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klimaneutral - FCH Gruppe...Compliance, Sparkasse Duisburg w Die Grundlage einer aussagekräftigen...

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145 Liebe Leserinnen und Leser, „Die Probleme, die es in der Welt gibt, können nicht mit den gleichen Denkweisen gelöst werden, die sie erzeugt haben.“ Im Vergleich zur Relativitätsthe- orie beschreibt diese Feststellung von Einstein eine banale Erkenntnis. Am Verhalten einer Stu- benfliege, die permanent gegen eine Fensterscheibe fliegt, lässt sich das leicht beobachten. Die Stubenfliege befindet sich in einer miss- lichen Lage, weil sie glaubt, sie müsse immer nur dem Licht entgegen fliegen. Doch erst wenn sie sich von ihrer bisherigen Denkweise verab- schiedet, und zurück ins Dunkle fliegt, kann sie einen Weg in die Frei- heit finden. Betrachtet man die Maßnahmen, welche in den vergange- nen Jahren zur Krisenbekämpfung ergriffen wurden, zeigen sich teils frappierende Ähnlichkeiten mit dem Verhalten von Stubenfliegen am heimischen Küchenfenster. Eine der Hauptursachen der im Sommer 2007 geplatzten amerikanischen Immobilienblase liegt in der expansiven Geldpolitik der US-Notenbank FED zu Beginn des Jahrtausends. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase hoffte die FED, mit einer laxen Geldpolitik die lahmende US-Konjunktur zu stimulieren. Das billige Geld fand seinen Weg in einen überhitzten und spekulativen US-Immobilienmarkt. Nachdem die – nach ordnungspolitischen Grundsätzen durchaus legi- time – Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 beinahe das weltweite Finanzsystem zum Einsturz gebracht hätte, beeilten sich andere einsturzgefährdete Großbanken, ihren Regierungen die vermeintliche Alternativlosigkeit staatlicher Rettungspakete ein- zureden. Sie taten dies mit dem bekannten Ergebnis, dass aus einer Finanzkrise eine Staatsschuldenkrise wurde, an der die Steuerzahler in vielen Ländern noch lange Freude haben werden. Als unschöner Nebeneffekt unterblieb die fällige Marktbereinigung im Finanzsektor. Daher gibt es immer noch zu viele Finanzinstitute ohne tragfähiges Geschäftsmodell und ohne volkswirtschaftliche Nutzenstiftung. Diese sind angeblich „too big to fail“ und bilden einen fruchtbaren Nähr- boden für künftige Krisen. In den europäischen Krisenstaaten brachten die Bankenrettungen das Fass zum überlaufen und hatten den faktischen Staatsbankrott zur Folge. Eine hausgemachte Immobilienkrise in Spanien, überdimensionierte Finanzsektoren in Irland und Zypern oder das Fehlen funktionsfähiger Verwaltungsstrukturen in Griechenland trugen das Übrige dazu bei, dass die Realwirtschaft von den Verwerfungen an den Finanzmärkten und den unsoliden Staatshaushalten in Mitleidenschaft gezogen wurde. Und als Hauptantwort auf die Abfolge von Immobilien-, Finanz-, Wirt- schafts- und Staatsschuldenkrisen lässt die EZB die Notenpresse heiß laufen, in der Hoffnung, damit die Realwirtschaft zu stimulieren. Doch anstatt bei spanischen Start-ups, portugiesischen Handwerkern oder griechischen Solarpionieren landen die Milliarden der EZB am Ende in aufgeblähten Staatshaushalten, treiben die weltweiten Aktienmärkte und die deutschen Immobilienpreise nach oben; und sorgen dafür, dass der Deutsche Sparer dank Niedrigzinsumfeld seit langem in die Röhre schaut. Aber wieso auch sollte ein Lösungsweg, der vor über zehn Jahren in den USA nicht funktioniert hat, diesmal in Europa gut gehen? Ihr Dr. Mathias Weis, Vorstandsreferent, Volksbank Karlsruhe eG Dr. Mathias Weis Editorial klimaneutral natureOffice.com | DE-559-775163 gedruckt HERAUSGEBER Christian Barleon, Leiter Rechtsabteilung, BBBank eG, Karlsruhe Dr. Stephan Bausch, Rechtsanwalt, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Düsseldorf Dr. Peter Clouth, Rechtsanwalt, CLOUTH & PARTNER RECHTSANWÄLTE, Frankfurt/M. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart Dr. Jürgen Ellenberger, Richter am Bundesgerichtshof, XI. Zivilsenat, Karlsruhe Michael Fischer, Abteilungsdirektor Sicherheiten, DZ BANK AG, Frankfurt/M. Thomas O. Günther, LL.M. oec, Chefsyndikus Volksbank Bonn Rhein-Sieg eG, Bonn Stefan Kern, Stv. Mitglied des Vorstands, Leiter Marktfolge Passiv/Recht, Sparkasse Haslach-Zell, Haslach Dr. Volker Kreuziger, Bereichsleiter Recht und Compliance, Bausparkasse Schwäbisch Hall AG, Schwäbisch Hall Inci Metin, Rechtsabteilung, Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA), London Dr. Bernd Müller-Christmann, Vorsitzender Richter, Oberlandesgericht Karlsruhe Dr. Kay Rothenhöfer, Rechtsabteilung, Deutsche Bank AG, Frankfurt/M. Dr. Holger Schäfer, Referatsleiter, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs- aufsicht, Frankfurt/M. Ulrich Schröer, Direktor und Leiter Stabsbereich Compliance, HSBC Trinkaus & Burkhardt AG Andreas Seuthe, Referatsleiter Laufende Aufsicht, Deutsche Bundesbank, Hauptverwaltung NRW Michael Strötges, Bereichsleiter Recht, Sparkasse Rhein Neckar Nord, Mannheim Dr. Hanno Teuber, Rechtsabteilung, Commerzbank AG, Frankfurt/M. REDAKTION Christine Glemser, Chefredakteurin Dr. Patrick Rösler, stellv. Chefredakteur Corinna van der Eerden, stellv. Chefredakteurin Dr. Christian Göbes Frank Sator Marcus Michel Michael Helfer Thomas Göhrig Jürgen Blatz Jörg Wehmeyer CRP 07–08/2014
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Page 1: klimaneutral - FCH Gruppe...Compliance, Sparkasse Duisburg w Die Grundlage einer aussagekräftigen Risiko-/ Gefährdungsanalyse bildet das institutsindividu - elle Risikoprofil mit

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Liebe Leserinnen und Leser,

„Die Probleme, die es in der Welt gibt, können nicht mit den gleichen Denkweisen gelöst werden, die sie erzeugt haben.“ Im Vergleich zur Relativitätsthe-orie beschreibt diese Feststellung von Einstein eine banale Erkenntnis. Am Verhalten einer Stu-benfliege, die permanent gegen eine Fensterscheibe fliegt, lässt sich das leicht beobachten. Die Stubenfliege befindet sich in einer miss-lichen Lage, weil sie glaubt, sie müsse immer nur dem Licht entgegen fliegen. Doch erst wenn sie sich von ihrer bisherigen Denkweise verab-schiedet, und zurück ins Dunkle fliegt, kann sie einen Weg in die Frei-heit finden. Betrachtet man die Maßnahmen, welche in den vergange-nen Jahren zur Krisenbekämpfung ergriffen wurden, zeigen sich teils frappierende Ähnlichkeiten mit dem Verhalten von Stubenfliegen am heimischen Küchenfenster.

Eine der Hauptursachen der im Sommer 2007 geplatzten amerikanischen Immobilienblase liegt in der expansiven Geldpolitik der US-Notenbank FED zu Beginn des Jahrtausends. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase hoffte die FED, mit einer laxen Geldpolitik die lahmende US-Konjunktur zu stimulieren. Das billige Geld fand seinen Weg in einen überhitzten und spekulativen US-Immobilienmarkt.

Nachdem die – nach ordnungspolitischen Grundsätzen durchaus legi-time – Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 beinahe das weltweite Finanzsystem zum Einsturz gebracht hätte, beeilten sich andere einsturzgefährdete Großbanken, ihren Regierungen die vermeintliche Alternativlosigkeit staatlicher Rettungspakete ein-zureden. Sie taten dies mit dem bekannten Ergebnis, dass aus einer Finanzkrise eine Staatsschuldenkrise wurde, an der die Steuerzahler in vielen Ländern noch lange Freude haben werden. Als unschöner Nebeneffekt unterblieb die fällige Marktbereinigung im Finanzsektor. Daher gibt es immer noch zu viele Finanzinstitute ohne tragfähiges Geschäftsmodell und ohne volkswirtschaftliche Nutzenstiftung. Diese sind angeblich „too big to fail“ und bilden einen fruchtbaren Nähr -boden für künftige Krisen.

In den europäischen Krisenstaaten brachten die Bankenrettungen das Fass zum überlaufen und hatten den faktischen Staatsbankrott zur Folge. Eine hausgemachte Immobilienkrise in Spanien, überdimensionierte Finanzsektoren in Irland und Zypern oder das Fehlen funktionsfähiger Verwaltungsstrukturen in Griechenland trugen das Übrige dazu bei, dass die Realwirtschaft von den Verwerfungen an den Finanzmärkten und den unsoliden Staatshaushalten in Mitleidenschaft gezogen wurde. Und als Hauptantwort auf die Abfolge von Immobilien-, Finanz-, Wirt-schafts- und Staatsschuldenkrisen lässt die EZB die Notenpresse heiß laufen, in der Hoffnung, damit die Realwirtschaft zu stimulieren. Doch anstatt bei spanischen Start-ups, portugiesischen Handwerkern oder griechischen Solarpionieren landen die Milliarden der EZB am Ende in aufgeblähten Staatshaushalten, treiben die weltweiten Aktienmärkte und die deutschen Immobilienpreise nach oben; und sorgen dafür, dass der Deutsche Sparer dank Niedrigzinsumfeld seit langem in die Röhre schaut. Aber wieso auch sollte ein Lösungsweg, der vor über zehn Jahren in den USA nicht funktioniert hat, diesmal in Europa gut gehen?

Ihr Dr. Mathias Weis, Vorstandsreferent, Volksbank Karlsruhe eG

Dr. Mathias Weis

Editorial

klimaneutralnatureOffice.com | DE-559-775163

gedruckt

HERAUSGEBER

Christian Barleon, Leiter Rechtsabteilung, BBBank eG, KarlsruheDr. Stephan Bausch, Rechtsanwalt, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, DüsseldorfDr. Peter Clouth, Rechtsanwalt, CLOUTH & PARTNER RECHTSANWÄLTE, Frankfurt/M.Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner, StuttgartDr. Jürgen Ellenberger, Richter am Bundesgerichtshof, XI. Zivilsenat, KarlsruheMichael Fischer, Abteilungsdirektor Sicherheiten, DZ BANK AG, Frankfurt/M.Thomas O. Günther, LL.M. oec, Chefsyndikus Volksbank Bonn Rhein-Sieg eG, BonnStefan Kern, Stv. Mitglied des Vorstands, Leiter Marktfolge Passiv/Recht, Sparkasse Haslach-Zell, HaslachDr. Volker Kreuziger, Bereichsleiter Recht und Compliance, Bausparkasse Schwäbisch Hall AG, Schwäbisch HallInci Metin, Rechtsabteilung, Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA), LondonDr. Bernd Müller-Christmann, Vorsitzender Richter, Oberlandesgericht KarlsruheDr. Kay Rothenhöfer, Rechtsabteilung, Deutsche Bank AG, Frankfurt/M.Dr. Holger Schäfer, Referatsleiter, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-aufsicht, Frankfurt/M.Ulrich Schröer, Direktor und Leiter Stabsbereich Compliance, HSBC Trinkaus & Burkhardt AGAndreas Seuthe, Referatsleiter Laufende Aufsicht, Deutsche Bundesbank, Hauptverwaltung NRWMichael Strötges, Bereichsleiter Recht, Sparkasse Rhein Neckar Nord, MannheimDr. Hanno Teuber, Rechtsabteilung, Commerzbank AG, Frankfurt/M.

REDAKtIoNChristine Glemser, ChefredakteurinDr. Patrick Rösler, stellv. ChefredakteurCorinna van der Eerden, stellv. ChefredakteurinDr. Christian GöbesFrank SatorMarcus MichelMichael HelferThomas GöhrigJürgen BlatzJörg Wehmeyer

CRP 07–08/2014

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Impressum

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Inhalt148–149

CRP 07–08/2014

CompRechtsPraktiker● BANKREcHt ● BANKAUFSIcHt● coMPLIANcE

www.compRechtsPraktiker.de [email protected]

TitelfotoIgor Stepovik – pixmac

ISSN 2198-0624

Redaktionchristine Glemser, chefredakteurinDr. Patrick Rösler, stellv. chefredakteurcorinna van der Eerden, stellv. chefredakteurinDr. christian GöbesFrank SatorMarcus MichelMichael Helferthomas GöhrigJürgen BlatzJörg Wehmeyer

Koordination/[email protected]/[email protected] Kunden-/AboserviceAnnabell.Jahn@Fc-Heidelberg.deRezensionenJanin.Staerker@Fc-Heidelberg.deProduktionsleitungJanin.Staerker@Fc-Heidelberg.de

BEITRÄGE

150 Geschlossene offene Immobilien-fonds: Aufklärungspflicht über das Aussetzungs risikoDr. Stephan Bausch, D.U., Rechtsanwalt und Part-ner, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Köln I Torsten Limberg, Rechtsanwalt, Luther Rechtsan-waltsgesellschaft mbH, Frankfurt/M.

w Der Beitrag befasst sich mit den aktuellen Ent-scheidungen des XI. Zivilsenats des BGH im Zusam-menhang mit der Aufklärung über die Möglich-keit der Rücknahme der Anteilscheine bei offenen Immobilienfonds sowie den zuvor ergangenen oLG-Entscheidungen.

156 EU-Verbraucherrechtrichtlinie: Auswirkungen der Umsetzung auf den Vertrieb von Bankprodukten Christian Merz, Rechtsanwalt, CLOUTH & PARTNER Rechtsanwälte, Frankfurt/M.

w Der Beitrag stellt die wesentlichen Änderun-gen dar und zeigt deren Auswirkungen auf die Vertriebspraxis und die Vertragsdokumentation.

164 § 25l KWG und § 130 OWiG: Grundbestandteile eines wirksamen Compliance Management-SystemsDr. Franz Clemens Leisch, Rechtsanwalt und Part-ner, Kanzlei Baker & McKenzie, München I Dr. Stefan Sauer, Rechtsanwalt, Landesbank Baden-Württemberg

w Gruppenweite compliance-Anforderungen bei Kreditinstituten sind mit Blick auf §§ 25l KWG und 130 oWiG zu entwickeln. Der Beitrag zeigt auf, wel-che Bestandteile ein angemessenes und wirksames compliance Management-System auf weisen sollte.

169 Gestaltung einer Risiko-/GefährdungsanalyseAndrea Kaßen, Compliance-Beauftragte und stv. Geldwäschebeauftragte, Beauftragtenwesen, WpHG-Compliance, Sparkasse Duisburg

w Die Grundlage einer aussagekräftigen Risiko-/Gefährdungsanalyse bildet das institutsindividu-elle Risikoprofil mit allen wesentlichen und nicht wesentlichen Risiken. Eine modulare, tabella rische Darstellungsform unterstützt somit effektiv die Beurteilung der Risiken sowie den daraus erwach-senden Überwachungsplan.

AKTUELL

148 Unzulässigkeit von AGB-rechtlich vereinbarten Bearbeitungsentgelten

Inhalt150-190

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Vorschau150-190

CRP 07–08/2014

SatzSilberberg GmbH, Montafon. www.SilberbergMontafon.at

DruckSenser Druck GmbH, Augsburg

PreiseJahresabonnement Inland: € 135.- zzgl. USt. und € 10,20 Versand zzgl. USt. Erscheinungs-weise: 6x jährlich. Einzelheft: € 25 zzgl. USt., und € 1,70 Versand zzgl. USt. Abonnement-kündigung nur mit Frist von 4 Wochen vor Ende des Bezugszeitraums möglich.

GeschäftsführungDr. christian GöbesFrank SatorDr. Patrick RöslerMarcus MichelMichael Helferthomas Göhrig

Sitz der Gesellschaft ist HeidelbergAmtsgericht Mannheim HRB Nr. 335598Umsatz-Identifikationsnummer gemäß § 27aUmsatzsteuergesetz: DE 184391372

Firmenanschrift & inhaltliche VerantwortungFinanz colloquium Heidelberg GmbHPlöck 32a ● 69117 Heidelbergtelefon: 06221 9 98 98-0E-Mail: [email protected]: www.Fc-Heidelberg.de

Der compRechtsPraktiker wird auf FSc-zerti-fiziertem Papier produziert.

Risikotragfähigkeit: Umsetzungshinweise zur Modellierung, Ausgestaltung und strategischen VerankerungDr. Svend Reuse, MBA, Abteilungsleiter Controlling, Sparkasse Mülheim an der Ruhr

w Das thema Risikotragfähigkeit ist seit 2011 durch das Rundschreiben der Aufsicht mittlerweile auf-sichtsrechtlich klarer geregelt. Allerdings ergeben sich nicht zuletzt durch die Neuerungen der MaRisk und die Umsetzung von Basel III neue offene Punkte, die in der Praxis zu Umsetzungsproblemen führen können. Diese werden im vorliegenden Aufsatz aufgegriffen und mit konkreten Umsetzungshin -weisen versehen.

Unternehmenssanierung: Erfordernis eines externen SanierungsgutachtensDr. Katrin Stohrer, Rechtsanwältin und Banksyndikus, Frankfurt/M.

w Kreditinstitute können die Sanierung eines Unter-nehmens nur begleiten, wenn die damit verbun-denen Haftungsrisiken steuerbar sind. Der Beitrag untersucht das Erfordernis eines externen Sanie-rungsgutachtens für einige bedeutende Sanierungs-maßnahmen.

Vorfälligkeitsentschädigung: Einbeziehung von SondertilgungsrechtenProf. Dr. Konrad Wimmer, finanzmathematischer Sach-verständiger, Dingolfing / Dr. Patrick Rösler, Rechts-anwalt, Geschäftsführer Finanz Colloquium Heidelberg

w Der Beitrag befasst sich mit der in der Praxis mittlerweile häufig vorkommenden Frage, wie vor-zugehen ist, wenn sich bei der Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung die Einbeziehung der Sondertilgungsrechte schadenserhöhend auswirkt.

176 Produktinformationsblätter: Erstellung und EinsatzJulia Richter, Rechtsanwältin, Compliance-Beauftragte (WpHG) und Bereichsdirektorin Kapitalmarkt-Compli-ance, Kreissparkasse Köln

w Mit dem Rundschreiben 4/2013 (WA) der BaFin und dem Glossar „zur Verbesserung der sprach-lichen Verständlichkeit…“ werden Verfassern und Verwendern von Produktinformationsblät-tern überwiegend nützliche Hinweise gegeben, um Erstellung und Einsatz von PIBs nicht nur auf-sichtsrechtlich konform, sondern auch anleger-gerecht zu gestalten.

181 Erste Erfahrungen: Finanzanlagenver-mittlung durch selbständige VermittlerCarolin Jagschitz, Rechtsanwältin, Rechtsabteilung Bausparkasse I Christoph Flechtner, Rechtsanwalt, Vertrieb Bausparkasse Schwäbisch Hall AG

w Ein Jahr nach Einführung der neuen Erlaubnis nach § 34f Gewo für die Vermittlung von Finanz- und Vermögensanlagen werden die ersten Erfah-rungen mit der Beantragung und Umsetzung in der Praxis dargestellt.

186 Adhäsionsverfahren: Schadensersatz-ansprüche aus Straftaten effektiv verfolgenUwe Schelske, Rechtsanwalt und Leiter Rechtsabtei-lung Kreditrecht, Sparkasse Hildesheim

w Auch Kreditinstitute sind opfer von zielgerich-teten strafbaren Handlungen und erleiden Ver-mögensschäden. Hat sich das Kreditinstitut ent-schlossen, Schadensersatzansprüche gegenüber dem täter geltend zu machen, sollte das strafrecht-liche Adhäsionsverfahren als ein Weg der effekti-ven Rechtsverfolgung bedacht werden, das der Autor mit Praxisbeispielen erläutert.

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192 Rezensionen

Demnächst im Heft

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148 CRP 07–08/2014

Kredit, Konto

Unzulässigkeit von AGB-rechtlich vereinbarten Bearbeitungsentgelten

wDer Bundesgerichtshof hat am 13.05.2014 in zwei Entscheidungen das AGB-rechtlich vereinbarte Bearbeitungsentgelt für unzu-lässig erklärt. Während im Verfahren XI ZR 405/12 das Bearbeitungsentgelt durch Verweis auf den Preisaushang des Kredit-instituts Inhalt des Vertrags wurde, ist im Verfahren XI ZR 170/13 das Bearbeitungs-entgelt bei Darlehensvertragsabschluss ver-einbart worden, wobei im Darlehensver-trag ausdrücklich festgehalten wurde, dass das Bearbeitungsentgelt für die Kapital-überlassung geschuldet wird.

Zur Begründung führt der Bundesgerichts-hof im Wesentlichen aus, dass es sich in beiden Fällen schon deswegen nicht um kontrollfreie Preishauptabreden handelt, weil das gesetzliche Leitbild des § 488 Abs. 1 BGB die Vereinbarung eines lauf-zeitunabhängigen Bearbeitungsentgelts jedenfalls dann verbietet, wenn das Bear-beitungsentgelt für tätigkeiten verlangt wird, welche das Kreditinstitut im eige-nen Geschäftsinteresse erbringt oder zu deren Erbringung es gesetzlich verpflich-tet ist. Nachdem das jeweilige Kreditinstitut das Bearbeitungsentgelt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs lediglich für tätig-keiten vereinnahmt, welche ausschließlich im eigenen Geschäftsinteresse erfolgen, liege ein Abweichen von Rechtsvorschrif-ten i. S. v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB vor mit der Konsequenz der Eröffnung der AGB-recht-lichen Kontrollfähigkeit. Da im Verfahren XI ZR 170/13 ausdrücklich im Vertrag verein-bart wurde, dass das Entgelt für die Kapital-überlassung eingenommen wird, erfolgt die Auslegung des Bundesgerichtshofs jeden-falls in diesem Verfahren gegen den Wort-laut der vertraglichen Vereinbarung, was nach hiesiger Auffassung gegen jegliche Auslegungsgrundsätze verstößt.

Auch wenn das Ergebnis beider Entschei-dungen des Bundesgerichtshofs den Gerechtigkeitsvorstellungen des Bundes-gerichtshofs sowie von Verbrauchervertre-

tern entsprechen dürfte (vgl. Strube/Fandel, BKR 2014 S. 133 ff.), vermögen die Argu-mente des Bundesgerichtshofs nicht zu überzeugen. Dies schon deshalb nicht, weil der Bundesgerichtshof in seinen beiden Entscheidungen selbst klarstellt, dass es den Kreditinstituten vom Leitbildcharak-ter des § 488 Abs. 1 BGB erlaubt ist, lauf-zeitunabhängige Bearbeitungsentgelte zu vereinbaren (so auch Becher/Krepold, BKR 2014 S. 45, 49 f. und 52; Casper/Möl-lers, BKR 2014 S. 59, 61 ff.; Haertlein, WM 2014 S. 189, 196 m. j. W. N.). Ist dem aber so, dann ist es dem Bundesgerichtshof nicht erlaubt, diesen allgemein gültigen Leit-bildgedanken des § 488 Abs. 1 BGB nach Belieben dahingehend zu verändern, dass laufzeitunabhängige Bearbeitungsentgelte nur dann vereinbart werden dürfen, wenn deren Vereinbarung mit den vom Bundes-gerichtshof selbst entwickelten fünf Fall-gruppen vereinbar ist. Denn in einem sol-chen Fall setzt der Bundesgerichtshof ganz offenkundig seine jenseits jeglicher Rechts-dogmatik entwickelte Fallgruppenrecht-sprechung über das gesetzliche Leitbild des § 488 Abs. 1 BGB, indem er den an sich nach dem Gesetz feststehenden Leitbild-charakter des § 488 Abs. 1 BGB entspre-chend seiner „Fallgruppen – Billigkeits-rechtsprechung“ einschränkt, was nach hiesiger Auffassung unzulässig ist. Erschwe-rend kommt vorliegend hinzu, dass der Bundesgerichtshof sich nicht nur über das bisher geltende gesetzliche Leitbild des § 488 Abs. 1 BGB hinwegsetzt, sondern darüber hinaus auch über eine Vielzahl sol-cher im Verbraucherdarlehensrecht ent-haltenen Vorschriften, die allesamt die Wirksamkeit der Vereinbarung eines Bear-beitungsentgelts unterstellen (vgl. dies-bezüglich die eindrucksvolle Auflistung der gesetzlichen Vorschriften bei Becher/Krepold, BKR 2014 S. 45, 49 f. und 52 ff. sowie Billing WM 2013 S. 1.829 ff.). Allein der vom Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang erfolgte Hinweis, dass es sich bei diesen Vorschriften um reines formelles Preis- bzw. Preisordnungsrecht handelt, vermag die Positionierung des Bundesgerichtshofs nicht zu rechtferti-gen. Denn selbst wenn man in der Viel-zahl der Verbraucherdarlehensvorschrif-ten lediglich reines formelles Preis- bzw.

Preisordnungsrecht sehen wollte, welche über die ABG-rechtliche Zulässigkeit von Bankentgelten nichts auszusagen vermö-gen, kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich hierbei ungeachtet dessen um „echte“ Rechtsvorschriften i. S. v. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB handelt, die bei der Defi-nition des gesetzlichen Leitbilds des Ver-braucherdarlehensrechts berücksichtigt werden müssen. Demgegenüber han-delt es sich bei der Fallgruppenrechtspre-chung des Bundesgerichtshofs um keine „echten“ Rechtsvorschriften i. S. v. § 307 Abs. 2 Satz 1 BGB, sondern ausschließlich um eine zur Verwirklichung der Billigkeits-rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelte Fallgruppenrechtsprechung, die grundsätzlich nicht geeignet ist, im Gesetz dokumentierte gesetzliche Leit-bilder außer Kraft zu setzen.

Begründen bereits § 488 Abs. 1 BGB als auch eine Vielzahl weiterer Verbraucher-darlehensvorschriften ein gesetzliches Leitbild dahingehend, dass der Darlehens-geber neben dem Zins auch ein laufzeit-unabhängiges Entgelt vereinbaren kann, dann wird dieses gesetzliche Leitbild noch einmal durch die neue, ab dem 13.06.2014 geltende Vorschrift des § 312a Abs. 3 Satz 1 BGB unterstrichen, wonach ein Bearbei-tungsentgelt bei Darlehensvertragsab-schluss mit dem Darlehensnehmer dann vereinbart werden kann, wenn dies – wie im Fall XI 170/13 – ausdrücklich erfolgt (so Schomburg VuR 2014 S. 18, 20 sowie Wendehorst NJW 2014 S. 577, 579). Dies gilt umso mehr, als das Bearbeitungs-entgelt als „Musterbeispiel“ für ein Ent-gelt i. S. v. § 312a Abs. 3 Satz 1 BGB in Bt Drs. 17/13951 S. 63 ausdrücklich ange-sprochen ist und in Bt Drs. 17/12637 S. 43 zudem hervorgehoben wird, dass ein Ent-gelt ausdrücklich auch in Form allgemei-ner Geschäftsbedingungen vereinbart werden kann.

Nachdem der Bundesgerichtshof unge-achtet vorstehender Ausführungen die AGB-rechtliche Vereinbarung eines Bear-beitungsentgelts für unzulässig erklärt hat, bleibt die Hoffnung der Kreditinsti-tute darauf, dass jedenfalls der Bundes-gerichtshof die von ihm noch zu klärende

Aktuell

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Verjährungsfrage zu Gunsten der Kredi-tinstitute entscheidet. Bisher galt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Verjährung auch bei der Verein-barung von Bankentgelten grundsätzlich mit Darlehensvertragsabschluss zu laufen beginnt und zwar unabhängig davon, ob der Darlehensnehmer die den Anspruch begründenden Umstände i. S. v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB dahingehend zutreffend würdigt, dass er die AGB-rechtliche Unwirk-samkeit des vereinbarten Entgelts erkennt (BGH WM 2010 S. 1.399, 1.401 Rn. 16 f. in seiner Gesamtbetrags- und Disagiorückzah-lungsentscheidung). ob allerdings der Bun-

desgerichtshof bei seiner diesbezüglichen Auffassung verbleibt, ist zweifelhaft. Denn in der Instanzrechtsprechung wird zum Bearbeitungsentgelt zwischenzeitlich die Auffassung vertreten, dass die Verjährung wegen Rechtsunsicherheit in Bezug auf die AGB-rechtliche Beurteilung der Wirksam-keit der Vereinbarung des Bearbeitungs-entgelts bis zum Erlass einer höchstrichter-lichen Rechtsprechung gehemmt ist, was nach hiesiger Auffassung unvertretbar ist. Denn diese Sichtweise würde dazu führen, dass der Verjährungsbeginn allein schon dann hinaus geschoben werden könnte, wenn eine konkrete Rechtsfrage in Literatur

und Rechtsprechung streitig ist bzw. wird, was gegen den ausdrücklichen Wortlaut des § 199 BGB spricht. Im Übrigen würde eine solche Sichtweise zu einer uferlosen, nicht mehr objektiv bewertbaren Ausdeh-nung der dreijährigen Grundsatzverjäh-rung führen, was dem gesetzgeberischen und in § 199 BGB dokumentierten Willen widersprechen würde, den Verjährungsbe-ginn allein an die „objektive“ Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände zu knüpfen. £

Dr. Hervé, Edelmann, Rechtsanwalt, thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

Aktuell

CRP 07–08/2014

Seminare im November 2014Kreditsicherungspraxis: Personalsicherheiten am 3. November 2013 in Frankfurt/Main

Konsortialkreditgeschäft und Sicherheitenpools am 3. November 2013 in Frankfurt/Main

Firmenkundenkreditrecht update am 4. November 2013 in Frankfurt/Main

Kreditsicherungspraxis: Sachsicherheiten am 4. November 2013 in Frankfurt/Main

Energieanlagen als Kreditsicherheiten am 5. November 2013 in Frankfurt/Main

MiFID II – die neue Welt der Anlageberatung am 10. November 2013 in Köln

Aktuelle Knackpunkte der Geldwäschebekämpfung am 18. November 2013 in Frankfurt/Main

MaComp-Brennpunkte 2014 am 19. November 2013 in Frankfurt/Main

Beurteilung der Beratungs- und Bearbeitungsqualität am 20. November 2013 in Frankfurt/Main im Privatkundengeschäft

Baufinanzierungstage 2014:Risikoanalyse Grundbuch/Grundschuld am 10. November 2013 in Frankfurt/Main

Aktuelle Rechtsfragen am 11. November 2013 in Frankfurt/Main

Fallen für die Grundschuld am 12. November 2013 in Frankfurt/Main

Beleihungswertermittlung am 13. November 2013 in Frankfurt/Main

Weitere Informationen zu den Seminaren finden Sie auf www.FC-Heidelberg.de

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150 CRP 07–08/2014

I. Einleitung

w offenen Immobilienfonds liegt ein gesetz-licher Schutzmechanismus zugrunde, der den jeweiligen Fondsgesellschaften er laubt, die Rücknahme der Anteilscheine auszu - setzen. Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Regelung ist der Schutz des Anlagevermö-gens des offenen Immobilienfonds, sofern es zu einem erhöhten Abzug von investierten Geldern durch die Anteilseigner kommt. Inso-weit steht der Kapitalanlagegesellschaft1 ein festgelegter Zeitraum zur Verfügung um ein-zelne Immobilien zu einem angemessenen Marktwert zu verkaufen und somit eine Wie-dereröffnung des Fonds zu ermöglichen. ohne einen solchen Schutzmechanismus müsste das Fondsvermögen, insbesondere bei einem nur zeitweise erhöhten Geldabfluss, unter Zeit-druck und somit möglicherweise unter Wert verkauft werden.

Die Gerichte einschließlich des XI. Zivilsenats des BGH mussten sich mit der Frage befassen, ob Anleger über das Risiko der Aussetzung der Rücknahme der Anteilscheine – bedingt durch den beschriebenen Schutzmechanis-mus – aufgeklärt werden müssen. Insbeson-dere zu Anlageempfehlungen vor dem Höhe-punkt der Finanzkrise im Herbst 2008 wurden unterschiedliche Ansichten vertreten, die zu divergierenden Urteilen führten.

Ausgangspunkt ist eine anleger- und objekt-gerechte Beratung durch den Anlageberater, der im Rahmen eines Beratungsgesprächs u. a. über diejenigen Eigenschaften und Risi-ken aufzuklären hat, die für die jeweilige Anlage entscheidung „wesentliche Bedeu-tung“ haben oder haben können2. Über the-oretische Risiken ist nicht aufzuklären, da ein Beratungsgespräch ansonsten derart mit Details überfrachtet wird, dass dem Anlagein-teressenten eine Gewichtung und Unterschei-dung der relevanten Risiken erschwert wird.

Insoweit steht und fällt eine Aufklärungs-pflicht anhand der Auslegung des unbestimm-ten Begriffs der „Wesentlichkeit“.

II. Rechtsprechung der Oberlandesgerichte

1. Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt/M.

Das oLG Frankfurt/M. sieht durch die zeit-lich begrenzte Aussetzungsmöglichkeit der Anteilscheinrückgabe ein Liquiditätsrisiko, das offenzulegen sei3. Das Liquiditätsrisiko durch die Rücknahmeaussetzung sei dabei von wesentlicher Bedeutung für den Anle-ger. Insoweit haben die Banken in den ver-wendeten Unterlagen zur Anlageberatung, dem Verkaufsprospekt sowie der Broschüre „Basisinformationen über Vermögensanla-gen in Wertpapieren“, ausdrücklich auf die mögliche Aussetzung der Rücknahme der Anteilscheine hingewiesen. Somit ergebe sich schon bei formaler Betrachtung die Bedeutung der Aussetzungsmöglichkeit für die Anlageentscheidung4. Da es Ende 2005/Anfang 2006 zu vereinzelten Schließungen bei offenen Immobilienfonds kam, sei das Schließungs risiko auch nicht als theoretisches Risiko einzustufen. Für die Relevanz eines Risi-kos sei nämlich entscheidend, ob dieses tat-sächlich schon aufgetreten ist5. Insoweit seien die begründeten Risiken in der Struktur einer Anlage jedenfalls dann offen zu legen, wenn sich diese vor dem Anlagezeitpunkt – wenn auch nur vereinzelt – realisiert haben6. Auch der ersatzweise Verkauf der Anteile an der Börse sei nicht dazu geeignet, das bestehende Liquiditätsrisiko zu verringern oder aufzuhe-ben, da der Börsenverkauf zu niedrigeren Preisen als bei einer ordnungsgemäßen Rück-gabe an die Kapitalanlagegesellschaft führe7. Für den Anleger sei es nämlich von wesent-licher Bedeutung, zu welchen Bedingungen

Geschlossene offene Immobilienfonds

Autor:

Dr. Stephan Bausch, D.U., Rechtsanwalt und Partner,

Dispute Resolution, Tätigkeitsschwer-punkt: Prozessführung in bank- und

kapitalmarktrechtlichen Streitig - keiten, Luther Rechtsanwalts-

gesellschaft mbH, Köln und

Torsten Limberg, Rechtsanwalt, Banking, Finance &

Captial Markets, Tätigkeitsschwer - punkt: Prozessführung und

Finanzierung, Luther Rechtsanwalts-gesellschaft mbH, Frankfurt/M.

Aufklärungspflicht über das Aussetzungsrisiko im Rahmen der Anlageberatung

Diskutieren Sie zum Thema dieses Beitrags mit anderen BankPraktikern in unserem

FCH Blog: blog.fc-heidelberg.de

Diesen Beitrag finden Sie dort unter der Rubrik:

Bankrecht/Sanierung/Insolvenz.

1 Nach Einführung des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) wurde der Begriff durch Kapitalverwal-tungsgesellschaft ersetzt.

2 BGH, Urt. v. 26.06.2012 – XI ZR 316/11, juris, Rn. 16.

3 oLG Frankfurt, Urt. v. 13.02.2013 – 9 U 131/11, juris, Rn. 22 ff.

4 oLG Frankfurt, a. a. o. (Fn. 3), Rn. 23.5 oLG Frankfurt, a. a. o. (Fn. 3), Rn. 28.6 oLG Frankfurt, a. a. o. (Fn. 3), Rn. 29.7 oLG Frankfurt, a. a. o. (Fn. 3), Rn. 24.

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die Kapitalanlage verkauft bzw. zurückge-nommen werden kann.

2. Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Dresden

Demgegenüber stufte das oLG Dresden das Risiko einer vorübergehenden Aussetzung bis zum März 2008 als eher theoretisch ein8. Das oLG stellte anhand allgemein zugänglicher und offenkundiger tatsachen fest, dass es bis zum März 2008 zu keiner unbefristeten Aus-setzung der Anteilscheinrückgabe gekommen war und offene Immobilienfonds in über 50 Jahren keine Verluste erzielt hatten9. Lediglich wenige vorübergehende Schließungen ein-zelner offener Immobilienfonds seien Ende 2005/Anfang 2006 zu verzeichnen gewesen, deren Anteilswert während der Schließung nicht gesunken war. Nach Beendigung der Schließung konnten die Anleger ihre Anteile wieder an die Fondsgesellschaft zurückgeben. Ein Kapitalverlustrisiko allein aus der vorüber-gehenden Schließung war daher zum Anla-gezeitpunkt eher theoretischer Natur10. Dar-über hinaus bestand zum Anlagezeitpunkt keine Aufklärungspflicht aus § 42 Abs. 1 Nr. 12 Investmentgesetz (a. F.). Das Investmentge-setz sah keine ungefragte Übergabeverpflich-tung des Prospekts, der einen Hinweis auf das Schließungsrisiko enthält, vor. Dem Anleger musste im maßgeblichen Anlagezeitpunkt der Prospekt lediglich angeboten werden (§ 121 Abs.1 Satz 3 InvG a. F.). Insoweit könne keine zwingende Aufklärungspflicht aus der Rege-lung bzw. dem Investmentgesetz abgeleitet werden11. Vielmehr stellte das Investmentge-setz durch die Aussetzung der Rücknahme der Anteilscheine eine Schutzmaßnahme zuguns-ten der Anleger bereit, durch die ein Kapi-talverlust gerade vermieden werden sollte. Dieser Schutzmechanismus stelle jedoch kein aufklärungspflichtiges Risiko dar, welches den Anleger im Zeitpunkt der Anlageentscheidung nach vernünftigem Ermessen beeinflusst hätte12. Das Liquiditätsrisiko, wie und ob der Anleger auch kurzfristig an sein angelegtes Geld gelangt, bestehe aufgrund eines funktio-nierenden Börsenhandels gerade nicht und sei ein wesentlicher Unterschied zu geschlosse-nen Immobilienfonds in Form einer unterneh-merischen Beteiligung, bei denen eine Anteils-veräußerung praktisch ausgeschlossen sei13. Zusammenfassend würde daher die Aufklä-

rung über das eher theoretische Risiko, wäh-rend eines kurzen Zeitraums die Anteile nicht zurückgeben, sondern diese – möglicherweise mit geringen Verlusten – nur an der Börse ver-äußern zu können, zu einer Detailüberfrach-tung des Beratungsgesprächs führen. Dem Anlageinteressenten wäre somit die Unter-scheidung zwischen relevanten und eher theoretischen Risiken erschwert14.

Darüber hinaus müsse über das Risiko einer dauerhaften Schließung und Abwicklung zum Anlagezeitpunkt nicht aufgeklärt werden, da dies bis zum maßgeblichen Anlagezeitpunkt noch nicht vorgekommen war15.

3. Rechtsprechung des Schleswig- Holsteinischen Oberlandesgerichts

Auch das Schleswig-Holsteinische oLG, dessen Urteil nicht Gegenstand der aktuellen BGH-Entscheidungen war und sich auf einen Multi-Asset-Fonds (mit einem Anlageschwerpunkt in offenen Immobilienfonds) bezog, schloss sich im Wesentlichen der Argumentation des oLG Dresden an16. Anhand der Aussagen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf-sicht stellte das Gericht fest, dass bis zur Finanzkrise im oktober 2008 mit der vorü-bergehenden Aussetzung der Anteilschein-rücknahme kein Kapitalverlustrisiko ver-bunden gewesen ist17. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erklärte in einem Jahresbericht, dass die Ende 2005/Anfang 2006 erfolgten Aussetzungen der Rücknahme der Anteilscheine innerhalb von drei Monaten durch die Kapitalanlagege-sellschaften wieder aufgehoben wurden18. Ferner hatte die vorübergehende Schlie-ßung das erwirtschaftete Ergebnis der offe-nen Immobilienfonds nicht nachhaltig beein-trächtigt. Vielmehr verbesserte sich der Rücknahmepreis um ein Prozent zum Vor-jahr19. Auch eine gemeinsame Erklärung, u. a. verfasst vom Bundesfinanzministerium und der Deutschen Bundesbank, gab wieder, dass offene Immobilienfonds seit mehr als 40 Jahren über alle Marktzyklen hinweg eine wertstabile Anlage darstellten und eine vorübergehende Schließung einzelner Fonds nichts mit der Qualität des Produkts an sich zu tun habe.

Somit habe nur ein vorübergehendes, befris-tetes Liquiditätsrisiko bestanden, das entspre-

8 oLG Dresden, Urt. v. 15.11.2012 – 8 U 512/12, juris, Rn. 34 ff.

9 oLG Dresden, a. a. o. (Fn. 8), Rn. 19.10 oLG Dresden, a. a. o. (Fn. 8), Rn. 37.11 oLG Dresden, a. a. o. (Fn. 8), Rn. 38.12 oLG Dresden, a. a. o. (Fn. 8), Rn. 37.13 oLG Dresden, a. a. o. (Fn. 8), Rn. 39.14 oLG Dresden, a. a. o. (Fn. 8), Rn. 39.15 oLG Dresden, a. a. o. (Fn. 8), Rn. 40.16 Schleswig-Holsteinische oLG, Urt. v. 19.09.2013

– 5 U 34/13, juris, Rn. 55 ff.17 Schleswig-Holsteinische oLG, a. a. o. (Fn. 16),

Rn. 70.18 Schleswig-Holsteinische oLG, a. a. o. (Fn. 16),

Rn. 63.19 Schleswig-Holsteinische oLG, a. a. o. (Fn. 16),

Rn. 63.

» Die Schließung begründe ein Liquiditätsrisiko, das dem Anleger im Rahmen der Anlage­entscheidung bewusst sein müsse. «

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chend den Erfahrungen aus der Vergangenheit – am Anfang des Jahres 2006 – hauptsächlich dem Schutz der Anleger diente und von seiner Risikointensität eher theoretischer Natur war20.

III. Aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

Der XI. Zivilsenat des BGH entschied im Rahmen der Revisionsverfahren (Urt. v. 29.04.2014, Az.: XI ZR 477/12 und XI ZR 130/13) hinsicht-lich der divergierenden Entscheidungen des oLG Dresden und des oLG Frankfurt/M., dass die Aufklärung über die Möglichkeit der Rück-nahme der Anteilscheine für den Anleger von wesentlicher Bedeutung sei und eine Aufklä-rungspflicht bestehe21. ob die Regelung hin-sichtlich der Schließungsmöglichkeit gem. § 81 InvG a. F. dem Schutz der Anleger diene, könne dahinstehen. Richtig sei, dass eine Aussetzung der Rücknahme der Anteilscheine der Gefahr einer wirtschaftlich nicht sinnvollen Verwer-tung des Fondsvermögens vorbeugen soll. Dennoch begründe die Schließung ein Liquidi-tätsrisiko, das während der gesamten Investiti-onsphase besteht und dem Anleger im Rahmen der Anlageentscheidung bewusst sein müsse. Insofern sei darüber aufzuklären. Die Mög-lichkeit, über die Börse Anteile zu verkaufen, stelle aufgrund spekulativer Elemente sowie der damit einhergehenden Preisschwankun-gen kein Äquivalent zur Rückgabe der Anteile zu einem gesetzlich geregelten Preis dar22.

Darüber hinaus blieb offen, ob die Übergabe der Broschüre „Basisinformationen über Ver-mögensanlagen in Wertpapieren“ – die einen eindeutigen Hinweise auf das Risiko der Rück-nahmeaussetzung enthielt – ca. sieben Monate vor der Anlageberatung – zeitnah erfolgte und somit eine schriftliche Aufklärung vorlag.

Notwendig für die Übergabe der Basisinforma-tionen sei jedoch ein konkreter Zusammen-hang zur Anlageentscheidung, der vorliegend nicht bestanden habe23. Ferner weisen die Basisinformationen lediglich darauf hin, dass die Vertragsbedingungen des offenen Immo-bilienfonds eine Rücknahmeaussetzung vor-sehen können. Insoweit sei der Anleger münd-lich oder schriftlich durch das fondsbezogene Infomaterial darüber aufzuklären, ob eine kon-krete Regelung zu Rücknahmeaussetzung in

den Vertragsbedingungen des zu erwerben-den offene Immobilienfonds enthalten ist24.

Auch sei die Aufklärungspflichtverletzung fahrlässig erfolgt. Die Aufklärungspflichtige bzw. die Bank hat darzulegen und zu bewei-sen, dass sie eine Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Hierbei hat sie bereits für Fahr-lässigkeit einzustehen. Ein unvermeidbarer Rechtsirrtum, der eine Haftung wegen Fahrläs-sigkeit entfallen lassen könnte, sei vorliegend – mangels hinreichender Darlegung der Bank – nicht gegeben. Überdies sei im Juli 2008 bereits erkenntlich gewesen, dass es sich bei dem Aussetzungsrisiko um eine aufklärungs-pflichtige Eigenschaft des offenen Immobili-enfonds handelte. Hierfür würde ein Flyer des offenen Immobilienfonds sprechen, der das Aussetzungsrisiko auf der titelseite beschrieb und im Juli 2008 auch im Rahmen der Anlage-beratung verwendet wurde25.

IV. Kommentar zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Für die Frage der Aufklärungspflicht kommt es im Ergebnis maßgeblich darauf an, ob es sich bei einer vorübergehenden Aussetzung der Anteilscheinrückgabe (die zeitlich unbe-fristete Aussetzung war aus damaliger ex ante Sicht ohnehin theoretisch) um einen so gra-vierenden Nachteil handelt, dass der Anleger hierüber aufzuklären ist. Dies kann entgegen der Auffassung des BGH und des oLG Frank-furt mit guten Argumenten bezweifelt werden.

Ein Liquiditätsrisiko besteht, sofern die Fonds-anteile der Anleger nicht zeitnah in Barmittel umgewandelt werden können. Mit Blick auf den bestehenden Zweitmarkt war das Liqui-ditätsrisiko jedoch theoretischer Natur, da eine Umwandlung in Barmittel jederzeit mög-lich war. Es verblieb lediglich das Risiko, für einen befristeten Zeitraum Anteilscheine nur mit einem Abschlag verkaufen zu können. Es geht also tatsächlich nicht um ein Liquiditäts-risiko, sondern um das Risiko eines durch die Veräußerung am Sekundärmarkt bedingten, beschränkten Kapitalverlustrisikos. Dieses Risiko ist dem Anleger auch von Anfang an regelmäßig bewusst gewesen. Im Rahmen des Anteilskaufs hatte der Anleger einen Aus-gabeaufschlag sowie im Anschluss eine jähr-

20 Schleswig-Holsteinische oLG, a. a. o. (Fn. 16), Rn. 70.

21 BGH, Beschl. v. 29.04.2014 – XI ZR 130/13, juris, Rn. 21.

22 BGH, a.a.o. (Fn. 21), Rn. 21 ff., Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle, Nr. 68/2014 vom 29.04.2014.

23 BGH, a.a.o. (Fn. 21), Rn. 30 ff.24 BGH, a.a.o. (Fn. 21), Rn. 31 ff.25 BGH, a.a.o. (Fn. 21), Rn. 35 ff.

» Es geht tatsächlich nicht um ein

Liquiditätsrisiko, sondern um das

Risiko eines durch die Veräußerung

am Sekundär­markt bedingten,

beschränkten Kapital­verlustrisikos. «

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liche Gebühr zu entrichten. Dem Anleger war es daher nicht möglich, seine Anteile ohne Kapitalverlust in Form des Ausgabeaufschlags sowie der Jahresgebühren in den ersten zwei bis drei Jahren – je nach Ertrag des Fonds –an die Kapital anlagegesellschaft zurückzuge-ben. Dies war dem Anleger auch ohne weite-res erkennbar. Somit war dem Anleger bewusst, dass er die Fondsanteile über einen längeren Zeitraum halten muss, um einen Kapitalver-lust zu vermeiden. Im Umkehrschluss kann der Anleger somit nicht argumentieren, dass er die Anteile nicht gekauft hätte, sofern ihm bewusst gewesen wäre, dass er die Anteile nicht jeder-zeit ohne Kapitalverlust an die Kapitalanla-gegesellschaft zurückgegeben kann. Viel-mehr musste die Bank davon ausgehen, dass der Anleger durchschnittlich drei Jahre und damit mittel- bis langfristig anlegen wollte, um sein Kapital nicht mit Verlust zurückgeben zu müssen. Somit blieb es dem Anleger nach damaligem Sachstand auch unbenommen, die Wieder eröffnung des Fonds abzuwarten, um die Anteile dann zum vollen Preis zurückzuge-ben. Mit Blick auf die von Anfang an erkenn-bare Mindestdauer der Anlage liegt es daher näher, das Risiko der vorübergehenden Fonds-schließung als für die Anlageentscheidung von nicht so wesentlicher Bedeutung anzuse-hen, als dass hierüber hätte aufgeklärt werden müssen. Jedenfalls aber wären – eine Aufklä-

rungspflicht dem Grunde nach unterstellt – die Anforderungen an die Erfüllung dieser Pflicht unter Berücksichtigung des aus damaliger Sicht auch im Falle der vorübergehenden Schließung nicht zwingend vom Anleger endgültig hinzu-nehmenden Abschlags herabgesetzt. Unwe-sentliche Risiken wie dasjenige der vorüber-gehenden Schließung – d. h. eines temporär im Falle des (nicht zwingenden) Anteilsver-kaufs hinzunehmenden Verlusts – hätten folg-lich jedenfalls nicht an prominenter Stelle her-vorgehoben werden müssen.

V. Auswirkungen für die Praxis

Unter Zugrundelegung der aktuellen BGH-Ent-scheidung besteht durch die einschlägigen Regelungen des InvG a.F. bei offenen Immo-bilienfonds grundsätzlich ein (Liquiditäts-)Risiko, das aufklärungspflichtig ist. Auch nach dem das InvG außer Kraft getreten ist, bleibt die Aufklärung gemäß § 257 KAGB für künftige Fälle relevant.

Gemäß § 43 WpHG a. F. ist § 37a WpHG in der bis zum 04.08.2009 geltenden Fassung auf Scha-densersatzansprüche im Zusammenhang mit Anlagegesprächen anzuwenden. Insoweit dürf-ten geltend gemachte Schadensersatzansprü-che häufig nach § 37a WpHG a. F. verjährt sein. £

Beitrag

PRAxISTIPPS

trotz der vom BGH vertretenen Aufklärungspflicht über die Rücknahmeaussetzung könnten Schadensersatzansprüche unter folgenden Voraussetzungen unbegründet sein:

� Eine Aufklärungspflicht des Anlegers besteht nur, sofern dieser auch aufklärungspflichtig ist. Ist der Anleger bereits aus-reichend erfahren und verfügt er über ausreichende Kenntnisse, bedarf es keiner Aufklärung mehr26. Dies gilt erst recht, sofern der Anleger durch sein früheres Anlageverhalten bereits Erfahrungen mit der jeweiligen Anlageform gesammelt hat27. Insoweit darf die beratende Bank davon ausgehen, dass dem Anleger die mit der Anlage verbundenen Risiken bekannt sind28.

26 oLG Nürnberg, Beschl. v. 19.11.2012 – 4 U 512/12, juris, Rn. 9.

27 oLG Nürnberg, a. a. o. (Fn. 27), Rn. 9; Schleswig-Holsteinische oLG, Beschl. v. 27.01.2012 – 5 U 70/11, MDR 2012 S. 534.

28 oLG Düsseldorf, Urt. v. 16.12.2010 – I-6 U 200/09, 6 U 200/09, juris, Rn. 76; WM 2011 S. 399, 403.

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PRAxISTIPPS

� Die Pflichtverletzung in Form der unterlassenen Aufklärung des Anlegers muss ursächlich für dessen Schaden sein (haf-tungsbegründende Kausalität)29. Im Rahmen der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens hat die beratende Bank zu beweisen, dass der Anleger – bei Unterstellung einer ordnungsgemäßen Beratung – die Kapitalanlage dennoch erwor-ben hätte. Unter anderem durch Vernehmung des Klägers als Partei, Zeugen oder Urkunden können Angaben zu äuße-ren Umständen in Erfahrung gebracht werden, die im Rahmen eines Indizienbeweises Rückschlüsse auf den zu bewei-senden inneren Vorgang des Klägers zulassen.

� Im Jahr 2008 mussten die meisten offenen Immobilienfonds die Rücknahme der Anteilscheine im Rahmen der Finanzkrise aussetzen. Die Wiedereröffnung der Rücknahmeaussetzung erfolgte Mitte 2009. Somit konnten die Anteile der meisten offenen Immobilienfonds bis zur zweiten Schließungswelle Mitte 2010 zum Preis der Kapitalanlagegesellschaft zurück-geben werden. Die Bank ist außerhalb einer Vermögensverwaltung nicht verpflichtet, eine Kapitalanlage für den Anle-ger fortlaufend zu beobachten und den Anleger im Falle einer ungünstigen Entwicklung zu warnen30. Im Umkehrschluss ist – insbesondere unter Zugrundelegung der allgemeinen Lebenserfahrung – davon auszugehen, dass der Anleger seine Kapitalanlage beobachtet. Dies gilt umso mehr, da die wirtschaftliche Entwicklung einer Kapitalanlage in der Risi-kosphäre des Anlegers liegt31. Insoweit ist davon auszugehen, dass der Anleger die Rücknahmeaussetzung sowie die Wiedereröffnung im Jahr 2009 im Rahmen der Beobachtung seiner Kapitalanlage wahrgenommen hat. Unterlässt der Anleger nach der ihm bewussten Rücknahmeaussetzung die Rückgabe der Anteile an die Kapitalgesellschaft, lässt dies im Rahmen eines Indizienbeweises den Rückschluss zu, dass der Anleger den Fonds auch bei einer Aufklärung über die Rücknahmeaussetzung erworben hätte.

� Überdies kam es dem Anleger aufgrund des Ausgabeaufschlags und der Jahresgebühr auf eine mittel- bis langfristige Anlagezeit von durchschnittlich drei Jahren an, um einen Kapitalverlust zu vermeiden. Insoweit kann davon ausgegan-gen werden, dass der Anleger den Fonds auch erworben hätte, sofern er über das Schließungsrisiko und somit darüber aufgeklärt worden wäre, den Fonds u. U. für eine kürze Zeit nicht zurückgeben bzw. nur mit Kapitalverlust veräußern zu können. Daher ist die unterlassene Aufklärung über das Schließungsrisiko nicht ursächlich für den Schaden des Anlegers. Zumindest liegt jedoch ein widersprüchliches Verhalten des Anlegers vor, sofern sich dieser im Beratungsgespräch für eine Anlage entscheidet, die er regulär drei Jahre halten muss, um einen Kapitalverlust zu vermeiden, und sich im Pro-zess darauf beruft, den offenen Immobilienfonds nicht hätte kaufen zu wollen, sofern er diesen nicht jederzeit – ohne Kapitalverlust – an die Kapitalanlagegesellschaft zurückgeben könnte. Insoweit muss in dem widersprüchlichen Verhal-ten, das eine Fallgruppe des § 242 BGB darstellt, auch ein Indiz für das Fehlen der Kausalität gesehen werden. Der Anle-ger hat somit darzulegen, warum die fehlende Aufklärung ursächlich für den Schaden sein soll.

� Fand das Beratungsgespräch bis zum 04.08.2009 statt, sollte die Einrede der Verjährung mit Verweis auf § 37a WpHG a. F. erhoben werden. Ansprüche aus fehlerhafter Anlageberatung verjähren gem. § 37a WpHG a. F. binnen drei Jahren ab Anspruchsentstehung. Der Anspruch entsteht bereits mit Erwerb der Anlage32. Zu beachten ist jedoch, dass bei einer vorsätzlichen Beratungspflichtverletzung § 37a WpHG a. F. nicht zur Anwendung kommt33. Es bleibt bei der Regelverjäh-rung gem. §§ 195, 199 BGB34. Die Bank muss darlegen und beweisen, dass die Falschberatung nicht vorsätzlich erfolgt ist35. Zum Vorsatz gehört sowohl die Kenntnis der tatbestandsmerkmale als auch das Bewusstsein der Rechtswidrig-keit36. Liegt ein Rechtsirrtum vor, entfällt die vorsätzliche Haftung37. Da in der Rechtsprechung der oberlandesgerichte umstritten war, ob eine Aufklärungspflicht über das Aussetzungsrisiko geschuldet ist oder nicht, durfte die Bank davon ausgehen, nicht über das Aussetzungsrisiko aufklären zu müssen38. Überdies – abhängig vom Zeitpunkt der Anlagebe-ratung – ist es möglich, dass eine entsprechende Aufklärungspflicht in Schrifttum und Rechtsprechung nicht einmal im Ansatz diskutiert wurde. Dass die Bank in einem solchen Zeitpunkt die entsprechende Pflicht nicht erkennen konnte, kann ihr nicht vorgeworfen werden. Insofern läge sogar ein unvermeidbarer Rechtsirrtum vor.

29 BGH, Urt. v. 08.05.2012 – XI ZR 262/10, juris, Rn. 28.

30 BGH, Urt. v. 08.03.2005 – Az.: XI ZR 170/04, juris, Rn. 21; WM 2005 S. 929.

31 LG Lübeck, Urt. v. 23.06.2013 – Az.: 3 o 442/12.

32 BGH, a. a. o. (Fn. 30), Rn. 14.33 BGH, a. a. o. (Fn. 30), Rn. 25.34 BGH, a. a. o. (Fn. 30), Rn. 25.35 BGH, Urt. v. 12.05.2009 – XI ZR 586/07, WM 2009

S. 1.274-1.276.

36 BGH, Urt. v. 19.12.2006 – XI ZR 56/05, juris, Rn. 25.37 BGH, Beschl. v. 29.6.2010 – XI ZR 308/09, juris,

Rn. 3.38 oLG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 07.01. 2014

– Az.: 5 U 98/13.

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156 CRP 07–08/2014

I. Einleitung

w Im Zuge der Umsetzung der EU-Verbrau-cherrechterichtlinie1 in das deutsche Recht2 ändern sich die bisherigen Regelungen für besondere Vertriebsformen, die gesetzlichen Vorschriften zur Erfüllung von vorvertrag-lichen Informationspflichten und die Vor - gaben für die Widerrufsbelehrung. Schließlich werden auch die Regelungen über verbundene und zusammenhängende Verträge neu gefasst. Entsprechend den Vorgaben der EU-Verbrau-cherrechterichtlinie werden die künftigen Regelungen für die vorvertraglichen Informa-tionspflichten und für das Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlosse-nen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen weitgehend angeglichen. Dies gilt auch für die von der EU-Verbraucherrechterichtlinie nicht erfassten Verträge über Finanzdienstleistun-gen (vgl. Art. 246b BGB n. F.). Hier hat der deut-sche Gesetzgeber die Vorgaben der Fernabsatz - finanzdienstleistungsrichtlinie3, die durch die EU-Verbraucherrechterichtlinie nicht aufge-hoben wird, grundsätzlich auch auf außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge über Finanzdienstleistungen erstreckt. Diese Angleichung soll zu einer Erleichterung für den Unternehmer führen4. Die ersten Erfahrun-gen bei der Umsetzung der neuen Regelungen zeigen jedoch, dass der daraus resultierende Vorteil sich in Grenzen hält. Die neuen vorver-traglichen Informationspflichten bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträ-gen führen zunächst einmal zu einem Mehr-aufwand für die Kreditinstitute. Dieser wird auch nicht dadurch kompensiert, dass künf-tig die Kreditinstitute bei Finanzdienstleis-tungen grundsätzlich nicht mehr zwischen den einzelnen Vertriebswegen unterscheiden müssen. Denn trotz einer gewissen Rechtsan-gleichung kann von einer einheitlichen Ver-tragsdokumentation für alle Vertriebswege nicht die Rede sein.

Die neuen Regelungen traten mit Wirkung zum 13.06.2014 in Kraft und führen zu zahl-reichen Anpassungsnotwendigkeiten. Der Bei-trag stellt wesentliche Änderungen durch die Umsetzung der EU-Verbraucherrechterichtli-nie in das deutsche Recht dar und zeigt deren Auswirkungen auf die Vertriebspraxis und die Vertragsdokumentation auf. Für Immobi-liardarlehensverträge (§ 503 BGB) sind durch die bevorstehende Umsetzung der Richtlinie über Wohnimmobilienkreditverträge5 weitere Anpassungsnotwendigkeiten zu erwarten6.

II. Anwendungsbereich der neuen gesetzlichen Vorschriften über besondere Vertriebsformen

Die neuen gesetzlichen Regelungen für beson-dere Vertriebsformen sind in den §§ 312 ff. BGB n. F. geregelt und finden gem. § 312 Abs. 1 BGB n. F. Anwendung, wenn es sich bei dem frag-lichen Vertrag um einen Verbrauchervertrag (§ 310 Abs. 3 BGB) handelt, der eine entgelt-liche Leistung des Unternehmers zum Gegen-stand hat und kein Ausnahmetatbestand (z. B. i. S. v. § 312 Abs. 2 BGB n. F.) vorliegt. Sie gelten nur für Verträge, die ab dem 13.06.2014 geschlossen werden (vgl. Art. 229 § 32 Abs. 1 EGBGB). Auf vor dem 13.06.2014 abgeschlos-sene Verträge finden die bisherigen Regelun-gen Anwendung7.

1. Verbrauchervertrag

Ein Verbrauchervertrag i. S. d. § 310 Abs. 3 BGB liegt vor, wenn es sich um einen Vertrag zwischen einem Verbraucher (§ 13 BGB) und einem Unternehmer (§ 14 BGB) handelt. Nach der ab dem 13.06.2014 geltenden neuen Defi-nition des Verbraucherbegriffs ist Verbrau-cher jede natürliche Person, die ein Rechtsge-schäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selb-

Neues Vertriebsrecht für Kreditinstitute

Autor:

Christian Merz,Rechtsanwalt, CLOUTH & PARTNER

Rechtsanwälte, Frankfurt/M.

Auswirkungen der Umsetzung der EU-Verbraucherrechterichtlinie auf den Vertrieb von Bankprodukten.

Diskutieren Sie zum Thema dieses Beitrags mit anderen BankPraktikern in unserem

FCH Blog: blog.fc-heidelberg.de

Diesen Beitrag finden Sie dort unter der Rubrik:

Vertrieb/Wertpapiergeschäft/ Beauftragte.

1 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Par-laments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, ABl. Nr. L 304/64 v. 22.11.2011; siehe hierzu Janal WM 2012, 2.314.

2 Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechte-richtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung v. 20.9.2013, BGBl. I 2013, 3.642.

3 Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parla-ments und des Rates v. 23.9.2002 über den Fern-absatz von Finanzdienstleistungen an Verbrau-cher, ABl. Nr. L 271/16 v. 9.10.2002.

4 Bt-Drucks. 17/12637, S. 33.5 Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Par-

laments und des Rates vom 04.02.2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbrau-cher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010, ABl. Nr. L 60/43 v. 28.2.2014.

6 König, cRP 2014, 16; König, WM 2013, 1.688.7 Siehe hierzu Beule/Merz, Rechtshandbuch Bank-

vertrieb, 1. Aufl. 2013.

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ständigen beruflichen tätigkeit zugerechnet werden kann. Diese Definition gilt künftig für alle Verbraucherverträge und damit auch für Verbraucherdarlehen i. S. d. § 491 BGB. Neu an der gesetzlichen Definition ist, dass sie auf den überwiegenden Zweck der Nutzung abstellt. Nicht jeder private Zweck, der bei Abschluss eines Vertrags mit verfolgt wird, führt damit zur Anwendbarkeit von verbraucherschützenden Vorschriften. Dies entspricht einer bereits bis-lang vertretenen Auffassung, die für die Frage der Einstufung als Verbrauchervertrag auf den über wiegenden Zweck der Nutzung abgestellt hat8. In Fällen der Mischnutzung (sog. „Dual-use-Verträge“) unterliegt ein Vertrag nach der neuen gesetzlichen Definition also nur dann den verbraucherschützenden Regelun-gen, wenn der private Zweck im Vergleich zu dem ebenfalls verfolgten gewerblichen oder selbständigen beruflichen Zweck überwiegt9.

Für die Bankpraxis führt diese Gesetzes-änderung jedoch nur bedingt zu mehr Rechts-sicherheit. Es stellt sich zunächst die Frage, welche Zwecke eine natürliche Person mit einem Vertragsschluss verfolgt. Zu berück-sichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass rechtsgeschäftliches Handeln einer natür-lichen Person grundsätzlich als Verbraucher-handeln eingestuft wird, es sei denn, es liegen Umstände vor, nach denen das Handeln aus der Sicht des Kreditinstituts eindeutig und zweifelsfrei einer gewerblichen oder selbstän-digen beruflichen tätigkeit zuzurechnen ist10. Im Vorfeld eines Vertragsschlusses dürfte für das Kreditinstitut jedoch nicht immer einfach zu bestimmen sein, welche Zwecke in welchem Umfang verfolgt werden, zumal bei verbleiben-den Zweifeln, welcher Sphäre ein Handeln einer natürlichen Person zuzuordnen ist, die Recht-sprechung zu Gunsten der Verbrauchereigen-schaft entschieden hat11. ob die Einholung einer formularmäßigen Bestätigung über einen (überwiegenden) gewerblichen oder selbstän-digen beruflichen Zweck als Lösungsansatz in Betracht kommen kann, ist offen. Es stellt sich in diesem Zusammenhang u. a. die Frage, ob eine solche Bestätigung mit den Vorschriften des § 309 Nr. 12b BGB oder des § 312k Abs. 1 BGB n. F. vereinbar ist.

Nach der neuen gesetzlichen Definition stellt sich bei Verträgen mit doppeltem Zweck weiter die Frage, wann der (auch) verfolgte gewerb-

liche Zweck überwiegt. Der Wortlaut in § 13 BGB n. F. spricht dafür, dies bereits dann anzu-nehmen, wenn die natürliche Person zu mehr als der Hälfte gewerbliche Zwecke mit dem Vertragsschluss verfolgt. Im Umkehrschluss würde dies bedeuten, dass die Verbraucher-eigenschaft erst dann bejaht würde, wenn die mitverfolgten privaten Zwecke eine Quote von mehr als 50% ausmachen. ob die Schwelle für die Annahme von Verbraucherhandeln jedoch derart hoch angesetzt werden kann, ist trotz des Gesetzeswortlauts offen. Zwar steht die neue Definition im Einklang mit Erwä-gungsgrund 17 der EU-Verbraucherrechte-richtlinie und mit Erwägungsgrund 12 der EU-Wohnimmobilienkreditvertragsrichtlinie.

Die Gesetzesbegründung ermöglicht jedoch eine Auslegung, auch bereits bei einem gerin-geren Anteil des privaten Zwecks die Ver-brauchereigenschaft zu bejahen. Danach soll eine natürliche Person schon dann in den Genuss der verbraucherschützenden Regelun-gen kommen, wenn der private Zweck im Ver-gleich mit dem ebenfalls verfolgten gewerb-lichen Zweck nicht gänzlich unbedeutend ist12. Vor diesem Hintergrund ist auch für die künf-tige Bankpraxis zu empfehlen, bei natürlichen Personen im Zweifel von der Verbrauchereigen-schaft auszugehen.

2. Entgeltliche Leistung des Unternehmers

Die neuen gesetzlichen Regelungen für beson-dere Vertriebsformen setzen nach ihrem Wort-laut weiter voraus, dass der Verbrauchervertrag eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand hat (§ 312a Abs. 1 BGB n.F.). Entgegen der Vorgabe in der EU-Verbraucher-rechterichtlinie, die Finanzdienstleistungen insgesamt aus deren Anwendungsbereich ausklammert13, hat sich der deutsche Gesetz-geber dafür entschieden, grundsätzlich auch Finanzdienstleistungen bei der Umsetzung der EU-Verbraucherrechterichtlinie in die neuen gesetzlichen Vorschriften mit einzubeziehen. Nach der Legaldefinition in § 312 Abs. 5 BGB n. F. fallen unter Finanzdienstleistungen Bank-dienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelper-sonen, Geldanlage oder Zahlung. Diese Defi-nition, die aus der Fernabsatzfinanzdienst-

» Es ist für die künftige Bankpraxis zu empfehlen, bei natürlichen Personen im Zweifel von der Verbrauchereigen­schaft auszugehen. «

8 oLG celle, Urt. v. 11.8.2004, 7 U 17/04, NJW-RR 2004, 1645, 1646; Sauer in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 13 BGB, Rz. 19; vgl. auch EuGH, Urt. v. 20.1.2005, c-464/01, NJW 2005, 653.

9 Bt-Drucks. 17/13951, S. 96.10 BGH, Urt. v. 30.9.2009, VIII ZR 7/09, NJW 2009,

3.780; Merz in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapi-talmarktrecht, Rn. 10.15.

11 BGH, Urt. v. 30.9.2009, VIII ZR 7/09, NJW 2009, 3.780; vgl. auch zur alten Rechtslage: Bt-Drucks. 11/5462, S. 17.

12 Bt-Drucks. 17/12637, S. 46.13 Art. 3 Abs. 3b der Richtlinie 2011/83/EU, a.a.o.

(Fn. 1).

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leistungsrichtlinie14 wörtlich übernommen wurde und mit der bisherigen für den Bereich der Finanzdienstleistungen im Fernabsatz gel-tenden Definition (§ 312b Abs. 1 S. 2 BGB) iden-tisch ist, gilt künftig auch für die anderen beson-deren Vertriebsformen wie für die „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge“.

Der Begriff der Finanzdienstleistungen i. S. d. § 312 Abs. 5 BGB n. F. enthält keine allgemein-gültige Erläuterung des Begriffs, sondern es werden bestimmte Rechtsgeschäfte aufge-zählt, die als Finanzdienstleistungen zu verste-hen sind. Diese Aufzählung ist jedoch nur bei-spielhaft und nicht abschließend, auch wenn sich dieses Verständnis nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 312 Abs. 5 BGB n.F. ergibt15.

Dies folgt jedoch aus der gebotenen richtlinien-konformen Auslegung des Begriffs der Finanz-dienstleistungen. Nach der Fernabsatzfinanz-dienstleistungsrichtlinie16 ist der Begriff der Finanzdienstleistung weit auszulegen, da nach deren Erwägungsgrund 14 Finanzdienstleistun-gen jeder Art von der Richtlinie erfasst werden, die im Fernabsatz erbracht werden können. Die Definition der Finanzdienstleistung i. S. d. § 312 Abs. 5 BGB n. F. ist damit weiter gefasst als die in § 1 Abs. 1a KWG17.

Der Wortlaut der Regelung in § 312 Abs. 1 BGB n. F. wonach der Verbrauchervertrag eine „ent-geltliche Leistung des Unternehmers“ zum Gegenstand haben muss, legt den Schluss nahe, dass bestimmte Vertragstypen vom Anwen-dungsbereich ausgenommen sind, die in der Bankpraxis regelmäßig vorkommen. Zum einen könnten dies Verträge sein, die keine (entgelt - liche) Leistung des Kreditinstituts an den Ver-braucher, sondern eine Leistung des Verbrau-chers an das Kreditinstitut beinhalten, wie dies bei Sicherheitenverträgen der Fall ist. Zum ande-ren könnten dies auch Bankprodukte sein, denen zwar eine Leistung des Kreditinstituts gegenüber dem Verbraucher zugrunde liegt, diese aber vom Kreditinstitut nicht bepreist wird. Zu denken ist in diesem Zusammenhang u. a. an kostenlose Girokonten oder Sparkonten, bei denen die Kon-toführung unentgeltlich erfolgt und der Kunde ggf. von dem Kreditinstitut für seine Einlage ein Entgelt (Zins) erhält. Für ein derartiges Ver-ständnis sprechen zwar gute Gründe, aus den nachstehenden Erwägungen ist bei vorsichti-ger Betrachtung allerdings nicht auszuschlie-ßen, dass derartige Verträge in den Anwen-

dungsbereich des § 312 Abs. 1 BGB n. F. fallen werden. Hinsichtlich der Sicherheitenverträge ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung in richtlinienkonformer Auslegung bei Haus-türgeschäften zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Bürgschaft eines Verbrauchers das tatbestandsmerkmal eines entgeltlichen Ver-trags i. S. d. § 312 BGB erfüllt18. Auch könnte Gestaltungshinweis 3 des gesetzlichen Musters für die Widerrufsbelehrung bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleis-tungen (Anl. 3 zu Art. 246b § 2 Abs. 3 EGBGB n. F.) für die Annahme sprechen, dass die Bürg-schaft künftig als entgeltlicher Vertrag i. S. d. § 312 Abs. 1 BGB n.F. einzustufen ist. Denn in diesem Gestaltungshinweis wird die Bürgschaft als Beispiel dafür aufgeführt, in welchen Fällen bei der Widerrufsbelehrung der Abschnitt mit den Widerrufsfolgen entbehrlich ist.

Aus dem vorgenannten Gestaltungshinweis 3 kann zudem der Rückschluss gezogen werden, dass der Gesetzgeber die Bürgschaft als Finanz-dienstleistung ansieht. Diese Einordnung ist vor dem Hintergrund der Bereichsausnahmen für Finanzdienstleistungen nicht nur für die Frage nach der richtigen Widerrufsbeleh-rung von Bedeutung, sondern auch dafür, ob und welche vorvertraglichen Informatio-nen geschuldet werden19. Sie steht allerdings nicht im Einklang mit der bisherigen Auslegung des Begriffs der Finanzdienstleistungen i. S. d. § 312b Abs. 1 S. 2 BGB20.

Hinsichtlich kostenloser Girokonten oder Sparkonten ist zu berücksichtigen, dass diese als „Geldanlage“ bei Fernabsatzverträgen bis-lang unter den Begriff der Finanzdienstleis-tung fielen, ohne dass es auf die Frage der Entgeltlichkeit ankam21. Vor dem Hintergrund, dass die Fernabsatzfinanzdienstleistungsricht-linie22 das einschränkende tatbestandsmerk-mal der Entgeltlichkeit nicht kennt, dürften bei der gebotenen richtlinienkonformen Aus-legung auch unentgeltliche Finanzdienstleis-tungen in den Anwendungsbereich des § 312 Abs. 1 BGB n. F. fallen.

3. Ausnahmen

Die neuen gesetzlichen Regelungen sehen lediglich für spezifische Bereiche Ausnah-men vor. Von dem Ausnahmekatalog des §

14 Richtlinie 2002/65/EG, a.a.o. (Fn. 3).15 So zur früheren Rechtslage schon: Merz in Beule/

Merz, a.a.o. (Fn. 7), Rn. 767.16 Richtlinie 2002/65/EG, a.a.o. (Fn. 3).17 Merz in Beule/Merz, a.a.o. (Fn. 7), Rn. 767.18 BGH, Urt. v. 10.1.2006, XI ZR 169/05, NJW 2006,

845 (846); BGH, Urt. v. 27.2.2007, XI ZR 195/05, NJW 2007, 2.106.

19 Vgl. § 312a Abs. 2 Satz 3 BGB n.F. und § 312d Abs. 2 BGB n.F.

20 Vgl. oLG Dresden, Urt. v. 30.1.2009, 8 U 1540/08 m.w.N.

21 Merz in Beule/Merz, a.a.o. (Fn. 7), Rn. 770.22 Richtlinie 2002/65/EG, a.a.o. (Fn. 3).

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» Der bisherige Begriff des „Haustürgeschäfts“ (§ 312 BGB) wird nicht nur durch die neue Bezeichnung „Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge“ (§ 312b Abs. 1 BGB n. F.) ersetzt, es ist damit auch eine inhalt­liche Änderung verbunden. «

312 Abs. 2 Nr. 1 bis 13 BGB n. F. sind nur einige Ausnahmen für die Bankpraxis relevant. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass auf notariell beurkundete Verträge über Finanz-dienstleistungen, die außerhalb von Geschäfts-räumen geschlossen werden (§ 312 Abs. 2 Nr. 1a BGB n. F.) und auf Verträge über die Begründung, den Erwerb oder die Übertra-gung von Eigentum oder anderen Rechten an Grundstücken (§ 312 Abs. 2 Nr. 2 BGB n. F.) nur die Vorschriften des § 312a Abs. 1, 3, 4 und 6 BGB n.F. anzuwenden sind.

obwohl Versicherungen Finanzdienstleis-tungen i. S. d. § 312 Abs. 5 BGB n. F. darstel-len, sind auf Verträge über Versicherungen sowie auf Verträge über deren Vermittlung nur die § 312a Abs. 3, 4 und 6 BGB n. F. anzu-wenden (§ 312 Abs. 6 BGB n. F.). Daneben gelten aber weiterhin die besonderen Rege-lungen des VVG und der VVG-InfoVo. Eine weitere Ausnahme enthält § 312 Abs. 5 BGB n. F. für Rahmenschuldverhältnisse betref-fend Finanzdienstleistungen.

III. Außerhalb von Geschäfts-räumen geschlossene Verbraucherverträge

Der bisherige Begriff des „Haustürgeschäfts“ (§ 312 BGB) wird nicht nur durch die neue Bezeichnung „Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge“ (§ 312b Abs. 1 BGB n. F.) ersetzt, sondern es ist damit auch eine inhalt-liche Änderung verbunden, die sich auf die bis-herige Bankpraxis auswirkt.

Ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlos-sener Vertrag i. S. d. § 312b Abs. 1 BGB n. F. liegt vor, wenn (i) der Vertrag bei gleichzeiti-ger körperlicher Anwesenheit des Verbrau-chers und des Mitarbeiters des Kreditinsti-tuts an einem ort geschlossen wird, der kein Geschäftsraum (§ 312b Abs. 2 BGB n. F.) des Kreditinstituts ist, oder (ii) der Verbraucher unter den gleichen Umständen ein Angebot abgibt oder (iii) wenn der Verbraucher den Vertrag zwar in den Geschäftsräumen des Kreditinstituts oder durch Fernkommunikati-onsmittel abschließt, aber unmittelbar zuvor außerhalb der Geschäftsräume des Kreditins-tituts bei gleichzeitiger körperlicher Anwesen-heit des Verbrauchers und des Mitarbeiters des

Kreditinstituts persönlich und individuell ange-sprochen wird oder (iv) wenn der Vertrag auf einem Ausflug geschlossen wird. Aus der Sicht der Bankpraxis scheint von den vorgenannten Fallgruppen nur die letzte vernachlässigbar.

Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammen-hang ebenfalls, dass nach § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB n. F. dem Kreditinstitut Personen gleich-stehen, die in seinem Namen oder Auftrag han-deln. Dies betrifft Fallkonstellationen, in denen mit Wissen und Wollen des Kreditinstituts ein Zuführer tätig wird und den Verbraucher in den vorgenannten Situationen anspricht und sein Angebot einholt oder im Namen des Kre-ditinstituts mit ihm den Vertrag abschließt. Das Gleiche dürfte bei vom Zuführer des Kreditins-tituts eingeschalteten Untervermittler gelten, die insbesondere bei der Zuführung von Immo-biliardarlehensverträgen (§ 503 BGB) häufig anzutreffen sind. Aufgrund der Rechtsprechung zur Zurechnung des Verhaltens Dritter (§ 278 BGB) kann zudem nicht ausgeschlossen werden, dass es für die Anwendbarkeit des § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB n. F. bereits ausreicht, wenn das Kreditinstitut mit dem Einsatz des Unter-vermittlers rechnen muss23.

Im Vergleich zur aktuellen Rechtslage ist davon auszugehen, dass der Anwendungsbereich der neuen Regelung weiter ist als der des Haus-türgeschäfts24. Hierfür spricht neben der im Verhältnis zur „Haustürsituation“ i. S. d. § 312 Abs. 1 BGB weitergehenden neuen Definition des „außerhalb von Geschäftsräumen geschlos-senen Vertrags“ auch das Wegfallen des für Haustürgeschäfte bestehenden Erfordernis-ses eines Kausalzusammenhangs („bestimmt worden“)25. Aus der Bankpraxis von besonde-rer Bedeutung ist ebenfalls, dass die vorherge-hende Bestellung i. S. d. § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB als Ausschlusstatbestand für das Widerrufsrecht künftig nicht mehr besteht.

IV. Fernabsatzverträge mit Verbrauchern

Der Begriff des „Fernabsatzvertrags“ ist künftig in § 312c Abs. 1 BGB n. F. definiert. Danach sind Fernabsatzverträge Verträge, bei denen das Kreditinstitut und der Verbraucher für die Ver-tragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel ver-

23 BGH, Urt. v. 14.5.2012, II ZR 69/12, WM 2012, 1.298.

24 Bt-Drucks. 17/12637, S. 49.25 Zu Haustürgeschäften siehe Schmidt in Beule/

Merz, a.a.o. (Fn. 7), Rn. 579 ff.

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wenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungs-systems erfolgt. Damit trägt der Verbraucher die Beweislast für die ausschließliche Verwen-dung von Fernkommunikationsmitteln, wäh-rend das Kreditinstitut zu beweisen hat, dass der Vertrag nicht im Rahmen eines für den Fern-absatz organisierten Vertriebs- oder Dienst-leistungssystems geschlossen wurde.

1. Fernkommunikationsmittel

Fernkommunikationsmittel i. S. d. § 312c Abs. 2 BGB n. F. sind alle Kommunikationsmit-tel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags eingesetzt werden können, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körper-lich anwesend sind. Als typische Beispiele für Fernkommunikationsmittel werden in der vor-genannten Vorschrift u. a. Briefe, telefonanrufe, E-Mails und SMS aufgeführt. Für die Annahme eines Fernabsatzvertrags ist dagegen nicht erforderlich, dass ein und dasselbe Kommuni-kationsmittel bis zum Abschluss des Vertrags benutzt wird26. Ein Fernabsatzvertrag liegt demnach auch vor, wenn verschiedene Fern-kommunikationsmittel miteinander kombiniert werden (z. B. telefonische Vertragsverhandlun-gen und anschließender Vertragsschluss per Briefversand). Eine ausschließliche Verwen-dung von Fernkommunikationsmitteln liegt jedoch nur vor, wenn die Vertragsverhandlun-gen und der Abschluss des Vertrags insgesamt unter Abwesenden stattgefunden haben. Ein persönlicher Kontakt vor Beginn der Vertrags-verhandlungen, etwa wenn der Verbraucher lediglich zu Zwecken der allgemeinen Informa-tion über die angebotene Dienstleistung die Geschäftsräume des Kreditinstituts aufsucht, führt hingegen nicht dazu, dass kein Fernab-satzvertrag vorliegt27.

2. Organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem

Ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem liegt vor, wenn das Kreditinstitut die personellen, sachlichen oder organisatorischen Voraussetzungen geschaf-fen hat, die notwendig sind, um regelmäßig Geschäfte im Fernabsatz zu bewältigen. Auch wenn an das Vorliegen eines solchen Vertriebs- oder Dienstleistungssystems keine hohen

Anforderungen gestellt werden28, führt nicht jeder Vertragsschluss über Fernkommunika-tionsmittel zwangsläufig zur Annahme eines Fernabsatzvertrages29. Entscheidend für die Feststellung eines organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems ist v. a. die Frage, ob der Vertragsschluss nur gelegentlich oder eher zufällig mit Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen ist, wie dies häufig zwi-schen Kunde und Filialmitarbeiter der Fall sein dürfte, oder ob das Kreditinstitut für derar-tige Vertragsabschlüsse zuvor organisatori-sche Vorkehrungen getroffen hat (z. B. durch Angabe einer konkreten telefonnummer und Einrichtung eines call-centers zur Entgegen-nahme solcher Anrufe). Denn das bloße Bereit-stellen von allgemein üblichen Kommunika-tionsvorrichtungen (telefon, telefax, E-Mail oder Briefkasten) in einer Geschäftsstelle stellt für sich allein noch kein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungs-systems dar30. Dies gilt umso mehr, wenn das Kreditinstitut seinen Kunden wie eine Direkt-bank konkrete Vertriebskanäle für den Abschluss von Finanzdienstleistungen, wie z. B. das online- oder das telefonbanking, anbietet.

3. Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr

Eine Sonderform des Fernabsatzvertrags ist der Vertrag im elektronischen Geschäftsver-kehr, der in § 312i Abs. 1 BGB n. F. definiert ist. Danach liegt ein solcher Vertrag vor, wenn sich das Kreditinstitut zum Zwecke des Ver-tragsschlusses der telemedien bedient. Die Definition sowie die allgemeinen und beson-deren Pflichten bei Finanzdienstleistungen entsprechen weitgehend den bisherigen Regelungen31.

V. Vorvertragliche Informations-pflichten und Widerrufsrecht

Die Umsetzung der EU-Verbraucherrechtericht-linie in das deutsche Recht wirkt sich auch auf die Pflicht zur vorvertraglichen Information aus. Die neue gesetzliche Systematik unterschei-det zwischen vertragsspezifischen Informa-tionspflichten, vertriebsspezifischen Informa-tionspflichten (§ 312d BGB n. F.) und den neuen allgemeinen Informationspflichten bei Verbrau-cherverträgen (§ 312a Abs. 2 BGB n. F.).

26 Merz in Beule/Merz, a.a.o. (Fn. 7), Rn. 793.27 Bt-Drucks. 17/12637, S. 50.28 Bt-Drucks. 17/12637, S. 50.29 Merz in Beule/Merz, a.a.o. (Fn. 7), Rn. 786 ff.30 Merz in Beule/Merz, a.a.o. (Fn. 7), Rn. 789.31 Merz in Beule/Merz, a.a.o. (Fn. 7), Rn. 884 ff.

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» Die neue gesetzliche Systematik unter­scheidet zwischen vertragsspezifischen Informationspflichten, vertriebsspezifischen Informationspflichten (§ 312d BGB n. F.) und den neuen allgemeinen Informationspflichten bei Verbraucher­ verträgen (§ 312a Abs. 2 BGB n. F.). «

1. Vertragsspezifische Informations-pflichten

Zu den vertragsspezifischen Informations-pflichten im Zusammenhang mit Finanzdienst-leistungen zählen z. B. die vorvertraglichen Informationspflichten bei Verbraucherdar-lehensverträgen (§ 491a BGB) und bei Zah-lungsdiensten (§ 675d Abs. 1 BGB). Diese haben Vorrang vor den übrigen gesetzlichen vor-vertraglichen Informationspflichten, d. h. im Anwendungsbereich der vertragsspezifischen Informationspflichten sind die vertriebsspezifi-schen oder die allgemeinen Informationspflich-ten nicht anwendbar. Der Vorrang gegenüber den allgemeinen Informationspflichten ergibt sich aus § 312a Abs. 2 Satz 3 BGB n. F. und der gegenüber den vertriebsspezifischen Informa-tionspflichten bei Verbraucherdarlehen aus Art. 247 § 2 Abs. 3 Satz 2 EGBGB n. F. sowie bei Zahlungsdiensten aus Art. 248 § 1 EGBGB n. F.

2. Vertriebsspezifische Informations-pflichten

Die vertriebsspezifischen Informationspflich-ten (§ 312d BGB n. F.) differenzieren nicht mehr danach, ob der Verbrauchervertrag außerhalb von Geschäftsräumen oder im Wege des Fern-absatzvertrags geschlossen wird. Eine Differen-zierung besteht nur noch hinsichtlich des Ver-tragsgegenstands, d. h. ob es sich um einen Vertrag über eine Finanzdienstleistung handelt oder nicht. Für Finanzdienstleistungen sind die vorvertraglichen Informationspflichten einheit-lich in Art. 246b EGBGB n.F. geregelt (§ 312d Abs. 2 BGB n.F.). Bei Anrufen des Kreditinstituts sind zudem die Pflichten aus § 312a Abs. 1 BGB n. F. zu beachten. Diese sehen vor, dass das Kre-ditinstitut zu Beginn des Gesprächs seine Identi-tät und den Zweck seines Anrufs offenlegt. Auch für Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr existieren spezielle vorvertragliche Informations-pflichten (§ 312i BGB n. F. i.V.m. Art. 246c EGBGB n. F.). Bei der Erbringung von Wertpapier(neben)dienstleistungen sind den vertriebsspezifischen Informationspflichten insb. die in §§ 31 ff. WpHG geregelten Verhaltenspflichten zu beachten.

Für die Bankpraxis bedeutet dies, dass künftig bei sämtlichen außerhalb von Geschäftsräumen oder im Wege des Fernabsatzes geschlossenen Finanzdienstleistungsverträgen mit Verbrau-chern eine vorvertragliche Informationspflicht

des Kreditinstituts besteht. Bislang existierte eine solche nur für Fernabsatzverträge.

3. Allgemeine Informationspflichten

Durch die Umsetzung der EU-Verbraucher-rechterichtlinie führt der Gesetzgeber eine subsidiäre allgemeine vorvertragliche Infor-mationspflicht bei Verbraucherverträgen ein (§ 312a Abs. 2 Satz 1 BGB n. F.). Auch im Prä-senzgeschäft muss künftig der Unternehmer den Verbraucher vorvertraglich informieren. Da diese Verpflichtung nicht auf Verträge über Finanzdienstleistungen anwendbar ist (§ 312a Abs. 2 Satz 3 BGB n. F.), ist deren Anwendungs-bereich für Kreditinstitute äußerst gering. Für die Bankpraxis relevant könnte die neue Rege-lung z. B. bei dem Verkauf von Kartenlesegerä-ten in der Geschäftsstelle sein.

4. Widerrufsrecht

Hinsichtlich des Rechts zum Widerruf entspricht die gesetzliche Systematik der bei den vorver-traglichen Informationspflichten. Soweit ein Widerrufsrecht aufgrund spezialgesetzlicher Regelungen existiert, ist dieses gegenüber dem Widerrufsrecht bei besonderen Vertriebs-formen vorrangig (§ 312g Abs. 3 BGB n.F.). Für die Bankpraxis sind v. a. die spezialgesetzlich geregelten Widerrufsrechte bei Verbraucher-darlehen (§ 495 BGB) und bei offenen Invest-mentvermögen (§ 305 KAGB) relevant. Kommt kein spezialgesetzliches Widerrufsrecht zur Anwendung, steht dem Verbraucher bei Verträ-gen über Finanzdienstleistungen ein Widerrufs-recht nach § 312g Abs. 1 BGB n. F. zu, soweit der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen des Kreditinstituts oder im Fernabsatz geschlos-sen wird und kein Ausnahmetatbestand i. S. d. § 312g Abs. 2 BGB n. F. vorliegt.

VI. Zusammenfassung

Die Umsetzung der EU-Verbraucherrechtericht-linie in das deutsche Recht führt zu zahl reichen Anpassungsnotwendigkeiten und neuen Rechtsfragen. Kreditinstituten ist zu empfeh-len, sich in diesem Rahmen nicht nur auf die erforderlichen Anpassungen zu beschränken, sondern ihre Vertragsdokumentation bei dieser „Gelegenheit“ einer grundlegenden Revision zu unterziehen. £

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PRAxISTIPPS

� Auch für die künftige Bankpraxis ist zu empfehlen, bei natürlichen Personen im Zweifel von der Verbrauchereigenschaft auszugehen.

� Der bisherige Begriff des „Haustürgeschäfts“ wird nicht nur durch die Bezeichnung „Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge“ ersetzt , sondern es ist damit auch eine inhaltliche Änderung verbunden.

� Die neue gesetzliche Systematik unterscheidet zwischen vertragsspezifischen, vertriebsspezifischen und den neuen allgemeinen vorvertraglichen Informationspflichten bei Verbraucherverträgen.

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Michael VeithSIMON und PARTNER Rechtsanwälte

Michael ViehoffCOMINDO Creditmanagement GmbH

Wolfgang Wegener (Hrsg.)Stadtsparkasse Mönchengladbach

Frank WegmannUniCredit Bank AG

Michael Weis (Hrsg.)Sparkasse Duisburg

Stand: 01.01.2014Erscheinungstermin: 15.02.2014Umfang: ca. 400 SeitenPreis: € 99,–ISBN: 978-3-943170-74-0

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163CRP 03–04/2014

Beitrag

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Gruppenweite Sicherungsmaß-nahmen und Konzern-Compliance bei Kreditinstituten

CRP 07–08/2014

I. Einleitung

Kreditinstitute müssen in Bezug auf ihre nach-geordneten Unternehmen, Zweigstellen und Zweigniederlassungen zur Verhinderung von Geldwäsche und sonstiger strafbarer Handlun-gen gruppenweite interne Sicherungsmaßnah-men schaffen sowie die Einhaltung bestimmter Sorgfalts-, Aufzeichnungs- und Aufbewah-rungspflichten sicherstellen (vgl. § 25l KWG). Dies bedeutet im Kern die Pflicht zur Einfüh-rung und Aufrechterhaltung eines gruppenwei-ten compliance Management-Systems (cMS).

II. Gesetzliche Grundlagen

Das themenfeld corporate compliance wird für Institute in Deutschland rechtlich im Wesent-lichen durch drei Regelungsbereiche defi-niert: durch das Gesellschaftsrecht, durch das ordnungswidrigkeitenrecht und durch das Aufsichtsrecht. Die Regelungsbereiche stellen drei sich überschneidende Kreise dar.

1. Gesellschaftsrechtlicher Regelungs-rahmen

Gesellschaftsrechtlich wird die Erfordernis von compliance-Maßnahmen aus der die Ge - schäftsleiter treffenden allgemeinen Leitungs- und Sorgfaltspflicht abgeleitet. In der Früh-phase der wissenschaftlichen Auseinander-setzung mit compliance-Fragen wurde die gesellschaftsrechtliche Leitungs- und Sorg-faltspflicht vielfach als einzige Grundlage für die Verpflichtung der Geschäftsleitung ange-sehen, organisatorische Vorkehrungen zur Verhinderung von Straftaten aus dem Unter-nehmen heraus zu treffen1. Die gesellschafts-rechtlichen Regelungen haben als Schutzgut im Wesentlichen die Gesellschaft selbst, ihre

Mitarbeiter, Anteilseigner und Gläubiger zum Gegenstand.

2. Ordnungswidrigkeitenrechtlicher Regelungsrahmen

Das ordnungswidrigkeitenrecht enthält mit § 130 oWiG die Zentralnorm betreffend com-pliance-Anforderungen an Unternehmen. Im Kern verpflichtet die Norm die Geschäfts- leiter, diejenigen zumutbaren organisatori-schen Maßnahmen zu ergreifen, die die Be - gehung von Straftaten oder ordnungswidrig-keiten aus dem Unternehmen heraus verhin-dern oder zumindest wesentlich erschweren. Geschieht dies nicht oder nicht in ausreichen-dem Maße, und kommt es daraufhin zu Straf-taten oder ordnungswidrigkeiten, so trifft die Geschäftsleiter selbst eine Bußgeldhaftung2.

Der Verstoß gegen die Norm stellt den häu-figsten Fall für die Verhängung von Unterneh-mensgeldbußen nach § 30 oWiG dar.

a) Ordnungswidrigkeitenrechtlicher Zweck eines Compliance Management-Systems (CMS)

§ 130 oWiG verfolgt den Zweck, die vom Gesetzgeber als besonders schützenswert angesehenen und deshalb mit straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionen („Ultima Ratio“) geschützten Rechtsgüter vor Verletzung zu bewahren. Hierzu werden die-jenigen in die Pflicht genommen, die das vom Unternehmen ausgehende Risiko steuern können. Ein wirksames CMS dient damit der bußgeldrechtlichen Haftungsvermeidung.

b) Maßstab des § 130 OWiG

§ 130 oWiG gibt vor, dass diejenigen Maßnah-men zu ergreifen sind, die die Begehung von

Autor:

Dr. Franz Clemens Leisch, Rechtsanwalt und Partner,

Kanzlei Baker & McKenzie, München und

Dr. Stefan Sauer, Rechtsanwalt und Leiter der Abteilung

Geldwäsche-/Betrugsprävention/ Finanz sanktionen, Bereich Compliance,

Landesbank Baden-Württemberg.

Zum Zusammenspiel von § 25l KWG und § 130 oWiG und den Grundbestand-teilen eines wirksamen compliance Management-Systems (cMS).

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Diesen Beitrag finden Sie dort unter der Rubrik: Vertrieb/Wertpapier/

Beauftragte.

1 Zu §§ 130, 30 oWiG und dem Verhältnis zum Gesellschaftsrecht vgl. Grützner/Leisch, DB 2012 S. 787 ff.

2 Der Bußgeldrahmen wurde im Jahr 2013 durch die 8. GWB-Novelle von einer Mio. € auf zehn Mio. € angehoben.

Beitrag Vorstand Kredit Konto Anlage Aufsicht compliance

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CRP 07–08/2014

Straftaten oder ordnungswidrigkeiten aus dem Unternehmen heraus verhindern oder wesent-lich erschweren. Die Norm setzt damit keinen absoluten Maßstab, sondern fordert, dass die-jenigen zumutbaren Maßnahmen ergriffen werden, durch die die Begehung der von § 130 oWiG erfassten Straftaten bzw. ordnungswid-rigkeiten wesentlich erschwert wird.

Unternehmen müssen also im Rahmen der Ver-hältnismäßigkeit Hürden aufbauen, die durch Mitarbeiter nur unter Anwendung erheb - lichen Aufwands überwunden werden können. Die notwendigen Bestandteile eines cMS und dessen Ausgestaltung ergeben sich also aus dem Maßstab der „wesentlichen Erschwerung“ und umfassen damit notwendigerweise prä-ventive und repressive Elemente.

3. Aufsichtsrechtliche Anforderungen

Kreditinstitute haben nach § 25l Abs. 1 KWG3 als übergeordnete Unternehmen in Bezug auf ihre nachgeordneten Unternehmen, Zweigstel-len und Zweigniederlassungen gruppenweite interne Sicherungsmaßnahmen nach § 9 des Geldwäschegesetzes und § 25h Abs. 1, 3 und 4 KWG zu schaffen, die Einhaltung der Sorgfalts-pflichten nach den §§ 3, 5 und 6 des Geldwä-schegesetzes und den §§ 25i und 25k sowie der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht nach § 8 des Geldwäschegesetzes sicherzustel-len. Die Verweisung auf § 25h Abs. 1, 3 und 4 KWG bedeutet:

� Nach § 25h Abs. 1 KWG müssen Institute über ein angemessenes Risikomanage-ment sowie über Verfahren und Grundsätze verfügen, die der Verhinderung von Geld-wäsche, terrorismusfinanzierung oder son-stiger strafbarer Handlungen, die zu einer Gefährdung des Vermögens des Instituts führen können, dienen. Sie haben dafür angemessene geschäfts- und kundenbe-zogene Sicherungssysteme zu unterhal-ten sowie Kontrollen durchzuführen. Hierzu gehört auch die fortlaufende Entwicklung geeigneter Strategien und Sicherungsmaß-nahmen zur Verhinderung des Missbrauchs von neuen Finanzprodukten und techno-logien für Zwecke der Geldwäsche und der terrorismusfinanzierung oder der Begüns-tigung der Anonymität von Geschäftsbe-ziehungen und transaktionen.

� § 25h Abs. 3 KWG ordnet insbesondere eine Untersuchungspflicht betreffend geldwäscherechtlich zweifelhafter oder ungewöhnlicher Sachverhalte an, um das Risiko der jeweiligen Geschäftsbeziehungen oder transaktionen überwachen, einschät-zen und ggf. das Vorliegen eines geldwä-scherelevanten meldepflichtigen Sachver-halts oder die Erstattung einer Strafanzeige prüfen zu können.� § 25h Abs. 4 KWG stellt die Pflicht zur Bestel-

lung eines Geldwäschebeauftragten auf. Es sind die für eine ordnungsgemäße Durch-führung der Aufgaben des Geldwäsche-beauftragten notwendigen Mittel und Verfahren vorzuhalten. Dem Geldwäsche-beauftragten ist ungehinderter Zugang zu sämtlichen Informationen, Daten, Aufzeich-nungen und Systemen zu verschaffen, die für ihn von Bedeutung sein können. Ihm sind ausreichende Befugnisse zur Erfüllung seiner Funktion einzuräumen.

4. Vergleich von § 25l Abs. 1 KWG und §§ 130, 30 OWiG

§ 25l KWG unterscheidet sich von §§ 130, 30 oWiG insbesondere in folgenden fünf Punkten:

� Erfasst sind von § 25l KWG auch Straf-taten, die gegen das Unternehmen selbst gerichtet sind (unternehmensschützende Strafnormen). Die Norm begründet damit eine Pflicht des Unternehmens zum Selbst-schutz. Die inhaltliche Rechtfertigung dieser Erweiterung ergibt sich aus der besonde-ren systemischen Bedeutung von Kredit-instituten. § 30 oWiG erfasst derartige Straftaten nicht, da das Unternehmen als opfer derartiger Straftaten nicht gleich-zeitig Adressat eines den Verstoß sanktio-nierenden Bußgelds sein kann.� Erfasst sind auch Regelungsbereiche,

deren Nichterfüllung keiner ordnungs-widrigkeitenrechtlichen Sanktion unter-liegt. Hierzu gehören insbesondere Anfor-derungen aus dem Geldwäschegesetz. Die geldwäscherechtlichen Anforderun-gen liegen deutlich höher als die Anforde-rungen, die sich bei bloßem Rückgriff auf den Maßstab der §§ 130, 30 oWiG erge-ben würden. Das Geldwäschegesetz lässt sich aus compliance-Perspektive somit als gesetzlich vorgegebenes Mindest-compli-

» Ein wirksames CMS dient der bußgeldrechtlichen Haftungs ­ vermeidung. «

3 Die Verweisungen in § 25l KWG auf Vorschriften des KWG entsprechen wegen eines Redaktions-versehens nicht der aktuellen Gesetzeslage. Die früheren §§ 25f-25m KWG wurden mit Wirkung zum 31.12.2014 durch Gesetz vom 07.08.2013, BGBl. I S. 3.090 in die jetzigen § 25g-25n KWG ge-ändert. Die Verweisungen in § 25l KWG auf Vor-schriften des KWG wurden nicht an die neue Ge-setzeslage angepasst (Stand: 01.04.2014).

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ance-Programm verstehen. Es gibt nicht lediglich Ziele vor, sondern ordnet detail-lierte aufbau- und ablauforganisatorische Maßnahmen an.� § 25l KWG gibt im Hinblick auf das „Wie“

des cMS wesentlich detaillierter die vorzu-haltenden Mittel und Verfahren vor. § 130 oWiG beschränkt sich im Wesentlichen auf die Bestimmung des Maßstabs („wesent-lich erschweren“).� Im Hinblick auf die erfassten Rechtsver-

letzungen liegen die Anforderungen des § 25l KWG teilweise aber auch unterhalb der Anforderungen der §§ 130, 30 oWiG. § 25l KWG umfasst nur die Verhinderung „sonstiger strafbarer Handlungen“, nicht aber die Verhinderung auch von ordnungs-widrigkeiten.� § 25l KWG liegt ein Risikomanagement-

Ansatz zugrunde. Es liegt daher nahe, die Risikosteuerungsmöglichkeiten (Risiko-vermeidung, Risikoreduzierung, Risiko-versicherung und Risikoakzeptanz) ohne Rücksicht auf Rechtspflichten aus ande-ren Bereichen anzuwenden4. Im Einzelfall kann es jedoch sein, dass das Akzeptieren bestimmter Risiken zu einer ordnungs-widrigkeitenrechtlichen Haftung nach § 130 oWiG führt. So können z. B. Korrup-tionsrisiken nicht akzeptiert werden. Aus § 130 oWiG folgt, dass korruptive Praktiken auch dann zu verhindern bzw. wesentlich zu erschweren sind, wenn sie betrags mäßig nicht erheblich sind.

III. Compliance Management- System (CMS)

Die Anforderungen des § 25l KWG stellen der Sache nach die Pflicht auf, für bestimmte Sachrisiken (Geldwäsche und terrorismusfinan-zierung, sonstige strafbare Handlungen) ein gruppenweit geltendes, angemessenes und wirksames cMS zu implementieren.

1. Verknüpfung von Sach- und Systemrisiken

Auch wenn § 25l KWG mit seinem Zweiklang „Geldwäsche“ und „sonstige strafbare Handlun-gen“ einen sachrisikodominierten Ansatz nahe-legt, erfordert ein wirksames cMS die Verknüp-fung von Sach- und Systemrisiken.

Im Unterschied zum Sachrisikoansatz geht der Systemrisikoansatz nicht von einem konkreten Szenario aus (Wie erfasse ich den wirtschaft-lich Berechtigten? Wann ist eine Verdachts-meldung abzugeben? Welches Entscheidungs-verfahren sollte im Falle eines PEP gelten?). Er fragt vielmehr allgemein, wie ein System insge-samt beschaffen sein muss, um Rechtsverstöße wesentlich zu erschweren, und welches die notwendigen Systembestandteile einer com-pliance-organisation sind. Sind diese heraus-gearbeitet, so lassen sich durch Vergleich mit den bestehenden Maßnahmen Defizite ermit-teln und über die betroffenen organisations-einheiten hinaus übergreifend beheben.

Um diese Grundelemente eines wirksamen cMS zu ermitteln, bietet es sich an, wesentliche in- wie ausländische compliance-Standards zu analysieren. Hintergrund dieses internationalen Ansatzes ist zum einen der Umstand, dass die meisten Institute international operieren und sich schon deshalb nicht darauf beschränken können, allein deutsche Standards in den Blick zu nehmen. Zum anderen ermöglicht dieser Ansatz, die internationale Wertungserfahrung und damit ein wesentlich breiteres Erfahrungs-wissen abzubilden.

Aus den wichtigsten internationalen Standards5 lassen sich folgende Grundelemente destillieren:

� Führungskultur („Tone from the Top“): Die Leitungsebene trifft eine besondere Verant-wortung. Sie ist – als ein teil ihrer Legalitäts-pflicht – gehalten, ein cMS im Unternehmen einzurichten6. Zu den nicht delegierbaren Leitungspflichten gehört ferner die Überwa-chung der Wirksamkeit des cMS7. Je besser es der Leitungsebene gelingt, die konse-quente Wahrnehmung ihrer Verantwortung im Unternehmen sichtbar zu machen, umso nachhaltiger wird das cMS auch das Han-deln der Mitarbeiter prägen.� Gefährdungsanalyse: Wer seine Risiken

steuern will, muss sie kennen. Als Instru-ment zur Risikosteuerung setzt ein wirk-sames cMS daher die Durchführung einer initialen und regelmäßig aktualisierten Risi-koanalyse voraus8. Anderenfalls hängt die Wirksamkeit des cMS vom Zufall ab.� Richtlinien und Arbeitsanweisungen:

Gesetzmäßiges Handeln im Unternehmen-salltag zu gewährleisten setzt voraus, dass

4 Vgl. etwa Auerbach/Hentschel, in Schwennicke/Auerbach, KWG, 2. Aufl. 2013, § 25c Rdn. 46.

5 Als solche Standards sind insbesondere der deutsche Prüfungsstandard IDW PS 980, die transparency International Business Principles for countering Bribery, die oEcD Good Practice Guidance on Internal controls, Ethics, and com-pliance, chapter 8 der United States Senten-cing Guidelines, die Guidance des UK Ministry of Justice zum UK Bribery Act sowie die österrei-chische oNR 192050 zu compliance Manage-ment-Systemen zu nennen.

6 Vgl. hierzu LG München I, Urt. v. 10.12.2013, BeckRS 2014, 01998.

7 LG München I, Urt. v. 10.12.2013, BeckRS 2014, 01998.

» Wer seine Risiken steuern will, muss

sie kennen. «

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» Die Sanktionierung nicht regelkonformen Verhaltens ist von zentraler Bedeutung. «

abstrakte Ge- und Verbote in möglichst konkrete organisations- und Handlungs-anweisungen umgesetzt werden. Diese Anforderungen wiederum müssen durch entsprechende Prozesse in die Arbeitsab-läufe integriert sein. � Schulungen und Kommunikation: Was

von den Mitarbeitern erwartet wird, muss diesen so kommuniziert werden, dass sie in der Lage sind, den Erwartungen im Unternehmensalltag gerecht zu werden. Dies verlangt mehr als die bloße Bekannt-gabe von Vorschriften. Adressatengerechte Schulungen und institutionalisierte Dialog-möglichkeiten (z. B. compliance-Helpdesk) sind für den Erfolg eines cMS von maßgeb-licher Bedeutung. � Kontrollen und Revision: Unter Präventi-

onsgesichtspunkten ist die Etablierung von regelmäßigen und anlassbezogenen Kon-trollhandlungen (Level-one-controls durch die Geschäftsbereiche, Level-two-controls durch compliance) ebenso erforderlich wie die Aufnahme regelmäßiger compliance-Überprüfungen in den Revisionsplan (Level-three-controls durch die Revision)9.� Reaktion: Unter Reaktion wird hier ver-

standen, die notwendigen Konsequenzen aus neuen compliance-relevanten Umstän-den zu ziehen. Anlass für Konsequenzen können insbesondere Erkenntnisse der Risikoanalyse, Hinweise von Mitarbeitern, Ergebnisse von Kontrollen, Revisionsfest-stellungen oder das Auftreten von com-pliance-Verdachtsfällen sein. Als Kon-sequenzen sind auf personeller Ebene insbesondere Schulungs- und Disziplinar-maßnahmen zu nennen, auf systemischer Ebene die Anpassung des cMS an die ver-änderte oder aufgedeckte Risikolage. Hier-für sind die notwendigen Mittel und Ver-fahren bereitzuhalten.

Diese Grundelemente werden weltweit und in unterschiedlichen Zusammenhängen für erfor-derlich gehalten und bilden mittlerweile durch-aus einen anerkannten Standard. Das Fehlen einzelner genannter Elemente stellt ein System-risiko dar, das behoben wurden muss.

2. Mehrwert

Der Mehrwert der Systemrisikobetrachtung sei anhand einiger Beispiele erläutert.

� Führungskultur („Tone from the Top“): Dem thema compliance wird in Umfragen vom Management hohe Bedeutung bei-gemessen. In der Unternehmenswirklich-keit bleibt oft nicht genügend Zeit, dem thema die der Bedeutung angemessene Aufmerksamkeit zu widmen und die hohe Bedeutung auch angemessen zu kommu-nizieren. ordnet man die im Unternehmen implementierten compliance-Maßnahmen dem obigen Grundelemente-Schema zu, so dürfte man nicht selten zu der Feststel-lung gelangen, dass dem Bereich „Führungs-kultur“ nur wenige Maßnahmen zugeord-net werden können. An diese Feststellung anknüpfend lassen sich entsprechende Maßnahmen entwickeln, z. B. die Einfüh-rung des Agendapunkts compliance in den regelmäßigen Bereichsleiterbespre-chungen, der Ausbau der compliance-Berichterstattung an die Geschäftsleitung bis hin zur Entwicklung einer Art „compli-ance-cockpit“, das einen regelmäßig aktu-alisierten Überblick über den Zustand des cMS im Konzern und den nachgeordneten Unternehmen ermöglicht.� Reaktion I: typischerweise bilden Unter-

nehmen den Schwerpunkt der compli-ance-Maßnahmen im Bereich der Präven-tion. Aber auch die Sanktionierung nicht regelkonformen Verhaltens ist von zen-traler Bedeutung – typischerweise werden Regeln, die nicht konsequent nachgehalten werden, auch weniger konsequent einge-halten. oft erfährt die compliance-Abtei-lung jedoch nicht, ob Regelverstöße zu Dis-ziplinarmaßnahmen geführt haben, welche Disziplinarmaßnahmen ergriffen wurden, und ob einzelne Konzernunternehmen dies unterschiedlich handhaben. Um kontrollie-ren zu können, ob Regelverstöße im Unter-nehmen Konsequenzen haben und ent-sprechende Vorgaben wirksam sind, sind entsprechende Maßnahmen zur Erfassung der von der Personalabteilung verhängten Disziplinarmaßnahmen und deren Ver-knüpfung mit der Art des Regelverstoßes notwendig. Dies erfordert z. B. die Imple-mentierung von Erfassungsprozessen im Bereich Personal und datenschutzkon-forme Berichtspflichten an compliance. Eine derartige Berichtspflicht kann dann auch dazu führen, dass die compliance-Abteilung von Vorfällen erfährt, die sie bis-

8 LG München I, Urt. v. 10.12.2013, BeckRS 2014, 01998.

9 Zu den „Three Lines of Defense“ vgl. Hopt/Wohlmannstetter, Handbuch Corporate Governance von Banken, 2011, S. 673 f.

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lang gar nicht kannte, deren Bearbeitung also an ihr vorbei erfolgt ist.� Reaktion II: Interne Untersuchungen fallen

häufig in den Aufgabenbereich der inter-nen Revision. Für die Wirksamkeit eines cMS ist es von großer Bedeutung, dass Informationen zeitnah von der inter-nen Revision zur compliance-Abteilung fließen. Auf diese Weise erfährt die com-pliance-Abteilung von Anzahl und themen der internen Untersuchungen sowie von der jeweiligen Struktur der compliance-Verstöße. Erst dadurch wird die compli-ance-Abteilung in die Lage versetzt zu prüfen, durch welche Maßnahmen konkret aufgetretene compliance-Fälle in Zukunft verhindert werden können. Ein zeitnaher Informationsfluss ist gerade hier besonders

wichtig, da durch frühzeitige cMS-Anpas-sungen zukünftige Schadensfälle verhin-dert werden können. Überdies – dies gilt namentlich für Fälle aktiver Korruption – wird so das Risiko vermindert, bei weiteren ähnlichen compliance-Fällen als Unterneh-men wegen mangelhafter compliance-organisation gem. §§ 130, 30 oWiG einem Bußgeld ausgesetzt zu sein. Wer nämlich weiß, auf welche Weise bestimmte Regel-verstöße begangen werden, muss unver-züglich die erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung solcher Verstöße ergrei-fen. Das im Unternehmen vorhandene Wissen muss daher ohne größeren zeit-lichen Versatz an die Abteilung weiterge-leitet werden, die für die Gestaltung des cMS zuständig ist. £

Beitrag

PRAxISTIPPS

� Bestandsaufnahme: Es ist sinnvoll, die im Unternehmen implementierten Maßnahmen und Kontrollen daraufhin zu analysieren, welchem Systemrisiko sie zuzuordnen sind. So erhält man einen Überblick, hinsichtlich welcher Systembe-standteile ausreichend Maßnahmen implementiert sind und hinsichtlich welcher noch Defizite festzustellen sind. Regel-mäßig sind die Bereiche „Richtlinien und Arbeitsanweisungen“ sowie „Schulungen und Kommunikation“ gut ausgebaut. Es finden sich dagegen im Bereich „Führungskultur“ und „Reaktion“ typischerweise weit weniger Maßnahmen. Eine solche Analyse zeigt systemische Schwachstellen und damit Handlungsfelder auf.

� Checkliste: Die Systemrisikobetrachtung ermöglicht es, bei der Entwicklung neuer Maßnahmen zur Adressierung bestimm-ter Risiken strukturierter vorzugehen. Die oben bezeichneten Grundelemente dienen dabei als eine Art checkliste: Erfor-dert die Maßnahme wegen ihrer Bedeutung die kommunikative Einbindung der Geschäftsleitung (Führungskultur)? Sind entsprechende Änderungen der Richtlinien und die Einführung neuer Prozesse erforderlich (Richtlinien und Arbeitsan-weisungen)? Müssen Schulungen geändert bzw. aufgesetzt werden, welche Handreichungen benötigen die Mitarbeiter und wie sind diese zu kommunizieren (Schulungen und Kommunikation)? Wer kontrolliert auf den drei Kontrollebenen die Einhaltung des neuen Prozesses, wie werden die Kontrollen durchgeführt und dokumentiert (Kontrolle und Revision)? Werden diese Fragen gestellt und die Ergebnisse entsprechend umgesetzt, so steigert dies die Wirksamkeit des cMS.

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1 MaRisk, At 4.4.2.

Vorstand Kredit Konto Anlage Aufsicht compliance

Gestaltung einer Risiko-/GefährdungsanalyseVon einer bereichsübergreifenden Risiko-/Gefährdungsanalyse zum Überwachungsplan.

Autor:

Andrea Kaßen, Compliance-Beauftragte undstv. Geldwäschebeauftragte,Beauftragtenwesen, WpHG-Compliance, Sparkasse Duisburg.

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I. Einleitung

w Losgelöst vom Bereich der Regularien zu Finanzinstrumenten ist die Handhabung von Interessenkonflikten an sich nicht neu, liegt sie doch im eigenen Interesse eines Kreditinstituts. Auch gab es in den Häusern schon vor den auf-sichtsrechtlichen Vorgaben Regelungen, wie mit Interessenkonflikten umgegangen werden sollte. Allerdings haben sich gerade im Bereich der Finanzinstrumente im Laufe der Zeit detail-lierte Anforderungen und Ausprägungen gebil-det, die auch durch die immer wieder neuen Geschehnisse an den internationalen Finanz-märkten letztendlich gesetzlich verankert wur den. Allerdings ergibt sich aus der inzwi-schen geltenden Rechtsprechung ein deut-lich höherer Grad an Detailtiefe, neben einem Mehr an transparenz und den zur Bewältigung von Interessenkonflikten getroffenen Maß-nahmen. Betrachtet man jedoch die in ande-ren Bereichen ebenfalls zunehmenden Anfor-derungen an die Ausgestaltung von Risiko-/Gefährdungsanalysen, so sind hier nicht nur Parallelen festzustellen, sondern auch klare Überschneidungen der einzelnen themenge-biete – die Grenzen sind fließend. Neben den bereits bestehenden Individualbereichen Geld-wäsche und WpHG-Compliance sind auch die MaRisk näher in den Fokus gerückt.

II. Erstellung einer Risiko-/Gefährdungsanalyse

1. Regularien für die Risiko-/Gefährdungsanalyse

Die Risikoanalyse ist essentieller Bestandteil eines wirksamen compliance-Managements, das nicht nur die Einhaltung der Regelkonfor-mität sondern auch die Eingrenzung der compli-ance-Risiken anstrebt. Besteht noch kein compli-ance-Management-System im Institut, so kann

die Risikoanalyse auch als Bedarfsanalyse zu dessen Neuaufbau fungieren. Konträr zu dieser Sichtweise kann das Compliance-Management als zentrales Element des operativen Risiko-managements angesehen werden, welches auf den MaRisk basiert und auf Prozess-, System- oder Verhaltens risiken abstellt.

Die modifizierten MaRisk verlangen nun die Einrichtung einer neuartigen compliance-Funktion, die sich neben der Überwachung von Verfahren und Kontrollen zur Einhaltung der für das Institut wesentlicher rechtlicher Vorga-ben auch mit den Risiken der Nichteinhaltung solcher Direktiven befasst (MaRisk, At 4.4.21). Darüber hinaus verpflichten die MaRisk natio-nale Kreditinstitute, im Zusammenhang mit der zur Geschäftstätigkeit passenden Gesamtrisi-kostrategie auch mögliche teilrisikostrategien (z. B. compliance-Risikostrategie) zu berück-sichtigen. Existiert keine eigenständige, aus der Geschäftsstrategie abgeleitete compli-ance-Risikostrategie im Institut, kann für diese compliance-Risikoanalyse die Geschäfts- und Risikostrategie zu Grunde gelegt werden, um die Vollständigkeit und Angemessenheit der eingesetzten Verfahren zu gewährleisten.

Zielsetzung der zu erstellenden Risikoanalyse ist die optimierung des implementierten com-pliance-Systems, z. B. in Form der Modifizierung von Kontrollhandlungen oder Ressourcen. Die Risikoanalyse zeigt weiterhin auf, welche Maß-nahmen notwendig sind und welche qualita-tiven und quantitativen Präventionen initiiert werden müssen, um die angestrebten compli-ance-Ziele erreichen zu können. Folglich legt die Risikoanalyse den Umfang und den Fokus der compliance-Funktion fest. Welche Heran-gehensweise fundiert erscheint, hängt vom institutsindividuellen Ziel ab. So kann eine optionale Vorgehensweise sein eine bereichs-übergreifende Gesamtrisikoanalyse zu ver-fassen, die die thematiken MaRisk, WpHG-

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Beitrag

170 CRP 07–08/2014

compliance, Geldwäsche, It-Sicherheit und Datenschutz beinhaltet und miteinander ver-zahnt. Aber auch bereichsabgeschlossene Risi-koanalysen, wie es bisher gängige Praxis war und für den WpHG-compliance-Bereich mind. mögliche Interessenkonflikte und compliance-relevante Informationen thematisiert, sind auf-sichtsrechtlich integer. Dabei kann bei beiden Prozederen eine modulare, tabellarische Dar-stellungsweise von Vorteil sein.

So kann bei aufbauorganisatorischen, struktu-rellen oder prozess ualen Veränderungen eine zeitnahe Anpassung erfolgen. Bei ressourcen-bedingten Engpässen ist eine Konzentration auf die risikoreichsten Szenarien geboten. Die Direktiven in den MaRisk sehen keine diffe-renzierten Vorgaben für die inhaltliche Aus-gestaltung der Risikoanalyse vor. Lediglich die Intensität der Analyse hat sich an Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der institutsspe-zifischen Unternehmenssituation zu orientie-ren. Dieses Proportionalitätsprinzip ist auch bei der Risikoanalyse nach WpHG-compliance-Gesichtspunkten anzuwenden und spiegelt die systematische Identifizierung, Bewertung und Dokumentation der potenziellen Risiken wieder, die Auswirkungen auf die Reputation des Instituts haben können und rechtliche Kon-sequenzen nach sich ziehen können.

Einen globaleren Ansatz vertritt die BaFin mit der Aussage, dass unter compliance-Risiken alle Risiken zu verstehen sind, deren Eintritt die com-pliance-Funktion abwehren soll2. Unterstützung bei der Umsetzung der regulatorischen Anfor-derungen kann der Prüfungsstandard 980 des IDW bieten. Neben der Identifizierung mögli cher compliance-Szenarien und der Bewertungen etwaiger Auswirkungen empfiehlt dieser, unter Berücksichtigung der individuellen compliance-Ziele, die Ermittlung der Eintrittswahrscheinlich-keit des Risikoereignisses ebenfalls in die Risikos-kalierung mit einzubeziehen – so auch bei den Bereichen der strafbaren Handlungen und der operationellen Risiken. Damit sind die gesetz-lichen Grundlagen für die Durchführung einer Risiko-/Gefährdungsanalyse des compliance-Beauftragten definiert.

Hintergrund ist neben einer frühzeitigen Prä-vention von compliance-Risiken eine systema-tische Beurteilung und deutliche transparenz zu den Interessenkonflikten und den zu ihrer

Bewältigung getroffenen Maßnahmen. Dabei hat der compliance-Beauftragte in erster Linie das Kundeninteresse zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung potenzieller aufsichtsrecht-licher Verstöße (bei Nichterfüllung der Anfor-derungen), zivilrechtlichen Risiken sowie ggf. auftretenden Reputationsschäden ist die Wer-tigkeit für das Institut nicht weniger gering.

Mit der Novellierung der MaRisk kommt neben dem BaFin-Rundschreiben 8/2005 und den Pflichten aus § 33 Abs. 1 Nr. 3 WpHG i. V. m. den Macomp eine weitere (aufsichts-)rechtliche Norm hinzu, welche sich mit der Erstellung einer Risiko-/Gefährungsanalyse zu befassen hat. Da das interne Kontrollsystem gem. At 1 tz. 1 MaRisk neben der Einrichtung einer compliance-Funktion auch Prozesse zur Identifizierung, Beurteilung, Steuerung, Über-wachung sowie Kommunikation der Risiken zu implementieren hat, wurde eine Grundlage für eine sachgerechte Wahrnehmung von Kontrol-len geschaffen – dies ebenfalls entsprechend Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der angebotenen Geschäftsaktivitäten (MaRisk, At 4.3 tz. 13). Anders, konträr zum bisherigen compliance-Verständnis in Deutschland, ist damit der allumfängliche Denkansatz der compliance-Funktion – WpHG – und Geld-wäsche überschreitend. Es erfolgt eine Zusam-menfassung der compliance-Funktion im engeren Sinne und der Einhaltung von Regu-larien im weiteren Sinne.

Berücksichtigt man ferner wieder die Ausfüh-rungen des IDW in seinem Prüfungsstandard 980 – compliance Management System – so unterstreicht dieser ebenfalls eine Einheitlich-keit der compliance-tätigkeit. Daraus schluss-folgernd, kann dies auch als Ansatz für eine zusammengeführte Risiko-/Gefährdungsana-lyse angesehen werden. Damit ist die gesetz-liche Grundlage für die Durchführung einer Risikoanalyse maßgeblich definiert. Hinter-grund ist neben einer frühzeitigen Prävention von compliance-Risiken eine deutliche trans-parenz, Kategorisierung und Gewichtung zu den Interessenkonflikten und den zu ihrer Bewältigung getroffenen Maßnahmen.

2. Strukturierung

Hinsichtlich der Struktur einer Risiko-/Gefähr-dungsanalyse sind zunächst wesentliche

2 Dr. Schäfer, Aktuelle Entwicklungen zu compli-ance, 6. Jahreskongress compliance, Potsdam (oktober 2013).

3 MaRisk, At 4.3 tz. 1.

» Zielsetzung der zu erstellenden

Risikoanalyse ist die Optimierung des implementierten

Compliance­Systems. «

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grundsätzliche Faktoren als ein „gesetztes Muss“ festzuhalten. Darunter fallen natürlich in erster Linie die zu betrachtenden Kunden- und Mitarbeitergruppen sowie die ggf. daraus resultierenden Risiken bzw. Interessenkon-fliktpotenziale. Eine vollständige Bestands-aufnahme bedingt ebenfalls zwangsläufig die Berücksichtigung aller angebotenen Pro-dukte und Dienstleistungen sowie damit ein-hergehende transaktionen mit den zugehö-rigen Distributionswegen. Generell wird es in den Instituten eine Auflistung/Darstellung aller genehmigten Produkte, Märkte und Dis-tributionswege geben; dies schon allein auf-grund der MaRisk, um bei der Einführung von Neuerungen hierzu festzustellen, ob ein „Neue-Produkte-Prozess (NPP)“ durchlaufen werden muss4. Bei der Bestandsaufnahme sind eben-falls sonstige oder übergreifende Risiken in die Betrachtung einzubeziehen.

3. Zuordnung von Risikoindikatoren

Als Grundlage für die Umsetzung kann das Pro-portionalitätsprinzip angewendet werden. Das bedeutet, die einzelnen Anforderungen rich-ten sich nach der Komplexität, der Größe, der Struktur, der wirtschaftlichen Bedeu-tung sowie den Arten der vertriebenen und gehandelten Finanzinstrumente und dem Risikoprofil des jeweiligen Instituts5. Diese Risikoorientiertheit kann auch als eine Stärken-und-Schwächen-Analyse des Instituts angesehen werden und spiegelt das sog. individuelle Risikoprofil wieder. Das Risiko - profil, auch als Risikomatrix normiert, beinhal-tet eine Bewertung aller institutsspezifischen Risiken sowie der Systeme und Prozesse, mit denen die Institute diese Risiken bewältigen können. Das Risikoprofil ist der Mittelpunkt der zu erstellenden Risiko-/Gefährdungs analyse – und Grundlage darauf aufbauender Überwa-chungshandlungen, denn die Risiken werden identifiziert, ihre möglichen Auswirkungen bewertet und etwaige Maßnahmen herge-leitet. Mehrwert des Risikoprofils ist die dezi-diertere Darstellung des Gesamtinstituts auf einen Blick. So wird der compliance-Funktion die Möglichkeit gegeben, die Ausgestaltung ihrer Kontrollhandlungen nachvollziehbar zu belegen. Hierbei geht es nicht darum, die Anforderungen aus den Regularien eins zu eins wiederzufinden. Vielmehr hat jedes Institut für sich individuell alle notwendigen Vorgaben zu

überblicken, die vorhandenen Risiken zu pro-gnostizieren und mit adäquaten, wirtschaft-lichen Maßnahmen zu reduzieren oder wenn möglich zu eliminieren.

Demnach soll ein gutes Risikomanagement-system nicht nur mögliche Verluste als Risiko betrachten, sondern neben unternehmeri-schen Risiken auch Chancen berücksich-tigen. Neben Risiken mit bilanzieller Aus-wirkung sind auch Risiken ohne eine solche Auswirkung mit zu berücksichtigen, z. B. Risi-ken in Zweckgesellschaften, für die das Unter-nehmen haftet oder die sich negativ auf seine Wirtschafts-, Finanz- oder Ertragslage auswir-ken können. Die Risiken sind institutsindividu-ell im Zusammenhang mit der jeweiligen Ziel-setzung zu identifizieren und primär qualitativ zu evaluieren. Dies hat im Sinne der Proportio-nalität und Wesentlichkeit zur Folge, dass nur jene Risiken, die auf Basis des Gesamtrisiko - profils als wesentlich eingeschätzt werden, in die weitere Betrachtung des Risikomanage-ments einzubeziehen sind. Neben der Ermitt-lung des Gesamtrisikoprofils macht dies auch die Festlegung einer unternehmensindividu-ellen Skalierung („Referenzskala“) der Wesent-lichkeit erforderlich. Um der vollständigen Anschauung Rechnung zu tragen, sind aber auch den als „nicht-wesentlich“ eingestuf-ten Risiken durch angemessene Vorkehrun-gen zu begegnen.

Durch die Implementierung von wirksamen Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen muss sichergestellt werden, dass keine wesent-lichen Fehler auftreten, die zur Akzeptanz eines untragbaren Risikos durch das Institut führen. Der qualitativen Einordnung einzelner Risiken auf der Referenzskala folgt die Quantifizierung (siehe hierzu unten die weiteren Ausführun-gen zum Risikokontrollprozess). Grundsätzlich stellt sich zunächst die Frage, wie entspre-chende Risikoindikatoren herauszufiltern bzw. zu bestimmen sind. Aus dem Bereich der opera-tionellen Risiken kennen wir bereits die Selbst-reflexion der betroffenen Geschäftsbereiche/ organisationseinheiten. Zu den ggf. vorhan-denen Standardszenarien können sich eigene Fallkonstruktionen ergeben, die dann nach vor-gegebenem Schema zu bewerten sind. Aller-dings werden somit längst nicht alle evtl. vor-kommenden Fallkonstruktionen berücksichtigt. Hier braucht es v. a. die Kenntnisse und das

» Bei ressourcen­bedingten Engpässen ist eine Konzentration auf die risikoreichsten Szenarien geboten. «

4 BaFin, MaRisk At 8.1, Scholz, Beitrag im Praktiker-handbuch Marktfolge Passiv/ Zentrale Dienst-leistungen.

5 MaComp, Bt 1.2.1.1,

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» Das Risikoprofil ist der Mittelpunkt der zu erstellenden

Risiko­/Gefährdungs­analyse. «

Erfahrungswissen des (WpHG)compliance- wie auch des Geldwäsche-Beauftragten. Beide, nun um den MaRisk-compliance-Beauftragten ergänzt, benötigen zur Erfüllung ihrer Aufgabe umfassende Kenntnisse ihres Instituts hinsicht-lich Strukturen, angebotenen Produkten und Dienstleistungen, Umfang der Geschäftsakti-vitäten etc. Ebenso ist ausreichendes Wissen über die institutsspezifischen regulatorischen Anforderungen Voraussetzung für eine fun-dierte Risikobetrachtung. Zusätzlich ist es erfor-derlich, die Schadenfalldatenbank hinsichtlich aufgetretener Fallkonstellationen zu überprü-fen und evtl. vorhandene Sachverhalte bei der Bewertung mit einfließen zu lassen. Nur so ist sichergestellt, dass eine vollständige, aussage-kräftige Risiko-/Gefährdungsanalyse, die als teil der allgemeinen Sorgfaltspflicht angesehen werden kann6, erstellt werden kann.

4. Skalierung des Compliance-Risikos

Nach der Feststellung der Risikoindikatoren gilt es eine entsprechende Bewertung vorzuneh-men. Dieses wird sowohl bei den Interessen-konflikten und compliance-relevanten Informa-tionen als auch bei den sonstigen strafbaren Handlungen und den vom Institut festgeleg-ten themenfeldern anhand der Faktoren Ein-trittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe vorgenommen. Zur Darlegung dieser kann auf die gleichen Grundlagen wie hinsichtlich der Feststellung der Risikoindikatoren zurückge-griffen werden.

Bei der Ermittlung von potenziellen Schadens-höhen ist die Situation diffiziler, zumal auf-grund der in den Instituten vorhandenen Siche-rungsmaßnahmen – glücklicherweise – vielfach die entsprechenden praktischen, also tatsäch-lich aufgetretenen, Schadensfälle fehlen. Da die Schadenshöhe jedoch einer von zwei Faktoren ist, anhand derer sich das Ausmaß der präven-tiven Gegenmaßnahmen bestimmt, ist daher ein vernünftiger und realistischer Ansatz zu wählen. Insofern ist das Bewertungsmodell, das im Bereich der operationellen Risiken bereits Anwendung findet, eine gangbare Möglichkeit zur Festlegung von möglichen Schadenshöhen.

Bei den Verstößen gegen die gesetzlichen Vor-gaben aus dem WpHG und weiteren Regularien handelt es sich vorrangig um ordnungswidrig-keiten, deren Begehung Bußgeldzahlungen auslösen können. Letztere dienen gerade dem compliance-Bereich als eine weitere Grundlage hinsichtlich der Risikobewertung, zumal mit verhängten Bußgeldern – und damit aufgrund festgestellter wesentlicher Beanstandungen – im Zweifel auch Reputationsschäden einherge-hen können, was wiederum zu Beschwerden führen kann.

Ebenso wie die vorangegangen Aspekte sollte zur Abrundung auch die aufsichtsrechtliche Gewichtung der Fehler gem. WpDPV in die Risikobewertung miteinfließen. Hier ist anzu-führen, dass eine qualitative Mangelerschei-nung signifikanter als eine quantitative Fest-

6 AktG, § 93 Abs. 1

Abbildung 1: Darstellung von Gegen-/Präventivmaßnahmen

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stellung Einfluss haben sollte. Der Ansatz der tabellarischen Darstellung kann bei der Risiko-bewertung, wie bereits erwähnt, konsequent fortgeführt werden. Zur Verdeutlichung der unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten/Risi-ken eignet sich eine differenzierte farbliche Hinterlegung auf der Grundlage einer zuvor niedergelegten Verfahrensbeschreibung. Für den Bereich der Geldwäscheprävention erfolgt die risikoorientierte Betrachtungsweise in Form der 5er-Skalierung, welche idealer-weise für alle weiteren Bereiche konform zu übernehmen ist, wodurch sich separierte Risiko-/Gefährdungsanalysen nicht empfehlen. Redundanzen sind somit vermeidbar.

Für die Darstellung von Gegen-/Präventivmaß-nahmen eignet sich eine tabellarische Darstel-lungsform (Abb. 1), da die jeweiligen Einzel-zeilen lediglich darum ergänzt werden müssen. Schließlich müssen sich aus der Risiko-/Gefähr-dungsanalyse die ergriffenen Maßnahmen ableiten lassen.

5. Maßnahmenplanung zur Beseitigung oder Handhabung von Compliance-Risiken

teil jeder Risiko-/Gefährdungsanalyse ist die Ableitung von Maßnahmen auf Basis der voll-ständigen Bestandsaufnahmen und der darauf folgenden Risikobewertung. Grundsätzlich sind die meisten Risiken beherrschbar, wenngleich auch durchaus mit unterschiedlichem Aufwand hinsichtlich der Präventionsmaßnahmen auf-grund der Höhe des Risikos, der Eintrittswahr-scheinlichkeit sowie der (potenziellen) Scha-denssumme. Generelle Handlungsalternativen ergeben sich bereits beim Umgang mit Risiken aus sonstigen strafbaren Handlungen: Aus-schließen, Reduzieren, Versichern, Akzep-tieren. Betrachtet man diese Punkte genau, so finden sich die Maßnahmen zur Hand-habung von compliance-Risiken dort genauso wieder. Unabhängig davon, welche Ansätze angewendet werden, müssen die getroffenen Sicherungsmaßnahmen sowohl das einzelne identifizierte Risiko als auch die Risikogesamt-situation angemessen darstellen. Angemessen sind dabei solche Maßnahmen, die der jewei-ligen (Einzel-)Risikosituation entsprechen und diese hinreichend abdecken. Ein angemesse-nes Risikomanagement besteht i. d. R. aus allen vier o. g. Komponenten.

6. Präventionsmaßnahmen des Compliance-Bereichs

Vorangestellt soll erwähnt werden, dass sich im WpHG keine Regelungen finden, was genau unter Prävention zu verstehen ist. Eine globale Vorgabe findet sich in § 12 Abs. 3 Nr. 2 WpDVeroV folgendermaßen, dass die (WpHG)compliance-Funktion die Mitarbeiter hinsichtlich der Ein-haltung unterstützen und beraten soll. Detail-liertere Regelungen sind in den Macomp verankert. Die Beratungsfunktion und die frühzeitige Einbindung in Prozesse bilden die Basis der Präventionsmaßnahmen7. Die Par-allelen bzw. Identität der Maßnahmen in den Bereichen Prävention gegen Geldwäsche, ter-rorismusfinanzierung und sonstige strafbare Handlungen und MaRisk, die zu einem Vermö-gensschaden des Instituts führen können, sind offensichtlich. Ergänzend zu berücksichtigen sind die in allen Bereichen drohenden Reputa-tionsschäden, neben den Strafen aus den delik-tischen Handlungen.

7. Revisionssichere Dokumentation und Zusatznutzen durch Transfer der Ergebnisse

Die Grundlage für die Erstellung einer Risiko-/ Gefährdungsanalyse stellt in erster Linie die vollständige Bestandsaufnahme dar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine allgemeine, ober-flächliche Bestandsbeschreibung nicht aus-reichend ist. Vielmehr ist durch die jeweiligen Beauftragten ein Rückgriff auf statistische Aus-wertungen sowie weitere detaillierte Informa- tionen zu nehmen. Gemeint sind damit Anga-ben hinsichtlich Anzahl/Stück sowie vorhan-dene Summenangaben je Einzelposition. Hintergrund ist dabei das Erkennen von maß-geblichen Veränderungen und ggf. sich daraus für das Institut ergebende Risiken auf der Grundlage der entsprechenden Risikoindika-toren. Die dabei teilweise gewählte Form der Ausgestaltung in tabellen vereinfacht die Dar-stellung der erhobenen statistischen Werte.

Dies, sowie die unten beschriebene modulare Aufbauweise und eine chronologische Auflis-tung der Veränderungen, erleichtert die Aufga-benerfüllung der internen und externen Revi-sion durch eine übersichtliche Darstellung und der damit einhergehenden Vergleichs-möglichkeiten zur Analyse des Vorjahrs. Eine 7 Macomp, Bt 1.2.3 und Bt 1.2.4.

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Dokumentation der Analysetätigkeit ist gene-rell selbstverständlich. Schließlich stellt dies die Grundlage für die ordnungsgemäße Aufgaben-erfüllung des jeweiligen Beauftragten dar und ist damit die Basis für die interne und externe Revision. Dabei entsteht für die Beauftragten selbst durch die Kontrollergebnisse durchaus ein Zusatznutzen. Dies gilt nicht nur für posi-tive Ergebnisse zur Bestätigung der ordnungs-mäßigkeit. Auch Feststellungen durch die Revi-sion sind durchaus positiv zu bewerten. Die Sichtweise eines „Dritten“ ist generell konst-ruktiv zu werten, da sie der optimierung dient und somit im ersten Interesse des Instituts zu verstehen ist.

Die komplette Darstellung der institutsspezifi-schen Situation (Allgemeiner teil, Darstellung der evtl. Risiken, Bewertung der Risiken, abge-leitete Maßnahmen sowie die Gesamtbewer-tung des institutsspezifischen Risikos) ermög-licht aufgrund der in den Punkten 3., 4. und 5. beschriebenen Grundlagen die Erstellung einer einheitlichen, gemeinsamen Risiko-/Gefähr-dungsanalyse. In diese kann jeder Beauftragte sein themenschwerpunktgebiet integrieren, themenüberschneidungen können sinnvoll eingearbeitet werden.

Im Ergebnis entsteht eine vollständige Dar-stellung zur leichteren Risikofrüherkennung und den daraus abzuleitenden Maßnahmen zur Risikominimierung. Dies dient neben der Wahrung der Kundeninteressen auch dem Schutz des Instituts. Wiederum für den Abschlussprüfer stellt eine vollständige und aussagekräftige Risiko-/Gefährdungsanalyse (inkl. der Darstellung der Präventionsmaßnah-men) eine Grundlage hinsichtlich seiner durch-zuführenden Prüfungstätigkeit und Bewertung der Situation im Institut dar. Dies in Anwen-dung des IDW-Prüfungsstandards 210 – Auf-deckung von Unregelmäßigkeiten im Rahmen der Abschlussprüfung.

III. Überwachungsplan

Im Rahmen der geforderten Überwachung und Bewertung der Angemessenheit und Wirksam-keit der eingerichteten Verfahren und arbeits-ordnenden Vorgaben sowie der damit zusam-menhängenden Kontrollhandlungen erweist sich eine risikoorientierte Vorgehensweise als

optimal. Diesbezüglich sind in Gänze die Ins-titutsbereiche hinsichtlich ihres compliance- Risikopotenzials zu analysieren.

Der Überwachungsplan ist auf die konkre-ten, individuellen Gegebenheiten des Ins-tituts anzupassen. Dabei sind – ebenso wie in der Risiko-/Gefährdungsanalyse – insbe-sondere die Struktur und der Umfang der Geschäftstätigkeit, die geschäftspolitische Aus-richtung im Allge meinen ebenso zu berück-sichtigen wie der Umgang mit Vertriebsvor-gaben im Rahmen der Vertriebssteuerung im Besonderen. Der Überwachungsplan, der sich aus der Risikoanalyse ableitet, orientiert sich in seinem Aufbau (folglich) an der Risikoana-lyse und sollte zur zusammenfassenden Dar-stellung die Kontrollhandlungen der opera-tiven Bereiche und die Prüfungshandlungen der Internen Revision beinhalten. Der Überwa-chungsplan ist hinsichtlich seiner Aktualität fortlaufend zu überprüfen. Soweit erforder-lich sind Anpassungen, die aus regulatorischen oder institutsbedingten Veränderungen resul-tieren, vorzunehmen. Diese Modifizierungen sind zu dokumentieren und für Dritte nach-vollziehbar darzulegen. Grundsätzlich ist es selbsterklärend, dass Letztere als Basis genauso regelmäßig auf Aktualisierung zu überprüfen ist8. Der Überwachungsplan kann als mehr-jähriges Gesamtwerk aufgebaut werden oder jährlich auf Basis des Berichtszeitraums. Ziel der Kontrollen ist die Entsprechung der aufgestell-ten Grundsätze und eingerichteten Verfahren in Form der arbeitsordnenden Institutsvorga-ben. Hierzu zählen nicht nur die Arbeits- und organisationanweisungen sondern auch die freiwilligen über die Gesetzesanforderungen hinausgehenden Institutsregularien. Ein nicht unbedeutender anderer Zielaspekt der Kon-troll- und Überwachungshandlungen ist die Sensibilisierung für Compliance-Risiken. Die risikoorientierten Kontrollhandlungen im Über-wachungsplan des compliance-Beauftragten sind laufend, zeitnah und im Idealfall prozess-begleitend vorzunehmen. Der risikoorientierte Ansatz kann als Kennzeichen des Proportiona-litätsgrundsatzes verstanden werden.

Durch diese proaktiven, prozessbegleitenden Maßnahmen soll im optimalfall verhindert werden, dass compliance-Risiken generell entstehen. Die Kontrollen dienen zur Über-wachung, ob die implementierten arbeitsord-8 MaComp, Bt 1.2.1.1 Nr. 1.

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nenden Vorgaben eingehalten und angewen-det werden. Abgerundet werden diese beiden Maßnahmen von Schulungen und Beratun-gen – anhand eines entwickelten Konzepts-, bei denen den Mitarbeitern Informationen und Verhaltenskodizes vermittelt werden. Die Schaffung fundierter Schnittstellen sowohl zwi-schen den operativen Abteilungen und dem compliance-Bereich als auch der Internen Revision und dem Risikomanagement stellt eine besondere Herausforderung dar. Dabei sollte die Prämisse sein, Redundanzen zu ver-meiden und Synergien ohne Interessenkonflikt-potenzial einzusetzen. Die modulhafte Aufbau-weise (analog der Risikoanalyse) ermöglicht dabei nicht nur eine bessere Übersicht. Eben-

falls können – sofern erforderlich – leicht „Bau-steine“ ergänzt oder entfernt werden, ohne den Überwachungsplan in größeren teilen ändern zu müssen. Die tabellarische Darstel-lung bietet im Handling die gleichen Vorteile. Dadurch sind z. B. neue Produkte, Dienstleistun-gen oder Distributionswege in ihrer Berücksich-tigung leicht zu integrieren. Aufsichtsrechtliche Vorgaben, die eine stringente Vorgehensweise aller zu erstellenden Risiko-/Gefährdungsana-lysen und den daraus resultierenden Über-wachungsplänen darlegen, sind derzeit nicht existent. Es bleibt abzuwarten, ob bzw. wann seitens der Aufsicht überarbeitete Mindestan-forderungen an compliance (im engeren Sinne) veröffentlicht werden. £

PRAxISTIPPS

� Es liegt nahe, das Beauftragtenwesen mit seinen vielfältigen Aufgaben zusammenzuführen.

� Heben Sie personelle und fachliche Synergien. Eine isolierte Betrachtung der Einzelthemen erscheint – auch unter dem Aspekt des Mehraufwands – nicht sinnvoll.

� Konform zum modularen, tabellarischen Aufbau der Risiko-/Gefährdungsanalyse kann sowohl der Überwachungsplan als auch die jährliche Berichterstattung gestaltet werden.

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I. Einleitung/Übersicht

w Das Rundschreiben der BaFin Nr. 4/2013 (WA) vom 26.09.20131 stellt erstmals ausführ-liche verbindliche Gestaltungsanforderungen an Produktinformationsblätter („PIBs“) auf. Bis-lang entsprachen PIBs dem 2011 im Zentralen Kreditausschuss (ZKA, heute „Deutsche Kredit-wirtschaft – DK –“) abgestimmten Aufbau, waren aber inhaltlich sehr vielfältig ausgestal-tet. Mangels konkreter Vorgaben des Gesetz-gebers und der Aufsicht erfolgte die Umset-zung der Anforderungen aus § 5a WpDVeroV durch die Emittenten häufig nach dem Prin-zip von „Versuch und Irrtum“. Der Irrtum mani-festierte sich dann durch Einwände seitens der Vertriebsstellen, die bestimmte Finanz -instrumente wegen zu beanstandender PIBs aus dem Vertrieb nahmen oder durch Mangel-bewertungen seitens der Prüfungsstellen.

Nunmehr stellt die BaFin zum einen ausdrück-lich klar, dass PIBs sich an BT 3 MaComp – Vor-gaben zur Ausgestaltung von Kundeninforma-tionen – zu messen haben. Zum anderen gibt sie Auslegungshinweise zum Verständnis des § 5a WpDVeroV bis hin zu konkreten Ge- und Verboten bezüglich Formulierungen und Anga-ben. Die Vorgaben sind für Ersteller und Ver-wender von PIBs gleichermaßen relevant, da die Verwender auch weiterhin die grundsätz-liche inhaltliche und rechtliche Verantwortung für die bei Vertrieb von Finanzinstrumenten eingesetzten PIBs tragen2 (Zur eingeschränk-ten Verantwortlichkeit bei Fremdbezug von PIBs s. u. III.1.).

Ergänzt werden die Vorgaben aus dem BaFin-Rundschreiben durch das von einer Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern der kreditwirtschaftlichen Verbände, Verbraucher-schützern und dem damaligen Bundesminis-terium für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-braucherschutz, unter Mitwirkung der BaFin

und des Bundesfinanzministeriums erstellte und am 02.09.2013 veröffentlichte „Glossar(s) zur Verbesserung der sprachlichen Ver-ständlichkeit von Produktinformationsblät-tern nach Wertpapierhandelsgesetz“3. Die Verwendung der Begrifflichkeiten des Glossars ist nicht verbindlich, wurde und wird aber von allen Verbänden empfohlen. Die Umsetzungs-frist lief für beide im September 2013 herausge-gebenen Veröffentlichungen am 31.12.2013 ab.

II. Hinweise für PIB-Ersteller

1. BaFin-Rundschreiben

Das BaFin-Rundschreiben macht in seiner tz. 3 sehr ausführliche und ins Einzelne gehende Vorgaben für die inhaltliche Gestaltung von PIBs, allerdings nicht zum Aufbau. Damit gilt weiterhin die ursprünglich im ZKA abge-stimmte Gliederung, die von der BaFin auch nicht bemängelt wird. Folgende wesentliche Punkte sollten im Hinblick auf den Inhalt von PIBs grundsätzlich beachtet werden:

a) Verständlichkeit

Ein PIB hat nach Ansicht der BaFin für den „durchschnittlich informierten Anleger“4 ver-ständlich zu sein. Hier läge es nahe, davon auszugehen, dass ein Anleger, der die nach § 31 Abs. 3 WpHG vorgeschriebenen Kunden-informationen ordnungsgemäß erhalten und wahrgenommen hat, dieser Beschreibung ent-spricht. Die Annahme, dass der Anleger einen Informationsstand nach Lektüre der komplet-ten „Basisinformationen über Wertpapiere und weitere Kapitalanlagen“ habe, dürfte allerdings verwegen sein. Bei der Formulierung von PIBs, die sich nicht nur – und ausdrücklich – an einen eingeschränkten Kundenkreis richten (vgl. tz. 3.1.2 a. E. des Rundschreibens), sollte vorsorglich eher von einem leicht unterdurch-

Erstellung und Einsatz von Produktinformationsblättern

Autor:

Julia Richter, Rechtsanwältin, Compliance -

beauftragte (WpHG) und Bereichs-direktorin Kapitalmarkt-Compliance,

Kreissparkasse Köln.

Hinweise zum Umgang mit den Vorgaben aus dem BaFin-Rundschreiben 4/2013 (WA) vom 26.09.2013 und dem am 02.09.2013 veröffentlichten Glossar.

Diskutieren Sie zum Thema dieses Beitrags mit anderen BankPraktikern in unserem

FCH Blog: blog.fc-heidelberg.de

Diesen Beitrag finden Sie dort unter der Rubrik:

Vertrieb/Wertpapiergeschäft/Beauftragte.

1 http://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffent-lichungen/DE/Rundschreiben/rs_1304_pro-duktinformationsblaetter_wa.html (Abruf am 22.02.2014).

2 BaFin-Rundschreiben 4/2013 (WA), tz. 1 a. E.3 http://www.die-deutsche-kreditwirtschaft.

de/uploads/media/Anlage_1_Glossar_01.pdf (Abruf am 22.02.2014).

4 BaFin-Rundschreiben 4/2013 (WA), tz. 3.1.2.

Beitrag Vorstand Kredit Konto Anlage Aufsicht compliance

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Beitrag

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schnittlichen Informations- und Verständnis-niveau ausgegangen werden.

Zur Hebung der Verständlichkeit sollten auch die Vorgaben des Glossars (s. u. 3.) dienen, auf das das BaFin-Rundschreiben allerdings nicht eingeht. Da die BaFin sich unterstützend an der Erstellung des Glossars beteiligt hat, können Ersteller wohl davon ausgehen, dass dort als akzeptabel bezeichnete Begriffe seitens der Aufsicht nicht als unverständlich beanstandet werden.

b) Allgemein unzulässige Inhalte

Unter tz. 3 des Rundschreibens gibt die BaFin Hinweise auf von ihr in PIBs generell nicht akzeptierte Inhalte. Diese gelten unabhängig von der Art des im PIB beschriebenen Finanz-instruments. Die BaFin legt damit § 5a Abs. 1 Satz 3 WpDVeroV im Hinblick auf sonstige, nicht dem in der Vorschrift beschriebenen Zweck dienende Informationen aus. Auf folgende Vor-gaben ist dabei insbesondere hinzuweisen:

PIBs dürfen nach Maßgabe des BaFin-Rund-schreibens (tz. 3.1.3) keine Haftungsausschluss-formulierungen (Disclaimer) für ihre inhaltliche Richtigkeit enthalten. Die BaFin betrachtet dies als Irreführung, weil der Kunde annehmen könnte, das PIB sei in teilen oder in Gänze unrichtig. Soweit PIBs von den Emittenten der betreffen-den Finanzinstrumente selbst erstellt werden, was der Regelfall sein dürfte, kann dieser Ansicht der BaFin nur zugestimmt werden.

Angaben zum Rating des Emittenten oder ggf. des Finanzinstruments selbst gelten als Werbe-angaben und sind daher ebenfalls unzulässig (tz. 3.1.6 des Rundschreibens). Dies ist bedau-erlich, da eine Ratingangabe durchaus als nütz-liche Information für den Anleger dienen kann5. Als unzulässig sieht die BaFin auch Angaben zur Anlageorientierung – gemeint ist v. a. die Risikoorientierung – der als Zielgruppe für das Finanzinstrument gedachten Kunden an, da diese die Vergleichbarkeit der PIBs gefähr-den könnten.

c) Aktualität

Grundsätzlich müssen PIBs aktuelle Angaben enthalten und bei Bedarf aktualisiert werden, solange das Produkt mit Anlageberatung ver-

trieben wird. Es ist nicht zulässig, die Aktuali-sierung zu unterlassen und den Kunden im PIB auf diesen Umstand ausdrücklich hinzuweisen. Eine Angabe zum jeweiligen Stand des PIBs ist vorzusehen. Es empfiehlt sich in der Praxis, im Rahmen der Dokumentation im jeweili-gen Beratungsprotokoll erkennbar zu machen, welchen Stand das eingesetzte PIB hatte.

Bei Zeichnungsprodukten aktualisiert der Emit-tent das PIB nach Abschluss der Zeichnungs-phase regelmäßig nicht mehr. Soll das Finanz- instrument später nach einer Anlageberatung an der Börse für einen Kunden erworben wer- den, hat das vertreibende Institut für die Bereit-stellung eines aktuellen PIBs Sorge zu tragen.

d) Inhalt im Einzelnen (Schwerpunkte)

Im PIB sind Art und Funktionsweise des Finanzinstruments konkret anzugeben. Eine Angabe nur der Gattung des Finanzinstruments (z. B. Aktie) reicht nicht aus. Die BaFin fordert u. a. Angaben zur Branche des Emittenten sowie von dessen Homepage. Zur Funktionsweise ist ebenfalls auf das konkret beschriebene Finanz - instrument einzugehen und nicht die Eigen-art etwa einer Inhaberschuldverschreibung nur allgemein zu beschreiben. Bei der Angabe der Laufzeit sind gem. den Ausführungen im Rund-schreiben etwaige Kündigungsmöglichkeiten des Emittenten auch im Rahmen einer graphi-schen Darstellung zu berücksichtigen.

Dies schafft Schwierigkeiten – etwa bei der Erstellung von PIBs zu otc-Derivaten, weil viele der Daten, die dem Abschluss des Derivats zugrunde liegen, zum Zeitpunkt der Beratung noch nicht endgültig feststehen. Hier gestat-tet die BaFin keine Platzhalter (z. B. „indivi duell zu vereinbaren“), sondern fordert eine mög-lichst genaue Beschreibung. Da eine solche Beschreibung bei Derivaten kaum möglich ist, empfiehlt sich hier die Angabe der Werte, die zum Zeitpunkt der Anlageberatung gelten, ver-bunden mit einem deutlichen Hinweis auf den Gültigkeitszeitpunkt.

(Nur) die für das beschriebene Finanzinstru-ment relevanten Risiken sind zu beschreiben. Das im BaFin-Rundschreiben unter 3.2.3.1 angeführte Beispiel des Korrelationsrisikos dürfte allerdings falsch gewählt sein, da dieses allgemein als Risiko der Abhängigkeit eines

» Bei der Formulierung von PIBs, die sich nicht nur – und ausdrücklich – an einen eingeschränkten Kundenkreis richten (vgl. Tz. 3.1.2 a. E. des Rundschreibens), sollte vorsorglich eher von einem leicht unterdurchschnitt­lichen Informations­ und Verständnis­niveau ausgegangen werden. «

5 Vgl. auch Preuße/Seitz/Lesser, BKR 2014 S. 70, 74.

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(Express-)Zertifikats von dessen Basiswert und nicht im Zusammenhang mit Körben verstan-den wird. Klar ist nunmehr immerhin, dass die Angabe der Zugehörigkeit eines Emittenten zu einer Sicherungseinrichtung zulässig ist, aller-dings darf diese Angabe nicht bei den Risiko-beschreibungen stehen, um diese, insbeson-dere das Emittentenrisiko, nicht zu entwerten.

Im Hinblick auf die Darstellung der Aussich-ten erwartet die BaFin „i. d. R.“ drei Szenarien (tz. 3.2.4.1). Dies gestattet es, auf ein neutra-les Szenario zu verzichten, wenn ein sol-ches aufgrund der Art des Finanzinstruments nicht existiert. Die BaFin erwartet im Übri-gen hinsichtlich der zu erwartenden Szena-rien eine reine Netto- oder eine kombinierte Brutto-Netto-Betrachtung.

Bei den erforderlichen Kostenangaben, deren genaue Anforderungen für die Praxis lange unklar waren, steht jetzt fest, dass die Angabe von institutsspezifischen Erwerbshöchst kosten anstelle einer technisch kaum umsetzbaren, einzelkundenbezogenen Angabe zulässig ist. In der Praxis ist darauf zu achten, dass die kon-kreten Kosten oder z. B. Zuwendungen die im PIB gemachte Höchstangabe im Einzelfall nicht überschreiten dürfen, da ansonsten ein unrich-tiges PIB eingesetzt wurde. Einen reinen Verweis auf das Preis- und Leistungsverzeichnis unter Verzicht auf jegliche Kostenangabe, wie er in den Anfangszeiten des PIB-Einsatzes häufiger vorkam, akzeptiert die BaFin ausdrücklich nicht.

e) Umsetzungsfrist

Die Umsetzungsfrist für die Vorgaben des BaFin-Rundschreibens und des Glossars (s. u. 3.) galt bis zum 31.12.2013. Soweit in der Praxis ersichtlich, haben die Emittenten ihre PIBs, soweit erforderlich, rechtzeitig an die neuen Vorgaben angepasst.

2. BT 3 MaComp

Der Verweis auf die Anwendbarkeit von Bt 3 Macomp bedeutet, dass die allgemeinen Vor-gaben für die Ausgestaltung jeglicher beim Vertrieb von Finanzinstrumenten eingesetzter Kundeninformationen und Werbemitteilun-gen auch bei der Abfassung von Produktinfor-mationsblättern relevant sind. Soweit also z. B. Angaben zur früheren Wertentwicklung eines

Finanzinstruments in das PIB aufgenommen werden, ist der Hinweis gem. Bt 3.3.4 Macomp und § 4 Abs. 7 WpDVeroV zu ergänzen, wonach diese Angaben kein Indikator für die zukünf-tige Wertentwicklung sind. Zu beachten wäre dann ebenfalls die Vorgabe nach Bt 3.3.4.1.2 Macomp über den bei Wertentwicklungs-angaben relevanten Mindestzeitraum.

Allerdings wird angesichts der knappen Vor-gaben für die zulässige Seitenzahl von PIBs für viele der in Bt 3 Macomp ausführlich regulier-ten Angaben im PIB kein Raum sein.

3. Glossar

Das am 02.09.2013 veröffentlichte Glossar soll Erstellern von PIBs als Hilfe zur verständlichen Gestaltung der Informationsblätter dienen. Zu diesem Zweck enthält es verschiedene Listen mit Begriffen, die gar nicht mehr, mit standardi-sierten Erläuterungen oder nur mit vom Erstel-ler verfassten individuellen Erläuterungen, zu verwenden sind. Hinzu kommen zwei Listen mit abgestimmten textbausteinen als Formu-lierungsvorschläge zu den PIB-Abschnitten Risiko und Kosten/Vergütung.

Begriffe, die als gar nicht mehr verwendbar bezeichnet sind, werden teilweise gemeinsam mit verwendbaren Synonymen oder Ober-begriffen angegeben. Diverse Begriffe sollen hingegen wegen Unverständlichkeit oder feh lenden Nutzens für den Anleger ganz entfal-len. Über einzelne Wertungen lässt sich sicher weiterhin diskutieren (z. B. die Ersetzung des Begriffs „Prämie“ durch „Bonus“ oder die vor-gesehene Standarderläuterung des Begriffs „Mündelsicherheit“). Das Glossar ist aber ein hilfreicher Beitrag zur Verbesserung der Nütz-lichkeit von PIBs für den Anleger. Erstellern von PIBs ist zu raten, die Empfehlungen des Glos-sars bei ihren Formulierungen und Überar-beitungen zu beachten – was nach Beobach-tungen in der Praxis auch erfolgt – während PIB-Verwender es als zusätzlichen Maßstab für die Einschätzung der aufsichtsrechtlichen ord-nungsmäßigkeit und damit rechtssicheren Ver-wendbarkeit heranziehen können.

4. Überwachung durch Compliance

Die compliance-Funktion eines Emittenten, der PIBs erstellt, sollte bereits in der Phase der For-

» Der Verweis auf die Anwendbarkeit von BT 3 MaComp

bedeutet, dass die all­gemeinen Vorgaben

für die Ausgestal ­ tung jeglicher beim

Vertrieb von Finanz­instrumenten ein­gesetzter Kunden­

informationen und Werbemitteilungen

auch bei der Abfassung von

Produkt informations­blättern relevant

sind. «

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179CRP 03–04/2014

» Die BaFin erspart dem Verwender unter bestimmten Voraus­setzungen eine voll­ständige Kontrolle der dritterstellten PIBs auf Konformität mit dem WpHG und den von der BaFin aufgestellten Aus­legungsregeln. «

mulierung von PIB-texten einbezogen werden. Zum Beispiel könnte der Entwurf des PIB schon im Rahmen eines Neue-Produkte-Einführungs-prozesses mit begutachtet werden. Sofern die compliance-Funktion nicht grundsätzlich mit-wirkt, hat sie sich durch eine ausreichend große Stichprobe von der ordnungsmäßigkeit der verwendeten Formulierungen zu überzeugen. Dabei müssen die Macomp und das BaFin-Rundschreiben 4/2013 (WA) und es sollte das Glossar als Grundlagen für die inhaltliche Über-wachung dienen.

III. Hinweise für PIB-Verwender

Institute, die von dritten Emittenten erstellte PIBs im Vertrieb von Finanzinstrumenten an Privatkunden einsetzen, sollten sich ebenfalls mit den von der BaFin formulierten sowie im Glossar niedergelegten inhaltlichen Anforderun-gen vertraut machen. Sie tragen grundsätzlich selbst die Verantwortung für die Rechtskon-formität der Informationsblätter. Die BaFin hat sich im Rundschreiben allerdings nunmehr auch zu dieser in der Praxis weit verbreiteten Situation geäußert und die Verantwortlichkeiten sinnvoll zugeordnet. Damit wurde für die Institute eine deutliche Erleichterung geschaffen.

1. Einsatz von durch Dritte erstellten PIBs

Die BaFin erspart dem Verwender unter bestimmten Voraussetzungen eine vollstän-dige Kontrolle der dritterstellten PIBs auf Kon-formität mit dem WpHG und den von der BaFin aufgestellten Auslegungsregeln. Anders als bei anderen Kundeninformationen oder Werbemit-teilungen nach Bt 3 Macomp genügt es hier-für allerdings nicht, dass das erstellende Insti-tut ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen aus dem EWR und damit selbst i. S. d. WpHG oder diesem vergleichbar aufsichtsrechtlich reguliert ist. Dies sagt die BaFin im Rundschrei-ben – tz. 1 – ausdrücklich.

Eine Übertragung der Verantwortlichkeit für die Rechtskonformität von PIBs auf den Erstel-ler bedarf nach dem BaFin-Rundschreiben viel-mehr einer „vorherigen aufsichtsrechtskonfor-men Regelung“6. Diese Regelung kann in Form einer Vereinbarung zwischen dem verwen-denden und dem erstellenden Institut getrof-fen werden, auch im Rahmen einer Vertriebs-

vereinbarung7. Diese muss bestimmte Inhalte vorsehen, um aufsichtsrechtlich akzeptabel zu sein. Hierzu gehört eine ausdrückliche Zu -sicherung der Gesetzeskonformität durch den Ersteller gegenüber dem verwendenden Institut. Zudem müssen die bei Auslagerung gem. § 25a Abs. 2 KWG üblichen Regeln über die Ermöglichung von Prüfungshandlungen beim erstellenden Institut vereinbart werden. Schließlich muss das erstellende Institut über eine MaRisk-konforme interne Revision ver-fügen und sich verpflichten, dem Verwender entweder die sich auf die Erstellung von PIBs beziehenden teile der Revisionsberichte oder entsprechende jährliche Prüfungsberichte externer Wirtschaftsprüfer – ausreichend sind insoweit, soweit für das verwendende Ins-titut einschlägig, sicher auch Verbandsprüfer – zur Verfügung zu stellen.

Auch im Falle einer entsprechenden Verein-barung ist den verwendenden Instituten je -doch zu raten, die im Einsatz befindlichen PIBs weiterhin auch selbst stichprobenartig auf Ge setzes konformität zu prüfen. Auch wenn die BaFin im Rundschreiben den Bt 3.2 Nr. 3 Macomp insgesamt für nicht anwendbar erklärt, wird sie die Verantwortung für offensichtliche Mängel eines PIBs zumindest auch bei dem das-selbe nur einsetzenden Institut suchen. Darü-berhinaus kommt bei Einsatz eines inhaltlich falschen PIBs auch ein zivilrechtliches Haf-tungsrisiko in Betracht. Hierbei handelt es sich, da § 31 Abs. 3a WpHG, soweit ersichtlich, kein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB ist, um das allgemeine Risiko einer Haftung aus feh-lerhafter Anlageberatung. Eine Haftung kommt damit nicht allein aufgrund eines fehlerhaften PIB, sondern nur dann in Betracht, wenn diese Falschangabe im Rahmen der Beratung für die Anlageentscheidung des Kunden eine wesent-liche Rolle spielte. Enthält schon das dem Kun-den ausgehändigte PIB aber einen relevanten inhaltlichen Fehler, verbessert sich jedenfalls die Beweissituation des Kunden damit deutlich.

Das BaFin-Rundschreiben sollte den Verwen-dern von PIBs daher als Maßstab für eigene Kontrollmaßnahmen dienen.

2. Überwachung durch Compliance

Die compliance-Funktion eines Instituts, das dritterstellte PIBs einsetzt, sollte neben der ohne-

6 BaFin-Rundschreiben 4/2013 (WA), tz. 1 a. E.7 Vgl. Preuße/Seitz/Lesser, BKR 2014 S. 70, 72.

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hin erforderlichen Überwachung der bekannten Vorgaben zum Einsatz von PIBs in der Anlagebe-ratung und der ordnungsgemäßen Dokumen-tation dieses Einsatzes auch die Überwachung der Kontrollhandlungen zur Gesetzeskonformi-tät in ihren Überwachungsplan nach Bt 1.3.2.1 Macomp aufnehmen. Zu überwachen ist auch das Vorliegen der von der BaFin geforderten auf-

sichtsrechtskonformen Regelung bzw. Vereinba-rung zwischen dem Verwender und den Erstel-lern der eingesetzten PIBs und deren Einhaltung, z. B. der Erhalt von Revisions- bzw. Prüfungsbe-richten. Für die Überwachung des Einsatzes der PIBs in der Anlageberatung und dessen Doku-mentation bietet sich die Kontrolle der angefer-tigten Beratungsprotokolle an. £

Beitrag

PRAxISTIPPS

� Bei der Erstellung von PIBs kann auch weiterhin der ursprünglich im ZKA abgestimmte Aufbau eingehalten werden. Das BaFin-Rundschreiben 4/2013 (WA) vom 26.09.2013 löst einige länger diskutierte inhaltliche Streitfragen etwa zur Zulässig-keit einer Angabe der Sicherungseinrichtung (zulässig) oder einer Höchstbetragsangabe bei den Kosten (ebenfalls zulässig).

� PIB-Verwendern ist auch im Falle einer aufsichtskonformen, also mit den Vorgaben des BaFin-Rundschreibens kompa-tiblen Vereinbarung mit dem PIB-Ersteller zu raten, die im Einsatz befindlichen PIBs weiterhin auch selbst stichproben-artig auf Gesetzeskonformität zu prüfen.

� Ersteller von PIBs sollten neben dem BaFin-Rundschreiben auch die Empfehlungen des Glossars bei ihren Formulie-rungen und Überarbeitungen beachten – was nach Beobachtungen in der Praxis auch erfolgt –, während PIB-Verwen-der es als zusätzlichen Maßstab für die Einschätzung der aufsichtsrechtlichen ordnungsmäßigkeit und damit rechts - sicheren Verwendbarkeit heranziehen können.

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181CRP 07–08/2014

Finanzanlagenvermittlung durch selbständige VermittlerErfahrungen aus der Umsetzung der neuen Erlaubnis nach § 34f Gewo.

Vorstand Kredit Konto Anlage Aufsicht compliance

Autoren:

Carolin Jagschitz, Rechtsanwältin, Rechtsabteilung Bausparkasse Schwäbisch Hall AG undChristoph Flechtner, Rechtsanwalt, Vertrieb Bausparkasse Schwäbisch Hall AG.

Diskutieren Sie zum Thema dieses Beitrags mit anderen BankPraktikern in unserem

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Diesen Beitrag finden Sie dort unter der Rubrik: Vertrieb/Wertpapiergeschäft/Beauftragte.

I. Einleitung

w Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Novel-lierung des Finanzanlagenvermittler- und Ver-mögensanlagerechts zum 01.01.2013 wurde mit dem § 34f Gewo ein neuer Erlaubnistatbe-stand für die Vermittlung von Finanzanlagen in die Gewerbeordnung eingeführt. Die Struk-tur der neuen Regelungen sollte sich ausweis-lich der gesetzgeberischen Begründung an der Erlaubnis für die Versicherungsvermittler nach § 34d Gewo orientieren und dem Verbraucher-schutz dienen. Ziel des Gesetzgebers war es, Anleger vor finanziellen Schäden zu bewahren, die ihnen durch unseriöse Anbieter und die von diesen angebotenen Finanzprodukten sowie durch un seriöse oder unzureichend qualifizierte Produkt vertreiber und deren nicht anlegerge-rechte Vermittlung oder Beratung entstehen können. Die Konkretisierung der Anforderun-gen an die freien Vermittler und die Vermittlung regelt nunmehr – wie auch im Bereich der Versi-cherungsvermittlung die Versicherungsvermitt-lungsverordnung (VersVermV) – die ebenfalls in diesem Zusammenhang eingeführte Finanzan-lagenvermittlungsverordnung (FinVermV).

Durch die gesetzlichen Neuregelungen änder-ten sich die Anforderungen die bislang an die Vermittlung von Finanzanlagen gestellt wurden erheblich. Die bereits vorher gelten-den Regelungen im Bereich des Vertriebs von offenen Investmentfonds wurden sowohl im Hinblick auf die Anforderungen an die Vermitt-ler als auch im Hinblick auf die Anforderungen an die Vermittlung selbst erheblich verschärft. Daneben wurden Produkte, deren Vermittlung bislang jedenfalls ausdrücklich nicht geregelt war, in den Bereich der neuen Vorschriften ein-bezogen. Zudem wurde die vorher bestehende Regelung zur Aufsicht über die Finanzanlagen-vermittler geändert.

Nachdem das Gesetz nun seit etwas über einem Jahr in Kraft ist, soll der folgende Bei-

trag einen kurzen Überblick über die neuen Regelungen geben und die ersten Erfahrun-gen der bisherigen Umsetzung aus der Praxis, insbesondere in der Zusammenarbeit mit Han-delsvertretern und anderen selbständigen Ver-mittlern darstellen.

II. Inhalt und Auswirkungen der Regelungen

Im Folgenden werden zunächst die wesent-lichen Neuregelungen und die damit ein-hergehenden Auswirkungen auf die Praxis dargestellt.

1. Struktur des § 34f GewO

Durch den neuen § 34f Gewo wurde die bis-lang in § 34c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 Gewo bestehende Erlaubnispflicht für die Vermitt-lung von offenem Investmentfonds heraus-gelöst und ein eigener Erlaubnistatbestand § 34f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Gewo hierfür geschaf-fen. Zudem wurde ein weiterer Erlaubnistat-bestand für die Vermittlung von geschlosse-nem Investmentvermögen, § 34f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Gewo und die Vermittlung von Vermö-gensanlagen nach dem Vermögensanlagenge-setz, § 34f Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Gewo, geschaffen.

Der Begriff der Vermögensanlagen wurde durch das Gesetz zur Novellierung des Finanz-anlagenvermittler- und Vermögensanlage-rechts zusammen mit dem gleichnamigen Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) ein-geführt und dort in § 1 Abs. 2 VermAnlG defi-niert. Durch die vom Gesetzgeber insoweit eingeführte Definition der Vermögensanlage wurde insbesondere der Bereich der erlaub-nispflichtigen Produktvermittlungen erheb-lich ausgeweitet. Über § 34f Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Gewo i. V. m. § 1 Abs. 2 VermAnlG werden nun auch Produkte von der Erlaubnispflicht erfasst, die bislang keiner Erlaubnispflicht unterlagen.

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182 CRP 07–08/2014

» Rückmeldungen aus den Prüfungen

zeigen, dass diese nur nach einer

eingehenden Beschäftigung mit

den geprüften Inhalten bestanden werden können. «

Die Auswirkungen, die insbesondere die an die Erlaubnis geknüpften Verhaltenspflichten der FinVermV in der Praxis betreffen, sollen im letzten Abschnitt dieses Beitrags aufgezeigt werden.

Die Erlaubnis der § 34f Abs. 1 Gewo kann auf einzelne der geregelten Produktkategorien beschränkt werden oder für alle drei Produkt-kategorien beantragt werden. Die jeweilige Beantragung hat dann in der Folge unterschied-liche Auswirkungen auf für die Erlaubnisertei-lung erforderliche Anforderungen.

Gemäß § 34f. Abs. 5 und 6 Gewo sind die freien Vermittler verpflichtet, sich in ein entsprechen-des Register eintragen zu lassen. Dasselbe gilt für die bei der Beratung und Vermittlung mitwirken-den – angestellten – Personen. Auch diese sind unverzüglich der Registerbehörde zu melden.

Die Register werden in der Praxis überwie-gend von der Stelle geführt, die auch für die Erlaubniserteilung zuständig ist, jedoch beste-hen insoweit in Einzelfällen Abweichungen. Die initiale Eintragung in das Register wird bei der Beantragung der Erlaubnis nach § 34f Gewo bei der Erlaubnisbehörde gestellt. Die Erlaubnisbe-hörde veranlasst nach Erteilung der Erlaubnis die entsprechende Eintragung in das Register.

2. Voraussetzung für die Erteilung der Erlaubnis nach § 34f GewO

Erforderlich für die Erteilung der Erlaubnis sind auch – wie bereits innerhalb der alten Erlaubnis des § 34c Gewo – der Nachweis der gewerbe-rechtlichen Zuverlässigkeit und geordneter Ver-mögensverhältnisse. Neue Voraussetzungen des § 34f Gewo sind der Nachweis über das Beste-hen einer ausreichenden Berufshaftpflichtver-sicherung und ein Sachkundenachweis.

a) Sachkundenachweis

Vermittler müssen bei Beantragung der Erlaub-nis einen Nachweis darüber erbringen, dass sie über die notwendige Sachkunde über die fach-lichen und rechtlichen Grundlagen sowie über die Kundenberatung besitzen.

Soweit der Antragsteller nicht eine Berufs-ausbildung gem. § 4 FinVermV (z. B. Bank-kaufmann, o. ä.) besitzt, welche als grundsätz-

licher Sachkundenachweis akzeptiert wird, ist der Sachkundenachweis über eine Prü-fung bei der Industrie- und Handelskam-mer und im Umfang der beantragten Erlaub-nis nachzuweisen.

Gegenstand der Sachkundeprüfung sind Kun-denberatung und fachliche Kenntnisse – ins-besondere in Bezug auf rechtliche Grundlagen und steuerliche Behandlung – auf den Gebie-ten Beratung und Vermittlung von Finanzan-lagen nach § 34f Abs. 1 Satz 1 Gewo, offene Investmentvermögen i. S. d. § 1 Abs. 4 des Kapi-talanlagegesetzbuchs und die Möglichkeiten der staatlichen Förderung, geschlossene Invest-mentvermögen i. S. d. § 1 Abs. 5 des Kapitalanla-gegesetzbuchs sowie Vermögensanlagen i. S. d. § 1 Abs. 2 VermAnlG. Die Prüfung besteht aus einem schriftlichen und einem mündlichen teil.

Wird die beantragte Erlaubnis auf einzelne Produktkategorien beschränkt, kann auch der Umfang der schriftlichen Prüfung ggf. redu-ziert werden. Es sind nämlich grundsätzlich nur die Kenntnisse, die für die beantragte Produkt-kategorie erforderlich sind, nachzuweisen. Wird also eine Erlaubnis für die Vermittlung von offe-nem Investmentvermögen beantragt, müssen auch nur Kenntnisse über diese Produktklasse offene Investmentvermögen schriftlich nach-gewiesen werden. Allerdings ist für eine Erlaub-nis für die Vermittlung von Vermögensanlagen nach § 34f Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Gewo die schrift-liche Prüfung sowohl für geschlossene Invest-mentvermögen als auch über Vermögensanla-gen abzulegen.

Auch für den praktischen teil der Prüfung gibt es Ausnahmen. Dieser ist gem. § 3 Abs. 5 FinVermV nicht zu absolvieren, wenn der Antrag-steller eine auf die Vermittlung von offenem Investmentvermögen gem. die in § 34 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Gewo beschränkte Sachkundeprü-fung ablegt und über eine aktuelle Erlaubnis als freier Versicherungsvermittler oder als freier Versicherungsberater nach § 34d Abs. 1 oder § 34e Abs. 1 der Gewo hat. Hintergrund dieser Regelung ist, dass in den von § 4 Abs. 5 FinVermV erfassten Fällen der Antragsteller bereits im Bereich der Versicherungsvermitt-lung eine Sachkundeprüfung abgelegt hat.

Die ersten Rückmeldungen aus den Prüfungen zeigen, dass diese nur nach einer eingehen

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183CRP 07–08/2014

den Beschäftigung mit den geprüften Inhal-ten bestanden werden können. Insbesondere bei Antragstellern, die bis dahin z. B. nur mit einer sehr eingeschränkten Produktpallette ver-mittelnd tätig waren, reicht aufgrund der gefor-derten inhaltlichen Wissensbreite allein die praktischen Erfahrung aus der ausgeübten Tätigkeit für eine erfolgreiche Bewältigung der Prüfung regelmäßig nicht aus.

b) Nachweis über das Bestehen einer Berufshaftpflichtversicherung

Die einzelnen Anforderungen an die Berufs-haftpflichtversicherung regeln die §§ 9 ff. der FinVermV. Bei der Beantragung der Erlaubnis ist nunmehr eine Versicherungsbestätigung notwendig, aus der hervorgeht, dass Versi-cherungsschutz für die Vermittlung der bean-tragten Produktkategorien besteht. Die Ver-sicherungsbestätigung darf zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der für die Erlaubnis-erteilung zuständigen Behörde nicht älter als drei Monate sein. Die Mindestversicherungs-summe beträgt analog der im Bereich der Ver-sicherungsvermittlung geltenden Regelun-gen 1.130.000 € für jeden Versicherungsfall und 1.700.000 € für alle Versicherungsfälle eines Jahrs. Diese Höhen sind unabhängig vom Umfang der Erlaubnis nach § 34f Abs. 1 Satz 1 der Gewo.

Bereits die Bescheinigung über das Bestehen der Berufshaftpflichtversicherung sorgte in der Praxis noch während der Übergangsfris-ten für Irritationen. Durch eine weitere Geset-zesänderung im Bereich des Investmentrechts änderten sich Produktkategorien des § 34f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 3 Gewo, u. a. erweiterte sich der Anwendungsbereich des § 34f Abs. 1 Nr. 2 Gewo, indem Produkte, die vor der Gesetzes-änderung der Kategorie § 34f Abs. 1 Nr. 3 Gewo unterfielen nunmehr von § 34f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Gewo erfasst wurden. Soweit bereits zu diesem Zeitpunkt neue Erlaubnisse und/oder die Umschreibung der alten § 34c Gewo-Erlaubnis auf die neue §34f Gewo-Erlaubnis beantragt war, mussten neue, geänderte Ver-sicherungsbestätigungen vorgelegt werden um ausreichenden Versicherungsschutz nach-zuweisen. Dies insbesondere deshalb, weil die Aufsicht die „alten“ Versicherungsbestätigun-gen nicht akzeptierte. Die Folge war neben der Verunsicherung aller Beteiligten ein nicht

unbeachtlicher bürokratischer Mehraufwand auf Seiten der Versicherungen und insbeson-dere der Antragsteller selbst.

3. Wohlverhaltenspflichten

Zusätzlich zu den persönlichen Anforderun-gen an die Vermittler wurden mit den §§ 4 ff. FinVermV umfangreiche Wohlverhaltens-pflichten statuiert, die bei der Vermittlung der Finanzanlagen zu beachten sind. Insbesondere wurden weitgehende Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten eingeführt.

Inhaltlich orientiert sich der Pflichtenkata-log stark an den bereits im WpHG geltenden Regelungen und überträgt diese fast 1:1 auf die freien Vermittler. So wurde z. B. eine allgemeine Verhaltenspflicht aufgenommen, die zu einer tätigkeit im Interesse des Anlegers verpflichtet.

Weiterhin gibt es wie bei Versicherungsvermitt-lern nun auch in der Finanzanlagenvermittlung das sog. „Visitenkartenkonzept“. Der Vermitt-ler muss dem Anleger vor Beginn der ersten Anlageberatung – also bereits beim ersten geschäftlichen Kontakt – schriftlich neben den persönlichen Daten (z. B. Name und Kontakt-daten) mitteilen, über welche Erlaubnis nach § 34f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-3 Gewo er verfügt und für welche Anbieter (Emittenten) er Finanzanla-gen vermittelt. Zudem sind dem Anleger – wie bei den Versicherungsvermittlern auch – das Register, die Registernummer und die entspre-chende Zugangsmöglichkeiten zum Vermitt-lerregister mitzuteilen. Sofern der Finanzanla-genvermittler auch als Versicherungsvermittler tätig ist, können die nach § 11 VersVermV zu erteilenden Informationen um die nach § 12 FinVemV erteilten Informationen ergänzt werden. Es ist also nicht erforderlich, dem Kunden die Informationen abhängig vom Beratungsgegenstand doppelt zu erteilen.

Weiterhin wurden umfangreiche Informations- und Beratungspflichten eingeführt. Der Kunde ist nunmehr vor Abschluss des Geschäfts über Kosten, Risiken, Nebenkosten und Interessen-konflikte aufzuklären, und die erhaltenen Zuwen-dungen sind offenzulegen. Die Informationen können in standardisierter Form erteilt werden.

Insbesondere mit der Pflicht zur Offenle-gung von Zuwendungen ist daher nunmehr

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184 CRP 07–08/2014

» Im Ergebnis ist bei der Anlagen­

beratung und/oder ­vermittlung durch

freie Vermittler eben­falls die Anfertigung eines WpHG­Proto­

kolls erforderlich. «

im Bereich der freien Vermittler eine weitge-hende Pflicht zur Provisionsoffenlegung ein-geführt worden. Über die insoweit bereits seit längerem anerkannten, bei fehlender Provisi-onsoffenlegung ggf. bestehenden zivilrecht-lichen Haftungsansprüche hinaus, ist dem Gewerbetreibenden nunmehr auch aufsichts-rechtlich untersagt, Provisionen entgegenzu-nehmen, deren Existenz und Höhe bzw. deren Berechnungsgrundlage er dem Anleger nicht vor Abschluss des Vertrags offengelegt hat.

Daneben ist bei der Vermittlung von Vermö-gensanlagen gem. § 15 FinVermV ein geson-dertes Informationsblatt gem. § 13 VermAnlG (VIB) jedenfalls dann zur Verfügung zu stellen, wenn ein solches nach dem Vermögensanla-gengesetz für die betroffene Vermögensanlage vorgeschrieben ist.

Zudem sind Informationen über den Anleger einzuholen, ein entsprechendes Beratungs-protokoll zu erstellen und eine Abschrift dem Anleger nach Abschluss der Beratung und vor Abschluss eines Geschäfts zur Verfügung zu stellen. Insoweit wurden die im Wertpapier-recht bereits seit längerem geltenden Rege-lungen der §§ 31 und 34 WpHG auf die freien Vermittler übertragen.

Im Ergebnis ist daher bei der Anlagenberatung und/oder -vermittlung durch freie Vermitt-ler nunmehr ebenfalls die Anfertigung eines WpHG-Protokolls erforderlich.

4. Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs- und Prüfpflicht

Die Erfüllung der den Vermittlern nach der FinVermV obliegenden Pflichten sollte in der Praxis insbesondere vor dem Hintergrund der §§ 22 bis 24 FinVermV dokumentiert werden. Neben der in §§ 22 FinVermV normierten Pflicht über die Erfüllung der FinVermV-Pflichten Auf-zeichnungen zu machen – wie bereits vor der Gesetzesänderung nach der MaBV – ist am Ende eines Jahrs ein Prüfbericht durch einen geeigneten Prüfer über die tätigkeiten des letz-ten Jahres zu erstellen und bei der zuständigen Behörde einzureichen, § 24 FinVermV. Bereits um eine entsprechende Prüfung zu ermög-lichen müssen daher dem Prüfer Unterlagen zur Verfügung gestellt werden können, die die Erfüllung der Pflichten dokumentieren.

Weiterhin besteht gem. § 23 FinVermV die Pflicht, die Aufzeichnungen auf einem dauer-haften Datenträger für fünf Jahre aufzube-wahren, wobei auch die Einhaltung dieser Pflicht Gegenstand des Prüfberichts ist. In der Praxis sollten daher u. a. die angefertigten Bera-tungsprotokolle archiviert werden, um entspre-chend die Erfüllung der Aufbewahrungspflicht nachweisen zu können.

5. Aufsicht

Die Aufsicht über die Einhaltung des Pflichten-katalogs und zuständige Erlaubnisbehörden ist dezentral und unterschiedlich geregelt. teil-weise fällt die Überwachung der freien Finanz-anlagenvermittler in die Zuständigkeit der ört- lichen Gewerbeämter. In anderen Gebieten sind die örtlichen Industrie- und Handelskammern zuständig. Dies führt in der Praxis derzeit noch, insbesondere bei den geltenden Übergangs-regelungen, zu unterschiedlicher Handhabung bzw. Auslegung der neuen gesetzlichen Rege-lungen. Es ist jedoch bereits eine Vereinheitli-chung der Rechtsauslegung zu erkennen, die in nächster Zeit noch deutlich zunehmen dürfte.

III. Gelöste und offene Probleme

Wie bereits oben dargestellt hatten die Beteilig-ten in der Einführungsphase der neuen Erlaub-nis nach § 34f Gewo einige Probleme, wie z. B. sich ändernde Versicherungsanforderungen und unterschiedliche Rechtsauffassungen unterschiedlicher Erlaubnis- und Aufsichtsbe-hörden, zu bewältigen.

Innerhalb der neuen Vorschriften gibt es aber auch Bereiche, an denen ein klare Überregu-lierung zu erkennen ist, die sich weder aus ver-braucherschutzrechtlichen noch anderen Erwä-gungen erklären lassen.

So fallen in der derzeitigen Gesetzeslage auch Produkte in den Anwendungsbereich, die ganz offensichtlich ein nicht mit den anderen Pro-dukten vergleichbares Gefährdungspotenzial aufweisen. Ein Beispiel hierfür sind Genossen-schaftsanteile, die durch die Institutsgarantien oder Sicherungseinrichtungen de facto voll abgesichert sind, sowie Sparbriefe. Inwiefern die Einbeziehung solcher per se sicheren Produkte zu mehr Anlegerschutz führt, ist nicht ersichtlich.

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185CRP 07–08/2014

Es bleibt zu hoffen, dass die mit der Einführung aufgetretenen Probleme sich durch den steti-gen Erkenntnisgewinn der Beteiligten und die

hierauf ggf. aufsetzenden gesetzlichen Klarstel-lungen weiter reduzieren und schließlich ganz verschwinden werden. £

PRAxISTIPPS

� Die Vorgaben des neuen §34f Gewo stellen für den selbständigen Vermittler nicht nur bei der Beantragung der Erlaub-nis sondern auch bei der Vermittlung von Finanz- und Vermögensanlagen in der täglichen Praxis deutlich höhere Anfor-derungen. Diese müssen zur rechtssicheren Ausübung der tätigkeit in jedem Fall beachtet werden.

� Aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen an die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung und die nachzuwei-sende Sachkunde sollte vor der Beantragung der Erlaubnis genau geprüft werden, für welche Produktkategorien des § 34f 1 Satz 1 Nr. 1-Nr. 3 Gewo eine Erlaubnis benötigt und dementsprechend beantragt wird.

� Soweit eine Sachkundeprüfung zum Erwerb der Erlaubnis bei der IHK abgelegt werden muss, sollte in jedem Fall eine sorgsame Vorbereitung erfolgen, um diese Prüfung sicher zu bestehen.

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Rechtssicheres Avalgeschäft, 3. Auflage

Bürgschaften, verlangt vom Anwender hinsichtlich Erstellung wie Abwick-lung eine ständige Beschäftigung mit den auftretenden Einzelfragen sowie eine kontinuierliche Umset-zung neu gewonnener Erfahrungen zwecks optimierter Berücksichti-gung individueller Kundenwünsche einerseits und der Erfordernisse von Rechtspraxis und aktueller Rechtsprechung andererseits.

Auch in der inzwischen 3. Auflage dieses Buches werden die praxis-gerechte Ausgestaltung von Bank-bürgschaften und die entsprechende Ausgestaltung von Auftragsverhält-nissen, so praxisrelevante Fragen wie Ein- und Ausbuchung, Verhalten bei Inanspruchnahmen und bei Zustel-lung gerichtlicher Eilmaßnahmen, Erhebung und Verzicht auf Einreden sowie Rückabwicklungsfragen bei nicht geschuldeter Leistung in ebenso aktualisierter und ergänzter Weise angesprochen wie die mit Grundge-schäftsabsprachen über die Erstellung von auf erstes Anfordern zahlbaren

Bankbürgschaften und deren Erstellung zusammenhängenden Risiken und Rechtsfolgen. Neu in der 3. Auflage sind insbesondere die Ausführungen zur Anfechtbarkeit der Aval-Gestellung, der Saldenausgleich unter Mitbürgen sowie eine ausführ-liche Abhandlung der Garantie.

Die Autoren der 3. Auflage haben das von RA Günter Blesch (ehem. Banksyndikus) begründete Werk überarbeitet und ergänzt. Sie sind seit vielen Jahren im Avalgeschäft tätig, Armin Meyer als Syndikus einer Großbank und Torsten Steinwachs ist als ehemaliger Bankmitarbeiter heute Partner eines Avalmanagers. Die in jahrelanger Praxis erworbenen einschlägigen Erfahrungen fassen sie in diesem Buch in leicht verständlicher Weise zusammen, für Bankpraktiker und Juristen gleichermaßen. Die Prio-rität liegt dabei auf der Gewinnung von Rechtssicherheit in der alltäglichen Praxis unter gleichzeitiger Berücksich-tigung unterschiedlicher Tendenzen in Schrifttum und Rechtsprechung.

Bankbürgschaften: Rechtsfragen, Risikominimierung und Taktiken – vom Herauslegen bis zur Inanspruchnahme

Günter Blesch Ehem. Deutsche Bank AG

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Torsten Steinwachs HERMANN Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater GbR

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Stand: 01.03.2014Erscheinungstermin: 15.04.2014Umfang: ca. 200 SeitenPreis: € 99,–ISBN: 978-3-943170-67-2

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Torsten Steinwachs HERMANN Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater GbR

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Stand: 01.03.2014Erscheinungstermin: 15.04.2014Umfang: ca. 200 SeitenPreis: € 99,–ISBN: 978-3-943170-67-2

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I. Rechtsverfolgung – aber wie?

w Auch Kreditinstitute sind opfer von zielge-richteten strafbaren Handlungen und erleiden Vermögensschäden. Hat sich das Kreditins-titut entschlossen, Schadensersatzansprü-che gegenüber dem täter geltend zu machen, sollte das strafrechtliche Adhäsionsverfah-ren als ein Weg der effektiven Rechtsverfol-gung bedacht werden.

Der Zivilprozess im Strafverfahren – so kann man das Adhäsionsverfahren pointiert be schrei ben. Die Strafprozessordnung bietet dem durch eine Straftat Verletzten die Möglichkeit, vermögens-rechtliche Ansprüche gegen den Schädiger bereits im Strafverfahren geltend zu machen1. Das kann für den Verletzten (Geschädigten) eine schnelle und kostengünstige Rechtsverfolgung sein und den alternativen Weg vor das Zivilge-richt (§§ 23, 71 GVG) ersparen.

In der Praxis führt das Adhäsionsverfahren gleichwohl eher ein Schattendasein2. Ein Grund mag sein, dass sich Strafrichter nicht gern zivil-rechtlichen Fragen widmen. Ein weiterer Grund liegt aber darin, dass das Adhäsionsverfahren oftmals dem Geschädigten, jedenfalls wenn er anwaltlich nicht vertreten ist, nicht geläufig ist. Wer in Kreditinstituten die Schadensersatzan-sprüche aus Straftaten bearbeitet, sollte daher immer die Möglichkeit der Rechtsverfolgung im Adhäsionsverfahren prüfen.

II. Strafrechtliches Adhäsionsverfahren

1. Einleitung und Fallbeispiele

Gem. den §§ 403 ff. StPo kann der durch eine Straftat in seinem Vermögen Verletzte seine daraus erwachsenden vermögensrechtlichen Ansprüche, die zur Zuständigkeit der ordent-

lichen Gerichte (§§ 23, 71 GVG) gehören, auch im Strafverfahren geltend machen. Damit über-nimmt das Strafgericht im Adhäsionsverfah-ren eine Doppelfunktion. Es urteilt funktional sowohl als Straf- als auch Zivilgericht3.

Zur Darstellung der für das Kreditinstitut wich-tigen Aspekte des Adhäsionsverfahrens dienen drei Beispielsfälle:

Fall 1:

Die Sparkasse hat durch mehrere gefälschte Überweisungen einen Gesamtvermögens-schaden von 10.000 € erlitten. In dieser Höhe musste sie den betroffenen Kunden Wiedergut-schriften erteilen, weil die Fälschung der Unter-schriften nachweislich ist. Die Polizei konnte aufgrund der Strafanzeige der Sparkasse nach Monaten einen täter ermitteln. Die Staats-anwaltschaft erhebt ein Jahr nach der Straf-anzeige der Sparkasse beim Amtsgericht eine Anklage gegen den täter. Die Sparkasse erfährt über die Zeugenladung des Mitarbeiters M von der anstehenden Hauptverhandlung.

Fall 2:

Kunde Karl Zorn betritt gegen Mitternacht den Automatenvorraum der Geschäftsstelle der Sparkasse, um sich während einer Zechtour mit weiterem Bargeld zu versorgen. Leider verwei-gert der Geldautomat die Auszahlung. Zorn zieht einen Kontoauszug und stellt fest, dass er kein Geld mehr zur Verfügung hat und der erwar-tete Gehaltseingang noch aussteht. Dies alles erbost ihn derart, dass er mit einem gezielten und kräftigen Fußtritt den Kontoauszugsdrucker außer Dienst setzt. Beim Verlassen der Geschäfts-stelle stört ihn der am Ausgang stehende Stand-haschenbecher. Er nimmt ihn und schleudert ihn gegen eine Wand, an der der Aschenbecher mit lautem Knall zerbricht. Der Gesamtschaden beträgt 1.800 €. Karl Zorn wird nach der Straf-

Schadensersatzansprüche aus Straftaten effektiv verfolgen

Autor:

Uwe Schelske, Rechtsanwalt und Leiter

Rechtsabteilung Kreditrecht, Sparkasse Hildesheim.

Das unbekannte, aber vorteilhafte strafrechtliche Adhäsionsverfahren als ein Weg der effektiven Rechtsverfolgung für Banken und Sparkassen.

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Vorstand/Revision/Personal.

1 Zur grundlegenden Reform des bereits 1943 in der StPo eingeführten Adhäsionsverfah-rens siehe das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Verletzten im Strafverfahren vom 24.06.2004, BGBL. 2004 I, S. 1.354.

2 Kuhn, JR 2004 S. 397, (398); Haller, NJW 2011 S. 970, (971).

3 Kuhn, JR 2004 S. 397, (399).

Beitrag Vorstand Kredit Konto Anlage Aufsicht compliance

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Beitrag

CRP 07–08/2014

anzeige der Sparkasse als täter ermittelt. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erlässt das Amts-gericht einen Strafbefehl wegen Sachbeschädi-gung, den Karl Zorn akzeptiert.

Fall 3:

Die Sparkasse hat dem Kunden K ein Darlehen von 15.000 € gewährt. Zur Kreditprüfung hat K gefälschte Gehaltsbescheinigungen vorgelegt. Da K aktuell keine Beschäftigung hat, kann er die Darlehensraten nach der Darlehensvalutie-rung nicht zahlen. Nach Bekanntwerden des Sachverhalts kündigt die Sparkasse den Dar-lehensvertrag fristlos und erstattet eine Straf-anzeige wegen Kreditbetrugs und Urkunden- fälschung. Sie hat eine uneinbringliche Forde-rung von 15.000 €. Das Amtsgericht bestimmt einen termin zur Hauptverhandlung gegen K und lädt den Kundenberater als Zeugen.

Alle drei Fälle haben gemeinsam, dass die betroffene Sparkasse durch Straftaten Dritter bzw. ihres Kunden Vermögensschäden erlei-det. Sie wird zwingend überlegen, wie sie ihre Ansprüche gerichtlich geltend macht, in der Hoffnung bei den tätern künftig Schadens-ersatz durchsetzen zu können.

Dabei denkt man primär an die klassischen prozessualen Einleitungsmöglichkeiten des gerichtlichen Mahnverfahrens (§§ 688 ff. ZPo) oder der Klageerhebung vor dem Zivilgericht (§§ 253 I ZPo, 23, 71 GVG). Wegen der Streit-werthöhe wäre im Beispielsfall 1 bei einer Zivil-klage sachlich das Landgericht zuständig (§§ 23 I Nr. 1,71 I GVG), vor dem die Sparkasse ohne einen zugelassenen Rechtsanwalt nicht auftre-ten kann (§ 78 I 1 ZPo). Wählt die Sparkasse die Zivilklage zur Durchsetzung ihrer Ansprü-che, muss sie zunächst weiteres Geld für einen beauftragten Rechtsanwalt sowie den Gerichts-kostenvorschuss (§§ 1 I Nr. 1, 3 GKG) in die Hand nehmen, wobei ggf. schon sehr fraglich sein kann, ob der entstandene Schaden von 10.000 € vom täter überhaupt wird beglichen werden können. Wie oft in solchen Fällen liegt die Gefahr nahe, dass in eine schlechte Sache weiteres gutes Geld investiert wird.

2. Adhäsionsverfahren

Daher sollte die Sparkasse effektive Alternati-ven überlegen, die ebenfalls die Durchsetzung

ihrer Ansprüche gegen den täter ermöglichen, ggf. jedoch kostengünstiger und vielleicht weniger aufwändig sind. Hier kann das straf-rechtliche Adhäsionsverfahren eine Alternative bieten.

a) Zulässigkeit

Das Adhäsionsverfahren ist demjenigen eröff-net, dem durch eine Straftat ein vermögens-rechtlicher Anspruch erwächst, der zur Zustän-digkeit der ordentlichen Gerichte gehört und noch nicht anderweitig gerichtlich anhängig gemacht worden ist (§ 403 StPo).

In allen drei Beispielsfällen liegt klar auf der Hand, dass die täter der Sparkasse durch die strafbaren Handlungen einen Vermögensscha-den zufügten. Damit hat die Sparkasse nach § 403 I StPo grundsätzlich die Möglichkeit, ihre vermögensrechtlichen Ansprüche (hier Scha-densersatz) im Adhäsionsverfahren geltend zu machen. Es gilt allerdings, eine wichtige Einschränkung zu beachten. Die vermögens-rechtlichen Ansprüche dürfen nicht ander-weitig gerichtlich anhängig sein. In unseren Beispielsfällen ist das nicht der Fall. Eine ander-weitige gerichtliche Anhängigkeit des vermö-gensrechtlichen Anspruchs sperrt den Zugang zum Adhäsionsverfahren. Daher sollte man bei der Rechtsverfolgung vermögensrechtlicher Ansprüche aus Straftaten sehr gut abwägen, ob man sofort zur Anspruchsverfolgung den Zivilrechtsweg beschreitet.

b) Antragsverfahren

Das Adhäsionsverfahren ist ein reines Antrags-verfahren (§ 404 I 1 StPo) und setzt einen Antrag der Sparkasse voraus4.

Zur Antragstellung ist die Sparkasse als durch die Straftaten Geschädigte berechtigt. Sie ist Verletzter i. S. d. § 403 StPo, weil sie in allen drei Fällen einen Vermögensschaden erleidet5. Zulässig ist der Antrag bereits im staatsanwalt-schaftlichen Ermittlungsverfahren, sodass er theoretisch mit der Strafanzeige der Sparkasse verbunden werden kann6.

Eine so frühe Antragstellung empfiehlt sich allerdings nicht. Mit dem Antrag ist ein gewis-ser Aufwand verbunden. Steht das staats-anwaltschaftliche Ermittlungsergebnis noch

» Das strafrecht­liche Adhäsions­verfahren als ein Weg der effektiven Rechtsverfolgung. «

4 Meyer-Goßner, 54. Aufl. 2011, § 404 StPo, Rn. 1. 5 Vorliegend soll nicht auf die Problematik der Be-

griffsbestimmung des Verletzten eingegangen werden. Der Verletzte ist nicht nur der durch die tat direkt Betroffene, sondern auch jede andere Person, die durch die tat einen Vermö-gensschaden erleidet. Vgl. Kuhn, JR 2004 S. 397, (398/399).

6 Prechtel/ Oberheim, Erfolgreiche taktik im Zivil-prozess 4. A. 2009, Rn. 1.665; Karlsruher Kom-mentar – Zabeck, 7. Aufl. 2013, § 404 StPo Rn. 3.

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nicht fest, sollte man mit der Antragstellung zunächst warten. Sind der oder die täter nicht zu ermitteln, erübrigt sich jeder weitere Auf-wand zur Durchsetzung der vermögens-rechtlichen Ansprüche und folglich auch ein Adhäsionsantrag.

Kann die Staatsanwaltschaft einen täter ermit-teln, und kommt es zur Anklageerhebung gegen den Beschuldigten, bleibt noch aus-reichend Zeit zur Antragstellung. Der späteste Zeitpunkt ist gem. § 404 I 1 StPo der Beginn der Schlussvorträge in der Hauptverhandlung, die gem. § 243 I 1 StPo mit dem Aufruf der Sache beginnt. Eine so späte Antragstellung ist eben-falls nicht empfehlenswert. Sie wird das erken-nende Gericht überraschen, weil ihm ggf. keine Vorbereitung des Adhäsionsverfahrens mehr möglich ist.

Der geeignete Zeitpunkt ist der Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, wenn zugleich feststeht, dass eine Anklage gegen den Täter erfolgen wird. Der jetzt gestellte Antrag hat für die Sparkasse den weiteren Vor-teil, dass sie gem. § 404 III 1 StPo über Zeit und ort der Hauptverhandlung benachrichtigt wird. Die Nr. 173 der RiStBV (Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren) sieht im Übrigen vor, dass die Staatsanwaltschaft den Verletzten auf die Möglichkeit der Rechtsverfolgung seiner vermögensrechtlichen Ansprüche im Adhä-sionsverfahren hinweist.

Wird der Adhäsionsantrags nach Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gestellt, ist dem zuständigen Strafrichter die Gelegen-heit gegeben, sich im Rahmen der Vorberei-tung der Hauptverhandlung mit dem Adhä-sionsantrag inhaltlich zu befassen. Sollte es seitens des Gerichts zum Sachverhalt noch Fragen an die Sparkasse geben, bleibt aus-reichend Zeit zur Klärung Das ist deshalb nicht zu unterschätzen, weil sich viele Strafrichter nur ungern dem Adhäsionsverfahren widmen und es als einen Fremdkörper im Strafrechtssystem empfinden.

Im Beispiel 2 kann ein Antrag der Sparkasse unterbleiben, weil das Adhäsionsverfahren ausscheidet. Das Strafverfahren endet mit dem Erlass eines Strafbefehls, für den eine Hauptver-handlung nicht erforderlich ist (§ 408 I 1 StPo). Kommt es aber nicht zu einer Hauptverhand-

lung gegen den Beschuldigten, scheidet das Adhäsionsverfahren aus7. Die Sparkasse muss ihre Ansprüche vor dem Zivilgericht geltend machen. Gleiches gilt auch für den Fall, dass das Strafverfahren gem. §§ 153, 154 StPo ein-gestellt wird8.

In den Beispielsfällen 1 und 3 kann die Spar-kasse einen Adhäsionsantrag stellen, weil es zur Hauptverhandlung kommt.

c) Antragsinhalte

Der Antrag zur Durchführung des Adhäsions-verfahrens ist formlos möglich. Das Gesetz kennt kein Formerfordernis, was die Antrag-stellung grundsätzlich erleichtert. Der Antrag kann schriftlich oder mündlich zur Nieder-schrift des Urkundsbeamten, in der Hauptver-handlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlussanträge gestellt werden (§ 404 I 1 StPo).

Für den Regelfall ist der schriftliche Antrag zu empfehlen, weil der Antrag den Gegen-stand und den Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen muss und die Beweismittel enthal-ten soll (§ 404 I 2 StPo). Damit werden inhalt-lich an den Adhäsionsantrag der Klagebegrün-dung vergleichbare Anforderungen gestellt (§ 253 II Nr. 2 ZPo), allerdings unterhalb der Anforderungen der ZPo, was die Antragsfor-mulierung erleichtert.

Der Gegenstand sowie der Grund des Anspruchs sind zu bezeichnen. Das bedeutet neben der Bezifferung des geltend gemachten Vermö-gensschadens die Angabe des Lebenssach-verhalts, aus dem sich der Anspruch ergibt. Da dem Strafrichter zugleich die Ermittlungsakten vorliegen, dürfen an die Sachverhaltsdarstel-lung keine übertrieben hohen Anforderungen gestellt werden. Im Beispiel 1 reicht aus, dass die Sparkasse die Überweisungen zeitlich chro-nologisch und betragsmäßig auflistet sowie die Kundenkonten (Kontonummer und Konto-inhaber) mitteilt, die aufgrund der gefälschten Überweisungen belastet wurden. Ferner muss sie nachweisen, dass sie ihren Kunden die ent-sprechenden Gutschriften erteilte und damit ihr Vermögen belastet wurde.

Für die tatsache der Fälschung kann die Spar-kasse auf das Ergebnis der staatsanwaltlichen Ermittlungen verweisen, die dem Gericht mit

7 Meyer- Goßner , a. a. o. (Fn. 4), § 403 StPo, Rn. 12.8 Haller, NJW 2011 S. 971.

» Wer in Kredit­instituten die

Schadensersatz­ansprüche aus

Straftaten bearbeitet, sollte immer die Möglichkeit der

Rechtsverfolgung im Adhäsionsver­fahren prüfen. «

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» Im Ergebnis bietet das Adhäsions­verfahren für die geschädigte Sparkasse fast nur Vorteile. «

den Ermittlungsakten vorliegen. Die für das Straf-verfahren erforderlichen Beweismittel eignen sich gleichzeitig für den Adhäsionsantrag.

Das Adhäsionsverfahren bietet für die Antrags-begründung noch einen weiteren Vorteil. Abweichend vom im Zivilprozess geltenden Grundsatz des Parteivortrags gilt im Strafver-fahren der Amtsermittlungsgrundsatz9 auch für das Adhäsionsverfahren. Das Strafgericht muss einem (noch) unvollständigen Adhäsi-onsantrag nachgehen. Gegebenenfalls muss der Strafrichter auf weiteren Vortrag des Ver-letzten hinweisen.

d) Kein Anwaltszwang

Das Adhäsionsverfahren kennt unabhängig von der Höhe des geltend gemachten vermö-gensrechtlichen Anspruchs keinen Anwalts-zwang. Die Sparkasse kann den Antrag in den Beispielsfällen 1 und 3 selbst stellen. Der Vor-teil liegt deutlich auf der Hand. Man meidet zunächst weitere Kosten für eine Rechtsver-tretung und weiteren Aufwand durch die Wei-tergabe von Unterlagen, Besprechungen etc.

e) Allzuständigkeit des erkennenden Gerichts

Ferner kann die Sparkasse im Adhäsionsver-fahren ihre Ansprüche vor dem erkennenden Strafgericht unabhängig vom Streitwert ver-folgen. Es gibt hier analog dem Zivilverfahren keine Streitwertgrenzen (vgl. § 23 I Nr. 1 GVG: amtsgerichtliche Zuständigkeit für Streitwerte bis 5.000 €). Der Strafrichter des Amtsgerichts kann damit über einen höheren vermögens-rechtlichen Anspruch als sein Kollege beim Zivilgericht entscheiden.

f ) Verjährungshemmung

Eine erfreuliche Nebenwirkung ist, dass der Adhäsionsantrag gem. § 404 II 1 StPo die gleichen Wirkungen wie die Erhebung einer Zivilklage hat. Das bedeutet, dass mit dem Adhäsionsantrag auch eine Verjährungs-hemmung eintritt (§ 404 II 1 StPo), und zwar bereits mit der Einreichung beim Strafgericht (§ 404 II 2 StPo). Deshalb sieht die Nr. 174 der RiStBV vor, dass die Staatsanwaltschaft einen bei ihr eingehenden Antrag dem Gericht beschleunigt zuzuleiten hat.

g) Antragsrücknahme

Gemäß § 404 IV StPo kann die Sparkasse den Adhäsionsantrag jederzeit bis zur Verkündung des Urteils zurücknehmen. Sie kann reagieren und entscheiden, ob sie ihre Ansprüche im Adhäsionsverfahren verfolgen will oder nicht vielleicht doch zum Zivilgericht gehen möchte. Nimmt sie ihren Antrag zurück, so muss sie allerdings bedenken, dass die verjährungshem-mende Wirkung verloren geht.

3. Ablehnung des Adhäsionsverfahrens

Das Strafgericht kann den Adhäsionsantrag in drei Fällen ablehnen. Ablehnungsgründe können sowohl die Unzulässigkeit und die Unbegründet-heit des Antrags sein (§ 406 I 3 StPo). Ein weiterer Ablehnungsgrund kann sich ergeben, sofern sich die Erledigung des Antrags im Adhäsionsverfah-ren nicht eignet (§ 406 I 4 StPo). Letzteres kann der Fall sein, wenn sich durch die Prüfung des Adhäsionsantrags das Verfahren erheblich ver-zögern würde (§ 406 I 5 StPo).

In den Beispielen 1 und 3 dürfte für eine erheb-liche Verfahrensverzögerung kein Anlass gege-ben sein. Sollte das Gericht von einer Entschei-dung des Adhäsionsantrags einmal absehen (§ 406 I 3 StPo), so bleibt es dem Antragsteller weiterhin möglich, seine Ansprüche zivilprozes-sual durchzusetzen. Gegen die ablehnende Ent-scheidung des Gerichts hat der Antragsteller nach § 406 a I 1 StPo unter den dort genann-ten Voraussetzungen die Möglichkeit der sofor-tigen Beschwerde. Die Frage ist aber, ob man das wirklich will. Da weiterhin die Möglichkeit der Rechtsverfolgung vor den Zivilgerichten besteht, sollte man überlegen, ob man wei-tere und ggf. nicht zielführende Zeit in eine Beschwerde investiert oder für diesen Fall nicht doch effizienter den Zivilrechtsweg beschreitet.

4. Fazit

Die Sparkasse kann oftmals mit dem Adhä-sionsantrag die Durchsetzung ihrer vermögens-rechtlichen Ansprüche gegen den täter außer-halb des Zivilrechtswegs auf recht einfache und kostengünstige Weise erreichen. Werden in den Beispielsfällen 1 und 3 die täter vom Gericht wegen der begangenen Straftaten verurteilt, wird das Gericht auch über die Adhäsions-anträge zu Gunsten der Sparkasse entschei- 9 Meyer-Goßner, a. a. o. (Fn. 4), § 244 StPo, Rn. 11.

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den. Das geschieht im erlassenen Strafurteil. Gemäß § 406 III 1 StPo steht die Entscheidung über den Adhäsionsantrag einem im bürger- lichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Mit dem Adhäsionsantrag kann die Sparkasse in den Beispielen 1 und 3 auf recht einfachem Weg einen rechtskräftigen titel gegen die täter erreichen. § 405 I 1 StPo eröffnet sogar die Möglichkeit des Abschlusses eines gericht-lichen Vergleichs im Adhäsionsverfahren.

Im Ergebnis bietet das Adhäsionsverfahren für die geschädigte Sparkasse fast nur Vorteile. Es ist weder eine umfangreiche Klageschrift erfor-derlich noch fallen Kosten- oder Auslagenvor-schüsse an. An die Darstellung des Anspruchs-

grunds werden keine hohen Anforderungen gestellt und abweichend vom Zivilprozess gilt im Strafverfahren der Amtsermittlungsgrund-satz. Hinsichtlich möglicher Beweismittel kann die Sparkasse auf das Ergebnis der staatsan-waltlichen Ermittlungen verweisen.

Wenn aber die Vorteile so auf der Hand liegen, verwundert es, dass das Adhäsionsverfahren in der Praxis so wenig Beachtung findet. Aus Sicht eines Geschädigten gibt es dafür keine nachvollziehbare Erklärung. Bei der Rechtsver-folgung von Vermögensschäden aus Strafta-ten muss der Adhäsionsantrag für das geschä-digte Kreditinstitut immer eine ernsthafte Über legung sein. £

Beitrag

PRAxISTIPPS

� Bei der Rechtsverfolgung von Ansprüchen aus Straftaten sollte das Kreditinstitut immer die Möglichkeit des Adhäsions-antrags im Strafverfahren in Betracht ziehen.

� Das Verfahren ist kostengünstig, weil kein Anwaltszwang besteht.

� Vor dem Strafgericht gibt es keine Streitwertgrenzen.

� Entscheidet das Strafgericht über den Adhäsionsantrag zu Gunsten des Antragestellers, erhält er einen Vollstreckungs-titel gegen den verurteilten täter.

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• Vertretung bei der Titulierung von Forderungen, insbesondere aus gekündigten Girokonten und Kreditverträgen, aus Bürgschaften sowie aus Schuldbeitritten und Schuldübernahmen, sowie bei der Durchsetzung titulierter Forderungen im In- und Ausland.

• Beratung von Kredit- und Finanzdienstleistungsunternehmen im Bereich der Vertragsgestaltung, etwa von Kredit- oder Finanzierungsverträgen, Sicherheitenvereinbarungen, Sicherheitenpoolvereinbarungen, Forderungsan- und –verkäufen sowie Cashpoolingverträgen.

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Rezensionen

192 CRP 07–08/2014

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Anlage, Aufsicht, compliance

01 Bearbeitungs- und Prüfungsleitfaden Dokumentationspflichten in der Anlageberatung

Thomas O. Günther LL.M oec: Bearbeitungs- und Prüfungs-leitfaden Dokumentationspflichten in der Anlagebe-ratung. Finanz colloquium Heidelberg, Heidelberg, 2013. 147 S., 79 €.

w Der neue Bearbeitungs- und Prüfungsleitfaden „Doku-mentationspflichten in der Anlageberatung“ richtet sich nach seiner Konzeption v. a. an Praktiker, die neben der Darstellung bestimmter aufsichtsrechtlicher Anforde-rungen bei der Erbringung der Wertpapierdienstleis-tung Anlageberatung insbesondere an Beispielen aus der Bankpraxis und entsprechenden Umsetzungsvor-schlägen interessiert sind. Anders als der Untertitel des Werks suggeriert, behandelt der Autor jedoch nicht aus-schließlich die themen WpHG-Bogen, Beratungspro-tokoll und Produktinformationsblätter, sondern geht auch auf andere (aufsichtsrechtliche) Fragestellungen ein. Als Beispiel sei hier nur die Abgrenzung zum bera-tungsfreien Geschäft genannt. Daneben enthält das Werk die für einen Bearbeitungs- und Prüfungsleit faden obligatorischen checklisten und Prüfungsansätze.

Der Zielgruppe wird ein Werk an die Hand gegeben, das anschaulich und praxisnah die Dokumentationspflich-ten in der Anlageberatung beschreibt und diese durch zahlreiche Beispiele aus der Bankpraxis und weiteren Formulierungsvorschläge ergänzt. Für Leser aus dem Bereich der Sparkassen und der Volks- und Raiffeisen-banken sind die vielen Verweise auf die einschlägigen Verlagsvordrucke sicherlich von besonderem Nutzen. Dass einige Beispiele aus der Bankpraxis auf den ersten Blick Fragen aufwerfen – exemplarisch sei auf die unter-schiedliche Formulierung einer mittleren Risikobereit-schaft verwiesen (Rz. 99) – kann nicht dem Autor ange-lastet werden, sondern veranschaulicht lediglich, wie wichtig der Gesamtkontext bei der Beurteilung einer Formulierung ist. Es zeigt auch, welche Bedeutung ein schlüssiges Gesamtkonzept bei der Umsetzung der auf-sichtsrechtlichen Vorgaben für ein Wertpapierdienst-leister hat.

Der Bearbeitungs- und Prüfungsleitfaden „Dokumen-tationspflichten in der Anlageberatung“ ist für Prakti-ker geeignet, die insbesondere an Beispielen aus der Bankpraxis und entsprechenden Umsetzungsvorschlä-gen interessiert sind. £

Christian Merz, Rechtsanwalt in Frankfurt/M.

Konto, Aufsicht, compliance

04 Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht

Jürgen Ellenberger/Michael Findeisen/Gerd Nobbe (Hrsg.) Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht. Finanz colloquium Heidelberg, Heidelberg, 2. Aufl. 2013. 1.610 S., 249 €.

w Nach drei Jahren liegt nunmehr die 2. Aufl. des Kom-mentars zum Zahlungsverkehrsrecht in aktualisierter und deutlich erweiterter Fassung vor. Dieser Kommentar ist so aufgebaut, dass er alle aufsichtsrechtlichen und zivilrechtlichen Regelungen in einem Buch darstellt. In einem ersten teil wird das Gesetz über die Beauf-sichtigung von Zahlungsdiensten (Zahlungsdienste-aufsichtsgesetz, ZAG, mit der ZAG-Instituts-Eigenka-pitalverordnung, ZIEV) behandelt. In teil zwei schließt sich die systematische Kommentierung der zivilrecht-lichen Regelungen der §§ 675c-676c BGB an. Für den Praktiker besonders nützlich sind die zahlreichen Zitate der aktuellen Rechtsprechung. Der dritte teil des Buchs behandelt die Interbankenregelungen aus den EPc Rulebooks zur Überweisung und Lastschrift und das SEPA cards Framework.

Neu hinzugekommen ist ein vierter teil, der die EU-Ver-ordnung zum Zahlungsverkehr (sog. SEPA- oder End-datums-Verordnung) ausführlich kommentiert. Das insgesamt gelungene Werk eignet sich für Praktiker aus Zahlungsverkehrsabteilungen und Juristen glei-chermaßen. £

Christian Barleon, Rechtsanwalt, Leiter Rechtsabteilung, BBBank eG, Karlsruhe

Anlage, compliance

05 Das neue Kapitalanlagegesetzbuch

Thomas M.J. Möllers/Andreas Kloyer (Hrsg.): Das neue Kapitalanlagegesetzbuch. Verlag c.H. Beck, München, 2013. 392 S., 49 €.

w Aus Anlass des Inkrafttretens des Kapitalanlage-gesetzbuchs (KAGB) fand im Juni 2013 an der Juris-tischen Fakultät der Universität Augsburg, veran-staltet von dem ordinarius Thomas M.J. Möllers, eine interna tionale tagung statt. Der vorliegende tagungs-band fasst 17 Beiträge der Referenten zusammen, die aus den Bereichen Wissenschaft, Praxis und Aufsicht kommen (mit dem Bereich „Gesetzgebung“, der auf der Umschlagseite genannt ist, hat man wohl den Mitarbei-ter des Finanzministeriums in Verbindung gebracht). In


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