Kommunizierende Versuchstechnik T 2007
Fraunhofer IRB Verlag
Bauforschung
T 2007
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TECHNISCHE UNIVERSITÄTBRAUNSCHWEIG
INSTITUT FÜR STAHLBAUAbteilung Stahlbau: Prof. Dr.-Ing. J. Scheer
Bericht Nr. 6085/1
Kommunizierende
Versuchstechnik
Juli 1985
INSTITUT FÜR STAHLBAU DER TECHNISCHEN UNIVERSITÄT BRAUNSCHWEIGBeethovenstraße 51 • 3300 Braunschweig
VORBEMERKUNG
Diese Arbeit entstand im Rahmen des von der
Stiftung Volkswagenwerk geförderten Forschungs-
vorhabens
Entwicklung einer neuartigen Prüfmaschinen-
technologie mit rechnergestützter Simulierung
beliebiger Randbedingungen.
Die kommunizierende Versuchstechnik setzt eine
Prüfmaschine voraus, bei der die Randbedingun-
gen des Versuchskörpers frei gewählt und wäh-
rend des Versuches beliebig verändert werden
können. Am Institut für Stahlbau wird der Pro-
totyp einer solchen Maschine nach einer Idee
(Patente sind angemeldet) von W. Maier er-
stellt.
Der Leiter derAbteilung Stahlbau:
Prof. Dr.-Ing. J. Scheer
Der Projektleiter:
Dr.-Ing. W. Maier
Der Sachbearbeiter:
Dipl.-Ing. G. Bahr
INHALTSVERZEICHNIS
LITERATUR I-4
1 EINLEITUNG 1-1
1.1 Problematik 1-1
1.2 Das statische Problem 1-3
1.3 Konzept zur Lösung des statischen Problems 1-5
1.4 Das technologische Problem 1-6
1.5 Konzept zur Lösung des technologischen Problems 1-8
1.5.1 Idee einer Prüfmaschine 1-8
1.5.2 Konstruktionsprinzip der Prüfmaschine 1-8
1.5.3 Kinematik der Prüfmaschine 1-11
1.5.4 Zustandsgrößenregelung 1-11
1.6 Das Rechentechnische Problem 1-13
1.7 Rechentechnisches Lösungskonzept 1-13
1.8 Zielsetzung der vorliegenden Arbeit 1-14
1.9 Bausteine der kommunizierenden Versuchstechnik 1-14
1.9.1 Rechnergestütze Prüfanlage 1-14
1.9.2 Simulation der Prüfmaschine 1-15
1.9.3 FEM-Programmsystem für Minicomputer 1-15
1.9.4 Kommunizierende Versuchstechnik 1-15
2 RECHNERGESTUTZTE PRÜFANLAGE 2-1
2.1 Meßtechnik 2-1
2.2 Einsatz von Mikrocomputern in der Meßtechnik 2-2
2.3 Pilotanlage 2-3
2.4 Datenbank 2-5
2.5 Versuchsaufbau - Versuchsvorbereitung 2-6
2.6 Meßdatenerfassung 2-8
2.7 Versuchssteuerung - Versuchsregelung 2-9
2.8 Darstellung der Meßergebnisse 2-13
2.9 Dokumentation und Archivierung der Meßergebnisse 2-14
2.10 Bewertung der entwickelten Prüfanlage 2-14
I-2
DER RECHNERGESTÜTZTEN PRÜFANLAGE 3 -13 PRAKTISCHE ANWENDUNG
3.1 Problematik der statischen Streckgrenze 3-1
3.2 Definitionen und Begriffe 3-3
3.3 Exemplarische, graphische Darstellung eines 3-5
Versuchsergebnisses für einen einaxialen Druck-
Zugversuch
3.4 Erste Erkenntnisse zum Problem statische Streck-
grenze
3-9
4 ZUSTANDSGRöSSENREGELUNG 4-1
4.1 Regelkreise 4-2
4.2 Experimentelle Steifigkeitsmatrix 4-4
4.2.1 Erste experimentelle Steifigkeitsmatrix 4-7
4.2.2 Momentane experimentelle Steifigkeitsmatrix 4-8
4.3 Kraftgrößenregelung 4-9
4.3.1 Traglast des Prüfkörpers 4-12
4.3.2 Grenzen der Kraftgrößenregelung 4-13
4.4 Simulation der Prüfmaschine beim Bauteilversuch 4-14
5 FEM-PROGRAMMSYSTEM FüR MINICOMPUTER 5-1
5.1 Methode der Finiten Elemente 5-1
5.2 Rechnerspezifische Voraussetzungen 5-3
5.3 Anforderungen an das FEM-Programm 5-4
5.4 Konzept des Programmsystems 5-4
5.5 Programmstruktur 5-5
5.5.1 Elementgenerierung 5-6
5.5.2 Aufbau und Lösung des Gleichungssystems 5-7
5.5.3 Nachlaufrechnung 5-7
5.6 Bewertung des Programmsystems 5-8
6 ANWENDUNG DES FEM-PROGRAMMSYSTEMS 6-1
6.1 Traglastuntersuchungen an geschweißten, unver-
steiften Trägern unter Beanspruchung durch eine
6-1
Einzellast
6.1.1 Problematik 6-1
6.1.2 Traglastversuch 6-2
6.1.3 Rechenmodell 6-3
I-3
6.1.4 Diskretisierung 6-9
6.1.5 Programmanwendung 6-10
6.1.6 Ausgewählte Ergebnisse 6-12
6.1.7 Anmerkungen zur Rechentechnik 6-14
6.2 Stütze in Verbundbauweise 6-15
6.2.1 Problematik 6-15
6.2.2 Rechenmodell 6-16
6.2.3 Versuche zur Ermittlung der Element- 6-17
arbeitslinien
6.2.4 Elemententlastung und Elementausfall 6-23
6.2.5 Exemplarische numerische Untersuchung des 6-23
Tragverhaltens einer Stütze unter
6.2.6 Anmerkung zur Rechentechnik 6-23
7 KOMMUNIZIERENDE VERSUCHSTECHNIK 7-1
8 SIMULATION EINES KOMMUNIZIERENDEN VERSUCHES 8-1
8.1 Rechenmodell für die analytische Substruktur 8-1
8.1.1 Annahmen 8-2
8.1.2 Weggrößenverfahren 8-3
8.1.3 Steifigkeitsmatrizen für Theorie I. und 8-3
II. Ordnung
8.1.4 Zustandsgrößen 8-6
8.2 Diskretisierung 8-7
8.2.1 Diskretisierung der analytischen Sub- 8-7
struktur
8.2.2 Diskretisierung der experimentellen Sub- 8-8
struktur
8.2.3 Randbedingungen und Einwirkungen 8-8
8.3 Ablauf des kommunizierenden Versuches 8-8
8.4 überwachung von Rechnung und Experiment 8-13
8.5 Anmerkung zum regelnden Iterationprozeß 8-13
9 ZUSAMMENFASSUNG 9-1
I-4
LITERATURVERZEICHNIS
/ 1/ FISCHER, W. E.: Einführung in die technische Datenbank.
CAD-Berichte, KfK-CAD 128 (1979)
/ 2/ BLUME, P., FISCHER, W. E.: Datenbank für CAD-Anwendungen
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/ 3/ MAIER, W., BAHR, G.: Basisversuche zur statischen Fließ-
grenze. Experimentelle Untersuchungen zum Einfluß der
Prüfkörpergeometrie und Prüfmodalitäten auf die
statische Streckgrenze. Bericht Nr. 6081 Institut für
Stahlbau TU Braunschweig 1982
/ 4/ SIEBEL, E., SCHWAIGERER, S.: Einfluß der Prüfbe-
dingungen auf die Ausbildung der Streckgrenze
Archiv des Eisenhüttenwesens 13. Jahrgang Heft 1 Juli
1939, Seite 37 - 52
/ 5/ v. BACH, C.: Zum Begriff "Streckgrenze" Z. d. VDI 48
(1904), Seite 1040 - 1043
/ 6/ v. BACH, C.: Zur Erkenntnis der Streckgrenze. Heft 29
der Mittteilungen über Forschungsarbeiten,
Springer Berlin 1905
/ 7/ MOSER, M.: Grundsätzliches zur Streckgrenze. Festgabe
Carl v. Bach zum 80. Geburtstag.
VDI-Verlag Berlin 1927
/ 8/ KORBER, F., POMP, A.: Einfluß der Form des Probestabes,
der Art der Einspannung, der Versuchsgeschwindigkeit
und der Prüfmaschine auf die Lage der oberen und
unteren Streckgrenze von Stahl. Mitt. Kaiser-Wilh.-
- Institut Eisenforschung 16 (1934), Seite 179 - 188
I-5
/ 9/ RINAGL, F.: Über die Fließgrenzen bei Zug- und Biege-
beanspruchung. Bauingenieur 17 (1936), Seite 431 - 441
/10/ ENSSLIN, M.: Die Grundlagen der theoretischen Festig
keitslehre. Z. d. VDI 45 (1928), Seite 1625 - 1634
/11/ LEONHARD,W.: Einführung in die Regelungstechnik, Vie-
weg-Taschenbuch (1969), Linear 2.Auflg. (1972)
/12/ LOPETEGUI, J.: Verfahren der orthogonalisierten Last-
Verformungszustände zur Lösung nichtlinearer Probleme
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/13/ HARBORD, R.: Berechnung dünner Schalentragwerke mit
Finiten Elementen. Vergleichende Untersuchung unter-
schiedlicher Diskretisierungsvarianten, Ber.Nr.77-21
Inst. f. Statik, TU Braunschweig (1977)
/14/ BATHE, K.-J.: Finite Element Prodcedures in Engineer-
ing Analysis. 1.Auflg., Prentice-Hall, Inc., Engle-
wood Cliffs, New Jersey (1982)
/15/ ZURMÜHL, R.: Matrizen und ihre technischen Anwendun-
gen. 4.Auflg., Springer-Verlag, Berlin, Göttingen,
Heidelberg (1964)
/16/ KRÖPLIN, B.: Beulen ausgesteifter Blechfelder mit
geometrischer und stofflicher Nichtlinearität,
Ber.Nr. 77-2 Inst. f. Statik, TU Braunschweig (1977)
/17/ SCHEER, J., PEIL, U., FALKE, J.: Dehnungsmessungen an
Versuchsträgern zum Vergleich für theoretische,
nichtlineare Berechnungen, Ber.Nr. 6092 Inst. f. Stahl-
bau, TU Braunschweig (1983)
I-6
/18/ SCHEER, J., PEIL, U., FALKE, J.: Traglastversuche an
30 unversteiften I-formigen geschweißten Biegeträgern
mit örtlicher Lasteinleitung am Druckgurt,
Ber.Nr. 6091/2 Inst. f. Stahlbau, TU Braunschweig (1983)
/19/ HARBORD, R.: Berechnung von Schalen mit endlichen
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/21/ EGGERS, H., KRÖPLIN, B.: Yielding of Plates with
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/22/ Deutscher Ausschuß für Stahlbau: DASt-Richtlinie 012
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/23/ VAYAS, I.: Tragverhalten für Konstruktionen aus plat-
tenartigen Bauteilen, Diss. Braunschweig (1981)
/24/ DINKLER, D.: Grenzlasten axial gestauchter ausge-
steifter Platten - Berechnung mit einer Versagenshy-
pothese für örtliches Beulen - , Ber.Nr. 82-38
Inst. f. Statik, TU Braunschweig (1982)
/25/ MEIER, F.: Plastische Grenzlastberechnung imperfekter
ausgesteifter Platten, Ber.Nr. 80-35 Inst. f. Statik,
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/26/ RECKLING, K.-A.: Die Plastizitätstheorie und ihre
Anwendung auf Festigkeitsprobleme. 1.Auflg., Spinger-
Verlag, Berlin, Heidelberg, New York (1967)
I-7
/27/ BACKHAUS, G.: Zur Fließgrenze bei allgemeiner Verfes-
tigung, ZAMM 48 (1968), Heft 2, Seite 99ff.
/28/ KINDMANN, R.: Traglastermittlung ebener Stabwerke mit
räumlicher Beanspruchung, Diss. Bochum (1981)
/29/ HEIL, W.: Traglastermittlung von räumlich belasteten
Durchlaufträgern mit offenem, dünnwandigem Querschnitt
bei beliebigem Werkstoffgesetz, Schriftreihe Heft 3,
Karlsruhe (1979)
/30/ ROIK, K., BERGMANN, R.: Zur Traglastberechnung von
Verbundstützen, Der Stahlbau, Heft 1/1982 Seite 8 ff.
1 EINLEITUNG
1.1 PROBLEMATIK
Seit der Einführung von elektronischen Rechenanlagen im
Bereich des konstruktiven Ingenieurbaus werden zunehmend
EDV-orientierte Rechenmodelle zur Beschreibung des Tragver-
halten von Konstruktionen oder von Konstruktionselementen
erstellt. Speziell Rechenmodelle nach der Methode der Finiten
Elemente, zeigen sich als eine gelungene Verknüpfung
von Kontinuumsmechanik, numerischer Mathematik und Computer-
technologie.
Obwohl ständig neue, leistungsfähigere Rechenmodelle und
Rechenanlagen entwickelt werden, erübrigen sich experimentelle
Untersuchungen nicht. Sie dienen zum einen der notwendigen
Absicherung von theoretischen Untersuchungen, zum anderen
treten in Konstruktionen bisweilen Bauteile auf, die mit
Rechenmodellen kaum oder nur mit großem Aufwand zu erfassen
sind. Der letztgenannte Fall ist immer dann gegeben, wenn die
Eingangsparameter für das entsprechende Rechenmodell, wie
Werkstoffverhalten und Geometrie nicht zuverlässig für das
betrachtete Bauteil zu bestimmen sind oder wenn z.B. im
Bereich eines Bauteiles eine komplizierte Verbindung vorliegt.
Es liegt nahe, für solche Bauteile das Tragverhalten auf
experimentellem Wege zu bestimmen, und dieses in Form von
Aktions-Reaktions-Beziehungen dem Rechenmodell zu zuführen.
Beispiel:
Für das in Bild 1.1 dargestellte Tragwerk, eine rahmenartige
Betonkonstruktion, deren auskragenden Riegel auf einer Rüst-
stütze ruht, sei unter proportionaler Steigerung X der Ein-wirkungen P1.5die Traglast zu ermitteln.
X• P3
X•P4
X • P2x•P^
►,A1 1/Iil11.11S1 ► . O \'^."^!ESti Pr
1 X • Ps41,
a,ra►,^^^^^•
IWOPAI
.^
^
Betonkon-struktion
n
^.^
Rüststütze
1-2
Bild 1.1. Beispiel für ein Tragwerk
Für die Betonkonstruktion seien die Geometrie und das Werk-
stoffverhalten hinreichend bekannt, so daß das Tragverhalten
dieses Strukturabschnittes z.B. mit einem Rechenmodell nach
der FE-Methode ermittelt werden kann (angedeutet durch die
Elementeinteilung).
Die Rüststütze sei das theoretisch nur schwierig zu erfassende
Bauteil. Sie sei aus einzelnen Segmenten so zusammengesteckt,
daß die Stiele lediglich Druckkräfte übertragen können. Das
Tragverhalten der Rüststütze soll experimentell ermittelt
werden unter dem Gesichtspunkt, daß die Rüststütze im Rechen-
modell durch eine Steifigkeitsmatrix zu beschreiben ist. Es
sind also die Koeffizienten der Steifigkeitsmatrix durch ent-
sprechende Versuche zu bestimmen.
Da für die Traglast der Struktur im allgemeinen auch der
Nachtraglastbereich des Bauteiles von Bedeutung ist, sind die
Bauteilversuche bis in diesen Bereich auszuweiten. Die Experi-
mente können demnach nur weggesteuert durchgeführt werden.
Zunächst sind die folgenden Probleme zu klären:
1-3
1.2 DAS STATISCHE PROBLEM
In statisch unbestimmten Tragwerken beeinflußt die Steifigkeit
der Bauteile die Verteilung der Zustandsgrößen. Während für
den linear-elastischen Bereich des Tragverhaltens die Verhält-
nisse der Bauteilsteifigkeiten zueinander konstant sind, ver-
ändern sich diese mit der Einwirkungsintensität X , wenn dasTragverhalten der Struktur nichtlinear ist.
Der berechnende Ingenieur benötigt für seine Untersuchung die
von den Schnitt- und Verschiebungsgrößen abhängigen, momen-
tanen Steifigkeitsmatrizen. Er muß festlegen, für welche Weg-
größenkombinationen diese zu ermitteln sind.
Dieses Problem erweist sich als unlösbar, wenn Bauteile inner-
halb des Tragwerkes nichtlineares Tragverhalten zeigen, oder
nichtlineares Verhalten für das experimentell zu untersuchende
Bauteil zu erwarten ist. Um eine zu untersuchende Weggrößen-
kombination angeben zu können, müssen die in der Lastge-
schichte vorangegangenen Schnitt- und Verschiebungsgrößen be-
kannt sein.
Eine rechnerische Untersuchung des Tragwerkes, bei der für das
experimentell zu untersuchende Bauteil geschätzte Steifig-
keiten angenommen und entsprechend variiert werden, gibt
lediglich Aufschluß über den Bereich, in dem die Wegrößen
einzuprägen sind.
Beispiel:
Die zweistielige Rüststütze im oben angeführten Beispiel ist
aus Segmenten zusammengesteckt. Aus Gründen der Übersichtlich-
keit werden bei den folgenden Betrachtungen Zustandsgrößen
senkrecht zur Stützenachse ausgeklammert.
INTERAKTION
1-4
EXPERIMENT
Arbeitslinie eines Stieles
a N a Na u av
am ama u av K mmomentane Steifigkeitsmatrix
Bild 1.2. Zusammenhang zwischen Aktion, Reaktionund momentaner Steifigkeitsmatrix
1-5
Annahmen:
Das Tragverhalten der Rüststütze wird ausschließ-
lich durch das Tragverhalten der Stiele bestimmt.
Beide Stiele weisen das gleiche, durch die
Arbeitslinie in Bild 1.2 beschriebene Tragver-
halten auf.
Im Experiment werden in der Stützenachse als Aktionsgrößen die
Verschiebungsgrößen u und v'eingeprägt und die Reaktionen
gemessen. Für unterschiedliche u,v'-Verhältnisse (Einwirkungs-
pfade) würde im Experiment der in Bild 1.2 aufgezeigte funk-
tionmäßige Zusammenhang zwischen der Normalkraft (Reaktion)
und den Verschiebungsgrößen u und v' (Aktion) ermittelt werden.
Der funktionsmäßige Zusammenhang zwischen Aktion und Reaktion
läßt sich mit den getroffenen Annahmen und dem Stielabstand
unmittelbar angeben.
Nur um die Normalkraftfläche, in Bild 1.2 durch drei Schnitte
dargestellt, zuverlässig beschreiben zu können, sind viele
Versuche notwendig. Die hinreichende Kenntnis dieser Fläche
für den möglichen Wertebereich der Verschiebungsgrößen ist
unabdingbar, da die gesuchte momentane Steifigkeitsmatrix Km
die Tangentialebene an die Fläche im momentanen Punkt P m ist.
Bedingt durch die statische Unbestimmtheit der Struktur ergibt
sich der Pfad zum Punkt P m in Abhängigkeit von der Einwir-
kungssteigerung und den in der Lastgeschichte vorangegangenen
Schnitt- und Verschiebungsgrößen erst im Verlauf der
Berechnung.
Die Anzahl der durchzuführenden Traglastversuche wächst über-
proportional mit den zu betrachtenden Zustandsgrößen (im
allgemeinen sechs Aktionsgrößen).
1.3 KONZEPT ZUR LöSUNG DES STATISCHEN PROBLEMS
Die aufwendige Ermittlung der Aktions-Reaktions-Flächen kann
entfallen, wenn rechnerische Untersuchung und Experiment zeit-
1-6
lich parallel verlaufen. Die Einwirkungen auf die Struktur
werden inkrementell eingeprägt. Die aktuell, unter Zugrunde-
legung einer momentanen Steifigkeitsmatrix ermittelten Zu-
standsgrößen an der oder den Schnittstellen zwischen dem
experimentell zu untersuchenden Bauteil und der umgebenden
Struktur können als Steuerparameter dem Experiment übermittelt
werden. Aus den resultierenden Zustandsgrößen des Experimentes
bestimmt sich die momentane Steifigkeitsmatrix für den näch-
sten Rechenschritt.
Der Pfad der experimentell einzuprägenden Einwirkungen ergibt
sich dadurch zwangsläufig. Die Realisierung dieses wechsel-
seitigen Gespräches zwischen Simulation und Experiment um-
schreibt der Begriff KOMMUNIZIERENDE VERSUCHSTECHNIK.
1.4 DAS TECHNOLOGISCHE PROBLEM
Um die kommunizierende Versuchstechnik praktisch verwirklichen
zu können, bedarf es zuvor einer Prüfmaschine, mit der einem
Prüfkörper (Bauteil) beliebige und beliebig veränderbare Rand-
bedingungen (Verschiebungsgrößen) eingeprägt werden können.
Mit heutigen Prüfmaschinen lassen sich nur homogene Randbe-
dingungen unmittelbar einstellen, d.h. Kraft- oder Weggrößen
nehmen am Prüfkörperrand einen Wert an, der in Abhängigkeit
von der Qualität der Lager und Einspannvorrichtungen, mehr
oder weniger gegen den anzustrebenden Wert Null geht. Die
Einschränkung, ausschließlich nur homogene Randbedingungen
versuchstechnisch einfach realisieren zu können, liegt im
Konstruktionsprinzip der Prüfmaschinen begründet. Konventio-
nelle Prüfmaschinen bestehen im wesentlichen aus zwei Ruf-
spannplatten, die parallel zueinander gegeneinander ver-
schiebbar sind. Die Wirkungsweise und die Grenzen von konven-
tionellen Prüfmaschinen ist in Bild 1.3 am Beispiel eines
stabartigen Prüfkörpers aufgezeigt. Steuerparameter sind die
Prüfkörperstauchung u und der Stabenddrehwinkel v.
u#0 u#0b) v'$0 c) v'40
1-7
Bild 1.3. Konstruktionsprinzip und Wirkungsweise
konventioneller Prüfmaschinen
Die homogene Randbedingung v'=0 ist technisch einfach durch
Einspannen des Prüfkörpers in die Aufspannebene zu realisieren
(Bild 1.3 a).
Die inhomogene Randbedingung v'#0 läßt sich durch exentrische
Lasteinleitung in den Prüfkörper verwirklichen, wobei v'einen
Wert in Abhängigkeit von der Stabstauchung u, der Exzentrität
e, der Stabsteifigkeit und der Lagerreibung (Bild 1.3 b)
annimmt.
Um gezielt einen Winkel v' unabhängig von der Stabstauchung u,
einstellen zu können, bedarf es zusätzlicher Belastungs-
einrichtungen, in Bild 1.3 c durch einen Zylinder angedeutet,
die zum einen konstruktiv aufwendig und in der Regel nur für
einen Versuchstyp verwendbar sind.
1-8
1.5 KONZEPT ZUR LöSUNG DES TECHNOLOGISCHEN PROBLEMS
Das Lösungskonzept beschränkt sich auf stabartige Prüfkörper,
allgm. Bauteile, die so aus der Konstruktion herauszuschneiden
sind, daß für die Schnittflächen die Bernoulli-Hypothese vom
Ebenbleiben der Querschnitte als erfüllt angesehen werden
darf.
1.5.1 Idee einer Prüfmaschine
In Anbetracht der statischen und geometrischen Analogie können
die kinematischen Randbedingungen eines Bauteiles durch
Einprägen der äquivalenten Kraftgrößen, entsprechend die
statischen Randbedingungen durch Einprägen der äquivalenten
Weggrößen realisiert werden.
Damit ist durch eine gezielte Translation und Rotation der
Schnittebenen im Raum jede Randbedingung realisierbar. Die
Ebenenbewegungen lassen sich mechanisch im begrenzten Rahmen
dadurch verwirklichen, daß die jeweilige Schnittebene des
Prüfkörpers starr auf eine "unendlich" biege- und dehnsteife
Platte aufgespannt wird, deren Lage im Raum durch hydraulische
Zug-Druck-Zylinder verändert wird.
Da die Zug-Druck-Zylinder bei einer Lageveränderung der Platte
sich gegenseitig beeinflussen, stellt sich die Bewegung der
Platte als komplexer arithmetischer Ausdruck dar. Die Bewegung
der Platte, also die Steuerung und Regelung der Zylinder, und
die Überwachung bezüglich unzulässiger Grenzzustände ist nur
durch den Einsatz eines Rechners zu gewährleisten.
1.5.2 Konstruktionsprinzip der Prüfmaschine
Bild 1.4 zeigt das Konstruktionsprinzip der neuartigen
Prüfmaschine. Die Darstellung und die folgenden Ausführungen
beschränken sich auf den ebenen Fall.
KONSTRUKTIONSELEMENTE
A AufspannplatteT Tragkonstruktion
IPendelstab
iZug - Druck- Zylinder
MESS - SYSTEME
m; KolbenauszugslängeI; RelativverschiebungS i Kraftgröflen
1-9
Die Prüfmaschine besteht aus zwei Platten mit den Aufspann-
ebenen für den Prüfkörper. Die jeweilige Aufspannebene ist mit
der Tragkonstruktion statisch bestimmt durch drei Pendel ver-
bunden. Entsprechend den drei Freiheitsgraden in der Ebene
Bild 1.4. Konstruktionsprinzip der Prüfmaschine
1-10
sind drei Pendelstäbe durch Zug-Druck-Zylinder (Pendelstäbe
mit veränderbarer Länge) ersetzt.
Die Steuerung und Regelung der Zylinder bedarf des ständigen
Vergleichs von Soll- und Istwerten, d.h. die Kolbenauszugs-
längen m i der Kolben werden kontinuierlich gemessen (Istwerte)
und den errechneten Sollwerten gegenübergestellt und vorhan-
dene Differenzen ausgeregelt.
Um störende Einflüsse, wie z.B. Reibung und Schlupf in den
Anschlüssen der Pendel an die Platte, aus der Ermittlung der
Zustandsgrößen für den Prüfkörper zu eliminieren, werden die
Zustandsgrößen nicht aus denen der Zug-Druck-Zylinder bestimmt
sondern mit gesonderten Meßsystemen erfaßt.
Zur Bestimmung der Verschiebungsgrößen sind zwischen den Auf-
spannebenen teleskopartige Meßpendel angeordnet, mit denen die
gegenseitige Lageveränderung der Aufspannebenen bestimmt wird.
Die relativen Weggrößen (kinematischen Randbedingungen des
Prüfkörpers) ergeben sich so in Abhängigkeit von der Längenän-
derung (l i ) der Meßpendel.
Die Kraftgrößen (statischen Randbedingungen des Prüfkörpers)
werden mit einem speziell entwickelten Meßsystem in der
unteren Aufspannebene erfaßt und für die obere Ebene aus
Gleichgewichtsbedingungen berechnet.
Durch die Anordnung der Meßsysteme ist die "Maschinensteifig-
keit" bedeutungslos. Die Tragkonstruktion der Aufspannebenen
kann im Vergleich zu konventionellen Prüfmaschinen weich sein.
Da mit dem neuen Prüfmaschinentyp das Tragverhalten von Bau-
teilen im Nachtraglastbereich untersucht werden soll, sind die
Führungsgrößen im Regelprozeß Weggrößen. Die statischen Rand-
bedingungen sind durch die entsprechenden Weggrößen zu sub-
stituieren. Übertragungsfunktion ist die momentane Prüfkörper-
steifigkeit.
1.5.3 Kinematik der Prüfmaschine
Den Bewegungsablauf der Prüfmaschine für zwei unterschiedliche
kinematische Randbedingungen verdeutlichen die Bilderfolgen
1.5 und 1.6. Entsprechend den gewünschten kinematischen Rand-
bedingungen sind die Kolbenauszugslängen einzustellen.
Bei einer Verkürzung des beidseitig eingespannten Prüfkörpers,
inhomogene Randbedingungen u#0, v=0 und v'=0, sind die Auf-
spannebenen lotrecht gegeneinander zu verfahren (Bild 1.5).
Dabei ist zu beachten, daß die Bewegung kinematischen Zwängen
unterliegt. Die Anlenkpunkte der Festpendel können sich nur
auf Kreisbahnen, im räumlichen Fall auf Kugelbahnen bewegen.
Bild 1.6 zeigt den Bewegungsablauf für die kinematischen Rand-
bedingungen u#0, v=0, 40. Die Verdrehung kann z.B. so einge-stellt werden, daß die Biegemomente an den Prüfkörperenden
gleich Null sind. Dieser Fall entspräche den statischen Rand-
bedingungen eines beidseitig gelenkig gelagerten Prüfkörpers.
Der einzustellende Sollwert v'für das jeweilig folgende Ein-
wirkungsinkrement bestimmt sich dabei über die momentane, aus
gemessenen Zustandsgrößen ermittelte Steifigkeitsmatrix.
1.5.4 Zustandsgrößenregelung
Da letztlich alle Randbedingungen durch äquivalente Kolbenaus-
zugslängen oder präziser durch den Ölfluß in den jeweiligen
Zug-Druck-Zylinder zu beschreiben sind, ist zum Betrieb der
Prüfmaschine eine umfangreiche Regelung zu entwickeln. Diese
Regelung wird im folgenden Zustandsgrößenregelung benannt.
Die Zustandgrößenregelung gleicht einer dreistufigen Kaskaden-
regelung. Im innersten Regelkreis werden die einzustellenden
Kolbenauszugslängen analog geregelt. Im mittleren Regelkreis
werden die kinematischen Randbedingungen in äquivalente einzu-
stellende Kolbenauszugslängen umgerechnet, ein iterativer
Prozeß, da die Transformationsbeziehungen zwischen der je-
1-12
Bild 1.5. Kinematik fur die Randbedingungen u$O, v=0 und v1=O
Bild 1.6. Kinematik fur die Randbedingungen u#D, v~U und 1/40
1-13
weiligen Kolbenauszugslänge und den kinematischen Randbeding-
ungen nichtlinear sind. Im äußeren Regelkreis werden iterativ
über die momentane Prüfkörpersteifigkeit die statischen
Randbedingungen in die entsprechenden kinematischen umgesetzt.
Diese Regelung ist nur in Verbindung mit einem Rechner und bei
vollständig automatisiertem Versuchsablauf zu realisieren.
1.6 DAS RECHENTECHNISCHE PROBLEM
Um das Tragverhalten der den Prüfkörper umgebenden Struktur
wirklichkeitsnah zu simulieren (vg1.1.3), ist es notwendig
strukturmechanische Rechenmodelle in Programme für die zur
Verfügung stehende Rechenanlage (Minicomputer) umzusetzen. Die
Programme müssen die Kommunikation, d.h. den Datenaustausch
zwischen Strukturberechnung und dem zeitlich parallel ver-
laufenden Experiment, ermöglichen.
1.7 RECHENTECHNISCHES LÖSUNGSKONZEPT
Mit Rechenmodellen nach der Methode der Finiten Elemente kann
das lineare und nichtlineare Tragverhalten vielfältiger Struk-
turen wirklichkeitsnah beschrieben werden. In ein einmalig zu
erstellendes Grundprogramm werden problemgerechte Elementtypen
auf der Diskretisierungsgrundlage des Weggrößenverfahrens und
des gemischten Verfahrens implementiert. Die Einwirkungen sind
der Struktur inkrementell einzuprägen.
Zwei miteinander verknüpfte Rechner steuern den Ablauf eines
kommunizierenden Versuches. Ein Rechner (Experimentrechner)
steuert und überwacht die Prüfmaschine und bestimmt u.a. aus
Meßdaten die Zustandsgrößen für die Aufspannebenen des Prüf-
körpers, die den Schnittebenen zwischen experimentell unter-
suchtem Bauteil und der umgebenden Struktur entsprechen. Die
Verschiebungsgrößen sind für das Experiment Istwerte der Rand-
bedingungen und für die Struktur Istwerte der übergangsbe-
dingungen.
1-14
Der zweite Rechner (Strukturrechner) greift diese Zustands-
größen auf und ermittelt aus ihnen die momentane Steifig-
keitsmatrix für das experimentell untersuchte Bauteil. Unter
Einbeziehung der momentanen Steifigkeitsmatrix simuliert ein
FEM-Programm im Strukturrechner das Tragverhalten der Struktur
unter der aktuellen Einwirkung. Die berechneten Zustandsgrößen
sind die Sollwerte für die Schnittebenen.
Für die das Experiment steuernden Verschiebungsgrößen werden
die Differenzen zwischen Soll- und Istwerten bestimmt und dem
Experimentrechner übermittelt. Korrekturzyklen regeln im
Rahmen der gewünschten bzw. der im Experiment einstellbaren
Genauigkeit die Differenz zwischen Soll- und Istwerten aus.
Danach wird der Struktur das folgende Einwirkungsinkrement
eingeprägt.
1.8 ZIELSETZUNG DER VORLIEGENDEN ARBEIT
Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Entwicklung von
Bausteinen zur Verwirklichung der "kommunizierenden Versuchs-
technik", dem Dialog zwischen theoretischer, im Rechenmodell
simulierter immaterieller Gesamtstruktur, und dem im zeitlich
parallelen Versuch überprüften materiellen Abschnitt aus der
Gesamtstruktur.
1.9 BAUSTEINE DER KOMMUNIZIERENDEN VERSUCHSTECHNIK
1.9.1 Rechnergestützte Prüfanlage
Da der Versuchsablauf vollständig zu automatisieren ist, sind
rechnergestütze Prüfanlagen und die dazugehörigen Betriebs-,
Meß- und Steuerprogramme zu entwickeln. Kapitel 2 behandelt
eine Pilotanlage und die rechnergestütze Versuchsabwicklung.
Am Beispiel des Forschungsvorhabens "Statische Streckgrenze"
wird in Kapitel 3 die Anwendung gezeigt.
1-15
1.9.2 Simulation der Prüfmaschine
Um die Funktion der Zustandsgrößenregelung zuverlässig über-
prüfen zu können, wird in Kapitel 4 die Wirkungsweise der
Prüfmaschine und das Tragverhalten des Prüfkörpers im Experi-
mentrechner durch ein in ein entsprechendes Programm umge-
setztes Rechenmodell simuliert, da nur so das Prüfkörperver-
halten zu reproduzieren ist.
1.9.3 FEM- Programmsystem für Minicomputer
Das lineare und nichtlineare Tragverhalten der Struktur wird
durch ein FEM-Programm simuliert. Im experimentellen Bereich
des Inst. f. Stahlbau stehen Rechner in der Größenordnung
eines Personalcomputers zur Verfügung. Für diese Rechner wird
in Kapitel 5 ein Grundprogrammsystem entwickelt. Anhand von
zwei Beispielen wird die Anwendung des Programmsystems in
Kapitel 6 aufgezeigt.
1.9.4 Kommunizierende Versuchstechnik
Die Strategie der kommunizierenden Versuchstechnik wird in
Kapitel 7 entwickelt. Für die Funktionsprüfung des Verfahrens
ist es irrelevant, ob die Eingangsgrößen gemessen oder er-
rechnet werden. Deshalb wird im Rahmen der Anwendung der
Bauteilversuch im Experimentrechner simuliert.
Die Anwendung der kommunizierenden Versuchstechnik wird in
Kapitel 8 am Beispiel eines Durchlaufträgers aufgezeigt, für
den ein Abschnitt experimentell zu untersuchen ist. Das
Rechenmodell, das die immaterielle Struktur beschreibt, be-
rücksichtigt Nichtlinearitäten des Werkstoffverhaltens und der
Geometrie.
2-1
2 RECHNERGESTÜTZE PRÜFANLAGE
Im Rahmen der kommunizierenden Versuchstechnik ist der Ver-
suchsablauf vollständig zu automatisieren. Mit der Absicht
Erfahrung auf dem Sektor rechnergestütze Versuchabwicklung zu
gewinnen und die zum Betrieb der neuartigen Prüfmaschine not-
wendige Soft- und Hardware umfassend austesten zu können,
wurde am Institut für Stahlbau zunächst eine freiprogrammier-
bare Prüfanlage als Pilotanlage entwickelt.
Für den Betrieb, d.h. die Regelung einer rechnergestützen
Prüfanlage ist die kontinuierliche Meßdatenerfassung und deren
simultane Auswertung (Meßwertanalyse) unabdingbar.
2.1 MESSTECHNIK
Die Elementaraufgabe der Meßtechnik besteht im Erfassen von
physikalischen Größen und deren Betrages in Form von Meß-
werten. Bei der Meßwerterfassung kommt im experimentellen
Bereich des konstruktiven Ingenieurbaues der Elektrotechnik
eine wesentliche Aufgabe zu, da die mechanischen Größen über-
wiegend elektrisch gemessen werden. Die Veränderungen elek-
trischer Größen wie Strom, Spannung und elektromagnetisches
Feld werden als Meßwerte interpretiert. Dazu ist es notwendig,
die nichtelektrischen physikalischen Größen wie Druck, Kraft,
Weg, Temperatur etc. elektrisch abzubilden. Diese Abbildung
beschreibt der Begriff Sensortechnik, die sich dazu einer
Vielzahl physikalisch-elektrischer Effekte bedient.
Für wenige Meßstellen ist es denkbar, die elektrischen Meß-
werte kontinuierlich mittels x-y-Schreiber aufzuzeichnen,
wobei die x-Achse der Zeit und die y-Achse dem Meßwert ent-
spricht. Die Meßwertauswertung bedarf der Digitalisierung des
x-y-Schriebes, ein aufwendiges Unterfangen. Demzufolge liegt
es nahe, die analogen Signale der Sensoren unmittelbar digital
darzustellen. Diese Aufgabe übernehmen Analog-Digital-Um-
2-2
setzer, die jedem der in dichter Folge herausgegriffenen Ana-
logwerte einen im allgemeinen binären Zahlenwert zuweisen. Um
viele Meßstellen innerhalb einer Prüfanordnung mit vertretba-
rem Meßgeräteaufwand zu erfassen, stehen manuelle und automa-
tische Meßstellenumschalter (Multiplexer) zur Verfügung. Al-
phanumerische Anzeigen stellen die digitalen, elektrischen
Meßwerte dar, Magnetbänder, etc. dienen zu deren Speicherung.
Der Vorteil dieser Meßdatenerfassung liegt in der weitaus
schnelleren und zuverlässigeren Meßwertregistrierung in digi-
taler Darstellung des elektrischen Meßwertes. Die Registrie-
rungsdichte der Einzelmeßwerte erweist sich jedoch als zufäl-
lig, da die Meßwertaufzeichnung allgemein manuell ausgelöst
wird. Die digitalen elektrischen Meßwerte sind unter Einbe-
ziehung der Eichfaktoren für die verschiedenen Komponenten der
Meßkette und der Nullmessung in pysikalischen Meßwerte umzu-
rechnen. Umständliche Plausibilitätskontrollen, fehlende
exakte Zuordnung Zeit-Messung und die zeitlich versetzte Aus-
wertung der Meßwerte bleiben als schwerwiegendes Manko be-
stehen.
2.2 EINSATZ VON MIKROCOMPUTERN IN DER MESSTECHNIK
Für den Betrieb, d.h. Regelung der Bauteilprüfmaschine ist
eine kontinuierliche Meßwerterfassung und simultane Auswertung
(Meßwertanalyse) unabdingbar. Obige Meßverfahren sind damit
ausgeschlossen.
Die technische Entwicklung der Mikroelektronik ermöglicht den
Einsatz von Mikrocomputern in der Meßtechnik in Form von
rechnergestützter Versuchsdurchführung oder CAT (Computer
Aided Testing). Dieser Begriff beschreibt den Einsatz des
Mikrocomputers in allen Phasen des Versuches:
- Versuchsaufbau - Meßdatenerfassung
- Versuchssteuerung - Darstellung der Ergebnisse
- Erstellung des Berichtes - Archivieren der Meßdaten
Querhaupt
Kraft mefldose
Führung
Druckplatte
Führung
—Querhaupt
Zug/ Druckzylinder
Wegaufnehmer W 100
Wegaufnehmer W 10
2-3
Zur Erzielung einer größtmöglichen Fehler- und Bedienungssi-
cherheit ist es zweckmäßig, einerseits den Mikrocomputer als
feste Komponente in die Prüfanlage zu integrieren, anderer-
seits die Abläufe an der Prüfanlage weitgehenst zu automati-
sieren. Die dennoch erforderlichen Angaben und Einstellwerte
müssen vom Anwender im Dialog erfragt und auf Fehler überprüft
werden. Bedingt durch den Ausschluß subjektiver und willkürli-
cher Einflüsse bei der Versuchsabwicklung ist eine weitaus
höhere Meßgenauigkeit und Reproduzierbarkeit des Versuches zu
gewährleisten. Um diesen Anforderungen von CAT gerecht zu
werden, bedarf es umfangreicher Software-Entwicklungen.
2.3 PILOTANLAGE
Die wesentlichen mechanischen Merkmale der Pilotanlage sind
dem Bild 2.1 zu entnehmen; eine Übersicht der Prüfanlage zeigt
Bild 2.2.
Bild 2.1. Mechanische Merkmale der Pilotanlage
2-4
Line -Printer
Magnet-Speicher
Bild 2.2. Rechnergestützte Prüfanlage
2-5
2.4 DATENBANK
Die bisherigen experimentellen Untersuchungen sind quasi als
"Insellösungen" anzusehen. Für jeden Experimenttyp wurden z.B.
versuchstechnischerseits die Eichfaktoren innerhalb einer
Meßkette individuell bestimmt und zur Auswertung der Meßdaten
spezielle Programme entwickelt. Um den Einsatz des Mikrocompu-
ters über möglichst viele Phasen des Versuchsablaufs zu er-
möglichen, ist bei neuen programmtechnischen Entwicklungen die
Vereinigung der bestehenden und neuen zu Programmketten zu
beachten. Die wesentliche Voraussetzung dafür ist die Entwick-
lung von einheitlichen und anwendungsunabhängigen Datenstruk-
turen (Datenbank). Im Gegensatz zur Datenhaltung in getrennten
Dateien sind in der Datenbank die Daten für alle Anwendungen
nur einmal gespeichert /1,2/.
iDatei bearbei tungsprogramm
- Eingabe - Löschen
- Andern - Ausgabe
CGrafik-Programm)
Aufnehuer-Dateien..
- Kraftmessung TextdateiCEichprogramm - Wegmessung
- Dehnungsmessung ( Statist ik-Programm
\)
Prüfprogramm Prüfdatei Steuerdatei CSortier-Programm )
- Versuchssteuerung- Me Es tell en besch re bung
CTextsystem- Meßwerterfassung
- Metwer tausga be
Me Ewer tdatei l
Bild 2.3 Schematische Darstellung der Datenbank
2-6
Ein Datenbanksystem verwaltet den gemeinsamen Datenbestand
mittels einer speziell entwickelten "Datenfunktionssprache".
Den Zugang aller Anwenderprogramme zur Datenbank ermöglichen
standardisierte Unterprogramme.
2.5 VERSUCHSAUFBAU-VERSUCHSVORBEREITUNG
Abgesehen von dem mechanischen Einbau des Prüfkörpers in die
Prüfanlage besteht der Versuchsaufbau darin, die Meßaufnehmer
(Sensoren) am Prüfkörper und der Prüfanlage zu installieren
und mittels nachgeschalteter Signalverstärker, Analog-Digital-
Umsetzer (ADU) 1) , etc. dem Mikrocomputer zu übermitteln. Der
funktionale Zusammenhang zwischen dem elektrischen Meßwert des
Sensors und dem physikalischen Meßwert wird durch den Gesamt-
eichfaktor der Meßkette, als Produkt der einzelnen Eichfakto-
ren E i ihrer Komponenten beschrieben.
E gesamt - E Sensor • E Verstärker .E Analog/Digital-Umsetzer
Für den Sensor wird in der Regel der Zusammenhang zwischen
physikalischem und elektrischem Meßwert im jeweiligen Einsatz-
bereich durch lineare Regression hinreichend genau beschrie-
ben. Allgemein sind drei Einsatz- und damit drei Eichbereiche
vorgesehen. Entsprechend ergeben sich für die Meßverstärker in
Abhängigkeit vom gewählten Arbeitsbereich Eichfaktoren inner-
halb von Bereichsgrenzen.
Die für den experimentellen Einsatz relevanten Kenngrößen sind
für die Gesamtheit der zur Verfügung stehenden Sensoren, Ver-
stärker und Analog-Digital-Umsetzer in der Datenbank erfaßt.
Die Aktualisierung der gegebenenfalls zeitlich veränderlichen
Eichfaktoren erfolgt systematisch oder bei Bedarf mittels
Eichprogramm.
1) Die Analog-Digital- bzw. Digital-Analog- Umsetzer arbeiten auf der Basisvon 12 BIT Horten und 10 Volt, d.h. 10 Volt werden in 4096 Digitalwerteumgesetzt.
2-7
Dem Anwender steht damit ein Katalog der vorhandenen Meßein-
richtung zur Verfügung, aus dem er die jeweiligen Meßketten
für sein Problem zusammenstellt. Die Zusammenführung der ein-
zelnen Komponenten und deren charakteristischen Informationen
zu Meßketten erfolgt durch ein Dialogprogramm. Aus den
einzelnen Eichfaktoren und deren Gültigkeitsgrenzen bestimmt
sich der Gesamteichfaktor und dessen Gültigkeitsbereich. Es
besteht die Möglichkeit, die jeweilige Meßkette individuell zu
modifizieren und zu benennen.
Bild 2.4 zeigt exemplarisch am Beispiel einer Wegaufnehmermeß-
kette die gespeicherte Information, wie sie sich dem Benutzer
am Dialoggerät darstellt und für das Prüfprogramm innerhalb
der Prüfdatei bereitsteht.
1. NR. DER MESS-STELLE 62. KRAFT = 1, WEG= 2, DEHNUNG =3,ZEIT=4 23. KANAL-NR 104. MIN E-BER.GRENZE *** El *** -5.000 E 0 MM5. MAX EBER. GRENZE *** El *** 5. 000 E 0 MM6. EICHFAKTOR *** E1 *** 25.300 E-3 MM7. MIN E-BER.GRENZE *** E2 *** -50.000 E 0 MM8. MAX E-BER.GRENZE *** E2 *** 50.000 E 0 MM9. EICHFAKTOR *** E2 *** 253.000 E-3 MM10. MIN E-BER. GRENZE *** E3 *** -50.000 E 0 MM11. MAX E-BER.GRENZE *** E3 * AA 50.000 E 0 MM12. EICHFAKTOR *** E3 *** 253.000 E-3 MM13. SCHWELLWERT ** DISK ** 10.000 E-3 MM14. SCHNELLWERT ** DISP ** 500.000 E-3 MM15. SCHHELLHERT *A PRIN ** 1.000 E 0 MM16. SCHHELLHERT ** TEKT ** 0.000 E 0 MM17. SCHNELLWERT ** XYPL ** 500.000 E 0 MM18. MIN ERWARTETER WERT -25.000 E 0 MM19. MAX ERWARTETER WERT 45.000 E 0 MM
Bild 2.4. Beschreibung einer Wegaufnehmermeßkette
Im Beispiel ist die Meßkette 6 physikalisch mit dem Kanal 10
der Meßanlage verknüpft. Für die anstehende Meßaufgabe sind
zwei unterschiedliche Eichbereiche El und E2=E3 mit den
Grenzen + 5 mm bzw. +50 mm vorgesehen. Der sogenannte Eich-
faktor Egesamt multipliziert mit dem digitalen Meßwert ergibt
den physikalischen Meßwert. Die Schwellwerte werden im Zusam-
2-8
menhang mit der Meßwerterfassung erläutert. Der minimale und
maximale erwartete Wert beschreiben den Bildrand bei einer
graphischen Meßwertaufzeichnung.
2.6 MESSDATENERFASSUNG
Die Verknüpfung der Meßketten mit dem Mikrocomputer ermöglicht
die kontrollierte und gleichzeitige Erfassung und Darstellung
von physikalischen Meßwerten auf unterschiedlichen Medien,
siehe Bild 2.2.
Der Meßdatenerfassung liegt folgende Strategie zugrunde: Die
Summe der Meßwerte, ergänzt um die vom Mikrocomputer generier-
te relative Uhrzeit, wird als Meßwertkollektiv aufgefaßt. Das
Meßprogramm nimmt kontinuierlich, also mit der programmbeding-
ten Zykluszeit, dieses Kollektiv auf. Für jedes periphere
Medium besteht für den Anwender die Möglichkeit, das Meßwert-
kollektiv gesondert zu behandeln. Durch Zuordnung von Kennzif-
fern wird der Rang der jeweiligen Meßkette für das jeweilige
Medium festgelegt, es bedeutet die Kennziffer:
0 eine Aufzeichnung des Meßwertes entfällt,
1 der Meßwert wird aufgezeichnet und
2 die Meßkette hat den Rang einer Leitmeßkette.
Leitmeßketten, verbunden mit einem frei wählbaren Schwellwert,
steuern die Aufzeichnungsdichte der Meßwerte auf dem betref-
fenden Medium (Meßwertanalyse). Überschreitet die absolute
Differenz zwischen dem bereits dargestellten und dem aktuellen
Meßwert einer Leitmeßkette den zugehörigen Schwellwert, löst
diese eine weitere Aufzeichnung des Meßwertkollektives aus,
wobei nur Meßwerte von Meßketten mit dem Rang größer Null
durch die angesprochene Peripherie behandelt werden. Die Defi-
nition der in der Prüfanlage eingesetzten Peripherie und der
ihr zugeordneten Meßketten, so wie deren Rang, erfolgt durch
ein Dialogprogramm.
2-9
Die beschriebene Vorgehensweise gewährleistet eine der je-
weiligen Meßaufgabe angepaßte Informationsdichte. Durch die
Darstellung der Meßwerte als physikalische Werte sind,
speziell im Fall der graphischen Ausgabe, unmittelbar Plausi-
bilitätskontrollen durchführbar.
Das Meßprogramm (vgl. Bild 2.5) enthält die Programmsegmente:
- Nullmessung,
- Kontinuierliche Messung,
- Eichbereichsumschaltung und
- Meßkettenanullierung.
Die Nullmessung bestimmt den Ausgangszustand des Prüfkörpers
und ist die Bezugsmessung für die Meßwertveränderungen. Die
kontinuierliche Messung ist der Regelfall der Meßwerterfas-
sung. Eine Unterbrechung erfolgt nur bei manuell auszuführen-
den Umschaltvorgängen oder Benutzereingriff. Die Eichbereichs-
umschaltung ist abhängig vom Signalverstärker programmtech-
nisch oder mit zusätzlichem manuellen Eingriff ausführbar.
Anschließend wird die Meßwerterfassung fortgesetzt. Die Meß-
kettenanullierung dient der Elimination von ausgefallenen und
damit ständig Eichbereichüberschreitung signalisierender Meß-
ketten.
Anzumerken bleibt die von der Versuchssteuerung unabhängige
Anwendbarkeit des Meßprogrammes und die Sammlung der physika-
lischen Meßwerte in der Datenbank. Für ständig wiederkehrende
Experimente z.B. Materialproben werden Standarddateien vorge-
halten.
2.7 VERSUCHSSTEUERUNG-VERSUCHSREGELUNG
Abgesehen von der Tatsache, daß jede Meßgröße als steuernder
Parameter verwendbar ist, gelangen im experimentellen Bereich
des konstruktiven Ingenieurbaus im wesentlichen nur die Kraft-
und Weggrößensteuerung zum Einsatz. Dabei gewinnt die Weg-
Meßstellenbeschreibung einlesen
Steuer- Regelparameter aus Prüf-
datei einlesen
Peripherie initialisieren
maßgebende Regelgröße schalten
2-10
Meßbereichsüberschreitung ?
Eichbereichsüberschreitung ?
Schwellwert der jeweiligen
Peripherie überschritten ?
neues Snllwertintervall ?
Bild 2.5. Flußdiagramm des Meß- und Steuerprogrammes
s (mm]F (kW£ (µm)
--- Abgleichen(Sollwert _ Ist wert) 600 t(secl
t lec]
Bild 2.6. Werte und Graph des STEUERPARAMETER-ZEIT-DIAGRAMMES
2-11
1. ARBEITSLINIEN-TYP NR 72. ANZAHL DER INTERVALLE 63. REGELOROESSE 1 KRAFT=1, WEOa2, DEHN. =3: - 24. ZEITSPANNE 100 SEC5. INTERVALLWEITE 15 MM6. ANZAHL DER REGELSCHRITTE 507. . MESSWERTAENDERUNOEN ABWARTEN J o t N=0.: 0B. REOELOROESSE 2 KRAFT-I, WEG=2, DEHN.=3: 39. ZEITSPANNE 75 SEC
10. INTERVALLWEITE -500 MD11. ANZAHL DER REGELSCHRITTE 10012. MESSWERTAENDERUNCEN ABWARTEN J=1 N=0.: 013. REOELGROESSE 3 KRAFT-1, WE0 =2, DEHN. =3: 314. ZEITSPANNE • 600 SEC15. INTERVALLWEITE 0 MD16. ANZAHL DER REGELSCHRITTE 30017. MESSWERTAENDERUNCEN ABWARTEN J=1 N=0.: 118. REOELGROESSE 4 KRAFT=1,WEC=2,DEHN.=3: 119. ZEITSPANNE • 50 SEC20. INTERVALLWEITE 2 KN21. ANZAHL DER REGELSCHRITTE 2522. MESSWERTAENDERUNCEN ABWARTEN J=1 N=0.: 0
-500
t lsecl
2-12
größensteuerung im Hinblick auf Untersuchungen im Nachtrag-
lastbereich zunehmend an Bedeutung.
Die Versuchssteuerung besteht in der Festlegung des zeitlichen
Verlaufes des Sollwertes für den steuernden Parameter, be-
schrieben durch ein Steuerparameter-Zeit-Diagramm. Bild 2.6
zeigt exemplarisch für ein Diagramm die in der Steuerdatei
niedergelegte Information.
Das globale Steuerparameter-Zeit-Diagramm entsteht durch An-
einanderhängen von bis zu zehn Steuerintervallen. Bei einem
Steuerparameterwechsel wird automatisch "abgeglichen", d.h.
beim Wechsel stimmen Soll- und Istwert des Steuerparameters
überein, die Regeldifferenz ist gleich Null. Innerhalb eines
Steuerintervalles bleibt der Steuerparameter gleich. Das In-
tervall selbst gliedert sich in Regelschritte. Durch die Digi-
talisierung des Steuerparameter-Zeit-Diagrammes bedingt,
approximiert innerhalb eines Regelschrittes eine Treppenfunk-
tion den vorgegebenen Verlauf. Nach jedem Regelschritt wird
das Meßprogramm durchlaufen.
Im Zusammenhang mit träge verlaufenden Meßwertveränderungen,
deren zeitliche Entwicklung nicht vorhersehbar ist, z.B. bei
der Messung von Kriechvorgängen, besteht seitens der Versuchs-
steuerung die Möglichkeit, die im Steuerparameter-Zeit-Dia-
gramm vorgegebenen Haltezeiten von der Meßwertveränderung
abhängig zu gestalten. Solange innerhalb eines vorgegebenen
Zeitintervalles keine signifikante Meßwertveränderungen zu
verzeichnen sind, wird die Haltezeit ausgedehnt. Die Steuer-
diagramme sind in der Datenbank niedergelegt und können mit
einem Dialogprogramm bearbeitet werden.
Die Versuchsregelung beschreibt den folgenden Ablauf, siehe
Bild 2.2. Der Mikrocomputer generiert zum jeweiligen Zeitpunkt
gemäß dem vorgegebenen Steuerdiagramm oder in Abhängigkeit von
der Änderung der Meßwerte einen digitalen Sollwert. Nach der
digital-analogen Umsetzung und dem ständigen Vergleich des
2-13
gemessenen analogen Ist- und Sollwertes wird die vorhandene
Abweichung als Regeldifferenz einem PID-Regler 1} zugewiesen,
der entsprechende Aktoren, hier Servoventil und hydraulischer
Zug-Druck-Zylinder (Regelstrecke), so ansteuert, daß die Re-
geldifferenz zu Null wird. Dabei kommt der Reaktion des Prüf-
körpers die regeltechnische Bedeutung einer Störgröße zu.
Versuchstechnisch erweist es sich als sinnvoll, die Messung
der Zustandsgrößen erst nach Abschluß der Regelaktivitäten
vorzunehmen, demzufolge ist eine kontinuierliche Veränderung
des Sollwertes durch eine Treppenfunktion zu ersetzen.
Die Kombination von Meß- und Steuerprogramm ergibt das Prüf-
programm, das den automatischen Versuchablauf gewährleistet.
2.8 DARSTELLUNG DER MESSERGEBNISSE
Dialogfähige Programme ermöglichen eine problemlose tabellari-
sche und graphische Darstellung der physikalischen Meßwerte,
wobei beliebige Meßpunkte aus beliebigen Versuchen zusammenge-
faßt werden können. Eine weitgehend variable Beschriftung der
Tabellen und Von-Bis-Messung-Ausgaben in Schritten von n Mes-
sungen führen zu versuchsberichtgerechter, alphanumerischer
Wiedergabe der Meßwerte.
Entsprechendes gilt für die graphische Darstellung in standar-
disierten Bildern, wobei Achsenbezeichnung und Bildunter-
schriften weitgehend frei gestaltbar sind. Durch Multiplika-
tion mit einem Verzerrungsfaktor und Addition einer Konstanten
können Meßwerte unterschiedlicher Dimension in einem Bild
zusammengestellt werden. Weiterhin besteht die Möglichkeit,
Bildausschnitte vergrößert abzubilden (Lupenfunktion).
" Der eingesetzte Universal-Regler hat einen individuell einstellbarenP(proportional)-, I(integral)- und D(differenzier)-Anteil. Die Ein-stellung der Arbeitspunkte der P,I,D-Anteile erfolgt durch Beschaltenmit RC-Netzwerken.
2-14
Sowohl die alphanumerische als auch die graphische Ergebnis-
darstellung kann alternativ auf dem Bildschirm oder Drucker
erfolgen. Durch die weitgehend anwenderunabhängige Daten-
struktur zeigen sich weiterführende Meßwertanalysen, z.B.
statistische Untersuchungen der Meßergebnisse einer Versuchs-
serie, als problemlos.
2.9 DOKUMENTATION UND ARCHIVIERUNG DER MESSERGEBNISSE
Ein Textsystem, hier WORDSTAR, erlaubt die zügige Erstellung
des Versuchsberichtes, zumal sich häufig der Arbeitsaufwand
durch Übernahme von ganzen Abschnitten aus bereits vorhandenen
Versuchsberichten bei geringfügigen Änderungen beträchtlich
reduziert.
Magnetbänder und Disketten dienen alternativ der Speicherung
der Meßdaten, womit u.a. die Möglichkeit besteht, statistische
Untersuchungen für gleichartige Versuchstypen, z.B. Material-
prüfungen über längere Zeiträume (Jahre), durchzuführen, da
die Meßdaten unmittelbar bereitstehen.
2.10 BEWERTUNG DER ENTWICKELTEN PRÜFANLAGE
Mit dem aufgezeigten CAT-System ist ein für den Betrieb der
Prüfmaschine der kommunizierenden Versuchstechnik notwendiger
Baustein entwickelt. Er gewährleistet die
- automatische Meßdatenerfassung,
- simultane Auswertung,
- automatische Überwachung der Meßbereiche und
- automatische Versuchssteuerung.
In Rahmen des Forschungsvorhaben "Statische Streckgrenze"
wurde das vollständige CAT-System überprüft und Erfahrungen
gesammelt. Die experimentellen Untersuchungen selbst werden
durch das System rationeller, zuverlässiger und vor allem
reproduzierbar abgewickelt.
3-1
3 PRAKTISCHE ANWENDUNG DER RECHNERGESTÜTZTEN PRÜFANLAGE
Im Rahmen des durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
geförderten Forschungsvorhabens "Statische Streckgrenze" wurde
die Prüfanlage erstmalig eingesetzt. Ziel des Forschungsvor-
habens ist die Untersuchung des Einflußes von Prüfmodalitäten
auf den Spannungswert für die statische Streckgrenze. Es ist
gekennzeichnet durch eine Vielzahl von einaxialen Zug- bzw.
Zug-Druckversuchen. Eine rationelle und zuverlässige Abwick-
lung der experimentellen Untersuchungen erforderte die Auto-
matisation der Versuchsdurchführung und -auswertung.
Im folgenden wird das Problem "Statische Streckgrenze" aufge-
zeigt. In Abschnitt 3.2 ist der Begriff definiert. Bereits
vorhandene Ergebnisse sind in dem Versuchsbericht /3/ dokumen-
tiert.
3.1 PROBLEMATIK DER STATISCHEN STRECKGRENZE
Die Entwicklung der Bemessungsverfahren für Ingenieurbauwerke
ist allgemein gekennzeichnet durch das Bemühen, die Konstruk-
tionselemente im Sinne der Wirtschaftlichkeit besser auszu-
nutzen. Es wird versucht, für den Versagensnachweis die Trag-
last der Tragwerke zunehmend wirklichkeitsnäher zu erfassen.
Zur rechnerischen Beurteilung des Tragverhaltens ist es not-
wendig, die Schnittgröbeniagerungen innerhalb der Tragwerke
und insbesondere der Querschnitte zu verfolgen. Dieses Ansin-
nen führt zwangsläufig zu rechnerischen Untersuchungen im
Nachtraglastbereich für einzelne Tragwerkselemente.
Für die Zuverlässigkeit von Traglastberechnungen hat die Wei-
terentwicklung von Traglastmodellen nur dann einen Sinn, wenn
die notwendigen Daten zur Beschreibung des eingesetzten Werk-
stoffes und damit einhergehend das Stoffgesetz ebenfalls
gleich hohen Ansprüchen wie das Modell selbst genügen. Insbe-
sondere bei stabilitätsgefährdeten Tragwerkselementen ist die
Spannung während des lokalen Plastizierens von maßgeblichem
3-2
Einfluß auf die Traglast.
Bekanntlich sind die Spannungswerte nach Überwindung der obe-
ren Streckgrenze, also im plastischen Dehnungsbereich, abhän-
gig von der Dehngeschwindigkeit (Bild 3.1).
Oftmals wird die Meinung geäußert, daß der statischen Streck-
grenze im Zusammenhang mit dem Stabilitätsversagen eines Trag-
werkselementes keinerlei Bedeutung zukommt, da das Versagen
stets mit einer Verformung und demzufolge mit einer endlichen
Dehngeschwindigkeit verbunden ist. Für die Beschreibung des
Vorganges "Stabilitätsversagen" trifft der Sachverhalt zu.
Bauingenieurseits wird hingegen bei der statischen Berechnung
des Tragwerkselementes ein stationärer Zustand unterstellt.
Die zeitliche Veränderung der Zustandsgrößen wird nicht ver-
folgt, sondern der sich letztlich einstellende statische End-
zustand wird untersucht. Ein statischer Gleichgewichtszustand
für ein System ist nur dann gegeben, wenn die Dehngeschwindig-
keit gleich Null ist.
Statische Gleichgewichtszustände sind daher nur in Verbindung
mit der statischen Streckgrenze möglich. Diese Tatsache war
schon zu Beginn dieses Jahrhunderts bekannt /4 bis 10/, geriet
aber durch die Dominanz der Elastizitätstheorie in Vergessen-
heit. Für die Absicherung gegen erstmaliges Erreichen der
Fließgrenze ist die obere Streckgrenze maßgebend, und so er-
klärt es sich, daß schließlich diese Streckgrenze zur Beur-
teilung von Baustahl nach DIN 17100 herangezogen wird. Zudem
läßt sich die obere Streckgrenze im Zugversuch wesentlich
schneller und mit einfacheren Prüfmaschinen bestimmen als die
statische Streckgrenze.
Beim Nachrechnen von Versuchen oder im Zusammenhang mit Trag-
lastmodellen wird üblicherweise das im einachsigen Versuch
bestimmte Werkstoffverhalten von Konstruktionsstählen durch
ein bilineares Spannungs-Dehnungs-Diagramm erfaßt. Dabei ist
Dehnungsbereiche:
a) elastisch
b) einschwingen
c) plastisch
d) verfestigend
Re
Re
Re
3-3
für das plastische Plateau der Spannungswert der statischen
Streckgrenze einzusetzen.
Quantitative Ergebnisse über die Größe der Spannungswerte für
die statische Streckgrenze und den Zusammenhang mit der oberen
Streckgrenze liegen bislang nur sehr vereinzelt vor. Zudem
variieren die Angaben für das Verhältnis der Spannungen der
statischen zur oberen Streckgrenze von 0,6 bis 0,85. Eine
systematische Studie der wesentlichen Einflußfaktoren auf die
statische Streckgrenze von Materialproben und ein darauf
basierender Vorschlag für eine Standardisierung der Prüfmoda-
litäten liegt derzeit nicht vor. Im Rahmen des Versuchspro-
grammes werden zur Zeit wesentliche Einflußfaktoren untersucht
und ein Prüfmodus zur experimentellen Bestimmung der stati-
schen Streckgrenze entwickelt.
3.2 DEFINITIONEN UND BEGRIFFE
Die schematischen Arbeitslinien in Form von Spannungs-Deh-
nungs-Diagrammen ergeben sich für unterschiedliche Dehnungsge-
schwindigkeiten nach dem Überschreiten der oberen Streck-
grenze. Auf der Abszisse ist der Wertebereich der Dehnung in
vier Abschnitte eingeteilt.
Bild 3.1. Schematische Arbeitslinien
Reir,EtO
Res , E =0
t
a= a+b•e -ts
tA = t,+180
tE = t 1 + 600
3-4
Die nach Überwindung der oberen Streckgrenze rasch ablaufenden
Vorgänge im Prüfkörper können nicht ohne weiteres zuverlässig
aufgezeichnet werden. Oftmals weist die Arbeitslinie im Ein-
schwingbereich Spannungswerte auf, die beträchtlich unterhalb
des Spannungswertes der statischen Streckgrenze liegen. Sollte
dieses Phänomen wider Erwarten seine Ursache im Werkstoff
finden, so ist es aus statischer Sicht unbedenklich, da der
Einschwingbereich sehr schmal ist.
im plastischen Dehnungsbereich, und nur dieser Bereich ist im
Zusammenhang mit der statischen Streckgrenze von Interesse,
stellen sich für endliche Dehngeschwindigkeiten bestimmte
Spannungswerte für die untere Streckgrenze ein. Aus diesem
Sachverhalt läßt sich unmittelbar die Definition für die sta-
tische Streckgrenze ableiten.
Definition der statischen Streckgrenze:
im plastischen Dehnungsbereich wird die Dehngeschwindigkeit
C ) =0 über einen Zeitraum t =oo konstant gehalten. Die Span-
nungswerte streben einem Grenzwert Re s zu, dem Spannungswert
für die statische Streckgrenze.
a4
Bild 3.2. Spannungswertermittlung für die statische Streckgrenze
t ' Üblicherweise werden bei Materialproben Längenänderungen AL einer Meß-basis L gemessen und der Quotient A L/L als Dehnung E interpretiert. Dieüber die Meßlänge gemessene Formänderung ist damit Mittelwert ausvielen Gleitungen einzelner Gleitschichten
3-5
Bestimmung des Spannungswertes der statischen Streckgrenze:
Versuchstechnisch wird der Spannungswert für die statische
Streckgrenze dadurch bestimmt, daß die Spannungs- und zuge-
hörigen Zeitwerte im plastischen Dehnungsbereich E pl, d.h. die
Dehnung sollte bezogen auf die elastische Dehnung einen Wert
zwischen 3E el ` C pl Eel aufweisen, über einen Zeitraum
von mehr als zehn Minuten registriert werden.
Die Spannungen der ersten drei Minuten werden einem Übergangs-
bereich zugeordnet und nicht berücksichtigt. Die folgenden
diskreten Punkte im Spannungs-Zeit-Diagramm werden durch die
Funktion Cr. a+b•e ts approximiert, die Koeffizienten a und b
nach der Fehlerquadratmethode bestimmt. Der Spannungswert für
die statische Streckgrenze Re s wird dem Funktionswert für ts=
gleichgesetzt.
Die Dehnungen werden versuchstechnisch aus der Abstandsän-
derung zweier auf der Materialprobe fixierter Schneiden
bestimmt (Feinwegmessung).
3.3 EXEMPLARISCHE, GRAPHISCHE DARSTELLUNG EINES VERSUCHS-
ERGEBNISSES FÜR EINEN EINAXIALEN DRUCK-ZUGVERSUCH
Jeder durchgeführte Versuch an Materialproben ist durch die
drei Diagramme
- Spannungs-Dehnungs-Diagramm (Bild 3.3 a)
- Spannungs-Zeit-Diagramm (Bild 3.3 b)
- Dehnungs-Zeit-Diagramm (Bild 3.3 c)
vollständig dokumentiert. Diese Diagramme werden parallel zur
Versuchsdurchführung erzeugt und auf dem graphischen Bild-
schirm ausgegeben. Unmittelbar nach dem Versuch können sie
mittels Dialogprogramm, z.B. mit Berichts- und Anlagennummern
und erläuterndem Text versehen, auf einem Nadeldrucker ausge-
geben und als Anlage für den Versuchsbericht verwandt werden.
50
u
-150
- 7oilI
- 5i i
4 d 10
DEHNUNG C MMlM
0— u -_
3-6
/r^'. '^ (i
E/!
! l^t
+
I
I
^
1
I
?)i
I
^l!
I
irf
;^r'
!r
i! /
ji
i
wl
fi .4„,___41.,....,-------,+'
/1
e--4.----f
Bild 3.3.a. Spannungs-D,ehnungs-Diagramm
Dem SPANNUNGS-DEHNUNGS-DIAGRAMM sind die primär interessieren-
den Werkstoffkennwerte zu entnehmen. Es zeigt die signifikan-
ten Spannungsdifferenzen zwischen oberer R eH , unterer Reff und
statischer ReS Fließgrenze. Weiterhin ist eine deutliche Aus-
rundung der Arbeitslinie bei wechselnder Beanspruchungsrich-
tung zu erkennen (Bauschingereffekt).
5)00 5500
1011
SO
II
-SO
-loin
-15f1
-200
--^n I0 500 1000 1`a) 2300 2500 4000 4500 5000
ZEIT C SEC 3
3-7
Bild 3.3.b. Spannungs-Zeit-Diagramm
Das SPANNUNGS-ZEIT-DIAGRAMM verdeutlicht den mehr oder minder
ausgeprägten Übergangsbereich beim Halten = 0) und den
anschließend exponentiellen Abfall der Spannungen.
t I I
1
10
8
hi
4
3-8
-10 ; I
0 53 ! IDIDO 150 11 2)00 '-'500 3000 JJOi I 4000
4500 50II0
ZEIT £ 3E
Bild 3.3.c. Dehnungs-Zeit-Diagramm
Das DEHNUNGS-ZEIT-DIAGRAMM dokumentiert die Versuchssteuerung
bei dehnungsgeregelten Versuchen und gibt Aufschluß über die
Qualität der Regelung der Prüfmaschine. Eine verstimmte Rege-
lung würde sich durch Unstetigkeiten in den linearen Funk-
tionen des Diagrammes offenbaren.
3-9
3.4 ERSTE ERKENNTNISSE ZUM PROBLEM STATISCHE STRECKGRENZE
Die bisher durchgeführten Versuche an spannungsarmgeglühten
Materialproben aus St 37 zeigen den beträchtlichen Spannungs-
abfall zwischen oberer und statischer Streckgrenze. Der Span-
nungswert für die statische Streckgrenze zeigt sich innerhalb
des plastischen Dehnungsbereiches als konstant und unterliegt
im Verhältnis zum Spannungswert der oberen Streckgrenze einer
geringeren Streuung.
Aus versuchstechnischer Sicht kann festgestellt werden, daß
der Spannungswert für die statische Streckgrenze kaum durch
Prüfmodalitäten wie veränderte
- Prüfkörpergeometrie,
- Meßlänge,
- Dehngeschwindigkeit vor dem Halt im plastischen Bereich, etc,
beeinflußt wird und damit eine sicher zu bestimmende Kenngröße
für den Werkstoff darstellt.
FR - Übertragungsfunktiondes Reglers
F S - Übertragungsfunktionder Strecke
Bild 4.1 Regelkreis
4-1
4 ZUSTANDSGRÖSSENREGELUNG
Die Prüfmaschine der in Kapitel 2 beschriebenen Pilotanlage
wird mit einem Zug-Druck-Zylinder (ein Freiheitsgrad) betrie-
ben. Die Kolbenbewegung regelt ein Regelkreis, der vom Mikro-
computer gesteuert wird. Entsprechend den sechs Freiheitsgra-
den im Raum sind für die Prüfmaschine der kommunizierenden
Versuchstechnik sechs Kolbenauszugslängen durch sechs Regel-
kreise zu regeln und durch den Mikrocomputer zu steuern und zu
überwachen.
Um für einen Prüfkörper (Bauteil) im Experiment die gewün-
schten kinematischen und statischen Randbedingungen einstellen
zu können, sind diese durch den Ölfluß in den jeweiligen Zug-
Druck-Zylinder zu beschreiben. Diese Transformation umschreibt
der Begriff Zustandsgrößenregelung. Die Wirkungsweise der
Zustandsgrößenregelung zeigt schematisch Bild 4.2.
4.1 REGELKREISE
In ihrer Funktion ähnelt die Zustandsgrößenregelung einer
Kaskadenregelung /11/. Die Kolbenbewegung des jeweiligen Zug-
-Druck-Zylinders regelt der
innere Regelkreis, dem die
Kolbenauszugslänge m als Soll-
wert m S zugeführt wird.
Bild 4.1 zeigt schematisch die
analoge Regelung für einen
Zug-Druck-Zylinder. Der digi-
talisierte und in ein analoges
Signal umgesetzte physika-
lische Sollwert ist der Ein-
gangsparameter m S für den
Regelkreis. Im Summationspunkt
wird die Regeldifferenz Am als Differenz zwischen Sollwert mS
und momentanem lstwert m I gebildet. Das Produkt aus Regel-
differenz AM und Übertragungsfunktion F R des PID-Reglers
Experimentrechn. Prüfmaschine
Kinematische RB
w=lu,v,v']
0- Sollwerte w-Sollwerte
WI= f m lli )
QI= folS?)Istwerte
Strukturrechner
4-3
bestimmt die Stellgröße m* . In Bild 4.2 ist die Über-*
tragungsfunktion F R vereinfacht als m-m -Diagramm dargestellt.
Die Differenz zwischen der Stellgröße m* und der Störgröße z
(Prüfkörpersteifigkeit, Schwankungen des Öldrucks) wird der
Regelstrecke Fs (Servoventil und Zug-Druck-Zylinder) einge-
prägt, der resultierende Istwert m 1 gemessen und zum Summa-
tionspunkt zurückgeführt.
Die Positionierung der Aufspannebene im Raum kontrolliert ein
übergeordneter Regelkreis. Diese globale Weggrößenregelung für
die Aufspannebenen verknüpft die kinematischen Beziehungen mit
der lokalen Regelung der Kolbenbewegungen. Die Bewegungs-
gleichungen der jeweiligen Aufspannebene erweisen sich als
nichtlinear und werden als Folge linearer Gleichungssysteme
iterativ gelöst. Die Übertragungsfunktion ist in Bild 4.2 als
w-m-Diagramm symbolisch dargestellt.
Die Kraftgrößenregelung ist der äußere Regelkreis der Kaska-
denregelung. Das Prüfkörperverhalten, symbolisch durch das Q-
w-Diagramm beschrieben, bestimmt die Beziehung zwischen Weg-
und Kraftgrößen. Die momentane Prüfkörpersteifigkeit ist die
Tangentialebene an die Q-w-Funktion, im Diagramm als Tangente
dargestellt. Sie ist der wesentliche, experimentell zu bestim-
mende Parameter.
In strukturmechanischer Betrachtungsweise wird die momentane
Prüfkörpersteifigkeit durch die momentane Steifigkeitsmatrix
beschrieben. Durch die Linearisierung der Q-w-Beziehung stellt
sich die Kraftgrößenregelung 1) als iterativer Prozeß dar,
für den zunächst die Steifigkeitsmatrix aus den experimentell
ermittelten Zustandsgrößen der Aufspannebenen zu bestimmen ist.
si Alternativ zur beschriebenen Kraftgrößenregelung ist der globalen Reg-regelung entsprechend eine globale Kraftgrößenregelung möglich, wennparallel zur Kolbenwegregelung eine Kolbenkraftregelung angeordnet ist.Um den unterschiedlichen Charakteristiken der Reg- und KraftregelungRechnung zu tragen, sind jeweils zwei parallele Regelkreise unabding-bar. Bei einem Rechsel der Regelungsart sind die Stellgrößen y derRegelkreise abzugleichen.
4-4
4.2 EXPERIMENTELLE STEIFIGKEITSMATRIX
Für die Aufspannebenen des Prüfkörpers werden die Zustands-
größen experimentell ermittelt; es gilt die zugehörige globale
Steifigkeitsmatrix zu bestimmen.
Die Lageveränderung der Aufspannebenen (Prüfkörpers) sind in
einem globalen, ortsfesten Koordinatensystem durch Ebenenglei-
chungen bestimmt. Bild 4.3 zeigt einen Ausgangszustand (A) und
einen benachbarten Zustand (N) in ebener Darstellung. Eine
Einwirkung auf den Prüfkörper resultiert ausschließlich aus
der relativen Lage der Aufspannebenen, beschrieben in dem
lokalen, mit der unteren Aufspannebene (u) verknüpften Koordi-
natensystem. Störende Einflüsse wie Schlupf und Reibung in den
Pendelanschlüssen der Aufspannplatten sowie der Einfluß der
"Maschinensteifigkeit" sind durch die Anordnung der Meßsysteme
für Weg- und Kraftgrößen bereits eliminiert.
yn yA Y N
0
X DX
Bild 4.3. Starrkörper- und Relativverschiebung des Prüfkörpers
Die Transformationsbeziehungen zwischen den lokalen (x,y) und
globalen (x o ,y o ) Koordinaten der unteren Aufspannebene be-
schreiben die Starrkörperverschiebung des Prüfkörpers. Für die
weiteren Betrachtungen werden die Starrkörperverschiebungen
eliminiert, die Weggrößen auf die untere Aufspannebene redu-
ziert.
4-5
In der verallgemeinerten"
Kraft-Weg-Beziehung (Bild 4.4)
beschreibt der Punkt A den
Ausgangszustand und Punkt N
einen benachbarten Zustand.
Aus der Differenz der Zu-
standsgrößen bestimmt sich die
Sekantensteifigkeit k des
k _ aQ Prüfkörpers.
Aw
Bild 4.4. Tangentensteifigkeit
Erweist sich der reale Steifigkeitsverlauf zwischen den be-
nachbarten Zuständen als parabolisch, entspricht die Sekanten-
steifigkeit der Tangentensteifigkeit im Punkte M. Bei aus-
reichend kleiner inkrementeller Zustandsgrößenänderung ist der
Unterschied zwischen Sekanten- und Tangentensteifigkeit ver-
nachlässigbar.
Eine eindeutige Bestimmung der Koeffizienten der Steifig-
keitsmatrix aus den Zustandgrößen zweier benachbarter Zustände
ist nur möglich, wenn der Prüfkörper unabhängig von seiner
realen Gestalt durch ein Ersatzmodell substituiert wird.
Denkbar wäre, einen stabartigen Prüfkörper mit dem
Ersatzmodell schubsteifer Balken zu beschreiben. Aus der
Zustandsgrößendifferenz zweier benachbarter Zustände kann
unmittelbar die zugehörige Steifigkeitsmatrix bestimmt werden.
" Die verallgemeinerte Kraft-Heg-Beziehung ist eine abstrakte, ebeneDarstellung der Kraft-Reggrößenbeziehung im zwölfdimensionalen Raum mitden orthogonalen Richtungen der sechs Kraft- und Weggrößen.
AG
4-6
Jedes Ersatzmodell ist jedoch mit dem Manko einer charakter-
istischen Tragwirkung behaftet und daher für die Ermittlung
der experimentellen Steifigkeitsmatrix des allgemeinen Falles
ungeeignet. Beim schubsteifen Balken sind z.B. bei Anwendung
der Theorie I. Ordnung die Dehn-, Biege- und Torsionszustands-
größen entkoppelt; die entsprechenden Koeffizienten in der
Steifigkeitsmatrix sind gleich Null. Mit dem Auftreten von
plastischen Bereichen ist diese Entkopplung nicht gegeben. Das
durch das Ersatzmodell beschriebene Tragverhalten weicht zu-
nehmend vom realen ab.
Erweist sich das Tragverhalten des Prüfkörpers als elastisch,
können die Koeffizienten der Steifigkeitsmatrix aus linear
unabhängigen Zuständen bestimmt werden. Sukzessives Einprägen
von sechs linear unabhängigen Weggrößen w j und der experi-
mentellen Bestimmung der resultierenden Kraftgrößenänderung
Q j gegenüber dem Ausgangszustand führt auf ein lineares
Gleichungssystem für die Koeffizienten k ji der Steifigkeits-
matrix.
ki^•AWi^ = AQiJ
In den Matrizen w ij und sind die Zustandsgrößenänderun-
gen für die Zustände spaltenweise angeschrieben. Die Symme-
trieeigenschaft der experimentell bestimmten Steifigkeitsma-
trix gibt Aufschluß über die Qualität der Messung.
Ist das Tragverhalten des Prüfkörpers inelastisch, führt die
Reihenfolge, in der die linear unabhängigen Weggrößen w ij dem
Prüfkörper eingeprägt werden, zu unterschiedlichen, unsymme-
trischen Steifigkeitsmatrizen.
In Hinblick auf die Kraftgrößenregelung ist die Steifigkeits-
matrix im regeltechnischen Sinne eine übertragungsfunktion,
die beschreibt, in welcher Weise die Differenz zwischen Soll-
und Istwerten der Kraftgrößen durch Einprägen von Weggrößen
auszugleichen ist. Eine "exakte" Steifigkeitsmatrix zu ermit-
(4.1)
4-7
teln erübrigt sich, zumal diese lediglich die Kraft-Weg-Be-
ziehung zwischen dem vorangegangenen und dem erreichten Zu-
stand genau erfaßt, die Extrapolation jedoch führt nur für den
Sonderfall des linearen Prüfkörperverhalten unmittelbar zum
gesuchten Kraftgrößenzustand. Deshalb wird die experimentelle
Steifigkeitsmatrix aus den jeweils sechs letzten linear unab-
hängigen Weggrößen und den zugehörigen Kraftgrößen ermittelt.
4.2.1 Erste experimentelle Steifigkeitsmatrix (Versuchsbeginn)
Nach dem Einspannen des Prüfkörpers werden diesem sechs linear
unabhängige Weggrößenzustände durch entsprechende relative
Lageveränderungen der Aufspannebenen eingeprägt. Mit den zuge-
hörigen Kraftgrößen bestimmen sich die Koeffizienten der
Systemmatrix für den Prüfkörper nach (4.1); die Systemmatrix
k ij s wird symmetrisiert.
koo = k^ = 0,5(4 ¢ kj; ) (4.2)
Aus der Systemmatrix ergibt sich die Steifigkeitsmatrix des
Prüfkörpers. Die Systemmatrix ist identisch mit der Unterma-
trix k oo der Prüfkörpersteifigkeitsmatrix, wenn ein beliebi-
ger, relativer Verschiebungszustand w o im lokalen Koordinaten-
system der unteren Aufspannebene beschrieben wird. Die kinema-
tischen Randbedingungen für die untere Aufspannebene sind
gleich Null. Der Matrizenausdruck (4.3) kennzeichnet den
Gleichgewichtszustand.
kuu kuo
•
0 0u
(4.3)T
kuo koo Wo Qo
Über Gleichgewichtsbedingungen, beschrieben durch die Matrix C
(4.4), ergibt sich die Steifigkeitsmatrix k (4.5) aus der
Systemmatrix koo.
_t
C
4-8
(4.4)
(4.5)k=cT•koa•c
4.2.2 Momentane experimentelle Steifigkeitsmatrix
Die linear unabhängigen Zustände w ij und g ij , aus denen sich
die Steifigkeitsmatrix des betrachteten Ausgangszustandes
bestimmt, bleiben programmintern erhalten. Während des Ver-
suchsablaufes werden die Zustandsgrößenänderungen w j und gj,
bezogen auf den jeweiligen Ausgangszustand ermittelt.
Ist der aktuelle Vektor der Weggrößenänderung w j ein Viel-
faches einer Spalte j der Matrix w ij , wird diese durch den
Vektor ersetzt; entsprechend ersetzt der Vektor der Kraft-
größenänderung Q j die Spalte j in der Matrix Q i ansonsten
jeweils die älteste Spalte. Aus den ständig aktualisierten
Matrizen bestimmt sich die experimentelle Steifigkeitsmatrix
nach Gleichung (4.1).
Eine vorherige Orthogonalisierung der Zustandsgrößen nach dem
Verfahren von Lopetegui /12/ erweist sich als günstig. Zwei
Zustände sind orthogonal, wenn gilt:
Q;•wA = QA • w^ = 0
Ausgehend vom aktuellen Zustand werden die übrigen fünf Zu-
stände von den Komponenten des aktuellen Zustandes (A) be-
reinigt; der betrachtete Zustand j ist die Vektorsumme.
(4.6)
4-9
IIOA1w^ IiwA l0AQ^=a) +Q1 ; wi wi +w i
Q. = XA ' QA + Qj wA ; w) = yA WA + ‘Iv-1
Aus der Orthogonalitätsbedingung folgt:
Qn w" • wA = 0 ; w ^ °" • QA =0 0
Q . wj •QAXA = . YA =
QA • .VA =A • ^A
Für lineares Tragverhalten gilt nach dem Satz von Betti
xA = YA
für nichtlineares Tragverhalten ist
xA # YA .
(4.7a)
(4.7b)
(4.8a)
(4.8b)
4.9a)
(4.9b)
Nachdem die vorangegangenen Zustände von den Komponenten des
aktuellen Zustandes bereinigt sind, wird der zweitälteste
Zustand zum a-ktuellen Zustand erhoben, und die verbleibenden
vier Zustände werden entsprechend bereinigt.
Das aufgezeigte Verfahren wird auf die Änderungen der Zu-
standsgrößen gegenüber dem betrachteten Ausgangszustand ange-
wandt und die momentane Steifigkeitsmatrix nach 4.1 bestimmt.
Durch die experimentell bestimmte momentane Steifigkeitsmatrix
ist die Voraussetzung für die im folgenden erläuterte Kraft-
größenregelung gegeben.
4.3 KRAFTGRÖSSENREGELUNG
Die Kraftgrößenregelung erweist sich als indirekte Regelung,
da die Stellgrößen der nachgestellten Regelkreise Weggrößen
WA WG
4-10
sind. Die als Kraftgrößen formulierten Sollwerte sind in äqui-
valente Weggrößen zu transformieren.
Für einen Ausgangszustand A ist die Steifigkeit k A des Prüf-
körpers bekannt (Bild 4.5). Mit den inkrementellen Sollwerten
der Kraftgrößen AQi=SG -gA wird die relative inkrementelleLageveränderung für die Prüfkörperschnittebenen A w i unter
Zugrundelegung der Steifigkeitsmatrix k A abgeschätzt (vgl.
Bild 4.5). Der Index i kennzeichnet den Iterationsschritt.
Die so bestimmten Weggrößen A w 1 sind die Sollwertinkremente
des untergeordneten Regelkreises der globalen Wegregelung, die
die Aufspannebenen im Raum positioniert.
Bild 4.5. Iterationschema der
Kraftgrößenregelung
Nach Abschluß der Wegregelung
berechnen sich aus Meßwerten
die erreichten Kraftgrößen als
Istwerte des Kraftregel-
kreises. Die Kraftgrößendiffe-
renz zwischen Soll- und Ist-
werten A(3i+1 führt nach Multi-plikation mit der Steifig-
keitsmatrix k A des Ausgangszu-
standes zu neuen Weggrößen-
inkrementen A Wi+1'
Die Regelaktivitäten und damit die Korrekturzyklen sind abge-
schlossen, wenn die Regeldifferenz eine vorgegebene Schranke
unterschreitet. Bei entsprechend kleinen Sollwertinkrementen
erübrigen sich die Korrekturzyklen (direkte inkrementelle
Regelung).
Während der Korrekturzyklen werden die um die Uhrzeit ergänz-
kA
4-11
ten Zustandsgrößen als Meßwertkollektiv in einer Meßwertedatei
registriert, wenn eine signifikante Änderung zwischen den
Zuständen vorhanden ist.
Erweist sich die verallgemeinerte Kraft-Weg-Beziehung des
Prüfkörpers als überlineare Funktion (Bild 4.6), wird mit dem
oben beschriebenen Verfahren
der Zustand G nicht monoton
angenähert. Korrekturzyklen
bewirken ein Eingabeln dieses
Zustandes, und sie sind mit
Entlastungen verbunden. Ob
Entlastungen innerhalb des
Sollwertinkrementes der Kraft-
größen hingenommen werden
können, ist im Einzelfall zu
entscheiden. Die Konvergenz
ist beim Eingabeln des Zustan-WA w^ W
des G nicht gegeben.
Bild 4.6. Eingabeln
Eine Möglichkeit, den gesuchten Zustand monoton anzunähern,
ist die Iterationsdämpfung.
Die für den Ausgangszustand A
bekannte Steifigkeitsmatrix
wird mit einem Faktor f 1.0
multipliziert (Bild 4.7). In
Abhängigkeit vom Dämpfungs-
faktor f ergeben sich ver-
ringerte Weggrößeninkremente.
Ein Vorzeichenwechsel der in-
krementellen Zustandsgrößen
während der Iteration identi-
fiziert einen zu kleinen Dämp-
fungsfaktor. Der Zustand G istWAWG W dabei überfahren worden; die
Bild 4.7. Iterationsdämpfung Iteration wird abgebrochen.
4-12
Eine besondere Bedeutung erlangt die Dämpfung bei Prüfkörper-
entlastung (Bild 4.8), speziell aus einem Zustand für den die
Prüfkörpersteifigkeit gegen Null geht. Bei ungedämpfter
Steifigkeitsmatrix führen selbst kleine Inkremente für Kraft-
elastisch größensollwerte zu großen Weg-
Qt.k A
größen; der Entlastungsvorgang
Q wird dadurch unzulänglich
erfaßt.
Denkbar ist auch eine Abschät-
zung der Weggrößen bei Ent-
lastungsvorgängen mittels
einer im Zusammenhang mit der
Prüfkörperbelastung bestimmten
Steifigkeitsmatrix für elast-
isches Verhalten.
WG WA W
Bild 4.8. Iteration bei Entlastung
Da ein Dialogprogramm die Prüfmaschine steuert und über paral-
lel geschaltete alphanumerische und graphische Ausgabegeräte
der Versuch ständig überwacht wird, besteht für den Benutzer
die Möglichkeit jederzeit in den Iterationsprozeß einzugrei-
fen. Das Iterationsverfahren mit konstanter Steifigkeitsmatrix
im Einwirkungsinkrement und korrigierenden Kraftgrößen konver-
giert zuverlässig; jedoch wächst die Zahl der Korrekturzyklen
mit der Differenz zwischen aktueller und für das Einwirkungs-
inkrement zugrundegelegter Steifigkeit. Die Modifikation der
Dämpfungsfaktors f 1.0 während der Iteration verbessert die
Konvergenz. Ein Dämpfungsfaktor f = 1.0 verdichtet die Auf-
zeichnung der Meßwertkollektive.
4.3.1 Traglast des Prüfkörpers
In der verallgemeinerten Kraft -Weg-Beziehung für den Prüfkör-
4-13
per zeigt ein Vorzeichenwechsel der Tangentenneigung die Über-
schreitung eines Extremwertes an. Rechentechnisch führt dieser
Sachverhalt zu einem Wechsel in der Definitheit der Steifig-
keitsmatrix bzw. zu einer singulären Steifigkeitsmatrix. Da im
Einwirkungsinkrement das Verhältnis der Koeffizienten der
Steifigkeitsmatrix nicht verändert wird, divergiert oder stag-
niert der Iterationsprozeß und wird deshalb abgebrochen.
Bis zum Erreichen des ersten Maximums in der verallgemeinerten
Kraft-Weg-Beziehung für den Prüfkörper ist eine reine Kraftre-
gelung möglich, d. h. homogene und inhomogene in Kraftgrößen
formulierte Randbedingungen werden als Sollwerte vorgegeben.
Nach Überschreiten des Maximums ist eine eindeutige Zuordnung
der Kraft- zu den Weggrößen nicht mehr gegeben. Homogene
Kraftgrößenrandbedingungen lassen sich realisieren.
Die Fortsetzung des Experimentes im Sinne einer Nachtraglast-
untersuchung, ist nur weggeregelt bei Vorgabe entsprechender
Weggrößenbedingungen als Sollwerte möglich. Die dabei ermit-
telte experimentelle Steifigkeitsmatrix ist negativ definit.
Die Zustandsgrößenregelung mit homogenen Kraft- und inhomo-
genen Weggrößenrandbedingungen deckt das Spektrum der experi-
mentellen Untersuchungen weitgehend ab.
4.3.2 Grenzen der Kraftgrößenregelung
P
P.0
I I
I I I
Bild 4.9 Gleiten einer
GV-Verbindung
Voraussetzung für die Kaft-
größenregelung ist die Eindeu-
tigkeit in der Zuordnung der
Kraftgrößen zu den Weggrößen.
Das in Bild 4.9 dargestellte
Kraft-Weg-Diagramm für einen
mit einer GV-Verbindung ge-
stoßenen Zugstab verdeutlicht
diesen Sachverhalt. Bei kon-
stant gehaltenem Weg und nach
4-14
Überwindung der Haftreibung im Stoß, entspannt sich der
Gesamtstab. Zwischenzustände werden zwar meßtechnisch erfaßt,
können jedoch nicht geregelt werden.
4.4 SIMULATION DER PRÜFMASCHINE BEIM BAUTEILVERSUCH
Um die Funktion der Zustandsgrößenregelung zuverlässig und
umfassend auszutesten, wird die Prüfmaschine zusammen mit dem
eingespannten Prüfkörper in einem Rechner simuliert (Bild
4.10). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird hier die Kraft-
größenregelung betrachtet. Die Regelung der Druck-Zug-Zylinder
wurde in Kapitel 3 überprüft. Der nichtlineare Zusammenhang
zwischen der jeweiligen Kolbenauszugslänge und den kinema-
tischen Randbedingungen wird hier nicht betrachtet. Deshalb
wird die Übertragungsfunktion, w-w *-Diagramm in Bild 4.10,
unmittelbar linear angenommen.
Ob die Zustandsgrößen der Aufspannebenen aus Meßwerten er-
rechnet werden oder ob sie das Resultat einer Simulation
mittels Rechenmodell sind, wird vom regelnden und steuernden
Rechner nicht erkannt. Für die Überprüfung der Zustandsgrößen-
regelung ist jedoch die Kontrolle und Reproduzierbarkeit der
Istwerte als Funktion der Sollwerte unabdingbar und nur mit
einem Rechenmodell möglich. Das Rechenmodell wird in ein ent-
sprechendes Programm umgesetzt.
Mit dem Ziel ein weites Spektrum für unterschiedlichstes Prüf-
körperverhalten einfach zu simulieren, wird ein räumliches
Fachwerk als "experimentell" zu untersuchendes Bauteil ge-
wählt. Das Fachwerk ist starr mit den dehn- und biegestarren
Aufspannplatten verbunden. Jedem Stab ist eine polygonale
Arbeitslinie zugeordnet. Stabentlastungen werden berücksich-
tigt (Bild 4.12). Durch Variation der jeweiligen Stabarbeits-
linie kann das Tragverhalten einfach modifiziert werden. Im
Gegensatz zu anderen Tragwerken sind die numerischen Ergeb-
nisse leicht prüfbar.
4-15
Der Programmablauf der Simulation eines Bauteilversuches ist
in Form eines Flußdiagrammes in Bild 4.11 aufgezeigt. Das
Programm ist auf dem Experimentrechner (8-Bit-Mikrocomputer)
implementiert.
Nach dem Einlesen der Knotenkoordinaten und Arbeitslinien für
die Stäbe ("Einbau des Prüfkörpers"), verharrt das Simula-
tionsprogramm solange in einem Wartezustand, bis die durch ein
Startzeichen angekündigten Werte für die relative Lageänderung
der Aufspannebenen als Sollwerte w empfangen werden.
Die Sollwerte der statischen und kinematischen Randbedingungen
werden wie beim realen Bauteilversuch (stand-alone-Betrieb der
Prüfmaschine) am Strukturrechner (16-Bit-Minicomputer) im
Dialog eingegeben.
Um bei Versuchsbeginn statische Randbedingungen einstellen zu
können, ist zunächst im Strukturrechner eine erste "experimen-
telle" Steifigkeitsmatrix aus sechs orthogonalen Zuständen zu
ermittel (vg1.4.2.1). Dazu werden dem Fachwerk sechs inkremen-
telle orthogonale Verschiebungszustände eingeprägt, die als
Sollwerte w vom Strukturrechner gesendet werden.
Im Experimentrechner ergibt sich für einen Ausgangszustand die
Stabsteifigkeit als Funktion der Stablängenänderung. Transfor-
mation der lokalen Knotenverschiebung des jeweiligen Stabes am
Stabanfang und Stabende in das globale, räumliche Koordinaten-
system und der Zusammenbau der entsprechend transformierten
Steifigkeitsmatrizen führt auf die Gesamtsteifigkeitsmatrix.
Da nur die relative Lageveränderung der Aufspannebenen zu
betrachten ist, ergibt sich mit den kinematischen Randbe-
dingungen für die mit der unteren Aufspannebene verbundenen
Knoten ein lineares, homogenes Gleichungssystem.
Hinsichtlich der unbekannten Knotenverschiebung u bietet sich
eine Unterscheidung zwischen Innenknoten (I) und den mit den
Aufspannebenen verknüpften Randknoten (R) an. Damit lautet das
Statische RB= (N,Q Y , M
1
^
O^1
Q- So l lwerte
f ^
Kinematische RBw=(u,v,v'l
w- Sollwerte
^ I
Prüfmaschine mit Prüfkörper
^ QI
I } Istwerte
Randknoten (UR)'
Innenknoten (UI)
Randknoten (UR)
Strukturrechner Experimentrechner
z = Zustandsgrö8eny=0,x=0
WartezustandStartzeichen
•PSchreiben der Sollwerte
Lesen der Sollwerte
Aufbau der Elementmatrizen
£z = Ez + dz • x
WeggröBensollwerte WeggröBensollwerte ja <y = 1,0>
a c w*- kexp,AGiQ *=(wS-wA)+keÄp QÄ)A'(QA
C m Aufbau und Lösen des' 'C
1-4•Gleichungssystems
wInkrementelle Zustandsgrö8en dz
^ 0c+fD 0 Linearitätsgrenze des Elementes
zGREingabe der SollwerteCD xmin = (z
GR - £z) / Az
NCOCI, 'VC S .
c+ 0 nein
kinematische R0: wS
statische RB QS
Linearitätsgrenze der Struktur
x = Minimum [xmin]
rD t0Z
.— c,< aCD a'S NN CrCC) 0,
< Q<QSchranke% ja-k
,AeXp
—nein- <Entlastung ?>
heap -(0I-QA)
x=0
Aktualisieren der
experimentellen Steifigkeitsmatrix Y = Y + xI
CfD '-h
Ungleichgewichtslasten QS -Q 1 .,NQ (w -wg) I
N (D McBwertaufzeichnung A = Ausgangszustand< 1,0> ja
N
0_(
x = 1 - (Y' x)0lA
Lesen der Istlerte wI QI
Schreiben der lstwerte
Strukturrechner Experimentrechner
0
0
Au I
Au R
-k
—RR(4.10)
4-18
Gleichungssystem in inkrementeller Formulierung
Die Teilelimination des Gleichungssystems (Kondensation der
lnnenknotenweggrößen u i ) führt zu
A U i=—kI • k'^uI IR R ,
( kRR - kRI k'i kIR, ' Au = 0
(4.11)
(4.12)
Die Verschiebungen der Randknoten u R werden durch die globalen
Weggrößen w der Translation und Rotation ersetzt. Die
Matrizensumme (Klammerausdruck in Gl. 4.12) entspricht der
globalen momentanen Steifigkeitsmatrix des Prüfkörpers, die
mit dem Vektor w der Sollwertinkremente multipliziert auf
die globalen Schnittkräfte für die Aufspannebenen führt. Die
Verschiebungen der Innenknoten bestimmen sich aus Gleichung
4.11.
Die Zustandsgrößen der Aufspannebenen werden dem Struktur-
rechner als Istwerte übermittelt. Aus den gegenüber dem Aus-
gangszustand veränderten Zustandsgrößen bestimmt sich im
Strukturrechner die momentane "experimentelle" Steifigkeits-
matrix. Differenzen zwischen den Soll- und Istwerten der
Kraftgrößen (statische Randbedingungen) werden mit der momen-
tanen Steifigkeitsmatrix des Ausgangszustandes in äquivalente
Weggrößensollwerte umgerechnet und dem Experimentrechner über-
mittelt (vg1.4.3). Korrekturzyklen approximieren die stati-
schen Randbedingungen mit der gewünschten Genauigkeit.
Der Wechsel zwischen inkrementeller Stabdehnung und Stab-
stauchung identifiziert eine Stabentlastung. Im plastischen
4-19
Bereich des Stabtragverhaltens wird die jeweilige Arbeitslinie
in Abhängigkeit der gewählten Modellvorstellung für eine Stab-
entlastung entsprechend modifiziert und der Rechenschritt mit
veränderter Stab- und Gesamtsteifigkeitsmatrix wiederholt.
Bild 4.12. Exemplarische Stabarbeitslinie
Aus dem polygonalen Verlauf der Arbeitslinien für die Stäbe
folgt, daß die Beziehungen zwischen Kraft- und Weggrößen des
Fachwerkes abschnittsweise linear sind. Die Grenze des jewei-
ligen linearen Abschnittes wird bestimmt und die dazugehörige
Stablängenänderung und Stabkraft gespeichert. Mit veränderter
Gesamtsteifigkeit wird die Rechnung solange wiederholt, bis
der Sollwert w für die relative Lageveränderung der Aufspann-
ebenen erreicht ist (y=1.0 vgl. Bild 4.11). Die "Regelaktivi-
tät" ist abgeschlossen, die Istwerte der Zustandsgrößen werden
zum Strukturrechner gesendet.
Mit der Zustandgrößenregelung in Verbindung mit der Prüf-
maschine der kommunizierenden Versuchstechnik sind nunmehr die
Voraussetzungen geschaffen, bei experimentellen Untersuchungen
inhomogene Kraft-, Weg- und gemischte Randbedingungen zu be-
rücksichtigen. Einwirkungen, die aus der Integration des Prüf-
körpers in der Struktur resultieren, können experimentell
durch die Formulierung der entsprechenden Randbedingungen dem
Prüfkörper eingeprägt werden. Dazu ist es notwendig, das Trag-
verhalten der umgebenden Struktur zu erfassen.
5-1
FEM- PROGRAMMSYSTEM FUR MINICOMPUTER
Im Rahmen der kommunizierenden Versuchstechnik ist das Trag-
verhalten der Struktur, die das experimentell zu untersuchende
Bauteil enthält, durch ein Rechnenmodell zu beschreiben. Es
soll das geometrisch und werkstofflich nichtlineare Tragver-
halten vielfältiger Strukturen erfaßt werden.
5.1 METHODE DER FINITEN ELEMENTE
Das im Zusammenhang mit Computern gebräuchlichste Rechenmodell
basiert auf der Methode der Finiten Elemente (FEM). Das Kon-
zept und die mathematischen Zusammenhänge sind in einer Viel-
zahl von Publikationen und Lehrbüchern aufbereitet. Es besteht
im wesentlichen darin, die zu beschreibende Struktur in Ele-
mente einzuteilen, die Elementeigenschaften und -zustands-
größen durch geeignete Funktionen zu approximieren und die
Funktionswerte in den Verknüpfungspunkten (Freiwerte) als
Unbekannte mit sinnvoller Bedeutung zu behandeln. Das Ein-
setzen der Funktionen in die Grundgleichungen der Kontinuums-
mechanik,
- Gleichgewicht,
- Kinematik,
- statische Randbedingungen,
- kinematische Randbedingungen unter Einbeziehung des
- Werkstoffverhaltens,
in der Formulierung als Arbeitsprinzip, führt auf ein algebra-
isches Gleichungssystem für die Unbekannten.
Die Formulierung der Gleichgewichts- und Verträglichkeitsbe-
dingung als Prinzip der virtuellen Verrückungen oder als Prin-
zip der virtuellen Kräfte liefert zwei gleichwertige Varia-
tionsfunktionale, die jeweils die Grundgleichungen in Form von
Eulerschen Gleichungen beinhalten. Harbord /13/ leitet aus
5-2
diesen Varitionsfunktionalen hybride Elementmodelle ab, die
die konventionellen Weg- und Kraftgrößenverfahren und die
gemischte Darstellung als Sonderfälle der Anwendung beinhal-
ten. In Bild 5.1 sind die wesentlichen Merkmale der hier
interessierenden konventionellen Verfahren zusammengestellt.
Auf eine Herleitung wird verzichtet, da die Anwendung von FEM
als Stand der Wissenschaft anzusehen ist.
METHODE UNBEKANNTE BESTIMMUNGS-
GLEICHUNGEN
ENTHALTEN
ZU ERFÜLLEN-
DE BEDENKE-
DINGUNGEN
ARBEITSPRINZIP GLEICHUNGS-
SYSTEM
DEFINIT
SEKUNDÄRE
ZUSTANDS-
GRÖSSEN AUS
NACHLAUF-
RECHNUNGEN
WEG-
GROSSEN
Weggrößen Gleichgewicht,
Kraftrandbe-
dingungen
Kinematik
Kinematische
Randbedingung
Minimum der
potentiellen
Energie
positiv Kraft-
größen
KRAFT-
GRÖSSEN
Kraftgrößen Kinematik,
Wegrandbe-
dinyungen
Gleichgewicht,
statische
Randbedingung
Maximum der
konjungierten
potentiellen
Energie
negativ Weggrößen
GEMISCHTE
GRÖSSEN
Weggrößen,
Kraftgrößen
Gleichgewicht,
Kinematik, Weg-
randbedingungen,
Kraftrandbedin-
gungen
Extremale
der Energie
semi Reduzierte
Größen
Bild 5.1. FEM-Verfahrensmerkmale
Für den Bereich der linearen statischen Berechnung stehen
ausreichend Programmsysteme an zentralen Großrechnern zur
Verfügung, für Kleinrechner gilt dies, abgesehen von Stab-
werksprogrammen, nur bedingt.
Die wirklichkeitsnahe Beschreibung des Tragverhaltens einer
Konstruktion erfordert häufig die Berücksichtigung von nicht-
linearen Beziehungen zwischen den Aktions- und Reaktions-
größen, sowie zwischen Zustandsgrößen.
Im Rahmen der FEM erfolgt die Beschreibung dieser Beziehung
durch "nichtlineare Theorien", wie z. B.
5-3
- geometrische Nichtlinearität im Zusammenhang mit Stabili-
tätsuntersuchungen,
- nichtlineares Werkstoffverhalten und
- struktureIle Nichtlinearitäten, die sich z.B. aus dem
Schließen vorhandener Klaffungen zwischen einzelnen Elemen-
ten ergeben.
In den allgemein zugänglichen Programmsystemen ist lediglich
geometrisch nichtlineares Tragverhalten weitgehend realisiert;
hinsichtlich der übrigen Nichtlinearitäten existieren Pro-
grammodule für einige Sonderfälle.
Abgesehen von der Tatsache, daß die vollständige Implemen-
tation der vorhandenen, im allg. für Großrechenanlagen konzi-
pierten FEM-Programmsysteme am Minicomputer an deren Umfang
scheitert, bedarf es speziell im wissenschaftlichen und expe-
rimentellen Bereich des konstruktiven Ingenieurbaus zur Ent-
wicklung von Rechenmodellen auf FEM-Basis einer höheren Flexi-
blität hinsichtlich des Verfahrens und der Elementtypen.
5.2 RECHNERSPEZIFISCHE VORAUSSETZUNGEN
Charakteristisch für Rechenmodelle nach FEM sind umfangreiche
Programme und der extrem hohe, zur Strukturbeschreibung not-
wendige Datenaufwand; demgegenüber steht der kleine adressier-
bare Kernspeicher (64 K BYTE) der hier zur Verfügung stehenden
16-BIT-Minicomputer (DATA GENERAL NOVA 3D und ECLIPSE),in Ver-
bindung mit Festplatten (2 5 M-BYTE bzw. 100 M-BYTE), in dem
das FEM-Programm und die zur Berechnung notwendigen Daten
anzusiedeln sind. Einschränkend kommt hinzu, daß Großrechner
über größere Wortlängen zur Zahlendarstellung verfügen, so daß
zur Erzielung qualitativ gleichwertiger numerischer Ergebnis-
se, speziell im Hinblick auf die Lösung großer Gleichungssys-
teme, die Daten doppelt genau darzustellen sind.
5-4
5.3 ANFORDERUNGEN AN DAS FEM-PROGRAMM
Die Basis der Rechenmodelle ist die FEM, beschränkt auf stati-
sche Probleme unter Verwendung von Weggrößenmodellen und ge-
mischten Verfahren. Die Elemente selbst unterliegenen keinen
weiteren Einschränkungen.
Es besteht die Notwendigkeit, sowohl lineare als auch nicht-
lineare Rechenmodelle mit dem zu entwickelnden Programm zu
bearbeiten. Hinsichtlich der Rechentechnik sind unterschied-
liche Iterationsmethoden zu ermöglichen. Angesichts der
rechenzeitintensiven Bearbeitung sollte das Programm RESTART-
Eigenschaften besitzen.
Selbstverständlich sind bei der Entwicklung eines entsprechen-
den Programmes die allgemein gültigen Regeln, wie modularer
Aufbau, kurze Übergangsinformationen zwischen den Modulen,
deren Zusammenfassung zu Unterprogrammen und ausführliche
Programmdokumentation zu beachten.
5.4 KONZEPT DES PROGRAMMSYSTEMS
Das Programmsystem ist in der Programmiersprache FORTRAN ge-
schrieben und gliedert sich aus der Sicht des Anwenders in
zwei Teile:
- Programmteile, die ingenieurmäßigen Bewertungen unterliegen,
wie die Auswahl des FEM-Verfahrens oder der Elemente zur
Idealisierung der Struktur, sind vom Anwender selbst zu
erstellen bzw. einer Bibliothek zu entnehmen und stellen so
den Anwenderteil des Programmes dar.
- Programmteile, die nur logischen Regeln unterliegen, wie
Organisation des Datenflusses zwischen Kern- und Festspei-
chern oder parallel arbeitenden Rechnern (Rechnerverbund)
zum einen, oder Aufbau und Lösung von Gleichungssystemen zum
anderen, werden als "black box" benutzt.
5-5
Dieses Konzept ermöglicht die geforderte Vielfalt möglicher
Rechenmodelle und führt zu einer sich ständig erweiternden
Bibliothek mit Unterprogrammen und einsatzbereiten, problem-
orientierten FEM-Programmen. Vor- und Nachlaufprogramme sind
Anwenderprogramme und werden ebenfalls der Programmbibliothek
zugeführt. In diesem Zusammenhang erweist sich der Einsatz von
Interpretersprachen, z. B. BASIC, als effektiv.
5.5 PROGRAMMSTRUKTUR
Das jeweilige problemorientierte FEM-Programm gliedert sich in
voneinander unabhängige und sequentiell arbeitende Programm-
teile (siehe Bild 5.2). Eingedenk des kleinen adressierbaren
Kernspeichers wird eine Einteilung in die vier folgenden Seg-
mente vorgenommen.
- Elementgenerierung (Bild 5.3)
- Systemaufbau (Bild 5.4)
- Lösen des Gleichungssystems (Bild 5.5)
- Nachlaufrechnung (Bild 5.6)
Nur das aktuell benötigte Programmsegment befindet sich im
adressierbaren Kernspeicher (OVERLAY-Technik), die übrigen
stehen auf Festspeichern oder im nichtadressierten Bereich des
Kernspeichers (Virtuelles Overlay) zum Austausch gegen das
aktuell arbeitende Segment bereit, wodurch mehr Kernspeicher-
plätze für Daten zur Verfügung stehen.
Ein geringer Anteil des für die Datenhaltung zur Verfügung
stehenden Kernspeichers ist während des Programmablaufes durch
Steuergrößen, globale Randbedingungen und globale Lastgrößen
belegt. Der überwiegende Rest, ca. 40 000 BYTE, wird durch
einen Vektor K vom Typ INTEGER beschrieben, der dem Benutzer
zur freien Verfügung steht.
5-6
5.5.1 Elementgenerierung OVERLAY 1
Der K-Vektor wird vom Benutzer individuell strukturiert, d.h.
die für die Elementbeschreibung notwendigen Matrizen werden
elementweise sequentiell, im Vektor angeordnet. Die Position
des ersten Elementes der jeweiligen Matrix im K-Vektor defi-
niert die Übergabeadresse im Unterprogrammaufruf. Im Unterpro-
gramm selbst zeigen sich die Matrizen in typengerechter Dar-
stellung.
Die für den Systemaufbau und die inkrementelle Rechnung unab-
dingbar zu speichernde Elementinformation, wie
- Steuervektor des Elementes,
- globale Numerierung der Unbekannten,
- Geometriedaten,
- Werkstoffkennwerte,
- Zustandsgrößen (summiert, inkrementell),
- Elementlasten,
- lineare und nichtlineare Elementmatrix,
- Ausgangszustände,
- etc.
sind in unmittelbarer Folge im K-Vektor angeordnet. Je Element
wird dieser Abschnitt des K-Vektors auf die Platte als ein
Satz in einer randomly, besser contiguously, organisierten
Datei l) mit einem speziellen, auf Plattenstruktur abgestimm-
ten, Unterprogramm in binärer Darstellung ausgelagert. Einle-
sen dieses K-Vektorbereiches, also eines Satzes, aktualisiert
demzufolge die entsprechenden Matrizeninhalte.
" Die Random-Datei erlaubt den direkten Zugriff. Die Datensätze haben diegleiche Länge und können in beliebiger Reihenfolge gelesen und ge-schrieben werden. Die Reihenfolge der Sätze ist ihre Satznummer,Die Contiguous-Datei ist ein Sonderfall der Random-Datei, da die lo-gischen Sätze physikalisch sequentiell auf der Platte angeordnet sind.Die Zeit für mechanische Positionierung des Schreib- und Lesekopfesgeht gegen Null, die Datentransfergeschwindigkeit ist eine Funktion derRotationsgeschwindigkeit der Platte.
5-7
5.5.2 Aufbau und Lösung des Gleichungssystems OVERLAY 2/3
Der Aufbau und die Lösung des symmetrischen Gleichungssystems
ist nur in Sonderfällen (kleine Strukturen, geringe Band-
breite) geschlossen im Kernspeicher möglich. Demzufolge wird
das Gleichungssystem abschnittweise (geblockt) aufgebaut und
eliminiert. Die Lösung selbst erfolgt nach dem verketteten
Gaußschen Algorithmus /14,15/ als Matrizenoperation. Die Koor-
dination zwischen den Blöcken des Gleichungssystems und den
auf der Platte gespeicherten Elementsätzen regelt eine im
Kernspeicher residierende Steuermatrix. Wie bereits erwähnt,
werden die Programmsegmente Strukturaufbau und Lösung des
Gleichungssystems als "black box" benutzt. Ob das Gleichungs-
system in allen Phasen der nichtlinearen Rechnung vollständig
aufgebaut und gelöst, oder ob lediglich die rechte Seite
behandelt wird, richtet sich nach dem jeweilig gewählten
Iterationsverfahren 1) .
5.5.3 Nachlaufrechnung OVERLAY 4
Der vom Anwender strukturierte Teil des K-Vektors wird ele-
mentweise in den Kernspeicher transferiert, und der Lösungs-
vektor den Elementen zugeordnet. Im Zusammenhang mit Weggrös-
senverfahren notwendige Nachlaufrechnungen, z.B. Dehnungs- und
Spannungsberechnung aus Knotenverschiebungen werden hier prob-
lems p ezifisch formuliert. Weiterhin wird bei nichtlinearen
Rechnungen die Konvergenz der Lösung überprüft.
" Der nichtlineare Zusammenhang zwischen Aktions- und Reaktionsgrößenwird üblicherweise inkrementell formuliert und innerhalb des Inkremen-tes linearisiert (Taylorentwicklung mit Abbruch nach den linearen Glie-dern). Zwangsläufig führt dieses Verfahren durch Summation und mitwachsenden Inkrementen zu wachsenden Differenzen zwischen Funktionsver-lauf und der Approximation.Innerhalb eines Inkrementes eingeschaltete iterative Korrekturzyklenermöglichen jedoch eine beliebig genaue Annäherung des wirklichen Zu-standes. Hinsichtlich der Rechentechnik ist zwischen zwei Verfahren zu
entscheiden:- Iterative Verbesserung der Systemmatrix führt zu einem veränderten
Gleichungssystem.- Iterative Verbesserung durch Ersatzlasten verändert lediglich die
rechte Seite des Gleichungssystems.
5-8
5.6 BEWERTUNG DES PROGRAMMSYSTEMS
Die Technik, dem Anwender einen individuell gestaltbaren Kern-
speicherbereich zur Verfügung zu stellen, den Datentransfer
selbst allgemeingültig zu regeln, führt zu einer hohen Flexi-
bilität des Programmsystems. Die aufgezeigte Datenverwaltung
kann als Datenoverlay betrachtet werden. Ein- und Ausblenden
der zu bearbeitenden Elemente in den Kernspeicher kommt einer
Erweiterung des Datenspeichers um das Fassungsvermögen der
Platte gleich, wobei allerdings Datentransferzeiten in Kauf zu
nehmen sind.
Abgesehen von der hohen Bearbeitungszeit,behandelt das für
Minicomputer entwickelte Programmsystem im Vergleich zur zen-
tralen Rechenanlage auf der Basis von FEM formulierte Probleme
gleichwertig. Der längeren Bearbeitungszeit steht jedoch die
unbegrenzte Verfügbarkeit des Minicomputers gegenüber, eine
unabdingbare Voraussetzung für die Anwendung im Zusammenhang
mit der kommunizierenden Versuchstechnik.
Einlesen von Programmsteuer-und globalen Strukturdaten
Adressierung des Kernspeichers
Initialisierung von I/O-Medien
Elementgenerierung OV 1 C^
Aufbau des Gleichungssystems OV 2
Lösen des Gleichungssystems OV 3
Nachlaufrechnung OV 4
<Konvergenzbedingung erfüllt ?> — nein
<Neues Einwirkungsinkrement ?>— ja
Programmende
Bild 5.2. Schematische Darstellung des Programmsystems
^ i =1,nel
Lesen von (::Element i
Element-
generierung
SchreibenvonElement i
Ausgabe /ausge-wählter I\Elemente \
5-9
Kurzbeschreibung:
Aufbau der Elementmatrizen, Elementlas-ten und Korrekturlasten (Iteration). Beierfüllten Konvergenzbedingungen Summa-tion der inkrementellen Zustandsgrößenvon ausgewählten Elemnten.
Form des Aufrufes:
CALL GEXX (K(K1),LKE,K(K1),LIN,K(K2)$ ,LGE,NGE,...)
Kopf des Unterprogrammes GEXX.FR
SUBROUTINE GEXX (KRW,LKE,INZI,LIN,GEOM$ ,LGE,NGE,...)
DIMENSION KRW(LKE), INZI(LIN),$ GEOM(NGE,LGE)
aktive Datei
S sequentielle Datei
C contigously Datei
Bild 5.3. Elementgenerierung
Lesen vonElement j
SchreibenvonBlock i
5-10
Kurzbeschreibung:
Geblocktes Gleichungssystem in den Kern-speicher transferieren. Einbau derElementgleichung n, wenn n zum Block igehört. Gleichungsnummern nga und ngesind die jeweiligen Blockgrenzen.
Form des Aufrufes:
CALL SYXX (K(N1),NQB,MBL,NGA,NGE,KBL$ ,K(K1),LKE K(K1),LIN$ ..)
Kopf des Unterprogrammes SYXX.FR
SUBROUTINE SYXX (SYMA,NQB,MBL,NGA,NGE$ KBL,KRW,LKE$ ,INZI,LN...)
DIMENSION KRW(LKE), INZI(LIN)
DOUBLE PRECISION SYMA(NQB,MBL)
Bild 5.4. Systemaufbau
aktive Datei
S sequentielle Datei
C contigously Datei
i=T,kb1
Lesen vonBlock A
j=1,1b1
Lesen vonBlock B
Dreiecks-zerlegung
SchreibenvonBlock B
SchreibenvonBlock A
5-11
aktive Datei
S sequentielle Datei
C contieously Datei
Kurzbeschreibung:
Einlesen von Block A in den Kernspei-cher. Sequentielles Einlesen und Teil-elimination der mit Block A über dieBandbreite gekoppelten kbl Folgeblöckedes Gleichungssystems. Schreiben derBlöcke.
Form des Aufrufes:
CALL EQXX (K(N1),LAV,K(N2),LST,K(N3)$ ,NQB,KBL,...)
i=kb1,1
Kopf des Unterprogrammes EQXX.FR
SUBROUTINE EQXX (A,LAV,IST,LST,B,NQB$ ,KBL,...)
Lesen vonBlock A
Rückwarts-einsetzen
1 ,SchreibendesLösungs-vektors
DIMENSION IST(LST)
DOUBLE PRECISION A(LAV), B(LAV)
Bild 5.5. Lösung des Gleichungssystems
(1=1ne1 1
(:lesen dessungsktors
Zuordnen derLösung zurUnbekannten
5-12
Kurzbeschreibung:
Elementweise den geblockten Lösungsvek-tor zuordnen. Bestimmung sekundärer Zu-standsgrößen durch Nachlaufrechnung.Maximale Veränderung QMA der Zustands-größen zwischen aktuellem und vorange-gangenem Iterationszyklus feststellen.
Form des Aufrufes:
CALL LOXX (K(K1),LKE,K(K1),LIN,K(K2)$ ,LGE,NGE K (N1),NQB$ ,NGA,NGE,KBL ..... QMA)
Kopf des Unterprogrammes LOXX.FR
SUBROUTINE LOXX (KRW,LKE,INZI,LIN,GEOM$ ,LGE,NGE, ,RESE$ ,NNQMBB,NGA,NGE,KBL, $
DIMENSION KRW(LKE), INZI(LIN),$ GEOM(NGE,LGE)
DOUBLE PRECISION RESE(NQB)
pm aktive Datei
S sequentielle Datei
C contigously Datei
Bild 5.6. Nachlaufrechnung
6-1
6 ANWENDUNG DES FEM- PROGRAMMSYSTEMS
Die nachfolgenden Beispiele demonstrieren die Anwendung von
problemorientierten FEM-Programmen. Hierbei handelt es sich um
exemplarische und keineswegs um parametrische Untersuchungen.
Vielmehr soll verdeutlicht werden, daß mit den zur Verfügung
stehenden Minicomputern anspruchsvolle FEM-Programme bearbei-
tet werden können.
Im ersten Beispiel wird mit "analytischen" Elementen das Trag-
verhalten eines biegebeanspruchten Einfeldträgers unter
Berücksichtigung von geometrisch und werkstofflich nicht-
linearem Verhalten simuliert. Das eingesetzte Rechenmodell,
das dem erstellten Programm zugrundeliegt, ist von Kröplin
/16/ entwickelt worden. Die mit dem Programm erzielten numer-
ischen Ergebnisse werden einem am Institut für Stahlbau der TU
Braunschweig durchgeführten Versuch /17,18/ gegenübergestellt.
Im zweiten Beispiel wird mit "experimentellen" Elementen das
Tragverhalten einer Verbundstütze simuliert. Die experimentel-
len Steifigkeitsmatrizen dieser Elemente wurden im Rahmen
eigener Versuche ermittelt. Experiment und Rechnung wurden
zeitlich versetzt durchgeführt.
Für beide Beispiele werden die Problematik, der Versuch und
das Rechenmodell soweit erforderlich beschrieben und ausge-
wählte numerische Ergebnisse dargestellt .
6.1 TRAGLASTUNTERSUCHUNGEN AN GESCHWEISSTEN, UNVERSTEIFTEN
TRÄGERN UNTER BEANSPRUCHUNG DURCH EINE EINZELLAST
6.1.1 Problematik
Um zu konstruktiv einfachen und wirtschaftlich günstigen Kon-
struktionen zu gelangen, besteht der Wunsch, weitgehend auf
querschnittsaussteifende Elemente zu verzichten; hier z.B.
6-2
Verzicht auf Steifen zur Lasteinleitung bei konzentriert an-
greifenden Kräften.
Ein durch eine Einzellast mit endlicher Aufstandsbreite bean-
spruchter Träger versagt durch
- Ausbildung einer plastischen Zone (Fließgelenk),
- lokales Beulen des Steges unmittelbar unterhalb der Last
(Stegkrüppeln) oder
- globales Beulen des Stegbleches, insbesondere bei schlanken
Stegen.
Speziell im Hinblick auf die zuletzt angeführte Versagensart,
deren Betrachtung bislang auf der Grundlage der linearen Beul-
theorie und unter Annahme einer vereinfachten Interaktionsbe-
ziehung /22/ behandelt wird, wurden am Institut für Stahlbau
der Technischen Universität Braunschweig experimentelle Unter-
suchungen durchgeführt. Der im folgenden skizzierte Versuch
und die Ergebnisse sind ausführlich in den Versuchsberichten
/17/ und /18/ dokumentiert.
6.1.2 Traglastversuch
Der Versuchskörper ist der auswechselbare, mittlere Bereich
eines Einfeldträgers (Bild 6.1). Eine kontinuierliche Stützung
des Obergurtes verhindert das Kippen des Trägers.
Ein parallel zur Stegfläche vertikal und horizontal frei be-
weglicher Potentiometeraufnehmer registriert die Verformungen
senkrecht zur Stegfläche. Die Positionierung erfolgt durch
elektromotorischen Antrieb. Eine Meßanlage erfaßt die Meßwerte
und vermittelt diese dem Minicomputer. Im unbelasteten Zustand
werden so die herstellungsbedingten, geometrischen Imperfek-
tionen aufgenommen. Die Belastung wird in Laststufen aufge-
bracht; Kräfte und Verformungen gemessen.
PP1 I
_ Lasteinleitungstravers
ra7
L11x 1 p00 = 11000
II
^ Kraft mctirirg-
AnschlufNrQggr
Auf Lagerung
12
lbg'gmgst i
•
Versuchsträger
2000-kN -Pressen A flagerbank
6-3
Versuchsträgerlänge
Bild 6.1. Versuchsaufbau
6.1.3 Rechenmodell
Gemischte Elemente approximieren unabhängig voneinander die
Gleichgewichts- und Kompatibilitätsbedingungen (Variations-
prinzip nach Heillinger/Reissner). Unbekannte Knotengrößen
sind Weg- und Kraftgrößen.
Das hier vorgestellte gemischte Scheiben-Platten-Element ist
der Sonderfall eines von Harbord für geometrisch, nichtlineare
Berechnung von Schalen entwickelten Viereckelementes
/19/,/20/. Nichtlineares Werkstoffverhalten beschreibt eine
von Ilyushin für den ideal plastischen Werkstoff formulierte,
integrale Fließbedingung, die nach Eggers und Kröplin /21/ in
Form einer Nebenbedingung im Funktional berücksichtigt wird.
Die Berücksichtigung von geometrischer und werkstofflicher
Nichtlinearität in einem Rechenmodell für ausgesteifte Blech-
felder zeigt Kröplin /16/. Weiterentwicklungen sind bei Vayas
/23/ und Dinkler /24/ zu finden. Die erstgenannte Arbeit
liegt den weiteren Betrachtungen zugrunde.
-"(0Jti+ti <10,
n27^► //R^ 22
^m11^—►
nsage-n 11n 1 2 m 12
11'S UB
6-4
Die Arbeitsgleichung wird inkrementell formuliert.
baA = /bazT AazdV - f boz T OpdF = 0V F -
Die Koeffizienten der Matrix A sind bezüglich der betrachteten
Ausgangslage bekannte Größen. Damit führt die Diskretisierung
der Arbeitsgleichung auf ein lineares, algebraisches Glei-
chungssystem für die inkrementellen Zustandsgrößen (Definition
vgl. Bild 6.2).
aZ = a{U i ,nap ,m ap ,%} (6.2) Zustandsgrößeninkremente
U^ _ { u 1 , u 2 , u 3 } (6.2a) Knotenverschiebung
nap = { n it n22 n 33 }(6.2b) Normalkräfte
map = { m11
m22
(6.1)
, m33 } (6.2c) Biegemomente
A
ap = a{p',0,0}
p = {1512P3}
(6.2d) Plastizitätsfaktor
(6.3) konservative Lastinkremente
(6.3a)
Bild 6.2. Definitionen
6-5
Die Untermatrizen von A beschreiben das linear-elastische,
geometrisch nichtlineare und physikalisch nichtlineare
Verhalten.
AT =
B+SA 0 DT+VA 0
0 0 0 0
D +VA 0 —F —PAT
0 0 —PA 0 (6.4)
Die lineare Theorie ist durch die folgenden Untermatrizen
beschrieben:
C 11 C 12 C13
C 21 C 22 C23
C 31 C 32 C33(6.5)
Die Bettungsmatrix B ist bei entkoppelten Federn nur auf der
Hauptdiagonalen besetzt.
a1 o 0
o a 2 0a 2 a 1 0o o 1aa1o 0 2aa2
0 0+2aa, (6.6)
Die Matrix D ist die Operationsmatrix der Membran- und Biege-
theorie für ebene Flächentragwerke
F11 F12
F 21 F22(6.7)
Die Nachgiebigkeitsmatrix F beschreibt für einen isotropen
Werkstoff die elastischen Eigenschaften des Tragwerkes, mit
1 88 11881
1881
2 aa 22882
2 aa 21 88 2
+882"1
1002+2801
1 88 2+2 88 1
S A = G 'N q , ( 6.10)
(6.11)UT. G= UA'G •
(6.12)
G
6-6
der Dehnnachgiebigkeit Dijkl
0 1111 D 1122 D 1111 =1/E•t
02222 D 1122 = - µ•D1111
01212 F11 D 1212 =2 (1 +p.) ° D1111
(6.8)
und der Biegenachgiebigkeit Bijkl.
B1111 B1122
B 1111 =12/E•t3
822228 1122 = - µ'B1111
B1212 F22 B1212 =
2 (1 + ft ) • B 1 1 1 1(6.9)
Die Berücksichtigung von orthotropem Materialverhalten oder
großer Verformungen (geometrische Nichtlinearität) im Rechen-
modell bewirkt eine Kopplung der Membran- und Biegewirkung in
der Nachgiebigkeitsmatrix F, d. h. Elemente der Untermatrizen
F 12 =F 21 T sind ungleich Null. Das geometrisch nichtlineare Ver-
halten beschreiben die Ausgangsspannungsmatrix S A und die Aus-
gangsverschiebungsmatrix V A , ausgedrückt als Matrizenprodukt:
Die Operatorenmatrix G erfaßt nur nichtlineare Dehnungsterme,
da bei dünnwandigen Flächentragwerken und großen Verformungen
die Biegemomente für die Beschreibung des Tragverhaltens von
sekundärer Bedeutung sind. Die Last wird über Membrankräfte
abgetragen. Diese Vereinfachung reduziert den numerischen
Aufwand.
mit
Y = Y(s aß ,$) = N + 0,5M + 0,5V4MN + M - 5 2 = 0 (6.15)
(6.15a)
(6.15b)
(6.15c)
N = nap. I•nPxaPpX ,
N = 4.n a P. I mP^
t aPpX
M = 1 6,m a P.I .mpX
t2 appX
6-7
u1
U2
U3
U1
Die Matrix DA beschreibt den Ver-
schiebungszustand der Ausgangslage.
uA(6.13)
u 2
U3
U1
U2
U3
n 11
n1t
n1tn22
In der Matrix N A sind die Normalkräf-
te des Ausgangszustandes erfaßt.
(6.14)NA
n22
n22
n12
n12
n 12
Die physikalische Nichtlinearität (Plastizität) wird in Form
einer Nebenbedingung berücksichtigt. Für ein linear elasti-
sches, ideal plastisches Werkstoffverhalten lautet die inte-
grale Fließbedingung
taPPa =
Spannungsveränderungen von plastischen Punkten einer Struktur
verlaufen auf der Oberfläche des Fließkörpers, d.h. sie müssen
die Konsistenzbedingung erfüllen, die sich aus der Bildung des
Differentials der Den Verlauftotalen Fließbedingung ergibt.
der plastischen Dehnungen beschreibt die Fließregel
dY - as«P
dsap as 'ds = 0
mit d Y= Päp •d aps - d s= 0,
(6.16)
(6.16a)
A _ 1
(6.16b)
dsaP = d map /
PaP - 2 Q F t { fu, Nap )^
ap
(6.16c)
a Y - 2 1 npa + 8 _ M N _ japP^.mPa(6.16d)vap
a naP aPPX t V 4( M N )z + ( M
8Y _ 8 M N 1 nm«p
pap = ^Na a t ^4(MN) Z + (M)1 a PP
(6.16f)
(6.15d) und S = ci t . (6.15e)
6-8
Die Fließbedingung beschreibt einen konvexen Körper im Span-
nungsraum. Spannungszustände innerhalb des Fließkörpers sind
elastisch (Y < 0), plastische Spannungszustände liegen auf
seiner Oberfläche (Y=0), Spannungszustände (Y=.-0) sind unzu-
lässig. Die Berücksichtigung von teilplastischen Zuständen in
der integralen Formulierung ist /21/ zu entnehmen.
t6( M ) Pa .+ 1 + 4(N)
2 + (z IapPam
0g En<k Q
6-9
Die elastische Arbeitsgleichung wird nach der Methode der
Langrangeschen Multiplikatoren durch die Konsistenzbedingung
eingeschränkt, d.h. für plastische Punkte wird die Plastizi-
tätsmatrix P A aufgebaut.
2A A
PA =A
V11 V 1A2 NA µ22 µ12 (6.17)
Der Langrangesche Multiplikator X ist eine Unbekannte im
Zustandsvektors.
6.1.4 Diskretisierung
Die Bezugsfläche des Prüfkörpers wird in Elemente, hier Recht-
eckelemente, unterteilt und jedes Element in einem ebenen,
rechtwinkligen und auf die Seitenlängen normierten Koordina-
tensystem beschrieben. Lineare Ansatzfunktionen (Bild 6.3)
nähern den Verlauf der Zustandsgrößen an. Die Integrationsko-
effizienten können so vorab ermittelt, z.B. mittels Gauß-
Quadratur, im Rechenprogramm als konstante Faktoren eingeführt
werden.
Bild 6.3. Ansatzfunktionen
A Z
^ ZK
op = (I)KR'11) ° OK
A
4K
K = A,B,C,D
{ A ZK,^pK.AK}
Knoten
diskrete Knotenwerte (6.18)
CMN — ^ / M K CDN d F AK = CNMK Fmit (6.19a)
oq M =[/^M^KdF1opKF (6.19b)
6-10
Einsetzen der Ansatzfunktion in die Arbeitsgleichung führt zu
6o AE _ EE6ozT [CMN OZ - og M 1 = 0M N
(6.19)
Die als inkrementelle Nebenbedingung eingeführte Plastizität
wird knotenweise erfüllt. Eine Ansatzfunktion für den Knoten-
freiwert X entfällt.
6.1.5 Programmanwendung
Das entwickelte Programm wurde anhand der bei Kröplin /16/ und
Harbord /19/ angegebenen Testbeispiele überprüft. Die Nach-
rechnung des Versuches A27 in /17/ und /18/ zeigt die Anwen-
dung des Programmes.
Die Stegfläche des Prüfkörpers wird in Rechtecke unterteilt,
wobei im Bereich des gedrückten Obergurtes und unterhalb der
lokalen Lasteinleitung eine feinere Teilung gewählt wird.
Das globale Tragverhalten des Prüfkörpers wird wesentlich
durch die Dehnsteifigkeit der Gurte bestimmt. Der Gurtbiege-
steifigkeit kommt nur lokal im Bereich der am Obergurt an-
greifenden Einzellast Bedeutung hinsichtlich der Lastvertei-
lung zu. Dehnfedern beschreiben die Tragwirkung des Unter-
gurtes und Balkenelemente (Sonderfall des Scheiben-Platten-
Elementes) die des Obergurtes. Bild 6.4 zeigt den diskreti-
sierten Prüfkörper, die angenommenen Randbedingungen und die
Belastung.
Um die geometrische Verzweigung zu diskretisieren, ist das
aufgezeigte Rechenmodell zu erweitern (vgl. /23/ und /24/)
E = 2,1105 N /mm2
3
P
ßs,Gurt = 343 N /mm 2
ßs,steg = 351 N/mm2
m12=n12 =u2 = 01 0- 10 10 _ 10
////
//// 10 20
10
299
PGurt
t•4,14 I^i / Xt
0 Scheiben- Plattenelement a
Balkenelement
ffil Federelement
A
— Experiment
Rechnung
6-12
6.1.6 Ausgewählte Ergebnisse
Bild 6.5a zeigt die Beulfläche des Steges in isometrischer
Darstellung für die Laststufe P=198 kN, die zugehörigen Span-
nungen n 11 und n 22 sind in den Bildern 6.5d und 6.5e darge-
stellt. Die elastische Bettung des Gurtes auf dem Steg ver-
deutlicht der Verlauf des Biegemomentes längs des Obergurtes.
In Bild 6.5b und 6.5c sind für zwei Laststufen die errechneten
und experimentell bestimmten Verformungen u 3 im Schnitt A-A
aufgetragen.
Bild 6.5a. Beulfläche des Steges
-U3
Bild 6.5b. Beulform im Schnitt A-A für Laststufe P=198 kN
Bild 6.5c. Beulform im Schnitt A-A für die Traglast
6-13
Bild 6.5d Spannungen n11
Bild 6.5e Spannungen n22
Bild 6.5f Biegemoment im Obergurt
6-14
Im Experiment war der gedrückte Gurt seitlich gestützt; eine
Verdrehung war nur im unmittelbaren Lasteinleitungsbereich
behindert. Bedingt durch die Einspannung des Steges in die
Gurte, deren Verdrehung im Rechenmodell nicht berücksichtigt
ist, wird die rechnerische Traglast um 15% größer als im
Experiment ermittelt. Entsprechend wird die Gegenkrümmung in
Bild 6.5c behindert; die Beulfläche ist zum Zugbereich hin
verschoben.
6.1.7 Anmerkung zur Rechentechnik
Für einen Ausgangszustand werden die linearen, die geometrisch
nichtlinearen und ggf. die physikalisch nichtlinearen Element-
steifigkeitsmatrizen zur Systemmatrix zusammengefügt und die
inkrementellen Einwirkungen als rechte Seite formuliert. Die
inkrementellen Zustandsgrößen ergeben sich als Lösung des
resultierenden Gleichungssystems.
Die Linearisierung der Arbeitsgleichung führt zu Verletzungen
des Gleichgewichts, der Verträglichkeit und der Konsistenzbe-
dingung innerhalb des betrachteten Einwirkungsinkrementes.
Diese Verletzungen werden zu Ungleichgewichtslasten zusammen-
gefaßt und iterativ in Korrekturzyklen bis zum Unterschreiten
einer vorgegebenen Schranke für die Zustandsgrößenänderungen
bei konstanter Systemmatrix als äußere Einwirkungen behandelt.
Die Berücksichtigung von Ungleichgewichtslasten vorangegan-
gener Korrekturzyklen im betrachteten Einwirkungsinkrement
dämpft die Iteration vgl. /16/. Ob die Schnittgrößen die
Fließbedingung erfüllen wird während der Iterationszyklen
nicht geprüft. Der erreichte Zustand ist Ausgangszustand für
das folgende Einwirkungsinkrement.
6-15
6.2 STüTZE IN VERBUNDBAUWEISE
6.2.1 Problematik
Die Stütze (Bild 6.6) hat einen achteckigen Querschnitt und
wird bauseits aus vier Abkantprofilen mittels Steckver-
bindung zusammengesetzt und ausbetoniert. Die Stöße der Stüt-
zenprofile sind so um 305 mm
versetzt, daß die beiden gegen-
überliegenden Seiten auf gleicher
Höhe gestoßen sind. Der Stützen-125
stoß wird ohne Bearbeitung der
Stoßflächen und ohne Verbind-NopibolSen-dübei
ungsmittel ausgeführt. Je Abkant-
profil stellen zwei Kopfbolzen-
'^ dübel den Verbund zwischen Stahl-
mant el und Betonkern her. DieBetonkern
Betonfüllung wird jeweils für
zwei errichtete Schüsse nachgezo-
segrnente gen, wobei ein Verbund zwischen
den Betonierabschnitten nicht
gewährleistet ist.
Bild 6.6. Verbundstütze
Bedingt durch das Konstruktions-
prinzip und die Herstellungs-
toleranzen der Stahlmantelsegmen-
te ist mit Klaffungen im hori-
zontalen Stoß zwischen den ein-
zelnen Stahlsegmenten und mit
bedingt tragfähigen Schichten im
Bereich des Betonkernstoßes zu
rechnen.
Die Stütze wird ausschließlich durch in den Stahlmantel einge-
leitete Kräfte auf Druck beansprucht. Konstruktive Maßnahmen
verhindern ein lokales und globales Stabilitätsversagen.
6-16
Als statisches System betrachtet, stellt die Stütze einen in
Längsrichtung und senkrecht zur Stabachse kontinuierlich ge-
stützten Stab dar. Damit erfüllt das statische System zwar die
Voraussetzung für die Anwendung einer Berechnungsmethode nach
Theorie I. Ordnung, rechtfertigt jedoch nicht eine Spannungs-
analyse an Stabquerschnitten im herkömmlichen Sinne, da die
Bernoulli-Hypothese vom Ebenbleiben der Querschnitte nicht er-
füllt wird.
6.2.2 Rechenmodell
Zur rechnerischen Untersuchung wird die Stütze wie folgt ide-
alisiert: Der Stab setzt sich aus zwei parallelen Einzelstäben
zusammen. Ein Stab ist das Ersatzsystem für den Stahlmantel,
der andere für den Betonkern. Jeder Einzelstab gliedert sich
in Stababschnitte (Elemente), die das Verhalten des Stahlman-
tels und Betonkernes zum einen und deren Stoßbereiche zum
anderen beschreiben. Entsprechend wird die Kopplung der beidenErsatzsysteme durch Dübelelemente realisiert. Die Elementlän-
gen sind so gewählt, daß längs eines Elementes die Geometrie
und die Werkstoffkennwerte konstant sind. Die Lasteinleitung
erfolgt in den Elementknoten.
Es ergeben sich die folgenden Elementtypen:
- Stahlmantelelemente
- Betonkernelemente
- Kopfbolzendübelelemente
- Stahlmantelelemente mit integriertem Kontaktstoß
— Betonkernelemente mit integriertem Betonstoß
Die mechanischen Eigenschaften der Elemente beschreiben Ar-
beitslinien. Da Arbeitslinien Zufallsfunktionen sind und es
hinsichtlich des Tragverhaltens nicht abschätzbar ist, ob eine
qualitativ "bessere" Arbeitslinie zur Traglasterhöhung führt,
gilt es zunächst, ihren Einfluß zu ermitteln. Zu diesem Zweck
werden für die Elemente jeweils eine untere und obere Grenzar-
6-17
beitslinie festgelegt und die ungünstigste Arbeitslinienkombi-
nationen ermittelt. Die Stützenhöhe ist ein weiterer, zu un-
tersuchender Parameter. Die Arbeitslinien werden auf experi-
mentellem Wege bestimmt.
Bild 6.7 zeigt exemplarisch die Idealisierung des realen Bau-
teiles über das Experiment zum Rechenmodell. Da im Rechenmo-
dell lediglich eindimensionale Federelemente eingesetzt wer-
den, ist die experimentelle Ermittlung der Arbeitslinie in
Hinblick auf die Belastungsgeschichte problemlos, da zwischen
einer Kraft- und einer Weggröße der Pfad der beiden Zustands-
größen eindeutig ist.
Bild 6.7. Übergang vom Bauteil zum Rechenmodell
6.2.3 Versuche zur Ermittlung der Elementarbeitslinien
Die Arbeitslinien für die Stahl- und Betonkernelemente werden
durch genormte Materialprüfung ermittelt und symmetrisch dazu
wird eine obere und untere Grenzarbeitslinie festgelegt.
Zur Bestimmung der Arbeitslinie für die Kopfbolzendübel werden
an Stützenabschnitten Traglastversuche (Bild 6.8) durchge-
führt, wobei die Belastung zentrisch in den Stahlmantel am
6-18
Schnitt A- AStauchung des Stahlmantels
4443 41 4,
Einzelheit A
1
j9 t^ ^^47,5 t 1 1,57,5i
17,5 17.5 •
Einzelheit BRelativverschiebung des Stahl-mantels gegenüber dem Beton -kern
15, 30
a Meflbasis Stahlmantelstauchungb Melibasis Relativverschiebung
Stahlmantel - Betonkern
Bild 6.8. Versuchsaufbau zur Ermittlung der Arbeitslinie
für die Kopfbolzenelemente
6-19
Kopf eingeleitet und vom Betonkern am Fuß des Stützenab-
schnittes abgenommen wird. Die Relativverschiebungen des
Stahlmantels gegenüber dem Betonkern werden in drei Meßquer-
schnitten in der Ebene der Dübel bestimmt. Da plastische
Verformungen in den Meßquerschnitten weitgehend auszuschließen
sind, ergeben sich aus den gemessenen Normaldehnungen des
Stahlmantels unmittelbar die zugehörigen Normalkräfte. Die
obere und untere Grenzarbeitslinie des Bereiches möglicher
Arbeitslinien ergeben sich durch Zeichnen der Einhüllenden,
die trilinear angenähert werden.
Nach dem zufälligen Zusammenbau der Abkantprofile wird die
Klaffung der Stahlprofile festgestellt, deren Form gemäß Bild
6.9 idealisiert wird; das Stoßelement besteht aus einer Fuge
und symmetrisch dazu angrenzenden Materialabschnitten. Im
unbelasteten Zustand ist die Klaffung maximal, und mit zuneh-
IIIe II UC Belastung treten an den lokalen Kontaktstellen Plasti-'^er
zierungen auf. Bei vollständiger Plastizierung der angrenzen-
den Materialabschnitte ist die Fuge geschlossen.
Im Rechenmodell wird das Stoßelement als homogen betrachtet
und durch die Einführung eines Ersatzwerkstoffes sein mecha-
nisches Verhalten in Abhängigkeit von der Größe der Klaffung
und dem angrenzenden Material beschrieben (siehe Tabelle 6.1).
Die fertigungstechnisch auftretenden Betonstöße werden ent-
sprechend idealisiert. In Bild 6.10 sind in Form von Kraft-
Weg-Diagrammen für die Elemente die hier im Rechenmodell ein-
gesetzten Arbeitslinien zusammengestellt. Entlastungen und
Elementausfälle werden berücksichtigt.
a = Werkstoff
b = Ersatzwerkstoff
Ps = Streckgrenze
p R = Rechenwert derBetonfestigkeit
Eel = elast. Grenzdehnung
w f = max. Klaffung derFuge
Ef = wf /1
Eg = Ef + Eel
E = ß/Eg
6-20
Bild 6.9. Idealisierung der Stöße
Tabelle 6.1. Obere und untere Arbeitslinie der Ersatzwerk-
stoffe für Stahlmantelelemente mit integriertem
Kontaktstoß und Betonkernelemente mit inte-
griertem Betonstoß
Eel °NfEf
E9ßu Eu
Element ßo Eo(%o1 mm (%01 (%o] (kN/cm21 [kN/cm21
24,0 480Stahlfuge 1,1429 0,5 50 - 50 33,2 664
1,05 21,0Betonierfuge 1,35 0,5 50 - 50 1.75 35,0
/
-1 ,0 1,0 üN = N/952,8I = 350ü =u/0,4
N
/
^
/ N=Nlö38,8
1
/ I =350ü =u/0,7
% I = 260/ A ü =u/0,52
ü
N
üN = N/638,8I = 260ü = u /0 ,5
-1,0
-1,0
Stahlmantelsto(i SS
Betonkernstoll BS
Kopfbolzendübel KB
Kopfbolzendübel KB(isotropes Modell)
(kinematisches Modell)
Stah l m a nte l SM Betonkern BK
6-21
Kräfte in kN Längen in mm
Bild 6.10. Kraft -Weg-Diagramme der Elemente
6-22
6.2.4 Elemententlastung und Elementausfall
Experimentell ist das Werkstoffverhalten bei Entlastung nicht
untersucht worden. Daher werden hier die folgenden Näherungs-
annahmen getroffen:
Für die Stahlmantel- und Betonkernelemente verlaufen Ent-
lastungen längs der elastischen Geraden.
Für die entsprechenden Stoßelemente ist zu berücksichten, daß
mit dem Schließen der Klaffungen im Stoßbereich plastische
Verformungen verbunden sind, eine Entlastung jedoch ent-
sprechend den Stahlmantel- oder Betonkernelementen verläuft.
Nach Abbau der Druckspannungen in den Stoßelementen vergrößert
sich die Klaffung, das jeweilige Element ist spannungsfrei.
Für die Kopfbolzendübei werden hinsichtlich der Entlastung
zwei Modellvorstellungen betrachtet: das kinematische und das
isotrope als Grenzbetrachtungen für das reale Werkstoffver-
halten.
Bei isotropem Werkstoffverhalten führt eine Materialverfesti-
gung zu einem vergrößerten elastischen Bereich, dies ent-
spricht bei mehrachsiger Beanspruchung einer affinen Auf-
weitung des Fließkörpers.
Bei kinematischem Werkstoffverhalten verschiebt sich der
Fließkörper in Abhängigkeit von den plastischen Verformungen,
seine Gestalt bleibt jedoch unverändert /26/, /27/. Beim
Durchlaufen des verfestigenden Bereiches der Arbeitslinie wird
das Verfestigungsvermögen des Werkstoffes "aufgezehrt".
Programmtechnisch wird bei einer Entlastung die Arbeitslinie
des betreffenden Elementes gemäß Bild 6.10 modifiziert. Ein
Element wird nach überschreitung der vorgegebenen Grenzdehnung
als ausgefallen betrachtet.
6-23
6.2.5 Exemplarische numerische Untersuchung des Tragverhaltens
einer Stütze unter zyklischer, quasi statischer Belastung
Die betrachtete Stütze besteht aus 14 Schüssen; die Schußlänge
entspricht der Länge eines Stahlmantelsegmentes von 0,61m.
Eine am Stützenkopf in den Stahlmantel eingeleitete Kraft
wirkt auf die Stütze ein. Die Belastung erfolgt in zyklischen
Lastwechseln (Ent- und Belastung), wobei die Krafteinprägung
als statisch anzusehen ist. Das Tragverhalten für den Schuß
11, das sich bei Zugrundelegung eines isotropen Werkstoffver-
haltens für die Kopfbolzendübel einstellt, ist in Bild 6.11,
das für kinematisches Werkstoffverhalten des Kopfbolzendübels
in Bild 6.12 in normierter Form (vgl. Bild 6.10) dargestellt.
Während sich für die Modellvorstellung isotropes Werkstoff-
verhalten, abgesehen vom Öffnen und Schließen der Fugen, ein
quasi elastisches Tragverhalten einstellt, durchlaufen die
Kopfbolzendübel bei Annahme von kinematischem Werkstoffver-
halten plastische Hysteresen. Wenn die aufsummierten pla-
stischen Dehnungen den Grenzwert nach Bild 6.10 überschreiten,
fällt der entsprechende Kopfbolzendübel aus; die auf ihn ent-
fallende Schnittkraft lagert sich um.
6.2.6 Anmerkung zur Rechentechnik
Die Arbeitslinien der einzelnen Elemente sind durch Polygon-
züge dargestellt, so daß auch das Gesamtsystem abschnittsweise
linear ist. Die nichtlineare Berechnung der Stütze setzt sich
demnach aus einer Folge linearer Berechnungen zusammen.
Es wird jeweils der Faktor für das aufgebrachte Lastinkrement
gesucht, für den sich das Gesamtsystem inkrementell linear
verhält. Die mit dem Faktor multiplizierten Zustandsgrößen
dieses Lastinkrementes werden aufsummiert, wenn innerhalb des
Lastinkrementes keine Elemententlastungen stattgefunden haben.
Die Rechnung wird mit unveränderter Gesamtsteifigkeitsmatrix
solange wiederholt, bis das Lastinkrement vollständig aufge-
x = 7,32
x =6,71m
KB
PEMil^1111
BK •^1
6-24
P/2 I P/2
x=7,32—
x =6.71 —
^^
^^
Verbundstütze
MOM
- SM^
Bild 6.11. Belastungsgeschichte der Stütze und Zustandsgrößen
in Schuß 11 bei isotropem Werkstoffverhaltens des
Kopfbolzendübels
mosimimmo
P/2
x =7,32 —
x =6.71 —
1 1I 1
P/2
E
^m
I^1111
Verbundstütze
N
BS
6-25
x =6,71m
x 7,32
-1IA
PMIMP'jr SS
,
_1 N
.n.rFA‚11
^nEfBK 11ii_ 1
Bild 6.12. Belastungsgeschichte der Stütze und Zustandsgrößen
in Schuß 11 bei kinematischem Werkstoffverhalten
des Kopfbolzendübels
6-26
nommen ist. Bei Elemententlastungen aus nichtelastischen
Bereichen der Arbeitslinie wird für das betreffende Element
die Arbeitslinie nach Abschnitt 6.2.4 modifiziert; der Rechen-
schritt ist mit der veränderten Steifigkeitsmatrix des Gesamt-
systems zu wiederholen.
Bei einem Elementausfall werden aus der umzulagernden Schnitt-
kraft des betroffenen Elementes äquivalente Ersatzlasten ge-
bildet, die als äußere Lasten auf das Gesamtsystem einwirken.
Innerhalb des Lastinkrementes werden zunächst die Ersatzlasten
wie oben beschrieben behandelt, bevor das nächste aus der
Systembelastung resultierende Inkrement bestimmt wird.
7-1
7 KOMMUNIZIERENDE VERSUCHSTECHNIK
Mit der Zustandsgrößenregelung (Kapitel 2,4) und dem FEM-
Programmsystem (Kapitel 5) sind in Verbindung mit der in
Kapitel 1 aufgezeigten Prüfmaschine wesentliche Bausteine der
kommunizierenden Versuchstechnik entwickelt.
Die Struktur einschließlich dem experimentell zu untersuchen-
den Bauteil wird gemäß dem gewählten FEM-Verfahren durch Ele-
mente diskretisiert und so immateriell mittels Rechenprogramm
im Strukturrechner simuliert. Diskretisierungsgrundlage ist im
Rahmen der kommunizierenden Versuchstechnik das Weggrößenver-
fahren.
Das Tragverhalten des experimentell zu untersuchenden Bau-
teiles wird durch die aus Zustandsgrößen bestimmte momentane
experimentelle Steifigkeitsmatrix des betrachteten Ausgangszu-
standes beschrieben.
Das Tragverhalten der das experimentell zu untersuchende Bau-
teil umgebenden Struktur beschreiben Steifigkeitsmatrizen, die
sich als Funktion
- des Werkstoffes,
- der Geometrie und
- der Zustandsgrößen des Ausgangszustandes ergeben.
Ausschließlich durch das Rechenmodell behandelte Elemente
werden im folgenden analytische (A) Elemente genannt. Entspre-
chend wird das Element, dessen Tragverhalten auf experimentel-
lem Wege ermittelt wird, experimentelles (E) Element genannt.
Betrachtet man die Summe der analytischen Elemente und das
experimentelle Element jeweils als Substruktur, so gliedert
sich jede Struktur in zwei Substrukturen.
analytischeSubstruktur A
X•P4
Bernoulli -Ebene
Erd-scheibe
experimentelle C —Substruktur G
7-2
Bild 7.1 zeigt diesen Sachverhalt für das in Kapitel 1 ange-
führte Beispiel. Die Betonkonstruktion ist die analytische und
die Rüststütze die experimentelle Substruktur. Für die
Schnittebene, oder allgm. die Schnittebenen, zwischen analy-
tischer und experimenteller Substruktur wird die Bernoulli-
-Hypothese vom Ebenbleiben der Querschnitte vorausgesetzt. Das
experimentell zu untersuchende Bauteil ist entsprechend aus
der Struktur herauszuschneiden.
9r'^"^ ^"^'Cir'^C"oo^a►^^^..Ir./^i .,i ?C^►•^a.^.. ►i^ 0
lo^^
RI leGa Id
A•Pi A PZ
^ P3
Bild 7.1. Experimentelle und analytische Substruktur
Zur Beschreibung des Tragverhaltens der Substrukturen wird die
für den allg. Fall nichtlineare Einwirkungs-Verschiebungs-Be-
ziehung, mathematisch betrachtet eine Hyperfläche, für Einwir-
kungsinkremente formuliert und linearisiert. Dies führt auf
ein lineares Gleichungssystem (7.1) für die inkrementellen
Weggrößen, das die Gleichgewichtslage der diskretisierten
Struktur kennzeichnet.
—AEk AA
—EEkEA ^ WE
16WA A^A
(7.1)
7-3
In strukturmechanischer Betrachtungsweise sind
k AA Steifigkeitsmatrix der analytischen Substruktur,
kEE Steifigkeitsmatrix der experimentellen Substruktur,
k AE Kopplungen der Substrukturen mit k EA I( AE
A W Vektoren der diskreten inkrementellen Weggrößen und
ACT Lastvektoren.
Die Auflösung des Gleichungssystems nach ow E lautet:
W E - k -1EE( A ^E - k EA (kAAkAE-Og A
)
Der inkrementelle Weggrößenvektor ow E beschreibt die inkremen-
telle Translation und Rotation der Schnittebene oder -ebenen
zwischen analytischer und experimenteller Substruktur. Die
Kompatibilitätsbedingung ist erfüllt.
Im Bild 7.2 ist schematisch der Regelprozeß der kommunizier-
enden Versuchstechnik dargestellt. Die Schnittgrößen der Ele-
mente der analytischen und experimentellen Substruktur be-
stimmen sich aus der Multiplikation der jeweiligen Element-
steifigkeitsmatrix mit den inkrementellen Weggrößen unter
Berücksichtigung der Stabendgrößen und des Ausgangszustandes.
Die Steifigkeitsmatrix des experimentell untersuchten Bau-
teiles ist dabei die momentane experimentelle Steifigkeits-
matrix des Ausgangszustandes.
(7.2)
- ''Strukturrechn2r
BAUTE I LVERSUCH
—1Eingabe der EinwirkungenEingabe der Einmirkungs-intensitAtsfaktoren E
analytische El ment-Steifig-keitsdatrizen Is Funktiondes AU59.9,ZU''.5
Sollwerte d r kinemmtischenPrüfkorperyndbedingungenzum Experimentrechner senden
- Gleichgewic t bedingung- Konsistenzb d ngung
Ongleichgewmchtslastenaus Biffe enz errechnete zuexperimen el/ ermittelten .Schnittg, Ben
Anm.: Die Transformation
kinematische RandbedingungKolbenauszugslänge istnicht dargestellt.
Aufbau und lbs mg desGleichungssystds fUvdie inkrementelen Meg-gröZen
[VM-Mremente/le Pustands-grdeen
am- nein <Konvergenzbedingung erfdllt ?).
Summation der inkrementZustandsgrimKen
FEM—STRUKTURANALYSE
Aanalytische
E
experimentelle
Substruktur
Istwerte der ZustandsgröBenf" d' P p fpebenenemmfangen
Aktualisieren der experi-mentellen Steif igkeitsmatrixAufzeichn n der limOmmerte
Experimentrechner
7-5
Für die experimentelle Substruktur werden im Einwirkungsinkre-
ment die Differenzen zwischen experimentellen und errechneten
Schnittgrößen bestimmt und zu Ungleichgewichtslasten zusammen-
gefaßt.
Für die analytische Substruktur werden bei nichtlinearem Trag-
verhalten die aus der Linearisierung der Arbeitsgleichung
resultierenden Verletzungen der Gleichgewichts- und der Kon-
sistenzbedingung zu Ungleichgewichtslasten zusammengefaßt.
Die Ungleichgewichtslasten werden der Struktur als Einwirkun-
gen eingeprägt. Korrekturzyklen approximieren iterativ unter
Berücksichtigung der Ungleichgewichtslasten den gesuchten
Zustand, der wiederum Ausgangszustand für das folgende Einwir-
kungsinkrement ist. Die Iteration wird abgebrochen, 'wenn keine
signifikanten Weggrößenänderungen im Einwirkungsinkrement zu
verzeichnen sind.
Der Belastungspfad (Lastgeschichte) für die Struktur ist ein
Nebenprodukt dieser Versuchs-Berechnungs-Methode.
Im Gegensatz zu Kapitel 4 (stand-alone-Betrieb der Prüfma-
schine) regeln bei einem kommunizierenden Versuch das Tragver-
halten der Struktur einschließlich dem experimentell zu unter-
suchenden Bauteil und die Einwirkungen auf die Struktur den
Versuchablauf (Bild 7.2).
2(129000
8-1
8 SIMULATION EINES KOMMUNIZIERENDEN VERSUCHES
Anhand eines zweifeldrigen Durchlaufträgers wird die Wirkungs-
weise der kommunizierenden Versuchstechnik aufgezeigt. Es wird
angenommen, daß für den in Bild 8.1 dargestellten Durchlauf-
träger das Tragverhalten für das linke Feld nur experimentell
zuverlässig zu ermitteln ist, da z.B in Feldmitte eine kom-
plexe Schraubverbindung angeordnet ist. Für das rechte Feld
seien die Geometrie- und Werkstoffdaten hinreichend bekannt,
so daß das Tragverhalten dieses Feldes mit einem Rechenmodell
zu erfassen ist.
_JIL_ w1 r
1500
Ä 1 w2 A
E experimentelle (materielle) Substruktur
A analytische (immaterielle) Substruktur
8.1 RECHENMODELL FUR DIE ANALYTISCHE SUBSTRUKTUR
Im Rahmen der kommunizierenden Versuchstechnik wird das Trag-
verhalten der analytischen Substruktur mittels Rechenmodell im
Strukturrechner simuliert. Zur Simulation des Tragverhaltens
des rechten Feldes wird hier ein Fasermodell eingesetzt.
Ein Fasermodell setzt voraus, daß der jeweilige Stab aus
Teilstäben zusammengesetzt ist. Für die Teilstäbe wird voraus-
gesetzt, daß die Bernoulli-Hypothese vom Ebenbleiben der Quer-
schnitte gilt. Seinem Querschnitt entsprechend setzt sich der
8-2
jeweilige Teilstab aus achsparallelen Fasern zusammen. Das
Tragverhalten der jeweiligen Faser ist durch das Spannungs-
Dehnungs-Diagramm des Werkstoffes unter Einbeziehung des
Faserquerschnittes und der Faserlänge beschrieben.
8.1.1 Annahmen
- Die Struktur besteht aus planmäßig geraden Teilstäben, deren
Querschnittsabmessungen klein gegenüber der Stablänge sind.
- Bei Verformung der Stabachse bleibt die Querschnittsform
erhalten.
- Bei Torsionsbeanspruchung werden offene dünnwandige Quer-
schnitte unterstellt, die näherungsweise durch die Profil-
mittellinie beschrieben werden.
- Örtliches Beulen und Lasteinleitung besitzen keinen Einfluß
auf das Tragverhalten des Stabes.
8.1.2 Weggrößenverfahren
Die Herleitung eines Rechenmodelles für das Fasermodell ist
bei Kindmann /28/, Heil /29/ und Bergmann /30/ ausführlich
dargestellt und wird soweit erforderlich wiedergegeben.
Die Diskretisierungsgrundlage ist das Weggrößenverfahren in
inkrementeller Formulierung (Berücksichtigung von nichtline-
arem Werkstoffverhalten). Steifigkeitsmatrizen beschreiben das
Tragverhalten der Elemente (Teilstäbe).
Nach dem Zusammenbau der Elementsteifigkeitsmatrizen und der
Lasten im globalen Koordinatensystem resultiert unter Berück-
sichtigung der geometrischen Randbedingungen das Gleichungs-
system (8.1) zur Bestimmung der inkrementellen Knotenverfor-
mungen.
Es sind:
W
g
Ik(QA)
II
k(aA+ea)
WA
8-3
I II l II (8.1)k OA1 +ea) J'A W+ k lea) WA = A g
unbekannter inkrementeller Verformungsvektor,
inkrementeller Lastvektor,
Steifigkeitsmatrix nach Theorie I. Ordnung mit den
Querschnittswerten des Ausgangszustandes,
Steifigkeitsmatrix nach Theorie II. Ordnung mit den
gesamten Spannungen,
Steifigkeitsmatrix nach Theorie II. Ordnung mit den
inkrementellen Spannungen und
Verformungsvektor des Ausgangszustandes einschließ-
lich spannungsloser Vorverformungen.
8.1.3 Steifigkeitsmatrizen für Theorie I. und II. Ordnung
Weil bei nichtlinearem Werkstoffverhalten der wirksame Quer-
schnitt, - bei linearelastischem-idealplastischem Spannungs-
Dehnungs-Diagramm der elastische Restquerschnitt -, sich stän-
dig ändert, werden die Steifigkeitsmatrizen nach Theorie I.
und II. Ordnung für eine beliebige Bezugsachse 8 als Stabachse
aufgestellt (vgl. Bild 8.2). Unter Vernachlässigung des Eigen-
trägheitsmomentes der Faser ergeben sich die Querschnittswerte
des Teilstabes bezogen auf die Stabachse B.
Die Herleitung der Steifigkeitsmatrix für Theorie I. Ordnung
k I (Q) (Bild 8.3) und Theorie II. Ordnung k II 01 (Bild 8.4) für
eine beliebige Bezugsachse B ist in /28/ ausführlich darge-
stellt. Über Gleichgewichtsbedingungen ergibt sich mit den
Gleichungen 4.4 und 4.5 aus den in den Bildern 8.3 und 8.4
A =FA; Ayy = yA;
AZZ =^ZA;nAyZ =FyzA;
Ay =yA;
AZ =^zA;n
8-4
dargestellten
keitsmatrix.
k. w =q
Untermatrizen die jeweilige Elementsteifig-
w = [u,v, v s, w,—w',-3l
q = [Fx,Fy,BZ,FZ, By B
QUERSCHNITTSWERTE:
Bild 8.2. Definitionen
8-5
A/A . 0 -AY / A 0 Az/ A 0
12A22-12-LA° AA'
-AY+6- ,A2 AA'
12A1.1-12AYAzA2 At'
6AYz. 6AYAz 0A° At'
,4AYY-3^Y: 6pYZi6AYAz 4AYZa3^f ? 00 AA ,A At A At
12A A^ 12 AA^A
06A
6 AAp
symmetrisch
4Azz-3Az 0
A At
Untermatrix koo
0.,. /A G/E
Bild 8.3. Steifigkeitsmatrix für Theorie I. Ordnung
0 0 0 0 0 0
NNa1,2 -0,1 M a 0 0 -MYb /A
2^ NxA 0 0
1/6 MY a
+5/6 Myb
symmetrisch
Untermatrix
N1,2-11 0,1 Na
-Mzb /A
koo
2
^
N A
X
-1/6Mza
5/6 Mzb
MrrA
Bild 8.4. Steifigkeitsmatrix für Theorie II, Ordnung
v =vB -z.gg -1/2Y`gg
zw = we+ Y.313 - 1/2zSB
u = uB-yvB-zwB-ywBSB+zvB^ (8.2a)
(8.2b)
(8.2c)
Nx = ^ Qxx"Ain=1, Anzahl der Fasern (8.3a)
Qy =,cc(6xy-Qxx•Z,8)Ai
QZ = nlaxZ+QxxW")Ai
Mx = (QxzYi- Qxyzi)Ai + Uxx l Zj+yZ Ai
My = F Qxx-ziAi
Mz = -Qyy YiAi
(8.3b)
(8.3c)
(8.3d)
(8.3e)
(8.3f)
8-6
8.1.4 Zustandsgrößen
Unter Annahme einer starren Querschnittskontur und kleiner
Verformungen für die Stabachse B ist der Verschiebungszustand
einer Querschnittsfaser durch die Translation und Rotation der
Stabachse bestimmt.
Entsprechend werden die Spannungen in dem querschnittsfesten
Koordinatensystem zu Schnittkräften zusammengefaßt.
Die Normaldehnung der Faser i bestimmt sich aus der Ableitung
des Verschiebungszustandes, wobei Terme höherer Ordnung ver-
nachlässigt werden.
E,'« = uB - yv8 + zw8 (8.4)
Die Normalspannung der Faser ist eine Funktion der Normal-
dehnung. Das Spannungs-Dehnungs-Diagramm der jeweiligen Faser
(8.5a) (8.5b)E_ I J I N X I'EA„
E_ I NX I EA
YY
8-7
beschreibt ein Polygonzug. Mögliche Faserentlastungen verlau-
fen elastisch, wobei hinsichtlich des Werkstoffes isotropes
Verhalten angenommen wird.
8.2 DISKRETISIERUNG
Im Rahmen der kommunizierenden Versuchstechnik werden die zu
untersuchenden Strukturen räumlich betrachtet. In anbetracht
der in Abschnitt 8.1 getroffenen Annahmen wird zur Simulation
der analytischen Substruktur ein Stab mit einem dünnwandigen,
offenen Querschnitt gewählt. Die experimentelle Substruktur
wird durch ein räumliches Fachwerk beschrieben (vgl. Kapitel
4). Diese Struktur wird hier vereinfacht unter ebener Einwir-
kung betrachtet. Die Diskretisierung des Zweifeidträgers und
die Einwirkungen zeigen die Bilder 8.5 und 8.b.
8.2.1 Diskretisierung der analytischen Substruktur
In Zusammenhang mit der Diskretisierung ist zu beachten, daß
die Koeffizienten der Steifigkeitsmatrix nach Theorie II.
Ordnung nicht die exakte Lösung der Differentialgleichung
sind, sondern durch Reihenentwicklung der trigonometrischen
bzw. der hyperbolischen Funktion diese annähern. Für Stab-
kennzahlen £<2,0 ist der Fehler zwischen exakter Lösung und
Näherung geringer als 1%, entsprechend sind bei gegebenen
Querschnittswerten die Teilstablängen der analytischen Elemen-
te zu wählen,
Um den Plastizierungszustand längs des Trägers hinreichend zu
erfassen, sind die Teilstablängen in den Bereichen hoher Quer-
schnittsbeanspruchung reduziert worden.
Der Querschnitt gliedert sich in 41 Fasern, deren Tragverhal-
ten ein linearelastisch-idealplastisches Spannungs-Dehnungs-
8-8
Diagramm beschreibt. Entlastungen der analytischen Elemente
bleiben im vorliegenden Beispiel unberücksichtigt.
8.2.2 Diskretisierung der experimentellen Substruktur
Das linke Feld des Zweifeldträgers wird durch das experimen-
telle Element beschrieben, dessen momentane experimentelle
Steifigkeitsmatrix im simultan zur Strukturberechnung ablau-
fenden Bauteilversuch ermittelt wird. Das Tragverhalten des
experimentell zu untersuchenden Bauteiles simuliert das räum-
liche Fachwerk (Bild 8.6). Das Tragverhalten des räumlichen
Fachwerkes ist durch das Kraft-Weg-Diagramm des jeweiligen
Fachwerkstabes beschrieben. Stabentlastungen werden berück-
sichtigt.
8.2.3 Randbedingungen und Einwirkungen
Der immaterielle Abschnitt des Trägers ist beiderseits gelen-
kig gelagert; der materielle Abschnitt ist im Knoten 2 biege-
steif angeschlossen. Die Verdrehung im Knoten 1 ist verhin-
dert.
Zwei Einwirkungsgruppen, gekennzeichnet durch die Intensitäts-
faktoren 1 1 und X2, beanspruchen den Träger in der x-z-Ebene.
8.3 ABLAUF DES KOMMUNIZIERENDEN VERSUCHES
An dem Experimentrechner wird das Simulationsprogramm gestar-
tet; es verharrt im Wartezustand. An dem Strukturrechner wird
das dialogfähige FEM-Programm gestartet. Die Intensitätsfak-
toren der Einwirkungen (Inkremente) werden im Dialog mit dem
Benutzer oder bei automatischem Versuch-Rechnungsablauf aus
einer Datei dem FEM-Programm zugeführt (vgl. Bild 7.2).
Die analytischen Steifigkeitsmatrizen bestimmen sich in Abhän-
gigkeit von der eingesetzten Theorie und dem jeweiligen Aus-
X 2 q 1
.b3x 1000
X2q2
T A11A'2
arc tan =2100 kN/cm2
8-9
10 23
I I I
_^ JIL üii ii)1/41
W1 —11P^2x1500 500 2 x1000
X . ,t
q 1 = 40 kN /m
q 2 = 2000 kN
TEILSTABQUERSCHNITT
Kreuzquerschnitt mit 41 Fasern
Lastangriff in der Stabachse
FASERWERKSTOFF
Spannungs-Dehnungs-Diagramm
des fiktiven Faserwerkstoffes
Entlastungen verlaufen längs
E[i] der bilinearen Funktion
Bild 8.5. Diskretisierung des Zweifeldträgers
(analytische Substruktur, rechtes Feld)
fiktives Stabkraft-Stabver-
formungs-Diagramm
Stabentlastung nach Bild 4.12
8-10
1500 ^ 500^ 2 x^000^ } 6 x k
00 k
^3kx 1000 1,
/ X w1 2 w, = 15 mm
w 2 = 10 mm
^ _JIL_ ^A2x 'Ä, W, ^I^ A. -^---
X2 q 2
^ 500 500 500 j,
0 0
S[kN]
RÄUMLICHES FACHWERK
44 Stäbe 16 Knoten
quadratischer Grundriß
STABARBEITSLINIEN
Bild 8.6. Diskretisierung des Zweifeldträgers
(experimentelle Substruktur, linkes Feld)
8-11
gangszustand des Elementes. Im Rahmen des Beispieles werden
die analytischen Elemente (Teilstäbe) unter der Annahme von
- linear elastischem,
- geometrisch nichtlinearem,
- physikalisch nichtlinearem und
- geometrisch und physikalisch nichtlinearem
Tragverhalten betrachtet.
Um die experimentelle Steifigkeitsmatrix zu bestimmen, sendet
der Strukturrechner nacheinander sechs orthogonale Weggrößen
als Sollwerte zum Experimentrechner. Aus der vom Experiment-
rechner gesendeten Prüfkörperantwort (Istwerte der Zustands-
größen der Aufspannebenen) ermittelt der Strukturrechner die
erste momentane experimentelle Steifigkeitsmatrix (vgl.
4.2.1).
Diese erste Einwirkung auf den Prüfkörper ist mit minimal
einstellbaren Weggrößen vorzunehmen, damit sie nicht unnötig
bleibende Verformungen im Prüfkörper bewirkt. Der Prüfkörper
wird in die Ausgangslage zurückversetzt.
Aus den Steifigkeitsmatrizen der analytischen und experimen-
tellen Elemente, den mit dem jeweiligen Intensitätsfaktor
multiplizierten Einwirkungen und den kinematischen Randbe-
dingungen bestimmt sich im Strukturrechner das algebraische
Gleichungssystem für die inkrementellen Knotenweggrößen o w.
Durch Nachlaufrechnung (Multiplikation der inkrementellen
Weggrößen mit der jeweiligen Elementsteifigkeitsmatrix) erge-
ben sich die korrespondierenden inkrementellen Schnittgrößen
oQ für die Elemente (Teilstäbe) und das experimentelle Element.
Die summierten inkrementellen Weggrößen des experimentellen
Elementes rechnet der Strukturrechner in relative, auf den
Elementanfang bezogene Weggrößen um. Sie sind die Sollwerte
für die Wegregelung der Prüfmaschine (kinematischen Randbe-
8-12
dingungen des Prüfkörpers).
Die Sollwerte übermittelt der Strukturrechner dem Experiment-
rechner und empfängt vom Experimentrechner nach Abschluß der
Regelaktivitäten im Experimentrechner als Prüfkörperantwort
die Istwerte der Zustandsgrößen für die Aufspannebenen.
Für das experimentell untersuchte Bauteil wird die Differenz
zwischen den über die experimentelle Steifigkeitsmatrix be-
stimmten Schnittgrößen und den aus den Istwerten (Meßwerten)
ermittelten Schnittgrößen zu Ungleichgewichtslasten zusammen-
gefaßt. Mit der Zustandsgrößendifferenz zwischen dem Ist- und
dem Ausgangszustand wird die experimentelle Steifigkeitsmatrix
aktualisiert (vgl. 4.2.2) und die Istwerte in einer Meßwert-
datei gespeichert.
Für die analytischen Elemente werden in Abhängigkeit von der
zugrundegelegten Theorie ggf. die Gleichgewichts- und Konsi-
stenzbedingung verletzt und durch Ungleichgewichtslasten in
der Berechnung berücksichtigt.
Mit konstanter Systemmatrix und unter Berücksichtigung der
Ungleichgewichtslasten wird iterativ der Zustand gefunden, der
Gleichgewichts- und Konsistenzbedingung im Rahmen der gefor-
derten Genauigkeit erfüllt. Die Konvergenzbedingung für das
betrachtete Beispiel gilt als erfüllt, wenn die Änderung der
Weggrößeninkremente zwischen dem aktuellen und dem vorangegan-
genen Korrekturzyklus kleiner 1% ist.
Bei erfüllter Konvergenzbedingung werden die inkrementellen
Zustandsgrößen und die des Ausgangszustandes summiert. Die
Summe ist der Ausgangszustand für das folgende Einwirkungs-
inkrement.
8-13
8.4 ÜBERWACHUNG VON RECHNUNG UND EXPERIMENT
Während des Iterationsprozesses im Einwirkungsinkrement werden
die Sollwerte und die resultierenden Istwerte in alphanumeri-
scher Form ausgegeben und ausgewählte Zustandsgrößen graphisch
dargestellt. Die Konvergenz der Iteration wird programmintern
kontrolliert und auf dem Dialogbildschirm die Abweichung als
prozentuale maximale Veränderung zwischen dem aktuellen und
den vorangegangenen Weggrößeninkrementen ausgegeben. Dem An-
wender ist so die Möglichkeit gegeben, in den Regelprozeß über
die Veränderung des Dämpfungsfaktors (vgl. 4.2.2) regulierend
einzugreifen oder diese ggf. abzubrechen.
Bevor ein neues Einwirkungsinkrement bearbeitet wird, durch-
läuft das Programm einen Ausgabemodul. Für frei wählbare
Elemente wird aus der Ergebnisdatei die Lastgeschichte einge-
lesen und z.B. alphanumerisch dargestellt. Weiterhin lassen
sich im Dialog beliebig ausgewählte Zustandsgrößen graphisch
reproduzieren.
8.5 ANMERKUNGEN ZUM REGELNDEN ITERATIONSPROZESS
Weggrößen sind die Stellgrößen im Iterationsprozeß für die
analytischen Elemente und für die Prüfmaschine. Weggrößenein-
wirkungen sind damit als kinematische Randbedingung der
Gesamtsteifigkeitsmatrix unmittelbar Lösungselemente des alge-
braischen Gleichungssystems bzw. die Sollwerte für die globale
Wegregelung.
Übertragungsfunktionen, allgemein linearisierte Steifigkeits-
matrizen, transformieren die Kraftgrößen in äquivalente Weg-
größen. Kraftgrößeneinwirkungen sind damit nur mittelbar,
iterativ einstellbar.
In den folgenden Bildern ist der funktionsmäßige Zusammenhang
(Einwirkungspfad) zwischen den Ei nwirkungsiritensitätsfaktoren
.0
1.0
3
N = N•220 kN
u = n•3,2 trrn
1 linearelastisch2 geometrisch nichtlinear3 physikalisch nichtlinear4 geom. u. physk. nichtlinear
8-14
\1 und A2 angegeben. Für den experimentellen Trägerabschnitt
ist in Bild 8.7 die Normalkraft N über der Verschiebung u
aufgetragen. Deutlich treten die Einwirkungsinkremente als
Unstetigkeiten im Funktionsverlauf hervor. Während die Weg-
größe u als Führungsgröße unmittelbar einstellbar ist, verrin-
gert sich die Normalkraft im nichtlinearen Bereich des Prüf-
Bild 8.7. Normalkraft-Verschiebungs-Diagramm für
das experimentelle Element im Knoten 2
4 3
JO
M =-7.48,2 kN/m..-T.0,0182 C-]
1 linearelastisch2 geometrisch nichtlinear3 physikalisch nichtlinear4 nichtlineargeom. u. physk.
.6
(, 1 0
.6
.4
2
.8.0
1.0
M
az
8-15
körpertragverhaltens im Laufe des Iterationsprozesses für die
Kraftgrößeneinwirkungsinkremente. Die Einwirkungsintensitäts-
steigerung ist proportional (\1 = X2).
Für den Koppelpunkt analytischer-experimenteller Substruktur
(Knoten 2) ist das Stützmoment über der Verdrehung, für die
unterschiedlichen zur Beschreibung der analytischen Elemente
Bild 8.8a. Momenten-Verdehungs-Diagramm für das
experimentelle Element im Knoten 2
8-16
eingesetzten Theorien aufgetragen. Im Bild 8.8a sind die Meß-
werte für den experimentellen Abschnitt aufgetragen, in Bild
8.8b der ausiterierte Zustand des analytischen Elementes.
Die Einwirkungsinkremente sind proportional gesteigert, jedoch
bewußt für Traglastuntersuchungen zu groß gewählt (ca. 15% der
elastischen Grenzeinwirkung), um die "Meßwerterfassung" zu
verdeutlichen.
1.0
M
.8
.6
.4
2
.6 .8
Bild 8.8b. Momenten-Verdehungs-Diagramm für das
analytische Element im Knoten 2
2
M =-M . 48,2 kN/mqb =-T.0,0182C-]
1 linearelastisch2 geometrisch nichtlinear
-physikalisch nichtlinear34 geom. u. physk. nichtlinear
.2
00'3AIL..a
2
—2*-
Ad
geom. u. physk. nichtlinear
M= M.52,OkALn
(1) = Ci).0,0037
—.2 .e .2
.6
^
.2
.0
i.e
M
.8
8-17
Mit wachsendem Einwirkungsinkrement entfernt sich die Extrapo-
lation vom wahren funktionsmäßigen Verlauf der Weg-Kraftgrös-
senbeziehung. Abgesehen davon, daß die Zahl der Korrekturzyk-
len zunimmt, besteht speziell für das experimentell unter-
suchte Element die Gefahr, daß zu große Kraftgrößeninkremente
in Zusammenhang mit plastischem Werkstoffverhalten bereits auf
Bild 8.9. Einfluß des Einwirkungspfades
8-18
Inkrementebene von der angestrebten wirklichen Lastgeschichte
abweichen und damit das Ergebnis unzulässig verändern.
Ein wesentlicher Vorteil der kommunizierenden Versuchtechnik
gegenüber der konventionellen ist in der wirklichkeitsnäheren
Erfassung der gegenseitigen Beeinflussung zwischen Prüfkörper
und umgebender Struktur begründet. In Bild 8.9 ist für drei
unterschiedliche Lastgeschichten das Stützmoment im Knoten 2
über der Verdrehung aufgezeichnet. Der Pfad ist durch die
Intensitätsfaktoren X 1 und 12 beschrieben. Obwohl in allen
Fällen am Ende des kommunizierenden Versuches die Einwirkungs-
intensität gleich ist, werden in Abhängigkeit vom Pfad signi-
fikant verschiedene Zustände erreicht.
9-1
9 ZUSAMMENFASSUNG
Die kommunizierende Versuchstechnik ist eine Strategie der
theoretischen und experimentellen statischen Untersuchung, bei
der sich die experimentelle (materielle) Untersuchung auf das
theoretisch unzureichend zu beschreibende Bauteil beschränkt
und die Bauteilumgebung immateriell durch ein Rechenmodell
simuliert wird. Dem wechselseitigen Einfluß zwischen
materiellen und immateriellen Bauteilen wird wirklichkeitsnah
Rechnung getragen.
Wesentliche Bausteine zur Realisierung dieser kombinierten
Versuchs-Berechnungs-Methode wie
- die Automatisation des Versuchsablaufes,
- die Entwicklung einer Zustandsgrößenregelung , um beim Bau-
teilversuch beliebige und beliebig veränderbare statische
und kinematische Randbedingungen einstellen zu können, und
- die Beschreibung des Tragverhaltens der Struktur, die das
experimentell zu untersuchende Bauteil enthält, durch FEM-
Rechenmodelle unter dem Gesichtspunkt der Verknüpfung mit
dem Experiment
sind im Rahmen der vorliegenden Arbeit entwickelt worden.
Beispiele zeigen die Anwendung der einzelnen Bausteine.
Die Wirkungsweise der kommunizierenden Versuchstechnik zeigt
exemplarisch ein kommunizierender Bauteilversuch, bei dem die
Mechanik der Prüfmaschine und das Tragverhalten des experimen-
tell zu untersuchenden Bauteiles in einem Rechner durch ein
Rechenmodell simuliert wird. Nur die Simulation des Bauteil-
versuches gewährleistet eine zuverlässige Funktionsprüfung,
da so das Bauteiltragverhalten beliebig reproduzierbar ist.