wichtigstes Hilfsmittel bei diesen Untersuchungen wardie Verwendung der Methode der elektrodynamischen Levitation in einer sogenannten Paulfallezur Speicherung geladener flüssiger Tropfen. Die elektrodynamische Levitation ermöglicht eineberührungsfreie Speicherung eines Partikels an einem definierten Ort ohne störende Grenzflä-chenkontakte. Die Partikel können damit in thermodynamisch metastabilen Zuständen untersuchtwerden wie sie in der Atmosphäre in Form unterkühlter oder übersättigter Lösungstropfen vor-kommen. Zudem bietet die Levitationstechnik den Vorteil, dass die Partikel über einen langenZeitraum hinweg und unter definierten atmosphärischen Bedingungen im Labor untersucht wer-den können. Änderungen der chemischen und physikalischen Eigenschaften sind damit direktam einzelnen Partikel beobachtbar, wodurch genaue Rückschlüsse auf die zugrundeliegendenProzesse ermöglicht werden.

Zum Zwecke dieser Untersuchungen wurde ein neues und flexibles Levitationsexperimententworfen und aufgebaut, welches für verschiedene Fragestellungen verwendet werden kann.Hierbei kamen zwei ebenfalls selbst entwickelte elektrodynamische Fallen unterschiedlichen Typszum Einsatz. Mit Hilfe des gewählten experimentellen Aufbaus gelang es Experimente zu dreigrundlegend unterschiedlichen physikalischen Problemstellungen durchzuführen. Die erhaltenenErgebnisse stellten die Funktionalität des Messapparates eindrucksvoll unter Beweis. Die Frage-stellungen der drei gewählten Experimente werden in den folgenden Abschnitten vorgestellt.

1.2.1 Brechungsindex superkritischer Lösungen

Unterkühlte troposphärische und stratosphärische Wolkentropfen tragen entscheidend zur Ener-giebilanz der Atmosphäre der Erde bei, indem sie auf direkte wie auch auf indirekte Weise denStrahlungshaushalt in der Atmosphäre und der Erdoberfläche beeinflussen (IPCC, 2007). Wichtigfür die Messung und Modellierung atmosphärischer Prozesse ist daher die Kenntnis der physika-lischen Kenngrößen der Wolkenpartikel, wie zum Beispiel die Zusammensetzung und die Größeder Partikel. Aber auch die sich aus der Zusammensetzung der Tropfen ergebenden Eigenschaf-ten, wie zum Beispiel Dichte, Brechungsindex und chemische Aktivität sind wichtig. Die berüh-rungsfreie Speicherung der Partikel in einer elektrodynamischen Falle bietet dabei den Vorteil,die Partikel in einer realen atmosphärischen Umgebung zu untersuchen, und Störungen durchden Kontakt des Partikels mit einer Oberfläche zu vermeiden.

Eine dieser Kenngrößen, der Realteil des Brechungsindex fester und flüssiger Partikel, ist ins-besondere für die atmosphärische Fernerkundung von Interesse, wie sie zum Beispiel mit Hilfevon Satelliten oder dem LIDAR-Verfahren erfolgt. Mit einem erweiterten optischen Aufbau ge-lang es in dieser Arbeit eine Methode zur Bestimmung des Brechungsindex stark unterkühltersowie auch stark übersättigter levitierter Lösungstropfen zu entwickeln. Dazu wurde das winkel-aufgelöste Streulicht des levitierten Tropfens im Bereich des Regenbogens erster und zweiterOrdnung ausgewertet und erstmals der Brechungsindex von unterkühlten flüssigen Wassertrop-fen im Temperaturbereich von −16C bis −36C gemessen.

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1.2. Paulfallen-Laborexperimente an einzelnen Wolkentropfen 3

1.2.2 Gefrierverhalten unterkühlter Wolkentropfen

Eines der grundlegenden Probleme in der Theorie der homogenen Eisnukleation unterkühlterflüssiger Wolkentropfen ist die Frage, inwiefern die Oberfläche einen Einfluss auf die Rate derNukleation der Tropfen hat. Die klassische Nukleationstheorie beschreibt den Gefriervorgang alseinen statistischen Prozess, bei dem ein Tropfen solange im flüssigen Zustand verbleibt bis esin der Flüssigkeit zur Bildung eines Keimes kritischer Größe kommt. Hat sich ein kritischer Keimgebildet, so schreitet die Kristallisation der Flüssigkeit in einer exothermen Reaktion an diesemKeim weiter voran, bis der gesamte Tropfen gefroren ist. Dabei vernachlässigt die klassischeNukleationstheorie, dass sich dieser kritische Keim möglicherweise an der Oberfläche, bzw. inden ersten molekularen Schichten der Oberfläche bildet. Vielmehr wird von der vereinfachendenAnnahme ausgegangen, dass sich der Keim immer im Volumen des Tropfens bildet. Mathema-tisch kann man dies auch so ausdrücken: Das Produkt aus Oberflächen-Nukleationsrate und derAnzahl von Molekülen an der Oberfläche ist sehr viel geringer als das Produkt aus Volumen-Nukleationsrate und der Anzahl von Molekülen im restlichen Volumen des Tropfens.

Eine erneute Analyse in der Literatur verfügbarer Messdaten unter dem Gesichtspunkt derOberflächen-Nukleation deutete allerdings darauf hin, dass für kleinere Wolkentropfen der kriti-sche Keim möglicherweise bevorzugt an der Oberfläche des Tropfens gebildet wird (Tabazadehu.a., 2002b). Dies hätte einen direkten Einfluss auf die Nukleationstheorie bzw. auf das theore-tisch angenommene Gefrierverhalten von stark unterkühlten Wolkentropfen in der Atmosphäreund ist für die Modellierung von Gefrierprozessen von großer Bedeutung.

Zur Klärung der Frage, ob und ab welcher Tropfengröße die Oberfläche des Tropfens mögli-cherweise einen Einfluss auf das Gefrierverhalten der Tropfen hat, wurde ein Gefrierexperimentdurchgeführt, bei dem die Nukleationsraten für Tropfen zweier verschiedener Größenklassen beikonstanter Umgebungstemperatur gemessen wurden. Es konnte dabei gezeigt werden, dass diehomogene Nukleation stark unterkühlten Wassers bis zu einem Tropfendurchmesser von 1µm

durch Bildung kritischer Keime im Volumen dominiert wird, bzw. eine Oberflächen-aktivierte Nu-kleation nicht nachweisbar ist.

1.2.3 Coulomb-Instabilität hochgeladener flüssiger Tropfen

In der Atmosphärenphysik sind auch die Veränderungen der mikrosphysikalischen Eigenschaf-ten der Wolkentropfen von Interesse, die durch das Vorhandensein elektrischer Ladungen auf derOberfläche der Tropfen hervorgerufen werden. Im überwiegenden Teil der atmosphärischen Si-tuationen tragen die Aerosole und Wolkenpartikel keine bzw. nur wenige Elementarladungen.In Gewitterwolken kann es dagegen auch zur Bildung hochgeladener Wolkenpartikel mit biszu 109 Elementarladungen pro Tropfen kommen1. Schon Ende des 19.Jahrhunderts berechne-te Lord Rayleigh, dass flüssige sphärische Tropfen nur bis zu einer bestimmten Grenze, demsogenannten Rayleigh-Limit elektrisch aufgeladen werden können (Rayleigh, 1882). Die elektro-dynamische Levitationstechnik ermöglicht es nun im Besonderen die Mikrophysik hochgelade-ner Wolkentropfen zu studieren. Schon in früheren Arbeiten konnte die Zerfallsdynamik höchst-

1 Eine Auflistung verschiedener Messungen zur elektrischen Ladung auf Wolken- und Regentropfen wurde von Pruppa-cher und Klett (1997) erstellt.

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4 Kapitel 1. Einleitung und Fragestellung

aufgeladener flüssiger Tropfen mit hoher zeitlicher Auflösung in einer elektrodynamischen Fallegemessen werden (Duft u.a., 2002). Dabei regt das für die Levitation verwendete dreidimensio-nale elektrische Quadrupol-Wechselfeld die Oberfläche des Tropfens zu Schwingungen an, diemit Hilfe einer optischen Interferenz-Methode analysiert werden können. Das beobachtete nicht-lineare Schwingungsverhalten der Tropfenoberfläche wurde in dieser Arbeit genauer untersuchtund konnte vorhandene theoretische Arbeiten bestätigen.

1.3 Gliederung

Die vorliegende Arbeit ist wie folgt gegliedert:Im Kapitel 2 werden die Grundlagen der Mikrophysik der Wolken skizziert, um dem Leser einenEinblick in die für die hier untersuchten Wolkentropfen relevanten physikalischen Vorgänge zugeben. Anschließend werden im Kapitel 3 die theoretischen Grundlagen der angewandten physi-kalischen Methoden dargelegt. Dies beinhaltet einen Abschnitt zur elektrodynamischen Levitationsowie einen Abschnitt zur Theorie der Lichtstreuung an sphärischen transparenten Partikeln, dadie Lichtstreuung ein wesentliches Hilfsmittel zur Charakterisierung der Partikel darstellt. Nachder Darlegung der theoretischen Grundlagen folgt eine Beschreibung des grundlegenden expe-rimentellen Aufbaus (Kapitel 4). Da die durchgeführten Experimente zum Teil unterschiedlicheZielsetzungen verfolgten, werden sie im Anschluss in drei separaten Kapiteln vorgestellt.

Themen der Experimente:

• Kapitel (5) Bestimmung des Brechungsindex superkritischer Lösungen

• Kapitel (6) Gefrierverhalten stark unterkühlter Wolkentropfen

• Kapitel (7) Coulomb-Instabilität hochgeladener flüssiger Tropfen

Jedes Kapitel enthält dabei Details zu Veränderungen und Anpassungen des experimentellenAufbaus, zur Durchführung des jeweiligen Experiments, sowie nähere Angaben zur Methodik derAuswertung. Im abschließenden Kapitel 8 folgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse dieserArbeit und ein Ausblick auf mögliche weitere Forschungsansätze.

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Kapitel 2

Mikrophysik der Wolken

Einleitung

Jeder Mensch auf der Welt sieht sie früher oder später in seinem Leben: Wolken. Sie sind dersichtbare Ausdruck des täglich wechselnden und an jedem Ort der Welt verschiedenen Wetter-geschehens. Sie bilden neben den physikalischen Größen Temperatur, Druck, Windgeschwin-digkeit und Luftfeuchte das am einfachsten zugängliche Untersuchungsmittel, um über das ak-tuelle Wettergeschehen Aufschlüsse zu erlangen. Dass man anhand der Wolken -Form, -Höheund -Anordnung auch auf das zukünftige Wetter der nächsten Tage schlussfolgern kann, ist denaufmerksam beobachtenden Menschen schon seit langer Zeit bekannt. Vor allem für die Land-wirtschaft erwies sich die genaue Beobachtung der Wolken und des Wettergeschehens als un-entbehrlich und somit für die Menschen als elementar lebenswichtig. So finden sich schon inder frühen Antike erste systematische Aufzeichnungen über die täglichen Veränderungen desWetters, die, wie wir heute wissen, in der Troposphäre, dem erdnächsten Teil der Atmosphäre,ablaufen. Dennoch wurde erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine erste weithin akzeptierteKlassifizierung der Wolken zusammengestellt1. Dass dies trotz der frühen sorgfältigen Beobach-tungen erst so spät gelang, liegt zum einen an der sehr großen Vielfalt der Wolken, zum anderenan der sich im späten Mittelalter entwickelnden wissenschaftlichen Systematik, die sich erst indieser Zeit auch der Erforschung des Wetters und des Klimas widmete. In dieser Klassifizierung,die mit wenigen Änderungen auch heute noch gültig ist, werden die Wolken nach ihrer von derErdoberfläche aus sichtbaren Form und der Höhe ihres Auftretens unterschieden.

Zusätzlich zum äußeren Erscheinungsbild unterscheiden sich die Wolken auch im mikrosko-pischen Maßstab in der Form und der Zusammensetzung der wolkenbildenden Partikel. Grö-ße, Anzahl und Art der Partikel bestimmen maßgeblich die Wolkenalbedo, d.h. die Reflektivitätder Wolkenoberfläche gegenüber eingestrahltem Sonnenlicht bzw. von der Erdoberfläche ausge-sandter Wärmestrahlung.

Troposphärische Wolken bestehen zum überwiegenden Teil aus Wassertropfen im flüssigenAggregatzustand. Die Größe dieser Tropfen folgt dabei einer breiten Verteilung in der Häufigkeitihres Auftretens und variiert stark zwischen den einzelnen Wolkentypen. Sie ist abhängig von der

1 Luke Howard, On the modification of clouds (1803)

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6 Kapitel 2. Mikrophysik der Wolken

Herkunft, vom Alter und der Lebensgeschichte der sie tragenden Luftmassen.

Auch in der Stratosphäre können Tropfen bzw. gefrorene Partikel in den sogenannten po-laren stratosphärischen Wolken vorkommen. Diese Partikel bestehen allerdings hauptsächlichaus Lösungen und Lösungsgemischen von Salpetersäure, Schwefelsäure und Wasser in unter-schiedlich hohen Anteilen. Diese Wolken sind ein entscheidendes Bindeglied für die Kette vonchemischen und physikalischen Abläufen, die in jedem arktischen und antarktischen Frühjahrerneut zur Zersetzung des polaren stratosphärischen Ozons beitragen. Die chemischen Reaktio-nen zur Bildung des bei der Ozon-Zersetzung katalytisch beteiligten molekularen Chlors findenauf der Oberfläche dieser stratosphärischen Wolkenpartikel statt, wobei Zusammensetzung undAggregatzustand der Wolkenpartikel eine entscheidende Rolle spielen.

Auf diese und ähnliche Art und Weise haben Wolkenpartikel nicht nur Einfluss auf die che-mische Zusammensetzung der Atmosphäre, sondern beeinflussen auch die physikalischen Vor-gänge, angefangen vom Wassergehalt bis hin zum Strahlungshaushalt der Atmosphäre der Erde.Letztgenannter ist entscheidend für die Entwicklung des Klimas auf der Erde. In den folgendenAbschnitten werden deshalb einige der wichtigsten mikrophysikalischen Prozesse von Wolken-partikeln kurz dargelegt. Die Ausführungen orientieren sich dabei an einigen Standardwerkender Literatur zur Chemie und Physik der Atmosphäre (Pruppacher und Klett, 1997; Seinfeld undPandis, 1998; Andrews, 2000; Roedel, 2000).

2.1 Kondensation von Wolkentropfen und Nebel

Eine der grundlegenden Voraussetzungen für die Entstehung von Wolken- und Nebeltropfen isteine Übersättigung der relativen Feuchtigkeit der Luft. Letztere ist definiert als das Verhältnis vonPartialdruck und Sättigungsdampfdruck des Wasserdampfs in Luft. Der Sättigungsdampfdruckvon Wasserdampf in Luft ist, wie die durchgezogene Linie in Abbildung 2.1 zeigt, stark tem-peraturabhängig. In den meisten Situationen entsteht deswegen eine Übersättigung durch eineAbkühlung bei gleichbleibendem Wassergehalt der Luft. Dies kann durch eine isobare Abkühlungdes Luftpaketes, zum Beispiel durch Abkühlung von feucht-warmer Luft über einer kalten Boden-schicht, oder durch radiative Kühlung geschehen. Dies äußert sich zum Beispiel in der Bildungvon Bodennebel über einer morgendlichen Wiese bei klarem Himmel. Übersättigung kann auchdurch Zufuhr von zusätzlichem Wasserdampf in eine schon gesättigte Luftschicht erfolgen, zumBeispiel wenn sich eine kühle Luftschicht über einer wärmeren Wasseroberfläche befindet. DieseProzesse treten meist in Bodennähe auf und führen dort zur Entstehung von Nebel. Der für dieWolkenbildung entscheidende Prozess ist dagegen die adiabatische Abkühlung beim Aufsteigenfeuchter Luftpakete, wobei die verschiedenen Wolkentypen durch unterschiedliche Aufstiegsme-chanismen der Luftmassen entstehen. Die gestrichelte Kurve in Abbildung 2.1 zeigt die Entwick-lung des Wasserdampf-Partialdruckes eines Luftpaketes mit einem Mischungsverhältnis Wasserzu Luft von 10 g kg−1 bei adiabatischer Abkühlung. Am Schnittpunkt mit der Sättigungskurve,auch Taupunkt genannt, befindet sich das Luftpaket in Sättigung bezüglich des Wasserdamp-fes. Kühlt sich das Luftpaket weiter adiabatisch ab, tritt Übersättigung ein und Kondensation desWasserdampfes kann erfolgen.

Die Kondensation, also der Übergang von gasförmiger zu flüssiger Phase, kann auf zwei ver-

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2.1. Kondensation von Wolkentropfen und Nebel 7

- 2 0 - 1 0 0 1 0 2 0 3 0 4 01

1 0

1 0 0

1

1 0

1 0 0

Wasse

rdamp

f-Part

ialdruc

k / hP

a

Abbildung 2.1: Sättigungs-Partialdruck von Wasser in Luft als Funktion der Temperatur (durchgezoge-ne Linie) und Wasserdampf-Partialdruck eines adiabatisch abkühlenden Luftpaketes beikonstantem Wassergehalt (gestrichelte Linie).

schiedene Arten stattfinden. Bei der homogenen Kondensation entsteht durch rein statistischesZusammentreffen von Wassermolekülen aus der Gasphase ein neuer flüssiger luftgetragenerTropfen. Für diesen Prozess sind allerdings sehr hohe Übersättigungen von einigen hundertProzent notwendig. In der Atmosphäre erfolgt die Bildung von Wolkentropfen deswegen durchheterogene Kondensation, d.h. die Kondensation erfolgt an bereits vorhandenen Partikeln in derLuft, da für diesen Prozess Übersättigungen von wenigen zehntel Prozent ausreichend sind. DieAnzahl aktiver Kondensationskeime in den unteren Schichten der Troposphäre liegt über denKontinenten typischerweise bei einigen hundert Partikeln pro Kubikzentimeter, während es überdem Meer zwischen 50 und 100 cm−3 sind (Roedel, 2000). Die Größe, die ein Tropfen durch Kon-densation erreicht, hängt dabei von der Anzahl der Tropfen in seiner Umgebung ab, die um dasin der Luft enthaltene Wasser konkurrieren.

Die heterogenen Kondensationskeime können dabei nicht nur benetzbar sein, sie können sichauch in der flüssigen Phase des sich bildenden Wolkentropfens auflösen. Gelöste Substanzenerniedrigen im Allgemeinen den Gleichgewichtsdampfdruck über der Oberfläche der Flüssigkeit,was die heterogene Kondensation generell begünstigt. Diese Dampfdruckerniedrigung wird durchdas Raoultsche Gesetz beschrieben. Sie ist proportional zur Anzahl der Mole der gelösten Sub-stanz pro Volumeneinheit der Lösungsflüssigkeit. Bei einem durch Kondensation anwachsendenLösungstropfen ist die Dampfdruckerniedrigung damit proportional zu 1/r3.

Bis zu diesem Punkt wurde in den bisherigen Ausführungen die Grenzfläche zwischen gas-förmiger und flüssiger Phase immer als eine ebene Oberfläche angenommen. Von entscheiden-der Bedeutung bei der Kondensation ist allerdings die Oberflächenkrümmung der sich bildendenPartikel. Bedingt durch eine niedrigere Bindungsenergie von Molekülen einer gekrümmten Ober-fläche ist der Dampfdruck über der Oberfläche eines Tropfens, der sich im Gleichgewicht mitseiner Umgebung befindet, höher als der Dampfdruck über einer ebenen Fläche. Die Dampf-druckerhöhung durch die Krümmung der Oberfläche verhält sich proportional zum Inversen des

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8 Kapitel 2. Mikrophysik der Wolken

Tropfenradius 1/r . Dieser nach seinem Entdecker benannte Kelvin-Effekt führt dazu, dass vonTropfen, die sich in diffusivem Austausch miteinander befinden, die größeren Tropfen immer aufKosten der kleineren Tropfen wachsen werden. In einer durch adiabatische Abkühlung entstande-nen Wolke wird sich aus diesem Grund das Maximum in der Größenverteilung der Wolkentropfenmit der Zeit zu größeren Tropfen hin verschieben.

0 . 1 1 1 0- 0 . 3

- 0 . 2

- 0 . 1

0 . 0

0 . 1

0 . 2

0 . 3

0 . 4

0 . 5

Abbildung 2.2: Gleichgewichts-Übersättigung über der Oberfläche von Kochsalz-Lösungstropfen für ver-schiedene Solutanteile als Funktion des Tropfenradius. Bei Übersättigung der Umgebungoberhalb des Kurvenmaximums wird ein Tropfen stetig wachsen, bei Übersättigung un-terhalb des Kurvenmaximums und bei Untersättigung wird ein Tropfen bis zum entspre-chenden Schnittpunkt mit der Kurve verdampfen bzw. anwachsen (rote Pfeile).

Lösungs- und Krümmungseffekt zusammen bestimmen damit den Dampfdruck über der Ober-fläche eines Wolkentropfens. Die Übersättigung, bei der ein Lösungstropfen im Gleichgewicht mitseiner Umgebung ist, lässt sich über die Köhler-Gleichung berechnen und ist exemplarisch inAbbildung 2.2 für Tropfen mit unterschiedlichem Gehalt an Kochsalz aufgetragen. Angedeutetdurch rote Pfeile wird anhand der Kurven ersichtlich, welchen Radius ein Lösungstropfen miteinem Gehalt von 10−16 g NaCl bei gegebener Umgebungsübersättigung annehmen wird. Beieiner Übersättigung der Umgebung oberhalb des Maximums der zugehörigen Köhlerkurve wirdein Tropfen durch Kondensation von Wasserdampf stetig anwachsen. Unterhalb des Maximumswird der Tropfen je nach seiner ursprünglichen Größe soweit anwachsen oder verdampfen, bisder Punkt der Gleichgewichtsübersättigung erreicht ist.

2.2 Niederschlagsbildung

Die mittlere Größe der ursprünglich gebildeten Wolkentropfen hängt von Art und Anzahlkonzen-tration der Kondensationskeime, vom Wasserdampfgehalt und von der Rate der adiabatischenAbkühlung ab. Typischerweise werden dabei durch Kondensation Tropfen mit Radien in der Grö-ßenordnung von 5 bis 10 µm gebildet. Diese Tropfen sind jedoch zu klein um aufgrund der eigenen

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2.2. Niederschlagsbildung 9

Sinkgeschwindigkeit den Erdboden als Niederschlag zu erreichen. Die Wachstumsgeschwindig-keit eines Tropfens wird einerseits durch die Rate der Diffusion des Wasserdampfes zum Tropfenhin und andererseits durch die Rate des Abtransportes der latenten Kondensationswärme vomTropfen weg begrenzt. Die Zeitspanne, in der ein Tropfen von einem Radius von 5 µm auf 35 µm

durch diffusiven Transport von Wasserdampf anwächst, beträgt so mindestens einige Stunden.Zusätzlich ist die Übersättigung innerhalb einer Wolke generell gering, da die gebildeten Wol-kentropfen um den vorhandenen Wasserdampf konkurrieren. Es sind daher hauptsächlich zweiandere Prozesse, die zur Bildung von niederschlagsbildenden Wolkenpartikeln führen könnenund in den folgenden zwei Abschnitten kurz erläutert werden.

2.2.1 Niederschlagsbildung durch Koaleszenz der flüssigen Phase

Bedingt durch die unterschiedliche Größe der Tropfen sind in einer Wolke auch Tropfen unter-schiedlicher Sinkgeschwindigkeit vorhanden. Auch wenn die Sinkgeschwindigkeit der primär beider Kondensation gebildeten Wolkentropfen mit einigen Zentimetern pro Sekunde niedrig ist, sokönnen die größeren und damit schnelleren Tropfen die langsameren Tropfen einfangen und da-durch selbst anwachsen. Die Rate mit der ein schneller Tropfen durch Koaleszenz anwachsenkann wird bestimmt durch den spezifischen Wassergehalt der Wolke, den geometrischen Quer-schnitt des fallenden Tropfens, die Relativgeschwindigkeit der Tropfen und den aerodynamischenEinfangswirkungsgrad des Tropfens in Bezug auf die eingefangenen Tropfen. Die Wachstums-rate durch Koaleszenz lässt sich abschätzen und man erhält zum Beispiel für einen Tropfen miteinem Radius von 100 µm der durch eine Wolke aus 10 µm großen Tropfen fällt einen Wert von0.13 µm/s, für einen Tropfen mit einem Anfangsradius von 20 µm aber nur eine Wachstumsratevon 0.003 µm/s. Dies zeigt, dass die Koaleszenz der primären Wolkentropfen nur sehr langsamzur Vergrößerung der Wolkentropfen beiträgt.

Die Größe der durch Koaleszenz entstehenden Regentropfen hängt letztendlich auch von derMächtigkeit der Wolke ab und von den dort herrschenden Aufwinden. Die Koaleszenz kann des-halb in den durch starke Aufwinde gekennzeichneten tropischen Gewitterwolken zu ergiebigemRegen mit bis zu 50 mm/h aus Tropfen mit einem Durchmesser von mehr als 3 mm führen (Wil-lis, 1984), wohingegen in den mittleren Breiten die Koaleszenz eher zu feinem Nieselregen mitTropfen von 200 µm im Durchmesser führt.

2.2.2 Niederschlagsbildung über die Eisphase

Der alternative Mechanismus zur Koaleszenz ist die Bildung von Niederschlag über die Eispha-se. Dieser Prozess findet bei niedrigeren Temperaturen und schwächeren konvektiven Auftrie-ben statt und tritt deshalb meistens in den höheren Breiten auf. Die Wirksamkeit dieser Nieder-schlagsbildung liegt in der Differenz der Sättigungsdampfdrücke von Wasserdampf über flüssi-gem Wasser und Eis begründet. Die höhere Bindungsenergie der Wassermoleküle im Eis führtzu einem wesentlich geringeren Dampfdruck über einer Eisoberfläche, als über flüssigem Was-ser bei gleicher Temperatur. In Abbildung 2.3 ist der Sättigungsdampfdruck über Wasser und Eisdargestellt. Das untere Teilbild zeigt die Übersättigung an, die ein gefrorener Tropfen in einer ge-genüber flüssigem Wasser gesättigten Umgebung erfährt. Da flüssiges Wasser bei Temperaturen

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10 Kapitel 2. Mikrophysik der Wolken

- 5 0 - 4 0 - 3 0 - 2 0 - 1 0 0 1 00

1 02 03 04 05 06 0

1 0

1 0 0

1 0 0 0

- 5 0 - 4 0 - 3 0 - 2 0 - 1 0 0 1 0

∆S / S

Eis (%

)

S (hP

a)

Abbildung 2.3: Oberes Teilbild: Sättigungsdampfdruck S über Wasser und Eis als Funktion der Tempe-ratur. Unteres Teilbild: Übersättigung der Luftfeuchte über einer Eisoberfläche bei gleich-zeitiger Sättigung der Luft gegenüber flüssigem Wasser (∆S/SEis ).

bis zu −40C in der Troposphäre vorgefunden wird, können Übersättigungen von nahzu 50% auf-treten. Hat sich ein Eiskristall in einem Ensemble unterkühlter flüssiger Wolkentropfen gebildet, sowird er relativ schnell durch diffusive Anlagerung von Wasserdampf wachsen. Innerhalb wenigerMinuten kann ein primärer Wolkentropfen nach dem Gefrieren eine in der Sinkgeschwindigkeitsignifikante Größe erreichen und durch die darunterliegende Wolkenschicht fallen. Beim Durch-queren der Wolke kann der gefrorene Tropfen sehr effektiv durch Akkretion von flüssigen Tropfenweiter anwachsen, d.h. durch Zusammenstoß mit unterkühlten flüssigen Wolkentropfen die beimKontakt mit dem Eispartikel an diesem festfrieren. Alternativ dazu spricht man von Aggregation,wenn der gefrorene Tropfen auf andere Eispartikel trifft und diese haften bleiben. Durch Akkretionund Aggregation können die Wolkenpartikel groß genug werden, um letztendlich den Erdbodenzu erreichen. Ob die Tropfen dabei noch gefroren, oder wieder geschmolzen sind hängt vonder Partikelgröße, Wolkenhöhe und der Umgebungstemperatur auf Bodenhöhe ab. Dieser Me-chanismus der Niederschlagsbildung über die Eisphase wird auch Wegener-Bergeron-FindeisenProzess genannt. Für eine Modellierung dieses Mechanismus ist es erforderlich, die homogenenund heterogenen Prozesse, welche zum Gefrieren unterkühlter Wassertropfen führen, genau zuverstehen. Einem Teilaspekt dieser Aufgabe widmet sich das in dieser Arbeit vorgestellte Experi-ment zum Gefrierverhalten unterkühlter Wolkentropfen (Kapitel 6).

2.3 Einfluss der Wolkenbildung auf das Klima

Die Temperatur der Erdoberfläche und Atmosphäre wird zu einem entscheidenden Teil durch denBeitrag der Wolkenalbedo beeinflusst. Zirka 26% der einfallenden solaren Strahlung wird an den

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2.3. Einfluss der Wolkenbildung auf das Klima 11

Wolken gestreut und direkt zurück in den Weltraum reflektiert. Die optischen Eigenschaften derWolken, die dieses Verhalten beeinflussen, werden durch Größe und Anzahl der Wolkentropfenbestimmt, deren Entstehung wiederum von der Verfügbarkeit geeigneter Kondensationskeimeabhängig ist. Generell gilt: Liegen mehr geeignete Kondensationskeime vor, so bildet sich beigleichem Wassergehalt und gleicher Kühlrate auch eine größere Anzahl von Wolkentropfen. Dain diesem Fall das in der Luftmasse enthaltene Wasser auf eine größere Anzahl von Tropfenverteilt wird, muss die terminale Größe der primären Tropfen letztendlich kleiner sein, als dies beieiner aus einer geringeren Anzahl von Kondensationskeimen gebildeten Wolke der Fall wäre.

1 0 1 0 0 1 0 0 00 . 0

0 . 2

0 . 4

0 . 6

0 . 8

1 . 0

W o l k e n t r o p f e n k o n z e n t r a t i o n / c m - 3

5 0 m

2 0 0 m

5 0 0 m

2 0 0 0 mW o l k e n d i c k e

Abbildung 2.4: Reflektivität von Wolken (Albedo) als Funktion der Wolkentropfen-Anzahlkonzentration beigleichzeitig konstantem Flüssig-Wassergehalt von 0.3 g/m3 (Schwartz und Slingo, 1996).

Der Einfluss der Konzentration von Kondensationskeimen bei der Wolkenbildung auf die Re-flektivität der Wolke ist in Abbildung 2.4 dargestellt. Aufgetragen ist die Reflektivität der Wolke alsFunktion der Anzahlkonzentration der Kondensationskeime bei konstantem Flüssig-Wassergehaltvon 0.3 g/m3 für vier verschiedene Wolkendicken. Generell kann man sagen, dass sich die Wol-kenreflektivität mit steigender Anzahlkonzentration erhöht, wobei der relative Effekt bei dünnenWolken stärker ausgeprägt ist, als bei Wolken mit hoher Mächtigkeit. Zusätzlich zur höheren Re-flektivität der Wolken steigt auch deren Lebensdauer, da kleinere Wolkenpartikel eine größereZeitspanne benötigen, um auf die für die Bildung von Niederschlag erforderliche Größe anzu-wachsen.

Durch die Erzeugung anthropogenen Aerosols in Landwirtschaft, Industrie und Verkehr, trägtder Mensch wesentlich zur Bereitstellung zusätzlicher Kondensationskeime in der Atmosphärebei und beeinflusst damit auf direktem Wege durch den beschriebenen Wolkenalbedoeffekt denStrahlungshaushalt der Erde. Besonders in Gebieten der Erde, die durch eine niedrige natürli-che Aerosolkonzentration gekennzeichnet sind, kann die Emission anthropogener Aerosole einenmerklichen Einfluss ausüben (Twomey, 1974).

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12 Kapitel 2. Mikrophysik der Wolken

2.4 Elektrizität in der Atmosphäre

Der erste experimentelle Beweis für das Vorhandensein von Elektrizität in der Atmosphäre gelangBenjamin Franklin (1752), der nachweisen konnte, dass es sich bei Gewitterblitzen um ein elek-trisches Phänomen handelt. Bis heute erweitert sich seither das Bild von der elektrischen Naturder Atmosphäre. Die Erde und die sie umgebende Atmosphäre werden vereinfacht als Kugel-kondensator betrachtet, in welchem die positiv geladene Elektrosphäre die äußere Elektrode unddie negativ geladene Erdoberfläche die innere Elektrode darstellt. Beide Elektroden sind in sichum Größenordnungen besser leitfähig, als die dazwischenliegende Atmosphäre. Die kontinuierli-che Aufladung dieses Kondensators, hauptsächlich durch die tropischen Gewitter, sorgt für einenPotentialunterschied zwischen beiden Elektroden von einigen hundert Kilovolt. Die geringe, aberdennoch nicht vernachlässigbare, Leitfähigkeit der Atmosphäre führt zu einer beständigen Entla-dung des Kondensators mit dem sogenannten Schönwetterstrom (fair weather current), welcherüber die ganze Erdoberfläche gemittelt ca. 1.5 kA beträgt (Pruppacher und Klett, 1997). Ähnlicheinem Dielektrikum verändern Wolken die Leitfähigkeit der Atmosphäre. Im Allgemeinen wird dieLeitfähigkeit durch das Vorhandensein der Wolken verringert, wobei sich Ladungen auf den Wol-kentropfen an der Unter- und Oberseite der Wolken sammeln. Dabei können die Tropfen mehrerehundert Elementarladungen ansammeln.

Der Einfluss geringer elektrischer Ladung auf die physikalischen Eigenschaften der Wolken-tropfen kann nicht vernachlässigt werden. Schon Wilson entdeckte in seinen Nebelkammerexpe-rimenten, dass elektrische Ladungen auf der Oberfläche von Aerosolpartikeln den Gleichgewichts-Sättigungsdampfdruck absenken. Dies könnte auch in der Atmosphäre das Verdampfen gefro-rener und flüssiger Wolkenpartikel unter entsprechenden Bedingungen verhindern (Nielsen u.a.,2010). Zusätzlich können hochgeladene Wolkentropfen beim Verdampfen über die sogenannteCoulomb-Instabilität zur Erzeugung einer Vielzahl neuer Kondensationskeime führen und damitdie Anzahl vorhandener potentieller Kondensationskeime erhöhen. Dies ist einer der wenigenbekannten Prozesse, bei dem sich die Anzahl vorhandener Aerosolpartikel innerhalb der Atmo-sphäre erhöhen kann und steht im Gegensatz zu den Prozessen die zu einer Reduktion derAnzahlkonzentration führen.

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Kapitel 3

Methoden

Einleitung

Das vorhergehende Kapitel beschäftigte sich eingehend mit den für Wolken und Wolkentröpfcheninteressanten physikalischen Vorgängen und Modellen. In der Vergangenheit zeigte sich, dassdie Physik mikroskopischer Wassertropfen immer noch nicht ausreichend verstanden ist, um alleVorgänge in den Wolken erschöpfend zu beschreiben. Es wurden eine Vielzahl von Experimentendurchgeführt, wobei sich zwei hauptsächliche grundlegend verschiedene Herangehensweisendurchsetzten. Eine Methode basiert darauf, die Vorgänge in den Wolken direkt zu untersuchen.Dies gelingt mit Geräten vom Boden oder vom Weltraum aus, sowie mit Flugzeugen und Wetter-ballons. Die Alternative zu diesen Messungen besteht darin, die physikalischen Bedingungen inder Atmosphäre im Labor nachzustellen und die Wolkenpartikel und ihre physikalischen und che-mischen Eigenschaften dort zu untersuchen. Dies geschieht bereits erfolgreich in sogenanntenWolkenkammern, in denen die physikalischen Prozesse an einer großen Anzahl von Wolkenpar-tikeln und ihre Wechselwirkung untereinander untersucht werden. Im Gegensatz dazu steht dieUntersuchung einzelner Partikel. Um diese Partikel ungestört und über einen längeren Zeitraumhin untersuchen zu können, bieten sich akustische, optische und elektrodynamische Levitationan. Mit Hilfe letzterer wurden alle in dieser Arbeit vorgestellten Messungen durchgeführt. Dadie elektrodynamische Levitation in einer Paulfalle das grundlegende experimentelle Hilfsmitteldarstellt, soll sie im ersten Abschnitt dieses Kapitels vorgestellt und ihre Funktionsweise genau-er dargelegt werden. Als Mittel zur Untersuchung der Eigenschaften der Wolkentropfen in derPaulfalle wurde die elastische Lichtstreuung gewählt, welche im anschließenden Abschnitt nähererläutert wird.

3.1 Elektrodynamische Levitation

Eine der elegantesten, aber zweifelsohne auch aufwendigsten Methoden eine Probe einer Flüs-sigkeit oder eines festen Partikels einer experimentellen Untersuchung zugänglich zu machen istdie Methode der elektrodynamischen Levitation. Das Prinzip der Speicherung geladener Teilchenin einem elektrischen Wechselfeld geht auf Arbeiten von Norman F. Ramsey, Hans G. Dehmelt

13

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14 Kapitel 3. Methoden

und Wolfgang Paul zurück, die 1989 dafür den Nobelpreis für Physik erhielten1. Die elektrodyna-mische Levitation ermöglicht die zeitlich unbegrenzte und ortsfeste Speicherung eines geladenenPartikels. Eines der Ziele dieser Arbeit war es, ein flexibles System zur Untersuchung atmosphä-rischer Partikel unter Verwendung der Methode der elektrodynamischen Levitation aufzubauen.Im Folgenden möchte ich deshalb die theoretischen Grundlagen dieser Methode etwas ausführ-licher darlegen.

3.1.1 Das Pseudo-Potential

Ausgangspunkt der Betrachtungen ist die Frage, wie ein Kraftfeld gestaltet sein muss, um einTeilchen in einem vorgegebenen Punkt des Raumes stabil zu speichern. Die Antwort darauf istschnell formuliert: Ein zeitlich konstantes Kraftfeld muss dazu in diesem Punkt ein Minimum in al-len Raumrichtungen besitzen. Mathematisch lässt sich dies mit folgender Gleichung ausdrücken:

grad (Φ) = 0 und div (gradΦ) > 0 (3.1)

wobei Φ das zum Kraftfeld gehörige Potential darstellt. Im Falle eines elektrischen Kraftfeldes wi-derspricht diese Bedingung der Laplacegleichung, welche für den ladungsfreien Raum die Exis-tenz eines Minimums verbietet:

∆Φ = 0 (3.2)

Mit einem zeitlich konstanten elektrischen Feld kann also keine dauerhafte Speicherung eineselektrisch geladenen Partikels erreicht werden. Dieses Dilemma lässt sich allerdings mit einemelektrischen Wechselfeld umgehen. Betrachtet man die auf ein geladenes Teilchen in einem elek-trischen Wechselfeld im Mittel wirkende Kraft, so stellt man fest, dass es durchaus Bedingungengibt, unter denen ein Teilchen eine in allen Raumrichtungen auf einen Punkt ausgerichtete Krafterfährt. Zur Berechnung der im Mittel wirkenden Kraft betrachtet man die Bewegung des gelade-nen Teilchens in einem äußeren elektrischen Feld folgender Form:

E (z , t) = E0 (z) · cos (ωt) (3.3)

Die Amplitude ξ der Schwingung des Teilchens, die durch dieses Feld hervorgerufen wird, seiklein gegenüber der über eine Periode 2π/ω zeitlich gemittelten Bewegung z des Teilchens. DieBewegung des Teilchens ergibt sich dann aus der Superposition beider Anteile

z (t) = z (t) + ξ (t) (3.4)

mitξ (t) = ξ0 · cos (ωt) (3.5)

wobei sich die gemittelte Bewegung aus folgender Integration ergibt:

z (t) =ω

∫ t+2π/ω

t

z (τ) dτ (3.6)

1 Siehe auch der sehr anschauliche Nobel-Vortrag von Wolfgang Paul (Paul, 1993)

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3.1. Elektrodynamische Levitation 15

Damit kann die Bewegungsgleichungmz = qE (3.7)

in eine Reihe entwickelt werden

mz = mz + mξ = qE (z , t) + qξ∂E (z , t)

∂z(3.8)

Für kleine Amplituden ξ kann in guter Näherung angenommen werden, dass die Amplitude derSchwingung direkt der Stärke des elektrischen Feldes folgt:

mξ = qE (z , t) (3.9)

Zweimalige Integration liefert unter Berücksichtigung von Gleichung 3.3

ξ (t) = − q

mω2E0 (z) · cos (ωt) (3.10)

Die zeitlich gemittelte Kraft auf das Teilchen kann dann aus Gleichung 3.8 berechnet werden:

mz = qE (z , t) + qξ∂E (z , t)

∂z= 0 + q

∂E0 (z)

∂z· ξ0cos2 (ωt) (3.11)

bzw. nach der zeitlichen Mittelung

F (z) = −1

2

q2

mω2E0 (z)

∂E0 (z)

∂z(3.12)

Die quadratische Abhängigkeit von der Teilchenladung zeigt, dass die mittlere Kraft nicht von derPolarität der Ladung abhängig ist. Die gemittelte Kraft kann als Ableitung eines Pseudo-Potentialsgeschrieben werden:

F (z) = −q · ∇ΨPseudo (z) (3.13)

Das Pseudo-Potential hat dann die Form:

ΨPseudo (z) =q

m

1

4ω2E 2

0 (z) (3.14)

Im zeitlichen Mittel gesehen verhält sich das Teilchen so, als ob es sich im Einfluss des Pseudo-Potentials befindet. Erfüllt das Pseudo-Potential die Fokussierungsbedingung, so wird das Teil-chen im Minimum des Potentials eingefangen.

3.1.2 Die Quadrupol-Ionenfalle

Im einfachsten Fall wird das elektrische Feld einer Ionenfalle durch ein Potential der Form

Φ = Φ0

(αx2 + βy2 + γz2

)(3.15)

erzeugt. Die Ladungsfreiheit im Innern der Falle fordert die Erfüllung der Laplace-Gleichung:

∆Φ = 0 ⇒ 2Φ0 (α + β + γ) = 0 (3.16)

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16 Kapitel 3. Methoden

Diese wird damit genau dann erfüllt, wenn die Summe der Koeffizienten verschwindet:

(α + β + γ) = 0 (3.17)

Für die Konstruktion der Falle ist die entscheidende Frage, welche Elektrodenform ein derartigesFeld liefern kann. Die Elektroden der Falle sind Äquipotentialflächen des Fallenpotentials. DieElektrodenformen lassen sich aus den Lösungen von Gleichung 3.17 berechnen. Eine möglicheLösung für die Koeffizienten ist:

β = −α ∧ γ = 0 (3.18)

Diese Lösung beschreibt hyperbelförmige Äquipotentialflächen, deren Ursprung im Mittelpunktliegt. Das Potential ist dann gegeben durch:

Φ = Φ0α(x2 − y2

)(3.19)

Dies entspricht einem zweidimensionalen Potential, dessen zentrierende Wirkung mit Hilfe einesmechanischen Analogons verdeutlicht werden kann. Die Bewegung eines geladenen Teilchensin diesem Potential verhält sich analog zu der Bewegung eines Masse-behafteten Teilchens ineinem mechanischen Potential in der Form eines Sattels. Eine Masse, die sich im Sattelpunkteines solchen Potentials befindet, wird bei kleinster Störung den abfallenden Flanken des Sattelsfolgen und nach unten fallen. Wenn sich das Potential und damit der Sattel aber dreht, erfährtdie Masse in der Richtung, in die sie sich durch die Störung zunächst bewegt, nach einiger Zeiteinen Potentialanstieg. Sie kann also in diese Richtung nicht weiter fallen, sondern bewegt sichzum Sattelpunkt und damit zum Fallenmittelpunkt zurück. Findet die Drehung mit geeigneter Fre-quenz statt, so bleibt die Masse im Sattelpunkt gefangen. Es gibt aber auch Drehfrequenzen, beidenen sich die Masse auf einer gewundenen Bahn weiter vom Zentrum entfernt. Für die elek-trodynamische Ionenfalle entspricht die Drehgeschwindigkeit des Potentials der Frequenz derWechselspannung. Bei geeigneter Wahl der Frequenz der Wechselspannung bleibt das Teilchenalso in einem Bereich um das Fallenzentrum gefangen.

Eine Elektrodenanordnung, die das Potential aus Gleichung 3.19 erzeugen kann, wird zumBeispiel in Quadrupol-Massefiltern verwendet, wobei die z-Achse der freien Bewegungsrichtungder Teilchen entspricht.Eine zweite mögliche Lösung für Gleichung 3.17 ist:

β = α ∧ γ = −2α (3.20)

Dann wird das Potential zu:Φ = Φ0α

(x2 + y2 − 2z2

)(3.21)

Aufgrund der Symmetrie des Potentials ist eine Darstellung in Zylinderkoordinaten naheliegend.Mit r2 = x2 + y2 und α = 1/r2

0 ergibt sich:

Φ =Φ0

r20

(r2 − 2z2

)(3.22)

Die Äquipotentialflächen dieses Potentials beschreiben einen rotationssymmetrischen Körper,

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3.1. Elektrodynamische Levitation 17

Abbildung 3.1: 3-Schalen Rotations-Hyperboloid als klassische Elektroden-Form einer elektrodynami-schen Falle.

der aus drei Hyperboloidschalen (siehe Abbildung 3.1) besteht. Das Verhältnis der Achsenab-stände der Schalen beträgt:

r0 =√

2z0 (3.23)

Die Flächen des Rotationshyperboloids entsprechen der Elektrodenform der von Wolfgang Paulursprünglich vorgeschlagenen Ionenfalle. Wird eine Wechselspannung mit geeigneter Frequenzan die Elektroden angelegt, so bewegt sich ein im Feld befindliches Ion auf einer periodischenBahn um den Fallenmittelpunkt. Da im zeitlichen Mittel die Bewegung des Teilchens unter demEinfluss des Pseudopotentials erfolgt, können wir die entsprechende Bewegungsgleichung be-trachten:

~r = −q~∇Ψ (3.24)

Mit dem Potential aus Gleichung 3.14 ergeben sich zwei getrennte Gleichungen für die Koordi-naten r und z.

z = −Ω2z · z ∧ r = −Ω2

r · r (3.25)

Diese Gleichungen beschreiben zwei voneinander unabhängige harmonische Schwingungen inz- und in r-Richtung. Die Schwingungsfrequenzen der Oszillationen ergeben sich zu:

Ωz = 2Ωr =√

2q

m

V0

ωr20

(3.26)

Gleichung 3.26 besagt, dass das Teilchen eine 2:1 - Lissajous-Figur in der Falle durchläuft. Diebeschriebene Elektrodenform ist allerdings nicht zwingend bindend. Es genügt, dass die Elektro-den ein elektrisches Feld und damit ein Pseudopotential erzeugen, welches in einem ausreichendgroßen Bereich um das Zentrum die Fokussierungsbedingung 3.1 erfüllt (Davis u.a., 1990).

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18 Kapitel 3. Methoden

3.1.3 Exakte Lösung der Bewegungsgleichung

Schon bei der Betrachtung des mechanischen Analogons zur Ionenfalle in Abschnitt 3.1.2 wurdeerwähnt, dass es Frequenzbereiche gibt, bei denen das Teilchen nicht stabil eingefangen werdenkann. Zur Bestimmung der Frequenzbereiche stabiler Speicherung ist es notwendig, die Bewe-gungsgleichung zu lösen. Ausgangspunkt ist das elektrische Feld innerhalb der Falle, welchesdurch die in Abbildung 3.1 dargestellte Form der Elektroden vorgegeben sein soll. Erzeugt wirddas Feld durch Anlegen einer Wechselspannung der Amplitude V0, die zusätzlich noch mit ei-ner Gleichspannung U0 überlagert werden kann. Das Potential an der Oberfläche der Elektrodenergibt sich dann zu:

VGes. = U0 + V0 cos (ωt) (3.27)

Das elektrische Potential innerhalb der Elektrodenanordnung nach Gleichung 3.21 hat die Form:

Φ =U0 + V0 cos (ωt)

r20

(r2 − 2z2

)(3.28)

Damit gilt für das elektrische Feld:

~E = −2U0 + V0 cos (ωt)

r20

(r · ~er − 2z · ~ez ) (3.29)

Ohne das Auftreten von zusätzlichen äußeren Kräften wie zum Beispiel Luftreibung lautet dieBewegungsgleichung für ein elektrisch geladenes Teilchen im äußeren elektrischen Feld:

m~r = q~E (3.30)

Mit Gleichung 3.29 erhält man daraus zwei voneinander entkoppelte Gleichungen für die Bewe-gungen in z- und r -Richtung:

d2z

dt2−[q

m

4U0

r20

+q

m

4V0

r20

cos (ωt)

]· z = 0 (3.31)

d2r

dt2+

[q

m

2U0

r20

+q

m

2V0

r20

cos (ωt)

]· r = 0 (3.32)

Beide Gleichungen gehen nach Transformation mit dem dimensionslosen Parameter x = ωt/2 ineine Form der Mathieu’schen Differentialgleichung über:

d2u

dx2+ [au − 2qu cos (2x)] · u = 0 (3.33)

wobei die Variable u für die Koordinaten z und r stehen kann. Die ebenfalls dimensionslosenKonstanten au und qu in Gleichung 3.33 bestimmen sich über folgende Transformationen:

az = −2ar = 16q

m

U0

r20

1

ω2(3.34)

qz = −2qr = 8q

m

V0

r20

1

ω2(3.35)

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3.1. Elektrodynamische Levitation 19

Die Lösungen der Mathieu’schen Differentialgleichung sind bekannt und sind durch folgendenReihenansatz gegeben:

u = Aeµx∞∑

n=−∞C2ne

i2nx + Be−µx∞∑

n=−∞C2ne

−i2nx (3.36)

Die Größen µ und C2n sind Funktionen der Parameter au und qu und bestimmen die Stabilitätder Bahnbewegung des Teilchens in der Falle. Eine Lösung u (x) ist genau dann stabil, wennfür ein gegebenes Wertepaar (au,qu) die Amplitude der Lösungen nicht divergiert. Bahnen mitzeitlich ansteigendem Abstand |~r |2 = r2 + z2 vom Fallenzentrum sind instabil. In einem solchenFall verlässt das Teilchen die Falle.

Abbildung 3.2: Stabilitätsdiagramm für die Lösungen der Mathieu’schen Differentialgleichung. Dargestelltsind die Bereiche der Parameter (qu, au) nach Glg. 3.33, in denen die für r und z entkop-pelten Bewegungsgleichungen stabile Lösungen ergeben. Das obere rechte Diagrammzeigt einen Ausschnitt für kleine Werte (qu, au).

Abbildung 3.2 zeigt das Stabilitätsdiagramm der Mathieu’schen Differentialgleichung 3.33. Dieschraffierten Bereiche zeigen diejenigen Werte der Parameter (au,qu), bei denen periodischebzw. nicht-divergierende Lösungen der Differentialgleichung auftreten. Das Teilchen soll in r- undin z-Richtung gleichzeitig stabil eingefangen werden. Deshalb muss ein Bereich von (au, qu)-Werten gewählt werden, bei dem sich die Stabilitätsbereiche von r und z überlappen. Der primäreÜberschneidungsbereich liegt bei au = 0. Um in diesen Bereich zu gelangen, wird die Falle ohneüberlagerte Gleichspannung U0 betrieben. Die Stabilität des Teilchens in der Falle wird somit nurnoch durch den Parameter qu bestimmt.

Bei der Lösung der Gleichung wurden keine weiteren externen Kräfte angenommen. Durch

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20 Kapitel 3. Methoden

das Auftreten von Reibung mit Gasmolekülen in einer nicht evakuierten Falle vergrößert sichder Stabilitätsbereich. Die Vergrößerung ist proportional für a und q für steigenden Druck. OhneLuftreibung im Vakuum können mit der Falle Teilchen für Werte 0 < qu < 0.908 eingefangenwerden. In einer Simulation (Joulenev, 1994) ergab sich bei einem Druck von 1 bar ein stabilerBereich von 0 < qu < 1.15 und bei 2 bar von 0 < qu < 1.5. Eine weitere für Experimente anlevitierten Tropfen günstige Auswirkung der Luftreibung besteht darin, dass die Amplitude derTeilchenbahn durch die Reibungskräfte exponentiell mit der Zeit abnimmt und das Teilchen dannin der Fallenmitte zur Ruhe kommt.

3.2 Elastische Lichtstreuung an sphärischen Partikeln

Die Größe von Wolkentropfen reicht von wenigen Mikrometern bis zu einigen Millimetern beiRegentropfen. Im Mikrometerbereich ist die Oberflächenspannung, zumindest bei schwach ge-ladenen Tropfen, im Vergleich zu Gravitations- und Stokes’scher Reibungskraft die bei weitemdominierende Kraft auf den Tropfen. Sie bestimmt die Gestalt der Tropfen und formt sie zu fastidealen Sphären und damit zu optischen Resonatoren hoher Güte. Zugleich ist die Dimensionder Tropfen nur wenig größer als die Wellenlänge des sichtbaren Lichtes. Diese Eigenschaftenmachen die elastische Lichtstreuung an Mikrotropfen zu einer effektiven und präzisen Methodezur Bestimmung der Tropfengröße und anderer wichtiger Eigenschaften. In den in dieser Arbeitvorgestellten Experimenten wurde mit Hilfe der elastischen Lichtstreuung Tropfengröße und Bre-chungsindex gemessen, sowie Phasenübergänge bestimmt. Die Lichtstreuung stellt damit eingrundlegendes experimentelles Hilfsmittel dar. Die theoretischen Grundlagen sollen deshalb imfolgenden Abschnitt kurz vorgestellt werden, wobei auf die für das Experiment relevanten Detailsnäher eingegangen wird.

3.2.1 Lorenz-Mie-Theorie

Basierend auf der Maxwellschen Theorie der Ausbreitung elektromagnetischer Wellen veröffent-lichte Gustav Mie 1908 seine Theorie zur Lichtstreuung an sphärischen Partikeln (Mie, 1908).Ihre Grundzüge sollen im Folgenden kurz dargelegt werden, wobei auch Bezug auf verschiedeneStandardwerke der Literatur zur Optik genommen wird (z.B. Hecht, 2001; Bohren und Huffman,1983).

Ausgangspunkt der Theorie zur elastischen Lichtstreuung an sphärischen Partikeln sind dieMaxwell-Gleichungen für die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen in einem dielektrischenMedium. Zur Beschreibung des Streuvorgangs werden die elektromagnetischen Felder in dreiverschiedene Wellen unterteilt: In eine einfallende ebene Welle, eine Welle im Inneren des Trop-fens und eine gestreute Welle. Die Stetigkeit der tangentialen Komponente des elektrischen unddes magnetischen Feldes an der Oberfläche des Tropfens definiert die Randbedingung, mit de-rer die drei Wellen einander angepasst werden. Aufgrund der Symmetrie dieses Streuproblemserfolgt die Rechnung in Kugelkoordinaten. Als Ergebnis dieser Rechnungen ergibt sich die elek-

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3.2. Elastische Lichtstreuung an sphärischen Partikeln 21

trische Feldstärke als Funktion der Koordinaten r ,ϑ,ϕ:

~E = ~Eϑ + ~Eϕ =exp (ikar)

ikar· (sinϕ · S1 (ϑ) · ~eϑ + cosϕ · S2 (ϑ) · ~eϕ) (3.37)

Die Streuamplituden S1 und S2 können jeweils als unendliche Summe aus Partialwellen mit denStreukoeffizienten am, bm dargestellt werden:

S1 (ϑ) =∞∑

m=1

(−1)m+1 2m + 1

m (m + 1)

am

P(1)m (cosϑ)

sinϑ+ bm

d

dϑP(1)

m (cosϑ)

(3.38)

S2 (ϑ) =∞∑

m=1

(−1)m+1 2m + 1

m (m + 1)

am

d

dϑP(1)

m (cosϑ) + bmP

(1)m (cosϑ)

sinϑ

(3.39)

Unter Annahme der Stetigkeit der Tangentialkomponenten der Felder an der Oberfläche derSphäre ergibt sich ein lineares Gleichungssystem für die Koeffizienten. Für die uns interessie-rende Winkelabhängigkeit ist die Kenntnis der Koeffizienten am, bm ausreichend, welche sich ausdem Gleichungssystem ergeben zu:

am =ψm (α)ψ′m (nα)− nψm (nα)ψ′m (α)

ζm (α)ψ′m (nα)− nψm (nα) ζ ′m (α)

(3.40)

bm =nψm (α)ψ′m (nα)− ψm (nα)ψ′m (α)

nζm (α)ψ′m (nα)− ψm (nα) ζ ′m (α)

Die dabei neu auftretende Funktion ζm ist eine spezielle Linearkombination der Ricatti-Bessel-Funktionen. Die Streukoeffizienten hängen somit nur noch von dem Größenparameter α mit

α =2π

λr (3.41)

und dem relativen Brechungsindex n = ni/na, als dem Quotienten der Brechungsindizes inner-halb und außerhalb des Tropfens, ab. Mit diesen Gleichungen sind alle Voraussetzungen für eineBerechnung des elektromagnetischen Feldes der gestreuten Lichtwelle als Funktion des Ortesgegeben.

Die Streuwelle kann in Anteile parallel und senkrecht zur Streuebene unterteilt werden, wasim folgenden Abschnitt kurz erläutert werden soll.

3.2.2 Polarisation des Streulichts

Die Aufteilung des elektrischen Feldes der gestreuten Welle in die Anteile ~Eϑ und ~Eϕ (Glg. 3.37)ermöglicht eine einfache Behandlung des Streuvorgangs unter Verwendung polarisierten Lich-tes. Die Polarisationsrichtung bezieht sich dabei auf die Steuebene, welche, wie in Abbildung3.3 dargestellt, durch den Richtungsvektor der einfallenden Welle und die Beobachtungsrichtungaufgespannt wird. Die Polarisation der Wellen wird in Anteile senkrecht und parallel zur Streu-ebene zerlegt. Zwischen den Polarisationen der einfallenden und der gestreuten Welle besteht

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22 Kapitel 3. Methoden

Abbildung 3.3: Lage von paralleler und senkrechter Polarisation relativ zur Streuebene.

folgender Zusammenhang:(E‖

E⊥

)gestreut

=e ikr

ikr

(S2 0

0 S1

(E‖

E⊥

)einfallend

(3.42)

Die auftretende Streumatrix ist ein Spezialfall der T-Matrix für die Streuung an sphärischen Ob-jekten. Da sie diagonal ist, wird die Polarisationsrichtung der einfallenden Welle für senkrechtoder parallel polarisiertes Licht bei der Streuung nicht geändert. Ist zum Beispiel das einfallendeLicht parallel polarisiert, so ist das gestreute Licht ebenfalls rein parallel polarisiert. Für nicht-sphärische Streukörper ist die Streumatrix im Allgemeinen nicht diagonal, so dass das gestreuteLicht einer Polarisationsrichtung auch Anteile der jeweils senkrecht dazu liegenden Polarisations-richtung des einfallenden Lichts enthält.

3.2.3 Winkelabhängigkeit des Streulichts

Die Auswertung des vom Tropfen gestreuten Lichts ermöglicht die Bestimmung wichtiger Kenn-größen des Tropfens, wie Tropfengröße und Brechungsindex. Mit Hilfe des Streulichts könnenaber auch Abweichungen der Tropfenform von der sphärischen Gestalt detektiert werden. Dazuist es sinnvoll, die Winkelabhängigkeit des Streulichtes genauer zu betrachten. In Abbildung 3.4ist die Intensität des vom Tropfen gestreuten Lichts als Funktion des Beobachtungswinkels relativzur Richtung des einfallenden Lichtes in der Streuebene für zwei Tropfen verschiedener Grö-ße in Polardiagrammen dargestellt. Die Intensität des Streulichts als Funktion des Streuwinkelsfür eine feste Tropfengröße wird auch als Winkelspektrum oder Phasenfunktion bezeichnet. Daslinke Diagramm in Abbildung 3.4 zeigt die Phasenfunktion eines Tropfens mit einem Größenpa-rameter von α = 10. Das Verhältnis aus Größenparameter und π entspricht dem Verhältnis ausTropfendurchmesser und Wellenlänge des einfallenden Lichtes. Der Durchmesser dieses Trop-fens beträgt somit nur zirka das Dreifache der Wellenlänge. Die Phasenfunktion ist gleichmäßig

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3.2. Elastische Lichtstreuung an sphärischen Partikeln 23

0

3 0

6 09 0

1 2 0

1 5 0

1 8 0

2 1 0

2 4 02 7 0

3 0 0

3 3 0

0

3 0

6 09 0

1 2 0

1 5 0

1 8 0

2 1 0

2 4 02 7 0

3 0 0

3 3 0

P a r a l l e l S e n k r e c h t

α = 1 0

P a r a l l e l S e n k r e c h t

α = 1 0 0

Abbildung 3.4: Winkelverteilung der Streuintensität, logarithmische Skala

und nur wenig strukturiert, unterscheidet sich aber signifikant von der Rayleigh-Streuung, die beinoch kleineren Objekten (α ≤ 1) auftritt. Das rechte Diagramm in 3.4 zeigt die Winkelverteilungdes Streulichts für ein Partikel mit einem Größenparameter von α = 100. Das Licht wird zumgrößten Teil in Vorwärtsrichtung (0 ± 5) gestreut. Die logarithmische Auftragung macht die umdrei bis vier Größenordnungen schwächere Feinstruktur in den übrigen Winkelbereichen sicht-bar. Die Anzahl der Intensitätsmaxima in der Feinstruktur steigt annähernd proportional mit derGröße des Tropfens an.

Anzahl, Position und Höhe der Intensitätsmaxima sind charakteristische Merkmale des Win-kelspektrums und reagieren sehr empfindlich auf kleinste Änderungen von Brechungsindex oderGröße. Diese Eigenschaft macht es prinzipiell möglich, mit Hilfe der Lorenz-Mie-Theorie berech-nete Winkelspektren an gemessene Winkelspektren anzupassen, und so Brechungsindex undGröße des Tropfen zu bestimmen.

3.2.4 Resonanzen der Mie-Streuung

Nahezu unabhängig vom Winkelbereich unterliegt das gesamte Streulicht einer zusätzlichen Mo-dulation der Intensität. Betrachten wir dazu die Zeitreihe eines verdampfenden Tropfens. DieZeitreihe ist die Intensität des Streulichts eines verdampfenden Tropfens für einen festen Winkel(oder summierte Intensität für einen festen Winkelbereich) als Funktion der Zeit. Abbildung 3.5zeigt die Zeitreihe eines von 65µm auf 47µm verdampfenden Ethylenglykoltropfens. Die beob-achteten Intensitätsmaxima sind Ausdruck eines im Tropfen auftretenden Resonanzphänomens.Der sphärische Tropfen stellt für das einfallende Licht eine optische Kavität sehr hoher Güte dar.Bei bestimmten Werten des Größenparameters kann das eingestrahlte Licht Eigenschwingungendes elektrischen Feldes in dieser Kavität anregen. In diesem Fall befindet sich das eingestrahlteLicht in Resonanz mit der Kavität und es kommt zu verstärkter Lichtstreuung in Winkelbereiche,die verschieden von der Ausbreitungsrichtung der einfallenden Welle sind. Diese Resonanzenwerden auch als „morphology dependent resonances“ (MDR) bezeichnet und treten in regelmä-

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24 Kapitel 3. Methoden

50 100 150 2000.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

Zeit (s)

Rel

ativ

e S

treu

inte

nsitä

t

Abbildung 3.5: Zeitreihe eines verdampfenden Glykoltropfens. Intensität des senkrecht polarisiertenStreulichts bei einem Streuwinkel von 90.

ßigen Abständen des Größenparameters α = 2πr/λ auf.

Mathematisch gesehen liegt der Ursprung dieser Resonanzen in den Streukoeffizienten be-gründet, die im Falle einer Resonanzbedingung Polstellen aufweisen. Die Polstellen der Streuko-effizienten am und bm tauchen in annähernd regelmäßigen Abständen des Größenparameters αauf (siehe Glg. 3.40). Der Abstand zwischen zwei Resonanzen entspricht deshalb einer konstan-ten Größenänderung des Tropfendurchmessers.

Aus dieser Eigenschaft des an einer Sphäre gestreuten Lichts ergibt sich ein wichtiger Punktfür experimentelle Untersuchungen. Werden während des Experiments im Streulicht des Trop-fens Resonanzen beobachtet, so deutet dies auf eine Größenänderung hin, bzw. wie im folgen-den Abschnitt erläutert auch auf eine mögliche Änderung der Gestalt des Tropfens.

3.3 Das Modell der optisch-äquivalenten Kugel

Die in den vorangegangenen Abschnitten erläuterte Lorenz-Mie-Theorie ermöglicht die Berech-nung des winkelaufgelösten Streulichts von sphärischen Körpern. Die für die Berechnung einessolchen Winkelspektrums benötige Zeit ist dabei eine Funktion des Größenparameters und derAnzahl zu berechnender Streuwinkelwerte. Ein heutiger Bürocomputer kann ohne größeren Auf-wand und in ausreichender Winkelauflösung mehr als 100 Winkelspektren pro Sekunde einesflüssigen, sphärischen Wassertropfens in dem uns interessierenden Größenbereich bis maximal100µm im Durchmesser berechnen. Die für die Berechnung benötigte Zeit steigt dabei linear mitder Tropfengröße an.

Anders stellt sich dagegen die Berechnung der Lichtstreuung nicht-sphärischer Objekte dar.Für leicht rotationssymmetrisch deformierte Sphären kann die T-Matrix Methode zur Berechnungder Lichtstreuung benutzt werden. Diese Methode ist ungleich aufwändiger und erfordert einemindestens um den Faktor 103 längere Zeit zur Berechnung eines Winkelspektrums. Zudem steigt

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3.3. Das Modell der optisch-äquivalenten Kugel 25

die Rechenzeit mit der 4. Potenz des Größenparameters an und erreicht damit schnell die Grenzeder sinnvollen Nutzbarkeit der Methode.

Es bietet sich nun an, die Lichtstreuung leicht deformierter Sphären mit Hilfe der sehr vielschneller zu berechnenden Lorenz-Mie-Theorie einer äquivalenten Sphäre anzunähern. Diesgeschieht mit dem Modell der optisch-äquivalenten Kugel, im weiteren auch Äquatormodell ge-nannt, welches in diesem Abschnitt erläutert werden soll.

Abbildung 3.6: Approximation eines Ellipsoiden mit einer äquivalenten Kugel. Dargestellt in blau sind dreimögliche rotationssymmetrische Verformungen eines flüssigen Tropfens und jeweils eineKugel mit äquivalentem Äquatorradius.

Das Äquatormodell besagt, dass bei geringen rotationssymmetrischen Deformationen desTropfens die Lichtstreuung in der senkrecht zur Rotationsachse liegenden Streuebene durch dieLichtstreuung einer in dieser Ebene äquivalenten Kugel angenähert werden kann. Das Prinzip istin Abbildung 3.6 veranschaulicht. Ein rotationssymmetrisch verformter Tropfen (blau) wird durcheine Sphäre (schwarzer Umriss) mit gleichem äquatorialen Radius approximiert. Für einen rotati-onssymmetrischen Ellipsoiden mit einer zur Streuebene senkrechten Rotationsachse entsprichtder äquatoriale Radius der Hälfte der in der Streuebene liegenden Halbachse.

Die Aussage des Äquatormodells kann auch schärfer formuliert werden: Das Winkelspek-trum eines leicht rotationssymmetrisch deformierten Tropfens kann in guter Näherung durch einWinkelspektrum einer Sphäre mit äquivalentem Äquatorradius approximiert werden. Um dieseAussage zu verifizieren wurden Winkelspektren von Ellipsoiden und optisch-äquivalenten Sphä-ren berechnet und miteinander verglichen. Dabei wurde auf eine Fortran-Implementierung einesT-Matrix-Programmes von Mishchenko und Travis (1998) zurückgegriffen.

Um die Ergebnisse dieser Berechnungen interpretieren zu können betrachten wir zunächstnoch einmal das von einer Sphäre gestreute Licht. Abbildung 3.7 a) zeigt die über die Lorenz-Mie-Theorie berechnete relative Streuintensität von Sphären als Funktion des Streuwinkels (Abszis-se) für verschiedene Tropfenradien (Ordinate). Die Farbwerte der Streuintensität variieren vonSchwarz (entspricht einer relativen Intensität von 0) über Blau und Orange nach Weiß (entsprichteiner relativen Intensität von 1). Im darunterliegenden Teilbild 3.7 b) ist die über den Streuwinkelintegrierte relative Intensität als Funktion der Tropfenradien aufgetragen. Zu erkennen sind die imvorhergehenden Abschnitt beschriebenen Resonanzen der Mie-Streuung.

Im Vergleich zum Streulicht von Sphären unterschiedlicher Größe betrachten wir jetzt dasüber die T-Matrix-Methode berechnete Streulicht von ellipsoidal verformten Tropfen als Funktiondes Aspektverhältnisses unter der Einschränkung eines während der Deformation konstanten

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26 Kapitel 3. Methoden

9 . 5 9 . 6 9 . 7 9 . 8 9 . 9 1 0 . 0 1 0 . 1 1 0 . 2 1 0 . 3 1 0 . 4 1 0 . 5

8 0

8 5

9 0

9 5

1 0 0

Abbildung 3.7: Streuintensität eines sphärischen Tropfens als Funktion des Streuwinkels und des Trop-fenradius (senkrechte Polarisation).

9 . 5 9 . 6 9 . 7 9 . 8 9 . 9 1 0 . 0 1 0 . 1 1 0 . 2 1 0 . 3 1 0 . 4 1 0 . 5

0 . 8 5 0 . 9 0 0 . 9 5 1 . 0 0 1 . 0 5 1 . 1 0 1 . 1 58 0

8 5

9 0

9 5

1 0 0

Abbildung 3.8: Streuintensität eines ellipsoidal verformten Tropfens als Funktion des Streuwinkels unddes Aspektverhältnisses bei konstantem Tropfenvolumen (senkrechte Polarisation).

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3.3. Das Modell der optisch-äquivalenten Kugel 27

Tropfenvolumens (V = 4π/3 · (10 µm)3), wie es bei der Oberflächenschwingung eines Tropfensangenommen werden kann. Das im Winkelbereich zwischen 80 und 100 Grad berechnete Streu-licht ist in Abbildung 3.8 a) dargestellt. Das Aspektverhältnis ist in diesem Fall der Quotient aussenkrecht zur Rotationsachse zu parallel zur Rotationsachse liegender Halbachse des Ellipsoi-den. Die Randbedingung des konstanten Tropfenvolumens führt bei der Deformation zu einerVariation des äquatorialen Radius bzw. der senkrecht zur Rotationsachse liegenden Halbach-se des Ellipsoiden. Die winkelintegrierte Intensität ist in Abbildung 3.8 b) als Funktion des zumAspektverhältnis äquivalenten äquatorialen Radius ausgetragen.

Vergleichen wir das Streulicht eines sphärischen Tropfens (Abb. 3.7) mit dem Streulicht ei-nes ellipsoidal deformierten Tropfens (Abb. 3.8), so fällt auf, dass die periodische Abfolge derMie-Resonanzen auch bei dem ellipsoidalen Tropfen identifiziert werden kann. Im Streulicht desellipsoidal verformten Tropfen treten aber auch zusätzliche Resonanzen auf, deren Anzahl undIntensität mit stärker werdender Abweichung von der Kugelform zunehmen.

1 0 . 6 1 0 . 5 1 0 . 4 1 0 . 3 1 0 . 2 1 0 . 1 1 0 . 0 9 . 9 9 . 8 9 . 7 9 . 6 9 . 5

1 . 08 0

8 5

9 0

9 5

1 0 0

Abbildung 3.9: Streuintensität eines ellipsoidal verformten Tropfens als Funktion des Streuwinkels unddes Aspektverhältnisse bei konstantem Äquatorradius von RAqu. = 10µm (senkrechtePolarisation).

Besonders gut wird das Äquatormodell in Abbildung 3.9 veranschaulicht. Aufgetragen ist dortwieder das Streulicht eines ellipsoidal verformten Tropfens bei dem diesmal nicht das Volumen,sondern der äquatoriale Radius konstant gehalten wurde. Der Tropfenradius als Eingangspa-rameter des Programms zur Streulichtberechnung wurde dabei über R0 = RAqu. · AV−1/3 alsFunktion des Aspektverhältnisses AV bestimmt. Der äquatoriale Radius wurde wieder zu 10 µm

gewählt. In Abbildung 3.9 a) erkennt man deutlich, dass sich die Phasenfunktion im Bereich umden sphärischen Tropfen (Aspektverhältnis 1.0 und Radius 10 µm) kaum ändert. Im Bereich des

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28 Kapitel 3. Methoden

Aspektverhältnisses von 0.97 < AV < 1.03 liefert das Äquatormodell damit eine hervorragen-de Näherung der Lichtstreuung eines Ellipsoiden. Auch für stärkere ellipsoidale Verformungenist die Näherung immer noch recht gut. Für die in dieser Arbeit durchgeführten Messungen zuOberflächenschwingungen levitierter geladener Tropfen (Kapitel 7) war nur eine qualitative Aus-wertung der Lichtstreuung notwendig. Das Äquatormodell konnte deshalb in einem Bereich desAspektverhältnisses von 0.92 < AV < 1.08 angewandt werden. Dies entspricht einer maximalenSchwingungsamplitude von β = (1 − AV 1/3) ·

√16π/5 = 0.1. Das Streulicht eines mit dieser

Amplitude schwingenden Tropfens kann also mit ausreichender Genauigkeit über das Äquator-modell mit dem leichter zu berechnenden Streulicht einer Sphäre mit äquivalentem äquatorialenRadius approximiert werden.

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Kapitel 4

Experimenteller Aufbau

Einleitung

Alle in dieser Arbeit vorgestellten Experimente basieren auf der Ausnutzung der besonderenEigenschaften, die levitierte Partikel im Gegensatz zu herkömmlich auf Oberflächen deponier-ten, bzw. im Schwerefeld frei fallenden Partikeln besitzen. Die berührungsfreie Speicherung er-möglicht die Untersuchung von metastabilen Flüssigkeiten, wie sie in Form unterkühlter oderübersättigter Wolkentropfen in der Atmosphäre vorkommen. Die elektrodynamische Levitationstellt damit das grundlegende apparative Hilfsmittel zur Untersuchung der Wolkentropfen unteratmosphärischen Bedingungen dar. Im folgenden Kapitel wird deshalb der genaue Aufbau deselektrodynamischen Levitators und der ihn umgebenden Apparaturen detailliert beschrieben.

4.1 Aufbau der Paulfalle

Die Funktionsweise der elektrodynamischen Speicherung wurde ausführlich im vorangegange-nen Kapitel beschrieben. Prinzipiell kann mit dieser Methode ein beliebig schweres, geladenesTeilchen in der dafür geeigneten Falle levitiert werden. Zielsetzung dieser Arbeit war es unter An-derem, eine elektrodynamische Partikelfalle zu konstruieren, welche den Anforderungen an dieSpeicherung geladener Wolkentropfen gerecht wird. Als Anforderungen wurden folgende Punktegestellt:

• stabile Speicherung mikrometergroßer, flüssiger Tropfen

• sicheres, reproduzierbares Einfangen in verschiedenen Ladungszuständen der Tropfen

• definierte und variierbare atmosphärische Bedingungen, wie Druck, Temperatur und Gas-zusammensetzung (z.B. Luftfeuchte)

• thermische Isotropie der Tropfenumgebung

• gute Erreichbarkeit des Tropfens für Sensorik von Außen

• insbesondere Platzierbarkeit einer Optik für die präzise und hochaufgelöste Aufnahme desvom Tropfen elastisch und inelastisch gestreuten Lichts

29

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30 Kapitel 4. Experimenteller Aufbau

• kompakter Aufbau von Falle und umgebender Klimakammer für eine Verwendung der Falleim Fokus eines optischen-, eines Raman-oder eines Infrarot-Mikroskops

Im Gegensatz zu früheren Experimenten der Arbeitsgruppe wurde bei den für diese Arbeit kon-struierten Paulfallen wieder auf einer Geometrie mit hyperbolischer Elektrodenform aufgebaut.Um den experimentellen Anforderungen der verschiedenen Methoden gerecht zu werden, wur-den zwei Paulfallen unterschiedlichen Typs konstruiert. Abbildung 4.1 zeigt Schnittdarstellungender entworfenen Paulfalle des Achteck-Typs. Dargestellt ist auf der linken Seite ein vertikaler

Abbildung 4.1: Schnittdarstellungen der elektrodynamischen Falle des Achteck-Typs. Vertikaler (linkeSeite) und horizontaler Schnitt (rechte Seite). Ringelektrode (a), Boden- und Deckelelek-troden (b), Keramik-Isolatoren (c), optische Ports (d), Durchführung für Laserstrahl (e)

Schnitt durch die Falle in perspektivischer Ansicht und auf der rechten Seite ein horizontalerSchnitt durch die Falle. Zu sehen ist dabei die Ringelektrode (a), und die beiden Boden- und De-ckelelektroden (b), die durch zwei Keramikscheiben (c) elektrisch voneinander isoliert sind. Fürdie Elektroden wurde als Material Kupfer und für die Isolatorscheiben das hoch-wärmeleitfähigeShapal-M™ gewählt, das die thermische Isotropie der Falle begünstigt. Die Elektroden sind zu-sätzlich mit Gold beschichtet, wodurch die Falle Stabilität gegenüber chemisch aggressiven Sub-stanzen, wie Lösungen von Säuren oder Basen, erhält. Die Ringelektrode besitzt mehrere Ausfrä-sungen für optische Ports (d), die eine seitliche Platzierung von Linsen, Fenstern oder des Trop-feninjektors ermöglichen. Eine seitliche Bohrung (e) ist für die Führung des Laserstrahls durchdie Falle vorgesehen. Die schmale Öffnung von 2 mm im Durchmesser erfordert eine präziseJustierung des Laserstrahls und ermöglicht damit auch eine genauere Eichung des Streuwinkelsbezüglich der Ausbreitungsrichtung des Laserstrahls. Alle nicht benötigten optischen Ports wer-den mit Blindstopfen oder Quartzfenstern verschlossen, so dass das Innere der Falle ein nachaußen hin abgeschlossenes Volumen darstellt.

Die beschriebene Achteck-Falle wurde unter dem Gesichtspunkt gestaltet, möglichst vieleÖffnungen für den Zugang mit Anlytik/Sensoren/Optik zum levitierten Tropfen bereit zu stellen.Für das Experiment zur Messung des Brechungsindex unterkühlter flüssiger Tropfen war diesesDesign allerdings nicht ausreichend und es wurde eine Falle eines zweiten Typs konstruiert, wel-

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4.2. Die Vakuumkammer 31

che der speziellen Anforderung genügte, das Streulicht im Bereich des Regenbogens zugänglichzu machen. Diese sogenannte Falle des Regenbogen-Typs gestaltet sich in ihrer hyperbolischenElektrodenform analog zur Achteck-Falle. Abbildung 4.2 zeigt die Schnittdarstellungen der Fallediesen Typs. Im Gegensatz zur Achteck-Falle wurde in der Ringelektrode auf vier der sechs opti-

Abbildung 4.2: Schnittdarstellungen der elektrodynamischen Falle des Regenbogen-Typs. Vertikaler (lin-ke Seite) und horizontaler Schnitt (rechte Seite). Geschlitzte Ringelektrode (f) zur Aufnah-me des winkelaufgelösten Streulichts im Bereich von 89 bis 161.

schen Ports zugunsten zweier geschlitzter Öffnungen (f) verzichtet. Diese Öffnungen liegen sym-metrisch zum Laserstrahl und decken einen Winkelbereich des vom Tropfen gestreuten Lichtsvon ca. 89 bis 161 Grad ab. Dadurch wird die Aufnahme des winkelaufgelösten Streulichts imBereich des Regenbogens erster und zweiter Ordnung und damit eine Auswertung der in die-sem Winkelbereich enthaltenen Informationen des Streulichts ermöglicht. Der Einschuss einesflüssigen Tropfens kann je nach Anforderung des Experiments in diesen Fallen durch einen derseitlichen Ports (d) oder durch die Öffnung in der oberen Deckelelektrode erfolgen 1.

4.2 Die Vakuumkammer

In Abb. 4.3 sind zwei Schnittdarstellungen der realisierten Vakuumkammer mit einer Falle desRegenbogentyps gezeigt. Mit einer Größe von 24x12x4 cm (LxBxH) ist die Vakuumkammer sehrkompakt gehalten. Sie dient vornehmlich der thermischen Isolierung der Paulfalle. Gleichzeitigwird das Beschlagen der Fenster und Optiken an der Paulfalle verhindert. Gekühlt wird die Falleüber einen Flüssig-Stickstoff Kaltfinger-Kryostaten. Der Wärmeübertrag von der Falle zu einemKaltfinger-Kryostat erfolgt über zwei auf der Falle befestigte Kupferringe. Diese sind wiederum

1 Generell hat sich in den Experimenten der Tropfeneinschuss vertikal von oben als die stabilere der zwei Variantenherausgestellt. Bei Verwendung der Falle im Fokus eines Mikroskops ist dies allerdings nicht mehr möglich und eskann nur der seitliche Einschuss zur Anwendung kommen.

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32 Kapitel 4. Experimenteller Aufbau

Abbildung 4.3: Horizontaler (oben) und vertikaler (unten) Schnitt durch die Vakuumkammer mit einge-setzter Paulfalle des Regenbogentyps.

über eine ca. 1 cm breite flexible Kupferlitze mit dem Kaltfinger verbunden. Die Kupferlitze er-möglicht eine mechanische Entkopplung von Falle und Kaltfinger bei gleichzeitig ausreichenderWärmekopplung. Die Falle ist in der Kammer auf vier Quartzglaskugeln mit einem Durchmesservon 2 mm in entsprechenden Versenkungen gelagert. Beim Anpressen des oberen Kammerde-ckels wird auch die Falle in diese Lagerung gepresst, so dass eine Selbstzentrierung der Fallezur Kammer erreicht wird. Durch diese Art der Punktlagerung wird gleichzeitig ein Wärmeüber-trag von der Kammer zur Falle hin minimiert, und die thermische Isotropie der Falle verbessert.Die Vakuumkammer wurde bei einem zur thermischen Isolierung ausreichenden Restgasdruckvon ca. 3 · 10−4 mbar betrieben. Über den Kaltfinger-Kryostaten und eine elektrisch betriebeneHeizungsregelung kann die Temperatur der Falle in einem Bereich von −107C bis 90C variiertwerden, wobei die Grenzen des Temperaturbereichs durch die thermischen Eigenschaften derverwendeten Dichtungsringe vorgegeben sind.

Abbildung 4.4 zeigt eine fotografische Aufnahme der geöffneten Vakuumkammer mit einereingesetzten Regenbogen-Falle. Aus Gründen der Übersichtlichkeit sind in diesem Foto die Ver-bindungen zur Steuerungselektronik und zum Computer entfernt worden. Die Vakuumkammer istsehr kompakt gehalten, um in der Paulfalle levitierte Tropfen auch im Fokus eines Mikroskopesuntersuchen zu können.

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4.3. Optischer Aufbau 33

(a)

(b)

(c)

(d)

(e)

(f)

?

Abbildung 4.4: Aufsicht auf die geöffnete Vakuumkammer mit eingesetzter Regenbogenfalle.Paulfalle (a), Vakuumkammer (b), Strahlteiler (c), vertikale Höhenkontroll-CCD-Zeile (d),CCD-Kamera (e), Flüssig-Stickstoff Kaltfinger-Kryostat (f)

4.3 Optischer Aufbau

Die in dieser Arbeit durchgeführten Messungen beruhten zu einem großen Teil auf der Auswer-tung des vom levitierten Tropfen elastisch gestreuten Lichts. Aus diesem Grund wurde besondereSorgfalt auf den Entwurf eines präzisen optischen Aufbaus gelegt, welcher in den Abbildungen4.5 für die Paulfalle des Achteck-Typs und in Abbildung 4.6 für die Paulfalle des Regenbogen-Typsschematisch dargestellt ist. Die gespeicherten Tropfen wurden in den Experimenten mit einem25 mW HeNe-Laser (λ = 632.8 nm) beschienen. Der Laserstrahl besaß eine Gauß’sche Breitevon 1 mm, so dass das auf den Tropfen auffallende Licht bei einem Tropfendurchmesser vond ≤ 100 µm gut als ebene Welle angesehen werden kann. Das von den Tropfen gestreute Lichtwurde durch in den Fallenkörper eingesetzte Linsen auf verschiedene optischen Detektoren ge-führt. Eingesetzt wurden eine senkrecht stehende CCD-Zeile zur Positionskontrolle in z-Richtung,eine CCD-Kamera zur Größenbestimmung, ein Photomultiplier zur Aufnahme schneller zeitlicherVariationen des Streulichts und zwei waagerecht liegende CCD-Zeilen in der Regenbogenfalle.

Zur Vermeidung störenden Streulichts innerhalb der Paulfalle wurden die Innenseiten derElektroden vor dem Einbau der Falle in die Vakuumkammer mit Graphit geschwärzt. Dazu wurdeeine dünne Schicht von in Isopropanol gelöstem Graphit auf die Elektroden aufgetragen. Dabeibildete sich eine dünne und matte, dunkle Graphitschicht auf der Elektrodenoberfläche, welchedie Reflektivität der vergoldeten Elektroden stark herabsetzte. Gleichzeitig wurde eine Beein-trächtigung der elektrischen Eigenschaften der Falle durch Verwendung des elektrisch sehr gut

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34 Kapitel 4. Experimenteller Aufbau

!

Abbildung 4.5: Schema der optischen Abbildung bei Verwendung der Achteck-Falle.

Abbildung 4.6: Schema der optischen Abbildung bei Verwendung der Regenbogen-Falle.

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4.3. Optischer Aufbau 35

leitenden Graphits vermieden. Im folgenden Abschnitt soll nun die Funktionsweise der automati-schen Positionskontrolle für die vertikale Richtung näher beschrieben werden.

4.3.1 Automatische Höhenkontrolle

Bereits im Abschnitt 3.1 wurde die Theorie zur elektrodynamischen Speicherung geladener Teil-chen dargelegt. Demnach kann bei entsprechender Wahl von Frequenz und Wechselspannungs-amplitude ein elektrisch geladenes Partikel im Zentrum einer Paulfalle mit hyperbolisch-geformtenElektrodenflächen levitiert werden. Die besondere Eigenschaft des Fallenzentrums ist, dass dieim Mittel auf das Partikel wirkende Kraft dort verschwindet. Unter Bedingungen realer Experimen-te auf der Erde tritt aber im Gegensatz zu diesen theoretischen Überlegungen eine zusätzlicheKraft in Form der Gravitation auf. Die Gewichtskraft des Tropfens führt dazu, dass sich das Par-tikel nicht genau im Zentrum der Falle befindet, sondern leicht in der vertikalen in Richtung derGravitationskraft verschoben wird. Die Gewichtskraft auf den Tropfen kann analog zum bekanntenMillikan-Versuch durch ein elektrisches Feld in vertikaler Richtung kompensiert werden. Befindetsich das Partikel bei entsprechend gewählter Elektrodenspannung wieder in der Mitte der Falleso sind Gewichtskraft und Coulombkraft vom Betrag her gleich und es gilt:

~FG + ~FC = 0 bzw. mg + qE = 0 (4.1)

Durch Umformung dieser Gleichung kann ein Ausdruck für die spezifische Ladung q/m des levi-tierten Partikels als Funktion der angelegten Potentialdifferenz gewonnen werden:

q/m =dg

UC0(4.2)

Dabei bezeichnet d den vertikalen Abstand der Boden- und Deckelelektrode (bei den hier ver-wendeten Paulfallen ist d = 10/

√2 mm) und g die Erdbeschleunigung. Der Korrekturfaktor C0

berücksichtigt den Unterschied zwischen den hyberbolisch geformten Elektroden der Falle undeinem unendlich ausgedehnten Plattenkondensator. Mit dem Simulationsprogramm SIMION zurBerechnung elektrostatischer Felder aus gegebenen Elektrodenkonfigurationen wurde für die hy-perbolische Elektrodenform ein Korrekturfaktor von C0 = 0.789 bestimmt (Krämer, 1998). DurchMessen der angelegten Potentialdifferenz U an den Elektroden der Falle kann mit Gleichung4.2 die spezifische Ladung des Partikels berechnet werden, wenn sich das Partikel genau imZentrum der Paulfalle befindet.

Ändert sich die spezifische Ladung des Partikels, zum Beispiel durch Masseverlust bei ei-nem verdampfenden Tropfen, oder bei einem Tropfen welcher eine Coulomb-Instabilität durch-läuft, dann muss während einer Messung das Potential an den Elektroden angepasst werden.Die Dauer eines Experimentes reicht von wenigen Sekunden im Falle der Gefriermessungenan Wassertropfen bis zu 30 Minuten bei langsam verdampfenden Glykoltropfen. Die Anpassungdes Elektrodenpotentials geschieht deshalb im Experiment computergesteuert mit Hilfe der auto-matischen z-Positionskontrolle, deren schematische Funktionsweise in Abbildung 4.7 dargestelltist. Während eines Experimentes wird der vom Lasertrahl beleuchtete Tropfen über eine Linse(Brennweite f = 20 mm) auf eine senkrecht stehende CCD-Zeile abgebildet (Abb. 4.7a). Ändertsich die vertikale Position des Tropfens in der Falle, so wird dies als eine Positionsänderung des

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36 Kapitel 4. Experimenteller Aufbau

Abbildung 4.7: Schematischer Aufbau der automatischen Höhenkontrolle. Abbildung des levitierten Trop-fens auf eine einzelne, senkrecht stehende CCD-Zeile (a), Bestimmung der Tropfenposi-tion anhand des Mess-Signals (b) und Positionsregelung des Tropfens in vertikaler Rich-tung durch entsprechende Anpassung der Gleichspannung an Boden- und Deckelelek-trode (c).

Signals auf der CCD-Zeile registriert (Abb. 4.7b), und die Positionsänderung des Tropfens durcheine entsprechende Änderung der Potentialdifferenz in einer Rückkopplungregelung kompensiert(Abb. 4.7c). Auf diese Weise kann der verdampfende Tropfen automatisch und sehr präzise imFallenzentrum gehalten und aus der Potentialdifferenz jederzeit die spezifische Ladung des Trop-fens bestimmt werden.

4.4 Temperaturmessung

Die meisten Paulfallenexperimente setzen eine genaue Kenntnis der Temperatur im Probenraumvoraus. Besonders die sehr starke Abhängigkeit der Nukleationsrate von der Temperatur (dieNukleationsrate ändert sich um eine Größenordnung über einen Bereich von wenigen Grad Kel-vin) macht eine besondere Sorgfalt bei der Temperaturbestimmung notwendig. Die Temperierungder Paulfalle erfolgte über den Flüssigstickstoff-Kaltfingerkryostaten und einen angeschlossenenTemperaturregler (Lakeshore 330).

Unter der Annahme, dass die Luft innerhalb der Falle die Temperatur der Elektrodenoberflä-che annimmt, kann die Temperaturmessung vereinfacht werden, indem nur die Temperatur derElektroden selbst gemessen wird. Der Wärmeübertrag von den Elektroden der Paulfalle zumKaltfingerkryostaten erfolgte über einen auf dem zentralen Fallenkörper angebrachten Kühlring.Über zwei Keramikisolatorscheiben sind Boden- und Deckelelektrode thermisch mit der Ring-elektrode gekoppelt. Diese Kopplung ist nicht ideal, so dass es zur Ausbildung einer Temperatur-differenz zwischen den genannten Elektroden kommt. Die Temperatur im Inneren der Falle wirddurch alle drei Elektroden beeinflusst. Die Oberfläche der Elektroden bestimmt, zu welchen An-teilen die Temperatur des Probenraumes durch die Elektrodentemperaturen beeinflusst wird. ImFolgenden soll die Berechnung der Elektrodenoberflächen dargelegt werden. Die Elektroden derhyperbolisch geformten Paulfalle werden durch folgende grundlegende Gleichungen beschrie-

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4.4. Temperaturmessung 37

ben:

Ringelektrode : r (z) =(2z2 + r2

0

)1/2(4.3)

Boden/Deckel− Elektroden : r (z) =(2z2 − r2

0

)1/2(4.4)

Hierbei ist r0 der innere Radius der Ringelektrode der Paulfalle und beträgt bei beiden verwende-ten Fallen 5 mm. In Abbildung 4.8 ist die Form der Elektroden in einer Schnittdarstellung gezeigt.Zur Berechnung der Oberfläche A eines Rotationskörpers bei Rotation der erzeugenden Kurve

Abbildung 4.8: Schnittdarstellung der hyperbolischen Fallengeometrie zur Berechnung des Flächen-inhaltes der Elektrodenoberflächen. Koordinaten der markierten Punkte siehe Text.

um die x-Achse kommt die erste Guldinsche Regel zur Anwendung:

A = 2π

∫ x2

x1

f (x)(

1 + f ′ (x)2)1/2

dx (4.5)

Mit Hilfe dieser Gleichung kann die Elektrodenoberfläche der hyperbolischen Elektrodenanord-nung berechnet werden. Die Rotationsachse stimmt in diesem Fall mit der z-Achse überein. DieIntegrationsgrenzen sind dabei durch folgende ausgezeichnete Punkte (r , z) gegeben:

a = (5, 0) b = (5√

3, 5) c = (0, 5/√

2) d = (5√

3, 5√

2) (4.6)

Damit wird die Fläche der Elektroden:

AE = 2π

∫ b(d)

a(c)

(2z2 ± r2

0

)1/2

[1 +

(2z)2

2z2 ± r20

]1/2

dz

= 2π

∫ b(d)

a(c)

(6z2 ± r2

0

)1/2dz

=2πr2

0√6

∫ b(d)

a(c)

(ξ2 ± 1

)1/2dξ (4.7)

mit der verwendeten Substitution:

z =r0√

6ξ dz =

r0√6dξ (4.8)

ξa = 0 ξb =√

6 ξc =√

3 ξd =√

12

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38 Kapitel 4. Experimenteller Aufbau

Die Lösungen des bestimmten Integrals 4.7 sind bekannt (Nachtigaller, 2001). Für die Ring-elektrode lauten sie:

AR =2πr2

0√6

21

2

[ξ(ξ2 + 1

)1/2+ arsinh (ξ)

]ξb

ξa

=2πr2

0√6

[ξ(ξ2 + 1

)1/2+ lnξ +

(ξ2 + 1

)1/2]√6

0

sowie für Deckel- und Bodenelektrode jeweils:

AB,D =2πr2

0√6

1

2

[ξ(ξ2 − 1

)1/2 − arcosh (ξ)]ξd

ξc

=πr2

0√6

[ξ(ξ2 − 1

)1/2 − lnξ +(ξ2 − 1

)1/2]√12

√3

Damit ergeben sich folgende Flächeninhalte für die Elektroden:

AR = 5.19 cm2 AB,D = 2.65 cm2 (4.9)

Die Fläche der Ringelektrode ist damit annähernd gleich groß, wie der Flächeninhalt von Deckel-und Bodenelektrode zusammengenommen. Die Temperatur TZ im Fallenzentrum kann in guterNäherung aus einem entsprechend gewichteten Mittel der Temperaturen berechnet werden.

TZ = 1/4 (2TR + TB + TD) (4.10)

Allerdings konnte die Temperatur nur an der Ringelektrode direkt gemessen werden, da anBoden- und Deckelelektrode die für die Levitation notwendige Wechselspannung im Kilovolt Be-reich anlag und nicht mit einem elektrischen Temperaturfühler kontaktiert werden konnte.

2 3 0 2 4 0 2 5 0 2 6 0 2 7 0 2 8 0 2 9 0 3 0 00 . 0

0 . 2

0 . 4

0 . 6

0 . 8

1 . 0

1 . 2- 4 0 - 3 0 - 2 0 - 1 0 0 1 0 2 0

∆T =

(T D - TR)

/ Kelv

in

Abbildung 4.9: Temperaturdifferenz zwischen Ringelektrode TR und Deckelelektrode TD als Funktion deran der Ringelektrode gemessenen Temperatur; Messwerte und Ausgleichsgerade.

Um trotzdem eine Aussage über die Temperaturdifferenz zwischen den Elektroden machen

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4.5. Erzeugung von Mikrotropfen 39

zu können, wurde in einem Vorexperiment die Temperatur an allen drei Elektroden direkt gemes-sen und dabei auf die Wechselspannung verzichtet. Mit den gemessenen Temperaturen wurdeeine Eichkurve erstellt, aus der man die Temperaturdifferenz zwischen den Elektroden bei ei-ner eingestellten Temperatur der Ringelektrode entnehmen kann. Die Eichkurve ist in Abbildung4.9 dargestellt. Da die Kühlung über die Ringelektrode erfolgte und die Deckelelektroden mitder Klimakammer über die Vierpunktlagerung in Kontakt standen ist die Temperatur der Deckel-elektroden bei Temperaturen unterhalb der Labortemperatur gegenüber der Temperatur der Ring-elektrode immer etwas erhöht. Die Temperaturdifferenz folgt im betrachteten Bereich zwischenRaumtemperatur und 236 K einem annähernd linearen Verlauf und wurde mit folgender Steigungangepasst:

TD − TR = 1.186(4)10−2 · TR + 5.4(1) K (4.11)

Unter der Voraussetzung geringer Temperaturschwankungen lässt sich mithilfe der Eichkurveund Gleichung 4.10 die Temperatur im Inneren der Falle während des Experimentes zu jeder Zeitbestimmen.

4.5 Erzeugung von Mikrotropfen

Die Erzeugung der Tropfen erfolgte mithilfe kommerziell erhältlicher Piezo-Injektoren der FirmaGeSiM (Gast und Fiehn, 2003). Abbildung 4.10 zeigt einen solchen Mikrotropfengenerator. Er be-

Abbildung 4.10: Mikrotropfengenerator der Firma GeSiM (Gast und Fiehn, 2003).

steht aus einer Siliziumschicht in welche ein Flüssigkeitsreservoir und eine Düsenöffnung nass-chemisch eingeätzt ist. Auf die Oberseite der Siliziumschicht und damit über das Flüssigkeits-reservoir ist eine Glasabdeckplatte ionisch gebondet. Auf die Rückseite der Siliziumschicht istein Piezo-Kristall aufgeklebt (im Bild nicht sichtbar). Durch Anlegen eines Spannungspulses einerDauer von ca. 50 µs und einer Amplitude im Bereich von 26 bis 60 V verformt sich der Piezo-Kristallund übt durch die dünne Siliziumschicht hindurch auf die Flüssigkeit einen Druckimpuls aus. Diesich daraufhin im Flüssigkeitsreservoir ausbreitende Druckwelle führt an der Spritzendüse zumAusstoss eines Tropfens. Die Amplitude des Spannungspulses am Piezo-Kristall und der Durch-messer der Düsenöffnung beeinflussen dabei Größe und Geschwindigkeit des Tropfens, so dassTropfen mit einer Geschwindigkeit von ca. 0.5 bis 3 ms−1 und einem Durchmesser von ca 90 bis100 µm erzeugt werden können.

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40 Kapitel 4. Experimenteller Aufbau

Ab einer Piezo-Puls-Amplitude von ca. 45 V bildet sich beim Abreißen des Tropfens von derSpritzendüse ein Satellitentröpfchen. Bei den meisten Experimenten sind die zusätzlichen Trop-fen eher unerwünscht. Die Größe dieses Tröpfchens kann sehr viel stärker durch eine Änderungder Puls-Amplitude beeinflusst werden. Durch geschickte Wahl der Einfangparameter der Fallekönnen auch diese Satellitentröpfchen in der Falle gefangen und levitiert werden, wogegen diedurch die hohe Puls-Amplitude sehr schnellen großen Tropfen das Zentrum der Falle passier-ten, ohne eingefangen zu werden. Auf diese Weise kann der Tropfeninjektor benutzt werden, umTropfen zweier verschiedener Größenklassen zu erzeugen, ohne den Injektor zu wechseln unddamit Verwirbelungen der Luft oder Temperaturschwankungen in der Falle zu erzeugen.

4.5.1 Aufladung der Tropfen

Für eine Anwendung der elektrodynamischen Levitation ist es erforderlich, elektrisch geladenePartikel zu erzeugen. Die Aufladung der Wassertropfen erfolgt über Influenz. Dabei befindet sichdie Düse des Tropfeninjektors im Moment des Tropfenabriss in einem starken elektrischen Feldwie in Abbildung 4.11 dargestellt. Durch das elektrische Feld werden dabei die Ladungen ent-

Abbildung 4.11: Aufladung der Mikrotropfen bei ihrer Erzeugung durch Influenz. (a) Polarisierung derFlüssigkeit im Spritzenreservoir durch ein elektrisches Feld an der Aufladeelektrode, (b)Austritt des Tropfens aus der Düsenöffnung, (c) nach dem Abriss verbleibende Nettola-dung auf dem Tropfen.

sprechender Polarität auf den Tropfen gezogen, während die Ladungen entgegengesetzter Pola-rität abgestoßen werden. Die Ladung des Tropfens wird also durch die im Moment des Tropfen-abriß auf dem Tropfen vorhandenen Ladungsträger bestimmt, da danach kein Ladungsausgleichzum Flüssigkeitsreservoir mehr stattfinden kann. Das für die Aufladung entscheidende elektri-sche Feld wurde in den Experimenten durch das elektrische Potential an den Fallenelektrodenselbst erzeugt. Der Zeitpunkt des Tropfeneinschuss musste also zeitlich mit der Phase der Wech-selspannung abgestimmt werden.

4.5.2 Ladungsträger auf flüssigen Tropfen

Eine wichtige Frage besonders für die Experimente zur Coulomb-Instabilität geladener Tropfenbesteht darin, welcher Art die Ladungsträger auf den flüssigen levitierten Tropfen sind. In dendurchgeführten Experimenten wurde Wasser, sowie Ethylen-Glykol als Probenflüssigkeit ver-wendet. Im Falle des Wassers werden die Ladungsträger durch positiv geladene Oxoniumionen

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4.6. Steuerung des Experiments und Datenerfassung 41

(H3O+) bzw. negativ geladene Hydroxidionen (OH – ) gebildet, die durch die Dissoziation von neu-tralen Wassermolekülen auch in destilliertem Wasser vorhanden sind. Die unterschiedliche Be-weglichkeit der negativ und positiv geladenen Ionen führt zu Unterschieden im hydrodynami-schen Verhalten negativ und positiv geladener Wassertropfen beim Durchlaufen einer Coulomb-Instabilität (Müller, 2010).

Auch das verwendete Ethylen-Glykol besaß einen Restanteil Wassers von ca. 2%. Zusätzlichhandelt es sich bei Glykol um eine hygroskopische, also wasseranziehende Flüssigkeit, so dasssich der Anteil gelösten Wassers in einer Probe aus Glykol nicht verringern, sondern eher erhö-hen wird. Es wird vermutet, dass ein Teil der Ladungsträger im Falle der untersuchten Glykoltrop-fen durch die Ionen dissoziierter Wassermoleküle gebildet wird, bzw. aufgrund der hohen Polaritätder Wassermoleküle um Glykolmoleküle mit angelagerten Wassermolekülen. Diese Vermutungwird durch Experimente gestützt, die auch beim Ethylenglykol Unterschiede im Durchmesser undin der Dauer der Rayleigh’schen Jets während einer Coulomb-Instabilität zeigen (Österreicher,2004).

4.6 Steuerung des Experiments und Datenerfassung

Die Steuerung des Experimentes erfolgte am Computer mithilfe selbsterstellter Programme inder LabVIEW-Entwicklungsumgebung von National Instruments. Steuerung und Datenerfassung

Abbildung 4.12: Schematische Darstellung der Steuerung und Datenerfassung im Experiment.

sind schematisch in Abbildung 4.12 dargestellt. Die Anpassung von Amplitude und Frequenzder Paulfalle sowie die Ausgabe des Triggersignals zur Erzeugung des Injektorspannungspul-ses erfolgte über ein National Instruments Datenerfassungsmodul (NI PCI-6014), das neben16 analogen Eingangskanälen auch über 2 analoge sowie 8 digitale Ausgabekanäle verfügte.Die Erfassung des winkelaufgelösten Streulichts geschah durch Digitalisierung des Videosignalsder CCD-Zeilen mithilfe einer Framegrabber-Karte (Data Translation DT 3152-LS). Die maximaleAuslesefrequenz einer CCD-Zeile betrug 115 Hz bei einer Auflösung von 8bit (256 Graustufen).

Die Ansteuerung weiterer Geräte erfolgte über eine PCI-GPIB Schnittstelle (General PurposeInterface Bus) ebenfalls von National Instruments. Dazu zählte der Kontroller zur Temperaturmes-

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42 Kapitel 4. Experimenteller Aufbau

sung und -regelung (Lakeshore 330 Temperature Controller), ein Digitaloszilloskop (LeCroy 9361)zur Erfassung des zeitlich aufgelösten Tropfenstreulichts sowie ein Digitalmultimeter von HewlettPackard (HP 34401A). Letzteres diente der präzisen Erfassung der zur Kompensation des Trop-fengewichts angelegten Gleichspannung (Millikan-Waage). Ein Vorteil der GPIB-Schnittstelle istdie parallele Verwendung verschiedener Geräte über eine einzige Schnittstelle zum Computer.Ein Nachteil besteht in der geringeren Datenübertragungsrate von maximal 1.8 MB/s.

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Kapitel 5

Brechungsindex superkritischerLösungen

5.1 Einleitung

Der komplexe Brechungsindex ist eine der wichtigsten optischen Eigenschaften flüssiger undfester Partikel in der Atmosphäre. Der Imaginärteil des Brechungsindex beinhaltet Informationenüber Absorption und inelastische Streuung elektromagnetischer Strahlung im Partikelmedium,und gibt damit Auskunft über wichtige Eigenschaften wie zum Beispiel Abstand, Mobilität, sowieSchwingungs- und Rotationsanregungen der Moleküle. Der Realteil des Brechungsindex ist di-rekt mit der Brechung und elastischen Streuung des Lichtes beim Durchlaufen der Grenzflächedes Mediums verbunden. Beide Anteile geben somit an, in welcher Art und Weise das auf einPartikel auftreffende Licht von diesem absorbiert und elastisch, bzw. auch inelastisch gestreutwird. Aus dem gestreuten Licht können viele der wichtigsten Partikeleigenschaften wie Zusam-mensetzung, Konzentration, Struktur und Aggregatzustand über eine zerstörungs- und sogar be-rührungsfreie optische Methode bestimmt werden.

Die Kenntnis des Brechungsindex ist damit eine für die atmosphärische Fernerkundung be-deutungsvolle Größe zur Charakterisierung der flüssigen Partikel in der Atmosphäre. Aber auchfür Laborexperimente ist das Wissen um die wellenlängenabhängige Brechzahl der Stoffe vonessentieller Bedeutung.

So besteht ein maßgebliches Problem bei Untersuchungen an levitierten Mikrotropfen aushygroskopischen, sowie binären, ternären oder höher-komponentigen Lösungen in der Ände-rung der Konzentration der Anteile während des Experimentes. Dies kann beispielsweise durchchemische Reaktionen eingeleitet werden, aber auch durch physikalische Vorgänge wie Gas-aufnahme, Verdampfen, Kondensation oder auch Auskristallisation einzelner Komponenten einerLösung geschehen. Auch die schon in Abschnitt 3.2 beschriebene potentiell sehr präzise Grö-ßenbestimmung eines Mikrotropfens über Auswertung des winkelaufgelösten Streulichtes hängtstark von der genauen Kenntnis des Brechungsindex ab.

Die Messung des Realteils des Brechungsindex kann auf verschiedene Arten erfolgen. Ver-wendet wird zum Beispiel die klassische refraktometrische Methode (Moreels u.a., 1984). Dabei

43

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44 Kapitel 5. Brechungsindex superkritischer Lösungen

wird entweder die Brechung oder die Totalreflektion eines Lichtstrahls an der Grenzfläche zwi-schen der Probeflüssigkeit und einem Medium mit bekanntem Brechungsindex ausgenutzt, umden Brechungsindex der Probeflüssigkeit zu bestimmen. Des Weiteren wird auch die interfero-metrische Methode angewandt (St-Arnaud, 1991; Dobbins und Peck, 1973; Richerzhagen, 1996;Carroll und Henry, 2002). Beide Methoden bedingen einen Kontakt der Probeflüssigkeit mit einerGrenzfläche zu einem Medium mit bekanntem Brechungsindex. Superkritische Lösungen, zumBeispiel stark unterkühltes Wasser, lassen sich mit diesen Methoden nur bis zu einem gewissenGrad der Unterkühlung messen. Im Fall der Messungen des Brechungsindex von Wasser vonCarroll und Henry (2002) konnten die Wasserproben nur bis zu einer Temperatur von minimal−15C vorgenommen werden, da die Grenzfläche zum festen Medium zu einem Gefrieren derProbe führte. In der Troposphäre finden sich aber auch Wolken aus Wassertropfen im flüssi-gen Aggregatzustand bei Temperaturen die unterhalb von −15C liegen (Pruppacher und Klett,1997). In sehr seltenen Fällen konnte sogar eine Unterkühlung von bis zu −40C beobachtetwerden. Zur Messung des Brechungsindex derart stark unterkühlter flüssiger Wassertropfen sollim nun folgenden Kapitel eine neue Methode unter Verwendung der Levitationstechnik vorge-stellt werden. Die vorgeschlagene Methode besitzt ihre besondere Stärke in der Kombinationaus einer schnellen und direkten Streulichtauswertung ohne zeitaufwendige Mie-Berechnungen,und der elektrodynamischen Levitation der Mikrotropfen. Sie basiert auf der Auswertung deswinkelaufgelösten Streulichtes im Bereich der Regenbögen erster und zweiter Ordnung, derenEntstehung im einzelnen Wassertropfen im folgenden Abschnitt erläutert wird.

5.2 Historisches zum Regenbogen

Der Regenbogen als Wettererscheinung in der Atmosphäre ist der Menschheit schon seit demAltertum bekannt. Einer der ersten dokumentierten Versuche einer wissenschaftlichen Erklärunggeht dabei auf Aristoteles zurück. Er erklärte die Entstehung des Regenbogens durch Reflektiondes Sonnenlichtes an einzelnen Regentropfen, die jedoch zu klein sind, um Formen zu spiegeln,und nur Farben reflektieren.

Seit Ende des 13. Jh. und den Untersuchungen des Dominikaner-Mönches Dietrich von Frei-berg ist bekannt, dass der Regenbogen durch Brechung und einfache bzw. zweifache Reflektiondes Sonnenlichtes im Inneren von Regentropfen entsteht. Abbildung 5.1 zeigt den Strahlenver-lauf monochromatischen Lichts im Tropfeninneren für verschiedene Eintrittswinkel in einen sphä-rischen Wassertropfen. Bemerkenswert ist dabei die Ausbildung eines Grenzwinkels, über denhinaus durch einfache Reflektion und Brechung kein Licht gestreut werden kann. Dies trifft fürden Fall einer einmaligen internen Reflektion (Abb. 5.1 a) ebenso zu, wie für den Fall mehrfa-cher interner Reflektionen (Abb. 5.1 b). An diesen Grenzwinkeln kommt es zur Ausbildung einerKaustik, d.h. einem Winkelbereich erhöhter Lichtintensität, den wir unter günstigen Wetterbedin-gungen als Regenbogen wahrnehmen können. Die Dispersion des Lichtes, also die wellenlän-genabhängige Brechzahl des Lichtes führt zu einem leicht unterschiedlichen Grenzwinkel der imSonnenspektrum enthaltenen Wellenlängen und damit zur Farbigkeit des Regenbogens, wie eram Himmel beobachtet werden kann.

Mit der unabhängigen und fast gleichzeitigen Entdeckung des Brechungsgesetzes im Jahre

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5.2. Historisches zum Regenbogen 45

Abbildung 5.1: Strahlenverlauf im Inneren eines Wassertropfens nach geometrischer Optik. Einfache (a)und zweifache (b) Reflexion des Lichtes im Inneres des Tropfens führen an den Grenzwin-keln zu erhöhter Lichtintensität (Kaustik) und damit zur Entstehung der Regenbögen ers-ter und zweiter Ordnung. Die Wellenlängenabhängigkeit des Brechungsindex führt dabeizu unterschiedlichen Grenzwinkeln und damit zur Farbigkeit der Regenbögen.

1618 durch Willebrord van Roijen Snell und René Descartes war auch eine erste mathematischeBeschreibung der Lichtbrechung an einer transparenten Sphäre gefunden. Für einen Eintrittswin-kel α und einer Anzahl von p internen Reflexionen kann der Austritts- bzw. Streuwinkel ϑ einesLichtstrahles nach folgender Gleichung berechnet werden:

ϑ = 2α− 2α′ + p (π − 2α′) (5.1)

Wobei α′ den Winkel innerhalb des Tropfens bezeichnet und über das Brechungsgesetz mit Hilfedes Brechungsindex n berechnet werden kann:

sinα = n sinα′ (5.2)

1637 veröffentlichte René Descartes eine Gleichung, mit der der Streuwinkel der auftretendenKaustiken der verschiedenen Regenbögen als Funktion des Brechungsindex n und der Ordnungp des Regenbogens berechnet werden kann:

ϑD (n, p) = 2

[(p + 1) · cos−1

(1

n

√1− n2 − 1

(p + 1)2 − 1

)− sin−1

(√n2 − 1

(p + 1)2 − 1

)](5.3)

Bei genaueren Untersuchungen zeigten sich allerdings Abweichungen im tatsächlichen Verhaltenund 1838 wurde die Descartes’sche Theorie von George B. Airy erweitert, indem er zusätzlichdas Huygens’sche Prinzip, die Ausbreitung gekrümmter Wellenfronten des gestreuten Lichtessowie den Radius r des Tropfens mit einbezog (Airy, 1838). Für die Position der Regenbogen-

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46 Kapitel 5. Brechungsindex superkritischer Lösungen

maxima erhielt er folgende Korrektur der Descartes’schen Formel:

ϑA (n, p, r) = ϑD +1.0845√

(n2 − 1) / (p2 − 1)·

[λ2

√1− (n2 − 1) / (p2 − 1)

64r2

]1/3

(5.4)

Die Airysche Theorie konnte nicht nur die Position des Regenbogens genauer wiedergeben, son-dern auch andere Eigenschaften der Lichtstreuung an Regentropfen erklären, wie das Auftretenweiterer Intensitätsmaxima in der Nähe der Regenbogenmaxima, den sogenannten Supernu-merischen des Regenbogens. Diese zusätzlichen Maxima kommen durch Interferenz von Licht-strahlen gleicher Ordnung, aber unterschiedlich langem Lichtweg im Tropfen jeweils nur auf einerSeite des zugehörigen Regenbogenmaximums zustande.

1 1 8 1 2 0 1 2 2 1 2 4 1 2 6 1 2 8 1 3 0 1 3 2 1 3 4 1 3 6 1 3 8 1 4 0 1 4 2 1 4 4

0 . 0

0 . 2

0 . 4

0 . 6

0 . 8

1 . 0

S u p e r -n u m e r i s c h e

S t r e u w i n k e l ( G r a d )

L o r e n z - M i e A i r y - D e b y e R e g e n b o g e n

1 . O r d n u n gS u p e r -n u m e r i s c h e

R e g e n b o g e n2 . O r d n u n g

Abbildung 5.2: Intensität des senkrecht polarisierten Streulichtes eines Tropfens mit Durchmesser vond = 70 µm und n = 1.333 berechnet nach Lorenz-Mie (rot), sowie die Positionen vonHaupt- und Nebenregenbogen nach Airy-Debye (schwarz).

Im Jahr 1908 veröffentlichte Gustav Mie eine Arbeit zur Berechnung der Lichtstreuung ansphärischen Goldpartikeln in einer kolloidalen Lösung (Mie, 1908). Seine auf der MaxwellschenTheorie der elektromagnetischen Wellen beruhende Methode kann auch auf transparente sphäri-sche Partikel angewandt werden. Die nach ihm mitbenannte Lorenz-Mie-Theorie stellt die bishergenaueste Beschreibung der Lichtstreuung an einem sphärischen Objekt dar und reproduziertalle bisher im Experiment beobachteten Details, die nicht auf quantenmechanische Effekte zu-rückzuführen sind.

Abbildung 5.2 zeigt ein mit der Lorenz-Mie-Theorie berechnetes Winkelspektrum eines imDurchmesser 70 µm großen Tropfens mit einem Brechungsindex von n = 1.333 bei einer Wellen-länge des eingestrahlten Lichts von 632.8 nm im Vergleich mit einem nach Airy-Debye berechne-ten Winkelspektrum. Als Charakteristika sind die Maxima des Regenbogens erster und zweiterOrdnung, deren Supernumerische, sowie eine überlagerte Wellenstruktur zu erkennen. Im ein-fachen Modell der Strahlenoptik kann letztere durch Interferenz aller, sowohl der in den Tropfen

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5.2. Historisches zum Regenbogen 47

eingedrungenen und dann gestreuten, als auch den an der Oberfläche des Tropfens direkt re-flektierten Lichtstrahlen erklärt werden.

Im Experiment kann das Winkelspektrum eines schwebenden flüssigen Tropfens auf einfa-che Weise gemessen werden (siehe Kapitel 4). Theoretisch ist es dann möglich, durch Vergleichder Korrelation eines gemessenen Winkelspektrums mit einem mit Hilfe der Lorenz-Mie-Theorieberechneten Winkelspektrums direkt auf Brechungsindex und Größe zurück zu schließen. DieSelbstähnlichkeit von Winkelspektren für verschiedene Paare von Brechungsindex und Größemacht diese direkte Art der Analyse von Winkelspektren allerdings sehr schwierig und zeitauf-wändig. Geringe Ungenauigkeiten in der Bestimmung des absoluten Streuwinkels im Bereicheines Zehntelgrades erschweren die Auswertung zusätzlich.

Auch ausgefeilte Simplex-Algorithmen zur Bestimmung eines Paares (n,d) mit Hilfe der Kor-relationsmethode führen selbst bei Verwendung eines berechneten Winkelspektrums als Aus-gangspunkt oft nur mit korrigierendem Eingriff des Benutzers zu den Ausgangsparametern alsErgebnis, da sich die Methode oft in den selbstähnlichen Winkelspektren mit hoher Korrelationzum Ausgangsspektrum verläuft.

1 . 3 2 1 . 3 4 1 . 3 6 1 . 3 8 1 . 4 0 1 . 4 2 1 . 4 4 1 . 4 6 1 . 4 8 1 . 5 09 0

1 0 0

1 1 0

1 2 0

1 3 0

1 4 0

1 5 0

1 6 0

B r e c h u n g s i n d e x

R e g e n b o g e n 1 . O r d n u n g

R e g e n b o g e n 2 . O r d n u n g

0

1

Abbildung 5.3: Intensität des winkelaufgelösten Streulichts im Bereich der Regenbögen erster und zwei-ter Ordnung bei einer Tropfengröße von d = 50 µm aufgetragen als Funktion des Bre-chungsindex.

Im Folgenden soll nun eine Methode beschrieben werden, mit der es möglich ist, den Bre-chungsindex des levitierten Tropfens auf einfache und schnelle Art und Weise zu bestimmen.Dazu soll die bekannte Eigenschaft der Farbigkeit des Regenbogen ausgenutzt werden, die in derDispersion, also der Wellenlängenabhängigkeit des Brechungsindex begründet liegt. Abbildung5.3 zeigt zur Anschauung die Intensität des Streulichts als Funktion des Streuwinkels (Ordinate),sowie als Funktion des Brechungsindex des Tropfens (Abszisse). Die Intensität des Streulichtsist dabei in Farbwerten dargestellt, welche niedrige Intensitäten in Schwarz und Blau und hoheIntensitäten in Orange und Weiß wiedergeben. Zu erkennen ist im oberen Bereich der Grafik

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48 Kapitel 5. Brechungsindex superkritischer Lösungen

das Maximum des Regenbogens erster Ordnung und, zu größeren Streuwinkeln verschoben, diezugehörigen Supernumerischen. Im unteren Bereich der Grafik ist das Maximum des Regenbo-gens zweiter Ordnung und darunterliegend die entsprechenden Supernumerischen zu erkennen.Bemerkenswert in dieser Darstellung ist das Anwachsen des Winkelabstandes zwischen Regen-bogen erster und zweiter Ordnung mit steigendem Brechungsindex. Aus einer Messung der Diffe-renz des Winkelabstandes der Maxima kann der Brechungsindex der Flüssigkeit direkt bestimmtwerden. Die Winkelpositionen der Maxima können mit einer geschätzten absoluten Genauigkeitvon 0.1 Grad bestimmt werden. Damit kann theoretisch aus der Messung des Winkelabstandeseine absolute Genauigkeit des Brechungsindex von ca. ∆n ≈ 3 · 10−4 erreicht werden.

9 0 1 0 0 1 1 0 1 2 0 1 3 0 1 4 0 1 5 0 1 6 0

S t r e u w i n k e l ( G r a d )

( b )

( a )

( c )

W a s s e rT = 2 6 0 Kn = 1 . 3 2 9 8 ( 5 )

Abbildung 5.4: Winkelspektren eines flüssigen, levitierten Wassertropfens bei einer Temperatur von260 K: (a) ungemittelt, (b) während des Verdampfens gemittelt, (c) im Bereich der Haupt-maxima des Regenbogens erster und zweiter Ordnung angefittete Doppelpeakfunktion.Kurven b) und c) sind der Übersicht halber nach oben verschoben dargestellt.

Die komplexe Struktur der Winkelspektren in der Mie-Streuung erschwert allerdings die Be-stimmung der exakten Position der Regenbogenmaxima. Für eine schnelle Bestimmung der Posi-tion der Hauptmaxima der Regenbögen aus den Winkelspektren werden die zeitlich aufeinander-folgenden Winkelspektren eines verdampfenden Tropfens winkelrichtig integriert, d.h. für jedenStreuwinkel wird die gemessene Streuintensität aller Winkelspektren aufsummiert und als neuerDatenpunkt für das integrierte Winkelspektrum verwendet. Dabei bleibt die für den Brechungs-index relevante Information im Winkelspektrum auf Kosten der sich während des Verdampfensändernden Feinstruktur der Spektren erhalten.

Abbildung 5.4 (a) zeigt ein einzelnes gemessenes Winkelspektrum eines in der Paulfalle levi-tierten und verdampfenden Wassertropfens. Während der Tropfen langsam über einen Größen-bereich von ∆r ≈ 0.25 µm verdampfte wurden die Winkelspektren kontinuierlich aufgezeichnetund winkelrichtig gemittelt. Das Ergebnis der Mittelung ist in Abbildung 5.4 (b) dargestellt. DieFeinstruktur der einzelnen Spektren ist verschwunden und das gemittelte Winkelspektrum ähnelt

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5.3. Die Doppelpeakfunktion 49

in erster Näherung der von Airy-Debye angegebenen Funktion (siehe Abbildung 5.2), entsprichtihr aber nicht ganz. Um aus diesem geglätteten aber immer noch leicht verrauschten Winkel-spektrum den Brechungsindex zu bestimmen, wird eine möglichst passende Fitfunktion benötigt,welche im folgenden Abschnitt vorgestellt wird.

5.3 Die Doppelpeakfunktion

Die leicht asymmetrische Form der Regenbogenpeaks ließ sich am vorteilhaftesten mit Hilfe einermodifizierten biexponentiellen Gumpel-Verteilungsfunktion (Evans u.a., 2000) beschreiben:

I (ϑ) = I0 + A1 · exp[−2 · exp

(−ϑ− ϑc1

ω1

)− 2

ϑ− ϑc1

ω1+ 2

]+ A2 · exp

[−exp

(−ϑ− ϑc2

ω2

)− ϑ− ϑc2

ω2+ 1

](5.5)

I (ϑ) ist dabei eine Funktion von sieben freien Parametern; einem winkelunabhängigen Unter-grund I0, den Amplituden der Peaks A1,2, den Winkeln der Peakmaxima ϑc1,c2 und den Breitenω1,2 der Peaks. Zur Bestimmung des Brechungsindex wurden die gemessenen Winkelspektrengemittelt, d.h. eine zeitliche Abfolge von Spektren aufsummiert und normiert. Die Anzahl derSpektren über die sich die Mittelung erstreckt wurde so gewählt, dass die Feinstruktur in denSpektren verschwand. Eine Simulation mit berechneten Spektren ergab, dass dies einer Mitte-lung über eine Größenänderung im Radius von annähernd 0.25 µm entspricht.

An die gemittelten Spektren wurde im letzten Schritt die Doppelpeakfunktion angepasst (Ab-bildung 5.4) (c). Um aus den so gewonnenen Fit-Parametern den Brechungsindex zu bestimmenwurde ein im Folgenden beschriebener Inversionsalgorithmus angewandt.

5.4 Der Inversionsalgorithmus

Mit der in den vorigen Abschnitten beschriebenen Methode lassen sich im Experiment die Fitpa-rameter ϑc1,c2 und ω1,2 als Zwischenergebnis aus den Winkelspektren gewinnen. Aufgabe ist esnun aus diesen Parametern den Brechungsindex zu berechnen. Dazu wurden in einer einmali-gen Vorarbeit 10000 Winkelspektren verdampfender Tropfen mithilfe der Theorie für verschiede-ne Brechungsindizes (n = 1.32 ... 1.43) und Tropfenradien (r = 15 ... 60 µm) berechnet. Zu jedemBrechungsindex nx wurden jeweils 25 Winkelspektren im Intervall [ry − 0.125 µm, ry + 0.125 µm]

berechnet, winkelrichtig gemittelt, und die Doppelpeakfunktion an das erhaltene Winkelspektrumangefittet. Dieser Vorgang wurde für alle 10000 Winkelspektren wiederholt und so zu jedem Wer-tepaar (nx , ry ) die Fitparameter bestimmt. Die erhaltenen Datensätze wurden dann dazu verwen-det, eine Bestimmungsgleichung für Brechungsindex und Tropfenradius aufzustellen. Dazu wur-de angenommen, dass sich Brechungsindex und Tropfenradius als Funktion der neu definiertenVariablen Peakabstand 4ϑ = |ϑc1 − ϑc2| und mittlere Peakbreite ω = (|ω1|+ |ω2|) /2 darstellen

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50 Kapitel 5. Brechungsindex superkritischer Lösungen

lassen. Dabei erwiesen sich folgende Polynome zweiter Ordnung als ausreichend:

n = n0 + n1ϑ · 4ϑ+ n2ϑ · 4ϑ2 + n1ω · ω + n2ω · ω2 (5.6)

r = r0 + r1ϑ · 4ϑ+ r2ϑ · 4ϑ2 + r1ω · ω + r2ω · ω2 (5.7)

Über die Methode der Einzelwertzerlegung (im Englischen auch „Singular Value Decomposition“- SVD) konnten aus den Datensätzen die optimalen Koeffizienten in den Gleichungen bestimmtwerden. Die Ergebnisse sind in Tabelle 5.1 aufgelistet. Mit Hilfe der optimalen Koeffizienten und

Koeffizient Optimaler Wert Koeffizient Optimaler Wert (µm)

n0 1.31345 r0 128.4

n1ϑ 2.246 · 10−3 r1ϑ −0.139

n2ϑ −8.41 · 10−6 r2ϑ −9.2 · 10−4

n1ω −7.16 · 10−3 r1ω −60.6

n2ω 4.34 · 10−4 r2ω 8.63

Tabelle 5.1: Optimale Koeffizienten der Inversionspolynome (Glgn. 5.6 u. 5.7) zur Bestimmung von Radiusr und Brechungsindex n. Die Werte wurden für die Bereiche von r = 15 ... 60 µm und n =1.32 ... 1.43 ermittelt.

der Inversionspolynome 5.6 und 5.7 kann aus der Messung eines gemittelten Winkelspektrumsdurch Anfitten der Doppelpeakfunktion der Brechungsindex des Tropfens berechnet werden.

Die mittlere quadratische Abweichung (MSE) der ursprünglichen exakten Werte (nx , ry ) desDatensatzes und der über die Inversionspolynome berechneten Best-Fit Werte für alle 10000Datensätze betrug für den Brechungsindex MSE(n) = 1.0 · 10−7 und für den TropfenradiusMSE(r) = 2.4. Die Methode ist also wesentlich besser zur Messung des Brechungsindex alszur Messung der Tropfengröße geeignet.

5.5 Experimenteller Aufbau

Zur Aufnahme des winkelaufgelösten Streulichts über einen recht großen Winkelbereich von ca.88 bis 161 Grad waren einige Modifikationen des generellen experimentellen Aufbaus notwendig,die in diesem Abschnitt erläutert werden. Vakuumkammer, Tropfeninjektor, automatische Höhen-kontrolle, sowie die Geräte zur elektrischen Ansteuerung der Falle wurden nicht verändert. Wich-tigste Modifikation war die Verwendung der Paulfalle des Regenbogentyps, wie sie im Abschnitt4.1 vorgestellt wurde (siehe auch Abbildung 4.2). Bei dieser Falle wurde auf insgesamt vier derseitlichen optischen Öffnungen zugunsten zweier flacher Schlitze verzichtet, um das Streulichtüber den gewünschten Winkelbereich auf zwei lineare CCD-Detektoren (Sony ILX511, 2048 Pi-xel à 14 µm x 200 µm) abzubilden. Das Videosignal der linearen CCD-Detektoren wurde mithilfeeiner Framegrabberkarte (Data Translation DT3152-LS) digitalisiert.

Das elektrische Feld in der Paulfalle wurde durch die 1 mm hohen Schlitze in den Elektrodennur geringfügig gestört. Es zeigte sich, dass sich die Eigenschaften der Paulfalle des Regenbo-gentyps hinsichtlich des Einfangens und dauerhaften Speicherns geladener Wassertropfen kaumvon denen der Paulfalle des Achteck-Typs unterscheiden. Auch die thermische Homogenität der

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5.5. Experimenteller Aufbau 51

Falle konnte in einem Vorexperiment gezeigt werden und entspricht in etwa den gleichen Eigen-schaften, wie sie auch für die Achteck-Falle gemessen wurden.

5.5.1 Streugeometrie und Kalibrierung relativer Streuwinkel

Wichtigste Eigenschaft der Paulfalle des Regenbogentyps ist ihre veränderte Streugeometrie,deren hauptsächliche Elemente symbolisch in Abbildung 5.5 dargestellt sind. Dargestellt sind

123.6

α

α)

Abbildung 5.5: Geometrie der optischen Abbildung in der Paulfalle des Regenbogentyps.

der Laserstrahl, ein Tropfen als Streuzentrum und die lichtempfindlichen Sensorelemente derlinearen CCD-Detektoren. Bei einem Teil der Experimente befand sich die vom Hersteller zumSchutz der Sensoren angebrachte Glasabdeckung über dem Detektor, wie sie ebenfalls in derAbbildung dargestellt ist. Diese Abdeckung erwies sich im Verlauf der Experimente allerdings alsunnötig, und wurde zu einem späteren Zeitpunkt entfernt. Bei sorgfältiger Handhabung der CCD-Zeile, insbesondere beim Einbau in die Falle, wurde die Funktion des Detektors durch Entfernender Glasabdeckung in keiner Weise beeinträchtigt.

Durch den geringen Abstand von Detektor und Tropfen, sowie der Länge des CCD-Detektorsin der Streuebene muss die lineare Geometrie des CCD-Detektors bei der Auswertung des ge-messenen Streulichts unbedingt berücksichtigt werden. Folgende Punkte müssen bei der Aus-wertung eines gemessenen Winkelspektrums beachtet werden:

1. Die Zuordnung eines Streuwinkels zu einer Position yi eines Sensorelements (Pixel) desCCD-Detektors ist eine nichtlineare Funktion des von der Mitte des Sensors an gezähltenPixelindexes i . Für den Fall eines Detektors mit Glasabdeckung muss auch die Ablenkungdes Streulichtes durch Brechung im Abdeckglas (Brechungsindex nβ = 1.5) berücksichtigtwerden. Aus dem Abstand des Detektors zum Fallenzentrum (a = [18.1 + 1.2] mm) und derDicke der Glasabdeckung (d = 0.8 mm) kann die zu einem Abbildungswinkel αi gehörigePosition y (αi ) berechnet werden:

y (α) = a · tan (α) + d · tan [arcsin (sin (α) /nβ)] (5.8)

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52 Kapitel 5. Brechungsindex superkritischer Lösungen

Wird die Glasabdeckung entfernt, so vereinfacht sich diese Gleichung unter Berücksichti-gung des verringerten Abstandes zwischen Tropfen und Detektor zu:

y (α) = a · tan (α) (5.9)

Gleichungen 5.8 und 5.9 sind monotone Funktionen des Abbildungswinkels α und könnennumerisch leicht invertiert werden. Unter Berücksichtigung des Abstandes der einzelnenSensorelemente von b = 1.4 · 10−2 mm kann damit jedem Bildpunkt mit Index i ein entspre-chender Streuwinkel αi = α (yi ) = α (b · i) zugeordnet werden.

2. Desweiteren muss berücksichtigt werden, dass bei der optischen Abbildung auf die außenliegenden Pixel ein geringerer Winkelbereich entfällt, als auf die in der Mitte der Zeile ge-legenen Pixel. Die Intensität der aufgenommenen Spektren muss daher korrigiert werden,um sie später mit berechneten Winkelspektren bzw. mit der an berechnete Winkelspektrenangepassten Doppelpeakfunktion vergleichen zu können. Die dafür erforderliche Korrekturlässt sich aus der Geometrie ableiten. Die auf den Detektor pro Bildpunkt i auftreffende In-tensität Ii ist proportional zum Winkelbereich, der auf einen Pixel abgebildet wird. Normiertman Ii auf die im Zentrum der Zeile pro Bildpunkt auftreffende Intensität I0, so erhält manim Kehrwert den Korrekturfaktor fi für den Intensitätswert eines Bildpunktes.

fi =

(IiI0

)−1

=

∣∣∣∣∣αi+1/2 − αi−1/2

2(α1/2 − α0

) ∣∣∣∣∣−1

(5.10)

Da sich die Geometrie der Abbildung nicht verändert reicht eine einmalige Berechnung derKorrekturfaktoren fi aus. Die tatsächliche Intensität ergibt sich aus den gemessenen Wertendurch eine einfache Multiplikation mit fi .

Mit den beiden beschriebenen Schritten wurden die geometrischen Gegebenheiten des Aufbausund ihr Einfluss auf die gemessenen Winkelspektren berücksichtigt. Im tatsächlichen Experimentwurde zusätzlich noch störendes Hintergrundstreulicht beobachtet. Dieses zusätzliche Streulichtverhinderte eine akkurate Anpassung der Doppel-Peak-Funktion und musste zuerst aus den ge-messenen Winkelspektren entfernt werden. Im folgenden Abschnitt soll dargelegt werden, wiedie Winkelspektren von störendem Streulicht bereinigt wurden, und welche Punkte innerhalb derFalle als Quelle des Streulichts identifiziert werden konnten.

5.6 Aufbereitung der Streuspektren

Abbildung 5.6 (a)(blaue Kurve) zeigt ein gemessenes Winkelspektrum eines flüssigen Wasser-tropfens bei einer Temperatur von −25.9C. Das Spektrum wurde wie im vorigen Abschnitt be-schrieben in der Intensität korrigiert und auf eine lineare Winkelachse skaliert. Für eine korrekteAnpassung der Doppel-Peak-Funktion muss dieses Spektrum noch um das von drei verschiede-nen Quellen stammende unerwünschte Streulicht bereinigt werden. Dies geschah in folgendendrei Schritten:

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5.6. Aufbereitung der Streuspektren 53

! " " # $

% & ' ( ) *

& + '

' ' ) &

+ ' , ( $

Abbildung 5.6: Schrittweise Korrektur der Winkelspektren.(a) Hintergrundspektrum (leere Falle) sowie intensitäts- und winkelkalibriertes Mess-Spektrum eines flüssigen Wassertropfens bei einer Temperatur von −25.9C. Der Bild-ausschnitt auf der linken Seite zeigt den Ursprung des unerwünschten Hintergrundes alsStreulicht vom Laserstrahl beim Durchgang durch die Austrittsöffnung.(b) Mess-Spektrum mit abgezogenem Hintergrund und Untergrundkurve. linke Seite:Quelle des Untergrundes ist von den Elektroden auf den Detektor reflektiertes Tropfen-streulicht.(c) Mess-Spektrum mit subtrahiertem Untergrund und zum Vergleich ein mit Mie-Theorieberechnetes und an das Mess-Spektrum angepasstes Winkelspektrum. Die Abweichungin der Intensität im Winkelspektrum bei einem Streuwinkel von ca. 134.5 Grad entstehtdurch einen direkten Reflex des Tropfenstreulichtes von der gegenüber der CCD-Zeilebefindlichen Optik.

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54 Kapitel 5. Brechungsindex superkritischer Lösungen

1. Wie in der Grafik auf der linken Seite von Abbildung 5.6 (a) angedeutet wird beim Ein- undvor allem beim Austritt des Laserstrahls (in Rot) Licht an den Kanten der Bohrungen fürden Laserstrahl in der Mittelelektrode gestreut (Streulicht in Blau). Der Schwerpunkt diesesHintergrundstreulichts ist zu größeren Streuwinkeln verschoben und kann durch einfacheSubtraktion des, jeweils vor dem Einfangen eines neuen Tropfens aufgenommenen, Hinter-grundstreulichts aus dem Spektrum entfernt werden.

2. Befindet sich ein levitierter Tropfen in der Falle, so streut dieser das einfallende Laserlichtnicht nur in Richtung der CCD-Zeile, sondern in alle Raumrichtungen. Wie in Abbildung5.6 (b) skizziert dargestellt, kann das Tropfenstreulicht auch indirekt über Reflektion an denElektroden der Falle auf den Detektor gelangen und zu einer Erhöhung der detektiertenStreuintensität führen. Die Winkelcharakteristik des Tropfenstreulichts und die Geometrieder Öffnungen in der Falle führen auch hier zu einer erhöhten Streuintensität im Bereichgrößerer Streuwinkel. Zum Entfernen dieses Untergrundes wird eine polygone Grundliniedurch die Minima der Supernumerischen des Regenbogens erster und zweiter Ordnungangepasst und anschließend vom Spektrum abgezogen.

3. Zusätzlich trat ein Reflex des Tropfenstreulichts bei einem Winkel von ca. 134.5 Grad auf(siehe Abb. 5.6 (c)). Dieser Reflex stammt vermutlich von der dem Detektor gegenüberlie-genden Achromat-Linse bzw. von dem darauf folgenden planaren Fenster der Vakuumkam-mer. Für die weitere Auswertung des Winkelspektrums wurde ein schmaler Winkelbereichum diesen Reflex vom Fit-Prozess ausgespart.

Das durch diese Schritte vom unerwünschten Streulicht bereinigte Spektrum ist in Abbildung5.6 (c) zu sehen. Die Korrekturen sind essentiell notwendig für die präzise Bestimmung desBrechungsindex, da wie schon in der Einleitung des Kapitels beschrieben der Brechungsindexsehr stark von der Position der Regenbogen-Maxima abhängig und anfällig für systematischeFehler ist. Nach erfolgter Korrektur der Winkelspektren kann die Doppel-Peak-Funktion (Glg. 5.5)angefittet werden. Mit den erhaltenen Fitparametern und den Gleichungen 5.6 und 5.7 lassensich nun Radius und Brechungsindex des levitierten Tropfens bestimmen.

5.7 Ergebnisse

Mit der in diesem Kapitel beschriebenen Methode wurden Wassertropfen mit einem Durchmes-ser von annähernd 100 µm in der Paulfalle levitiert und ihr Brechungsindex im Temperaturbereichvon 237 K bis 293 K gemessen, wobei soweit bekannt erstmals der Bereich unterhalb von 258 K

erschlossen wurde. Die Ergebnisse der Messungen sind in Abbildung 5.7 dargestellt. Die Ergeb-nisse stimmen im Temperaturbereich oberhalb von 258 K gut mit Messwerten aus der Literaturüberein und erweitern den Bereich darüber hinaus bis 237 K. Die vorgestellte Methode hat sichdamit als schnell und effizient zur Bestimmung des Brechungsindex sphärischer Partikel, insbe-sondere unterkühlter und übersättigter Lösungstropfen erwiesen. Die beschriebenen Korrektur-schritte können mit momentan erhältlicher Rechentechnik direkt und ohne zusätzlichen Eingriffdes Experimentators ausgeführt werden, so dass eine Berechnung des Brechungsindex währenddes Experiments in Echtzeit möglich ist.

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5.7. Ergebnisse 55

-40 -20 0 20 40 60 80

1.318

1.320

1.322

1.324

1.326

1.328

1.330

1.332

1.334

eigene Messungen Handbook of Chemistry & Physics Carroll and Henry, 2002

Temperatur (°C )B

rech

ungs

inde

x

240 260 280 300 320 340 360

Temperatur (K)

Abbildung 5.7: Brechungsindex von Wasser gemessen im Bereich zwischen 237 K und 365 K. gefüllteQuadrate: diese Arbeit, offene Kreise: Referenz Carroll und Henry (2002), offene Qua-drate: Referenz Lide (2001)

5.7.1 Ausblick

Oberhalb der Raumtemperatur sind Messungen an reinen Wassertropfen mit der gewählten Me-thode schwieriger, da die Verdampfungsgeschwindigkeit der Tropfen die Aufnahmefrequenz desCCD-Detektors überschreitet, so dass für eine Mittelung nicht mehr ausreichend Winkelspektrenaufgenommen werden können, während der Tropfen über einen Durchmesserbereich von 0.5 µm

verdampft. Durch geeignete Wahl der Luftfeuchte in der Paulfalle kann die Verdampfungsge-schwindigkeit des Tropfens gesenkt und damit auch für höhere Temperaturen optimiert werden.

Unterhalb von 237 K verhinderte das Gefrieren der Tropfen durch die einsetzende homoge-ne Nukleation weitere Messungen. Da sich die Nukleationsrate proportional zum Volumen desTropfens verhält würde eine Verringerung der Tropfengröße den Temperaturbereich auch zu nied-rigeren Temperaturen noch geringfügig erweitern. Die Tropfengröße kann aber nicht beliebig ver-kleinert werden, da mit sinkendem Tropfenradius auch die Streulichtintensität abnimmt (I ∝ r2).

Der im Experiment abgedeckte Bereich des Brechungsindex von n = 1.32−1.43 ist einerseitsdurch die Überschneidung der Regenbögen erster und zweiter Ordnung und andererseits durchden auf den CCD-Detektoren abgebildeten Winkelbereich des Streulichts begrenzt (siehe Abb.5.3). Durch eine modifizierte Anordnung der CCD-Detektoren, kann dieser Winkelbereich auchauf einen anderen Bereich des Brechungsindex abgestimmt werden. Geringfügige Änderungender Streuwinkel unter denen die Regenbögen erster und zweiter Ordnung auftreten sind durchdie Verwendung einer anderen Laserwellenlänge möglich.

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Kapitel 6

Gefrierverhalten stark unterkühlterWolkentropfen

6.1 Einleitung

Eine eher überraschende Eigenschaft der Wolken in der Atmosphäre ist, dass das in den Wolkenenthaltene Wasser oft in unterkühlter, flüssiger Form vorliegt und das auch weit unterhalb derthermodynamischen Gleichgewichts-Schmelztemperatur (Sassen und Dodd, 1988; Heymsfieldund Sabin, 1989). Wolken aus flüssigen Wassertropfen können in der Atmosphäre bis zu einerUnterkühlung von −36C beobachtet werden, es wurde sogar schon flüssiges Wasser bei einerTemperatur von −40C registriert (Heymsfield und Miloshevich, 1993). Solche starken Unterküh-lungen sind allerdings selten, da die Wahrscheinlichkeit des Gefrierens eines flüssigen Tropfensmit sinkender Temperatur stark zunimmt. Da es sich beim Gefrieren um einen statistischen Pro-zess handelt, ist es letztendlich nur eine Frage der Zeit, bis bei einer gegebenen Unterkühlungdie Nukleation eines flüssigen Wassertropfens erfolgt. In der Atmosphäre wird das Gefrieren derTropfen in den meisten Fällen heterogen, d.h. durch Fremdkeime ausgelöst (Vali, 1996). DieseKeime können sich entweder schon in den Tropfen befinden (Immersionsgefrieren), oder durchKollision in Kontakt mit der Oberfläche des Tropfen gelangen und dabei die Nukleation auslösen(Kontaktnukleation). Die homogene Nukleation, d.h. das Gefrieren der Tropfen ohne Fremdkeime,spielt bei niedrigen Unterkühlungen nur eine untergeordnete Rolle. Im Bereich starker Unterküh-lungen stellt die homogene Nukleation allerdings die Grenze für die maximale Unterkühlbarkeitflüssigen Wassers dar. Die Zahl möglicher Fremdkeime die zu heterogener Nukleation führenkönnen nimmt mit steigender Höhe stark ab, so dass vor allem bei hohen Cirrus- und polarenstratosphärischen Wolken, sowie bei stark konvektiven tropischen Gewitterwolken die homogeneNukleation einen nicht zu vernachlässigenden Beitrag darstellt.

Die homogene Nukleation unterkühlten Wassers ist deshalb schon seit geraumer Zeit Gegen-stand wissenschaftlicher Untersuchungen. So wurde das homogene Gefrieren stark unterkühlterflüssiger Tropfen in Laborexperimenten unter Verwendung von Emulsionen (Taborek, 1985), inWolkenkammern von (DeMott und Rogers, 1990; Benz u.a., 2005), in Tropfenketten (Wood u.a.,2002) und in Experimenten an einzeln-levitierten Tropfen (Krämer u.a., 1996, 1999; Stöckel u.a.,

56

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6.2. Homogene Nukleation und klassische Nukleationstheorie 57

2002, 2005) untersucht. In diesen Experimenten wurden Tropfen mit einem Durchmesser von3 µm bis 300 µm untersucht und die erhaltenen Ergebnisse nach der klassischen Nukleations-theorie einer Volumen-proportionalen Nukleationsrate interpretiert.

Die Gültigkeit der klassischen Nukleationstheorie ist bereits in Hinsicht auf ihre Übereinstim-mung mit den bisher gewonnenen Messdaten und angewandten Methoden von Pruppacher undKlett (1997) und Koop (2004) untersucht worden. Besonders auch seit molekulardynamischenRechnungen von Matsumoto u.a. (2002) wird die klassische Nukleationstheorie, die bei der Bil-dung des kritischen Keimes allein auf den makroskopischen Eigenschaften des Wassers beruht,kritisch betrachtet. Bei Untersuchung der bekannten Messdaten zur homogenen Nukleation wur-de von Tabazadeh u.a. (2002b) die These aufgestellt, dass zumindest für kleine Tropfen dieOberfläche des Tropfens aufgrund der Phasengrenze zur Luft für die Bildung der kritischen Kei-me begünstigt ist. Zur Untersuchung dieser These würde es ausreichen, bei konstanter Tempera-tur die Nukleationsrate unterkühlter Wassertropfen unterschiedlichen Durchmessers zu messen,und miteinander zu vergleichen. Folgt die Nukleationsrate der klassischen Nukleationstheorie, somüsste sie mit der dritten Potenz des Tropfendurchmessers skalieren. Eine Abweichung von die-sem klassischen Ergebnis könnte dann als Oberflächen-aktivierte Nukleationsrate interpretiertwerden, welche nur mit der zweiten Potenz des Tropfendurchmessers skalieren würde.

Zur Klärung dieser Fragestellung sind Präzisionsexperimente zur homogenen Nukleation not-wendig, welche einen möglichen Einfluss der Oberfläche aufzeigen können. Im folgenden Kapi-tel soll ein derartiges Experiment an einzeln-levitierten Mikrotropfen in einer gekühlten Paulfallebeschrieben werden. In diesem Experiment wurden einzelne schwach geladene Wassertropfenin den elektrodynamischen Levitator eingebracht und ihre Gefrierzeit gemessen. Dies geschahfür zwei verschiedene Tropfengrößen, um über das unterschiedliche Volumen- zu Oberflächen-Verhältnis eine Aussage über den Einfluss der Oberflächenschicht machen zu können.

Für das Verständnis der Art und Weise des durchgeführten Experiments und der physikali-schen Hintergründe der Auswertung wird im folgenden Abschnitt ein kurzer Abriss über die Theo-rie der homogenen Nukleation gegeben. Daran anschließend folgt eine Erweiterung der Statistikdes Gefrierens einzelner unterkühlter Wassertropfen, bevor im Abschluss das Experiment unddie Ergebnisse präsentiert werden.

6.2 Homogene Nukleation und klassische Nukleationstheorie

Die klassische Nukleationstheorie geht von der Annahme aus, dass das Gefrieren einer unter-kühlten Flüssigkeit über die Bildung eines Keimes einer bestimmten kritischen Größe im Volumender Flüssigkeit erfolgt. Nach der Bildung des kritischen Keimes ist der Gefrierprozess eingelei-tet, wobei der fortschreitende Übergang zur festen Eisphase dann nur noch von der Energetik,d.h. vom Grad der Unterkühlung und den thermodynamischen Eigenschaften der Flüssigkeit be-stimmt wird. Die Berechnung der kritischen Keimgröße soll in diesem Abschnitt skizziert werdenund kann detaillierter zum Beispiel bei Kelton (1991) nachgelesen werden. Die Ausführungendieses Abschnittes orientieren sich nach der Darstellung von Stöckel (2001).

Die Vorstellung der klassischen Nukleationstheorie geht von einem Modell aus, in welchemsich aus i Molekülen der metastabilen, in diesem Fall der unterkühlten, flüssigen Phase in einer

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58 Kapitel 6. Gefrierverhalten stark unterkühlter Wolkentropfen

Reaktion ein Cluster Ci der thermodynamisch stabilen Phase bildet:

i · C Gi←→ Ci (6.1)

Zwei verschiedene Anteile bestimmen die Energetik dieser Reaktion. Dabei handelt es sich ei-nerseits um die chemische Potentialdifferenz pro Molekül zwischen der flüssigen und der festenPhase 4µfl ,f und zum anderen um die Grenzflächenenergie σfl ,f , die durch die neu erzeugtePhasengrenzfläche zwischen dem Cluster und der umgebenden Flüssigkeit entstanden ist. DieFreie Bildungsenthalpie der Reaktion beträgt als Funktion der Clustergröße:

Gi = 4µfl ,f · i + γσfl ,f · i2/3 (6.2)

Die Potentialdifferenz4µfl ,f ist für jede Anzahl von Molekülen im Cluster eine negative Größe, dader Übergang zur festen und damit thermodynamisch stabileren Phase per Definition im Zustandder Unterkühlung begünstigt sein muss. Die durch Zusammenschluss von Molekülen zu einemCluster aus der Potentialdifferenz frei werdende Energie ist nach diesem Modell proportional zurAnzahl der Moleküle i und damit Volumen-proportional. Die Bildung der Phasengrenze erfordertdagegen nicht nur Energie, sie skaliert auch mit der Fläche des gebildeten Clusters.Die thermodynamische Triebkraft für weiteres Wachstum bzw. Zerfall des Clusters ergibt sichdurch Differentiation aus der freien Bildungsenthalpie:

− dGi

di= −4µfl ,f −

2γσfl ,f

3· i−1/3 (6.3)

Abbildung 6.1 zeigt den Graphen von Gi als Funktion der Clustergröße i . Die Bildungsenthalpie

γσ

Abbildung 6.1: Freie Bildungsenthalpie Gi als Funktion der Clustergröße i .

Gi besitzt ein Maximum für eine Clustergröße g . Der Anstieg des Graphen ist für Molekülzah-len i > g negativ. Die thermodynamische Triebkraft −dGi/di für weiteres Wachstum bzw. Zerfalldes Clusters wird damit positiv und bedeutet ein weiteres Wachstum des Clusters durch Anlage-rung weiterer Moleküle, wogegen Cluster geringerer Molekülanzahl (i < g ) wieder zerfallen bzw.

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6.3. Statistik der homogenen Nukleation 59

schrumpfen. Bei Clustern der Größe g spricht man damit vom kritischen Keim, Nukleus oderauch kritischen Cluster.

Für die Dynamik der Nukleation muss bei der homogenen Eisnukleation, im Gegensatz zurNukleation aus der Gas- in die flüssige Phase, die Aktivierungsenthalpie 4G ‡1 beachtet werden.Die Aktivierungsenthalpie stellt sich als eine Energiebarriere dar, die ein Molekül zusätzlich über-winden muss, wenn es sich aus Bindungen der flüssigen Phase löst und in die Bindungen derfesten Phase eingliedert. Dies ist ein Unterschied im Vergleich zur Nukleation aus der Gasphase,da in letzterer die Moleküle als unabhängig voneinander angesehen werden können, wogegen inder flüssigen Phase insbesondere beim Wasser selten ungebundene Moleküle vorhanden sind.Die Freie Aktivierungsenthalpie steigt mit sinkender Temperatur (kompensiert also das Absin-ken der Differenz der chemischen Potentiale 4µfl ,f ). Für Temperaturen von T < 243 K sinkt siedagegen stark ab und führt damit gleichzeitig zu einer stark ansteigenden Clusterbildungsrate.

Mit Hilfe der Bildungs- und der Aktivierungsenthalpie kann eine Größenverteilung der Clusterin der Flüssigkeit im thermodynamischen Gleichgewicht berechnet werden. Diese folgt annä-hernd einer Boltzmann-Verteilung. Für stark und in kurzer Zeit unterkühlte Flüssigkeiten kannkeine Gleichgewichts-Größenverteilung der Cluster angenommen werden, da Cluster über derkritischen Größe g sofort zu einem Gefrieren des Tropfens führen würden. Es muss also voneinem Nicht-Gleichgewicht ausgegangen werden. Berechnet man nun die Rate, mit welcher indiesem System Cluster der kritischen Größe gebildet werden, so können wir diese Rate mit derNukleationsrate ω identifizieren.

6.3 Statistik der homogenen Nukleation

Wie bereits festgestellt handelt es sich bei der homogenen Nukleation um einen statistischenProzess. Dies bedeutet, dass wichtige Kenngrößen wie in diesem Falle die Nukleationsrate aufGrundlage ursprünglicher Verteilungen und der Mittelung der Messwerte beruhen. Im Falle derBestimmung der Nukleationsrate unterkühlter Wassertropfen ist es damit nicht ausreichend, dasGefrieren eines einzelnen Tropfens zu beobachten. Erst die Auswertung einer großen Anzahlvon Gefrierereignissen ermöglicht eine den Ansprüchen genügende Aussage über die Gefrier-wahrscheinlichkeit. Im folgenden soll nun dargelegt werden, in welcher Art und Weise aus derBeobachtung des Gefrierens einer Anzahl von Wassertropfen auf die Nukleationsrate geschlos-sen werden kann.

Abbildung 6.2: Aufteilung eines Volumens V in ein Ensemble kleinster Einheiten dV .

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60 Kapitel 6. Gefrierverhalten stark unterkühlter Wolkentropfen

Betrachten wir dazu vorerst das Volumen V eines einzelnen Wassertropfens, welches wiruns in N Volumenelemente dV aufgeteilt denken können (siehe Abbildung 6.2). Innerhalb derBeobachtungszeit t soll jedes Volumenelement dV mit der Wahrscheinlichkeit p Ursprung einesNukleationskeims werden können. Die Wahrscheinlichkeit P, in der Zeit t genau k Keime beob-achten zu können wird in diesem Fall durch die Binominalverteilung wiedergegeben:

Pk (N) =

(N

k

)pk (1− p)N−k (6.4)

Diese Verteilung kann unter der Voraussetzung einer großen Anzahl von Volumenelementen(N 1) und einer sehr geringen Keimbildungswahrscheinlichkeit (p 1) durch die Poissonver-teilung ersetzt werden:

Pk (N) =(Np)k

k!e−Np (6.5)

Für nicht allzu große Zeiten t kann die Keimbildungsrate p/t für ein einzelnes Volumenelementals konstant angenommen werden. Damit können wir die Keimbildungsrate ω des gesamten Vo-lumens definieren:

ω ≡ Np

t(6.6)

Über diese Definition können wir in Gleichung 6.5 die Keimbildungswahrscheinlichkeit p durchdie Keimbildungsrate des gesamten Volumens ω ersetzen und so zu einer Gleichung gelangen,die die Wahrscheinlichkeit angibt, im Zeitintervall [0, t] genau k Keime zu beobachten:

Pk (t) =(ωt)k

k!e−ωt (6.7)

Wir gehen davon aus, dass mit dem einmaligen Auftreten eines Nukleationskeims der Phasen-übergang des gesamten unterkühlten Volumens V erfolgt. Somit sind für uns nur die Wahrschein-lichkeiten des Auftretens keines Keims (k = 0), bzw. eines einzelnen Keims (k = 1) von Interesse.Für das weitere Vorgehen ist es dabei günstig, nur die Wahrscheinlichkeit für das Nichteintreteneiner Nukleation zu betrachten. Dazu setzen wir die Anzahl beobachteter Keime k gleich Nullund erhalten die Wahrscheinlichkeit P0 das Volumen V bis zum Zeitpunkt t noch ungefrorenvorzufinden:

P0 (t) = e−ωt (6.8)

Experimentell lässt sich die Wahrscheinlichkeit P0 aus Gleichung 6.8 studieren, indem eine großeAnzahl gleichartiger flüssiger Tropfen des Volumens V betrachtet wird. Sind zum Zeitpunkt t = 0

alle Tropfen flüssig, so verringert sich die Anzahl der noch flüssigen Tropfen gemäß Gleichung 6.8mit der Zeit durch das Gefrieren einzelner Tropfen. Das Verhältnis der Anzahl noch ungefrorenerTropfen Nu (t) zur Gesamtzahl N0 der Tropfen entspricht dabei annähernd der WahrscheinlichkeitP0 (t):

P0 (t) = e−ωt ≈ Nu (t)

N0(6.9)

Für genügend große N0 können wir in Gleichung 6.9 auch die Identität schreiben:

Nu (t)

N0= e−ωt bzw. ln

Nu (t)

N0= −ωt (6.10)

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6.4. Nichtstationäre Nukleationsraten 61

Durch geeignete Auftragung über der Zeit sollte sich somit eine Gerade mit der negativen Nu-kleationsrate ω als Anstieg ergeben.

Bei den in dieser Arbeit durchgeführten Experimenten zum Gefrieren einzelner unterkühlterWassertropfen ist allerdings die Konstanz der Nukleationsrate nicht über den gesamten Zeitraumgegeben. Im folgenden Abschnitt soll nun diese statistische Methode auf zeitabhängige Nuklea-tionsraten erweitert werden.

6.4 Nichtstationäre Nukleationsraten

Im vorhergehenden Abschnitt wurde die Theorie zur Statistik der Nukleation unterkühlter Flüs-sigkeitstropfen dargelegt. Bedingungen für die Übertragung der Ergebnisse auf das Gefriereneinzelner unterkühlter Tropfen sind die Konstanz von Tropfenvolumen und Tropfentemperatur, diebeide die Gefrierwahrscheinlichkeit p bzw. die Nukleationsrate ω des Gesamtvolumens beeinflus-sen. Ist die Gefrierwahrscheinlichkeit nicht konstant, z.B. indem sich die Tropfentemperatur vomBeginn eines Experiments bis zum Gefrieren des Tropfens verändert, so ist es zweckmäßig zueiner differentiellen Form der Gleichung 6.10 überzugehen. Für die Änderung der Anzahl Nu derungefrorenen Partikeln in einem Ensemble von N0 Partikeln gilt dann in einem infinitesimalemZeitabschnitt:

d Nu (t) /dt = −ω (T ,V ) · Nu (t) (6.11)

Wir definieren nun die Volumen-bezogene Nukleationsrate JV als den Quotienten aus der Gefrier-wahrscheinlichkeit ω und dem Volumen V eines Partikels um zu einer Volumen-unabhängigenund nur noch von der Temperatur beeinflussten Nukleationsrate zu gelangen:

JV (T ) = ω (T ,V ) /V (t) (6.12)

Gleichung 6.11 kann damit geschrieben werden als:

d lnNu (t) /dt = −JV (T ) · V (t) (6.13)

Sind Temperatur und Volumen der Partikel konstant so kann Gleichung 6.13 integriert werdenund man erhält wieder die Anzahl der ungefrorenen Partikel als Funktion der Zeit:

Nu (t) = N0 · exp [−JV · V · t] (6.14)

Bei Nichtkonstanz von Temperatur und Volumen müssen die entsprechenden Terme in Gleichung6.13 vor der Integration ersetzt werden, was in den folgenden Abschnitten beschrieben werdensoll.

6.4.1 Zeitabhängigkeit der Tropfentemperatur

In unserem Experiment wird das flüssige Partikel bei Raumtemperatur in die kalte Paulfalle einge-bracht und benötigt dann eine gewisse Zeit, um sich auf die Temperatur im Inneren der Falle ab-zukühlen. In dieser Zeit, in der das Partikel noch nicht die Umgebungstemperatur angenommen

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62 Kapitel 6. Gefrierverhalten stark unterkühlter Wolkentropfen

hat, können auch Gefrierereignisse stattfinden, die Eingang in die Statistik der Messung finden.Da die Keimbildungswahrscheinlichkeit und damit die Nukleationsrate eine Funktion der Parti-keltemperatur und damit der Zeit ist, muss auch die Volumen-Nukleationsrate als zeitabhängigbetrachtet werden. Im Vergleich mit experimentellen Ergebnissen (siehe dazu Pruppacher undKlett (1997) und Stöckel u.a. (2005)) kann ein exponentieller Verlauf der Volumen-Nukleationsrateals Funktion der Temperatur angenommen werden:

JV = J0 · e−T/Tc (6.15)

Im folgenden soll die Temperatur des Tropfens als Funktion der Zeit bestimmt werden. Dies istfür den Fall von Wassertropfen mit einem Durchmesser von 80 µm schon von Stöckel (2001) aus-führlich untersucht worden. Die wesentlichen Argumente und Ergebnisse in dieser Arbeit sollenkurz wiederholt werden:Betrachten wir die Wärmeleitungsgleichung für das zeitabhängige Temperaturfeld T = T (r , t) ineiner Kugel, so erhalten wir folgende Differentialgleichung:

∂T

∂t= αK

(∂2T

∂r2+

2

r

∂T

∂r

)(6.16)

Die Temperaturleitfähigkeit αK enthält die stoffspezifischen Größen der Wärmeleitfähigkeit, Wär-mekapazität und Dichte des Kugelmaterials. Gleichung 6.16 kann mit einem Separationsansatzgelöst werden unter Beachtung der Anfangs- und Randbedingungen, in die auch der Wärme-strom Q durch die Oberfläche A der Kugel in die Umgebung der Kugel eingeht:

Q = αQA (T∞ − TOF ) (6.17)

Dieser Wärmestrom wird nur durch den Temperaturunterschied von Umgebungstemperatur T∞zu Oberflächentemperatur TOF des Tropfens und durch freie Konvektion, d.h. durch Strömun-gen infolge von Dichteunterschieden im umgebenden Medium angetrieben. Peter Stöckel konntezeigen, dass der radiale Verlauf der Temperatur innerhalb der Kugel vernachlässigbar klein istgegenüber dem Temperaturunterschied des Tropfens zur Umgebung. Unter der damit berech-tigten Näherung, dass die Tropfentemperatur im Inneren des Tropfens mit der Temperatur ander Oberfläche übereinstimmt, können wir eine vereinfachte Lösung von Gleichung 6.16 für dieTropfentemperatur als Funktion der Zeit gewinnen:

T (t) = (T0 − T∞) · e−t/τA + T∞ (6.18)

Die Temperatur des Tropfens gleicht sich demnach ausgehend von der Anfangstemperatur T0

exponentiell der Umgebungstemperatur T∞ an. Die Abkühlzeit τA

τA = cp ρV / (αQA) (6.19)

ist dabei proportional zur Wärmekapazität cp, der Dichte, dem Verhältnis von Volumen zu Ober-fläche, sowie dem Wärmeübergangskoeffizienten αQ . Letzterer beträgt für eine Tropfengröße vond = 80 µm und der Wärmeleitfähigkeit λU der umgebenden Luft αQ = 2λU/d = 536 WK−1m−2.

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6.4. Nichtstationäre Nukleationsraten 63

Die Abkühlzeit τA verhält sich proportional zum Quadrat des Tropfenradius.

Ersetzt man nun funktionellen Verlauf der Temperatur nach Gleichung 6.18 in Gleichung 6.15,so ergibt sich für die Volumen-Nukleationsrate als Funktion der Zeit:

JV = J0 · e−T∞/Tc · exp

[−T0 − T∞

Tc· e−t/τA

](6.20)

Im Grenzwert großer Zeiten (t/τA 1) hat der Tropfen Umgebungstemperatur angenommenund der rechte Exponentialterm in Gleichung 6.20 verschwindet. Der linke Term entspricht dannder Nukleationsrate des Tropfens bei der Umgebungstemperatur T∞:

limt→∞

JV (t) = JV (T∞) = J0 · e−T∞/Tc (6.21)

Die Größe JV (T∞) entspricht damit der für den Vergleich mit anderen Experimenten relevantenVolumen-Nukleationsrate.

Bei einer raschen Abkühlung des Tropfens unterscheidet sich die Temperatur an der Trop-fenoberfläche von der Temperatur im Zentrum des Tropfens aufgrund der endlichen Wärmeleit-fähigkeit des Wassers.

4TA−I (t) = TAussen − TInnen 6= 0 (6.22)

Die Temperaturdifferenz 4TA−I ist dabei proportional zur Differenz der mittleren Temperatur desTropfens T und der Umgebungstemperatur T∞.

4TA−I (t) ∝ 4T = T∞ − T (t) (6.23)

Zum Zeitpunkt des Tropfeneinschuss ist 4T maximal. 4TA−I ist dementsprechend auch maxi-mal und beträgt ca. 1 K (Stöckel, 2001). Die Nukleationsrate ist allerdings sehr stark Temperatur-abhängig. Eine Änderung der Temperatur von 1 K verändert die Nukleationswahrscheinlichkeitum fast zwei Größenordnungen. Das bedeutet die Temperaturdifferenz 4TA−I wird erst wichtig,wenn sich die Tropfentemperatur der kritischen Temperatur auf ca. 2 K annähert. Der Tempera-turunterschied im Tropfen4TA−I beträgt dann aber nur noch ca. 2/50 K = 0.04 K und kann damitvernachlässigt werden. Im Folgenden wird damit die Temperatur im Inneren gleich der Tempera-tur an der Oberfläche des Tropfens angenommen.

6.4.2 Zeitabhängigkeit des Tropfenvolumens

Nach der klassischen Nukleationstheorie ist die Nukleationsrate ω nicht nur von der Temperatur,sondern auch vom Volumen der unterkühlten flüssigen Tropfen abhängig. Deshalb ist es not-wendig, auch die Variabilität der Tropfenvolumina während eines Nukleationsexperimentes zubetrachten.Der in der Paulfalle vorherrschende Partialdruck des Wasserdampfes ist vom Dampfdruck desWassers über der Oberfläche des flüssigen Partikels verschieden. Im Allgemeinen ist der Partial-druck niedriger, so dass es zur fortschreitenden Verdampfung des Partikels kommt. Somit ist dasVolumen eines Partikels zeitabhängig und damit auch die Gefrierwahrscheinlichkeit des Parti-kels.

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64 Kapitel 6. Gefrierverhalten stark unterkühlter Wolkentropfen

Für das Verdampfen eines flüssigen Tropfens in einer Atmosphäre gilt, dass das Quadrat desTropfenradius linear mit der Zeit abnimmt:

R2 (t) = R20 (1− t/τV ) (6.24)

Für das zeitabhängige Tropfenvolumen gilt dann:

V (t) = V0 (1− t/τV )3/2 (6.25)

mit der Zeitkonstante τV für das Verdampfen des Tropfens. Die Verdampfungsrate R20/τV ist ab-

hängig vom Wasserdampfpartialdruck in der Umgebung und vom Dampfdruck über der Oberflä-che des Tropfens (und damit von der Temperatur des Tropfens). Unter der Annahme, dass derWärmeaustausch im verwendeten Temperaturbereich viel schneller als das Verdampfen vonstat-ten geht (τV τA), kann die Verdampfung für den Bereich variabler Tropfentemperatur vernach-lässigt und damit die Verdampfungsrate als konstant über die Zeit angenommen werden. Nunkann das zeitabhängige Volumen in Differentialgleichung 6.13 ersetzt werden und man gelangtzu folgendem Ergebnis für das Verhalten der Anzahl ungefrorener Tropfen:

d lnNu (t) /dt = −α (1− t/τV )3/2 · exp (−β · exp (−t/τA)) (6.26)

mitα = J0V0 · e−T∞/Tc = JV (T∞) · V0 und β = (T0 − T∞) /Tc (6.27)

Gleichung 6.26 ist in dieser modifizierten Form nicht mehr auf einfache Weise analytisch lösbar.Die Gleichung kann andererseits numerisch gelöst und durch Variieren der Parameter α, β, τA

und τV an die Messwerte angepasst werden.

6.5 Vergleich von Oberflächen- und Volumen-Nukleation

Die klassische Nukleationstheorie geht, wie in Abschnitt 6.2 beschrieben, davon aus, dass dasGefrieren eines unterkühlten Tropfens durch die Entstehung eines einzigen Clusters kritischerGröße initiiert wird. Kühlt man den Tropfen zum Zeitpunkt t = 0 schlagartig von einer Tempe-ratur oberhalb der Schmelztemperatur TS auf die Temperatur T < TS ab, dann wird die Wahr-scheinlichkeit Pu (t), den Tropfen nach einer Zeit t noch ungefroren vorzufinden, durch folgendeGleichung beschrieben:

d Pu (t) /dt = −Pu · JV (T ) · V (6.28)

bzw.− d lnPu (t) /dt = JV (T ) · V (6.29)

Die Gefrierrate ist proportional zum Volumen des Tropfens und die ProportionalitätskonstanteJV (T ) wird Volumen-Nukleationsrate genannt. Zur Berücksichtigung einer eventuell an der Ober-fläche einsetzenden Nukleation des Tropfens wird die Oberflächen-Nukleationsrate JS eingeführt:

− d lnPu (t) /dt = JV (T ) · V + JS (T ) · S (6.30)

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6.6. Experimenteller Aufbau und Auswertemethodik 65

Hierbei ist JS die der Oberfläche S des Tropfens zugeordnete Nukleationsrate. Setzt man Ober-fläche und Volumen zueinander ins Verhältnis lässt sich Gleichung 6.30 auch folgendermaßenschreiben:

− d lnPu (t) /dt = JV (T ) · V ·(

1 +3

r

JS

JV

)= JV (T ) · V ·

(1 +

rcr

)(6.31)

Der Quotient JS/JV hat die Dimension einer Länge und gibt einen kritischen Radius rc an, ab demder zusätzliche Term der Oberflächen-Nukleationsrate die Volumen-Nukleationsrate des Tropfensaufwiegt. Bildet man das Verhältnis der gemessenen Gefrierraten 6.31 für Tropfen aus zwei ver-schiedenen Größenklassen r1 und r2, so ergibt sich:

ζ =V1

V2· (d lnPu/ dt)2

(d lnPu/dt)1

=1 + rc/r21 + rc/r1

(6.32)

oder aufgelöst nach dem kritischen Radius rc :

rc =ζ − 1

1/r2 − ζ/r1(6.33)

Somit kann aus der Messung des Gefrierratenverhältnisses ζ der kritische Radius rc für eineOberflächen-Nukleation abgeschätzt werden.

6.6 Experimenteller Aufbau und Auswertemethodik

Für die Messungen der Nukleationsrate unterkühlter Wassertropfen wurde wie im Experimentzur Bestimmung des Brechungsindex (Kapitel 5) die Falle des Regenbogentyps verwendet. ImVergleich zu diesem Experiment waren dabei keine Veränderungen am mechanischen oder op-tischen Aufbau notwendig. Auch die in LabView entwickelte Software zur Steuerung des Experi-mentes wurde hier ohne Modifikationen verwendet.

Da die Nukleationsrate stark temperaturabhängig ist, wurde besonders auf die Temperatur-stabilität in der Falle geachtet. Zu diesem Zweck wurde die Fallentemperatur schon 30 Minutenvor Beginn einer Messreihe konstant gehalten, um allen mechanischen Komponenten, die in ther-mischen Kontakt mit der Falle stehen, ausreichend Zeit zum Erreichen einer statischen Gleich-gewichtstemperatur zu gewähren. Die Abweichung der Temperatur bis zum Ende der Messreihesollte maximal 0.1 K betragen. Tatsächlich wurde für die mittlere Schwankung der Fallentempe-ratur während des gesamten Experiments über eine Zeitspanne von ca. 50 Minuten eine Stan-dardabweichung von 20 mK gemessen.

6.6.1 Detektion des Phasenübergangs

Zur Bestimmung der Nukleationsraten unterkühlter Wassertropfen ist es notwendig, den Zeit-punkt des Phasenübergangs so genau wie möglich zu registrieren. Wie schon aus früheren Un-tersuchungen (Anhalt, 2001; Stöckel u.a., 2005) bekannt ist, kann der Phasenübergang sehrgut anhand der gleichzeitigen Änderung des elastisch gestreuten Lichts detektiert werden. Dies

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66 Kapitel 6. Gefrierverhalten stark unterkühlter Wolkentropfen

90 100 110 120 130 140 150 160

0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000

gefroren (b)

Str

euin

tens

ität

Streuwinkel (Grad)

flüssig (a)

A B

Pixelnummer

Abbildung 6.3: Vergleich zweier typischer Winkelspektren eines Wassertropfens vor (a) und nach derNukleation (b). Das Verschwinden des 1. Regenbogens (Bereich B) und die erhöhteStreuintensität zwischen 90 und 100 Grad (Bereich A) ermöglichen durch Bildung einesQuotienten die schnelle Detektion des Phasenüberganges über die Aufnahme der Win-kelspektren.

kann auf mindestens drei verschiedene Arten geschehen: Durch Analyse 1. des Depolarisations-grades, 2. der Gesamtstreuintensität (Extinktion) oder, wie in diesem Experiment verwendet, 3.der Analyse von Intensitätsverschiebungen im Winkelspektrum.

Abbildung 6.3 zeigt die Winkelspektren eines noch flüssigen (a) und eines schon gefrorenenTropfen (b) im Winkelbereich von 90 bis 160 Grad. Durch den Phasenübergang wird die wohlde-finierte Phasenfunktion zerstört und die Maxima des Regenbogens erster und zweiter Ordnungsind nicht mehr gegenüber dem Streulichthintergrund zu erkennen. Dies lässt sich im Modell dergeometrischen Optik leicht verstehen: Beim Gefrieren ändert sich die Oberflächenbeschaffenheitdes Tropfens von einer gleichmäßigen und fast perfekt glatten Oberfläche im flüssigen Zustandzu einer aus vielen Kristallflächen bestehenden im festen Aggregatszustand. Dies hat zur Folge,dass nicht nur der definierte Durchgang des Lichtes durch den Tropfen, wie er zur Entstehung derRegenbogenpeaks notwendig ist, behindert wird, sondern dass das auftreffende Licht verstärktan der Oberfläche des Tropfens reflektiert wird und somit das schwächere Streulicht aus demInneren des Tropfens überdeckt.

Besonders bemerkenswert ist die Veränderung der Intensität im Winkelspektrum im Bereichder Regenbogenpeaks. Dies konnte für eine schnelle Detektion des Phasenübergangs ausge-nutzt werden, indem kontinuierlich das Verhältnis Λ der integrierten Intensitäten aus beiden Be-reichen gebildet und statt des gesamten Winkelspektrums als Funktion der Zeit gespeichert wur-de.

Λ =n2∑n1

In /n4∑n3

In (6.34)

Die Berechnung von Λ erfolgt dabei sehr schnell, so dass die zeitliche Auflösung der Messung

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6.7. Ergebnisse und Diskussion 67

0 2 4 6 8 1 0 1 2 1 40 . 0

0 . 2

0 . 4

0 . 6

0 . 8

1 . 0

1 . 2

1 . 4

CCC

BBBB

AAA

Z e i t ( s )

A

Abbildung 6.4: Zeitreihe des Intensitätsverhältnisses Λ für den Gefriervorgang von vier nacheinander indie Falle eingeschossenen Wassertropfen. Bereich A: Falle leer; Bereich B: Tropfen inFalle (flüssig); Bereich C: Tropfen in Falle (gefroren).

hauptsächlich durch die Auslesefrequenz von ca. 125 Hz der CCD-Zeilen bestimmt wird. Eine sol-che Lambda-Zeitreihe mit mehreren Gefrierereignissen ist in Abbildung 6.4 dargestellt. Zu Beginnder Zeitreihe ist die Falle leer und es befindet sich kein Tropfen darin (Bereich A). In einer leerenFalle liegt durch das fehlende Tropfen-Streulicht auch das Lambda-Verhältnis bei einem Wert von1. Zum Zeitpunkt t1 erfolgt der Tropfeneinschuss sichtbar anhand des Absinkens von Lambda aufca. 0.3. Nach dem Einschuss kühlt sich der Tropfen auf die Fallentemperatur ab und befindet sichdann im unterkühlten Zustand im Zentrum der Falle (Bereich B). Das Gefrieren des Tropfens istgut durch das schlagartige Ansteigen von Lambda auf ca. 0.7 zum Zeitpunkt t2 erkennbar. Dar-aufhin verbleibt der Tropfen ca. 1 Sekunde lang in der Paulfalle (Bereich C), bis das automatischeMesssystem den Tropfen aus der Falle durch Absenken der Wechselspannung entfernt. Die Falleist jetzt wieder für den nächsten Tropfen bereit und der Vorgang kann wiederholt werden.

Die Zeitspanne, in welcher der Tropfen im flüssigen Zustand in der Falle verweilte lässt sichleicht aus der Differenz der Einschuss- und Gefrierzeit 4t = t2 − t1 berechnen. Auf diese Weisekönnen die Gefrierzeiten für alle in die Falle eingeschossenen flüssigen Tropfen ermittelt werden.

6.7 Ergebnisse und Diskussion

Mit der in den vorigen Abschnitten beschriebenen Methode wurden in einem Experiment zweiTropfenensembles von 103 Tropfen des Radius r1 = 49 ± 0.5 µm und 41 Tropfen des Radiusr2 = 19 ± 0.25 µm nacheinander in die Falle injiziert und die Gefrierzeit jedes einzelnen Tropfensregistriert. Die Temperatur der Falle betrug dabei 237.1 K, was einer Unterkühlung von 36.1 K

entspricht. Die Größe der Tropfen wurde aus den gemessenen Winkelspektren durch Vergleichmit der Mie-Theorie bestimmt.

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68 Kapitel 6. Gefrierverhalten stark unterkühlter Wolkentropfen

0 2 4 6 8 10 12 14 16

-5.0

-4.5

-4.0

-3.5

-3.0

-2.5

-2.0

-1.5

-1.0

-0.5

0.0

r = 19µm

r = 49µm

Ln

( N

u / No )

Zeit (s)

T = 237.1K

Abbildung 6.5: Verhältnis ungefrorener zur Gesamtzahl der Tropfen als Funktion der Zeit für zwei ver-schiedene Tropfenklassen von r1 = 49 µm und r2 = 19 µm.

Abbildung 6.5 zeigt das Verhältnis der Anzahl der ungefrorenen Tropfen Nu zur Gesamtzahlder Tropfen N0 für diese beiden Ensembles unterschiedlicher Größe als Funktion der Zeit. DerZeitpunkt t = 0 s entspricht dem Moment des Einschusses der Tropfen in die Falle. Zu diesemZeitpunkt sind alle Tropfen flüssig und dementsprechend gilt ln (Nu/N0) = 0. Im Moment desEinschusses in die Falle entspricht die Temperatur der Tropfen noch der Temperatur des Flüssig-keitsreservoirs des Tropfeninjektors (ca. Raumtemperatur). In dem sich anschließenden Zeitab-schnitt ist die Nukleationsrate stark verringert, da sich die Tropfen erst noch auf die Temperaturder Falle abkühlen. Es finden nur wenige Gefrierereignisse statt und die Kurvensteigungen, diedie Nukleationsrate der Ensembles repräsentieren, sind sehr flach. Nach ca. 1 Sekunde habendie Tropfen die Umgebungstemperatur in der Falle angenommen, was sich in einem Abknickender Kurve äußert. Die Rate der Gefrierereignisse folgt dann dem erwarteten linearen Verlauf.

Beide Kurven wurden numerisch mit dem erwarteten Kurvenverlauf (Glg. 6.26) nach der Me-thode der kleinsten Summe der Abstandsquadrate gefittet. Die erhaltenen Fitkurven sind alsdurchgezogene Linien in Abb. 6.5 dargestellt. Bei den Gefrierzeiten des Tropfenensembles miteinem Tropfenradius von r = 19 µm wurden Datenpunkte mit Gefrierzeiten von t > 16 s derÜbersichtlichkeit halber nicht im Diagramm dargestellt, wohl aber mit in die Fitprozedur einge-schlossen. Aus diesem Grund scheint die Steigung des Fits im linearen Bereich der Kurve dieSteigung der Datenpunkte leicht zu unterschätzen.

Die numerische Fitprozedur lieferte die optimalen Werte für die Parameter α, β, τA und τV , wo-bei der Fitparameter α die Nukleationsrate repräsentiert (Glg. 6.27) und entweder als Volumen-Nukleationsrate JV ·V , oder als Oberflächen-Nukleationsrate JS ·S interpretiert werden kann. DieErgebnisse dieser Auswertung sind in Tabelle 6.1 aufgelistet.

Interpretiert man die Messwerte nach der klassischen Nukleationstheorie, so ergibt sich fürdie Volumen-bezogene Nukleationsrate ein Wert von JV = (2.8± 0.2)×106 cm−3s−1. Dieser Wertsteht in sehr guter Übereinstimmung mit früheren Untersuchungen (Krämer u.a., 1999; Taborek,

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6.7. Ergebnisse und Diskussion 69

T = 237.1K Größenklasse R1 Größenklasse R2 Verhältnis (R1/R2)

Radius [µm] 49 ± 0.5 19 ± 0.25 2.58 ± 0.05

Volumen [µm3] (4.93 ± 0.15) × 105 (2.87 ± 0.1) × 104 17.2 ± 0.8

Gefrierrate [s−1] 1.35 ± 0.05 (8.2 ± 0.3) × 10−2 16.5 ± 0.6

JV [cm−3s−1] (2.75 ± 0.15) × 106 (2.85 ± 0.15) × 106 0.96 ± 0.07

JS [cm−2s−1] (4.47 ± 0.19) × 103 (1.81 ± 0.08) × 103 2.74 ± 0.15

Tropfenanzahl 103 41

Tabelle 6.1: Vergleich der Nukleationsraten für zwei Tropfenensembles mit verschiedener mittlerer Trop-fengröße; Volumen-Nukleationsrate JV und Oberflächen-Nukleationsrate JS .

1985). Innerhalb der Fehlergrenzen sind die auf das Volumen bezogenen Nukleationsraten bei-der Größenklassen äquivalent. Betrachtet man zum Vergleich die auf die Oberfläche bezogenenNukleationsraten, so unterscheiden sie sich bei den zwei Größenklassen um einen Faktor 2.5.Diese Ergebnis zeigt, dass das Gefrieren unterkühlter Wassertropfen in diesem Größenbereichmit dem Volumen skaliert und damit ein Volumen-dominierter Prozess ist.

Die Daten ermöglichen eine Aussage bezüglich einer eventuellen Oberflächen-aktivierten Nu-kleation. Nach Gleichung 6.33 kann der Radius abgeschätzt werden, ab dem die Oberflächen-Nukleation möglicherweise an Bedeutung gewinnen könnte. Der so berechnete kritische Radiusist allerdings mit einer großen Unsicherheit verbunden, so dass für den kritischen Radius alleWerte zwischen rc = 0 und rc = 4 µm konsistent mit den Messwerten sind. Es kann damit nichtausgeschlossen werden, dass es für Wassertropfen kleiner 1 µm einen durch die Tropfenoberflä-che bewirkten Anteil an der Nukleationsrate gibt. Durch Ausweitung des Experiments auf kleinereTropfen wäre es durchaus möglich, die obere Grenze für den kritischen Radius genauer zu be-stimmen, und die Unsicherheit zu verringern. Das Hauptargument von Tabazadeh u.a. (2002a)für Oberflächen-aktivierte Nukleation basierte auf der Neuanalyse früherer Messdaten, die von-einander abweichende Volumen-Nukleationsraten ergaben, und konsistentere Ergebnisse liefer-ten, wenn sie als Oberflächen-aktivierte Nukleationsraten interpretiert wurden. Im Licht der indieser Arbeit vorgestellten neuen Ergebnisse sind diese Inkonsistenzen möglicherweise auf ex-perimentelle Schwierigkeiten bei der genauen Bestimmung von Tropfenvolumen und Temperaturzurückzuführen. Gestützt wird diese Annahme von Stöckel und Mitarbeitern, die ihre Messdateneiner erweiterten Auswertung unterzogen und ihre Ergebnisse korrigierten (Stöckel u.a., 2005).

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Kapitel 7

Coulomb-Instabilität hochgeladenerflüssiger Tropfen

7.1 Einleitung

Geladene, mikrometergroße Tropfen haben eine große Bedeutung in Natur und Technik. Siefinden Verwendung in den verschiedensten technischen Prozessen, wie zum Beispiel bei Tinten-strahldruck, Treibstoffeinspritzung, Farbzerstäubung, Elektrospray-Ionisation bis hin zur Wirkstoff-Inhalation in der Medizin. Wie schon in Abschnitt 2.4 beschrieben kommen sie auch in großerZahl in der Atmosphäre der Erde vor. Die Frage, wie sich ein Wolkentropfen unter dem Einflusseiner Oberflächenladung verhält, war dabei bis vor wenigen Jahren nur unzureichend geklärt undbedarf noch weiterer Untersuchungen. Vor allem auf theoretischem Gebiet ist die ladungsbe-dingte Instabilität mikrometergroßer Tropfen ein schon lange untersuchtes Phänomen. Geladeneflüssige Tropfen erreichen einen Zustand der ladungsbedingten Instabilität, im Folgenden auchCoulomb-Instabilität genannt, wenn die Coulomb-Energie der Oberflächenladung das Zweifacheder Oberflächenenergie ausgleicht. Dieser Sachverhalt wurde von Lord Rayleigh (1882) auf theo-retischem Wege beschrieben. Allerdings konnte Rayleigh nur Vermutungen über die Dynamik derInstabilität anstellen. Er mutmaßte, dass sich der geladene Tropfen im Moment einer Coulomb-Instabilität zuerst elliptisch deformiert, um dann, nach Erreichen eines kritischen Aspektverhält-nisses, Masse und Ladung in Form feiner Jets auszustoßen. Eine Bestätigung dieser Vermutungblieb aufgrund experimenteller Schwierigkeiten lange Zeit aus und gelang im Experiment erstdurch eine Kombination aus elektrodynamischer Levitation und ultraschneller Mikroskopie (Duftu.a., 2003).

Abbildung 7.1 zeigt einen hochgeladenen flüssigen Wassertropfen im Moment einer Coulomb-Instabilität. Der Tropfen hat sich ausgehend von seiner normalen sphärischen Gestalt stark ellip-soidal verformt und stößt an beiden spitzen Enden jeweils einen dünnen Jet bestehend aus ca.50 kleinen, ebenfalls hochgeladenen Tropfen aus. Durch den Ausstoß von Masse und Ladungerlangt der Muttertropfen wieder ein stabiles Verhältnis von Coulomb-Energie und zweifacherOberflächenenergie, woraufhin er wieder die sphärische Gestalt annimmt. Der ganze Prozess,ausgehend von der Kugelform, über die ellipsoidale Deformation und Jetausstoß bis zur erneuten

70

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7.2. Stabilität geladener Tropfen 71

Abbildung 7.1: Fotografische Aufnahme eines Wassertropfens im Moment einer Coulomb-Instabilität.

sphärischen Form erfolgt für einen Wassertropfen bei Raumtemperatur in weniger als 100 µs. Aus-schlaggebend für eine genaue zeitliche Detektion der Coulomb-Instabilität und anschliessenderAufnahme eines Fotos des Tropfens während der Instabilität war die Erfassung des Streulichtsdes verdampfenden geladenen Tropfens mit Mikrosekunden Zeitauflösung. Bei der Auswertungdes vom Tropfen elastisch gestreuten Lichts konnte beobachtet werden, dass die Oberflächedes Tropfens vom elektrischen Wechselfeld der Paulfalle zu Schwingungen angeregt wird. Eineerste Analyse dieser Schwingungen konnte schon einen indirekten Beweis für die Gültigkeit derRayleigh’schen Theorie liefern (Duft u.a., 2002). Dabei deutete sich ein nicht-lineares Verhaltender Oberflächenschwingungen nahe der ladungsbedingten Stabilitätsgrenze in Form von starkasymmetrischen Schwingungen an.

Das nicht-lineare Verhalten der falleninduzierten Oberflächenschwingungen hochgeladenerflüssiger Tropfen soll Gegenstand der Untersuchungen in diesem Kapitel sein. Dazu wurdenhochgeladene Glykoltropfen in der Paulfalle levitiert und das an den Tropfen elastisch gestreuteLicht bei verschiedenen Temperaturen, Frequenzen und Amplituden des Paulfallen-Wechselfeldesaufgenommen. Unter Anwendung des Äquatormodells gelang es, die periodischen Änderungendes Streulichts direkt in Änderungen des äquatorialen Radius und damit in Änderungen der Trop-fenform zu übersetzen.

Für den Vergleich mit der Theorie wurden die vorhandenen theoretischen Studien analyti-scher und numerischer Art zu linearen und nicht-linearen Tropfenschwingungen zusammenge-tragen und auf falleninduzierte Oberflächenschwingungen übertragen. Dies soll in den folgendenAbschnitten zuerst dargelegt werden. Daran anschliessend folgen Erläuterungen zur Durchfüh-rung des Experiments, die Ergebnisse der nicht-linearen Schwingungsanalyse und der Vergleichmit der Theorie.

7.2 Stabilität geladener Tropfen

Auf die Frage, warum ein Flüssigkeitstropfen in der Schwerelosigkeit eine sphärische Form an-nimmt, lässt sich antworten: Die Oberflächenspannung versucht die Grenzfläche der Flüssigkeitzur umgebenden Luft zu verringern. Bei einem festen Volumen des Tropfens wird die Grenz-flächenspannung also eine Minimierung der Oberfläche anstreben, was die Form einer Kugelergibt. Was passiert nun, wenn außer der Oberflächenspannung noch zusätzliche Kräfte auf denTropfen wirken? Fallende Regentropfen spüren zum Beispiel die Stokes’sche Reibungskraft dersie umströmenden Luft und verändern dadurch ihre Gestalt. Wie verhält sich aber die Form eineselektrisch geladenen Tropfens unter dem Einfluss der eigenen Coulomb-Kräfte? Die Ladungen,

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72 Kapitel 7. Coulomb-Instabilität hochgeladener flüssiger Tropfen

positiv oder negativ geladene Flüssigkeitsmoleküle, befinden sich aufgrund der gegenseitigenAbstoßung gleichmäßig auf der Oberfläche verteilt. Die Symmetrie der Kugelform wird damitnicht gestört und die Tropfenform auf den ersten Blick durch die zusätzlichen Coulomb-Kräftenicht verändert. Der Tropfen erscheint stabil.

Es zeigt sich, dass die Ladung des Tropfens nicht beliebig groß sein kann, sondern dass esbei fester Tropfengröße eine obere Grenze für die Tropfenladung gibt. An dieser Grenze befin-den sich Coulombkraft und Oberflächenspannung im Gleichgewicht. Übersteigen die elektrischenKräfte die Oberflächenspannung, so ist der Tropfen instabil und es reicht bereits eine infinitesima-le Störung des Systems aus, den Tropfen zu einer heftigen Reaktion zu bewegen. Dabei werdenvom Tropfen kleine geladene Tröpfchen in einer Explosion herausgeschleudert. Nach dieser Ex-plosion ist die Gesamtladung auf Mutter- und Tochtertropfen verteilt. Gleichzeitig hat sich dieOberfläche, auf der die Ladungen verteilt sind, durch die Aufspaltung in mehrere Tropfen ver-größert. Nach einer Coulomb-Instabilität hat sich so das Verhältnis von Oberflächenenergie undCoulombenergie vergrößert. Das System befindet sich wieder in einem stabilen Zustand.

Abbildung 7.2 zeigt Ladung und Radius eines verdampfenden Tropfens in einer Paulfalle.Durch kontinuierliches Verdampfen erreicht der Tropfen mehrfach die Grenze der Stabilität, er-kennbar durch massive Stufen in der Tropfenladung. Dieses Phänomen der ladungsbedingten

0 100 200 300 4000.6

0.8

1.0

1.2

1.4

1.6

1.8

2.0

2.2

0

4

8

12

16

20

24

28

32

Ladung

Tro

pfen

ladu

ng (

pC)

Zeit (s)

Radius

Tro

pfen

radi

us (

µm)

Abbildung 7.2: Ladung und Radius eines verdampfenden Glykol-Tropfens in einer Paulfalle. Bei Errei-chen des Rayleigh-Limits erfolgt der Ausstoß von Ladung, erkennbar an den sukzes-sive auftretenden Stufen im Graphen der Tropfenladung. Der durchschnittliche relativeLadungsverlust bei einer Coulomb-Instabilität beträgt in diesem Fall ca. 25 %. Der Masse-verlust war mit der hier gewählten Methode zur Größenbestimmung innerhalb der Mess-genauigkeit (∆m < 0.5 %) (siehe vergrößerter Ausschnitt).

Instabilität wird auch in anderen physikalischen Systemen beobachtet. Dazu gehören die spon-tane radioaktive Spaltung von Atomkernen und der Zerfall von hochgeladenen Atomclustern. Von

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7.2. Stabilität geladener Tropfen 73

Bedeutung ist auch der Einfluss der Ladung auf Partikel in der Atmosphäre der Erde und die dortablaufenden chemischen und physikalischen Prozesse.

Der Prozess des Auseinanderbrechens ist dabei noch nicht ausreichend verstanden. Erstetheoretische Betrachtungen zur Coulomb-Instabilität wurden bereits Ende des vorigen Jahrhun-derts von Lord Rayleigh (1882) durchgeführt. Er untersuchte die Schwingungen eines geladenenTropfens mit Hilfe einer Stabilitätsanalyse, die im folgenden Abschnitt skizziert dargestellt werdensoll.

7.2.1 Das Rayleigh-Kriterium

Betrachten wir die in einem sphärischen Tropfen für die Stabilität entscheidende Energie, sostellen wir fest, dass sie sich aus Oberflächenenergie und Coulombenergie zusammensetzt:

E = EOberfl . + ECoulomb = 4πa20σ −

Q2

8πε0a0(7.1)

Die Stabilität ist damit von der Oberflächenspannung σ sowie von der Ladung Q und dem Ra-dius a0 des Tropfens abhängig. Bei einer leichten rotationssymmetrischen Deformation kann dieOberfläche R (ϑ,ϕ) des Tropfens durch eine Entwicklung in Oberflächenmoden Fl beschriebenwerden:

R (ϑ,ϕ) = R0

[1 +

∑Fl (ϑ,ϕ)

](7.2)

Fl (ϑ,ϕ) = βlYl0 (ϑ,ϕ) (7.3)

βl ist dabei die Amplitude der Kugelflächenfunktion Yl0 der l-ten Mode in 0-ter Ordnung. Für dieEnergien eines in dieser Weise deformierten Tropfens gilt dann:

EOberfl . = 4πa20σ∑

l

(l − 1) (l + 2)

∫ ∫S

F 2l dS (7.4)

ECoulomb =Q2

8πε0a0

∑l

(l − 1)

∫ ∫S

F 2l dS (7.5)

Die Amplitude βl der Oberflächenmoden Fl gibt Auskunft über die Stabilität des Tropfens. Unterder Annahme einer harmonischen Anregung der Moden Fl ∝ cos (ωl t + ϕl ) kann die Frequenzder Schwingungen angegeben werden. Die Frequenz ωl der l-ten Mode berechnet sich zu:

ω2l =

ρa30

l (l − 1)

(l + 2)σ − Q2

16π2ε0a30

(7.6)

Eine Mode kann als stabil angenommen werden, solange die Frequenz der Mode reell, alsosolange der Term in der geschweiften Klammer positiv bleibt. Bekommt die Frequenz einen Ima-ginär - Teil, so ergibt sich eine exponentiell ansteigende Amplitude der Mode. Die Mode ist danninstabil. Aus Gleichung 7.6 ist ersichtlich, dass die Frequenz imaginär wird, sobald der Term in dergeschweiften Klammer negativ ist. Damit ein Tropfen stabil bleibt, muss also folgende Bedingunggelten:

(l + 2)σ >Q2

16π2ε0a30

(7.7)

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74 Kapitel 7. Coulomb-Instabilität hochgeladener flüssiger Tropfen

Die erste Mode, die nach Gleichung 7.6 und 7.7 instabil werden kann, ist die Mode mit demkleinstmöglichen l . In diesem Fall handelt es sich um die Quadrupolmode mit l = 2. Die Grenzefür die Stabilität des Tropfens ist dann durch folgende, unter dem Namen Rayleigh-Kriterium bzw.Rayleigh-Limit bekannten Bedingung für die kritische Oberflächenladung gegeben:

QR ≤√

64π2ε0σa30 (7.8)

Ist die Ladung eines Tropfens kleiner als diese kritische Ladung, so bleibt der Tropfen nach derTheorie stabil. Ist die Ladung gleich groß, oder sogar größer, so befindet er sich im instabilenBereich und es reicht schon eine infinitesimale Störung aus, um den Tropfen zu einer Coulomb-Instabilität zu verleiten.

Ein Maß für die Stabilität stellt die Fissilität X dar, welche sich aus dem Verhältnis der auf derOberfläche wirkenden Energien ergibt:

X =Q2

64π2σε0a30

=ECoulomb

2 · EOberfl .(7.9)

Für einen Wert von X = 1 entspricht diese Gleichung dem Rayleigh-Kriterium. Nach Gleichung7.8 kann die Fissilität X den Wert 1 nicht überschreiten.

Zur Untersuchung der Coulomb-Instabilität wurden in unseren Experimenten die geladenenTropfen in einer elektrodynamischen Ionenfalle gespeichert. Dabei wird der geladene Tropfen imPseudopotential eines elektrischen Wechselfeldes eingefangen (siehe Abschnitt 3.1.1). Dieseselektrische Wechselfeld kann dabei die Oberfläche des Tropfens in Quadrupol-Schwingungenversetzen, die nach Gleichung 7.6 die Instabilität einleiten. Im folgenden Abschnitt soll unter-sucht werden, wie groß die Amplitude derartiger Schwingungen wird und inwiefern das äußereWechselfeld Einfluss auf die Stabilität des Tropfens ausübt.

Ziel der Ausführungen wird es sein, eine Bewegungsgleichung für die Amplituden βl derSchwingungsmoden herzuleiten. Die Herleitung folgt dabei im Wesentlichen der Arbeit von Hasse(1975).

7.2.2 Oberflächenschwingungen im Multipolfeld

Der Ansatz für die Berechnung der Dynamik der Oberfläche eines Tropfens im äußeren Feld ge-staltet sich analog zu jenem, der schon von Lord Rayleigh (1882) eingeführt wurde. Betrachtenwir den Tropfen vorerst ohne das äußere Feld, so kann eine rotationssymmetrische Deformatio-nen der Tropfenoberfläche in Kugelflächenfunktionen entwickelt werden:

R (ϑ,ϕ) = R0

[1 +

∑βlYl (ϑ,ϕ)

](7.10)

Es kann gezeigt werden, dass in dieser Darstellung das Volumen und die Gesamtladung desTropfens bis zur quadratischen Ordnung in den Deformationsparametern βl erhalten bleiben. Zielder Herleitung wird es sein, die Lagrange’sche Bewegungsgleichung(

d

dt

∂βl

− ∂

∂βl

)(T − V )− 1

2

∂βl

W = 0 (7.11)

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7.2. Stabilität geladener Tropfen 75

für die Amplituden βl der Oberflächenschwingungen zu lösen. T bezeichnet dabei die kinetischeund V die potentielle Energie des Tropfens. W steht für die Rayleigh’sche Dissipationsfunktionund gibt die Rate an, mit der Bewegungsenergie in Energie interner Freiheitsgrade, zum BeispielWärme, umgewandelt wird:

W = −∑

l

Zl |βl |2 (7.12)

Mit dem Reibungskoeffizienten

Zl = 2ηR30

(2l + 1) (l − 1)

l(7.13)

wird so die Reibung im Innern des Tropfens bei der Bewegung berücksichtigt. η stellt dabei dieViskosität der Flüssigkeit dar. Die kinetische Energie nimmt für die Schwingungen folgende Forman:

T =1

2

∑l

Ml |βl |2 (7.14)

Die effektive Masse Ml ist dabei definiert über:

Ml =ρmR

50

l(7.15)

mit der Massendichte ρm der Flüssigkeit. Die potentielle Energie des Tropfens lässt sich in einerähnlich einfachen Form darstellen:

V =1

2

∑l

Cl |βl |2 (7.16)

wobei die Koeffizienten Cl den Rückstellkräften zu den Deformationen βl entsprechen:

Cl =

[σR2

0 (l + 2)− Q2

16π2ε0R0

](l − 1) (7.17)

Damit sind alle Variablen der Lagrange’schen Gleichung 7.11 bekannt. Eingesetzt in diese ergibtsich die Bewegungsgleichung für die Amplituden:

Ml βl + Zl βl + Clβl = 0 (7.18)

Dies ist die Differentialgleichung eines gedämpften harmonischen Oszillators deren Lösungenexponentiell abnehmende Schwingungen darstellen. Unter dem Einfluss des elektrischen Feldesim Multipolpotential der Paulfalle φ ergibt sich ein zusätzlicher Kraftterm, der in der Bewegungs-gleichung berücksichtigt werden muss:

Ml βl + Zl βl + Clβl = Clβ0l cos (ωt) (7.19)

β0l ist dabei die Gleichgewichtsdeformation des Tropfens, die durch das äußere Feld hervorgeru-

fen wird:

β0l =

Q2 (l + 1)Vl (R0)

4πσR20 (l − 1) (l + 2− 4X )

(7.20)

Für die Berechnung der Gleichgewichtsdeformation muss beachtet werden, dass sich durch dasäußere Feld auch die Ladungsdichte auf der Oberfläche verschiebt. Es wird dabei angenom-

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76 Kapitel 7. Coulomb-Instabilität hochgeladener flüssiger Tropfen

men, dass die Relaxationszeit der Ladungen auf der Oberfläche sehr viel kleiner als die typi-sche Schwingungsdauer des Tropfens ist. Damit kann zu einer gegebenen momentanen Feld-verteilung und Tropfendeformation eine quasi-statische Oberflächenladungsverteilung berechnetwerden. Die dazugehörige Berechnung kann im Anhang einer früheren Arbeit nachgeschlagenwerden (Duft, 1999).

Gleichung 7.19 soll nun in eine dimensionslose Form gebracht werden. Mit den Transforma-tionen:

2γ = Zl/Ml

ω20 = Cl/Ml (7.21)

F0/m = Cl/Ml · β0l

ergibt sich die Differentialgleichung des getriebenen harmonischen Oszillators:

x + 2γx + ω20x = F0/m cos (ωt) (7.22)

Mit dem Ansatz x(t) = A · cos (ωt + φ) für die stationäre Lösung erhält man folgende Gleichungfür die Amplitude der getriebenen Schwingung (Magnus und Popp, 1997):

A =F0/m√

(ω20 − ω2)

2+ (2γω)2

(7.23)

In unserem Fall nimmt die Amplitude der Oberflächenschwingung die folgende Form an:

A =Cl

Ml· β0

l√(Cl

Ml− ω2

)2

+(

Zl

Mlω)2

(7.24)

Ebenso ergibt sich für den Phasenunterschied φ zwischen treibender Kraft und Oberflächenos-zillation

tanφ =−2γω

ω20 − ω2

(7.25)

mit den Transformationen (7.21) folgende Gleichung:

tanφ =−Zl/Ml · ωCl/Ml − ω2

(7.26)

Mit Hilfe der Gleichungen 7.24 und 7.26 ist es möglich, die Amplitude der getriebenen Schwing-ungen als Funktion der Fissilität X des Tropfens, der Frequenz und der Stärke des äußerenFeldes zu berechnen. Wie schon im Kapitel 3 gezeigt wurde, handelt es sich bei dem elektrischenFeld der Ionenfalle um ein Quadrupolfeld, das die Anregung von Quadrupol-Schwingungen desTropfens begünstigt.

In Abbildung 7.3 ist die nach Gleichung 7.24 berechnete Amplitude der l = 2 Quadrupolmodeals Funktion des Radius und der Fissilität für einen verdampfenden Tropfen dargestellt (grüne

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7.2. Stabilität geladener Tropfen 77

0

30

60

90

120

150

1800.6 0.7 0.8 0.9 1.0

0

1000

2000

3000

4000

5000

6000

7000

45 44 43 42 41 40 39 38 37 36 35

Tropfenradius (µm)

Pha

senv

ersc

hieb

ung

(Gra

d)

Fissilität X

Eig

ensc

hwin

gung

sfre

quen

z (H

z)

Abbildung 7.3: Berechnete Amplitude (grün), Phasenverschiebung (blau) zur antreibenden Kraft und Ei-genfrequenz (rot) der quadrupolaren Oberflächenschwingung eines verdampfenden Gly-koltropfens (Q = 3.54 pC) als Funktion des Tropfenradius. Bei einem Tropfenradius von36 µm erreicht der Tropfen eine Fissilität von X = 1. Die Berechnungen erfolgten aufGrundlage des Modells von Hasse (1975).

Kurve)1. Zusätzlich ist die Phasenverschiebung zwischen der Tropfenoszillation und der Phasedes elektrischen Wechselfeldes aufgetragen (blaue Kurve, rechte Achse). Es zeigt sich, dassAmplitude und Phasenverschiebung für Werte von X < 0.9 nur gering von der Fissilität abhän-gig sind. Nähert sich die Fissilität des Tropfens durch Verdampfen allerdings dem Rayleigh-Limit(X = 1), so kann man ein starkes Anwachsen der Amplitude beobachten. Die Phasenverschie-bung erreicht an dieser Stelle den Wert φ = 90. Die Graphen beider Größen zeigen damitdie für Resonanzkurven einer angetriebenen und gedämpften harmonischen Schwingung typi-sche Form. Das resonanzhafte Verhalten wird sofort verständlich wenn man Antriebs- und Eigen-schwingungsfrequenz miteinander vergleicht. Die Eigenfrequenz des Tropfens nimmt mit Annä-herung an X = 1 stark ab (Abb. 7.3, rote Kurve). Die Antriebsfrequenz entspricht der Frequenzder Paulfallen-Wechselspannung und ist konstant bei 300 Hz2. Resonanz tritt bei einem verdamp-fenden Tropfen in der Paulfalle also nur für nahe bei X = 1 liegende Werte der Fissilität auf, wobeisich in diesem Fall nicht die Anregungsfrequenz ω ändert, sondern die Resonanzfrequenz ω0 desgeladenen Tropfens.

1 Für kleine Änderungen des Radius δ = ∆R/R0 1 gilt mit Gleichung 7.9 für die Fissilität X :

X (R0+∆R)/X (R0) = X (R0(1+δ))/X (R0) = 1− 3δ + 6δ2 − ... ' (1− 3δ)

Für hinreichend kleine δ skaliert die Fissilität X annähernd linear mit der Tropfengröße. Der funktionelle Verlauf kanndementsprechend für einen qualitativen Vergleich im gleichen Diagramm dargestellt werden.

2 typischer Frequenz-Bereich der Wechselspannung der Paul-Falle: 100 ... 700 Hz.

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78 Kapitel 7. Coulomb-Instabilität hochgeladener flüssiger Tropfen

Das hier beschriebene Modell der linearen Oberflächenschwingungen kann damit den An-stieg von Amplitude und die Phasenverschiebung zum anregenden Wechselfeld als Resonanz-effekt erklären, nicht aber die in Abbildung 7.7 erkennbaren Asymmetrie der Schwingung kurzvor Erreichen der Coulomb-Instabilität. Die Asymmetrie deutet auf einen nichtlinearen Effekt hin,welcher im folgenden Abschnitt näher betrachtet werden soll.

7.2.3 Nichtlineare Oberflächenschwingungen

Die Rayleigh’sche Stabilitätsanalyse und die im vorigen Abschnitt vorgestellten Berechnungenzu angetriebenen Oberflächenschwingungen sind in ihrem Gültigkeitsbereich auf kleine Schwin-gungsamplituden beschränkt, d.h. es soll gelten |βl | << 1. Um die in der Einleitung benanntenasymmetrischen Schwingungen beschreiben zu können ist eine nicht-lineare Behandlung derProblematik erforderlich, wie sie für viskose ungeladene Tropfen (z.B. Basaran, 1992; Beckeru.a., 1994) und für viskose geladene Tropfen (Belonozhko und Grigor’ev, 2000; Kang, 1993)durchgeführt wurde. Als günstig für die Berechnung der angeregten Oberflächenschwingungenin einer Quadrupolfalle erwies sich die Arbeit von Tsamopoulos u.a. (1985), die im Folgenden aufeinen in der Paulfalle levitierten Tropfen angewendet werden soll. Für einen freien, nicht-viskosenund geladenen Tropfen konnten sie die Bewegungsgleichung der Auslenkung der Quadrupolde-formation der Tropfenoberfläche aufstellen:

d2A

dT 2= −kA +

24

7A2 (7.27)

Mit der dimensionslosen Zeitvariablen T = t/(ρR30/σ)1/2 und der Auslenkung der Bewegung

A (t)P2 = β2 (t)Y2 bzw. A =√

5/4πβ2. Gleichung 7.27 lässt sich leicht integrieren und es ergibtsich:

1/2 (dA/dT )2 + 1/2kA2 − 8/7A3 = C (7.28)

mit C als Integrationskonstante. Betrachtet man A als Auslenkung eines Teilchens mit der rela-tiven Masse 1, so beschreibt 7.28 die Bewegung dieses Teilchens in folgendem konservativenPotential V (A):

V (A) = 1/2kA2 − 8/7A3 (7.29)

Befindet sich das Teilchen anfangs in Ruhe, kann die Integrationskonstante aus der potentiellenEnergie zum Anfangszeitpunkt berechnet werden: C = V (A (0)). In Abbilung 7.4 ist das Potenti-al nach Gleichung 7.29 (blaue Kurve) als Funktion der Auslenkung A dargestellt. Es lassen sichdaran einige interessante Eigenschaften ablesen. Bemerkenswert ist die einseitige Potentialbar-riere für positive Auslenkungen A, die für einen Tropfen einer prolaten Deformation entsprechen.Dies bedeutet, dass stabile periodische Bewegungen um den Nullpunkt nur bis zu Auslenkungenvon A < 7k/24 möglich sind. Für einen geladenen Tropfen bedeutet dies, dass eine Coulomb-Instabilität auch für Tropfenladungen unterhalb des Rayleigh-Limits (k = 0) stattfinden kann, vor-ausgesetzt der Tropfen wird zu Schwingungen angeregt oder anderweitig deformiert. Zusätzlichzur Potentialkurve ist in Abbildung 7.4 auch die numerisch mit Hilfe der Runge-Kutta-Methodeberechnete Phasenraumkurve A′(A) (rot) für einen Wert von k = 4.2 und einer Anfangsauslen-kung von A(0) = 1 aufgetragen. Deutlich erkennbar ist die asymmetrische maximale Auslenkung

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7.2. Stabilität geladener Tropfen 79

( Α, Α’ ) - P h a s e n k u r v e P o t e n t i a l V ( Α)

Α

V ( Α) , Α’

k = 4 . 2

7 k / 2 4- 7 k / 4 8

~ k 3 / 7 0

p r o l a t eD e f o r m a t i o n

o b l a t eD e f o r m a t i o n

Abbildung 7.4: Potential V (A) (blaue Kurve) nach Gleichung 7.29 als Funktion des Deformationspara-meters A sowie die Phasenraumkurve einer simulierten Oszillation (A,A′) (rot) für k = 4.2und einer Anfangsamplitude von A (0) = 1. V und A′ sind beide auf der Ordinate aufge-tragen.

von prolater und oblater Deformation.

Abbildung 7.5 zeigt die stabilen Oszillationen der Auslenkung A(T ) für drei verschiedene Wer-te von k, jeweils für eine Anfangsauslenkung von A(0) = 1. Bei einem verdampfenden geladenenTropfen verringert sich der Wert von k und nähert sich dem klassischen Rayleigh-Limit (k = 0).In der Abbildung ist zu erkennen, wie dabei die Periode der Schwingung zunimmt, bzw. sichdie Eigenschwingungsfrequenz des Tropfens verringert, wie es auch nach dem linearen Modellzu erwarten ist. Gleichzeitig ist die Zeitspanne prolater Tropfendeformation länger verglichen mitder Zeitspanne oblater Deformation. Diese Asymmetrie wird größer, je mehr sich der Parameter kdes verdampfenden Tropfens dem kritischen Wert von kc = 24/7 = 3.4286 annähert, der bei einerAnfangsauslenkung von A(0) = 1 die untere Grenze von k für stabile periodische Oszillationender Tropfenoberfläche markiert.

Diese Ergebnisse gilt es nun auf einen realen Tropfen in der elektrodynamischen Paulfalle zuübertragen, d.h. die Viskosität des Tropfens muss berücksichtigt werden und ebenso auch dieKopplung der Oberflächenoszillationen mit dem elektrischen Feld der Paulfalle. Dazu wird dieBewegungsgleichung 7.27 zuerst in eine analoge Form zur linearen Bewegungsgleichung 7.19gebracht.

Gleichung 7.27 lässt sich in die schon im vorigen Abschnitt verwendeten Variablen trans-formieren. Dabei wird zugunsten der Übersichtlichkeit im Folgenden der Index l = 2 für alle

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80 Kapitel 7. Coulomb-Instabilität hochgeladener flüssiger Tropfen

0 2 4 6 8 0 2 4 6 8- 1 . 0

- 0 . 5

0 . 0

0 . 5

1 . 0

1 . 5

0 2 4 6 8- 1 . 0

- 0 . 5

0 . 0

0 . 5

1 . 0

1 . 5

T

k = 3 . 5k = 4 . 2k = 1 0 . 5

A(T)

T

A(T)

T

p r o l a t

o b l a t

Abbildung 7.5: Zeitliche Entwicklung der Auslenkung A(T ) bei einer stabilen Oszillation der Tropfenober-fläche als Funktion der Zeit T für drei verschiedene Werte des Parameters k (Glg. 7.27)nach Tsamopoulos u.a. (1985).

Variablen unterdrückt. Es ergibt sich:

d2β

dt2=

(ρR3

0

σ

)−1(−k√

5β +

24

7β2

)(7.30)

Für sehr kleine Schwingungsamplituden (β → 0) muss diese Gleichung in die Lösung aus demvorigen Abschnitt übergehen. Mit dieser Bedingung kann der Parameter k bestimmt werden zu:

k =

(ρR3

0

σ

)·√

5

4π· CM

(7.31)

Durch Einführung der Konstanten K = 12/7σR20 kann Gleichung 7.30 wie folgt geschrieben wer-

den:Mβ + Cβ − Kβ2 = 0 (7.32)

Im Vergleich mit der Schwingungsgleichung 7.18 tritt neben dem hier unberücksichtigten visko-sen Reibungsterm zusätzlich ein in der Auslenkung β quadratischer Term auf. Die Bewegung derOberfläche nach Gleichung 7.32 entspricht der Bewegung eines Massenpunktes der Masse 1 ineinem konservativen Potential der Form:

Vpot (β) =C

2Mβ2 − K

3Mβ3 (7.33)

Auslenkungen kleiner als ein kritischer Wert βkrit = C/K führen zu stabilen Schwingungen. Wirddie kritische Auslenkung überschritten, kommt es zu einem steten Anwachsen der Auslenkungund damit zu einer Coulomb-Instabilität des Tropfens, wobei die Instabilität immer in Richtungprolater Deformationen und nie in Richtung oblater Deformationen erfolgt. Diese Aussage kannauch als neue Stabilitätsgrenze interpretiert werden. Demnach wird die maximale Oberflächen-ladung eines Tropfens zusätzlich durch eine Deformation begrenzt. Mathematisch lässt sich das

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7.2. Stabilität geladener Tropfen 81

so formulieren, dass zu einer gegebenen Auslenkung β die Fissilität des Tropfens den Wert

X < 1− 3/7β (7.34)

nicht überschreiten kann. Für die Oberflächenladung gilt dann ein modifiziertes Rayleigh-Limit:

Q < QR ·√

1− 3/7β (7.35)

Diese Aussage ist eine Verallgemeinerung der Stabilitätsbedingung von Rayleigh auf einen ach-sensymmetrisch deformierten, geladenen Tropfen.

Unter Berücksichtigung der Viskosität und des äußeren Antriebs durch das Wechselfeld derPaulfalle kann die Bewegungsgleichung 7.32 vervollständigt werden:

Mβ + Z β + Cβ − Kβ2 = Cβ0 cos (ωt) (7.36)

Diese Differentialgleichung beschreibt die zeitliche Entwicklung der Auslenkung β der Quadrupol-Oberflächenmode eines viskosen, geladenen Tropfens im elektrischen Wechselfeld einer hyper-bolisch geformten Paulfalle. Sie wurde numerisch mithilfe eines LabView-Programmes unter Ver-

0 1 2 3 4 5 6 7 8- 0 . 1 0- 0 . 0 8- 0 . 0 6- 0 . 0 4- 0 . 0 20 . 0 00 . 0 20 . 0 40 . 0 60 . 0 80 . 1 0

1 . 5

1 . 0

0 . 5

0 . 0

- 0 . 5

- 1 . 0

- 1 . 5

A u s l e n k u n g β ( t ) G e s c h w i n d i g k e i t d β / d t A n t r i e b φ ( t )

β

Z e i t / m s

p r o l a to b l a t

µ

Abbildung 7.6: Auslenkung β (blau) und Geschwindigkeit dβ/dt (rot, unskaliert) der quadrupolaren Ober-flächenmode einer durch das äußere elektrische Feld der Paulfalle angeregten Tropfen-schwingung (Glg. 7.36 numerisch gelöst). Tropfenparameter: R = 45.95 µm; Q = 5.0 pC;X = 0.96; Viskosität und Oberflächenspannung eines Glykoltropfens bei einer Tempera-tur von T = 50 C. Fallenparameter: Fallenradius r0 = 5 mm;U = 2000 V; f = 300 Hz;Zusätzlich aufgetragen ist die Phase des äußeren Feldes (grün, unskaliert).

wendung der Runge-Kutta-Methode vierter Ordnung für einen bis an die Grenze des Stabili-tätsbereiches aufgeladenen Glykoltropfen gelöst (η = 7.2 mPas; σ = 48 mN/m; ρ = 1.11 g/cm3;R = 45.95 µm; Q = 5.0 pC; X = 0.96). Die berechnete Auslenkung β und ihre zeitliche Ableitungdβ/dt sind in Abbildung 7.6 als Funktion der Zeit aufgetragen. Zur Anschauung ist zusätzlich die

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82 Kapitel 7. Coulomb-Instabilität hochgeladener flüssiger Tropfen

Phase des äußeren elektrischen Wechselfeldes dargestellt. Im Vergleich mit der Schwingung imfreien, nicht-viskosen Fall (siehe Abb. 7.5 k=3.5) werden einige Unterschiede deutlich. Währendeiner Schwingungsperiode ist der Tropfen nahezu 66% der Zeit prolat deformiert, und nur 35%

der Zeit oblat. Beide Umkehrpunkte der Schwingung zeigen eine unterschiedliche Phasenver-schiebung zu den entsprechenden Umkehrpunkten des äußeren Wechselfeldes. Der Übergangvon maximal prolater Auslenkung zu maximal oblater Auslenkung erfolgt innerhalb von 0.96 ms

und damit 2.4 mal schneller, als der umgekehrte Übergang von oblat nach prolat.

7.3 Durchführung des Experiments

Für das Experiment zur Untersuchung der Coulomb-Instabilität flüssiger Tropfen wurde eine hy-perbolische Falle des Achteck-Typs verwendet. Der Vorteil dieser Falle für dieses Experiment liegtzum einen in der höheren Symmetrie der Fallenelektroden und zum anderen in der Verfügbarkeiteines optischen Ports im Bereich des 90 Streuwinkels. Das Streulicht in diesem Winkelbereichhat einen geringeren Offset bei gleichzeitig hoher Amplitudenmodulation im Vergleich zu anderenStreuwinkeln.

Im Ablauf eines typischen Experiments wurde erst ein Tropfen auf herkömmliche Weise in derFalle eingefangen, und nach Aktivierung der automatischen Höhenkontrolle in das Zentrum derFalle gebracht. Das vom Tropfen gestreute Licht im Bereich von ca. 79 bis 101 Grad wurde übereine Linse auf eine Photodiode mit einer typischen Anstiegszeit von 50 µs abgebildet (siehe Abb.4.5). Das Signal der Photodiode wurde mit einem Digital-Oszilloskop (Lecroy 9361) aufgezeich-net, wobei die Erfassung der Messwerte synchron zur Wechselspannung der Paulfalle erfolgte.Der erfasste Zeitbereich wurde immer so gewählt, dass mindestens anderthalb bis maximal zweiPerioden der Wechselspannung aufgenommen wurden. Die erhaltenen Zeitreihen wurden dannvom Digital-Oszilloskop über GPIB-Interface-Bus auf den Computer übertragen. Die recht gerin-ge Übertragungsrate des GPIB-Interface begrenzte die maximale Aufnahmefrequenz bei dieserMethode auf ca. 0.8 Hz.

Die Abbildungen 7.7 b) bis k) zeigen exemplarisch die im Experiment gemessene Intensitätdes gestreuten Lichts eines langsam verdampfenden Glykoltropfens im Vergleich zur Phase derWechselspannung der Paulfalle (Abb. 7.7 a) zu verschiedenen Zeitpunkten vor einer Coulomb-Instabilität. Bei genauerer Betrachtung ist zu erkennen, dass das Tropfenstreulicht mit der Fre-quenz der Wechselspannung der Paulfalle und mit einer zweiten, höheren Frequenz moduliert ist.Die Modulation des Streulichts mit der Frequenz der Wechselspannung lässt sich dadurch erklä-ren, dass das zeitlich periodische Wechselspannungsfeld der Paulfalle den geladenen Tropfen zuOberflächenschwingungen anregt, wobei eine periodische Änderung der Tropfenform sich in ei-ner periodischen Änderung des Tropfenstreulichts äußert. Da flüssige, mikrometergroße TropfenResonatoren hoher Güte darstellen, können auch Schwingungsamplituden, die nur Bruchteile derWellenlänge des Laserlichts betragen, im Streulicht des Tropfens detektiert werden. Bei geringenSchwingungsamplituden können die Umkehrpunkte der Schwingung anhand der Spiegelsymme-trie des Streulichtsignals, die bei den Umkehrpunkten auftreten muss, identifiziert werden.

Bei fortschreitendem Verdampfen des Tropfens nähert sich dieser der Stabilitätsgrenze unddurchläuft schliesslich eine Coulomb-Instabilität. Letztere ist in diesen Momentaufnahmen der

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7.3. Durchführung des Experiments 83

0 2 4 6 8 1 0 0 2 4 6 8 1 0

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Abbildung 7.7: Relative Intensität des gestreuten Lichtes eines verdampfenden Glykoltropfens bei An-näherung an eine Coulomb-Instabilität (b-i). Zum Vergleich sind ebenfalls die Intensitätdes gestreuten Lichtes nach der Coulomb-Instabilität (k) und die Phase der Paulfallen-Wechselspannung (a) dargestellt.

Streulichtintensität nicht aufgelöst und erfolgte ca. 72 Sekunden nach Beginn der Messung. InAbbildung 7.7 i) ist gut zu erkennen, dass die Oberflächenschwingung stark asymmetrisch wird,wenn der Tropfen die Stabilitätsgrenze erreicht. Diese Asymmetrie deutet auf eine nicht-lineareSchwingung der Tropfenoberfläche hin. Nach der Coulomb-Instabiliät verringern sich Schwin-gungsamplitude und Phasenverschiebung zum äußeren Wechselfeld der Paulfalle dramatisch,was darauf hindeutet, dass sich die Eigenschwingungsfrequenz der Oberflächenschwingungennicht mehr in Resonanz mit dem Wechselfeld der Falle befindet.

Gleichzeitig zur Streulichtintensität als Funktion der Zeit wurde auch ein einzelnes Winkel-spektrum für die Größenbestimmung aufgenommen. Dies geschah immer kurz nach der Coulomb-Instabilität, da die Tropfenoberfläche kurz vor der Instabilität zu Schwingungen angeregt ist unddamit die Information in dem für die Größenbestimmung notwendigen Winkelspektrum durch Mit-telung zerstört wird. Dies kann verhindert werden, indem der Detektor, der das Winkelspektrumaufnimmt, mit wesentlich höherer Frequenz als der Frequenz des Paulfallenwechselfeldes aus-gelesen wird. Direkt nach der Coulomb-Instabilität ist die Amplitude der Tropfenschwingung aller-dings wieder so gering, dass die Mittelung durch die relativ lange Auslesezeit des CCD-Detektorsdas Winkelspektrum nicht zerstört. Gleichzeitig verliert der Tropfen durch die Instabilität nur einenverschwindend kleinen Teil seiner Masse (δm < 0.5%), so dass der systematische Fehler durchAufnahme des Winkelspektrums direkt nach der Coulomb-Instabilität als vernachlässigbar ange-

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84 Kapitel 7. Coulomb-Instabilität hochgeladener flüssiger Tropfen

nommen werden kann.Für den Vergleich der Streulichtmessungen mit der Theorie ist es nun notwendig, die gemes-

senen Änderungen im Streulicht in Änderungen der Tropfenform zu übertragen.

7.3.1 Berechnung der Schwingungsamplitude aus Lichtstreumessungen

Mit Hilfe des bereits vorgestellten Modells der optisch-äquivalenten Kugel (siehe Abschnitt 3.3)kann einer Änderung im Streulicht eines schwingenden Tropfens eine Änderung im äquatorialenRadius des Tropfens zugeordnet werden. Zur Bestimmung der tatsächlichen Schwingungsampli-tude muss dazu vorerst die Änderung des Tropfenstreulichts in geeigneter Form parametrisiertwerden. Dazu wird die Zeitreihe I (t) eines Tropfens berechnet, dessen Äquator-Radius anhar-monisch mit dem Wechselfeld oszilliert1:

RAqu. (t) = R0 [a1 cos (ωt + φ1) + a2 cos (2ωt + φ2)] (7.37)

Durch Variation der Amplituden a1 und a2, sowie der Phasen φ1 und φ2 kann die über den zeit-abhängigen Äquatorradius berechnete Intensität an die gemessene Streuintensität angepasstwerden.

0 2 4 6 8 1 0

Z e i t / m sAbbildung 7.8: Modulierte Streuintensität durch periodische Oszillation des äquatorialen Radius. Mess-

werte (Kreise) und Simulation (Linie).

Das Resultat ist beispielhaft in Abbildung 7.8 für einen mit geringer Amplitude schwingen-den Tropfen gezeigt (Vergleich Abb. 7.7d ). Aufgetragen sind gemessene (Kreise) und berechne-te (Linie) Streuintensität für zwei Perioden der Paulfallen-Wechselspannung. Aus den optimalenAmplituden (a1, a2) und Phasen (φ1,φ2) kann die Schwingungsweite und die Phasenverschiebun-gen von prolatem und oblatem Umkehrpunkt des Tropfens berechnet werden. Der Äquatorradiusund die Auslenkung in Einheiten der Kugelflächenfunktion sind dabei über folgende Beziehungmiteinander verknüpft:

RAqu. = R0

[1− β

√5/16π

](7.38)

1 Als Zeitreihe eines Tropfens wird die winkelintegrierte Intensität des Tropfenstreulichts als Funktion der Zeit bezeich-net. In den meisten experimentellen Situationen verändert sich das Tropfenstreulicht dabei durch Änderungen derTropfengröße, z.B. durch Verdampfen des Tropfens (siehe auch Abb. 3.5). In der hier beschriebenen Situation wird dieÄnderung des Streulichts durch die periodische Tropfendeformation hervorgerufen.

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7.4. Auswertung und Ergebnisse 85

Der interessanteste Bereich für die Analyse der Nichtlinearität der Tropfenschwingung liegtdirekt vor dem Erreichen des Rayleigh-Limits. Um die zeitliche Auflösung der Photodiode unddes Digital-Oszilloskops optimal auszunutzen und möglichst viele Details des Streulichts vor derCoulomb-Instabilität des Tropfens aufzunehmen, wurde das Oszilloskop im Einzel-Trigger-Modusbei höchster Sample-Rate betrieben und auf die Instabilität des Tropfens getriggert. Dabei kamder Umstand zugute, dass die Intensität des Streulichts einen ausgeprägten Anstieg bei einerCoulomb-Instabilität zeigt. Der gesamte aufgenommene Zeitbereich vor der Instabilität wurdedabei entweder mit 500 ms oder mit 1 s gewählt.

- 1 5 - 1 0 - 5 0 5

Abbildung 7.9: Intensität des gestreuten Lichtes eines Tropfens und Phase der Wechselspannung beiDurchlaufen einer Coulomb-Instabilität (Letzte 25 ms von insgesamt 500 ms).

Abbildung 7.9 zeigt einen Ausschnitt des aufgenommenen Streulichts (blau) bei Erreichender Coulomb-Instabilität. Die Dauer der gesamten Aufnahme betrug 500 ms, im Diagramm dar-gestellt sind der Übersichtlichkeit halber nur 25 ms. Zum Vergleich ist gleichzeitig auch die Phasedes Paulfallenwechselfeldes aufgetragen (rot). Der grau schattierte Bereich markiert den Zeitbe-reich von 2 ms in welchem die Coulomb-Instabilität stattfand. Die Streulichtintensität wurde wieim vorigen Abschnitt beschrieben ausgewertet und die erhaltenen Schwingungsweiten und Pha-senverschiebungen analysiert.

7.4 Auswertung und Ergebnisse

Abbildung 7.10 zeigt Schwingungsweite und Phasenverschiebung für vier verschiedene verdamp-fende Tropfen bei Annäherung an eine Coulomb-Instabilität, wobei der Zeitpunkt für letztere je-weils durch eine senkrechte gepunktete Linie angedeutet ist. Die waagerechten gepunktetenLinien zeigen die über numerische Lösung von Gleichung 7.36 berechneten maximalen Schwin-gungsweiten und Phasenverschiebungen an. Um eine Vorstellung für die Stärke der Dämpfungder Tropfenoszillation zu erhalten kann ausgehend von der linearen, gedämpften Schwingungs-

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86 Kapitel 7. Coulomb-Instabilität hochgeladener flüssiger Tropfen

gleichung 7.18 das Dämpfungsmaß D berechnet werden1.

Tropfen ABetrachtet man zunächst Tropfen A, so fällt sofort die stark ansteigende Schwingungsweite(linke Seite, rote Dreiecke) kurz vor Erreichen der Instabilität auf. Aufgrund der großenSchwingungsweite und der begrenzten Zeitauflösung der Fotodiode konnten in den letztenSchwingungsperioden vor der Instabiliät keine Schwingungsweiten mehr bestimmt werden.Um die Entwicklung der Messpunkte bis zur Instabilität zu verdeutlichen wurde eine doppelt-exponentielle Kurve in die Datenpunkte angepasst (durchgezogene rote Linie). Aus dieserKurve kann die Schwingungsweite direkt vor Erreichen der Instabilität abgeschätzt werden.Die Phasenverschiebung des prolaten Umkehrpunktes (rechte Seite, blaue Quadrate) steigtkurz vor der Instabilität rasant an, wogegen sich die Phase des oblaten Umkehrpunktes(rechte Seite, grüne Quadrate) nur unwesentlich ändert, was einer deutlich asymmetrischenSchwingung entspricht.

Tropfen BNoch deutlicher wird dies bei Tropfen B. Die von 2.4 kV auf 5.0 kV erhöhte Amplitude derWechselspannung und durch die im Vergleich zu Tropfen A geringere Umgebungstempera-tur bedingte höhere Viskosität ergeben zusammen eine um ca. 1.5 erhöhte Schwingungs-weite. Die niedrigere Temperatur von 53°C führt zusätzlich zu einer geringeren Verdamp-fungsgeschwindigkeit und damit zur Aufnahme eines verkürzten Ausschnittes der Reso-nanzkurve bei gleichem Zeitfenster. Aus diesem Grund setzt die Schwingungsweite zur Zeitt = 0 ms bereits bei einem Wert von ca. 0.55 µm ein. Die Phasenverschiebungen für TropfenB können auf gleiche Weise interpretiert werden: Aufgrund der verlangsamten Verdamp-fungsrate ist der Tropfen bei t = 0 ms näher an der Instabilität. Der prolate Umkehrpunkterreicht dabei eine Phasenverschiebung von 112. Durch die effektiv höhere zeitliche Auf-lösung im Bereich vor der Instabilität kann man jetzt auch ein deutliches Ansteigen derPhasenverschiebung des oblaten Umkehrpunktes erkennen.

Tropfen CTropfen C wurde bei einer Temperatur von 48C gemessen, wobei allerdings andere Para-meter, wie Amplitude der Wechselspannung und Tropfengröße annähernd konstant blieben,so dass die Schwingungsweite der Oszillation kurz vor der Instabilität wieder annäherndgleich ist. Das resonanzhafte Verhalten der Tropfenschwingungen ist durch die niedrigereTemperatur und die damit weiter ansteigende Überdämpfung nicht mehr in der Schwin-gungsweite erkennbar. Im Diagramm der Phasenverschiebungen ist dagegen jetzt auchsehr gut das Ansteigen der Phasenverschiebung des oblaten Umkehrpunktes zu beobach-ten. Sie erreicht einen Wert von ca. 71.

Tropfen DDie Messung bei der niedrigsten Temperatur (37C) erfolgte an einem Tropfen mit einemwesentlich kleineren Radius von 29 µm. Aufgrund der geringen Verdampfungsgeschwindig-keit wurde die Messung auch über den doppelten Zeitbereich von 1 s durchgeführt. Die

1 Das Dämpfungsmaß nimmt folgende Form an: D = Zl/2√

Cl Ml . Für die Schwingung können drei Fälle unterschiedenwerden (Magnus und Popp, 1997): 0 < D < 1 gedämpfte Schwingung; D = 1 aperiodischer Grenzfall; D > 1 Kriechfall

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7.4. Auswertung und Ergebnisse 87

0 1 0 0 2 0 0 3 0 0 4 0 0 5 0 00 . 00 . 20 . 40 . 60 . 81 . 01 . 21 . 41 . 61 . 82 . 02 . 22 . 4

0 1 0 0 2 0 0 3 0 0 4 0 0 5 0 00

2 0

4 0

6 0

8 0

1 0 0

1 2 0

1 4 0

0 1 0 0 2 0 0 3 0 0 4 0 0 5 0 00 . 00 . 20 . 40 . 60 . 81 . 01 . 21 . 41 . 61 . 82 . 02 . 22 . 4

0 1 0 0 2 0 0 3 0 0 4 0 0 5 0 00

2 0

4 0

6 0

8 0

1 0 0

1 2 0

1 4 0

0 1 0 0 2 0 0 3 0 0 4 0 0 5 0 00 . 00 . 20 . 40 . 60 . 81 . 01 . 21 . 41 . 61 . 82 . 02 . 22 . 4

0 1 0 0 2 0 0 3 0 0 4 0 0 5 0 00

2 0

4 0

6 0

8 0

1 0 0

1 2 0

1 4 0

0 2 0 0 4 0 0 6 0 0 8 0 0 1 0 0 00 . 00 . 20 . 40 . 60 . 81 . 01 . 21 . 41 . 61 . 82 . 02 . 22 . 4

0 2 0 0 4 0 0 6 0 0 8 0 0 1 0 0 00

2 0

4 0

6 0

8 0

1 0 0

1 2 0

1 4 0

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Abbildung 7.10: Gemessene Schwingungsweiten (Dreiecke) und Phasenverschiebungen (Quadrate) alsFunktion der Zeit für vier verschiedene Tropfen (A-D). Senkrechte Linien: Zeitpunkt derCoulomb-Instabilität. Waagerechte Linien: Maximale Werte berechnet durch numerischeLösung der Differentialgleichung 7.36. Weitere Erläuterungen im Text.

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88 Kapitel 7. Coulomb-Instabilität hochgeladener flüssiger Tropfen

Schwingungsweite vor der Instabilität ist mit 0.28 µm geringer als bei den Tropfen A bis C.Auch hier ist wieder kein Resonanzverhalten in der Schwingungsweite zu erkennen. DieKurven für die Phasenverschiebung beider Umkehrpunkte steigen annähernd gleichzeitigbis zu Werten zwischen 70 und 90 an.

7.4.1 Diskussion der Ergebnisse

Wie zu erwarten tritt für kleine Schwingungsweiten keine Asymmetrie in den Oszillationen derTropfen auf. Dies zeigt sich bei Tropfen A (bis 400 ms) und bei Tropfen D (über die ganze Mes-sung). Damit kann eine obere Grenze für die Gültigkeit einer Bewegungsgleichung auf Basiseiner linearisierten Navier-Stokes-Gleichung angegeben werden. Diese Grenze liegt bei einerSchwingungsamplitude von ca. 1% des Tropfenradius.

Nähert sich die Schwingungsweite, bzw. überschreitet sie diese Grenze, so steigt die Pha-senverschiebung des prolaten Umkehrpunktes stark an. Sie ist damit ein Ausdruck der Nicht-Linearität der Oberflächenschwingung. Die Phasenverschiebung des oblaten Umkehrpunktes istim Gegensatz dazu ein Ausdruck für die Resonanz von Eigenschwingungsfrequenz des Tropfensund der Frequenz des Paulfallen-Wechselfeldes.

Die durch numerische Lösung der Bewegungsgleichung 7.36 erhaltenen maximalen Schwin-gungsweiten sind in Abbildung 7.10 als waagerechte Linien eingetragen und ihre Zahlenwerte inTabelle 7.1 ersichtlich. Sie liegen nahe bei den gemessenen Schwingungsweiten, überschätzendiese aber in drei von vier Fällen. Die Phasenverschiebungen werden dagegen sehr gut durchdie numerisch berechneten wiedergegeben.

PhasenverschiebungFissilität Schwingungsweite prolat oblat

Tropfen D Num. Xβ Num. Mess. Num. Mess . Num. Mess.

A 0.5 .965 .937 1.67 µm 2.00 µm 86° 92° 7° 11°B 1.1 .955 .944 2.27 µm 1.90 µm 112° 123° 27° 39°C 1.4 .962 .960 1.89 µm 1.32 µm 129° 118° 73° 69°D 3.9 .984 .987 0.50 µm 0.28 µm 97° 88° 81° 74°

Tabelle 7.1: Vergleich der maximalen Werte von Schwingungsweite und Phasenverschiebung des nume-rischen Modells (Num.) mit den im Experiment gemessenen Werten (Mess.). Desweiteren istfür jeden Tropfen das Dämpfungsmaß (D) für den Bereich linearer Schwingungen, sowie dieFissilität im Moment der Coulomb-Instabilität im Vergleich zur maximal möglichen Fissilität Xβnach Gleichung 7.35 dargestellt.

Die numerisch erhaltenen Fissilitäten im Moment der Coulomb-Instabilität sind ebenfalls inTabelle 7.1 aufgelistet. Parallel dazu wurden die Werte des auslenkungsbegrenzten Stabilitäts-grenze Xβ (Glg. 7.35) berechnet. Bis auf Tropfen A stimmen beide Fissilitätsgrenzen sehr gutüberein.

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Kapitel 8

Zusammenfassung und Ausblick

Die vorliegende Arbeit beschäftigte sich mit dem Aufbau eines Systems zur Untersuchung einzel-ner atmosphärischer Partikel in einer Paulfalle. Dazu wurden zwei elektrodynamische Levitatorenmit hyperbolisch geformten Elektroden und eine dazugehörige Vakuumkammer zur thermischenIsolierung entworfen und aufgebaut. In Kombination mit der Vakuumkammer konnte die Tempe-ratur der Fallen und damit die Umgebungstemperatur der levitierten Partikel in einem Tempe-raturbereich von −107C bis +90C gewählt werden. Über einen separaten Gaseinlass könnenDruck und Gaszusammensetzung in der direkten Umgebung des zu untersuchenden Probenpar-tikels variiert und somit definierte atmosphärische Bedingungen geschaffen werden. Die kom-pakt konstruierte Vakuumkammer besaß eine maximale Höhe von 4 cm und eignete sich damitfür Untersuchungen einzeln levitierter Partikel im Fokus eines Mikroskops (Müller, 2003; Rze-sanke, 2005). Zusätzlich zur Achteck-Falle wurde ein zweiter Typ einer hyperbolisch geformtenFalle entwickelt, der eine direkte Beobachtung von Winkelspektren levitierter Partikel im Win-kelbereich von ca. 90 bis 160 Grad ermöglicht. Im Vergleich zu den bisher in der Arbeitsgruppegenutzten elektrodynamischen Doppelringfallen konnten durch Verwendung der Paulfallen mithyperbolischem Elektrodendesign die Einfangeigenschaften und die thermische Homogenität inder Umgebung des Tropfens verbessert werden.Mit dem aufgebauten System wurden im Zuge dieser Arbeit Experimente zu drei verschiedenenFragestellungen durchgeführt:

Brechungsindex superkritischer Lösungen

Unter Verwendung des elektrodynamischen Levitators des Regenbogentyps gelang es, eineneue Methode zur Bestimmung des Brechungsindex von flüssigen, elektrisch geladenen Parti-keln zu entwickeln. Die Methode basiert auf der Messung des Winkelabstandes der Maxima vonRegenbogen erster und zweiter Ordnung. Unter Ausnutzung der besonderen Eigenschaft derberührungslosen Speicherung geladener Partikel in einer Paulfalle wurde der Brechungsindexvon stark unterkühlten Wassertropfen bestimmt. Dabei wurde der Brechungsindex von Wassererstmals im Temperaturbereich von −16C bis −36.5C gemessen. Die Messwerte bei höherenTemperaturen konnten mit Werten aus der Literatur verglichen werden wobei eine sehr guteÜbereinstimmung festgestellt wurde.

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90 Kapitel 8. Zusammenfassung und Ausblick

Gefrierverhalten unterkühlter Wolkentropfen

Zur Untersuchung des Gefrierverhaltens von stark unterkühlten Wassertropfen hinsichtlich einermöglichen Oberflächen-aktivierten Nukleation wurden die Nukleationsraten zweier unterschied-licher Größenklassen (r1 = 19 µm und r2 = 49 µm) von Wassertropfen bei einer Temperaturvon −36.1C gemessen. Die Auswertung der erhaltenen Nukleationsraten lieferte im Sinne einerVolumen-proportionalen Nukleationsrate schlüssige Ergebnisse, wobei kein Einfluss der Oberflä-che auf das Gefrieren unterkühlter Wassertropfen größer als 1 µm im Radius festgestellt werdenkonnte. Für kleinere Tropfen sollte allerdings eine mögliche Oberflächen-aktivierte Nukleations-rate in Betracht gezogen werden.

Die Messung der Nukleationsrate an einzeln levitierten unterkühlten Wassertropfen in einerPaulfalle ist ein hochpräzises Messverfahren. Im Vergleich mit Wolkenkammerexperimenten istdie Temperatur des levitierten Partikels genauer definiert und unterliegt geringeren Schwankun-gen. Es liegt deshalb nahe, die Gefriermessungen auch auf kleinere Tropfengrößen zu erweiternund die Präzision der Methode auszunutzen. Wolkentropfen können mit dem vorhandenen Sys-tem bis zu einem Radius von 1 µm in der Paulfalle levitiert und ihr Gefrieren detektiert werden.Problematisch gestaltet sich nur die Erzeugung derart kleiner Wassertropfen. Wie von Chen undBasaran (2002) gezeigt können dazu auch die vorhandenen Injektoren unter Verwendung modi-fizierter Pulsformen zur Erzeugung kleinster Wassertropfen genutzt werden.

Coulomb-Instabilität hochgeladener flüssiger Tropfen

Im dritten Experiment wurde das nichtlineare falleninduzierte Schwingungsverhalten flüssigerTropfen bei Erreichen einer ladungsbedingten Instabilität untersucht. Dazu wurden einzelne hoch-geladene Tropfen aus Ethylenglykol in der Paulfalle des Achtecktyps levitiert und die zeitabhän-gige Auslenkung der falleninduzierten Schwingungen der Tropfenoberfläche während des Ver-dampfens der Tropfen mit Hilfe der elastischen Lichtstreuung gemessen. Die Analyse der nicht-linearen Schwingungen erfolgte mithilfe der numerisch gelösten Schwingungsgleichung und be-stätigte die von Lord Rayleigh 1882 postulierte Stabilitätsgrenze (X = 1) für sehr kleine Schwin-gungsamplituden (β 1). Für den Fall moderater Schwingungen (β ≤ 1) ergab die Analyseeine Modifizierung des Stabilitätslimits. Demnach kann die Fissilität X eines flüssigen, elektrischgeladenen und ellipsoidal verformten Tropfens den Wert Xβ = 1− 3/7β nicht übersteigen.

Für zukünftige Experimente ergeben sich einige interessante Fragen. Die Coulomb-Instabilitätgeladener flüssiger Tropfen ist einer der wenigen Prozesse, die die Teilung einer Flüssigkeitspro-be im Mikrometer-Größenbereich ermöglichen. Dies wird bereits beim Elektrospray-Verfahren da-zu genutzt, feinste geladene Partikel und Moleküle zu erzeugen. Von Interesse ist dabei, aus wel-chen Bereichen des ursprünglichen Tropfens die Flüssigkeit der Tochtertropfen entstammt. DieseFrage könnte durch das Studium der Coulomb-Instabiltät mehrphasiger Tropfen in der Paulfalle(Wender, 2007) gelöst werden. Dies könnte unterstützt werden durch die Verwendung von Fluo-reszenzfarbstoffen oder durch die Kopplung der Paulfalle mit einem Massenspektrometer. Des-weiteren berichteten Li u.a. (2005) kürzlich von relativ hohen Masseverlusten bei Messungen zurCoulomb-Instabilität in ihrem Levitationsapparat. Die gemessenen Masseverluste betrugen beiTropfen aus Diethylphthalat ∆m/m0 = (2.28 ± 0.45)% und Hexadekan ∆m/m0 = (1.48 ± 0.37)%

und wurden der hohen Viskosität dieser Flüssigkeiten zugeschrieben. Die Autoren vermuteten,

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dass für solche Flüssigkeiten zwischen 2 bis 3 Tochtertropfen bei einer Coulomb-Instabilität ge-neriert werden. Die Aufspaltung eines Tropfens in nur wenige Tochtertropfen, sowie die noch un-geklärten Unterschiede im Verhalten positiv und negativ geladener Tropfen (Österreicher, 2004;Müller, 2010) könnten durch die Verwendung hochviskoser Flüssigkeiten geklärt werden.

Ausblick

Das entwickelte System aus einer elektrodynamischen Paulfalle mit hyperbolischer Elektroden-konfiguration in einer Vakuumkammer hat sich hervorragend zur Speicherung und Untersuchunggeladener atmosphärischer Partikel bewährt. Die Möglichkeiten dieser Technik können allerdingsnoch erweitert werden. Im Folgenden werden weitere Vorschläge dazu dargelegt:

- Die zwischen den hyberbolischen Elektroden der Paulfalle angebrachten Isolatorscheibenkönnen durch entsprechend geformte Peltierelemente ersetzt werden. Dies würde die Er-zeugung eines definierten Temperaturgradienten in der Falle ermöglichen. Bei einem ent-sprechenden Fluss von Wasserdampf-gesättigter Luft durch die Falle kann durch den Tem-peraturgradienten in der Falle eine Wasserdampf-Übersättigung erzeugt werden. Dies wür-de die Untersuchung von Kondensationsprozessen an einzelnen flüssigen oder gefrorenenWolkenpartikeln ermöglichen.

- Generell eignet sich die Levitationstechnik zur Untersuchung von Phasenübergängen ausüberkritischen Zuständen. In das Interesse der Atmosphärenphysik sind kürzlich Aerosolein glasartigen Zuständen gerückt (Murray u.a., 2010). Die Eigenschaften solcher glasarti-gen Wolkenpartikeln könnten an einzelnen levitierten Partikeln in der gekühlten Paulfallestudiert werden.

- Die vertikalen Öffnungen in Boden- und Deckelelektrode der Paulfalle können für ein ver-tikales Luftströmungssystem verwendet werden. Dies ermöglicht die Untersuchung einigerProzesse, die im Experiment bisher nicht zweifelsfrei geklärt werden konnten. Dazu ge-hört zum Beispiel die Koagulation von Wolkentropfen mit Aerosolpartikeln sowie die Nu-kleationseffizienz von eis-aktiven Partikeln die durch Koagulation in Kontakt mit flüssigenunterkühlten Wolkenpartikeln gelangen.

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Page 107: Laborexperimente zur Mikrophysik der Wolken...Wolken, von der Kondensation bzw. Nukleation von Wolkentropfen an einzelnen Aerosolpartikeln, über die Koagulation und Alterung der Wolkentropfen

Danke!

Vielen Dank möchte ich an dieser Stellen allen sagen, die mich während der Doktorarbeit unter-stützt haben. Vor allem möchte ich Thomas Leisner danken, von dem ich viel gelernt habe, undder mir noch einmal die Gelegenheit gab, diese Arbeit zu einem gelungenen Abschluss zu brin-gen. Vielen Dank auch an die Tropfengang mit Krüschy, Resi und Stier, die mir so manchentrüben Tag aufgehellt haben. Ein Dankeschön an die Ilmenauer Arbeitsgruppe, das KarlsruherAIDA-Team, an Henriette und Markus für die Hilfe bei der Fertigstellung des Manuskripts undbesonders an meine Eltern für ihren Rat und ihre Unterstützung.

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