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Knochenstoffwechsel bei chronischer Niereninsuffizienz im Kindesalter; Bone metabolism in chronic...

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1011 Monatsschrift Kinderheilkunde 11 · 2013 | Redaktion A. Melk, Hannnover E. Wühl, Heidelberg G. Hansen, Hannover Monatsschr Kinderheilkd 2013 · 161:1011–1020 DOI 10.1007/s00112-013-2949-9 Online publiziert: 12. Oktober 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 D. Haffner 1 · U. Querfeld 2 1 Klinik für Pädiatrische Nieren-, Leber- und Stoffwechselerkrankungen, Zentrum Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Medizinische Hochschule Hannover 2 Klinik für Pädiatrie m.S. Nephrologie, Charité Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow Klinikum, Berlin Knochenstoffwechsel bei chronischer Niereninsuffizienz im Kindesalter Leitthema Bei der chronischen Niereninsuffi- zienz [CNI; „chronic kidney disease“ (CKD), s. Lange-Sperandio u. Dötsch [16] in diesem Heft der Monatsschrift Kinderheilkunde] kommt es zu kom- plexen Störungen des Mineral- und Knochenstoffwechsels. Diese stel- len insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern eine große therapeuti- sche Herausforderung dar, da gera- de in dieser Lebensphase des raschen Wachstums ein erhöhter Knochen- stoffwechsel physiologisch ist. Begriffsbestimmungen Bis 2005 wurden die bei CKD auftreten- den Veränderungen des Knochenstoff- wechsels als renale Osteopathie bzw. re- nale Osteodystrophie bezeichnet. Um den in den letzten Jahren aufgedeckten Ver- flechtungen zwischen Nierenerkrankung, Knochenstoffwechsel und kardiovasku- lärem System Rechnung zu tragen und einer rein knochenzentrierten Sicht vor- zubeugen, wurde die Bezeichnung CKD- MBD („chronic kidney disease – mine- ral and bone disorder“) eingeführt [20]. Im Folgenden wird der Schwerpunkt auf den Knochenstoffwechsel bzw. die renale Osteodystrophie gelegt, wobei in den ein- zelnen Abschnitten, soweit sinnvoll, auch auf extraossäre Komplikationen Bezug ge- nommen wird. Pathogenese Serumphosphatspiegel, FGF-23 („fibroblast growth factor-23“) und Parathormon Bei fortgeschrittener chronischer Nie- reninsuffizienz (ab CKD-Stadium III bzw. einer glomerulären Filtrationsra- te <60 ml/min/1,73 m 2 ) ist die Kapazi- tät der Niere zur Phosphatausscheidung eingeschränkt. Durch vermehrte Synthe- se des phosphaturischen Faktors FGF-23 im Knochen gelingt es zunächst, die rena- le Phosphatelimination auch bei progre- dientem Nierenversagen noch aufrechtzu- erhalten [14]. D Damit sind erhöhte Serumspiegel des FGF-23 die am frühesten nachzuweisende laborchemische Veränderung bei CKD-MBD. FGF-23 wirkt über seinen ubiquitär vor- handenen spezifischen FGF-Rezeptor in Anwesenheit seines Korezeptors Klotho [15]. Die organspezifische Expression von Klotho durch renale Tubulusepithel- und Parathyreoideazellen bedingt, dass nur die Nieren und die Nebenschilddrüsen spe- zifische Zielorgane von FGF-23 darstellen (. Abb. 1). Darüber hinaus wurden kürz- lich auch Klotho-unabhängige Effekte von FGF-23 auf das Myokard beschrieben [5]. In der Niere reduziert FGF-23 die Ex- pression der Natrium-Phosphat-Kotrans- porter (NaPi IIa und IIc) in den proxima- len Tubuli, wodurch die renale Phosphat- elimination gesteigert wird. Zudem stimu- liert FGF-23 Parathormon (PTH) und ver- mindert die Synthese von Kalzitriol über eine Suppression der renalen 1α-Hydro- xylase. Beide Mechanismen unterstützen letztendlich die renale Phosphatelimina- tion. Die bis vor wenigen Jahren verbreite- te Annahme, dass der Abfall der Kalzitriol- spiegel in frühen Stadien der chronischen Niereninsuffizienz über eine verminderte Nierenmasse und eine damit reduzierte re- nale Kalzitriolsynthese vermittelt wird, ist daher wohl nicht zutreffend. In . Abb. 2 sind der mit zunehmender Niereninsuffi- zienz zu beobachtende Anstieg der PTH- sowie der Abfall der Kalzitriolspiegel unter dem Einfluss von FGF-23 dargestellt [11]. FGF-23 stimuliert außerdem das katabo- lisierende Enzym 24-Hydroxylase, was in einem vermehrten Abbau von Vitamin-D- Metaboliten resultiert. Vitamin D Die Niere spielt eine zentrale Rolle in der Vitamin-D-Physiologie. Sie ist hauptsäch- lich für die Konversion des zirkulierenden nativen Vitamin-D-Metaboliten, 25-Hyd- roxyvitamin D (25-OHD), zum aktivem Vitamin D, dem Steroidhormon 1,25-Di- hydroxyvitamin D (1,25-OHD; Kalzitriol), verantwortlich. Die chronische Nieren- insuffizienz geht in der Regel mit einem Mangel sowohl an nativem als auch an ak- tiviertem Vitamin D einher, der parallel zur Progredienz, d. h. dem Absinken der glomerulären Filtrationsrate, an Schwe- re zunimmt. Bereits in frühen Stadien Leitthema
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1011Monatsschrift Kinderheilkunde 11 · 2013 |

RedaktionA. Melk, HannnoverE. Wühl, Heidelberg G. Hansen, Hannover

Monatsschr Kinderheilkd 2013 · 161:1011–1020DOI 10.1007/s00112-013-2949-9Online publiziert: 12. Oktober 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

D. Haffner1 · U. Querfeld2

1 Klinik für Pädiatrische Nieren-, Leber- und Stoffwechselerkrankungen, Zentrum

Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Medizinische Hochschule Hannover2 Klinik für Pädiatrie m.S. Nephrologie, Charité Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow Klinikum, Berlin

Knochenstoffwechsel bei chronischer Niereninsuffizienz im Kindesalter

Leitthema

Bei der chronischen Niereninsuffi-zienz [CNI; „chronic kidney disease“ (CKD), s. Lange-Sperandio u. Dötsch [16] in diesem Heft der Monatsschrift Kinderheilkunde] kommt es zu kom-plexen Störungen des Mineral- und Knochenstoffwechsels. Diese stel-len insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern eine große therapeuti-sche Herausforderung dar, da gera-de in dieser Lebensphase des raschen Wachstums ein erhöhter Knochen-stoffwechsel physiologisch ist.

Begriffsbestimmungen

Bis 2005 wurden die bei CKD auftreten-den Veränderungen des Knochenstoff-wechsels als renale Osteopathie bzw. re-nale Osteodystrophie bezeichnet. Um den in den letzten Jahren aufgedeckten Ver-flechtungen zwischen Nierenerkrankung, Knochenstoffwechsel und kardiovasku-lärem System Rechnung zu tragen und einer rein knochenzentrierten Sicht vor-zubeugen, wurde die Bezeichnung CKD-MBD („chronic kidney disease – mine-ral and bone disorder“) eingeführt [20]. Im Folgenden wird der Schwerpunkt auf den Knochenstoffwechsel bzw. die renale Osteodystrophie gelegt, wobei in den ein-zelnen Abschnitten, soweit sinnvoll, auch auf extraossäre Komplikationen Bezug ge-nommen wird.

Pathogenese

Serumphosphatspiegel, FGF-23 („fibroblast growth factor-23“) und Parathormon

Bei fortgeschrittener chronischer Nie-reninsuffizienz (ab CKD-Stadium III bzw. einer glomerulären Filtrationsra-te <60 ml/min/1,73 m2) ist die Kapazi-tät der Niere zur Phosphatausscheidung eingeschränkt. Durch vermehrte Synthe-se des phosphaturischen Faktors FGF-23 im Knochen gelingt es zunächst, die rena-le Phosphatelimination auch bei progre-dientem Nierenversagen noch aufrechtzu-erhalten [14].

D Damit sind erhöhte Serumspiegel des FGF-23 die am frühesten nachzuweisende laborchemische Veränderung bei CKD-MBD.

FGF-23 wirkt über seinen ubiquitär vor-handenen spezifischen FGF-Rezeptor in Anwesenheit seines Korezeptors Klotho [15]. Die organspezifische Expression von Klotho durch renale Tubulusepithel- und Parathyreoideazellen bedingt, dass nur die Nieren und die Nebenschilddrüsen spe-zifische Zielorgane von FGF-23 darstellen (. Abb. 1). Darüber hinaus wurden kürz-lich auch Klotho-unabhängige Effekte von FGF-23 auf das Myokard beschrieben [5].

In der Niere reduziert FGF-23 die Ex-pression der Natrium-Phosphat-Kotrans-porter (NaPi IIa und IIc) in den proxima-len Tubuli, wodurch die renale Phosphat-

elimination gesteigert wird. Zudem stimu-liert FGF-23 Parathormon (PTH) und ver-mindert die Synthese von Kalzitriol über eine Suppression der renalen 1α-Hydro-xylase. Beide Mechanismen unterstützen letztendlich die renale Phosphatelimina-tion. Die bis vor wenigen Jahren verbreite-te Annahme, dass der Abfall der Kalzitriol-spiegel in frühen Stadien der chronischen Niereninsuffizienz über eine verminderte Nierenmasse und eine damit reduzierte re-nale Kalzitriolsynthese vermittelt wird, ist daher wohl nicht zutreffend. In . Abb. 2 sind der mit zunehmender Niereninsuffi-zienz zu beobachtende Anstieg der PTH- sowie der Abfall der Kalzitriolspiegel unter dem Einfluss von FGF-23 dargestellt [11]. FGF-23 stimuliert außerdem das katabo-lisierende Enzym 24-Hydroxylase, was in einem vermehrten Abbau von Vitamin-D-Metaboliten resultiert.

Vitamin D

Die Niere spielt eine zentrale Rolle in der Vitamin-D-Physiologie. Sie ist hauptsäch-lich für die Konversion des zirkulierenden nativen Vitamin-D-Metaboliten, 25-Hyd-roxyvitamin D (25-OHD), zum aktivem Vitamin D, dem Steroidhormon 1,25-Di-hydroxyvitamin D (1,25-OHD; Kalzitriol), verantwortlich. Die chronische Nieren-insuffizienz geht in der Regel mit einem Mangel sowohl an nativem als auch an ak-tiviertem Vitamin D einher, der parallel zur Progredienz, d. h. dem Absinken der glomerulären Filtrationsrate, an Schwe-re zunimmt. Bereits in frühen Stadien

Leitthema

1012 | Monatsschrift Kinderheilkunde 11 · 2013

Leitthema

Abb. 1 8 Klotho-abhängige und -unabhängige Effekte von FGF-23 („fibroblast growth factor 23“) bei chronischer Niereninsuffizienz, PTH Parathormon, FGFR FGF-Rezeptor. (Mod. nach [14], mit freundl. Genehmigung von Nature Publishing Group)

50

40

30

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0105 95 85 75 65 55 45 35 25 15

10

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GFR (ml/min/1,73 m2)

Stadium II Stadium III Stadien IV und V

Untere Grenze

1,25D

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l 1,

25(O

H) 2D

3 (pg

/ml)

Abb. 2 8 Verlauf der Spiegel von FGF-23 („fibroblast growth factor 23“), PTH (Parathormon) und Kalzitriol in Abhängigkeit von der Nierenfunktion, GFR glomeruläre Filtrationsrate. (Aus [10])

(. Abb. 2) kommt es zu einer Abnahme der Serumspiegel von 25-OHD und 1,25-OHD [17]. Gründe hierfür sind eine ver-minderte Filtration von 25-OHD und eine verminderte Bildung des für die tubuläre Rückresorption verantwortlichen Rezep-tors Megalin (normalerweise durch Kal-

zitriol induziert); beides führt zu einem weiteren Absinken der 1,25-OHD- bzw. 25-OHD-Spiegel [18, 22].

Die reduzierte Megalinexpression re-sultiert außerdem in einer verminder-ten Rückresorption von Vitamin-D-Bin-dungsprotein.

Kardiovaskuläres System und Knochenstoffwechsel

In Abhängigkeit von der zugeführten Nah-rungs- bzw. Phosphatmenge reichen ab dem CKD-Stadium IV die in . Abb. 2 auf-geführten Adaptationsmechanismen meist nicht mehr aus, sodass es zu einem An-stieg der Serumphosphatspiegel über den altersabhängigen Normbereich kommt. Eine über längere Zeit persistierende Hy-perphosphatämie kann zu ektopen Ver-kalkungen in den Weichteilen und arteriel-len Gefäßen (z. B. Aorta und Koronarien, s. . Abb. 3 bei Melk et al. [19] in diesem Heft der Monatsschrift Kinderheilkunde) führen, aber auch eine endotheliale Dys-funktion und oxidativen Stress verursa-chen. Hohe FGF-23-Spiegel induzieren eine linksventrikuläre Hypertrophie [5]. Die aus den Störungen des Mineralhaushalts (cha-rakterisiert durch erhöhte FGF-23-Spiegel, erhöhte PTH-Konzentrationen, vermin-derte Kalzitriolsynthese, erhöhte Phos-phatspiegel) resultierenden funktionellen und morphologischen Veränderungen am kardiovaskulären System stellen nach neu-eren Erkenntnissen [25] die hauptsächliche Ursache der gegenüber Gesunden bei pä-diatrischen CKD-Patienten etwa 500-fach erhöhten kardiovaskulären Mortalität dar ([6], s. auch Melk et al. [19] in diesem Heft der Monatsschrift Kinderheilkunde).

Darüber hinaus führen, falls nicht früh-zeitig eine adäquate Therapie eingeleitet wird, die oben genannten adaptiven Me-chanismen (spätestens bei Erreichen des Terminalstadiums der Niereninsuffizienz) zu einer sog. High-Bone-Turnover-Osteo-pathie (Ostitis fibrosa), die durch einen si-gnifikant erhöhten Knochenumsatz cha-rakterisiert ist und in erster Linie durch den sekundären Hyperparathyreoidismus hervorgerufen wird (. Abb. 3). Hierbei ist hervorzuheben, dass PTH-Spiegel nur annäherungsweise Rückschlüsse auf den Knochenstoffwechsel („bone turnover“) zulassen und daher keine exakte Diskri-minierung zwischen den beiden Extremen der renalen Osteodystrophie, der Ostitis fi-brosa einerseits und der adynamen („low turnover“) renalen Osteodystrophie ande-rerseits, erlauben. Letztere ist durch eine verminderte Knochenneubildungsrate, ge-ringe Osteoidakkumulation und das Feh-len einer Fibrose charakterisiert, im Sinne

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eines komplett supprimierten Knochen-umsatzes (Low-Bone-Turnover-Osteodys-trophie). Sie findet sich gehäuft unter einer hochdosierten Kalzitrioltherapie und bei der heutzutage obsoleten Gabe von alumi-niumhaltigen Phosphatbindern [26].

» Die Knochenbiopsie stellt den Goldstandard zur Evaluierung des Knochen-stoffwechsels dar

Bei Patienten mit starken Beschwerden oder Deformitäten trotz guter biochemi-scher Kontrolle kann eine Knochenbiop-sie diagnostische Klarheit erbringen; sie stellt den Goldstandard zur Evaluierung des Knochenstoffwechsels dar, wird jedoch aufgrund ihrer Invasivität nur in Einzelfäl-len durchgeführt. Zu ihrer Standardisie-rung wurde kürzlich die sog. TMV-Klas-sifikation (T: „turnover“/Knochenumsatz, M: „mineralization“/Mineralisationsgrad, V: „volume“/Knochenvolumen) einge-führt (. Abb. 4, [1]). Differenzialdiagno-stisch müssen auch andere mögliche Ursa-chen einer Knochendemineralisierung bei chronischen Niereninsuffizienz wie meta-bolische Azidose, Glukokortikoidtherapie, Hypophosphatämie (Überdosierung von Phosphatbindern), nutritiver Vitamin-D-Mangel, Antikonvulsiva und prolongierte Immobilisation bedacht und entsprechend behandelt werden.

Klinik

Die möglichen klinischen Folgen des bei CKD gestörten Mineralstoffwechsels sind:F  Auftreibungen der Hand- und Fuß-

gelenke (Säuglinge, Kleinkinder),F  Skelettdeformitäten (z. B. Genua

valga und vara),F  Knochenschmerzen,F  Epiphysenfugenlösung,F  Frakturen,F  Wachstumsstörung,F  Myopathie,F  Tetanie, Krampfanfälle, Laryngospas-

mus,F  Weichteil- und Gefäßverkalkungen

sowieF  linksventrikuläre Hypertrophie/Dys-

funktion.

Es ist hervorzuheben, dass viele Patienten klinisch lange asymptomatisch bleiben und engmaschige laborchemische Kont-rollen (z. B. alle 3 Monate ab CKD-Stadi-um III) sowie ggf. Röntgenuntersuchun-gen indiziert sind, um schwerwiegende

Komplikationen zu vermeiden. Anders als bei Erwachsenen ist die Dynamik der CKD-MBD hoch, v. a. in Phasen des ra-schen Längenwachstums in den ersten beiden Lebensjahren und in der Puber-tät [24].

Zusammenfassung · Abstract

Monatsschr Kinderheilkd 2013 · 161:1011–1020 DOI 10.1007/s00112-013-2949-9© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

D. Haffner · U. QuerfeldKnochenstoffwechsel bei chronischer Niereninsuffizienz im Kindesalter

ZusammenfassungHintergrund. Bei chronischer Niereninsuffi-zienz kommt es durch Hyperphosphatämie, Vitamin-D-Mangel und zunehmende FGF-23-Spiegel (FGF: „fibroblast growth factor“) zu einem Anstieg von Parathormon (PTH).Auswirkungen eines erhöhten PTH-Spiegels. Ein über längere Zeit bestehen-der und progressiver Hyperparathyreoidis-mus hat eine Erhöhung des Knochenumsat-zes (High-Turnover-Osteodystrophie) zur Fol-ge, der ohne adäquate Therapie zu einer Ent-kalkung des Skelettsystems, Deformierungen der Extremitätenknochen, Frakturen, Wachs-tumsstörung sowie zu Gefäß- und Weichteil-verkalkungen führen kann. Um den komple-xen Veränderungen des Mineralstoffwechsels bei Niereninsuffizienz Rechnung zu tragen, wurde die Bezeichnung CKD-MBD („chro-nic kidney disease – mineral and bone disor-der“) eingeführt. Anders als bei Erwachsenen ist die Dynamik der CKD-MBD im Kindesalter hoch, insbesondere in Phasen des raschen Längenwachstums in den ersten beiden Le-bensjahren und in der Pubertät.

Therapie. Therapeutisch werden neben einer phosphatreduzierten Diät orale Phos-phatbinder und aktives Vitamin D eingesetzt. Ein bei den betroffenen Patienten häufig an-zutreffender Vitamin-D-Mangel erfordert außerdem eine Substitution mit nativem Vit-amin D (Cholecalciferol). Wegen der Komple-xität der Pathophysiologie, der wachstums-bedingten Dynamik, der geringen therapeu-tischen Breite der Behandlungsmaßnahmen und der schwerwiegenden Komplikationen bei Therapiefehlern erfordert die Behand-lung der CKD-MBD eine engmaschige Be-treuung in kindernephrologisch spezialisier-ten Zentren.

SchlüsselwörterChronische Niereninsuffizienz · Sekundärer Hyperparathyreoidismus · Hyperphosphatämie · Knochenstoffwechsel · Wachstum

Bone metabolism in chronic kidney disease in childhood

AbstractBackground. In chronic kidney disease (CKD), hyperphosphatemia, vitamin D defi-ciency, and increasing fibroblast growth fac-tor (FGF)-23 levels result in elevated levels of parathyroid hormone (PTH). Influence of elevated PTH levels. Persistent and progressive hyperparathyroidism leads to an increase in bone turnover (high turn-over osteodystrophy) which in turn leads to demineralization of the skeleton, skeletal de-formities, bone fractures, growth failure, and calcification of soft tissue and blood vessels. The term CKD-mineral and bone disorder (CKD-MBD) is now used to convey the com-plex pattern of affected organs and systems in CKD patients. CKD-MBD in children is much more dynamic compared to adults, especially in the phases of rapid growth during the first two years of life and puberty.

Therapy. Treatment of CKD-MBD consists of dietary phosphate restriction, administra-tion of oral phoposphate binders and active vitamin D. Vitamin D deficiency is often ob-served in these patients requiring substitu-tion of native vitamin D (Cholecalciferol). Due to the progressive nature of CKD, the growth-dependent dynamics, the narrow therapeu-tic window, and potentially severe complica-tions of CKD-MBD, treatment requires close monitoring in specialized pediatric nephrol-ogy centers.

KeywordsChronic kidney disease · Secondary hyperparathyroidism · Hyperphosphatemia · Bone metabolism · Growth

1015Monatsschrift Kinderheilkunde 11 · 2013 |

Insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern stehen die Zeichen des Vi-tamin-D-Mangels klinisch im Vorder-grund. Aufgrund der bei Kindern noch offenen Wachstumsfugen zeigen sich in diesem Lebensalter rachitische Auf-treibungen im Bereich der Epiphysen der langen Röhrenknochen sowie Skelettde-formitäten mit entsprechenden radiologi-schen Veränderungen (. Abb. 3, 5). Auf-

grund der Instabilität des Skelettsystems, möglicher Knochenschmerzen und be-gleitender Myopathie (Vitamin-D-Man-gel) können Kleinkinder teilweise wie-der die Fähigkeit zu laufen verlieren. In schweren Fällen dieser sog. renalen Ra-chitis können extrarenale Symptome wie Hypokalzämie, Tetanie, Krämpfe, Laryn-gospasmus und Kardiomyopathie auftre-ten [23].

Eine schwere renale Osteodystrophie führt regelhaft auch zu einer Wachstums-störung (. Abb. 6), deren Genese jedoch als multifaktoriell anzusehen ist und in der Regel weitere therapeutische Maßnah-men (adäquate Ernährung, Wachstums-hormontherapie) erfordert. Es ist her-vorzuheben, dass biochemische Parame-ter variable Momentaufnahmen darstellen und daher regelmäßige Röntgenuntersu-chungen (ab CKD-Stadium III jährliche Röntgenuntersuchung der linken Hand, bei Säuglingen und Kleinkindern zusätz-lich Sprunggelenk oder Knie) sinnvoll sind. Die bei erwachsenen Patienten mit schwerer Osteopathie bzw. schwerem se-kundärem Hyperparathyreoidismus be-schriebenen subperiostalen Erosionen der Mittelphalangen im Röntgenbild der Hand sind meist erst ab der Adoleszenz nachweisbar. Teilweise finden sich auf den Röntgenaufnahmen bereits auch Verkal-kungen der Weichteile und/oder Gefä-ße. Alle anderen bildgebenden Verfah-ren sind derzeit speziellen, meist wissen-schaftlichen Fragestellungen vorbehalten.

Therapie

Ziel ist es, einen normalen Knochenum-satz und ein altersentsprechendes Längen-wachstum zu erzielen und die Entwick-lung von Knochendeformitäten, Kno-chen- und Muskelschmerzen sowie von ektopen vaskulären Verkalkungen und die damit verbundene erhöhte kardiovas-kuläre Komorbidität zu verhindern. Die Therapie erfolgt nach einem Stufenpro-gramm (. Abb. 7). Bei dialysepflichtigen Patienten ist auf eine ausreichende Phos-phat-Clearance über das jeweilige Dialy-severfahren zu achten und eine Unterdia-lyse unbedingt zu vermeiden (s. Büscher u. Lehnhardt [2] in diesem Heft der Mo-natsschrift Kinderheilkunde). Darüber hi-naus muss eine bestehende metabolische Azidose mittels Gabe von Natriumbikar-bonat ausgeglichen werden.

Steuerung

Da klinische Zeichen und radiologische Veränderungen der renalen Osteodystro-phie erst relativ spät im Krankheitsver-lauf auftreten, wird die Therapie der rena-len Osteodystrophie vornehmlich entspre-

niedrig Knochenumsatz hoch

abnorm

al

normal

Min

erali

satio

n

niedrig

Knoc

henv

olum

en

hoch

OM

AD

MUO

MILD HPT

OF

Abb. 4 9 TMV-Klas-sifikation der renalen Osteopathie, AD ady-namische Knochen-erkrankung, MILD HPT mäßiggradiger Hy-perparathyroidismus, MUO gemischte urämi-sche Osteopathie, OF Ostitis fibrosa, OM Os-teomalazie, TMV „turn-over – mineralization –volume“. (Aus [10])

Abb. 3 8 Verlauf der radiologischen Veränderungen der renalen Osteopathie unter hochdosierter Kal-zitrioltherapie bei zuvor nicht bekannter schwerer Niereninsuffizienz eines Kindes und daher fehlen-der Therapie, a Röntgenbild der linken Hand im Alter von 3 Jahren mit Auftreibungen und Becher-ungen der metaphysären Wachstumsfugen, b weitgehende Ausheilung nach 6-monatiger Kalzitriol-therapie

1016 | Monatsschrift Kinderheilkunde 11 · 2013

Leitthema

chend der Laborparameter gesteuert. Ne-ben normalen Serumphosphat- und -kal-ziumspiegeln sollte die alkalische Phospha-tase möglichst im altersabhängigen Norm-bereich liegen. Nach neueren Erkenntnis-sen sollten bei CKD die PTH-Spiegel nicht

mehr als 3-fach gegenüber der Norm er-höht sein, da sonst ein unkontrollierter Hy-perparathyreoidismus droht. Andererseits ist eine vollständige Normalisierung bzw. zu starke Suppression der PTH-Spiegel wegen der Gefahr einer „low-turnover bo-

ne disease“ nicht sinnvoll. Die therapeuti-schen Zielwerte werden allerdings seit Jah-ren kontrovers diskutiert. Die gegenwärti-gen europäischen [13] und nordamerikani-schen Therapierichtlinien [7] zur Höhe der PTH-Zielspiegel unterscheiden sich dahin-

Abb. 5 8 a,b Schwerste Mineralisationsstörung mit Osteolysen und Fehlstellung beider Hüftköpfe (a), immobilisiertes Kind mit Knochenschmerzen und Myopathie (präterminale CKD, Kindesvernachlässigung), c,d abheilende renale Rachitis unter Vi-tamin-D-Therapie (vorher keine Therapie, Immobilisation), c O-Bein-Stellung zu Beginn der Behandlung, d verbesserte Mine-ralisation unter Vitamin-D-Therapie, aber Knochenverbiegungen. (Aus [4], mit freundl. Genehmigung Oxford University Press)

Abb. 6 9 Renale Osteodys-trophie und Wachstumsstö-rung bei einem 28 Mona-te alten Mädchen mit beid-seitiger Nierenhypoplasie/-dysplasie im Vergleich zur gesunden Zwillingsschwes-ter, a bei Diagnosestellung, b deutliche Besserung der Knochenverbiegun-gen, aber kein ausreichen-des Aufholwachstum unter Dialyse- und Kalzitriolther-apie im Alter von 3 Jahren. (Mit freundl. Genehmigung des Autors.)

1017Monatsschrift Kinderheilkunde 11 · 2013 |

gehend, dass bei dialysepflichtigen Kin-dern (CKD-Stadium V) in Europa 2- bis 3-fach und in den USA 3- bis 5-fach gegen-über der Norm erhöhte PTH-Spiegel ange-strebt werden [9]. In nächster Zeit sollen überarbeitete Therapierichtlinien von den Fachgesellschaften herausgegeben werden.

Es ist hervorzuheben, dass es auch unter Hinzunahme weiterer biochemi-scher Parameter keine klaren Cut-off-Werte zur Erfassung eines „low-bone turnover“ oder „high-bone turnover“ gibt, sodass in unklaren Fällen der Gold-standard einer Knochenbiopsie diskutiert werden sollte. Es ist zu hoffen, dass in na-her Zukunft verlässlichere Biomarker eine bessere laborparameterbasierte diagnosti-sche Abschätzung des Knochenstoffwech-sels erlauben.

Ernährung und Phosphatbinder

Da die Phosphatakkumulation den haupt-sächlichen auslösenden Faktor für die komplexen Störungen bei der CKD-MBD darstellt, hat das Erreichen eines norma-len Serumphosphatspiegels, wobei der al-tersabhängige Normbereich unbedingt zu beachten ist, höchste Priorität ([8], . Abb. 8).

Erhöhte Phosphatspiegel treten abhän-gig von der Höhe der oralen Nahrungs-zufuhr in der Regel ab dem CKD-Stadi-um IV (GFR<30 ml/min/1,73 m2) auf und lassen sich über eine phosphatreduzierte Diät und die Gabe oraler Phosphatbin-der senken. Letztere werden über den Tag verteilt jeweils zu den Mahlzeiten einge-nommen, wobei auch Snacks und andere phosphathaltige Zwischenmahlzeiten be-rücksichtigt werden müssen. Die Dosie-

rung richtet sich weniger nach dem Alter bzw. Körpergewicht der Patienten, son-dern nach der Höhe der jeweiligen Phos-phatzufuhr pro Mahlzeit.

D Regelmäßige diätetische Beratungen durch einen Diätassistenten sind notwendig.

Hierdurch sollen einerseits eine Mangel-ernährung vermieden, andererseits lang-fristig die Compliance erhalten werden. Hierfür stehen auch spezielle Schulungs-programme für Eltern und Kinder/Ju-gendliche in den kindernephrologischen Zentren zur Verfügung.

Muttermilch ist auch bei niereninsuffi-zienten Säuglingen sehr gut zur Ernährung geeignet, da sie relativ wenig Phosphat und Kalium enthält; ansonsten stehen speziel-le phosphat- und kaliumarme Milchen zur oralen Ernährung zur Verfügung.

Für eine adäquate Knochenminera-lisierung ist bei wachsenden Kindern eine positive Kalziumbilanz notwendig. Die intestinale Kalziumaufnahme kann durch regelmäßige Evaluierungen von Nahrungsprotokollen und Erfassung der Menge an kalziumhaltigen Phosphatbin-dern abgeschätzt werden. Eine längerfris-tig zu hohe Kalziumzufuhr und Hyperkal-zämien müssen wegen des erhöhten Risi-kos von Gefäßverkalkungen unbedingt vermieden werden [12]. Bei Hyperkalzä-mie stehen alternativ zu kalziumhaltigen (wie Kalziumazetat/-karbonat) auch kal-ziumfreie Phosphatbinder (wie Sevela-mer-Karbonat) zur Verfügung. Kalzium-azetat weist gegenüber Kalziumkarbonat eine etwas geringere Hyperkalzämienei-gung auf und wird daher in der Regel be-

vorzugt eingesetzt. Derzeit werden ver-schiedene kalziumfreie Phosphatbinder mit teilweise deutlich höherer Phospat-bindungskapazität im Vergleich zu Kal-ziumazetat in klinischen Studien bei Er-wachsenen und Kindern geprüft.

Natives und aktives Vitamin D

Viele CKD-Patienten leiden an einem Vi-tamin-D-Mangel oder einer Vitamin-D-Insuffizienz – definiert als eine 25-OHD-Serumkonzentration <30 ng/ml. Ab dem CKD-Stadium III sind eine präventi-ve Vitamin-D-Substitution (z. B. 2000 IE Cholecalciferol/Tag) und bei Vitamin-D-Mangel eine entsprechende Substitution angezeigt. Letztere kann bei Patienten mit mäßig ausgeprägter Niereninsuffizienz (CKD-Stadium II–III) die Entwicklung eines sekundären Hyperparathyreoidis-mus hinauszögern. Dagegen ist bei präter-minaler Niereninsuffizienz und bei dialy-sepflichtigen Patienten aufgrund der stark eingeschränkten renalen Konversion kei-ne klinisch bedeutsame Wirkung auf den sekundären Hyperparathyreoidismus zu erwarten. Dennoch wird auch bei die-sen Patienten aufgrund der potenziellen positiven extrarenalen Effekte (z. B. Im-munsystem) bei Vitamin-D-Insuffizienz eine Vitamin-D-Substitution empfohlen. Bei erhöhten PTH-Spiegeln ist als zwei-ter Schritt neben der Phosphatsenkung die Gabe von aktivem Vitamin D (Kal-zitriol oder α-Calcidiol, das in der Le-ber in Kalzitriol umgewandelt wird) indi-ziert. Grundsätzlich sind beide aktiven Vi-tamin-D-Präparate gleich effektiv, wobei bei Patienten mit schweren Lebererkran-kungen kein α-Calcidiol verabreicht wer-den sollte, da es bei ihnen unwirksam ist. Die Dosierung ist gewichtsabhängig (. Tab. 1). Die Gabe erfolgt als einmalige abendliche Dosis um, bedingt durch die Nahrungsaufnahme während des Tages,

Tab. 1 Gewichtsabhängige Dosierung von aktivem Vitamin D (Kalzitriol oder α-Calcidiol)

Gewicht (kg) Startdosis (μg/Tag)

<10 0,05

10–20 0,1–0,15

>20 0,25

Maximal 1

PTH

Phosphatreduzierte DiätNatives Vitamin D

PhosphatbinderAktives Vitamin D

KalzimimetikaParathyreoidektomie

Abb. 7 9 Stufenthera-pie der renalen Osteo-dystrophie bzw. des sekundären Hyperpa-rathyroidismus, PTH Parathormon. (Mod. nach [8])

1018 | Monatsschrift Kinderheilkunde 11 · 2013

Leitthema

einer Hyperkalzämie entgegenzuwirken. Kalzitriol senkt effektiv den PTH-Spiegel, kann aber auch zur Hyperkalzämie so-wie Gefäß- und Weichteilverkalkungen führen. Grundsätzlich sollte die geringst-mögliche PTH-supprimierende Vitamin-D-Dosis eingesetzt werden, um langfristig ektopen Verkalkungen vorzubeugen. Der Effekt einer Kalzitriolbehandlung ist aus . Abb. 3 ersichtlich, in welcher der Ver-lauf der radiologischen Veränderungen unter einer hochdosierten Kalzitriolther-apie bei einem Kind mit zuvor nicht be-kannter schwerer Niereninsuffizienz und daher fehlender Therapie dargestellt ist.

» Durch frühzeitige Therapiemaßnahmen ist ein schwerer sekundärer Hyper-parathyreoidismus zu verhindern

Grundsätzlich gilt: Falls die therapeuti-schen Maßnahmen frühzeitig, d. h. bei ersten Zeichen der PTH-Erhöhung, ein-geleitet werden, kann langfristig bei den meisten Patienten ein schwerer sekundä-rer bzw. tertiärer Hyperparathyreoidis-mus verhindert werden.

Parathyreoidektomie

Bei therapierefraktärem sekundärem Hy-perparathyreoidismus mit radiologischen Veränderungen, rezidivierender/persistie-render Hyperkalzämie und erhöhtem Kal-zium-Phosphat-Produkt (>5,25 mmol2/l2) ist eine Parathyreoidektomie indiziert. Diese wird in der Regel als subtotale Para-thyreoidektomie mit Autotransplantation eines Epithelkörperchens in den Unter-arm durchgeführt.

Präoperativ finden sich in der Regel so-nographisch vergrößerte Epithelkörper-chen (Volumen >0,5 cm3 bzw. Durchmes-ser >1,0 cm). Intraoperativ werden engma-schig PTH-Spiegel und Serumkalziumwer-te bestimmt, um die Effektivität der Ope-ration abzuschätzen. Bei schwerem bzw. tertiärem Hyperparathyreoidismus (auto-nome PTH-Sekretion der Parathyreoidea) kann es nach Parathyreoidektomie zu einem Hungry-Bone-Syndrom mit Hypo-kalzämien kommen, die eine Kalziumsubs-titution und Kalzitriolgabe ggf. über Mona-te erforderlich machen.

Kalzimimetika

Sie senken bei Patienten mit schwerem se-kundärem Hyperparathyreoidismus sehr effektiv die PTH-, Kalzium- und Phos-phatspiegel, sind jedoch für das Kindes-

alter nicht zugelassen. Das Wirkprinzip von Kalzimimetika ist die allosterische Modulation der Konformation des Kal-zium-Sensing-Rezeptors der Parathyre-oidea, die zu einer Empfindlichkeitsstei-gerung gegenüber extrazellulärem Kal-zium führt. Diese geht wiederum mit einer Linksverschiebung der Kalzium-PTH-Kurve einher, sodass bereits bei re-lativ geringen Serumkalziumspiegeln eine Rezeptoraktivierung und nachfolgend eine Suppression der PTH-Sekretion er-reicht werden. Bisher liegen jedoch noch keine kontrollierten Studien zum Einsatz von Kalzimimetika im Kindesalter vor, sodass deren Gabe nur im Rahmen von individuellen Heilversuchen möglich ist [21]. Grundsätzlich besteht unter Kalzimi-metikagabe die Gefahr einer Hypokalzä-mie (minimaler Kalziumwert 2–4 h nach Gabe), sodass ein engmaschiges Monito-ring erforderlich ist.

Fazit für die Praxis

F  Der CKD-MBD liegen komplexe Stö-rungen des Mineral- und Knochen-stoffwechsels zugrunde.

F  Die Störungen des Mineral- und Kno-chenstoffwechsels stellen in der Pra-xis insbesondere wegen der schwer-wiegenden Komplikationen bei The-rapiefehlern (Wachstumsstörungen,

2,25

2,75

+2 SD+2 SD

MittelwertMittelwert

–2 SD

–2 SD

Konz

entr

atio

n im

Pla

sma

(mm

ol/l)

2,50

2,25

2,00

2,20

1,75

1,50

1,25

1,00

0,751 3 6 9 12 2 3 4 5 6 87 9 10 1 3 6 9 12 2 3 4 5 6 8 9 107

Phosphat KalziumAlterAlter

JahreMonate JahreMonate

Abb. 8 8 Altersabhängige Normbereiche der Phosphat- (a) und Kalziumspiegel (b). (Adaptiert nach [3])

kardiovaskuläre Komplikationen) eine therapeutische Herausforde-rung dar.

F  Wegen der Tendenz zur Progression der chronischen Niereninsuffizienz, der wachstumsbedingten Dynamik der CKD-MBD im Kindesalter und der geringen therapeutischen Breite der Therapiemaßnahmen erfordert die Behandlung der CKD-MBD eine eng-maschige Betreuung in kinderne-phrologisch spezialisierten Zentren.

Korrespondenzadressen

Prof. Dr. D. HaffnerKlinik für Pädiatrische Nieren-, Leber- und Stoffwechselerkrankungen, Zentrum Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Medizinische Hochschule HannoverCarl-Neuberg Straße 1, 30625 [email protected]

Prof. Dr. U. QuerfeldKlinik für Pädiatrie m.S. Nephrologie, Charité Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow KlinikumMittelallee 8, 13353 [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. D. Haffner und U. Querfeld geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren. Alle Patienten, die über Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts zu identifizieren sind, haben hierzu ihre schriftliche Ein-willigung gegeben. Im Falle von nicht mündigen Pa-tienten liegt die Einwilligung eines Erziehungsberech-tigen oder des gesetzlich bestellten Betreuers vor.

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1020 | Monatsschrift Kinderheilkunde 11 · 2013

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Neue Empfehlungen der Ständigen Impf kommission veröffentlicht

Die STIKO, die Ständige Impfkommission am

Robert Koch-Institut, hat im Epidemiologi-

schen Bulletin 34/2013 den neuen Impfkalen-

der veröffentlicht. Hinzugekommen ist die

Empfehlung für eine Rotavirus-Schutzimp-

fung bei Säuglingen. Veränderungen gibt es

auch bei den Empfehlungen zur Hepatitis-B-

und zur Influenza-Impfung.

Die neu empfohlene Rotavirus-Impfung wird

als Schluckimpfung gegeben, die Impfserie

sollte im Alter von 6 bis 12 Wochen beginnen

und je nach Impfstoff bis zur vollendeten 24.

oder 32. Lebenswoche beendet sein. Eine

englischsprachige Veröffentlichung zu den

wissenschaftlichen Grundlagen der Empfeh-

lung zur Rotavirus-Impfung ist in der Juli-Aus-

gabe des Bundesgesundheitsblatts erschie-

nen, die deutschsprachige Begründung im

Epidemiologischen Bulletin 35/2013.

Bei der Hepatitis B-Impfung ist nach einer

erfolgreich durchgeführten Grundimmu-

nisierung im Allgemeinen keine Auffrisch-

impfung notwendig. Wie bisher wird die

Kontrolle des Impferfolgs empfohlen. Die

STIKO hat außerdem die in der bisherigen

Hepatitis B-Impfempfehlung aufgeführten 8

Indikationsgruppen in 3 Indikationsgruppen

zusammengefasst.

Bei der Influenza-Impfung empfiehlt die

STIKO, bei Kindern im Alter von 2 bis 6 Jahren,

bei denen wegen einer Grundkrankheit eine

Impfung empfohlen ist, bevorzugt einen

Impfstoff zu verwenden, der in die Nase ge-

sprüht wird. Damit erhofft sich die STIKO eine

höhere Akzeptanz der jährlich zu wiederho-

lenden Influenza-Impfung. Außerdem wird

die Influenza-Impfung jetzt auch Personen

empfohlen, die eine geimpfte Risikoperson

betreuen. Grund ist, dass die Influenza-Imp-

fung keinen 100%igen Schutz bietet. Das

gilt insbesondere für ältere oder immun-

geschwächte Menschen, die somit auch bei

Impfung indirekt von einem Impfschutz der

sie betreuenden Personen profitieren.

Weitere Informationen unter: www.stiko.de

und www.rki.de/impfen

Quelle: Robert Koch-Institut, Berlin,

www.rki.de

Start des Hilfeportals Sexueller Missbrauch

Ein neues Online-Angebot bietet von sexuel-

ler Gewalt Betroffenen, Angehörigen und

Fachkräften Informationen zu Beratung, Hil-

fen und Fragen der Prävention. Eine Daten-

bank unterstützt bundesweit die Suche nach

spezialisierten Beratungs- und Hilfsangebo-

ten vor Ort.

Die Einrichtung eines Hilfeportals war eine

zentrale Empfehlung des Runden Tisches

„Sexueller Kindesmissbrauch“, mit dessen

Umsetzung der Unabhängige Beauftragte

für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs,

Johannes-Wilhelm Rörig, beauftragt wurde.

Das Hilfeportal ist spezifisch auf die Thema-

tik des sexuellen Kindesmissbrauchs ausge-

richtet und übernimmt eine Lotsenfunktion

für das gesamte Bundesgebiet.

In der Datenbank finden sich u.a. folgende

Kontakte:

– Beratungsstellen

– Psychotherapeuten

– Ärzte

– Traumaambulanzen und Fachkliniken

– Rechtsanwälte

– Telefonische Hilfsangebote

– Online-Angebote

– Krisendienste (auch Kinder-

und Jugendnotdienste)

– Jugendämter

Das Hilfeportal wurde vom Unabhängigen

Beauftragten mit Unterstützung des Bun-

desministeriums für Familie, Senioren, Frau-

en und Jugend realisiert.

Weitere Informationen: www.hilfeportal-

missbrauch.de

Quelle: Unabhängiger Beauftragter

für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs,

www.beauftragter-missbrauch.de


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