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Korrespondenzen

Date post: 10-Jan-2017
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Korrespondenzen Source: Pädagogische Monatshefte / Pedagogical Monthly, Vol. 3, No. 4 (Mar., 1902), pp. 136- 141 Published by: University of Wisconsin Press Stable URL: http://www.jstor.org/stable/30170630 . Accessed: 14/05/2014 03:53 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . University of Wisconsin Press is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Pädagogische Monatshefte / Pedagogical Monthly. http://www.jstor.org This content downloaded from 194.29.185.108 on Wed, 14 May 2014 03:53:25 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions
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KorrespondenzenSource: Pädagogische Monatshefte / Pedagogical Monthly, Vol. 3, No. 4 (Mar., 1902), pp. 136-141Published by: University of Wisconsin PressStable URL: http://www.jstor.org/stable/30170630 .

Accessed: 14/05/2014 03:53

Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at .http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp

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II. Korrespondenzen.

(Fiir die Pidagogischen Monatshefte.)

Cincinnati. Im Zeichen des Prinzen Heinrich be-

wegte sich am Abende des 28. Februar auch, zusammen mit einen halben Hun- derte anderer deutscher und irischer Ge- sellschaften, der deutsche Lehrerverein von Cincinnati, indem er sich durch so 'n Dutzend strammer Kollegen bei dem wirklich grossartigen Empfange des deutschen Gastes unseres Landes und Volkes vertreten liess. Es freut mich innig, von diesem hiichst erfreulichen Zeichen 16blichen Aussichherausgehens der deutschen Lehrer, das gar nicht energisch genug betrieben werden kann, hiermit berichten zu dirfen.-Die Frage der Schtllirzte wird augenblicklich im Schulrate ernstlich in Erwagung gezo- gen. Vorauszusehen ist, dass die Sache im Sande verlaufen wird, da, wenn die Herren Xskulape mit je $75 monatlich honoriert werden, wohl eine nicht ge- ringe Ausgabe den Steuerzahlern aufge- biirdet wiurde. Ausserdem glaube ich nicht fehlzuschiessen mit der Behaup- tung, dass diese Neuerung, nach kurzzei- tiger Probe nur, mit den Schul-Kinder- garten, -Handfertigkeitstibungen, -Mili- tirspielereien, -Steilschrift und dgl. zu- sammen rubriziert werden wird, wie das in denjenigen europhiischen Landern be- reits geschehen ist, nach denen wir quand meme immer noch so 'n bisschen hinschielen, wenn uns in Sachen ,,Valia- tio delectat" zuweilen das Trumm aus- geht. Womit keineswegs gesagt werden soil, dass eine irztliche 'tberwachung der Gesundheitspflege in den Oiffentlichen Schulen in gewissen Grenzen nicht wiin- schenswert wire, nur wird das virgili- sche Wort im Auge zu halten sein: ,,Ti- meo Danaos et dona ferentes". - Der Impfzwang fur Schulkinder sollte, trotz der hierzulande sichtlichen Abnahme des Vertrauens in das Impfen iberhaupt, in keinem wohlgeordneten Staatswesen un- serer Zeit einen Gegenstand offizieller Diskussion bilden ktinnen, wiare es auch nur wegen des immerhin bei der iber- grossen Mehrheit der Biirger noch herr- schenden Glaubens an seinen wohlthiiti- gen Einfluss. Nichtsdestoweniger wir- belt diese Frage auch hier jetzt wieder viel Staub auf und wird eventuell der Frequenz der tffentlichen Schulen unbe- dingt Abbruch thun, falls der Zwang in- sofern durchgefilhrt wird, dass Schiiler, die seit Jahren die Schulen besucht ha- ben, bei jedem Auftreten der Blattern langst verlorene Spait-Impfscheine bei-

bringen oder aber sich aufs neue dieser hier im allgemeinen nicht eben muster- giltig inszenierten Prozedur unterwerfen miissen. Das wire nun erst recht ein Punkt, in betreff dessen ein Hiniber- schielen auf die jenseitige Seite des Weltmeeres wirklich recht sehr am Platze sein dUrfte. Man wiirde vicl- leicht zu der Einsicht gelangen, dass zu den keinem Menschenwesen entbehrli- chen, ihm gewissermassen angewachse- nen Dokumenten auch der Impfschein ge- htirt und dass, ohne einen solchen zu be- sitzen, kein schulpfiichtiges sechsjahriges Kind eine iffentliche Schule iiberhaupt betreten solite. Statt dessen werden sie aber meist anstandslos zugelassen unl ungeimpft mitgeschleift bis eine Blat- ternepidemie ausbricht; und dann heisst es: Hinaus und ungeimpft nicht wieder herein! Die Eltern aber wissen und be- stehen darauf, dass, je alter die Kinder geworden sind, desto mehr Nachwehen das Impfen mit sich bringt, und sind dann sehr oft recht wlderhaarig - ein Verhiltnis, das den Lehrern unsiglich viel Scherereien bereitet und schliesslich doch jedesmal ausgeht wie das Hornber- ger Schiessen. Auch heute stehen wir wieder einmal dieser Frage gegeniiber, und ist bereits ein ftirmlicher Kriegszu- stand zwischen den Pro- und Kontra- impfern eingetreten. Ein Staats-Impf- zwangsgesetz fir aile Schulen ohne Aus- nahme wiire wohi das allein Richtige, wenn man nicht unbedingt je linger desto mehr sich einem meiner rechtsbe- flissenen Freunde anschliessen mtisste mit der Meinung, dass Staatsgesetze ein- zig dazu geschmiedet werden, um vielen Advokaten ein beinahe sicheres Einkom- men zu verschaffen durch die Priifung ihrer Konstitutionalitilt, oder durch das Auffinden von Mitteln und Wegen, wie sie leicht und straflos umgangen werden ktnnten. -

Das bringt mich auf unser speziell fiir das Cincinnatier Klima verfertigte Pen- sionsgesetz - ,,so gut, so schtn, so wohl- thitig und segensreich". Jahrelang ha- ben wir nunmehr unser Scherflein zu die- sem Pensionsfonds beigetragen, und - neuerdings haben die Rechtskundigen, so im Schulrate Sitz und Stimme haben, be- antragt, cue Konstitutionalitit auch die- ses Gesetzes prifen und festzustellen zu lassen. Wenn nun das Letztere fehl- schliigt, was dann? ,,Pour le roi de Prusse!" Das hat iibrigens ein angese- hener Rechtskundiger und hochstehender

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Korrespondengen.

Politiker in unserer Stadt unmittelbar nach der Inkrafttretung des damals in alien Tonarten besungenen Pensionsge- setzes prophezeit und hialt an dieser Meinung heute noch fest. -

Die Geburtstage Franklins, Lincolns, Washingtons und Longfellows wurden, soweit mir bekannt ist, in unseren Schu- len nahezu kriminell farb- und klanglos begangen. Mich diinkt, man kbnne in dieser Richtung des Guten gar nicht zu viel thun; ich will jedoch meine Mei- nung anderen nicht aufdriingen. Nur schade ist es, dass bei sothaniger, in manchen mir bekannten illen, ostentiv zur Schau getragenen Gleichgiltigkeit diesen grossen Toten gegeniiber es auch uns deutschen Lehrern recht schwierig gemacht wird, die Schiiler in dieser Hin- sicht auf dem rechten tfade zu halten.

Die Wiedercinfiihrung alter volksttim- bcher Lieder, auch in englischer Spra- che, bei unserern Gesangsunterricht kann dem wackeren Leiter dieses Unterrichts- zweiges, Herrn Walther Aiken, der in dieser Hinsicht in die Fusstapfen seines verdienstvollen Vaters tritt, nicht hoch genug angerechnet werden, und dem Er- ziehungsrate gebihrt Anerkennung und Dank fiir den Ankauf von Tausenden von Exemplaren einer vorlaiufig noch kleinen Sammlung solcher Lieder fir den Gebrauch in den verschiedenen Schulklassen. Kopf und iand sind ja fiirs erste besorgt und gut aufgehoben; nun freut es desto mehr, dass such Ge- milt und Herz anfangen migen zu ihrernt Rechte zu gelangen. Einer solchen ,,...ologie" das herzlichste Vvillkommen!

quidam. MIlwaukee.

Pber chulreform. Man hirt und liest jetzt so viel von Reform. Die Leute wol- len alles reformieren oder besser machen. Eigentlich heisst ja das Wort indern oder umformen; aber es hat doch ge- wihnlich den Begriff des Verbesserns in sich. Es wird ja auch so lange etwas zu reformieren oder verbessern geben, so lange die Welt steht, denn alles Mensch- liche ist unvollkommen. Doch sollten wir uns dabei selbst nicht vergessen zu reformieren, wie der Dichter sagt: ,,Lasst uns besser werden, gleich wird's besser sein." Da h6rt man denn auch in letzter Zeit viel iber Schulreform. Sind denn unsere Schulen hier im Lande noch der Verbesserung flihig? Sind sie nicht schon vollkommen ? Wenn man un- sere Chauvinisten und Nativisten spre- chen hurt, sollte man glauben, es sei wirklich so. Sie rufen es laut in die Welt hinein: ,,Wir haben die besten Schulen in der ganzen Welt!" Da fiel Inir neulich ein Artikel oder besser eine

Anzahl Zuschriften an die Zeitschrift ,,The Ladies' Home Journal" in die Au- gen (Januarheft), in denen ganz gewal- tige und schwere Anklagen gegen die Schulen, resp. Lehrer und Schulbehiar- den enthalten waren. Mehrere Eltern be- klagen sich bitter darin, dass ihre Kin- der so unmenschlich iberangestrengt wiirden in der Schule, und dann noch eine solche Menge ftir das Haus beka- men, dass sie his in die spite Nacht auf- sitzen miissten; davon seien sie nun geistig und ktrperlich zusammen gebro- chen. Die Xrzte hiitten ihnen den Schul- besuch streng untersagt, un(1 sie wflrden sie ilberhaupt nicht wieder hinschicken. Fast alle klagen jiber den giinzlichen Zu- sammenbruch des Nervensystems (nerv- ous prostration). Dann erkliiren meh- rere junge Midchen, die mehr als zehn Jahre lang die Schule besucht und sich ernstlich bemiiht h~itten, ihre Aufgaben zu machen und sich fiir den Lehrerberuf vorzubereiten, dass ihnen dies nicht mug- lich gewesen, sie seien bei der Arbeit zu- sammengebrochen. Aber ganz schreck- lich und herzbrechend ist die dritte Co- lumne zu lesen, wo in mehr als zwanzig Fillen die Eltern mit Schmerz und Gram und Verzweiflung berichten, dass sie ihre hoffnungsvollen Kinder hiatten ins Grab legen miissen wegen tOberanstrengung und berarbeitung in der Schule.

Also da ist ja die Schule ein moderner Moloch, dem die armen unschuldigen Kinder geopfert werden, und wir Lehrer sind die grausamen Baals- und Molochs- priester! Ist dieser Vorwurf gegen uns und die Schule gerecht? Nein, nur teil- weise. Ich behaupte ganz entschieden, dass die Eltern die Hauptschuld trifft. Es ist die heiligste Pflicht der Eltern, den Unterricht ihrer Kinder zu iberwa- chen, sich zu iherzeugen, ob ihre Kin- der die verlangte Arbeit leisten ktinnen; oh sie geistig und kirperlich dazu im- stande sind, fir einen wissenschaftlichen Beruf, z. B. als Lehrer vorbereitet zu werden. Wird in der betreffenden Schule wirklich zu viel verlangt, so sollten sie mit den Lehrern Riicksprache nehmen oder ihre Kinder aus der Schule neh- men; aber in den meisten illen kiim- mern sich die Eltern gar nicht um die Schule. Aber da ist noch ein anderer sehr wunder Punkt zu bertihren in der Familie. Die ganze jetzige Erziehungs- weise ist dazu angelegt, die Kinder schon im friihesten Alter geistig und physisch zu verkrippeln und filr angestrengte geistige Arbeit ganz unflihig zu machen. Die Eltern halten nlimlich nicht sorgfIl- tig genug alle geistige Aufregung und Ubergrosse Einwirkung auf die Vorstel- lungs- und Einbildungskraft von ihren

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Piidagogzsche Monatshefte.

Kindern fern, im Gegenteil fiihren sie dies recht geflissentlich herbei. Da miis- sen ihre kleinen Kinder schon Parties geben und besuchen, miissen Theater und Matinees besuchen, miissen in Gesell- schaften ihrer Eltern his spit in die Nacht aufbleiben und den fiir sie so nil- tigen Vormitternachtsschlaf entbehren. Dann sehen die Eltern ruhig zu, wie die Kinder ganze Arme voll Biicher von der Bibliothek heimschleppen und mit die- sem Stoff (oft der reine Schund) sich das kleine Gehirn und Vorstellungsver- milgen vollstopfen und his zum Siede- punkte erhitzen. Die Folgen sind dann schlafiose Niichte oder unruhiger Schlaf, aufgeregte Phantasie, Xngstlichkeit und i urcht im Dunkeln, aufgeregte Trliume, Gereiztheit, Schwilchezustand, Nervosi- tit und allerlei ktirperliche Gebrechen. Solches Material bekommen wir dann in die Schule; was sollen wir damit anfan- gen ? Dann noch ein wichtiger Punkt. Die Eltern sind so versessen darauf, sie recht friiu in die Schule hineinzubekom- men, um sie nur aus dem Hause los zu werden, am liebsten schon mit dem 4. Jahre. Die Eltern begehen wirklich ein Verbrechen an ibren Kindern, wenn sie sie vor dem 6. Janre in die Schule schik- ken. Das kleine Gehirn ist noch zu we- nig entwickelt, um geistig angestrengt zu werden, und das geschieht, und muss geschehen, in jeder Schule, auen im Kin- dergarten. Auch triigt der Staat hier Schuld, da er ja den Beginn des Schul- alters mit vier Jahren festgesetzt hat. Californien flngt es mit 6 Jahren an, und ich glaube noch andere Staaten.

Aber sind denn wir Lehrer und die Schule nun ganz ohne Schuld? K6nnen wir uns g~inzlich rechtfertigen von der oben gemachten Anschuldigung? Nein, durchaus nicht; deswegen habe ich schon oben gesagt, dass uns die Schuld nur teilweise treffe. Und da miissen wir wohl alle zugeben, dass die Schuld grasstenteils in der fluchwirdigen, grundverkehrten, hirnverbrannten und aller Logik und Pildagogik Hohn spre- chenden Methode des Drillens, Einpau- kens, Vollstopfens, Auswendiglernens ohne Erkilirung und Verstaindnis be- steht, welche noch mehr oder weniger in alien Schulen, sowohl niederen wie h1- heren, getrieben wird. Ja leider, von der niedrigsten Dorfschule his zur Normal- schule hinauf. So lernen es die Kinder unten und die Miss lernt es oben (in der Normalschule), und so treibt sie es selbst wieder, wenn sie auf dem Kathe- der sitzt. Jung gewohnt, alt gethan. Woher wohl diese infame Methode stam- men mag? Von Deutschland kommt sie nicht, da ist sie glinzlich unbekannt,

Also dann jedenfalls von deni ,,Mutter- lande", von England; daher kommt ja meistens alles Schlechte, was wir hier haben. Englands Schulen stehen ja fiber- haupt, so viel ich weiss, alien andern in Europa weit nach. England hat ja auch wichtigeres zu thun und braucht sein Geld dazu. Krieg zu fihren und Viiker zu unterjochen und Liinder zu er- obern. Aber warum rottet man denn diese Einpauke-Methode (craming, rote system) nicht aus? Ja, sie ist halt so bequem und leicht, und - wir haben noch keinen tiichtig vorgebildeten Leh- rerstand, besonders nicht auf dem Lan- de. Ich darf wohl behaupten, dass diese Methode in unserer Stadt Milwaukee sehr wenig Anwendung finuet, aber doch wird auch bei uns noch immer viel zu viel auswendig gelernt. Dann miichte ich noch eine andere Unsitte riigen, wo- mit den Kindern viel Schaden und zu- gleich grosses Unrecht zugefiigt wird, niimlich die unsinnigen und fibertriebe- nen hiluslichen Aufgaben. Ist es nicht grausam von einer Lehrerin, einem Schiiler, der fleissig und gewissenhaft seine Arbeit wiihrend 6 Stunden gethan hat, nun noch 25 schwere Rechenaufga- ben zu geben, von denen einige wahre Probleme sind, die das Kind gar nicht versteht ? Heisst das nicht, ein Kind sys- tematisch zum Liigen, Betriigen und Abschreiben zu erziehen? Fort mit alien Hausaufgaben. Ich gebe schon seit 25 Jahren gar keine mehr und stehe mich viel besser dabei, da ich alle Arbeiten, auch Aufsiitze und Memorieren, auch die Strafaufgaben, in der Schule machen lasse unter meiner Aufsicht, wo sie gut und richtig gemacht werden. Lasst un- sere Schiler nach der Schule sich drau- ssen in der frischen Luft feissig herum tummeln und sich Geist und Kbrper wie- der kriiftigen und stiirken und wieder in das rechte Gleichgewicht bringen.

Nun mchte ich noch ei~was fiber Re- formen im Schulunterricht berichten, die in der Februarausgabe des ,,Ladies' Home Journal" von Eltern vorgeschla- gen worden sind. Die Redaktion dieses Blattes - des "L. H. J." - hat eine Seite zur Besprechung von Erziehungs- fragen unter dem Namen ,,New Depart- ment, Mothers' Meetings", reserviert, wo solche Zuschriften dann von Zeit zu Zeit veraiffentlicht werden. Die meisten der- selben sind von Frauen verfasst, wohl, weil sie mehr Zeit und auch mehr In- teresse daran haben. Eine solche Zu- schrift ist mit A. R. F., Virginia, unter- zeichnet, und der Verfasser iberschreibt sie mit den Worten: Keine Schule un- ter dem Alter von 8 Jahren. Er berich- tet dann, dass er bei seinen finf Kin-

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Korrespondengen.

dern schon seit 12 Jahren folgende Re- geln bei ihrem Schulunterricht beobach- tet hat: Kein Kind darf unter 8 Jahren ein Schulzimmer betreten; von 8-12 Jahren werden sie tiiglich 3 Stunden un- terrichtet und vom 12.-15. Jahlre tiig- lich 4 Stunden. Keine Schulaufgaben werden zu Hause vorbereitet. Unter kei- nen Umstiinden darf ein Schulbuch zum Sudium heim gebracht werden. Alle Aufgaben, welche nicht in 3-4 Stunden (in der Schule) gelernt werden knnen, bleiben ungelernt. Dann giebt er die Fii- cher an. die seine 13jiihrige Tochter in 4 Stunden tiiglich im letzten Schuljahre gut bewiltigt hat, niimlich: Geographic, Orthographie, Rechnen, Schreiben, La- tein, Franzisisch, Grammatik und Ge- schichte. (Lesen?) Dazu kommen noclh zweimal wichentlich eine Musikstunde. Als Resultat giebt er an: Gute Schul- zeugnisse, Freude am Schulbesuch, ste- tiger Fortschritt, die hachste Zufrieden- heit der Lehrer, gegenseitiges gutes Ein- vernehmen, und - keine Doctorrechnun- gen. Ob das nun eine Staatsschule oder eine Privatschule ist, wohin seine Kin- der geschickt werden, sagt er nicht. Nun, jedenfalls hat der Mann einen ziemlich weiten Reformsprung auf ein- mal gemacht. Es fillt mir sicherlich nicht ein, denselben empfehlen zu wol- len in alien Stiicken. Aber ich behaupte auch, dass wir Lehrer mit 8jiihrigen kindern mehr anfangen konnen, als mit 5- und 6jiihrigen. Auch ist die Gesund- heit der Kinder etwas wert, und fiir die Eltern jedenfalls noch viel mehr als fiir manchen der Lehrer. Prilfet alles, und uas Beste behaltet. Dann sind noch ei- nige andere lesenswerte Ansichten und Sorschliige unter den Zuschriften, die auch der Beachtung wohl wert sind.

A. W*. New York.

Deutschcr Lehrerverein von New York und Umgegend. Beantcnwahl. Die Verhandlungen unseres Vereins fir das laufende Jahr wurden mit der Wahl des neuen Vorstandes eriffnet. Nach einem im vergangenen Jahre beschlossenen Ro- tationsplane legten simtliche Beamte des Vereins ihre Xmter nieder. Der Vor- stand fiir das laufende Jahr setzt sich zusammen aus den Herren: Dr. H. Zick, Vorsitzender; H. von der Heide, stellver- tretender Vorsitzender; Dr. P. Stollho- fen, korrespondierender Sekrettir; E. Mueller, protokollierender Sekretiir und Schatzmeister; H. Kauffmann, Dr. A. Remy, M. Bamberger, ortragsaus- schuss. Es wurde als erster Geschiifts- akt beschlossen. dass der Vorsitzende als V ertreter des Vereins die dem Prinzen Heinrich von den deutschen Vereinen

New Yorks zu jiberreichende Addresse mitunterzeichnen solle. In Anbetracht der Bedeutung des Deutsclhtums in New York und der grossen Anzahl deutschcr Lehrer in Gross-New York und Umge- gend steht zu hoffen, dass der Verein wachse an Jahren nicht allein, sondern auch an Mitgliederzabl und in Bedeu- tung fiir das geistige und gesellige Le- ben seiner Mitglieder: 1ivat, floreat, crescat! X.

Deutscher Lehrervcrein von Neo York und Umgcgen d. Existcnzberechtigun g des deutschen Lehrer-vereins. Unser neu- er Vorsitzende, Dr. Zick, eriffnete die Versammlung vom 1. Miirz mit der freu- dig au fgenommenen Ankiindigung, dass er in aller Stille vor zwei Wochen sich seine schi5nere Hilfte am Altare zuge- eignet, und wurden ei der von ihm we- gen dieses unvorhergesehenen Ereignis- ses gestifteten Bierrunde dem gliickli- chen Paare von Herrn Dr. Monteser in seiner stets launigen Weise die Gliick- wiinsche des Vereins in einem kriiftigen l ivat, floreat, crescat ausgedriickt, ,,be- sonders aber dem crescat".

Obwohl die Schinheit weiblicher Tu- gend von unserer miinnlich ernsten Ta- felrunde verbannt ist, machte sich die- selbe diesmal auch noch in anderer Weise geltend - einfach nach dem Na- turgesetze des Magnetismus. Naturwis- senschaft war zwar nie meine starke Seite und habe ich die in der Schule ge- lernte formula fiber magnetische Kriifte ja auch schon liingst verschwitzt, immer- hin, das Resultat war, dass unser hoch- geschiitzter friihere korrespondierende Sekretiir, Dr. A. Kern, heute durch seine Abwesenheit glnzte. Grund: ,,Geburts- tag meiner Frau". So bleibt uns halt nichts anderes tibrig, als unseren lieben Kollegen via Milwaukee zu bitten, sei- ner verehrten Frau Gemahlin die herz- lichsten Gliickwfinsche des Vereins zu ibermittein.

Auf die Anfrage des Westlichen Lch- rervereins, ob den New orkern fiir die diesjiihrige Tagung in Detroit die Zeit vom 1.-3. Juli passend sei, wurde keine abschliigige Stimnme laut. Fiir diese Ver- sammlung wurde unter allgemeiner Be- geisterung als der beste reprilsentative Redner der New Yorker Herr Dr. K. ihayser vorgeschlagen, und hat derselbe, da er nicht ablehnte, den ehrenvollen Auftrag angenommen.

Darauf legte Herr Dr. Zick als Tr!- ger seiner neuen Amtswirde seine, wenn auch nicht paragraphierten, doch wohi- durchdachten Ansichten fiber die Er- istenzberechtigung und den Zweck des deutschen Lehrervereins dar und schloss mit praktischen Winken fiir die Hebung

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140 Pidagogische Monatshefte.

unseres Vereinslebens. Da dieselben von allgemeinen Interesse erscheinen, magen wenigstens die folgenden Auslassungen hier Platz finden:

,,Man kann ohne tbertreibung be- haupten, dass einer der hervorragendsten und unschiinsten Zilge im deutschen Cha- rakter derjenige der persiinlichen Recht- haberei ist, meistenteils verbunden mit einer iiberkritischen Tadelsucht. Daher diirften alle deutschen Vereine, der unsrige nicht ausgenommen, die Worte Attinghausens zur Beherzigung iber ihre Versammlungsriiume schreiben:

Seid Einig, Einig, Einig! Auch dilrften sie das Wort des heili-

gen Augustinus beherzigen: In necessariis unitas, in dublis libertas, In omnibus caritas!

Die erste Frage ist: Hat unser Ver- ein eine Existenzberechtigung? Mit der Bejahung oder der Verneinung dieser Frage entscheidet sich auch die, ob wir in optimistischer oder pessimistischer Stimmung in die Zukunft zu schauen be- rechtigt sind.

Unser Verein hat eine Existenzberech- tigung, wenn seine Zwecke und Ziele nicht schon von andern Vereinen, denen die meisten von uns angehiiren, erfiillt werden. Werden diese von andern Ver- einen erfiillt, dann halten wir am besten so bald als miiglich die Begriibnisfeier- lichkeiten ab und driicken uns ilber dem Grabe des Dahingeschiedenen, der ja dann nie eigentlich gelebt hat, die Hiinde zum Abschied.

Nun scheint mir die Existenzberechti- gung iiber allem Zweifel klar; sie ist schon im offiziellen Namen des Vereins ausgesprochen: ,,Verein deutscher Leb- rer von New York und Umgegend". Die andern Vereine, denen viele von uns an- gehbren, sind Vereine von Lehrern der deutschen S prac h e. - Unser Verein schliesst offenbar alle Lehrer deutscher Abkunft in sich. Der ausgesprochene Zweck des Vereins ist: Geselligen Ver- kehr unter ihnen zu ermiglichen, freund- schaftliche Beziehungen anzubahnen und zu befestigen, und fernerhin durch Vor- trige und Besprechungen piidagogischer Fragen Ihre Berufsinteressen zu firdern. Gedankenaustausch wissenschaftlicher und allgemein-bildender Art und Pflege des freundschaftlichen Verkehrs als Deutsche ist offenbar der programm- mlesige Zweck unseres Vereins, und wie der erreicht wird, wissen Sie im allge- meinen so gut wie ich, ja - ohne fal- sche Bescheidenheit meinersen s - wahr- scheinlich besser als ich. Von einer Wir- kung des Vereins nach aussen steht, nach meiner Meinung, nichts im Programm des Vereins. Und doch, sol1te der Ver-

ein nicht in einem gewissen Sinne auch sich nach aussen flihlbar machen? Diese JFrage driingte sich mir unwillkiirlich auf infolge der Diskussion, die anliss- lich der Adresse an den Prinzen Hein- rich hier vor 4 Wochen stattfand. Sol- len wir bloss einen Verein darstellen, in dem man sich als Deutsche in deutscher Gemiitlichkeit trifft und piidagogische e ragen ertirtert ? Das kinnte man schliesslich auch zu Zweien oder Vieren am runden Tisch.

Oder sollen wir es versuchen, wie die Spezialvereine an den tiffentlichen Schu- len aie Interessen der deutschen Lehrer zu wahren und eventuell auca zu ver- fecnten? Das geschieht ja scnon in die- sen Vereinen.

Nach meiner unmassgeblichen Ansicht diirften wir mit Vorteil einen Mittelweg einschlagen. Vor allem: Gedankenaus- tausch beziiglich aller Gegenstiinde, die uns als deutsche und deutschsprechende derufslehrer der deutscen Sprache oder anderer Gegenstiinde interessieren; dann, oder besser zu gleicher Zeit, ge- miitlicher Verkehr bei einer Tasse Mokka oder einem Glase Gerstensaft unter fleissiger Anwendung des edlen Tabakes, und zuletzt, aber nicht in zu s tief- miitterlicher Weise, Besprechung und Meinungsaustausch beziiglich der Dinge, die in der Welt der Erziehung vor sich gehen, und welche die Berufsstellung des deutschen Lehrers als Deutschen berih- ren. In dieser Hinsicht ktinnen sich die einzelnen Mitglieder als Hochwachtpos- ten betrachten und durch zeitigen Be- richt des Beobachteten auf maliche Ge- fahren hinweisen, die sich dann vielleicht vermittelst des pers5nlichen Einflusses einzelner Mitglieder, oder durch den Einfluss von anderen Vereinen, denen die einzelnen angeharen nigen, abwenden oder wenigstens vermeiden lassen. Da- bei soil der Verein als Verein keine scharfe Stellung in irgend welcher Frage in 6iffentlicher Weise nehmen. Denn die deutschen Lehrer als Deutsche bilden kei- nen Stand wie die Lehrer der deutschen Sprache an den 6ffentlichen Schulen, die ja mitunter auch Nichtdeutsche sind. Aber es giebt gewisse Straimungen, wie die nativistischen Tendenzen in gewissen Universitliten, Stiidten und School- boards, welche den deutschen Lehrer als Deutschen schidigen, und deren Erarte- rung wohl in den Rahmen des Vereins- zweeks zu geharen scheint, sowie auch das Bestreben, diesen Tendenzen, wean auch nicht als Verein, entgegenzuarbei- ten durch den Einfluss der einzelnen Mit- glieder als Individuen, z. B. journalis- tisch, oder als Mitglieder streng berufs- miissig geschlossener Vereine, in deren

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Umschau.

Interesse ein solches Entgegenarbeiten liegt"

Unter die Mittel zur Hebung des Ver- einslebens rechnete der Redner:

1. Geselligkeit, gehoben durch Musi- zieren, Singen, Deklamation unter Her- anziehung selbst schauspielerischen Ta- lentes;

2. regelmlissiges ]rscheinen der Mit- gliedey;

3. Zunahme des Vereins durch ,,Paa- rung", d. h. jedes Mitglied solle ein neues Mitglied anwerben (siehe Einlei- tung des Berichtes);

4. gute Vortriige der Mitglieder oder auswiirtiger Redner;

5. Veriffentlichung der letzteren in den Plidagogischen Monatsheften;

6. Trommelrihren fiir das Abonne- ment auf die Piidagogischen.

Die Ausfihrungen fanden al!gemeinen Beifall und regten zu weiteren Vor- schliigen an.

Der musikalische Teil unseres Pro- gramms musste aus dem oben angefiihr- ten magnetischen Grunde ausfallen, denn ohne Riicksicht auf die Wahrheitsliebe des Chronikenschreibers, der von seinem Helden sagt: Er blus die Flat' und sung dazu", erkliirte sich unser werter Herr Vize-Vorsitzende H. von der Heide rund- weg fiir unflihig, Violine und Klavier zu gleicher Zeit zu spielen.

P.S.

III. Umschau.

Amerika. Prinz Heinrich ist von seiner Tour

nach den siidlichen und mittleren Staa- ten unseres Landes nach New York zu- riickgekehrt, und er wird, ehe diese Zei- len unseren Lesern zu Gesicht kommen, seine Heimreise angetreten haben. Die Empfangsfeierlichkeiten ,n den einzelnen Stiidten und Staaten sind dank unserer vorziiglichen Berichterstattung auf das minuti5seste in den Tageszeitungen ver-

ffentlicht worden, und wir brauchen hier kaum zu wiederholen, dass der wahrhaft vornehmen, dabei iiberaus ge- winnenden Erscheinung des Prinzen sich alle Herzen 5ffneten, und dass die ihm vielleicht anfangs nur anstandshalber zu- gedachten Ehrungen dann wirklich als von herzen kommend erwiesen wurden.

Zwei Besuche verdienen jedoch unsere besondere Beachtung: der in Milwaukee, das die schmeichelhafte Bezeichnung ,,Deutsch-Athen" triigt, und der in Boston, das wir mit gleichem Rechte ,,Yankee-Athen" nennen kinnen. Gernm m5chten wir iiber den ersteren Besuch stillschweigend hinweggehen, wenn wir nicht auf verschiedene Anfragen unserer Leser Antwort schuldig witren. Milwau- kee hat sich dem Prinzen gegeniber nicht als die deutscheste Stadt der Union gezeigt. Die Staatsraison unserer Poli- tiker verbot schon von vornherein ein Hervortreten des deutschen Elements, und diese hatten wohl verstanden, in der Aufstellung des Programmes fir den 6- stiindigen Aufenthalt des Prinzen das Heft in den Hiinden zu behalten. Die Uneinigkeit der deutschen Presse, die Ei- fersucht der einzelnen deutschen Vereine,

der Eigensinn besonders beteiligter Per- sonen thaten das librige; sie brachtenes zuwege, dass der Prinz das vorzilgliche deutsche Theater Milwaukees nicht ken- nen lernte, dass ein Besucn eines gross- artigen Oratoriumkonzertes des Musik- vereins, des Pioniers der deutschen Kunst, das zufiilligerweise fiir den 4. Mirz, dem Tage des Prinzenbesuchs, fest- gesetzt war und in dem Bruchs ,,Odys- seus", fiir diesen Besuch wie geschaffen, zur Aufflihrung gelangte, dem Programm nicht einverleibt wurde, und dass auch ein Besuch der einzigen nationalen deutschamerikanischen Anstalt des Lan- des, des Lehrerseminars, unterblieb. Dass letzteres uns besonders leid thut, wer wollte uns darum tadeln?

Sonst verlief der Aufenthalt des Prin- zen in Milwaukee glatt; er sah und htirte und-ass nichts anderes als an den andern Orten, an denen er sich aufhielt. Wie ganz anders in Boston. Wahrlich, die am wenigsten deutsche Stadt unter unseren Grossstiidten bereitete dem Gast einen Willkomm, auf den die deutscheste derselben hiitten stolz sein knnen. Und wir als Deutschamerikaner missen mit besonderem Stolze af die Stunden in Cambridge blicken; denn wenn der deut- sche Einfluss auf die Entwickelung unse- res Landes an solcher Stelle, der geistig hbchsten des Landes, anerkannt wird, dann brauchen wir an dem Fortbestehen und der Ausbreitung unserer deutschen Ideen zum besten unseres Landes nicht mehr zu zweifeln; der Same, der an den Stitten der Wissenschaft gesliet wird, wird seine Frucht bringen.

Obgleich die Rede des Priisidenten

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