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KPMG schreibt Geschichte

Date post: 28-Mar-2016
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KPMG schreibt Geschichte
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Page 1: KPMG schreibt Geschichte

KPMG schreibt Geschichte.

Prominente Schweizer und Mitarbeitende von KPMG haben sich Gedanken gemacht zum Thema “Jahresrauschen”. Entstanden sind nachdenkliche, witzige und aussergewöhnliche Anekdoten.

Andreas Hammer / Tomas Honegger (Hrsg.)

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KPMG schreibt Geschichte.

Gedanken und Anekdoten zum

Thema «Jahresrauschen».

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1. Auflage 2010 Copyright © 2010 by Andreas Hammer / Tomas Honegger Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne

schriftliche Genehmigung des Autors vervielfältigt oder verbreitet werden. Unter dieses Verbot fallen insbesondere der Nachdruck, die

gewerbliche Vervielfältigung per Kopie, die Aufnahme in elektronische Datenbanken und die Vervielfältigung auf CD-ROM und

allen anderen elektronischen Datenträgern.

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Inhalt

Dreissig ......................................................................................... 8

Sechzig ........................................................................................ 10

Das Leben danach ....................................................................... 13

Miss Yokohama .......................................................................... 15

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Vorwort

Geburtstag feiern wir alle. Unseren eigenen, den unserer Kinder,

Eltern, Freunde, Partner. Vielleicht feiern wir auch Weihnachten oder

Ostern, den Hochzeitstag – am Hochzeitstag selber oder ein bisschen

später – oder den Namenstag, den Kauftag des ersten Hundes, bestan-

dene Prüfungen, Erfolge im Sport oder im Berufsleben, oder wir fei-

ern einfach so, weil uns gerade danach ist. Kurzum: wir feiern, weil es

einfach zum Leben gehört. Das wusste auch schon der griechische

Philosoph Demokrit: «Ein Leben ohne Feste ist wie eine Reise ohne

Gasthaus.» Also, kehren wir ein in die Gasthäuser unserer Nachbarn,

Kollegen und Menschen aus den Medien, schliesslich hat jeder mal

Durst. Oder Hunger nach Geheimnissen und dem Glück anderer. Da

laden wir uns schon mal selber an ein Fest ein. Unanständig? Mitnich-

ten. Schliesslich feiert niemand gerne alleine, immerhin wollen wir

unsere Freude teilen. Und beim Feiern geht es auch darum, zu beurtei-

len. Wir lassen es uns nicht nehmen, die Gäste an Festen zu begutach-

ten, über die neuen Frisuren zu tuscheln, über die neuen Paare zu trat-

schen und das Angebot an Essen und Getränken zu bewerten. Und am

Ende eines Festes sagen wir schon mal: das krieg ich besser hin.

Aber haben Sie sich schon mal gefragt, wie Sie Ihren letzten Ge-

burtstag feiern würden? Oder: Sind Männer wirklich lustiger als Frau-

en, wie es der Wissenschaftler Sam Shuster von der Norfolk and Nor-

wich University behauptet? Darf man ein Fest organisieren und keinen

Alkohol anbieten? Soll man im Büro den Abschiedsapéro dem Will-

kommensapéro vorziehen? Warum freuen sich andere Nationen mit

ihren weinenden und ausflippenden Sportlern, während weinende und

ausflippende Schweizer Sportler Memmen und Spinner sind? Wie fei-

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ert man, wenn man keine Freunde hat? Und wie soll man reagieren,

wenn man Freunde hat, ein Fest organisiert und keiner kommt?

«Jahresrauschen» ist unser Thema. Dazu gibt es noch weit mehr

interessante Aspekte und Fragen als die eben gestellten. Welches Ri-

tual pflegen Sie übers Jahr hinweg? Das Ausfüllen der Steuererklä-

rung, das Kofferpacken für die Ferien oder den Frühlingsputz? Erin-

nern Sie sich oft an vergangene Zeiten? Wie stehen Sie zu Verände-

rungen, Bewegung in Ihrem Leben, Geschwindigkeit? An was denken

Sie beim Rauschen eines Baches? Fragen über Fragen, die nach Ant-

worten suchen und Gedanken verlangen.

Und nun feiert KPMG auch ein Fest. 100 Jahre sind vergangen,

seit Dr. Eugen Keller-Huguenin die Zürcher Treuhand-Vereinigung

gründete und den Grundstein für eine Erfolgsgeschichte legte. Trat-

schen wir also über die letzten 100 Jahre, über besonders lustige, aber

auch nachdenklich stimmende Anekdoten. Lassen wir ehemalige oder

aktuelle KPMG-Mitarbeiter zu Wort kommen und ihre Sicht der Din-

ge aufzeigen, ergänzt mit Meinungen und Ansichten von Persönlich-

keiten aus Politik, Wirtschaft und Sport. Das Resultat: Unter dem

Thema «Jahresrauschen» entsteht eine Fortsetzungsstory mit einzel-

nen Geschichten zum Geniessen. Übrigens: Das Wort „Jahresrau-

schen“ steht in keinem Duden. Der Phantasie sind somit keine Gren-

zen gesetzt. Vielleicht bedeutet es: Einmal pro Jahr ein Rausch? Oder:

sich einmal pro Jahr gehen lassen, wie die Blätter im Wind? Und noch

etwas: Synonyme von rauschen sind brausen, tosen, wehen, sausen,

blähen. Passt irgendwie, oder?

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Dreissig

Tomas Honegger

Dreissig werde ich dieses Jahr, und ich freue mich, weil sich für

mich nichts ändert, zumindest habe ich es vor, nichts zu ändern, auch

wenn mir alle sagen: «Jetzt wirst du alt». Ich möchte immer noch

Witze machen können über Wollsöckchen und Poser, die ihre Jeans in

den Kniekehlen tragen und Frisuren haben wie deutsche Fussballer

vor zwanzig Jahren. Ich möchte immer noch über schlüpfrige Witze

lachen können, wenn ich sie lustig finde, auch wenn ich gerade mitten

im Tram stehe. Klar, ich stehe morgens nicht mehr so lockerflockig

auf wie mit zwanzig, weil mein Rücken schmerzt, die Augen brennen

und die grauen Haare an der Stirn kleben. Aber bin ich deswegen alt?

Also freue mich auf meinen dreissigsten Geburtstag, weil sich für

mich nichts ändert. Eigentlich mag ich Veränderungen, solange ich sie

aktiv beeinflussen kann. Selber entscheiden kann, wohin ich gehen

will.

Doch leider ändern sich die Leute um mich, zumindest in der

Einstellung zu mir. Fällt mir ein Kugelschreiber auf der Strasse zu

Boden, hebt ihn ein Schüler für mich auf und blickt mir in die Augen,

als wollte er sagen: «Zum Glück stand ich in der Nähe, sonst hättest

du dir einen neuen Kugelschreiber kaufen müssen». Stehe ich im

Tram, bietet mir immer mal wieder eine Person den Sitzplatz an. «Bit-

te, ich kann stehen,» sagen sie dann und denken wahrscheinlich: «Setz

dich ruhig hin, du alter Sack, sonst fällst du noch um.»

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Alles halb so schlimm, ich mache mir keine Gedanken, zumin-

dest in diesen Situationen nicht, aber im Ausgang, wo die Grenze zwi-

schen Jung und Alt durch den Konsum von Bier aufgeweicht wird, da

trifft es mich, wenn mir mein Alter schonungslos aufgezeigt wird. Ich

dachte, im Ausgang, da merkt man den Unterscheid zwischen knapp

dreissig und Anfang zwanzig nicht, nicht im Ausgang, oder?

Man merkt es.

«Hallo, was hätten Sie gerne zum Trinken?» fragte mich vor

zwei Wochen eine jüngere Bardame in einem Zürcher Club. «Ich hätte

gerne ein Bier und dass du mich duzt,» antwortete ich. «Ok, und was

hätten Sie gern, Heineken oder Eichhof.»

Ich bestellte schliesslich ein Glas Wasser. Und ging um 22 Uhr

ins Bett.

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Sechzig

Hans Moser

Sechzig wurde ich an meinem jüngsten Geburtstag. Vor zweimal

dreissig Jahren erfolgte gleichsam der Kick-off zu meinem seither an-

dauernden Jahresrauschen, das nun also je dreissig Jahre vor KPMG

und dreissig mit KPMG angedauert hat.

Meine frühe Jugend spielte sich «auf dem Land» und dort zu ei-

nem bedeutsamen Teil auf der Hauptstrasse Nr. 15 (eine «Blaue») ab.

Entgegen der CH A1 oder der US Route 66 ist diese gänzlich unbe-

kannt. In meiner Erinnerung befuhren selbst zu Tageszeiten nur weni-

ge Vehikel diese Nr. 15. Spätestens nach Abebben des Tagesrau-

schens benutzten wir sie allabendlich als Spiel- und Sportfeld. Fast

ungehindert tummelten wir uns, Fussball spielend, im Dorfkern auf

der ganzen Länge unserer Nr. 15.

Die damaligen Freunde rauschten ab in die nahe und ferne Welt.

Dieser Tage, nahezu fünfzig Jahre nach den Spielen auf unserer Nr.

15, traf ich mich mit zweien wieder. Anlass war das Begleichen der

Schuld aus einer Wette, die wir vor 46 Jahren abgeschlossen hatten

und die erst zur Jahrtausendwende, also 36 Jahre später, entschieden

wurde. Viel Erheiterndes, Beeindruckendes, auch Ergreifendes und

Erschütterndes berichteten die Freunde, beide Unternehmer, über ihr

Leben und Schicksal im vergangenen halben Jahrhundert. Zurückbli-

cken auf einen so langen Zeitraum – ist das Jahresrauschen? Am Ende

waren wir nach dem langen aber kurzweiligen Abend mit anregenden

Gesprächen, ausgezeichnetem Essen und grandiosen Weinen gar

buchstäblich berauscht…

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Seit längerem wohne ich in einem Raum intensivster Verkehrs-

ströme: im nahen Süden die Schnellzugs- und S-Bahnstrecke, im

ebenso nahen Norden die ominöse Anflugschneise Ost, noch näher

eine «Blaue» (eine Nummernlose, jedoch täglich von 15,000 Vehikeln

befahrene, diesmal) und im Westen, auch unweit, die Schwelle der

Piste 28. So gut erschlossen zu sein, heisst, stetigem Verkehr, auch

unaufhörlichem Rauschen, ausgesetzt zu sein. Jahresrauschen als un-

gebändigter, erdrückender Moloch.

Am Himmel eine zu einem Langstreckenflug ansetzende Ma-

schine. Ich überrasche mich und beobachte Andere dabei, wie Köpfe

in den Nacken gelegt werden, wenn die bullig-geschmeidige A380 auf

ihrer Flugbahn nach Singapur aufsteigt. Was vor Jahrzehnten, als wir

jedem der wenigen Flieger am Himmel zuwinkten, ein ungetrübtes

Faszinosum war, erscheint heute als dekadentes Romantisieren hoch-

gezogener Technik. Das sonore Brummen der Triebwerke – gleich

dem Brummen übersteuerter Basslautsprecher – geht endlich über in

dumpfes Rauschen, das sich, gegen Osten entfernend, gänzlich verliert

und schliesslich dem leisen Rauschen des Ahornlaubs im Winde

weicht.

Heutiges Leben ist Mobilität, Mobilität ist Verkehr, und Verkehr

ist Geräusch – je nach Art und Stärke und persönlichem Empfinden

kaum wahrnehmbar, über Rauschen, bis hin zu lästigem plagendem

Lärm. Schmiermittel für Mobilität sind überwiegend die nicht erneu-

erbaren und mithin knappen Ressourcen. Verbrauch von Energie als

Ursache für jahresumspannendes, allgegenwärtiges Rauschen. Wie

werden sich die Kumpel, Energieverbrauch und Geräusche, in weite-

ren dreissig Jahren und noch fernerer Zukunft entwickeln? Wird das

technisch erzeugte Rauschen sich mit dem Versiegen der fossilen

Energiequellen legen und natürlichem Rauschen wieder Platz lassen?

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Kehrt dereinst die der mobilen Welt geopferte Ruhe alter Zeiten zu-

rück? Fragen ohne Antworten? – Oder vielleicht mit einem Zeithori-

zont wie die damalige Wette?

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Das Leben danach

Rolf Büttiker

Ich gebe es gerne zu: der Rücktrittsentscheid ist mir sehr schwer

gefallen. Nach so vielen Jahren aktiver Politik ist man halt schon ein

wenig mit dieser Politik «verheiratet». Und obwohl man bei der Heirat

mit der Politik keine Liebesnächte erwarten kann, fällt der Abschied

schwer. Aber es nun mal im Leben so: alles geht irgendwann zu Ende.

Ich werde mich zwar nach den Wahlen im Oktober 2011 aus der

Politik zurückziehen, aber ich werde ganz sicher weiter arbeiten. Denn

ich habe noch ein paar interessante Mandate zu betreuen und beruflich

habe ich noch Einiges nachzuholen. Aber ich werde selbstverständlich

nur noch das machen, was mir wirklich Freude bereitet. In diesem

Sinne freue ich mich auf ein Leben nach der Politik mit einer neuen

beruflichen Ausgangslage und Perspektive.

In meinem Leben ist die Freizeit bis jetzt immer zu kurz gekom-

men. Deshalb werde ich mich selber zwingen, etwas Bewegungssport

zu machen, Schwimmen zum Beispiel. Gleichzeitig wird es zeitlich

besser möglich sein, Sportveranstaltungen aller Art zu besuchen. Die

Teilnahme an solchen Sportveranstaltungen, auch im Ausland, eröff-

net zu dem die Möglichkeit, gleichzeitig auch noch gewisse Reiseplä-

ne zu erfüllen und die Welt ohne Zeitdruck anzuschauen. Ob Welt-

meisterschaften, Europameisterschaften oder Olympische Spiele, ich

freue mich darauf, solche sportliche Grossanlässe in aller Welt besu-

chen zu können. Nicht zuletzt auch deshalb, weil dies einen spannen-

den Kontrast zu den 3.-Liga-Spielen des FC Wolfwil oder den natio-

nalen Schwingfesten ergibt.

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Nicht minder freue ich mich darauf, zu den Wurzeln meiner

Kindheit zurückzukehren. Denn schon als kleiner Bub hat mir mein

Vater die Fischerkunst in der Aare beigebracht. Und genau diese Tä-

tigkeit werde ich auch als schöne Erinnerung an meine Jugendzeit

wieder aufnehmen.

Zum Schluss möchte ich der Bevölkerung des Kantons Solothurn

danken, dass sie einen wie mich immer wieder gewählt und damit das

Vertrauen geschenkt hat.

Ich hoffe sehr, dass sie dies nie bereut hat.

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Miss Yokohama

Corinne Koch

Als kleines Mädchen wollte ich nie die Prinzessin sein, so wie es

andere kleine Mädchen immer wollten. Ich wollte immer ein Ritter

sein, hoch zu Pferd mit einem unbesiegbaren Schwert.

So kämpfte ich mich durchs Leben, wie ein Ritter. Ich nahm die

Dinge selbst in die Hand, ich kämpfte gegen so manchen Drachen,

überwand so manchen Abgrund und rettete sogar einige Prinzessin-

nen. Nur, dass die Drachen wohl eher Erwachsene waren, die Ab-

gründe die ich überwinden musste sich eher als Aufgaben und Anfor-

derungen herausstellten und die Prinzessinnen eher den Regenwürmer

glichen, die ich Tag für Tag von der Straße rettete. Kaum ein Jahr

verging ohne unzählige Abenteuer, ohne Hürden, die zu überwinden

waren. Und immer vom Wunsch getrieben etwas Grosses zu errei-

chen, etwas zu bewirken in dieser Welt und natürlich erwachsen zu

werden. Ich dachte immer, dass ich mit 18 Jahren endlich erwachsen

sein werde.

Eines Tages war es dann so weit. Ich war 18, doch noch weit weg

vom Erwachsen sein. Die Definition vom Erwachsen sein ist als Kind

wohl eine ganz andere als mit 18. Im Nu war ich 20 und mehr, die

Abenteuer wurden immer weniger aufregend. Schlaf wurde wichtiger

als Ausgang und nächtelanges Durchmachen. Ich fing an mich selbst

zu suchen. Wer bin ich denn überhaupt? Durch was definiere ich

mich? Wo soll ich mich in dieser Gesellschaft einordnen? Warum ist

unsere Gesellschaft eigentlich so wie sie ist? Was ist denn die Gesell-

schaft überhaupt? Kann wirklich nichts gegen den Klimawandel und

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die vielen Missstände getan werden? Ich kam auf viele Antworten

aber auf kein Resultat, das mich befriedigte. Da wurde mir bewusst,

dass das erst der Anfang war, dass es noch so vieles gibt auf dieser

Welt, dass es noch vieles zu entdecken und zu ergründen gibt und vor

allem, dass ich überhaupt gar nichts wusste. Und in genau diesem Le-

bensabschnitt wurde ich plötzlich «Prinzessin». Ich hatte an der Miss-

Yokohama-Wahl teilgenommen. Ich wollte die Welt mal von einer

anderen Perspektive betrachten, wollte eine neue Herausforderung

wahrnehmen und eine Abwechslung zu meinem Alltag als Studentin.

Ehe ich es mir versah wurde ich zur Miss Yokohama gewählt. Ich rea-

lisierte es kaum, aber ich stand da und mir wurde eine neue Rolle auf-

erlegt.

Ein ganzes Leben lang hat ein Mensch eine Menge von Rollen: Toch-

ter, Schwester, Enkelkind, Schülerin, Partnerin, Berufsfrau, Hausfrau,

Mutter, Schwiegertochter und noch so manche mehr. All diese Rollen

hat man miteinander zu vereinbaren, allen sollte man entsprechen und

gerecht werden und doch authentisch bleiben. Meine neue Rolle war

also Miss Yokohama. Was ist eigentlich eine Miss? Was ist die Rolle

von ihr? Mit der neuen Rolle wurden auch große Erwartungen an

mich gestellt. Ich merkte, wie die Leute neugierig waren auf mich. Sie

schauten mich an und wussten nicht recht, wer oder was ich nun bin.

Ja manchmal kam es mir gar vor, als sähen sie mich nun nicht mehr

als Mensch an, sondern eben als eine Miss, nahezu als Produkt und als

ob sie nicht richtig wissen, wo sie mich einstufen sollen. Ich wusste ja

selbst nicht, wie ich diese Rolle nun tragen sollte. Letztendlich be-

schloss ich, dass ich einfach so bleibe wie ich bin. Nur wollte ich auch

den Menschen, die mich bisher nur als Miss kannten zeigen, wer ich

bin, dass ich nämlich noch immer ein Individuum bin, das ganz und

gar menschlich ist. Die neue Rolle war also durch und durch eine

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Herausforderung, die mir Spaß machte und mir sinnvoll erschien. Ich

machte es mir zur Aufgabe dem Klischee «Miss» eine neue Note zu

geben und zu zeigen, dass eine Miss nicht so und so zu sein hat, son-

dern dass dahinter ein ganz normaler Mensch steht, ein Individuum

mit seinen Charaktereigenschaften, seinen Wertvorstellungen seinen

Zielen und Wünschen. Ich wollte den Leuten zeigen, dass eine Miss

nicht automatisch oberflächlich, von sich selbst überzeugt, unnahbar

oder was man sich sonst so vorstellt, sein muss. Als erstes informierte

ich mich ausgiebig über die Marke Yokohama, ich wollte alles über

die Pneus wissen und lernte viel. Wie ich es mir schon gedacht hatte,

wurde ich schnell auf die Probe gestellt. Es war am Autosalon in

Genf. Es kam ein junger Mann auf mich zu. Mit einem Blick auf die

Pneus fragte er mich etwas über den neuen Advan für sein Auto. Auf

seinem Gesicht ein siegessicheres, spitzbübisches Lächeln. Ich fragte

ihn, was er denn für Dimensionen bräuchte, denn ohne die Dimensio-

nen könne ich ihm nicht sagen, ob es den Pneu für sein Auto gibt. Das

Lächeln gefror, ein verdutztes, erstauntes Gesicht schaute mir nun

entgegen, in dessen Augen sich mein Siegeslächeln wiederspiegelte.

Ein andermal sprach ich eine junge Frau an, die ich sehr hübsch fand

und sagte ihr, sie solle sich doch als Miss Yokohama 2010/11 bewer-

ben. Sichtlich erfreut über das Kompliment und doch zögernd antwor-

tete sie schlussendlich: aaach, ich bin nicht so eine «Miss», ich bin

außerdem viel zu klein. Da hatten wir es wieder, das Klischee «Miss»

ich stand neben sie und zeigte ihr, dass ich kleiner bin als sie. Dann

fragte ich sie, was denn «so eine Miss» sei. Sie wusste nicht was sie

antworten sollte. Ich musste erfahren, dass die Leute sich weiß Gott

was unter einer Miss vorstellen. Sie sahen nicht mich, den Menschen,

sie sahen nur die Krone und die Miss-Schärpe. Bloß weil ich nun den

Titel Miss trug, bin ich doch kein anderer Mensch und unterscheide

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mich noch immer nur so viel von andern Menschen, wie es Menschen

eben voneinander tun. Dank der neuen Rolle kam ich, auf der Suche

nach mir Selbst und dem Gerecht werden der Rollen, welche die Ge-

sellschaft und ich mir selbst auferlegt hatten, der Antwort ein Stück

näher.

Egal welche Rolle ich bekomme, ich will dabei immer ich selbst

sein, meine Werte und Normvorstellungen beibehalten und diese auch

vertreten.

Klar kann eine Geschäftsfrau einem Kunden nicht die mütterliche

Liebe entgegen bringen die sie ihren Kindern entgegenbringt, aber sie

kann dennoch ihre Wertvorstellungen vertreten und ein Mensch und

Individuum sein. Ich glaube wir müssen uns im Allgemeinen wieder

mehr bewusst werden, dass die Frau an der Kasse nicht einfach eine x-

beliebige Frau ist, sondern dass sie eben die Frau Meier ist und ein

Mensch mit ihren Bedürfnissen, ihren Sorgen, ihren Stärken und

Schwächen, die auch mal einen schlechten Tag haben darf und ganz

gewiss nicht einfach zum Sortiment gehört. Niemand von uns ist eine

Maschine oder ein Produkt und kaum jemand ist so, wie man ihn im

Vorhinein einschätzt. Also Vorurteile finde ich wirklich nicht hilf-

reich…

Nun war ich der Ritter, der auch eine Prinzessin war. Was ich

früher für unmöglich gehalten hatte wurde nun möglich. Denn auch

eine Prinzessin kann kämpfen, auch eine Prinzessin ist stark und mu-

tig.

Jetzt sitze ich da und mache mir mal wieder Gedanken über das

Leben, die Welt und die Menschen darin. Es ist eine endlose Beschäf-

tigung und doch ist sie immer wieder spannend und bringt mich im-

mer und immer wieder zu neuen Erkenntnissen. Mein Jahr als Miss

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Yokohama geht nun allmählich dem Ende zu, wenn ich zurückblicke,

ist es ein Jahr wie jedes andere, mit dem gleichen Ich. Und doch war

es aufregend, anders, ich lernte viel Neues und es war eine riesige Be-

reicherung. Es war ein neuer Antrieb, eine neue Herausforderung und

ein weiterer Schritt auf meinem Lebensweg. Ich weiß solche Ereignis-

se zu schätzen, denn genau jene bringen einem weiter im Leben.

Ich glaube Erwachsen werden ist ein niemals endender Weg, denn

jeder Tag, jede Stunde, jede Begegnung und jedes Ereignis bringt

wieder Neues mit sich, neue Fragen, neue Antworten und neuen An-

trieb. Das Leben ist schon ein Phänomen, es ist unergründlich und ge-

nau dies hält einem auf Trab. Ich weiß nicht wie es wirklich ist, aber

ich denke, wenn wir am Ende zurückblicken kommt uns unser Leben

wahrscheinlich kurz vor und dennoch könnte wohl jeder einzelne

Mensch einen ganzen Band über sein Leben schreiben. Doch sind wir

am Ende wirklich gescheiter? Ich glaube im Grunde kommt es gar

nicht darauf an. Letztendlich zählen doch die kleinen und großen Er-

folge, die schönen Erlebnisse, die wertvollen Stunden gemeinsam mit

den Mitmenschen, die verschiedensten Erkenntnisse und dass man so

gelebt hat, dass man möglichst vielen Menschen etwas Gutes tat.

Ich für mich, werde mein Leben mit meinen Grundsätzen und

Wertvorstellungen weiterleben, egal ob als Miss, als Studentin, als

Berufstätige Frau, als Mutter und so weiter, denn schlussendlich bin

ich einfach nur Corinne.

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Die Autoren

Tomas Honegger:

Tomas Honegger wurde 1980 in Winterthur geboren und lebt seitdem

in Olten. Schreiben ist seine Leidenschaft, seit er 14 ist. Davon ist er

nicht mehr losgekommen. Bis heute schreibt er für verschiedene

Schweizer Magazine, Tages- und Wochenzeitungen. Und er würde als

Ausgleich gerne Sport treiben, verletzte er sich nicht immer wieder.

Rolf Büttiker:

Rolf Büttiker wurde 1950 im solothurnischen Wolfwil geboren und

lebt noch heute dort. Nach mehreren politischen Mandaten auf Ge-

meinde- und Kantonsebene sowie dem Präsidium der FDP Kanton

Solothurn wurde Büttiker 1999 in den Ständerat und 2005 zu dessen

Präsidenten gewählt. Auf Ende 2011 ist er zurückgetreten.

Hans Moser:

Hans Moser, geboren 1949 im obersten Tösstal, lebt seit 1992 in Bas-

sersdorf. Das Zürcher Oberland war und ist ihm Inbegriff von Heimat.

Nach Jahrzehnten des Befasstseins mit Sprachen der Berufsliteratur

und regulatorischer Erlasse sehnt er sich neben vielem Anderem auf

das Verschlingen selbst ausgewählter Literatur nach dem Rücktritt im

kommenden Jahr.

Corinne Koch:

Corinne Koch ist 1987 in Schwyz geboren, seitdem ist sie viel in der

ganzen Schweiz herumgekommen. Neben mehreren Wohnungswech-

seln in der Innerschweiz besuchte sie für zwei Jahre die Sekundarstufe

in Fribourg, machte die Matur am Gymnasium Theresianum in Ingen-

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bohl /Brunnen und wohnt schliesslich in Stansstad. Unter der Woche

studiert sie in Zürich Psychomotoriktherapie. Wenn sie gerade nicht

am Philosophieren ist, steht sie entweder vor oder hinter der Kamera,

hält sich draußen in der Natur auf oder diskutiert mit einem Mitmen-

schen.


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