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Kunstwerk des Monats Dezember - Kunstmuseum Liechtenstein · 2013. 11. 27. · Kunstwerk des Monats...

Date post: 31-Dec-2020
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Städtle 32 · FL-9490 Vaduz · www.kunstmuseum.li Karl Prantl * 1923 in Pöttsching, Österreich, † 2010 in Pöttsching Fünf Anrufungen, 1990 Kanadischer Granit 300 × 57 × 110 cm Erworben mit Mitteln des Holenia Trust, Vaduz «Es ist anders als in Museen: die Begegnung mit so einem Stein in der Landschaft zeigt anderes Erleben: man erlebt auch den Baum, das Gras, das Moos und die Wolken.» (Karl Prantl) In eine präzise, hochrechteckige Quaderform gehauen, ragt der Steinmonolith drei Meter in die Höhe. In einer der Breitseiten sind fünf Halbkugeln – klar eine vertikale Mittelachse setzend – eingelassen, in denen sich die Schatten des wandernden Sonnenlichts einschreiben, wohingegen sich in den rundum glatt geschliffenen und polierten Flächen die Umgebung bis hin zu den Gebirgszügen spiegelt. Im offenen Raum finden nicht nur die Steine Karl Prantls Aufstellung; auch ein Arbeiten und Denken in Freiräumen hat der Künstler sich zum Leitprinzip gemacht. Als wegweisend für das gesamte spätere Wirken gilt der 1958 an Prantl ergangene Auftrag der burgenländischen Landesregierung, einen Grenzstein zu schaffen. Den Stein, welcher später in Nickelsdorf auf der österreichisch-ungarischen Grenze aufgestellt wurde und der in seiner formalen Durchlässigkeit nicht nur eine Trennung, sondern auch einen Übergang markiert, fertigte Prantl im seit Römerzeiten genutzten Steinbruch von St. Margarethen im Burgenland. Das Arbeiten im Steinbruch erfuhr Prantl als ein bildhauerisches Schaffen am Ursprungsort des Materials, das von gänzlich anderen Gegebenheiten und Einflüssen bestimmt wird als jenes in der Enge und Abgeschlossenheit eines Ateliers. Aus dem Wunsch heraus, an dieser Erfahrung auch andere Bildhauer teilhaben zu lassen, initiierte er das I. Symposion Europäischer Bildhauer, das 1959 elf Bildhauer aus acht Ländern zur gemeinsamen Arbeit im Steinbruch vereinte, und die Gründung von Bildhauersymposien rund um den Globus nach sich zog. Bereits 1959 meisselte Prantl Fünf Anrufungen aus Kalksandstein, und seither hat er jene Grundform vielfach umgesetzt und variiert. Stets vergegenwärtigt dabei eine Reihe von Hohlformen ein im Christentum ebenso wie in den östlichen Religionen als Meditation praktiziertes repetitives Gebet: die Anrufung göttlicher Namen. Gerade diese religiöse Bedeutungsdimension verbindet die Skulptur mit ihrem Aufstellungsort, dem Kirchhügel von Bendern. Franziska Hilbe Kunstwerk des Monats Dezember 2013 KUNSTMUSEUM LIECHTENSTEIN Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt.
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Städtle 32 · FL-9490 Vaduz · www.kunstmuseum.li

Karl Prantl* 1923 in Pöttsching, Österreich, † 2010 in PöttschingFünf Anrufungen, 1990Kanadischer Granit300 × 57 × 110 cmErworben mit Mitteln des Holenia Trust, Vaduz

«Es ist anders als in Museen: die Begegnung mit so einem Stein in der Landschaft zeigt anderes Erleben: man erlebt auch den Baum, das Gras, das Moos und die Wolken.» (Karl Prantl) In eine präzise, hochrechteckige Quaderform gehauen, ragt der Steinmonolith drei Meter in die Höhe. In einer der Breitseiten sind fünf Halbkugeln – klar eine vertikale Mittelachse setzend – eingelassen, in denen sich die Schatten des wandernden Sonnenlichts einschreiben, wohingegen sich in den rundum glatt geschliffenen und polierten Flächen die Umgebung bis hin zu den Gebirgszügen spiegelt.Im offenen Raum finden nicht nur die Steine Karl Prantls Aufstellung; auch ein Arbeiten und Denken in Freiräumen hat der Künstler sich zum Leitprinzip gemacht. Als wegweisend für das gesamte spätere Wirken gilt der 1958 an Prantl ergangene Auftrag der burgenländischen Landesregierung, einen Grenzstein zu schaffen. Den Stein, welcher später in Nickelsdorf auf der österreichisch-ungarischen Grenze aufgestellt wurde und der in seiner formalen Durchlässigkeit nicht nur eine Trennung, sondern auch einen Übergang markiert, fertigte Prantl im seit Römerzeiten genutzten Steinbruch von St. Margarethen im Burgenland. Das Arbeiten im Steinbruch erfuhr Prantl als ein bildhauerisches Schaffen am Ursprungsort des Materials, das von gänzlich anderen Gegebenheiten und Einflüssen bestimmt wird als jenes in der Enge und Abgeschlossenheit eines Ateliers. Aus dem Wunsch heraus, an dieser Erfahrung auch andere Bildhauer teilhaben zu lassen, initiierte er das I. Symposion Europäischer Bildhauer, das 1959 elf Bildhauer aus acht Ländern zur gemeinsamen Arbeit im Steinbruch vereinte, und die Gründung von Bildhauersymposien rund um den Globus nach sich zog.Bereits 1959 meisselte Prantl Fünf Anrufungen aus Kalksandstein, und seither hat er jene Grundform vielfach umgesetzt und variiert. Stets vergegenwärtigt dabei eine Reihe von Hohlformen ein im Christentum ebenso wie in den östlichen Religionen als Meditation praktiziertes repetitives Gebet: die Anrufung göttlicher Namen. Gerade diese religiöse Bedeutungsdimension verbindet die Skulptur mit ihrem Aufstellungsort, dem Kirchhügel von Bendern. Franziska Hilbe

Kunstwerk des Monats Dezember 2013

KUNSTMUSEUM LIECHTENSTEIN

Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt.

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Karl Prantl* 1923 in Pöttsching, Austria, † 2010 in PöttschingFünf Anrufungen, 1990Canadian granite300 × 57 × 110 cmAcquired with funds of the Holenia Trust, Vaduz

“It’s different than in museums: engaging with a stone like this out in the countryside makes for a different experience: you experience the tree, the grass, the moss and the clouds, too.” (Karl Prantl)Carved into a precise upright rectangular block, the stony monolith towers three metres tall. Into one of the long sides are recessed five hemispheres – clearly forming a vertical central axis – in which the shadows of the sun moving across the sky are inscribed, whereas the other surfaces, smoothly ground and polished all round, reflect the surrounding countryside up to the mountain ranges.Karl Prantl not only set his stones in open space; working and thinking in open spaces also came to be the artist’s guiding principle. The commission given to Prantl in 1958 by the Provincial Government of Burgenland to make a landmark is regarded as seminal for his entire subsequent work. The stone, later set up on the Austrian-Hungarian border in Nickelsdorf, its formal permeability representing not only separation but also transition, was carved by Prantl in the quarry of St. Margarethen in Burgenland, in use since Roman times. Working in the quarry was for Prantl a mode of sculptural work at the place of origin of his material, which is characterised by wholly different conditions and influences than those in the confines and seclusion of a studio. Wishing to let other sculptors share this experience, he initiated the 1st Symposium of European Sculptors, an event which brought together eleven sculptors from eight nations in 1959 to engage in joint work in the quarry and led to the foundation of sculptors’ symposia around the globe.Prantl carved Fünf Anrufungen (Five Invocations) out of sandy limestone as early as 1959, realising and varying this elementary form many times over since. In all cases, a series of hollow forms recalls a repetitive prayer practised as a form of meditation in Christianity and Eastern religions: invoking the names of divinities. This religious aspect in particular links the sculpture to the site of its installation, the church hill of Bendern.

Franziska Hilbe

The Kunstmuseum Liechtenstein highlights a work from the permanent collection each month throughout the year.

Artwork of the MonthDecember 2013

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