KORROSIONSVERHALTEN NICHTROSTENDER STÄHLE IN
MEERWASSER UND MARITIMER ATMOSPHÄRE
Andreas Burkert, Jens Lehmann
BAM Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung, Berlin
Fachbereich 6.1 „Korrosion und Korrosionsschutz“
HTG Workshop Korrosionsschutz für Meerwasserbauwerke
5. November 2015, Hamburg
05.11.2015
1
1) Überzüge = metallische Schichten (z.B. Verzinkung, stromloses Vernickeln)
2) Beschichtungen = nichtmetallische Schichten (z.B. Lack- und Pulverbe-schichtungen)
Korrosionsschutz
Korros ionsschutzmethoden
Anforderungen
Konstruktion
Werkstoff
planungsseitig
Überzüge1
Beschichtungen2
Legierung
werkstoffseitig
Inhibitoren
O2 Entfernung
pH-Wert Einstellung
elektrolytseitig
galvanische Anoden
Fremdstrom
Streustrom-ableitung
elektrochemisch
Nichtrostender Stahl - Grundlagen
Nichtrostend = keine sichtbaren Korrosionserscheinungenbei Zutritt von Wasser und Sauerstoff!
Edelstahl: Stahl mit abgesenktem Phosphor- und Schwefelgehalt(hat bei un- und niedrigleg. Stählen keine Auswirkung auf das Korrosionsverhalten)
Edelstahl Rostfrei: Edelstahl mit mehr als 10,5 % Chrom
Edelstahl NIROEdelstahl Rostfrei
rost- und säurebeständige StähleINOX NIROSTA Cromargan
V2A V4A
Nichtrostender Stahl - Grundlagen
Bedingungen für den schadensfreien Einsatz:
1) Passivschicht muss sich vollständig ausbilden können
2) Repassivierung von Defektstellen unter Einsatzbedingungen ist möglich
Eine unvollständige Passivierung führt zu örtlicher Korrosion,auch ohne besondere Korrosivität der Umgebung!
Systematik der Kurznamen
1.4571 X6CrNiMoTi17-12-2
hochlegierte Stähle
Kohlenstoffgehalt x 100
chemische Symbole der Hauptlegierungs-elemente
Anteile in % der Hauptlegierungs-elemente
• Ein allgemein vorangestelltes G kennzeichnet Stahlgussz.B. GX10CrNi18-8 (Wst. 1.4312)
gezielt eingesetzte Legierungselemente unter 1 % werden nur mit dem chemischen Symbol angegeben
Einflussfaktoren auf die Korrosionsbeständigkeit
� Legierungszusammensetzung (Werkstoffauswahl, Regelwerke)
� DIN 81249, DIN EN 1993-1-4, Z-30.3-6, RiLi GL ….
� Konstruktive Ausführung
� Halbzeug- / Werkstofffehler
� Beispiel 1.4462
� Verarbeitungsprozesse (Schleifen, Schweißen, Verformen)
� Oberflächenausführung
� Prozessbedingte Schäden (unplanmäßige Betriebszustände)
� Reinigung und Pflege
W = % Cr + 3,3 • % Mo + x • % Nmit 0 ≤≤≤≤ x ≤≤≤≤ 30
(für x häufig verwendet: 0 für Standardaustenite, 16 für Duplexstähle, 30 für Superaustenite)
Wst. Nr. Kurzname Wirksumme
1.4301 X5CrNi18-10 18
1.4305 X8CrNiS18-9 18
• gibt Anhaltspunkte zur Beständigkeit verschiedener Werkstoffe
• weitere Legierungselemente müssen dennoch beachtet werden
signifikant schlechtere Korrosionseigenschaften als 1.4301, aber bessere Spanbarkeit
WirksummeWerkstoffranking bezüglich der Korrosionsbeständigkeit
WerkstoffauswahlZulassung Z-30.3-6,KWK und Wirksummenbereiche
Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung Z-30.3-6 vom 22.04.2014 (bis 2017)
Einwirkung Exposition Kriterien und BeispieleKWK
I II III IV V
Feuchte,Jahresmittelwert U
der Feuchte
SF0trocken bis
wechselfeuchtU < 95 % X
SF1 dauerfeucht 95 % ≤ U X
Chloridgehaltder Umgebung,
Entfernung M vom Meer,
Abstand S belebter Straßen mit
Streusalz-einsatz
SC0 gering
Land, Stadt,M > 10 km,S > 0,1 km
X
SC1 mittel
Industriegebiet,1 km < M ≤ 10 km,
0,01 km < S ≤ 0,1 kmX
SC2 hochMaritimes Gebiet
0,25 km < M ≤ 1 kmS ≤ 0,01 km
X1)
Werkstoffauswahl nach Z-30.3-6
1) Durch regelmäßige Reinigung zugänglicher Konstruktionen oder direkte Beregnung wird dieKorrosionsbelastung erheblich verringert, so dass um eine KWK abgemindert werden kann. Beimöglicher Aufkonzentration der Stoffe auf Oberflächen ist eine KWK höher zu wählen.
DIN 81249-Teil 2: Freie Korrosion in Seewasser, Werkstoffauswahl
Klasse FEWirksummen-
bereichvgl. mit
KWKEmpfindlichkeitSpalt-/Lochkorr.
FE 1, Teil 1 37-50 V äußerst gering
FE 1, Teil 2 31-36 IV sehr gering
FE 1, Teil 3 27-30 IV gering
FE 1, Teil 4 23-26 III mäßig
FE 2 17-20 II hoch
FE 3 k.A. I (sehr) hoch
Werkstoff-Untergruppen FE 1 bis FE 3: nichtrostende Stähle und nichtrostender Stahlguss, nicht magnetisierbare Stähle und nicht magnetisierbarer Stahlguss
DIN 81249-Teil 2: Freie Korrosion in Seewasser, Werkstoffauswahl
Grenztemperatur für Lochkorrosionsbeständig
keit in Seewasser [°C]Wirksumme W* (min.)
40 35
25 30
10 25*) W = %Cr + 3,3 x %Mo + 30 x %N … Austenite > 3% Mo
W = %Cr + 3,3 x %Mo + 16 x %N … Duplex 1.4462
W = %Cr + 3,3 x %Mo … Austenite < 3% Mo
DIN EN 1993-1-4, Anhang A, 2015Werkstoffauswahl
F1 Risiko der Exposition gegenüber Chloriden aus Salzwasser oder Auftausalzen (Streusalz)
ANMERKUNG M ist der Abstand vom Meer und S ist der Abstand von Straßen mit Einsatz von Auftausalzen.
1 Innenräume
0 Niedriges Expositionsrisiko M > 10 km oder S > 0,1 km
−−−− 3 Mittleres Expositionsrisiko 1 km < M ≤ 10 km oder 0,01 km < S ≤ 0,1 km
−−−− 7 Hohes Expositionsrisiko 0,25 km < M ≤ 1 km oder S ≤ 0,01 km
−−−− 10 Sehr hohes Expositionsrisiko Straßentunnel, bei denen Auftausalz ausgebracht wird oderwenn Fahrzeuge Auftausalze in den Tunnel einbringen können.
−−−− 10 Sehr hohes ExpositionsrisikoM ≤ 0,25 kmNordseeküste Deutschlands, alle Küstenregionen der Ostsee.
−−−− 15 Sehr hohes Expositionsrisiko
M ≤ 0,25 km
Atlantikküste Portugals, Spaniens und Frankreichs,Küste des Ärmelkanals und der Nordseeregionen des UK, Frankreichs, Belgiens, den Niederlanden und Südschwedens.
DIN EN 1993-1-4, Anhang A, 2015Werkstoffauswahl
F2 Risiko der Exposition gegenüber Schwefeldioxid
In den europäischen Küstenregionen ist die Schwefeldioxidkonzentration üblicherweise gering. Im Landesinneren ist die Schwefeldioxidkonzentration entweder gering oder mittel. Ein hohes Expositionsrisiko ist selten und stets mit besonderen Standorten der Schwerindustrie oder spezifischen Umgebungsbedingungen, wie beispielsweise Straßentunneln, verbunden. Die Schwefeldioxidkonzentration kann in Übereinstimmung mit dem Verfahren in ISO 9225 bewertet werden.
0 Niedriges ExpositionsrisikoMittelwert der Gaskonzentration
< 10 µg/m3
−−−−5 Mittleres ExpositionsrisikoMittelwert der Gaskonzentration
10 bis 90 µg/m3
−−−−10 Hohes ExpositionsrisikoMittelwert der Gaskonzentration
90 bis 250 µg/m3
DIN EN 1993-1-4, Anhang A, 2015Werkstoffauswahl
F3 Reinigungskonzept oder die Exposition gegenüber der Witterung
(wenn F1 ++++ F2 ≥≥≥≥ 0, dann F3 ==== 0)
0 Vollständige Exposition gegenüber der Witterung (frei beregnet)
−−−−2 Spezifisches Reinigungskonzept
−−−−7 Kein Abwaschen durch Regen oder keine spezifische Reinigung
Wenn das Bauteil regelmäßig auf Anzeichen von Korrosion überprüft und gereinigt werden muss, sollte dasdem Anwender in schriftlicher Form mitgeteilt werden. Die Überprüfung, das Reinigungsverfahren und dieHäufigkeit sollten festgelegt sein. Je häufiger die Reinigung erfolgt, desto größer ist der Nutzen. DieZeitspanne zwischen den Reinigungen sollte nicht größer als 3 Monate sein. Ist eine Reinigung festgelegt,sollte sie für alle Teile des Bauwerks gelten und nicht nur für die leicht zugänglichen und gut sichtbarenBauteile.
CRF = F1 + F2 + F3
Corrosion Resistance Factor
DIN EN 1993-1-4, Anhang A, 2015Werkstoffauswahl
Korrosionsbeständigkeitsklasse (CRC)
I II III IV V
1.4003 1.4301 1.4401 1.4439 1.4565
1.4016 1.4307 1.4404 1.4462 1.4529
1.4512 1.4311 1.4435 1.4539 1.4547
1.4541 1.4571 1.4410
1.4318 1.4429 1.4501
1.4306 1.4432 1.4507
1.4567 1.4162
1.4482 1.4662
1.4362
1.4062
1.4578
Die Stahlsorte einer höheren Klasse kann anstelle der durch den CRF vorgegeben verwendet werden.
ANMERKUNG: Die Korrosionsbeständigkeitsklassen sind nur für die Anwendung mit diesem Auswahlverfahren vorgesehen und gelten nur für Konstruktionen mit tragender Funktion.
CRF ==== 1 0 ≥≥≥≥ CRF >>>> −−−−7 −−−−7 ≥≥≥≥ CRF >>>> −−−−15 −−−−15 ≥≥≥≥ CRF ≥≥≥≥ −−−−20 CRF <<<< −−−−20
Nichtrostender Stahl in maritimer AtmosphäreNicht immer die „blanke“ Freude
Auslagerungsstand maritime AtmosphäreInsel Helgoland
in Betrieb seit 2009
direkt am Hafen gelegen
4 Freibewitterungsstände
mit überdachten Bereichen
Mittlere Jahrestemperatur: 9,1 °C
Mittlerer Jahresniederschlag: 59 mm
Chloridgehalte in Seeatmosphäre:
0,1 – 3 mg / m³ Luft (DIN 81249)
jährliche Wischproben aus überdachten Bereich des Auslagerungsstands
beprobte Flächen sowohl senkrecht als auch waagerecht
Messfläche 20 x 20 cm
Bestimmung der Chloridionen mittels Photometrie und Ionenchromatographie
Auslagerungsstand für maritime AtmosphäreFlächenbeaufschlagung Chlorid im überdachten Bereich
Untersuchte Werkstoffe
Werkstoff Kurzbezeichnung Wirksumme W* Bemerkungen
1.4301 X5CrNi18-10 18 (17 – 20)** Austenit, KWK II
1.4404 X2CrNiMo17-12-2 23 (23 – 27)Austenit, KWK III (erhöhter S-Gehalt innerhalb der Norm)
1.4376 X8CrMnNi19-6-3 18 (17 – 20) Austenit, Mangan
1.4162 X2CrMnNiN22-5-2 25 (25 – 29) Lean Duplex, Mangan, KWK III
1.4062 X2CrNiN22-2 26 (25 – 30) Lean Duplex, KWK III
1.4362 X2CrNiN23-4 25 (23 – 29) Duplex, KWK III
1.4509 X2CrTiNb18 18 (18 – 19) Ferrit
1.4521 X2CrMoTi18-2 24 (23 – 28) Ferrit, Molybdän** Wirksummenbereich entsprechend der möglichen chemischen Zusammensetzung lt. Norm
10.07.2015 GfKorr AK Eisen und Stahl 19
* W = % Cr + 3,3 ∙ % Mo + x ∙ % N (Mo ≥ 1,0 % ; Austenit/Ferrit: x=0 ; Duplex : x=16)
1W1.4301
2W1.4404
4W1.4162
6W1.4362
5W1.4062
7W1.4509
8W1.4521
9W1.4376
3W1.4003
freibewittert
1W1.4301
2W1.4404
4W1.4162
6W1.4362
5W1.4062
7W1.4509
8W1.4521
9W1.4376
3W1.4003
überdacht
Auslagerung in maritimer Atmosphäre60 Monate, Walzoberflächen
Auslagerung in maritimer AtmosphäreLochtiefenbestimmung nach 5 Jahren
* Werkstoff 1.4003 zeigt Übergang zu flächigem Abtrag mit ca. 8 µm/a, zum Vergleichunlegierter Stahl weist unter diesen Bedingungen einen Abtrag > 50 µm/a auf
*
MeeresatmosphäreLochtiefenbestimmung im Spalt nach 24 Monaten
freibewittert überdacht
0
20
40
60
80
100
120
140
160
1W1.4301
2W1.4404
9W1.4376
4W1.4162
5W1.4062
6W1.4362
7W1.4509
8W1.4521
3W1.4003
Lo
chti
efe
[µm
]
max. 270 µmAustenit Duplex Ferrit
max. 170 µm
0
20
40
60
80
100
120
140
160
1W1.4301
2W1.4404
9W1.4376
4W1.4162
5W1.4062
6W1.4362
7W1.4509
8W1.4521
3W1.4003
Lo
chti
efe
[µm
]
Austenit Duplex Ferrit
1W1.4301
2W1.4404
4W1.4162
6W1.4362
5W1.4062
7W1.4509
8W1.4521
9W1.4376
3W1.4003
Austenit Duplex Ferrit
Spaltausführung als Metall/Metallspalt
WerkstofffehlerBefestigungen im maritimen Bereich
� Konsole und Befestigungsmittel 1.4462 (KWK IV),
� Nordsee, Einsatzzeit 3 Monate
� Korrosionserscheinungen an den Schlüsselflächen der Muttern
� aber keine Korrosion im Spaltbereich zum Gewindestab
WerkstofffehlerBefestigungen im maritimen Bereich
Prüflösung: Meerwasser, Nordsee, am Objektstandort entnommen,Prüfung bei T = 20 °C
Freies Korrosions-
potential
Ursache: Ausscheidung von Sigma-Phase in der Randzone
WerkstofffehlerBefestigungen im maritimen Bereich
rechnerische Wirksumme: 32 praktische Wirksumme: < 18
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.bam.de/fb-61.htm