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Kinder und Jugendliche als Gestalter/innen ihrer … · •Zeitbudgets von Kindern und Jugendlichen...

Date post: 18-Sep-2018
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Kinder und Jugendliche als Gestalter/innen ihrer Lebenswelten Prof. Ulrich Deinet, Essen 24.1.2017
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Kinder und Jugendliche –

als Gestalter/innen ihrer

Lebenswelten

Prof. Ulrich Deinet, Essen 24.1.2017

Kinder und Jugendliche – als Gestalter/innen

ihrer Lebenswelten… und ihrer

Bildungsprozesse

Schön, dass sie sich mit der anderen Seite

der Bildung beschäftigen, der non-

formalen, informellen, der subjektiven, der

schwer planbaren…

und deshalb auch nur schwer in

Bildungslandschaften als Planungs- und

Steuerungsinstrumente integrierbaren

Perspektive…

Kinder und Jugendliche – als Gestalter/innen

ihrer Lebenswelten

1 Kinder und Jugendliche gestalten ihre

Räume auf den Hinterbühnen der

Institutionen durch Aneignung, Umwidmung

2 Theorie: „Learning by doing“,

Bewältigungskarten, „wildes Lernen“,

Aneignungstheorie, Activity Theory

3 Vorschlag 1: Sichtbarmachung der

Lebenswelten durch Methoden

4 Vorschlag: 2: temporäre Bildungsräume in

die Bildungslandschaften aufnehmen

Was machen die Kinder und Jugendlichen?

• Sie passen sich an und müssen viel tun: Ganztagsschule!

• Sie suchen ihre Wege und machen auch „ihr Ding“, in sozialen Medien, in der Ganztagsschule, sie wollen lieber zu McD und „chillen“, fühlen sich in virtuellen und kommerziellen Räumen, z.B. den Shopping Malls etwas weniger „gestört“ durch Erwachsene.

• Meine Empirie: zahlreiche kommunale Studien!

Autofotographie

Unsere OGS Studie: Schule als Ort zum Spielen

46

48,5

33,5

48,2

17,3

40

die

Lehrerinnen

und Lehrer

die AG's

der Unterricht

29,4

15,7

13,3

1,8

22,7

6,4

Betreuer und

Betreuerinnen

in der OGS

dass ich jeden

Tag weiß, was

mich erwartet

das

Mittagessen

88,7

59,3

52

89,1

57,3

62,7

das Spielen

mit Freunden

die Ausflüge

mit den

anderen

Kindern

die anderen

Kinder

OGS Besuch

Kein OGS Besuch

Schule als Sozialer Ort„Stell Dir vor Du bist vier Wochen nicht in der Schule. Gibt es etwas was Dir fehlen würde?“

Basis: Alle Befragten, die eine Angabe gemacht haben, n=358 (248/ 110). (Angaben in Prozent, Mehrfachnennungen möglich)

Kinder schaffen sich eigene „Räume“: Beispiel

Bambusgebüsch (Verstecken und Geheimgang)

Kinder nutzen die Gegebenheiten um, beziehen sie

kreativ in ihre Spiele ein: Beispiel „Fußwegschräge“

zum Auf- und Ablaufen. Das könnte man auch fördern!

Ergebnisse unserer kleinen Studie:

• Die Schule ist zu einem zentralen Lebensort der Kinder geworden, an dem sie ihre Freundschaften leben.

• Die Kinder würden gern mehr mitbestimmen!

• Die Kinder finden (kleine) Möglichkeiten der Selbstentfaltung, „Aneignungsräume“ durch Veränderungen, Umwidmungen, Spiel, aber es fehlen Rückzugsmöglichkeiten!

• Außerschulische Partner z.B. die Kinder- und Jugendarbeit mit ihren Lern- und Aneignungs-formen erweitern den „Raum“ der Schule.

Coca Cola Oase im Centro Oberhausen: eine Kathedrale des Fast Food! Was schätzen die

Jugendlichen an diesem „Raum“?

Forschungsprojekt: „`Chillen´ in der

Shopping Mall - neue Aneignungsformen

von Jugendlichen in halböffentlichen,

kommerziell definierten Räumen“

Jugendliche in Shopping Malls

59,9%

53,5%

42,9%

22,0%

31,8%

17,1%

21,4%

30,7%

31,0%

33,1%

48,8%

35,7%

39,5%

29,5%

5,4%

12,4%

20,2%

24,8%

27,9%

38,2%

43,4%

Shoppen

Freunde treffen

Chillen

Ins Café / zu Mc Donalds /Restaurant gehen

Smartphone / SMS / Facebook /WhatsApp / Messenger

Schaufenster anschauen

Leute beobachten

häufig ab und zu nie Keine Angabe

„Wenn du in die Shopping Mall gehst, wie oft gehst du

folgenden Tätigkeiten nach?“TEIL I/XVI

Basis: Alle Befragten, n=387, absteigend sortiert (häufig & ab und zu). (Wenn nicht anders vermerkt „keine Angaben“ > 7,5 %)

Chart I/II

Jugendliche in Shopping Malls

Gehen wir zu McD, der erfolgreichsten Jugendeinrichtung in

Deutschland!

Eine Mitarbeiterin beim undercover- Besuch bei McD: teilnehmende Beobachtung

• Zwei Mädchen essen Pommes und zwei Chickenburger. Sie essen sehr „kultiviert“.

• Allerdings scheint es Standard zu sein, Ketchup und Majonnaise auf die Serviette zu schmieren und von da aus zu „tunken“.

• Es wir auch viel über Schule gesprochen, Tipps werden gegeben, Absprachen getroffen, es wird auch hier – informell - gelernt!

Mensa gegen McD?

Die Mädchen geben an, alle in der Mensa ihrer Schule zu essen, da es keine anderen Möglichkeiten gäbe. Sie dürften nicht vom Schulgelände runter und die einzige Option, nicht in der Mensa zu essen sei sich etwas mitzunehmen. Es würde ihnen manchmal schmecken, manchmal jedoch auch gar nicht. In der Schulmensa sei das Essen außerdem nicht richtig heiß: "Der Döner ist ganz OK, aber zum Beispiel die Erbsensuppe geht gar nicht."

Konsequenzen für die Schulernährung und das Speisenangebot: Ja! „Take away“ ist angesagt!

Freiherr-vom-Stein-Gymnasium, Hamm

allein

Kein fester Zeitrahmen

Was tun Jugendliche gern wenn man

sie fragt: „chillen“!

Chillen als Reaktion auf

ihre Lebenssituation,

als jugendspezifische

Raumaneignung?

„Chillen ist, wenn wir einfach irgendwo zusammen rumhängen und nichts spezielles zu

tun haben“ (Jugendliche aus Lübeck)

Wir versuchen zu interpretieren: „Jugendliche verharren

in Gelegenheitsstrukturen“! (L. Böhnisch)

Kinder und Jugendliche – als

Gestalter/innen ihrer Lebenswelten

1 Kinder und Jugendliche gestalten ihre

Räume auf den Hinterbühnen der

Institutionen durch Aneignung, Umwidmung

2 Theorie: „Learning by doing“,

Bewältigungskarten, „wildes Lernen“,

Aneignungstheorie, Activity Theory

3 Vorschlag 1: Sichtbarmachung der

Lebenswelten durch Methoden

4 Vorschlag: 2: temporäre Bildungsräume in

die Bildungslandschaft aufnehmen

Kinder und Jugendliche gestalten ihre

Lebenswelten!

• Kinder und Jugendliche sind in der Lage, gesell-

schaftliche Orte, wie Schulen, Shopping Malls etc. in

ihrer Weise zu (be)leben, d. h. neben deren offizieller

Funktion ihr Leben zu entwickeln und sich eigene

Räume anzueignen. Dies gelingt durch Umwidmung,

Veränderung, Verknüpfung von Räumen und

Situationen.

• In diesen Räumen finden auch immer informelle

Lernprozesse statt!

• Dabei geht es immer auch um „Jugendkulturen“ und

um kulturelle Aneignungspraxen!

• Damit kommen auch öffentliche Räume stärker in

den Blick!

Öffentliche Räume als Bestandteile lokaler Bildungslandschaften?

• Der öffentliche Raum als Bildungs- und Aneignungsraum,

• als Raum der informellen Bildung,• als Raum für „wildes Lernen“ (Böhnisch)• als Raum für Wagnis und Risiko

(eigentlich typisch für Jugendalter, heute aber hoch problematisch!)

Jana/Hakim,

12 J.

informell

nicht formellformell

Informell-illegal „wildes Lernen“

VHS Bibliothek

Kino

Nachhilfe

Musikschule

Schule

Disco

Clique

Familie

Sportverein

Band

Kirche/MoscheeChor

Jugendhaus Museum

SV

Andere Jugendliche in Sozialen Netzwerken angreifen

Scater

Reiten

Persönliche Karte der Bildungsorte

Games

Shoppen

Sturzen-hecker/Deinet 2008

Mini-München

Mini-München

Subjektive Sicht auf Bildungsprozesse (Sturzenhecker), „unsichtbare Bewältigungskarten“ (Reutlinger)

DrogengebrauchKlauen

Theoriebezug: Bildungsprozesse als…

• Formelle Bildung

• Nicht-formelle (non-formale) Bildung

• Informelle Bildung

„Lokale Bildung, kommunale Bildung“

(Coelen)…“Alltagsbildung“

(Rauschenbach)…sind Elemente einer

Bildungslandschaft, und die Begriffe

deuten auf „andere“ Formen des

Lernens hin!

Klassisch: „learning by doing!“

Wie Demokratie lernen…?Lawrence Kohlberg (seit

1971):…durch ihre Praxis in

„gerechten Gemeinschaften“.

Antwort: Demokratie leben

John Dewey:Sozialphilosoph, Reformpädagoge, Pragmatismus, Ansatz „Just Community“!John Dewey (1916): „Demokratie ist nicht nur eine Regierungsform, sondern auch eine Lebensform und muss auch so erfahrbar werden“.

Danke für die Folie: Benedikt Sturzenhecker

Theorie: Die „andere“ Bildung„Learning by doing“ (J. Dewey)!

Eine vom Subjekt aus-gehende „Selbst-Bildung“ als Erschließung der materiellen und symbolischen Kultur durch Tätigkeit.

Activity Theory,Aneignungs-konzept!

Eine Bildungsforschung, die sehr stark vom Alltag und der Perspektive der

Subjekte ausgeht

Bildung als tätige Aneignung der gegenständlichen und symbolischen Kultur.Aneignung als…(unsere Untersuchungsdimensionen)

• eigentätige Auseinandersetzung mit der Umwelt• Inszenierung, Verortung im öffentlichen Raum

(Nischen, Ecken, Bühnen) und in Institutionen• Erweiterung des Handlungsraumes (die neuen

Möglichkeiten, die in neuen Räumen liegen)• Veränderung vorgegebener Situationen und

Arrangements• Erweiterung motorischer, gegenständlicher,

kreativer und medialer Kompetenz • Gestaltung eigener Räume: „Spacing“ (Martina Löw:

an einem Ort können verschiedene Räume entstehen!)

• Verknüpfung von Räumen (virtuelle, „vireale“ gegenständliche Räume)

Kinder und Jugendliche – als

Gestalter/innen ihrer Lebenswelten

Zwischenresümee: so wichtig und interessant

die subjektive Seite der Bildung ist, so schwer

ist sie integrierbar in Bildungsmonitoring,

Bildungsberichte!

Man kann aber gezielt qualitative Methoden

einsetzen, um die subjektive Seite der Bildung,

die Gestaltung der Lebenswelten „sichtbar“ zu

machen!

Kinder und Jugendliche – als

Gestalter/innen ihrer Lebenswelten

1 Kinder und Jugendliche gestalten ihre

Räume auf den Hinterbühnen der

Institutionen durch Aneignung, Umwidmung

2 Theorie: „Learning by doing“,

Bewältigungskarten, „wildes Lernen“,

Aneignungstheorie, Activity Theory

3 Vorschlag 1: Sichtbarmachung der

Lebenswelten durch Methoden

4 Vorschlag: 2: temporäre Bildungsräume in

die Bildungslandschaft aufnehmen

Methoden: Subjektive Schulkarten in unserer OGS-Studie

Legende: Rot: unbeliebt; Blau: beliebt; Gelb: kenne ich nicht, nutze ich nicht

Subjektive Schulkarte

32

Methode: Autofotographie in unserer OGS Studie

Methode: Zeitbudget

Das Zeitbudget beschreibt eine Art „Stundenplan“ in dem Kinder und Jugendliche aus einem Katalog verschiedene Tätigkeiten des Alltags eintragen können. Aus der zusammengefassten Darstellung ergibt sich das Abbild eines „typischen“ Tages- und Wochenablaufes der Kinder und Jugendlichen.

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Schlafen Schule Hausaufgaben EssenStylen Freunde treffen Sport TVComputerspiele Internet (zuhause) Musik hören Abhängen/ Nichts tun

•Nadelmethode

•Subjektive Landkarten

•Subjektive Schulkarten

•Autofotografie

•Zeitbudgets von Kindern und Jugendlichen

•Stadtteilbegehung mit Kindern und Jugendlichen

•Strukturierte Stadtteilbegehung mit Fachkräften

•Befragung von Institutionen und Schlüsselpersonen

•Institutionenbefragung

Beteiligungsmethoden zur Erkundung von Sozialräumen und Lebenswelten von Kindern

und Jugendlichen

Kinder und Jugendliche – als

Gestalter/innen ihrer Lebenswelten

1 Kinder und Jugendliche gestalten ihre

Räume auf den Hinterbühnen der

Institutionen durch Aneignung, Umwidmung

2 Theorie: „Learning by doing“,

Bewältigungskarten, „wildes Lernen“,

Aneignungstheorie, Activity Theory

3 Vorschlag 1: Sichtbarmachung der

Lebenswelten durch Methoden

4 Vorschlag: 2: temporäre Bildungsräume in

die Bildungslandschaft aufnehmen

Informelle Bildung als Bestandteile kommunaler Bildungslandschaften?

Informelle Bildung ist nicht planbar! Wir können aber gute Settings für informelle Bildungsprozesse schaffen(Stadtplanung!)

Diese gehören auch zu einer Bildungs-Infrastruktur und deshalb auch in einem Bildungsbericht!

Temporäre Räume in der Bildungslandschaft: Aktionen und Projekte, z.B. Kommunalwahl:

Aktion in der Pause (Befragung der Jugendlichen, Aktion…)war Anlass für eine konkrete

Kooperation mit dem Jugendring Düsseldorf und der Hochschule

Planung und Bau eines Treffpunkts im öffentlichen Raum als Kooperationsprojekt zwischen Schule, Mobiler Jugendarbeit. Aspekte politischer Bildung, Aneignung motorischer Fähigkeiten, Handwerk, Unterrichtsbezug aber nur Jungs!

Kinderstädte als temporäre Bildungsräume

• Mini-München, das Original; 80 Werkstätten, Institutionen, eigene gewählte Regierung, Kinderuni, eigene Währung, wenig Erwachsene, bis zu 2000 Kinder pro Tag.

• „Düsseldörfchen“ jedes Jahr drei Wochen lang mit mehr als 300 Kindern.

• Politische Bildung, Partizipation und Beteiligung, „Kinderrepublik“, Planspiel, ein Raum weitgehend ohne Eltern und gleichzeitig doch stark pädagogisiert!

• Ein temporärer Raum und keine pädagogische Immobilie wie eine Schule, für die Kinder eine Institution!

• Non-formale und informelle Bildung an einem aus dem Alltag herausgehobenen Ort.

Deinet: „Spielstädte als Aneignungsräume und temporäre Partizipationsorte in der Bildungslandschaft“, www.sozialraum.de, Ausgabe 2016

Die Einbeziehung von temporären Bildungsorten (im öffentlichen

Raum) in die Bildungslandschaften ist schwierig!

• Freiraum-, Spielraum-, Spielplatz-planung etc. sind einzubeziehen

• Aber nicht jeder Bolzplatz ist Bestandteil einer Bildungslandschaft (obwohl er Ort informeller Bildung sein kann!)

• Mein Vorschlag: pädagogisch intendierte (auch temporäre) Projekte mit Kindern und Jugendlichen gehören dazu (Kinderstadt, Ferienspiele…)

Die Subjektperspektive auf Bildungs-Räume als Lebenswelten bleibt leider in der Diskussion um Bildungslandschaften

unterbelichtet!

• Dabei helfen das Aneignungskonzept und qualitative Methoden, die Kinder und Jugendliche als Experten ihrer Lebenswelten beteiligen!

• Mit dieser Perspektive werden Lebenswelten und „Räume“ der Kinder und Jugendlichen sichtbar!

• Die Bedeutung temporärer Orte wird durch die Subjektperspektive deutlich!

Ich bedanke mich für die Möglichkeit, diese Perspektive hier darstellen zu können!

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