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Konfuzius

Date post: 09-Jan-2017
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O T T O ZI ER KR

BILD DER JAHRHUNDERTE EINE WELTGESCHICHTE IN 18 EINZEL- UND 12 DOPPELBÄNDEN

H E I L I G E S R E I C H Unter diesem Titel ist soeben der 18. Band der neuartigen Weltgeschichte erschienen.- Der Band behandelt das elfte nachchristliche Jahrhundert.

Das „Heilige Römische Reich Deutscher Nation" trägt in sich den Widerspruch zwischen der irdischen und der geistlichen Gewalt. Im 11. Jahrhundert streiten die Päpste der er­neuerten Kirche mit den stolzen Salier-Kaisern um den Vorrang. Die allgemeine Entfachung seelischer und geistiger Kräfte, die tiefe Erregung, die unter diesem Gegensatz die Christenheit erfaßt, führt den Weg des Abendlandes rasch

zu ungeahnten Höhen empor.

Auch dieser Band ist in sich vollkommen abgeschlossen und enthält wiedei ausgezeichnete Kunstdrucktafeln und zuverlässige historische Karten. Ei kostet in der herrlichen Ganzleinenausgabe mit Rot- und Goldprägung und Farbigem Schutzumschlag DM 3.60. Mit dem Bezug des Gesamtwerkes kann in bequemen Monatslieferungen jederzeit begonnen werden. Auf Wunseti werden auch die bereits erschienenen Bücher geschlossen oder in einzelnen Bänden nachgeliefert. Erschienen ist seit Januar 1951 monatlich ein Band.

Prospekt kostenlos vom

VERLAG SEBASTIAN LUX MURNAU/MÜNCHEN

K L E I N E B I B L I O T H E K D E S W I S S E N S

LUX-LESEBOGEN N A T U R - U N D K U L T U R K U N D L I C H E H E F T E

Otto Zierer

KONFUZIUS

Der Weise

von Lu

VERLAG SEBASTIAN LUX * MURNAU / MÜNCHEN

Der hl. Berg Mu

Tal des Gelben Drachen

Das Land am Huangho, am „Gelben Fluß", ist der Wurzelboden des altchinesischen Reiches. Gelb sind die Ufer des Stromes: im Winter ist es der graugelbe Nebel über den regenzerfurchten Schrunden der Lößberge, im Sommer sind es die feinen, gelben Staubschichten, hinter denen die Sonne verschleiert einherzieht. Terrassen, Hügel und Täler am Unterlauf sind überdeckt mit Lehm­erde, die in gewaltiger Schicht auf der felsigen Grundlage liegt. Die gelbe Erde birgt die Kraft zu großer Fruchtbarkeit, aber auch den Trieb zu gefährlicher Unbeständigkeit.

Anhaltende Dürre im Sommer verwandelt die Lehmerde in wandernde Staubmassen, die sich tödlich über Felder und Weiden niederschlagen; das Anschwellen der Ströme bringt sie ins Schieben, Wandern, Rollen. Ganze Landschaften drohen in den strohgelben Fluten des Huangho zu versinken, sich aufzulösen und talab zu schwemmen. Die angetriebenen Erdmassen erhöhen den Wasser­spiegel, die unbeständigen Lößufer bröckeln ab, und das lockere Geschiebe der Lehmschichten beginnt bis auf die Felstafel hinab Gestalt und Lage des Stromlaufes zu ändern; die Flut gräbt sich

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eine neue Bahn. So verlagert dieser große stürmische Huangho — „Der Gelbe Drache", wie ihn die geplagten Bauern des Stromtales nennen — häufig sein Bett. Strömt anhaltender Regen, so strudelt es gelb von Hängen, Äckern und Berghöhen. Die schwammartige, ausgehöhlte Erde, die sich in der trockenen Jahreszeit mit zahllosen Rinnen und Sprüngen durchzogen hat. fällt in sich zusammen, alle Feldarbeit der Bauern wird zunichte. Wenn im späten Frühjahr das Hochwasser sinkt, hat das Land weithin sein Aussehen geändert, alle Arbeit muß von vorn beginnen.

Der „Gelbe Drache" wälzt sich aus sagenfernen Gebirgen und Hochländern heran, durchbricht die Barriere regenreicher Gebirge, windet sich auf wechselndem Wege wie ein Urweltwurm durch Löß­landschaften, vorüber an spitzgipfligen Hügeln, ameisenfleißig an­gelegten Terrassen und den flachen Ufern der Mündungsgaue Hope und Schantung.

In nebelhafter Vorzeit sind — vermutlich aus dem nördlichen Indien — Bauernfamilien in die Landschaft am „Gelben Fluß" ein­gewandert und haben sich im Laufe ungezählter Jahrhunderte zu einem wimmelnden Volke vermehrt. Auf den Feldern wachsen Weizen, Gerste, Reis, Hafer, Hirse und Hanf; in den Gärten wuchern Bohnen und blühen Blumen. Die schilfgedeckten Hütten haben spitze Giebel, in den rohgefügten Ställen leben Haustiere.

Drunten über dem ziehenden Strom hängen, wie von sanftem Tuschepinsel hingesetzt, büschelige Kiefern mit zerzaustem Geäst; lautlos gleiten Flöße und Dschunken stromab; sie kommen aus den gelben Bergen, dort, wo sich beim „Großen Kiefernwald" der Peiho in den Strom ergießt.

Der Sonnenball steht golden im Zenit, brausend schäumen die Wasser des Huangho über die Riffe; an den sanften Uferhängen gehen Bauern mit kegelförmigen Strohhüten, nur mit dem Lenden­tuch bekleidet, hinter den Gespannen der Buckelochsen, die den Holzpflug durch die lockere Erde reißen. Langsam gleitet das Schiff eines hohen Mandarins unter purpurrotem Segel durch die stillere Ufertrift. Unter den Bastschirmen und Pfauenwedeln lagern vor­nehme Herren in zinnoberroten, veilchenfarbenen, resedagrünen und scharlachfarbenen Seidenmänteln.

Die Menschen dieses Landes der gelben Eintönigkeit lieben es, in Buntheit zu schwelgen: ihre Seide — in großen Maulbeerplan­tagen gezüchtet — ihre bemalten Tonwaren und die glasierten und getönten Ziegel auf den Tempel- und Palastdächern sind Ausdruck ihrer Farbenfreude.

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Aber die Hinwendung zum Heiteren ist nicht das einzige, wozu das Land seine Bewohner erzogen hat. Das Leben im ewig sich wandelnden Stromtal und auf den Lößbergen ist auf die Dauer nur möglich, wenn Himmlisches, Irdisches und Menschliches in Ein­klang sind, wenn die ordnende Kraft der menschlichen Vernunft das wilde Chaos der Natur- und Himmelskräfte zu bändigen weiß.

Darum haben die Chinesen schon Jahrtausende vor Beginn der christlichen Zeitrechnung begonnen, die zerstörerischen Mächte von Wind, Regen, Hochwasser und wandernder Erde im Netz ihres Fleißes und ihrer Ordnung einzufangen. Ungeheuer ist, was in dieser Frühzeit an Kanälen, Bewässerungsgräben, an Dämmen und Deichen, an Terrassen, Schöpf- und Regulierungswerken gebaut wird.

Die Seele der Menschen ist Spiegelbild dieser Landschaft. Wie dem urwilden Strom und den wandernden Erdmassen Dämme und Kanäle als Fesseln auferlegt sind, so haben altüberkommene Sitte und feste Regeln die tief innen schlummernde Wildheit der Men­schen durch das feine Gewebe der Höflichkeit, des Lächelns, der maßvollen Zeremonie überdeckt und gebändigt. Doch manchmal durchstößt der Huangho, der „Gelbe Drache", tobend die Dämme, manchmal bricht die Menschennatur durch die schützende Hülle der Form: Haß, Raubgier, Neid, Machttrieb entfachen sich zu wildestem Ausbruch, bis wieder eine Periode des Dammbauens, Beherrschens und sanften Lächelns heraufkommt und das Entfesselte zur Harmonie des Daseins zurückkehrt.

Das ist der Kreislauf chinesischen Lebens.

*

„Ich setzte meinen Willen aufs Lernen"

In der heutigen Provinz Schantung liegt nahe der Stadt Dsou der heilige Hügel Mu. Hier am Berghang, in einer Höhle, wird im Jahre 551 vor Christus, als die Mutter sich auf einer Pilgerfahrt zu den Berggöttern befindet, Kungfutse geboren, den man im Abendland Konfuzius nennt.

Es ist ungefähr die Zeit, als im fernen Westen Kyros, der Groß­könig, Babylon erobert, die Juden aus der babylonischen Gefangen­schaft zurückführt und das Persische Weltreich begründet; als in Griechenland die großen Philosophen der Jonischen Schule das abendländische Denken in neue Bahnen lenken und in Olympia die Nationalspiele der Hellenen ihre höchste Blüte entfalten; als in Indien Buddha, der Erleuchtete, Schüler um sich sammelt und seine

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Lehre der Weltentsagung predigt, die später zugleich mit der welt­bejahenden Lehre des Kungfutse das Familien-, Gesellschafts- und Staatsleben Chinas bestimmen wird.

Der Vater des Kungfutse ist ein Nachkomme der alten Kaiser­dynastie der Yin; freilich besitzt die Familie des Vaters keine Macht mehr; der kleine Lehensstaat Lu, zu dem die Stadt Dsou gehört, wird von gewalttätigen Herzögen regiert. Die alten Familien ge­nießen zwar hohes Ansehen, aber nicht den geringsten Einfluß auf die Verwaltung.

Als der Knabe Kungfutse kaum zwei Jahre alt ist, stirbt der Vater; sein Leben mündet in den Strom der Ahnen, deren Reihe nun im Sohne fortgesetzt werden kann. Man bringt den Sarg auf den Familienacker, um ihn später dort in einen Erdhügel zu betten. Doch über den häuslichen Sorgen und durch den Wegzug der Mutter in die Hauptstadt „Auf dem Zickzackhügel" wird die Einver­leibung des Toten in den Schoß der Erde vernachlässigt und vergessen.

Die Mutter unterweist den Knaben fern von Aberglauben und Dämonenangst zu Ernst und Eifer und gibt den Lernbegierigen nach Jahren der Vorbereitung in die Schule des weisen Mandarinen Yen.

Es ist der neunte Geburtstag, an dem Kungfutse den Händen des frommen Lehrers anvertraut wird, ein Ehrentag für die große Familie der Kung-Sippe.

Als der Geburtstagsstern am östlichen Horizont heraufsteigt, werden in dem lehmummauerten Innenhof des Kung-Hauses die Reisstrohfackeln entzündet; das rötliche Licht glänzt auf den rot­lackierten Holzsäulen, die die geschweiften Schindeldächer tragen; die vergoldeten Drachen in den vier Windrichtungen glühen, der kleine Lotosteich im „Hof der aufgehenden Sonne" spiegelt ihren Sehein. Alle Verwandten der verzweigten Familie und einige aus­erlesene Freunde des Knaben haben sich versammelt.

Die Hände in die weiten Seidenärmel der festlichen Mäntel ver­borgen, warten sie längs der blumenbestandenen Terrasse, lehnen an den Bastgittern und ölgetränkten Tierhäuten, die in lackroten Rahmen die Fenster des Hauses bilden. Vor dem purpurgedeckten Altar steht der weißbärtige Lehrer und zündet Räucherstäbe an: das Bild des „Gottes des langen Lebens" ist aufgestellt — er soll den Heraufstieg des neuen Lehensjahres segnen.

Sechs Teller mit Äpfeln — Symbolen des Friedens — und sechs Kerzen als Sinnbild der sechs Altersfolgen, die man dem Knaben wünscht, stehen vor dem Altar. Auf die Steinfliesen ist ein Kissen in roter Farbe — der Farbe des Glückes — gebreitet.

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Dort laßt sich der alte Yen nieder und entzündet in dem Augen­blick, als im Osten der Sonnenball den Horizont in Brand setzt, ein bronzegetriebenes Gefäß mit Weihrauch, das einem Löwen gleicht. Dann erfleht er den Segen des Himmels für den Knaben und die Familie.

Der Reihe und dem Rang nach knieen die Familienmitglieder, > den Dank an die unsichtbaren Mächte zu wiederholen. Tischchen, die nun im Morgengrauen sichtbar werden, tragen die kleinen Ge­schenke, die man von allen Seiten gesandt oder gebracht hat.

Schnell trippelt die im Hintergrund harrende Mutter, den Knaben vor den ehrwürdigen Meister zu bringen, der ihn herbeibefiehlt.

Der Mandarin kauert im gelbgrünen Licht der Jadelampen mit gekreuzten Beinen auf den Kissen; eine grüne Seidentapete mit gestickten Drachen überspannt die Rückwand.

„Der verehrungswürdige Lehrer hat mich gerufen?" „Setz dich, Kung, es ist Zeit, daß ich dich prüfe. Ich will wissen,

ob du ein Weiser oder ein Tor sein wirst." Der Mandarin schließt die Augen, man hört ihn leise sprechen.

Er beginnt mit dem Urmythos von den „Alten Herrschern". Sagen­haft ist das Leben der Kaiser Yau und Schun, die allein durch ihr Dasein die Welt in Ordnung gehalten haben.

Der Alte hebt die faltigen Lider über den schwarzen Augen und blickt den Knaben fragend an. Kung, der mit artig gekreuzten Armen zu Füßen des Lehrers sitzt, antwortet sogleich mit einem Satz aus uralten Schriften:

„Groß wahrlich ist es, wie Kaiser Yau Herrscher war! Erhaben und unendlich, wie der Himmel ist, war nur Yau! Das Volk hatte keinen Namen für seine Erhabenheit. Erhaben war die Vollendung seiner Werke, strahlend seine Lebensordnung!"

„Groß war Yau", nickt der Alte, „du sagst es. Aber tausend und mehr Jahre sind vergangen, seit Yau lebte. Nur die Sage berichtet von den Urkaisern. Yau war nicht Gott, Yau war nicht Geist — er war das Weltgesetz, war die Ordnung selbst. Darum hatte die alte Welt Harmonie, weil in ihr Gesetz und Herrscher eins waren. Wie heißt es von Schun, dem zweiten in der Reihe der großen Kaiser?"

Kung gibt Antwort: „Wer ohne lautes Handeln herrschte, das war Schun. Denn, was tat er? Er bewahrte ehrerbietig sich selbst und richtete sein Antlitz auf das Reich der Geister — das war alles."

„Du sprichst Worte, Knabe? Aber begreifst du den dunklen Sinn?" „Ich begreife, Ehrwürdiger . . ."

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Der kleine Kung beginnt tastend zu erklären. „Erdbeben, Überschwemmungen, Dürre, Krieg und Verwirrung

sind die Zeichen, daß die Harmonie der drei Grundwesen, Himmel, Erde und Mensch, gestört ist. Aufgabe des Menschen ist es, mit den guten Kräften des Lebens — den Geistern in Stein, Pflanze, Berg, Strom und Himmelsraum — in Einklang zu stehen. Diese Ordnung erfüllte sich zuerst in den Kaisern, sie soll sich fortsetzen in den Fürsten und Beamten und schließlich eindringen in das Volk."

Erstaunt über die frühe Weisheit, die aus dem Knaben spricht, zieht der Alte die schiefe Braue hoch. Dann fährt er fort, die Urgeschichte Chinas zu berichten. Auf die sagenhaften Kaiser Yau und Schun folgte Yü, der Begründer jener großen Dynastie, die die Eindämmung der Flüsse begann und die ersten Gesetze gab. Wieder sagt Kung sein erlerntes Sprüchlein auf.

„Auch an Yü findet man keinen Fehler. Kärglich waren Trank und Speise, aber er war voll Ehrfurcht gegen die Götter und Geister. Schlecht waren seine Kleider, aber voller Pracht die Opfergewänder. Niedrig war seine Hütte, aber er wandte alle Kraft auf die Wasserläufe."

„Ja", sagt der Alte, „wichtig ist die Einheit mit den Wasser­geistern: das Feine und Zarte, das Geheimnis birgt sich im Fließen­den und Strömenden. Dieser Zusammenklang ist heute gestört."

Dann verliert er sich in einer Rückschau, als habe sich die Grenze zwischen ihm und den unendlichen Ahnenreihen seiner Herkunft verwischt. Es ist s e i n Erleben, von dem er spricht; er selbst hat den Gang der letzten tausend Jahre durchlebt: Wie die Dynastie Kaiser Yüs.verfällt und der Tyrann Djiä das Volk unterdrückt, wie Held Tang die Yin-Dynastie gründet, von der auch der Knabe Kung ab­stammt, und wie endlich die letzten Yin-Herrscher das Band zwischen sich und den Geistern zerschneiden, zu grausamen Tyran­nen werden und von König Wen und den Fürsten gestürzt werden.

„Die Herzöge, Kung", fährt der Meister Yen fort, „sie nahmen die Herrschaft im Namen des Himmels, auf daß sie die Harmonie wiederherstellten. Aber sie verloren dann selber die Ordnung. Siehe, der Himmel redet nicht, durch den Hergang der Ereignisse gibt er sich zu erkennen.

,Die Tyrannen verloren ihr Reich, weil sie ihr Volk verloren. Sie verloren ihr Volk, weil sie die Herzen verloren. Es gibt einen Weg, das Volk zu gewinnen, es gibt einen Weg, die Herzen zu gewinnen: Lasset das Volk einmünden in Recht und Gerechtigkeit, wie das Wasser ins Meer fließt, wie das Wild in

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die Einöde flüchtet. Der Herrscher muß für alle das Vorbild sein. Aber die Tage der gerechten Herren sind vorüber. Im Lande führen Mißgunst, Hochmut, Gewalt, Unordnung das Zepter . ' "

Zum ersten Male hebt der Knabe Kung sein Auge, es bricht wie Stolz hervor, als er sagt: „Ist Ordnung im Lande, so ist Armut schimpflich. Ist Unordnung, so sind Reichtum und Würden schimpflich".

Meister Yen hebt die Hände und legt sie dem Neunjährigen auf den glattrasierten Kopf.

„Gern will ich dich lehren, Knabe, denn ich sehe: du wirst ein Weiser sein unter den Menschen."

Der Meister lehrt den Schüler die sorgfältige und gewissenhafte Beachtung der von den Vätern überkommenen Bräuche und Zeremonien, deren Beherrschung und Bewahrung erst dem Leben Halt und Sicherheit verleiht. Er erzieht ihn zur Ehrfurcht vor den Ahnen und zur Erfüllung der den Ahnen schuldigen Opfer. Im Buche Li-Li steht geschrieben:

„So lange sie leben, ernährt man die Eltern, wenn sie ge­storben sind, betrauert man sie, und wenn die Trauer beendet ist, opfert man ihnen."

Dies geschieht viermal im Jahr, indem man Tee, Nahrungsmittel und Weihrauch verbrennt, auch werden vor den Schreinen die wichtigsten Ereignisse des Familienlebens berichtet. Wie allen toten Vorfahren hat man auch dem alten Kung im Ahnenwinkel ein „Seelenhäuschen" aus Papier aufgestellt und es am ersten Jahrestag seines Hingangs verbrannt. Die Papierasche ist in einem roten Tuch unter des Vaters Ahnentafel gehängt.

Oft hält sich der Knabe Kung vor dem „Altar der Ahnen" auf. An der mit bunten Bastmatten überspannten Wand hängen die

Tafeln, die den Verstorbenen gewidmet sind. Jede ist nach der Zahl der Monate zwölf Zoll hoch, nach der Zahl der Jahreszeiten vier Zoll breit, nach den zwölf chinesischen Stunden zwölf Linien dick, nach der Himmelswölbung oben rund und nach den vier Welt­gegenden im unteren Teile viereckig. Alles ruht also in der voll­kommenen Harmonie, die in der Natur vorgebildet ist.

Auf den Ahnentafeln sind Lebenszeit, Geschichte und Name der Verstorbenen eingeritzt. Der Knabe kauert auf einem Kissen vor dem Räuchertischchen, aufgeschichtete Bambustäfelchen — Bücher — häufen sich neben ihm, er sucht den Einklang mit dem Geist der

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Vorväter durch das ernsthafte Studium alter Weisheit, er sucht nach den Gesetzen, die das einträchtige Zusammenleben der Menschen sichern.

Und Kung erkennt, daß es fünf Grundverhältnisse gibt, die die Lebens- und Staatsordnung bestimmen: das Verhältnis von Fürst und Untertan, von Vater und Sohn, von Mann und Frau, vom älteren zum jüngeren Bruder, von Freund zum Freund. Die Tugenden, die dem Manne anstehen, der ein wohlgeordnetes Beieinander der Verhältnisse erstrebt, heißen "Weisheit, Menschlichkeit und Tatkraft.

Manchmal schreibt Kung seine Erkenntnisse mit gewandtem Tuschepinsel auf glatte Bambustäfelchen nieder.

„Zwischen Vater und Sohn bestehe Anhänglichkeit, zwischen Herrscher und Beamten Gerechtigkeit, zwischen den Gatten vornehmes Verhalten, zwischen Freunden Glaube . . ."

Als Kungfutse dem Unterricht des Meisters Yen entwachsen ist, zwingt ihn die Dürftigkeit seiner Familie in die Schule des Lebens. Er wird Verwalter der Getreidespeicher, dann Steuereintreiber, dann Oberaufseher über die Herden, die den größten Reichtum des Landes Lu bilden. So öffnet sich ihm der Blick in das Wirtschafts­und Verwaltungsgetriebe des kleinen Staates, und er erkennt: die gegenwärtigen Verhältnisse des Staates entsprechen nicht der Harmonie der einen Sonne, des einen Himmels und stehen nicht im Einklang mit den mächtigen Geistern der Gebirge, von denen Chinas Schicksal kommt.

Dort oben strömt der Regen, der Flut und Verwüstung oder Fruchtbarkeit bringt. Dort leben Barbaren, die ihre Völker ver­wüstend ins Reich entsenden. Die frühen Kaiser, die in Freund­schaft mit den Geistern der Berge lebten, haben es noch vermocht, die entsandten Gewässer zum Guten zu lenken und den aus den Gebirgen hervorbrechenden Barbaren erfolgreich zu wehren. Ihre Nachfolger auf dem Thron des Himmels aber stehen gleichgültig oder gar feindlich den Berggöttern gegenüber, und die Götter rächen sich mit Hochwasser und Katastrophen und durch die Ein­fälle der wilden Völker. Sie haben die Bändigung der Wasser, den Bau der Dämme und den Kampf gegen die Reichsfeinde den Herzögen in den Landen überlassen und sich selbst in die üppige Reichshauptstadt Loyang im Westen zurückgezogen. So sind die Fürsten fast zu selbständigen Herren geworden, Räuberhorden brandschatzen die Grenzgebiete, die Dämme und Schleusen am Strom sind zerfallen, hochmütige Beamte und gewalttätige Lehens­herren unterdrücken das Volk.

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Gibt es keinen Weg, der die Ordnung sichert? Sind nirgends Straßen, die heimführen ins Goldene Zeitalter der Urkaiser? Eifrig studiert Kung die Bücher der Weisheit.

„Schweigen und erkennen, lernen ohne je überdrüssig zu werden, die Menschen lehren, ohne müde zu sein! Ich bin nicht mit Kenntnissen zur Welt gekommen, aber ich liebe das Überlieferte und bin eifrig im Streben."

Als Kungfutse achtzehn Jahre alt ist, pilgert er mit der Mutter zum Taischen, dem heiligsten der heiligen Berge Chinas. Wie jedes Frühjahr wallfahrtet dorthin auch der Kaiser, um zu versuchen, durch Gebet die Geister der Gebirge zu beschwören.

Zum ersten Male sieht der Knabe ein höfisches Gefolge von Mandarinen in herrlich gestickten Gewändern. Bastbekleidete Kulis mit spitzen Strohhüten tragen die schwankenden Sänften. Runde Seidenkappen mit Edelsteinen sitzen auf den glatt polierten Häuptern der Vornehmen, Soldaten mit breiten Schwertlanzen und runden Bronzeschilden säumen den Zug, und ferne, von blauen Weihrauchwolken verhüllt, zieht — ein goldgelber Glanz — der Kaiser vorüber. Das Feld um. den Taischen ist ein einziges graues Meer von Bauern, die in fasrigen Bastmänteln und dürftigen Lei­nenkleidern dem Opfer beiwohnen. Kung sieht die demütig hinge­worfene dunkle Masse der Untertanen, erkennt den Hochmut in den Gesichtern der Fürsten. Die Gegenwart des Himmelssohnes mißachtend, schwatzen und feilschen sie, verachten das Volk und hassen einander. Bekümmert schreibt Kung auf seine Bambustafel:

„Bei den Alten gab es drei Fehler, die es heute wohl nicht mehr gibt. In alter Zeit waren die Schwärmer heftig, heute sind sie zügellos. In alter Zeit waren die Selbstbewußten eigen­sinnig, heute sind sie zänkisch und widersetzlich. In alter Zeit waren die Toren geradeheraus, heute sind sie verschlagen."

Schon auf dem Heimweg von der Wallfahrt zum Frühlingsopfer am Himmelsaltar des Taischen beginnen die Berggeister schwarzes Gewölk aufzutürmen, die Schleusen der Lüfte öffnen sich und endloser Regen fällt. Unheimlich schwillt der Huangho an. Wie ein wütend geblähter gelber Drache wälzt er sich aus seinem Bett, flutet durch die verfallenen Dämme, reißt Äcker, Hütten und Men­schen fort.

Nichts gilt mehr des Kaisers Gebet, die himmlische Ordnung auf Erden ist zerstört . . .

* * *

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Im Alter von 19 Jahren wird Kungfutse verheiratet. Als unter Musik und dem Abbrennen der Räucherstäbe die Sänfte

der Braut von der Verwandtschaft beider Familien zum Hause der Kung geleitet ist, schließt der junge Kungfutse die Sänfte mit einem goldenen Schlüssel auf und trägt die Braut ins Haus. Vor dem „Altar der Ahnen" brennen auf einem reich mit Speisen besetzten Tisch zwei Öllampen. Das junge Paar opfert den Schatten der Vorfahren, dann spricht Tschang, der Älteste der Familie, die Worte der Ehe­schließung: „Vereinigt Euere Gesinnungen und Euere Herzen!"

Die Dochte beider Lampen werden ineinander verflochten, so daß eine einzige Flamme brennt. Zum Zeichen, daß er der Herr ist, gibt Kung der jungen Frau drei leichte Fächerschläge, dann trinken beide aus zwei Schalen, die durch einen roten Faden miteinander ver­bunden sind.

Als ein Jahr danach der Sohn und Erbe geboren und die Ahnen­folge gesichert ist, erinnert sich Kung des Grabes seines Vaters auf dem Acker nahe der Stadt. So macht er sich auf, um über dem ver­moderten Sarge den Erdhügel zu schichten. Zurückgekehrt, verläßt er seine Dienste als Oberaufseher der Herden, sammelt Schüler um sich, um sie die neue Ordnung zu lehren.

„Mit Dreißig stand ich fest"

Der Ruf des jungen Gelehrten verbreitet sich im Laufe der folgen­den Jahre weit über das Städtchen Dsou hinaus. Besucher drängen sich in das stille Haus. Junge, strebsame Leute suchen die Freund­schaft Kungfutses. Einer von ihnen heißt Dsi-Gung, er hat ein bescheidenes Hofamt in der Kaiserstadt Loyang und weilt vorüber­gehend im Lande Lu.

Zu Dsi-Gung spricht ein hoher Minister des Kaisers: „Ist dein Meister nicht ein Heiliger? Wieviele Fähigkeiten hat er?" Dsi-Gung antwortet: „Gewiß! Wenn der Himmel es zuläßt, wird

der junge Kung ein Heiliger sein. Er besitzt viele Fähigkeiten." Der Meister hört davon und fragt Dsi-Gung: „Kennt mich der

Minister denn? Meine Jugend war dürftig; zwar erwarb ich viel Wissen. Aber Wissen suche ich nicht mehr — ich suche Weisheit!"

Da antwortet der Schüler: „Du kennst den Weg der alten Herr­scher, du kennst die überlieferten Bücher der Weisheit."

Da schlägt Kungfutse bescheiden die Augen zu Boden. „0 Dsi-Gung, ich forsche hier unten, um durchzudringen nach

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oben. Wenn ich einen Würdigen sehe, strebe ich danach, ihm gleich zu werden. Wenn ich einen Unwürdigen sehe, so prüfe ich mich selbst in meinem Innern. Noch bin ich nicht weise, aber ich stehe fest."

„Was ist es, Meister, wonach du strebst?" „Ich versuche zuerst selber edel zu werden, ehe ich andere lehre." „Was nennt der Meister, edel sein?"

„Der Edle versteht sich auf das Recht, der Geringe auf den Ge­winn . . . Der Edle verlangt von sich selber viel, der Geringe verlangt viel von den anderen . . . Der Edle sucht den inneren Wert, der Geringe sucht den Besitz. Einen Edlen, der nicht gütig ist, gibt es wohl, aber es gibt keinen Geringen, der gütig ist . . . Der Edle wird nicht nach Kleinigkeiten beurteilt, aber er kann Großes auf sich nehmen. Der Geringe kann nichts Großes auf sich nehmen, aber er kann nach Kleinigkeiten beurteilt werden."

* Mit dreißig Jahren wird Meister Kung als Erzieher eines kaiser­

lichen Prinzen an den Hof nach Loyang berufen. Diese Reise in die Hauptstadt wird von großer Bedeutung für Kungfutse, begegnen ihm doch überall die Zeugen der Vergangenheit, die Spuren der Sagenkaiser Yau, Schun und Yü.

Er sieht die gewaltigen aus Stein gemeißelten Fabeltiere, die als Wächter an den Wegen zu den Kaisergräbern stehen; er sieht die hohen, geschnitzten Torbauten vor den Tempeln, die vergoldeten Ziegel und die kühngeschweiften Dachfirste mit den bronzenen Drachenbildern. Wohlgeordnet und mächtig war diese Welt der alten Herrscher, sie hatte Gewalt durch sich selbst. Indem sie von Güte, Recht und Wahrhaftigkeit erfüllt war, strahlte sie Kultur, Bildung und Wissen aus.

Reich ist die Bibliothek zu Loyang. Tausende von Büchern ruhen hier in den bemalten Regalen. Jedes Buch besteht aus einem auf­geschichteten Stapel von Bambustäfelchen, die mit roten Stoffstreifen gekennzeichnet sind. Viele Stunden und Tage weilt der Mann aus Dsou in der „Halle des Lichtes", um die Weisheit der Vorzeit in sieb aufzunehmen.

„Ein Lernender kann nicht ohne Größe und Entschlossenheit sein. Seine Last ist schwer und sein Weg ist weit . . . Im Tode erst ist er am Ziel . . ."

An einem dieser Tage trifft Kungfutse am Hofe zu Loyang den Mann, den ganz China als Magier und Weisen verehrt: den dreiund-achtzigjährigen Laotse.

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Vor Jahren war Laotse Chronist am Staatsarchiv der Kaiser. Doch als er den Verfall und die schreckliche Wirrnis erkannte, beschloß er, in die Einsamkeit zu gehen und über die rätselhafte Menschenwelt nachzudenken.

„Er kam an einen Grenzpaß in den Westbergen. Der Paßaufseher Yin-Hi sprach: ,Ich sehe, o Herr, daß du gesonnen bist, Ein­siedler zu werden. Ich bitte dich um der Menschen willen, schreibe deine Gedanken in einem Buche nieder . . •* "

So schrieb Laotse in seiner Klause ein Buch von fünftausend Worten, das vom Weltprinzip Tao handelt und den Begriff der Tugend erklärt. Tugend bedeutet ihm Einssein mit dem Geiste des Tao — Harmonie der Weltvernunft und des Lebens.

Als zur Sage gewordener Weiser ist Laotse für kurze Zeit aus der Einsamkeit an die Stätte seiner Staatstätigkeit zurückgekehrt; er hört von dem jungen Gelehrten in der „Halle des Lichtes" und sucht ihn auf, zu sehen, was an ihm sei.

Nachdem sie sich lange schweigend gegenübergesessen haben, beginnt der Uralte nach Kungfutses Ansichten zu forschen. Er erkennt Kungs verborgene Absicht, dem Volke helfen zu wollen, die Zustände zu bessern und den Kampf gegen den Verfall aufzunehmen.

Die Augen Laotses sind beinahe farblos, sie blicken wie tot aus runzligen Lidspalten hervor. Gegerbt von den Wettern Setschuans, überspannt die faltige Haut den Schädel, dünne, schneeweiße Bart­fäden hängen seitlich von der Kerbe des Mundes. Der Greis ist in einen weiten, groben Mantel aus Loden gehüllt, während der kaiser­liche Beamte Kung ihm im rotgestickten Mantel von sattem Blau gegenübersitzt und ehrfürchtig die langen, gelben Hände gefaltet hat.

„Höre Kungfutse, es ist sinnlos, für irdische Dinge tätig zu sein. Die Menge ist träge und fällt immer wieder in Dumpfheit zurück. Ihr Widerstand zu leisten, ist des Weisen unwürdig; er zieht sich besser in die Einsiedelei seiner Seele zurück, sucht die Geheimnisse der Schöpfung und erkämpft den Weg der Selbsterlösung. So wird er vielleicht gegen Ende des Lebens aus dem Staube ins kristallklare Reich des reinen Geistes aufsteigen."

„Verehrungswürdiger", erwidert Kung mit tiefer Verneigung, „erlaube deinem ganz unwürdigen Diener, daß er einen anderen Gedanken erwägt. Der Gelehrte sollte sich nicht in sich selbst ver­kapseln, sondern seine Weisheit gebrauchen, um dem Unwissenden zu helfen. Wie aber könnte er Hilfe leisten, wenn er in die Abge­schlossenheit des Tao flüchtet? Ich möchte die schlichten Grundregeln für die beste Art des Zusammenlebens ausfindig machen, nach denen

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sich die sittlichen Beziehungen der Menschen neu ordnen sollen, einfache Regeln ähnlich wie diese: Hamstere kein Getreide, wenn es den andern fehlt! — Entrechte keine gesetzlichen Erben! — Grabe dem anderen kein Wasser ab! — Laß Frauen bei Staatsangelegen­heiten aus dem Spiel! — Diese Gesetze, die jeder begreift, jeder befolgt, sind es, die der Gemeinschaft nützlich sind. Die alten Kaiser haben mit solch einfachen Grundsätzen das Reich gefestigt."

Lange schweigt Laotse, dann entgegnet er freundlich. „Die alten Kaiser sind tot, ihre Gebeine sind Staub, ihre Taten

verweht. Wenn der Mensch in günstigen Zeiten lebt, so mag er emporsteigen. Sind aber die Zeitläufte gegen ihn, wie heutzutage, so schreiten seine Füße dahin, als wären sie umwickelt. Ich habe gehört, daß in Tagen der allgemeinen Dürftigkeit der kluge Kaufmann, der Schätze angehäuft hat, den Anschein der Armut erweckt, um dem Neide zu entgehen. So muß auch der höhere Mensch, der Wissen angesammelt hat, sich in trüben Zeiten dumm stellen, um der Miß­gunst zu entgehen. Laß ab von deinem Pfade, Kung, du wirst durch die Schlammflut des Niederen nicht hindurchkommen!"

„Weiser und großer Gelehrter", entgegnet Kungfutse ehrfurchts­voll, „vergib meine Torheit! Aber ich glaube, daß es in der gegen­wärtigen Wirrnis einen Weg gibt, die Welt zu bessern: Vorangehen und ermutigen und nicht müde darin werden."

„Das Volk wird dir nicht nacheifern! Meister Kung." „Man muß sich mit Würde zu ihm herablassen, so wird es Ehrfurcht

lernen. Man muß ihm Kindesliebe und Barmherzigkeit predigen, so wird es treu. Man muß die Guten erheben und die Unfähigen lehren, so wird es ermahnt."

Laotses Augen scheinen sich zu schließen, er blickt nach innen, und wie aus tiefem Abgrund kommt sein Wort: „0 Kung, junger Kung! Was willst du wirken, der du ohne Autorität bist? Wer der Sohn eines anderen ist, hat nichts aus sich heraus, denn er schuldet alles seinem Vater; wer der Beamte eines anderen ist, hat nichts aus sich heraus, denn er schuldet alles einem anderen. Jeder, der gleich dir durch sein Verhalten die Fehler der Menschen entschleiert, bringt sich in Gefahr."

„Wie recht du hast!", ruft Kungfutse bitter aus, „ohnmächtig sind wir, wir predigen auf menschenödem Gebirge. Wo wir aber zu Men­schen sprechen, ernten wir Haß. Und doch hoffe ich unermüdlich. Steht doch in den Büchern geschrieben: Die Wahrheit siegt am Ende . . . "

Da weist Laotse durch das Fenster aus durchsichtiger Seidengaze.

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Auf dem plattenbelegten Platze vor der „Halle des Lichtes" steht die Bronzestatue eines wegen seiner Vorsicht berühmt gewordenen Staatsministers. Die Lippen des Standbildes sind mit drei Riegeln versperrt.

„Hast du die Inschrift gelesen?", fragt der Alte: „Sei vorsichtig im Reden! Sprich nicht zuviel, denn das Wort führt zum Unheil."

Laotse erhebt sich, 6eine halbblinden Augen glühen noch einmal auf.

„Groß ist der einsame Mensch, und er ist heilig. Alles Irdische steigt aus dem Tao, — und alles kehrt dorthin zurück. Höchstes Menschenziel ist das Einssein mit dem Tao. Letzte Bestimmung der sittlichen und natürlichen Welt ist nicht das Tun, sondern das Sein."

„Wie aber", erwidert Kung unerschüttert, „soll das Übel der Zeit schwinden, ohne daß wir handeln? Ist nicht eine untätige Obrigkeit mehr zu fürchten als ein reißender Tiger?"

„Geh, deinen Weg, Kung! Er wird nutzlose Mühsal und am Ende eine einzige Enttäuschung sein!"

Der junge Gelehrte wendet sich ab und geht, Welt und Menschen noch mehr zu verstehen.

*

„Mit Fünfzig erkannte ich meine Berufung"

Jahre gehen dahin, noch immer lernt Kungfutse. Immer denkt er an die Aufgabe, die er sich gestellt hat: Staat,

Gesellschaft und Sippe zu bessern und das Chaos zu bändigen. Unter den bildenden Geistesmächten, von denen er die Veredlung der Menschenseele erwartet, spielt die Musik eine wichtige Rolle.

Gern sitzt Meister Kung, umgeben von seinen Freunden, im mond­beschienenen „Hof der Goldfische". Süß duftet der Jasmin aus dem nahen Park, wie Dämonen ragen Steinfiguren aus der Frühzeit des Reiches unter den Zierkiefern, in den Fenstern der Frauenhäuser schimmert milde das Lampenlicht.

An die Seite des Meisters gelagert ist Li, sein erstgeborener und einziger Sohn. Dsi-Gung und Dsi-Lu, zwei seiner Jünger, schlagen die Saiteninstrumente, unter den Hibiskusbüschen spielen Mädchen die Flöten.

„Merke dir, Li", spricht der Meister zu seinem Sohne, „ohne die Kenntnis der Musik ist der Mensch wie einer, der mit dem Gesicht zur Wand steht. Wer singt, denkt nichts Arges."

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Und kraftvoll beginnt er die Lieder der Vorzeit zu singen, Li und die Freunde stimmen ein. Als die Instrumente schweigen, klatscht Meister Kung fröhlich in die Hände — nichts befreit seine Seele so sehr wie reine Töne.

„Singt und seid frohen Herzens! In der Musik findet ihr An­regung, Erhebung und Ermunterung zur guten Tat. Ihr lernt die Namen von Vögeln, Tieren, Kräutern und Bäumen, von denen die Lieder erzählen."

Dsi-Gung und Dsi-Lu stimmen aus einer uralten Handschrift das Lied des Urkaisers Schun an.

Es wird ganz still, nur die kristallenen Töne perlen in die weiche Frühlingsnacht. Verzückt lauscht Meister Kung.

* Doch die Zeit vergeht wie der Löß der Hügel, sie strömt wie der

Regen, der die Erde von den Bergen ins Bett des Huangho schwemmt. Nutzlos vertan ist die Fruchtbarkeit der verwehten Erde, ohne Gewinn für die Menschen ist der fortgetragene Lehm des Stromes. So verrauschen die Wochen und Monate Meister Kungs, so verströmt seine Lebenszeit, die schwer ist von Wissen und Kennt­nissen ohne Nutzen.

Er dichtet traurige Verse . . . „Durch das Tal heult die Windsbraut, Der Sommerregen fällt dicht und heftig. So bin auch ich aus meinem Heim vertrieben, Durch fremde Länder nehme ich meinen Weg Ohne einen bestimmten Wohnort. Dunkel, dunkel ist der Geist der Menschen! Vergebens bietet ihnen die Tugend die Hand. Und es eilen die Jahre dahin, Bald nahet das trostlose Alter . . . "

Kungfutse beschließt, den Hof von Loyang zu verlassen. Die Stadt der machtlosen Kaiser hat für den Reformator kein Amt, darin er sich entfalten und wirken könnte. Intrigen, Neid und Haß beherr­schen die Gesellschaft. So ergreift er mit seinen Schülern den Wan­derstab, zieht von Fürstenhof zu Fürstenhof, einen Machthaber zu finden, der ihm ein Feld gibt, es zu bestellen.

Überall trifft er den gleichen Verfall des Staatslebens. Am Hofe der Fürsten Dsi führen Schwärme von Tänzerinnen das

Regiment. Edelleute in goldgelben Gewändern — den geschändeten heiligen Farben der Kaiser — verschwenden und verprassen die

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Steuern der Bauern. Verzweifelt ruft Kung seinen Jüngern zu: „Wenn das geduldet werden kann, was kann dann nicht geduldet werden?"

Auch am Hofe des Machthabers Yangho herrscht rohe Genußsucht. Yangho hat von dem gelehrten Meister vernommen und ihn in seinen Palast gerufen. Kungfutse aber ist im Viertel der Armen geblieben.

Der Mächtige schickt Geschenke, um den Meister zu locken: ein Ferkel, Früchte und einen Mantel aus Scharlachseide mit aufge­stickten, blauen Lotosblüten. Aber Kung bleibt dem Hofe fern.

Einige Tage später steht Kungfutse im Torweg der Rosenpforte, als mongolische Sklaven die Sänfte des Yangho vorübertragen, Soldaten mit Bambuslanzen begleiten den Fürsten; hinter dem Traglager rühren Tänzerinnen die Trommeln und Zimbeln.

Yangho winkt den Meister heran und spricht mit List: „Man sagt mir, du rühmtest dich, gütig zu sein? Seinen Schatz in

der Brust verschließen und das Land irre gehen lassen — kann man das gütig nennen?"

Kung erwidert: „Nein." „Gerne wirken wollen und doch die Gelegenheit dazu versäumen,

ist das weise zu nennen?" Kung sagt: „Nein." „Die Tage und Monate gehen dahin, Meister, sie warten auf dich!" „Gut", spricht Kung, „ich will ein Amt übernehmen . . ." Zufrieden winkt der Fürst den Sklaven, den Meister bestellt er

in den Palast. Dsi-Gung und Dsi-Lu, die bei dem Meister sind, treten näher, fragen ihn, warum er sich mit dem Übeltäter einlasse, und sagen:

„Haben wir den Meister nicht früher sprechen hören: Wer in seiner Person unedel ist, mit dem läßt sich der Edle nicht ein?"

„Das habe ich gelehrt", entgegnet Kung, „aber es ist auch so, daß man das Feste nicht zerreiben, sondern nur abschleifen kann. Ich will versuchen, Yangho zu bessern."

Der Versuch mißlingt. Der Fürst hat nicht die Absicht, Kungs reines Leben zum Vorbild zu nehmen. Einen Mitarbeiter — nicht einen unbequemen Mahner hat er erwartet. Enttäuscht jagt er den Unbequemen davon. Unter dem Hohnlachen des Hofes zieht Kungfutse des Weges.

„Ach", sagt er, „das ist nicht wichtig! Wären mir noch einige Jahre vergönnt, so wollte ich mich in das ,Buch der Wandlungen' vertiefen, das ich noch nicht genügend kenne. So würde ich sicher solch große Fehler vermeiden . . ."

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Er lernt, sinnt, arbeitet an sich und wartet auf die Stunde. Im fünfzigsten Jahre ruft ihn das Schicksal. Ein Schüler Kungfutses hat im Herzogtum Lu eine hohe Hof­

stellung errungen und empfiehlt dem regierenden Fürsten, Kung in seine Heimat zurückzurufen. So ergeht die Einladung an den Meister. Er macht sich auf den Weg, denn der Heimatstaat befindet sich durch innere Wirren in einer fast verzweifelten Lage.

Auf einer fürstlichen Galeere fährt Kungfutse den Strom hinab. Es ist ein breites, hochbordiges Schiff mit weitausgestreckten Rudern, das Hinterkastell bildet eine mit bunten Bastmatten über­dachte Bühne, auf der blumenumrankte Lacksäulen stehen. Von den drei Masten wehen die Löwenbanner von Lu, rote Segel werfen purpurne Schatten auf das Verdeck.

Als die Dämmerung ihre Schleier um die Ufer webt, taucht die Lände von Lu auf. Ein farbiges Meer von Papierlaternen wogt am Hafen, Blumengebinde ziehen am Bord der vertäuten Schiffe hin. Tausendstimmig lärmt der Willkommruf der Menge.

Kung schreitet über die Landebrücke, vor ihm beugen sich grüne, veilchenfarbige und scharlachrote Mäntel. Der Hofstaat ist zu seiner Begrüßung erschienen. Ein „Mandarin mit kristallenem Knopf" ge­leitet ihn zu einer seidenverhängten Sänfte, für seine Jünger stehen zweirädrige Karren bereit.

So fährt der Weise in der „Stadt am Zickzackhügel" ein. Die Gassen zwischen den niedrigen Hütten flimmern vom Licht der bunten Laternen, von langen Stangen hängen Bastmatten in allen Farben, bedeckt mit glückverheißenden Spruchbändern und Segenswünschen. Das Volk drängt sich am Wegrand; runde Seidenkappen, spitze Strohhüte und lackierte Zylinder neigen sich, seidene und leinene Gewänder rauschen, und junge Mädchen streuen aus geflochtenen Körben Blütenzweige.

Wie im Traum fährt er die Straße zum Yamen des Herzogs Ting. Wie einst im Palast von Loyang geht es durch umschlossene Höfe,

vorüber an plätschernden Brunnen, an schillernden Teichen, steinernen Figuren und über geschwungene Holzbrücken. Er ver­läßt die Sänfte, wird durch Säle geführt, in denen bemalte Lam­pions leuchten. Eine Halle mit malachitgrünen Säulen tut sich auf, Spruchfahnen hängen aus dem Gebälk, und hinter korallenrotem Gitter steigt ein Thron empor.

Zur Rechten und Linken reihen sich die Minister und hohen Be­amten. Nach der Sitte haben sie die Arme in den weiten Ärmeln

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verborgen und kreuzen sie vor der Brust. Vor dem grünen Drachen-banner sitzt in gelbe Seide gekleidet der Herzog Von Lu: Tine.

Und Meister Kung verneigt sich tief. In diesem Augenblick glaubt er am Ziel seines Lebens zu stehen,

ein Feld ist ihm gegeben zu säen und vielleicht auch, darauf zu ernten.

* Zugleich mit Kungfutse kommen aus allen Teilen des Landes die

Schüler und Jünger des Meisters und erhalten Anstellung als Beamte; sie werden die Ideen Meister Kungs in seinem Sinne ver­wirklichen. Da ist vor allem der Lieblingsjünger Yän-Hui, ein sehr begabter, noch junger Mann, in dem Kungfutse seinen geistigen Erben erkennt. Es kommt zu ihm der mutige, rasche und tatkräftige Dsi-Lu, der ihm seit langem mit großer Ergebenheit anhängt. Etwas schwerer tut sich mit Nachfolgeschaft und Verständnis der aus bäuerlichem Geschlecht stammende Dsi-Hiao. Zu Kungs Gefolgschaft gehört auch der pedantische, aber gewissenhafte Sammler der Reden und Aussprüche, Dseng, und natürlich sind auch Verwandte Kungs gekommen: voran sein Sohn Li und sein Enkel Dsi-Si.

Bald rückt der Meister aus einer zunächst geringen Stellung als Stadtpräfekt zur Würde eines Ministers für öffentliche Arbeiten, später sogar zum Justizminister auf. In dieser Machtstellung ent­wickelt er vor dem versammelten Hofstaate von Lu das Programm seiner Reformen.

Er tritt — eine zierliche, schmale Gestalt — vor den Thron des Herzogs und beginnt zu sprechen:

„Hochachtbarer Fürst, weise Mandarine, erlaubt dem unwerten Diener Kung, daß er versuche, über jenes zu sprechen, das Schuld trägt an der Verwirrung, Unordnung und den zahlreichen anderen Plagen dieser Welt. Sonne, Mond, Gestirne, Sternbilder, Wolken und Winde, der Regen und der Gluthauch des Sommers sind Geister; Berge, Quellen, Ströme, Hügel und Wälder sind von Geistern be­lebt; Saaten und Ackerbau, Viehherden und Häuser haben ihre eigenen Geister, wie auch Staat, Familie oder Stadt und Dorf ihre Geister haben. Die Geister der Verstorbenen und die der Lebenden, der Atem der Welt und der unsrige durchdringen sich, wie sich die Luft ständig durchdringt. Alle Natur ist Harmonie, ist Ordnung, die sich in der menschlichen und gesellschaftlichen Rangordnung fort­setzt. Diese Ordnung aber ist durch zwei Krankheiten befallen: durch den ständigen Krieg der Menschen nach außen, also der

2!

Fürstentümer untereinander; und durch das schlechte Beispiel der Mächtigen, das sie im Inneren ihrer Staaten geben. Diese zweite Krankbeit nenne ich Ungerechtigkeit."

Zustimmung geht durch die Keihen der Jünger. Die Mandarine bleiben zurückhaltend, ihre Gesichter sind wie starre Masken, doch ermutigend nickt Herzog Ting dem Meister zu.

„Der alte Erbfeind von Lu ist das Fürstentum Tsin. Beide Staaten rüsten aus Furcht voreinander. Doch muß ständige Bereitschaft zum Kriege den Krieg mit Notwendigkeit herbeiführen. Ich schlage darum vor, die Kriegsrüstung abzuschaffen, unsere Befestigungen zu schleifen und das Tragen von Waffen in Lu zu verbieten . . ."

Der alte Tsong — bisher Befehlshaber der Truppen — vergißt die Anwesenheit des Herzogs. Mit zornroter Stirn springt er vor, stößt das Krummschwert auf:

„Wenn wir das tun, werden wir in Kürze eine Beute der Schufte aus Tsin sein!"

Der Meister kehrt sich dem Kriegsherrn zu und antwortet mit einem seiner dunklen Aussprüche:

„Wer kraft seines Wesens herrscht, gleicht dem Nordstern. Er verweilt an seinem Ort, und alle Gestirne umkreisen ihn . . ."

Das vernimmt der Herzog mit Freude, weil er sich für den „ver­weilenden Nordstern" hält; er weist Tsong zurück, damit der Meister fortfahre. Der spricht:

„Ja, Herzog Ting, damit komme ich zum Zweiten, der Heilung des Inneren. ,Herrschen heißt recht tun. Wenn Ihr die Führung übernehmt im Rechtsein, wer sollte wagen, nicht recht zu sein?4"

„ 0 , Kungfutse", antwortet der Herzog, „was aber muß man tun, damit das Volk im Guten gehorche?"

„Jeder Staat kann in seinen Untertanen zwei Kräfte wecken, die gute Kraft oder die schlechte. Die Ordnung schaffen heißt: Die Guten erheben, daß sie die Schlechten beiseite drücken: so gehorcht das Volk. Erhebst du die Schlechten, damit sie auf die Guten drücken, so gehorcht das Volk nicht und der Staat zerfällt. Jeder Staat ist so wie seine Menschen sind, die ihn tragen."

Ein Minister in ambrafarbenem Festkleid fragt: „Was versteht Meister Kung unter einem guten Menschen? Wie

ist das Bild jenes Menschen, den er für gut hält?" Wieder richten sich alle Blicke auf Kung. „Das menschliche Gemüt besitzt fünf sittliche Grundtriebe, wir

nennen sie: Jen, I, Li, Dschi und Hsin." Meister Kung tritt an eine der tuschebeschriebenen Seidenbahnen,

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die über dem Thron herabhängen, er deutet auf das Schriftzeichen „Jen".

„Seht, Ehrwürdiger, das Zeichen ,Jen', das ,Güte' bedeutet, setzt sich aus zwei anderen Zeichen zusammen: aus den Zeichen ,Mensch' und ,zwei'. Was also ist Güte? Sie ist das Verhältnis zwischen mir und dem anderen, sie ist rechtes Verhalten gegenüber dem Nächsten.

,Wenn du zu Hause bist, sei höflich; wenn du Geschäfte über­nimmst sei ehrerbietig; wenn du mit anderen Menschen ver­kehrst, sei treu; selbst wenn du die Barbaren des Nordens be­suchst, darfst du dies nicht vergessen ' Das nenne ich ,Jen' — die Güte."

„Erkläre uns I!" befiehlt der Herzog. „I ist die Rechtschaffenheit, sie bedeutet Duldung, Achtung vor

dem was dem Nebenmenschen zusteht. — ,Li' aber ist die Sitte. Mit ,Li' bezeichne ich alles, was der Ritus vorschreibt: Ehrfurcht, Ehr­erbietung, Höflichkeit, Schicklichkeit und die Pflege der Künste. Wer sein Reich mit Höflichkeit beherrscht, was für Schwierigkeiten sollte der haben? Lehre die Menschen Höflichkeit und du wirst sehen, daß sie sich mühen sie zurückzugeben — sei unhöflich, und du wirst Grobheit und Roheit ernten."

„Darin stimme ich Meister Kung zu", ruft der Herzog, und auch die Mandarine nicken eifrig.

„Was aber ist Dschi?", spricht Meister Kung, „es ist der Drang nach Wissen, das in die Weisheit mündet."

„Von Geburt an Weisheit haben, wäre das Ideal. Durch Lernen Weisheit erlangen, ist das Nächste. Beschränkt sein und doch lernen, ist wieder das Nächste. Beschränkt sein und nichts lernen — das sind im Volk die Geringsten."

„Und nun erkläre noch das Letzte, das Zeichen Hsin!" „Hsin heißt Zuverlässigkeit oder Wahrhaftigkeit." Kung weist

auf das Schriftzeichen „Hsin", das aus den Sinnbildern für „Mensch" und „Wort" zusammengesetzt ist. „Hsin bedeutet: Ein Mann, ein Wort! Ein Mensch voller Zuverlässigkeit! Ein Leben in Geradheit."

„Wahrhaft", sagt der Herzog, „viel hat uns Meister Kung zu überdenken gegeben, wir wollen versuchen, nach dem Jen und dem I, dem Si und Dschi und dem Hsin zu regieren und die Ordnung zu gewinnen. Wir werden erhöht sein durch Kungs Weisheit."

„Der Mensch kann die Wahrheit erhöhen. Die Wahrheit erhöht nicht den Menschen . . .", erwidert der Meister bescheiden.

Als sich der Saal der Audienzen leert, bleibt eine Gruppe ent­täuschter Mandarine zurück. *

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Fünf Jahre arbeiten Meister Kung und seine Jünger an der Bändigung des Nächtlichen im Menschen, fünf Jahre bauen sie Dämme wider die zerstörenden Kräfte, die aus den menschlichen Herzen und Hirnen brechen.

Das Land Lu, von Rüstungslasten und Kriegsfurcht befreit, blüht ungeahnt empor und wird so reich, daß es den Neid des Nachbar­fürsten Tsin erweckt. Er sucht die Macht des lästigen Ministers durch ein seltsames Mittel zu stürzen. So schickt er seine Gesandten nach Lu, dem Herzog Ting ein gefährliches Geschenk zu überbringen.

Es sind achtzig aufgeputzte Mädchen, wohlerfahren im Tanz und Gesang, dazu 120 Streitrosse, Rüstungen und Schwerter.

Meister Kung erkennt die Gefahr, die in diesen anscheinend so freundlich dargebrachten Gaben liegt. Tänzerinnen werden den mühsam zu Bescheidenheit und strenger Lebensführung bekehrten Hof gewiß zu lockeren Vergnügungen verführen; Streitrosse und Waffen werden die Gedanken auf Krieg lenken, auf Eroberung und Gewalt. Kung beschwört seinen Herzog, die Geschenke zurück­zuweisen.

Aber die Halle der Audienzen bleibt diesmal dem unbequem ge­wordenen Mahner verschlossen. Aus den inneren Höfen des Yamen tönen Zimbelklang, Schalmeien, Saitenspiel und das Lärmen der Trunkenen. Hochmütige Ritter in blinkendem Waffenputz sprengen aus den Toren, vorüber an den Jüngern des Meisters. Der Herzog hat sich wie ein Verdurstender in die langentbehrten Ge­nüsse und Freuden des ungezügelten Lebens gestürzt. Fünf Jahre hat Kungfutse versucht, die Menschen zu ändern. Nun ist alles umsonst.

Als er am dritten Tage noch immer nicht empfangen wird, tritt er von seinem Amte zurück und verläßt den Hof von Lu.

Gefolgt von den Treuesten seiner Freunde wandert er ohne Ziel und Heimat stromauf, ins weite, grenzenlose Land China. Er zählt fünfundfünfzig Jahre, er ist ein Gescheiterter.

*

„Mit Sechzig war mein Ohr aufgetan"

In grauen Strichen fällt Regen vom Himmel, die Wolken treiben dicht über die Berghänge hin. Manchmal reißt der Dunst auf, und die Kegel der fernen Gipfel werden wie eine Ansammlung von Kulihüten sichtbar.

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In den Schluchten des Weiho tobt brausend das Wasser. Gelbe Fluten quirlen und schäumen um die Klippen, stürzen über Fels­barrieren, spülen dicht unter dem schmalen Treidelpfad entlang, den Generationen von Schleppern in die Bergwände getreten haben. Auf diesem Felssteig, der kaum Platz für zwei nebeneinander­gehende Männer bietet, wandert der Meister mit seinem Gefolge. Schweigend gehen sie unter den Wasserstürzen, die aus den Wänden und Klüften brechen. Fasrige Bastmäntel, wie sie die armen Kulis tragen, schützen sie nur mangelhaft vor dem alles durchdringenden Regen.

Von hoher, schwindelnder Felswand senkt sich der Weg in die Nähe des Stromes, der mit Schaumkronen und Strudeln droht. Sie müssen eine Strecke von Stein zu Stein springen. Hier pflegen die Schlepperkolonnen, zu Dutzenden an schwere Bastseile gebündelt, die Dschunken stromauf zu ziehen. Seit uralten Zeiten kämpfen sich die Schiffe aus Schansi ins Innere des Tsinlingschan-Gebirges.

Auf windumtoster Felskanzel bleibt Meister Kung veratmend stehen, sein dunkles Auge schweift zum unablässig strömenden Regenhimmel.

Klagend hebt er seine Stimme, er spricht in Versen . . . „Die Menschen mit ihren törichten Taten

Sind ein Sinnbild für das Übel des Landes. Sie vertrieben mich aus der Heimat. Tod und Untergang stehen in ihren Gesichtern; Die Tugend entflieht in fremde Länder; Dorthin muß auch ich ziehen. Ein Lebenswerk ist nun zunichte geworden, Vergessen alles, was ich lehrte, Heimatlos muß ich wandern bis zum Ende . . ."

Traurig tritt der Lieblingsjünger Yän-Hui an seine Seite, sein junges Gesicht drückt Mitleid mit dem alternden Meister aus.

„ 0 , wie ungerecht ist das Schicksal! Einen Mann wie dich ver­wirft es, die Schlechten aber gehen in Seide und Gold."

Meister Kung wendet sich seinem kleinen Gefolge zu. „Der Himmel redet nicht! Wir dürfen nicht mit dem Schicksal

hadern, erkennen wir doch nicht die letzten Absichten des Himmels." Unter den Jüngern entsteht Unruhe, der draufgängerische und

temperamentvolle Dsi-Lu macht sich zum Sprecher. „Meister Kung, wer sollte nicht verzweifeln, in einer Lage wie

der unsrigen? Der Himmel überschüttet uns mit Wasser, der Strom bäumt sich wider uns, die Berge hauchen uns mit kalten Winden

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an. Keine Hütte ist weit und breit, kein Wohltäter, der unseren Hunger stillt. Es ist traurig zu sehen, wie unglücklich der alte Meister geworden ist."

„Der Edle bleibt fest in der Not", spricht Kung, „wenn der Ge­ringe in Not kommt, wird er haltlos."

Und er hebt gleichmütig den Wanderstab, setzt Fuß vor Fuß und schreitet durch die Schleier des Regens davon. Nachdenklich folgt ihm die Schar seiner Jünger.

* Jahre kriechen dahin, zäh wie das Geschiebe des Lehms auf den

Hügeln von Hsingan. Der Meister hat nun die Sechzig überschritten, manchmal wird er krank, müde, erschöpft, doch niemals hört man ihn gegen den Himmel hadern.

Als er einmal in einer ärmlichen Bauernhütte nahe dem Yangtse-kiang mit Fieber darniederliegt, spricht er zu dem treuen Yän-Hui:

„Ach, wenn mich doch einer verwenden wollte! Nach zwölf Monaten schon sollte es seinem Lande besser gehen und nach drei Jahren wäre es vollbracht . . ."

Alle Bemühungen, einen Fürsten zu finden, der sich des Meisters Lehre zunutze machte, bleiben vergeblich. Die Mächtigen der gelben Erde sind wie Mücken im Spinnennetz ihrer Vergnügungen, Leiden­schaft und ihres Machtwahns gefangen. Die Geringen aber, die klar erkennen, wo Ungerechtigkeit herrscht, haben nicht die Gewalt, die Zustände zu ändern.

Der Herrscher des Staates We, Herzog Ling, ruft den Meister an seinen Hof und er folgt hoffnungsfroh dem Ruf. Doch es ergibt sieh, daß der Fürst einen Krieg zu führen beabsichtigt und von Meister Kung Neues und Umwälzendes über die beste Schlachtordnung zu hören wünscht. Traurig wandert der Meister weiter.

Die berüchtigte Fürstin Nan-Dsi bewirtet Kungfutse einige Zeit, weil seine Anwesenheit dem Hofe Ansehen verleiht. Sie stellt ihn wie einen seltenen Vogel zur Schau. Der mächtige Huan-Tui aber, einer der zahllosen Lehensfürsten des Südens, sieht in den Reden Meister Kungs, die tausend Zuhörer anlocken, eine Gefahr für den Gehorsam der Untertanen. Er schickt seine gepanzerten Reiter aus, den Weisen zu fangen. Bei Nacht entrinnt der Meister.

So treibt ihn die Kulturwelt in die Einöde der Berge. Als alle Landschaften und Gaue durchwandert sind, nähert sich Meister Kung den zerklüfteten Gebirgen Setschuans. Hier wälzen sich tobend und donnernd die Ströme Yangtsekiang und Jalung an himmelhohen

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Felswänden dahin. Die unwirtliche, von Wölfen, Bären und Tigern durchstreifte Landschaft ist nur von wenigen Menschen bewohnt.

In abgelegenen Höhlen und Hütten hausen fromme Eremiten. Man nennt sie die „verborgenen Weisen Laotses"; es sind Schüler und Anhänger des Taoismus, einsame Grübler, Magier, Asketen, Weltflüchtige . . .

Eines Tages, tief im Innern der Himmelsberge, betritt Meister Kungs Gefolge das Hochtal, in dem der „Immer-Ruhende" und der „Ganz-Untergetauchte" leben. Die beiden Abgeschiedenen sind in Felle gekleidet, sie zerren zu zweit den Holzpflug durch kärglichen Ackerboden.

Dsi-Lu fragt im Namen seines Meisters nach der Furt, die über den Strom führt. Der „Immer-Ruhende" wirft das Joch ab, mit dem er den Pflug gezogen hat, mustert den Jünger und fragt nach dem Namen seines Meisters. Als Dsi-Lu die Verdienste und Weisheit des Lehrers preist, lächelt der Asket:

„Wenn er so weise ist, wie kann ihm dann die Furt verborgen bleiben?"

Dsi-Lu wendet sich an den „Ganz-Untergetauchten", der einen Grabscheit in den Fäusten hält. „Wer bist du?" fragt der Asket.

„Dsi-Lu, der Schüler des Kungfutse aus Lu." Da flammen die Augen des Büßers auf. „Das ist doch jener Einfältige, der die Erde einzudämmen sucht.

So folgt ihr einem Meister, der unter die Menschen geht. Wäre es nicht besser, ihr suchtet einen Herrn, der die Welt meidet?"

Die beiden Männer nehmen ihre Arbeit wieder auf. Als Dsi-Lu dieses Gespräch dem Meister berichtet, seufzt dieser tief auf.

„Ach, Laotse!" ruft er aus, „noch einmal begegnest du mir in deinen Jüngern! Du hast mir Mühsal und Enttäuschung prophezeit, aber ich mußte die Menschen lehren; denn die Vögel und Tiere be­greifen mich nicht. Wenn ich nicht zu den Menschen spräche, zu wem sollt ich dann sprechen? Diese Welt verlangt nach dem Rufer!"

*

„Mit Siebzig kannte ich das Maß . . . "

Selbst die Stille der Gebirge stößt ihn zurück, alles Suchen und Wandern ist vergeblich. Achtundsechzig Jahre zählt der Meister, als er beschließt, die alte Heimat Lu wieder aufzusuchen.

Die Kunde von seiner Rückkehr verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Viele pilgern zu ihm, noch haben ihn die daheimgebliebenen Jünger

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u „d Anhänger nicht vergessen. Freilich schickt kein Fürst, kein Ulinister nach ihm.

Der Narr von Dsou singt auf Kungfutse: „0 Phönix du! 0 Phönix du! Wie ist verkümmert doch dein Sein! Vergang'nes soll man nimmer rügen, Zukünft'ges holst du nicht mehr ein. Zu Ende gehts mit deinem Sang."

Aber Meister Kung hat nun das Maß gefunden, er hat erkannt, daß die Welt nicht durch einen einzelnen, nicht im Ablauf eines kurzen Menschenlebens geändert werden kann. Nun versucht er nicht mehr auf die politische und moralische Entwicklung der Staats­lenker einzuwirken, er vertieft seine Lehre, sucht seine Gedanken ans Ufer der Zukunft hinüberzuretten, indem er seine Jünger mit seinem Geiste erfüllt.

In diesen Jahren wächst ihm der erst zweiunddreißigjährige Yän-Hui am meisten ans Herz. Keiner hat ihn so tief innerlich begriffen als der kluge und gütige Yän-Hui.

Im alten Yamen von Lu unterrichtet Kung die immer noch große Schar der Schüler.

„Man kann die Verderbnis nicht durch Gewalt ändern; denn Ge­walt ist selber Verderbnis. Ein wahrer und großer Gedanke wirkt durch sich selbst."

„Doch sage uns, Meister", wendet Yän-Hui ein, „wie soll deine Weisheit zu den Menschen kommen, wenn nicht durch Zwang."

Lächelnd wendet Kungfutse sein Antlitz dem Jünger zu. „Siehe, Yän-Hui: das Gute und das Schlechte der Welt gleicht der

Erde und dem Strom. Richtest du aus Erde Dämme und Äcker auf, so wird Segen, wird Fruchtbarkeit. Stürzen aber die Bäche zügellos in den Strom, so schwillt das Ungebändigte, reißt Äcker fort und schafft Zerstörung. Viel kann der Mensch tun: Gutes oder Schlechtes. Alles was du hinzufügst zum Damme des Guten, baut auf, alles, was du hinzubringst zum Strom des Bösen, reißt nieder."

„Wenig nur, o Meister, kann ein einzelner Mensch zum Bau der Dämme beitragen, gering nur ist die Wirkung des Tropfens, wenn der Herbstreaen fällt, der den Strom zum Überschwellen bringt. Wie soll also die Welt verändert werden?"

„Durch Geduld, Yän-Hui, durch Unablässigkeit, durch Glaube. Kein Erdkorn und kein Regentropfen fällt ins Nichts; jede Tat, jedes Wort, jede Gesinnung sind Beispiel, sind Wirkung. Fanget selber

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an, gut zu sein, sehet nicht nach rechts oder links, sondern beginnt bei euch!"

Da schweigen die Jünger. *

Arbeitsam verbringt Kungfutse diese letzten Jahre. Er begibt sich an die Auswahl und Sichtung der klassischen Bücher, der „Lieder" und „Urkunden" aus der goldenen Zeit der Urkaiser. In neuer Fassung wird das „Buch der Wandlungen" niedergeschrieben, an dem schon der Kaiser Wen und der Herzog von Tschu gearbeitet haben. Kung verfaßt auch ein großes eigenes Werk, die „Frühlings­und Herbst-Annalen", die Geschichte Chinas und seines Heimat­landes Lu durch drei Jahrhunderte. Seine kritischen Gedanken, seine Anklagen und sein Rat sollen in die Zukunft wirken.

Da treffen ihn unerbittliche Schicksalsschläge; kurz hinterein­ander sterben sein Sohn Li, und — am leidenschaftlichsten betrauert — der Erbe seiner Gedanken: Yän-Hui.

„Wehe!" ruft der Meister, „der Himmel vernichtet mich! Der Himmel vernichtet mich!"

Seine Schüler wundern sich, daß der stets Gemessene und Ge­bändigte in solch heftiges Klagen ausbricht. Doch er entgegnet:

„Klage ich zu laut?! Wenn ich um diesen Mann nicht bitterlich weinte, um wen sollte ich es dann tun?"

Von nun ab geht es schnell abwärts. Tagelang kauert Kungfutse vor dem Ahnenschrein seines Vaterhauses und hält Zwiesprache mit den Toten. Nur selten verläßt er das Haus. Als er einmal — gefolgt von seinen Jüngern — am Strome steht, bricht er in die Klage alles Seienden aus: „Alles geht dahin, ohne Aufhören, Tag und Nacht . . . Einem Strome gleicht unser Leben . . ."

Krankheit wirft ihn aufs Lager, er fiebert, die Kräfte lassen nach und die Sinneseindrücke werden undeutlich. Da will ihm sein Jünger Dsi-Lu eine letzte Freude bereiten.

Der Hinüberdämmernde soll glauben, es habe sich all seine Sehn­sucht erfüllt. So läßt Dsi-Lu dem traumhaft Fiebernden melden, der Fürst von Lu habe ihm Herrschaft und Thron abgetreten.

Die Jünger nahen sich in den Gewändern der Minister und Man­darine ehrerbietig dem Lager des Sterbenden, fragen nach seinen Befehlen und Anordnungen.

Es ist eine fromme Lüge, die dem Hinscheiden die Bitterkeit nehmen soll. Doch Meister Kung richtet sich mit letzter Kraft empor, seine schon geschlossenen Augen öffnen sich und er schießt flam­mende Blicke auf Dsi-Lu.

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„Unaufrichtig handelt Dsi-Lu. Ich habe keine Minister und soll so tun, als hätte ich welche — wen soll ich betrügen? Soll ich den Himmel betrügen? Und sterbe ich nicht lieber in den Armen meiner Jünger, als in den Armen von Ministern? . . ."

Kraftlos sinkt er zurück, es ist deutlich, daß es zu Ende geht. Dsi-Lu spricht die Gebete zu den Göttern des Himmels und zu den Erdgeistern. Noch einmal öffnet der Meister die Augen.

„Die große Ordnung der Welt . . ." flüstert er, „die Harmonie . . . zu ihr habe ich lange gebetet . . ."

Das sind seine letzten Worte. Im Alter von 73 Jahren, im gleichen Alter wie sein Vater, haucht er seine Seele aus und kehrt heim zu den Ahnen. Freunde setzen seinen Leib im Erdbegräbnis von Küfu bei; ein ausgemeißelter Stein auf plattenbelegtem Platz, ein Altar mit der Opferschale davor unter alten Bäumen — das ist das Tor, durch das er davonging. Die Inschrift sagt:

„Seelensitz des höchst Heiligen, des ehrwürdigen Lehrers Kung."

* Die Gedanken des Kungfutse leben in seinen zahlreichen Jüngern

und Schülern fort und beginnen bald das soziale und staatliche Leben Chinas weitreichend zu verwandeln. Einige Generationen nach dem Tode des Meisters werden seine Lebensumstände und Aussprüche im Buche „Lun-Yü" durch eifrige Nachfolger aufgeschrieben. Der weise Mengtse, de. um 350 vor Christus lebt und wirkt, wird zum größten Organisator und Prediger der konfuzianischen Lehre, die nicht Religion, sondern Weltanschauung und Lebenslehre ist.

Später dringen von Indien und Tibet her die religiösen Gedanken des Buddhismus in das Reich der Mitte ein — sie verbinden sich mit dem Werk des Meisters Kung. Für das gesellschaftliche und staat­liche Denken Chinas aber bleibt die Weisheit des Kungfutse die ordnende Geistesmacht, die immer wieder das Chaotische zurück­gedrängt hat — zweieinhalb Jahrtausend lang.

Umschlaggestaltung: Karlheinz Dobsky Die Abbildungen auf den Seiten 2, 7, 17, 25 sind freie Nachzeichnungen

von Tempelbildern im Grabtempel des Konfuzius in Küfu

L u x - L e s e b o g e n 128 ( G e s c h i c h t e ) - H e f t p r e i s 2 5 P i g . Natur- und kulturkundliche Hefte — Bestellungen (vierteljährl. 6 Hefte DM1.50) durch jede Buchhandlung und jede Postanstalt — Verlag Sebastian Lux, Murnau-

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