Die Kerr-Lösung
Gedehnte Zeit und gekrümmter Raum
An der Universität Regensburg
Ein Seminarvortrag von: Kindermann Sebastian
E-Mail: [email protected]
Betreuer: Dr. Gebhardt/ Dr. Bali
Vorbemerkung
Im Rahmen dieser Arbeit soll die Lösung der Einstein-Gleichung für rotierende astronomische Objekte,
welche von Roy Kerr im Jahre 1963 berechnet und somit nach ihm benannt wurde, beleuchtet und im
Rahmen des Spezialfalls eines schwarzen Lochs näher diskutiert werden. Hierbei treten Effekte auf,
welche von der Schwarzschild-Lösung, aufgrund der Rotation, wesentlich abweichen, wie der Frame-
Dragging- oder Lense Thiring-Effekt in der Ergospähre, die geschlossenen zeitartigen Kurven und die
damit zusammenhängenden Zeitreisen im Inneren des Cauchy-Horizonts oder die Ringsingularität.
Einige davon sind letztlich eher mathematischer Natur und konnten, aufgrund der Unbeobachtbarkeit
des Bereichs innerhalb dem Schwarzschildradius, experimentell nicht bestätigt werden.
Die Arbeit gibt lediglich einen kurzen Einblick in die Mathematik der allgemeinen Relativitätstheorie
und die Thematik der rotierenden schwarzen Löcher. Für eine detailliertere Betrachtung ist die
Zuhilfenahme geeigneter Fachbücher unerlässlich. Es wird versucht die jeweiligen Effekte zu
motivieren und erst im Anschluss mit der Riemannschen Geometrie herzuleiten. Aus diesem Grund ist
ein Grundverständnis der höheren Mathematik nicht zwingend notwendig, aber hilfreich.
Im Folgenden werden kurz die „benötigten“ Vorkenntnisse umrissen:
- Kenntnisse über die Grundgleichungen/ Grundbegriffe der ART
o Feldgleichung
o Bewegungsgleichung
o Riemannskalare/ Riemanninvarianz
o Weltlinien
o Schwarzschildlösung
o Schwarzschildradius
o Etc.
- Kenntnisse über die Analysis auf Mannigfaltigkeiten
o Definition der Mannigfaltikeit
o Kartenwechsel (allg. Koordinatentransformationen)
o Tangentialraum/ Tangentialbündel
o Vektorfelder
o Lie-Ableitung
o Riemannsche Mannigfaltigkeiten
o Etc.
Wie oben bemerkt sind die mathematischen Kenntnisse nicht erforderlich, aber für ein tieferes
Verständnis der Materie unabdingbar. Für eine Einführung in den Komplex der Mannigfaltigkeit siehe
das Buch von John. M. Lee „Introduction to smooth manifolds“.
Inhalt 1. Mathematische Konzepte in der Physik .............................................................................................. 4
2. Überblick: Schwarze Löcher ................................................................................................................ 6
2.1 Charakterisierungen schwarzer Löcher ......................................................................................... 6
2.2 Übersicht der verschiedenen Lösungen ........................................................................................ 6
3. Die Kerr-Metrik .................................................................................................................................... 8
3.1 Diskussion der Kerr-Lösung der Einstein’schen Feldgleichung ..................................................... 8
3.2 Von Horizonten und Singularitäten ............................................................................................. 10
3.3 Die Boyer-Lindquist-Blöcke ......................................................................................................... 11
4. Effekte der Kerr-Raumzeit ................................................................................................................. 14
4.1 Der Frame-dragging-Effekt .......................................................................................................... 14
4.2 ISCO ............................................................................................................................................. 15
4.3 Penrose-Prozess und irreduzible Masse ...................................................................................... 17
4.4. Carter-Zeitmaschiene ................................................................................................................. 18
5. Schlussbemerkung ............................................................................................................................. 19
A. Anhang Mannigfaltigkeiten ............................................................................................................... 20
B. Anhang Riemannsche Geometrie...................................................................................................... 23
C. Anhang Bilder .................................................................................................................................... 25
Endnoten ............................................................................................................................................... 26
Literaturverzeichnis: .............................................................................................................................. 27
1. Mathematische Konzepte in der Physik
In den Anhängen A und B werden die wichtigsten Resultate der Mathematik kurz erarbeitet. Doch der
im Anhang sehr formalen Arbeitsweise wollen wir hier nicht folgen. Der zentrale Aspekt dieses Kapitels
ist die Erarbeitung wichtiger Aussagen der Physik als Solches. Im Folgenden verwenden wir deshalb die
typischen Notationen der theoretischen Physik (wie z.B. ������ für den metrischen Tensor, etc.). In den
beiden Anhängen werden einige mathematischen Konstrukte definiert, um die wesentlichen
Aussagen, wie das Killingfeld, erarbeiten zu können. Nun werden wir sehen, welche Konsequenzen sich
aus den Resultaten der Anhänge A und B ergeben können.
1.1 Proposition
Für die geodätische Kurve gilt:
��� �������� ����� � − 12 ������ ��� � = 0
Beweis:
Ausgehend von der Bewegungsgleichung können wir folgende Beziehung herleiten:
���� �� ��� � + �²����² = 0
�� �12 ����� + ���� − ������� ��� � + �� �²���²� � = 0
�12 ����� + ���� − ������� ��� � + �� �²���²� � = 0
����� − 12 ����� �� ��� � + �� �²���²� = 0
������ ��� � + �� �²���²� − 12 ������ ��� � = 0
��� �������� ����� � − 12 ������ ��� � = 0
Mit dem nun folgenden Satz erkennen wir die Bedeutsamkeit der Existenz von Killingfeldern, denn
diese implizieren Symmetrien der Raum-Zeit und führen somit zu Erhaltungsgrößen [Raj01].
Um dies zu zeigen, starten wir mit dem Wirkungsfunktional und versuchen, dieses geeignet
umzuformen.
� = 12 �� ���� �� �
Führt man nun eine infinitesimale Transformation � → � + #$ mit einem Vektorfeld $ durch, so
ergibt sich die Variation der Wirkung zu:
%� = 12 �� &$������� �� � + ��$� �� � + ���� $� �' = 12 �� &$������� �� � + ����$�� ��� � + ����$��� �� �'
= 12 �� �ℒ)����� �� �
Ist also V ein Killingfeld, so verschwindet die Variation der Wirkung und wir erhalten eine Symmetrie
der Raum-Zeit. Nun ist es von Interesse, von welcher Gestallt die Erhaltungsgröße zur gefundenen
Symmetrie ist. Dazu betrachten wir **+ [��$�� �].
��� &��$�� �' = $ ��� &���� .' + ����$�� /�� .
Mit der in 1.1 hergeleiteten Beziehung folgt:
= $ 12 ������ /�� . + ���/$0�� .�� / = 12 �ℒ$��/.�� /�� .
Da $ ein Killingfeld ist folgt also: ��� &��$�� �' = 0
2. Überblick: Schwarze Löcher
2.1 Charakterisierungen schwarzer Löcher
Die schwarzen Löcher sind eines der größten Mysterien unserer Zeit. Wir wissen zwar um deren
Existenz, haben aber bei weiten nicht die nötigen Mittel, um eine vernünftige Theorie für die Raum-
Zeit unterhalb des Ereignishorizontes zu beschreiben. Ein weiteres Problem stellt die Unmöglichkeit
einer Messung dar, da selbst Licht dem Ereignishorizont nicht „entkommen“ kann. Sollten wir eine
mathematisch vernünftige Lösung finden, so ist ein experimenteller Test dennoch mit unseren
derzeitigen Messmethoden undenkbar. Eine vermeintliche Lösung wäre die experimentelle
Bestätigung nackter Singularitäten, welche zwar mathematisch berechnet werden können, wie wir
später sehen werden, aber dennoch aller Wahrscheinlichkeit in unserem Universum nicht auftreten-
diese Annahme ist besser unter dem Begriff „kosmische Zensur“ bekannt. Es verbleibt also die Frage,
ob und wie sich die zu beobachtenden schwarzen Löcher klassifizieren lassen. Hierzu wurde im Jahre
1965 von Wheeler eine Vermutung geäußert – das No-Hair-Theorem.
No-Hair-Theorem [Fli01]:
„Alle möglichen Strukturen (Inhomogenität, Multipolmomente, etc.) werden durch den Kollaps
eingeebnet; konkret werden die höheren Multipolmomente der Massenverteilung durch
Gravitationsstrahlung eliminiert. Der entstehende Zustand ist dann bis auf die Größen M, L und Q
von der Vorgeschichte völlig unabhängig. Die Größen M, L und Q bestimmen die Metrik im
Außenraum.“
Folgt man dieser Annahme, so existieren lediglich vier verschiedenen Möglichkeiten um den
Außenraum eines schwarzen Loches mit der Masse M zu beschreiben. Diese vier verschiedenen
Lösungen wurden bereits gefunden und gelten gleichwohl für andere astronomische Objekte:
1 = 0 1 ≠ 0
3 = 0 Schwarzschild Kerr
3 ≠ 0 Reissner-
Nordström
Kerr-Newman
Für ein reales schwarzes Loch ist die Kerr-Metrik bzw. die Kerr-Newman-Metrik von größerer
Bedeutung, als die von Schwarzschild oder Reissner und Nordström gefundenen Lösungen, da für
astronomische Objekte in der Regel ein Drehimpuls vorhanden ist. In Kapitel 3 werden wir die Kerr-
Metrik näher beleuchten und einige damit verbundene Effekte diskutieren. Wir setzen unser
Einheitensystem durch 4 = 5 = 1 fest.
2.2 Übersicht der verschiedenen Lösungen
Für die vier unterschiedlichen Lösungen sind wie oben bereits erwähnt die Linienelemente bestens
bekannt.
2.2.1 Schwarzschild-Lösung
�67 = 81 − 9:9 ; �<7 − 11 − 9:9 �97 − 9²��=7 + 6>?7=�@7�
2.2.2 Reissner-Nordström-Lösung
�67 = 1 − 9:9 + 3²9²� �<7 − 1 − 9:9 + 3²9²�AB �97 − 9²��=7 + 6>?7=�@7�
Für 3 = 0 geht diese Lösung in die Schwarzschild-Lösung über.
2.2.3 Kerr-Lösung
�67 = �1 − 2C9/7 � �<7 − /7∆AB�97 − /7�=7 + 4CF9/A76>?7=�<�@− 6>?7=[97 + F7 + 2C9/A7F76>?7=]�@²
mit
/7 ≔ 97 + F²5H6²=
∆≔ 97 − 2C9 + F²
Die Lösung geht für F = 0 ebenfalls in die Schwarzschild-Lösung über.
2.2.4 Kerr-Newman-Lösung
�67 = �1 − 2C9/7 � �<7 − /7∆AB�97 − /7�=7 + 4CF9/A76>?7=�<�@− 6>?7=[97 + F7 + 2C9/A7F76>?7=]�@²
mit
/7 ≔ 97 + F75H67= + 3²
∆≔ 97 − 2C9 + F²
Für 3 = 0 ergibt sich offenbar die Kerr-Metrik.
3. Die Kerr-Metrik
3.1 Diskussion der Kerr-Lösung der Einstein’schen Feldgleichung
Wie in 2.2.3 gegeben sieht die Kerr-Lösung in Boyer-Lindquist-Koordinaten, wie folgt aus:
�67 = �1 − 2C9/7 � �<7 − /7∆AB�97 − /7�=7 + 4CF9/A76>?7=�<�@− 6>?7=[97 + F7 + 2C9/A7F76>?7=]�@²
Diese Lösung enthält zwei freie Parameter C und F, welche wir nun näher beleuchten wollen.
Setzt man F = 0, so erhalten wir die Schwarzschild-Lösung zurück, aus diesem Grund schreiben wir C = IJK² = L dieselben Eigenschaften wie in der Schwarzschildlösung zu. Wir können nun bereits
erahnen, dass der Parameter F in Verbindung mit der Rotation stehen muss, da dies der wesentliche
Unterschied zwischen Schwarzschild- und Kerr-Metrik ist. Um dies nun näher einzusehen (vgl. [Goe01])
entwickeln wir den metrischen Tensor in MN und
O²N² , so erhalten wir
� = �1 − 2C9 � �<7 + 4F C9 6>?7=�<�@ − �1 + 2C9 � �97 − 97��=7 + 6>?7=�@7� + P�C²9² , CF²9³ �
Wir betrachten im Folgenden das Gravitationsfeld im Außenraum einer langsam rotierenden Kugel in
linearer Näherung, dafür erhalten wir unter Berücksichtigung von
�� = S� + ℎ�����
Wobei
ℎ��<, �U� = −2 �V�′ [X� − 12 S�X �� ]NYZ|�U − �′\\\U|)
Ist. Mehr dazu kann dem Buch von Goenner [Goe02] entnommen werden.
Wenn wir von einer idealen Flüssigkeit mit Dichte / und verschwindendem Druck, z.B. einer
Staubmaterie ausgehen, so können wir einige Vereinfachungen vornehmen, welche uns schnell zum
gewünschten Ergebnis führen wird. Der Energie-Impuls-Tensor vereinfacht sich in diesem Fall massiv
zu
X� = /]]�
Da die auftretenden Geschwindigkeiten als klein angenommen wurden, reicht es Terme der Ordnung ~_ zu betrachten. Wir nähern nun den Energie-Impuls-Tensor weiter und verwenden das gewonnene
Ergebnis, um ℎ� zu beschreiben (vgl. [Goe02]). Für die Geschwindigkeit bei einer starren Rotation gilt _U = �U × a\\U und wir bekommen mit einer Taylorentwicklung von ℎ� um �′\\\U = 0
ℎb� = −4 c ad#��d �³�′ �e�f�U − �e\\\Uf /��e\\\U�
)d,�
Die Taylorentwicklung ergibt mir 9 ≔ |�U| ℎb� = −4 c ad#��d g19 �V�e /��e\\\U��e�
)+ 19³ �U �V�e �′\\\U/��e\\\U��e�
)hd,�
Der erste Teil dieses Ergebnisses ist proportional zum Gesamtimpuls der Kugel, da
i� = �V�e/��e\\\U�_�)= c ad#��d g19 �V�e /��e\\\U��e�
)hd,�
Wir setzen o.B.d.A. i� = 0, da wir nicht voraussetzen müssen, dass sich die Kugel translatorisch
bewegt.
Das zweite Integral können wir nun mit dem Trägheitstensor vergleichen. Für eine Kugel sind alle drei
Hauptträgheitsmomente identisch und es gilt
�V�e�e��ed/��e\\\U� = 12)j%�d
Nun führen wir mit 1\U ≔ ja\\U noch den Drehimpuls ein und verlassen die Rechnung mit dem Ergebnis:
ℎb� = − 29V [�U × 1\U]� Schließlich erhalten wir für die Metrik
� = �<7�1 + 2@kYlZmn� − �1 − 2@kYlZmn���97 + 97�o7� + 4 |1\U|9 �<�@6>?²=
Durch Vergleich mit der Kerr-Lösung sehen wir nun sofort, dass wir mit der Annahme über a richtig
lagen. Der sogenannte Kerr-Parameter kann mit dem durch die Masse gewichteten Drehimpuls
identifiziert werden.
F = |1\U|L
Betrachten wir die Kerr-Lösung genauer, so erkennen wir, dass die der metrische Tensor zwei
Singularitäten bei /7 = 0 und ∆= 0 auftreten. Ein weiteres besonderes Gebiet wird durch die
Bedingung �bb = 0 gekennzeichnet [Goe03]. Diese Forderung können wie folgt umgeformt werden
(siehe [Abb01]).
/7 = 0 ⇒ 9 = 0 ∧ = = r2
∆= 0 ⇒ 9±t = C ± uC7 − F²
�bb = 0 ⇒ 9±v = C ± uC7 − F²5H6²=
Im Folgenden werden wir die Bedeutung der einzelnen Lösungen diskutieren.
3.2 Von Horizonten und Singularitäten
Der Begriff der Singularität ist ein problematisches Konzept, welches einige Zeit diskutiert wurde.
Lassen Sie uns dieses Problem etwas motivieren.
Als Singularität bezeichnen wir Punkte der Raum-Zeit, in welchen diese nicht mehr differenzierbar ist.
Es wird nun oft zwischen Koordinatensingularitäten, solche die durch Kartenwechsel geglättet werden
können, und „echten“ Singularitäten, welche in allen Koordinatensystemen der allgemeinen
Relativitätstheorie auftreten, unterschieden. Hierzu wird oft das Kretschmannskalar betrachtet und
über dessen Singularitäten, die des Raumes bestimmt. Diese Folgerung erweist sich nicht immer als
sinnvoll, was das nächste Lemma zeigen wird.
3.2.1 Lemma
Sei � eine Singularität von wxy�wxy�, so ist dies auch eine Singularität der Raum-Zeit.
Beweis:
Da wxy�wxy� ein Riemannskalar ist, ist sein Wert in allen Koordinatensystem gleich.
3.2.3 Bemerkung
Im günstigsten Fall, würde nun auch die Rückrichtung gelten. Leider ist dem im Allgemeinen nicht so.
Es existieren Singularitäten der Raum-Zeit, für welche alle Skalare einen endlichen Wert annehmen.
Betrachtet man z.B. die sogenannte „conical singularity“, bei ihr werden alle Skalare endlich, die Raum-
Zeit selbst ist jedoch nicht glatt. Die Raum-Zeit selbst ist mit einem Kegel zu vergleichen, bei welchem
die Spitze die Singularität darstellt. Insbesondere können keine Koordinaten gewählt werden, sodass
die Singularität lediglich einen Punkt der Mannigfaltigkeit darstellt[Wik01].
Aus diesem Grund ist das Kretschmannskalar nicht immer ein gutes Maß für die Untersuchung von
Singularitäten. Wir identifizieren zwar die Singularitäten von wxy�wxy� als solche der Raum-Zeit,
können aber nicht auf alle Vorhandenen schließen. Eine Alternative wurde von Penrose und Hawking
geboten, welche unter einer Singularität Punkte der Raum-Zeit beschrieben, bei welchen eine Geodäte
in endlicher Eigenzeit endet. Dies soll uns im weiteren Verlauf nicht bekümmern, da es den Rahmen
der Arbeit sprengen würde.
3.2.3 Die Ringsingularität
Nach Lemma 3.2.1 können wir von den Polen von wxy�wxy� auf Singularitäten der Kerr-Raum-Zeit
schließen. Für unsere Metrik ergibt sich [Hen01]
wxy�wxy� = 8�97 + F75H67=�{ [6C²�9{ − 15F79~5H67= + 15F~975H6~= − F{5H6{=]
Somit erhalten wir für /7 = 0 ⇒ 9 = 0 ∧ = = �7 eine Singularität der Raum-Zeit.
Obwohl sich die Singularität ebenfalls bei 9 = 0 befindet, lässt die Zusatzbedingung = = �7 nun
erahnen, dass sie wesensverschieden von der Singularität der Schwarzschild-Metrik sein muss. Um dies
einzusehen, sollten die Originalkoordinaten von Kerr �<, �, �, �� betrachtet werden, hier ergibt sich
eine etwas andere Bedingung für die Singularität �7 + �7 = F7 ∧ � = 0. Hierbei sieht man eindeutig,
dass es sich nicht nur um einen singulären Punkt der Raum-Zeit, sondern um einen unendlich dünnen
Ring mit dem Radius F in der Äquatorebene handelt.
Ferner kann man zeigen, dass die anderen Gebiete der Mannigfaltigkeit, welche ich 3.1 beschrieben
wurden, keine Singularitäten darstellen [Goe04].
3.2.4 Der Cauchy-Horizont und der Ereignishorizont
Für F < C existieren zwei voneinander getrennte Horizonte.
∆= 0 ⇒ 9±t = C ± uC7 − F²
Dabei kann man zeigen, dass der äußere der beiden Horizonte den eigentlichen Ereignishorizont bildet
und bei ihm eine unendliche Rotverschiebung auftritt. Der innere Horizont wird in der Regel als
Cauchy-Horizont bezeichnet. Passiert ein Beobachter diesen Bereich, so läuft vor ihm die Geschichte
des Universums in Zeitraffer ab, da es hier zu einer unendlichen Blauverschiebung kommt. Dies führt
natürlich zu einem jähen Ende jedes Beobachters, welcher durch einen unendlich blauverschobenen
Lichtblitz getroffen wird. Da dieser Horizont vom Ereignishorizont verdeckt wird, ist er physikalisch
nicht von Bedeutung, des Weiteren ist davon auszugehen, dass Quanteneffekte alle mathematisch
bestimmen „seltsame“ Effekte unterdrücken. Wir werden allerdings bei der Diskussion der
Zeitmaschine in Kapitel 4 nochmals auf den Cauchy-Horizont zurückkommen[Mue01].
3.2.5 Die Ergospähre und der Frame-dragging-Effekt
Das Verschwinden der 00-Komponente des metrischen Tensors definiert die statische Grenze des
Schwarzen Loches. Diese definiert den Rand des Raumzeit-Gebietes, in welchem sich ein Beobachter
in Ruhe befinden kann. Gerade dieses „mitrotieren“ wollen wir etwas besser beleuchten und am Ende
einen mathematischen Beweis für diesen Effekt betrachten. Dies wird in Kapitel 4 näher motiviert
[Goe05].
3.3 Die Boyer-Lindquist-Blöcke
Der Kerr-Parameter F kann verschiedene Werte annehmen, davon abhängig ist die Existenz der
Horizonte, welche wir in 3.2 diskutiert haben [Rei01].
3.3.1 Definition
1. Fall: 0 < F < C dies bezeichne den langsam-rotierenden Kerr-Fall.
2. Fall: F = C dies bezeichne den extremen Kerr-Fall.
3. Fall: C < F dies bezeichne den schnell-rotierenden Kerr-Fall.
3.3.2 Bemerkung
Vor allem Fall 3 verursacht einige Probleme, da hierfür ∆= 0 keine reellen Nullstellen mehr existieren.
Etwas präziser ausgedrückt würde hier eine nackte Singularität auftreten, welche aber der Annahme
der kosmischen Zensur nach Hawking verboten wäre. Im Folgenden interessieren wir uns nur für den
langsamen Kerr-Fall.
Bisher haben wir den Definitionsbereich der Metrik völlig außer Acht gelassen, dies sollten wir nun
schleunigst nachholen. Da die Kerr-Lösung bei 9 = 0 keine Singularität aufweist, solange = ≠ �7 ist,
können wir 9 ∈ ℝ voraussetzen. Eine geometrische Interpretation von 9 ist hier (ohne geeignete
Normierung siehe [Rei02]) nicht zwangsläufig sinnvoll. Somit spannen 9 und < den ℝ² auf. Für die
beiden Winkelkoordinaten =, @ erhalten wir die Mannigfaltigkeit �², sodass wir für die gesamte
Mannigfaltigkeit die Produktmannigfaltigkeit mit der induzierten Produkttopologie L ≔ ℝ² ×�²betrachten können. Nun versagen unsere gewählten Koordinaten leider an einigen Stellen, sodass
wir dieses Gebiet wieder einschränken müssen:
(i) Die Koordinaten versagen bei ∆= 0, was gerade die Horizonte � definiert.
(ii) Ein weiteres Versagen tritt bei /7 = 0, also bei der Ringsingularität � auf, welche gerade dem
Äquator der �² bei 9 = 0 entspricht.
(iii) Und als Letztes sei angemerkt, dass unsere gewählten Koordinaten ebenfalls für 6>?= = 0 ein
Problem aufweisen. Im ℝ³ würde dies gerade der z-Achse entsprechen, da wir allerdings nun zulassen,
dass 9 ∈ ℝ gilt existieren zwei solcher Achsen, auf denen die Metrik für alle Zeiten < nicht definiert ist
(Bezeichne A dabei dieses Gebiet). Da 6>?= = 0 gerade für den Nordpol N und den Südpol S gilt,
ergeben sich die beiden Achsen zu ℝ² × � und ℝ² × �. Man kann jedoch zeigen, dass die Koordinaten
über A hinaus erweitert werden können.
Insgesamt sind die Koordinaten also maximal auf ℝ7 × �7/�� ∪ Σ� erweiterbar. Wir interessieren uns
also für die Zusammenhangskomponenten dieser maximalen Erweiterung, welche durch die Horizonte
getrennt werden[Rei02].
3.3.3 Definition
Im Folgenden bezeichnen wir die Zusammenhangskomponenten von ℝ7 × �7/Σ als die Boyer-
Lindquist-Blöcke j, jj und jjj.
Sei nun F < C (es liegt also der langsam-rotierende Kerr-Fall vor):
j ≔ �� ∈ L|9 > 9�t} ; jj ≔ �� ∈ L|9At < 9 < 9�t} ; jjj ≔ �� ∈ L|9 < 9At}
3.3.4 Bemerkung
Im extremen Kerr-Fall existiert nur ein einziger Horizont und somit lediglich zwei
Zusammenhangskomponenten von L. Wohingegen der schnell rotierende Kerr-Fall keinen Horizont
(nackte Singularität!) aufweist und somit die Kerr-Raumzeit bereits maximal erweitert ist.
In den anderen beiden Fällen lässt sich die Kerr-Lösung über die Zusammenhangskomponenten
erweitern, was zur maximalen Erweiterung der Metrik führt.
3.3.5 Lemma
i, Die Felder �Z und �� sind Killing-Felder der Kerr-Raumzeit
ii, �� ist auf j und jj raumartig
iii, �Z ist auf jj zeitartig und für 9 < 0 sowie 9 > 2C zeitartig
Beweis:
i, Verwende Theorem A.15 mit X� ≔ �� und �� ≔ �Z bzw. �� ≔ ��.
ii, Es gilt < ��, �� > = �ZZ = 897 + F7 + 7MNO�:�n�(�)�� ; 6>?7(θ) und somit �� raumartig auf j ∪ jj.
iii, Zeige zuerst �N ist raumartig auf j ∪ jjj und zeitartig auf jj.
Es gilt offensichtlich
< �N, �N > = �NN = /²Δ
und es gilt /7 > 0 auf allen Blöcken sowie Δ > 0 j ∪ jjj und Δ < 0 auf jj. Die Raumartigkeit von �Z folgt nun aus der Orthogonalität zu �N.
Um die Zeitartigkeit zu erkennen betrachte:
�ZZ = 1/7 (−9(9 − 2C) − F75H67(=))
3.3.6 Bemerkung
Der Bereich I wird als äußere Kerr-Raum-Zeit oder auch als astronomischer Block bezeichnet. Da für
9 > 2C das Feld �Z dort Zeitartig ist können wir hierauf eine kanonische Zukunftsrichtung durch �Z
definieren.
Durch „zusammenkleben“ von Block j und jj können wir diese Zeitorientierung auf jj übertragen.
Diese ist jedoch nicht mehr kanonisch, da Block jj keine triviale Zeitorientierung besitzt [Rei03].
4. Effekte der Kerr-Raumzeit
In diesem, letzten, Kapitel beschäftigen wir uns noch mit den Auswirkungen der Kerr-Raumzeit auf die
in ihr befindlichen Objekte.
4.1 Der Frame-dragging-Effekt
Wie in Kapitel 3 erwähnt diskutieren wir nun einen speziellen Bereich der Kerr-Raum-Zeit [Goe05]. Wir
betrachten einen Beobachter in der 9 = 5H?6<. und = = 5H?6<. Ebene, dieser habe die
Winkelgeschwindigket a = *�*Z (wir machen zuerst keine Annahmen darüber, dass diese verschieden
von Null sein muss). Seine Vierergeschwindigkeit muss nach wie vor zeitartig sein, es gilt also:
�bb + 2�bVa + �VVa7 > 0
Diese Ungleichung schränkt allerdings a nun auf den Bereich
aM�n < a < aMO�
mit
a������ = 2CF96>?²= ± (97 + F75H67=)√∆6>?=[(97 + F7)7 − ∆F76>?7=]
ein. Mit dieser Bedingung können wir die minimale Winkelgeschwindigkeit an der statischen Grenze
und am Ereignishorizont bestimmen und erhalten
aM�n�9±v� = 0
a�t ≔ aM�n�9±t� = aMO��9±t� = F2C9±t
Dies bedeutet also, dass in den Bereichen 9Av ≤ 9 ≤ 9At und 9�t ≤ 9 ≤ 9�v kein Beobachter existiert,
welcher gegenüber einem unendlich fernen Beobachter ruhen könnte. Die beiden Bereiche bezeichnet
man als Ergospähren ЄA und Є�.
Man kann dieses etwas mathematische Formulieren, was zu folgendem Lemma führt
4.1.1 Lemma:
Sei j ≔ �9 > 9�t} und ¢: j → ЄA ∪ Є� eine zukunftsgerichtete zeitartige Kurve, so gilt @ ₒ ¢ ist streng-
monoton wachsend.
Beweis:
Siehe [Rei04].
Dies zeigt ebenfalls, dass es für einen Beobachter innerhalb der Ergosphäre unmöglich ist zu ruhen, er
wird zwangsläufig mit der Kerr-Raumzeit mitgerissen. Am Ereignishorizont und am Cauchy-Horizont
selbst muss der Beobachter mit der Winkelgeschwindigkeit a�t rotieren.
4.2 ISCO
Als Zweites wollen wir uns mit dem letzten stabilen kreisförmigen Orbit, dem ISCO (engl. innermost
stable circular orbit), beschäftigen.
Um den ISCO bestimmen bzw. definieren zu können benötigen wir das effektive Potential der Kerr-
Raumzeit. Gehen wir zuerst von den Erhaltungsgrößen aus, welche wir bereits kennen [Wal01],
[Car01]:
Aus den Killingfeldern ¥ ≔ �Z und S� ≔ �� folgen nach 1.3.2 die Erhaltungsgrößen
¦ ≔ ��¥�� = −C§ �1 − 2L9/7 � �<
�� − 2C§LF9/7 6>?²(=) �@
��
1 ≔ ��S�� = 2C§LF9/7 6>?7(=) �<
�� − C§(97 + F7)7 − C§ΔF²6>?²(=)/7 6>?²(=) �@
��
wobei wir � ≔ C§ *�¨*+ anstelle von
*�¨*+ benutzt haben, wobei C§ die Restmasse des Teilchens darstellt.
Allerdings unterscheiden sich die beiden Erhaltungsgrößen lediglich um einen konstanten Faktor C
und somit führt dies ebenfalls zu einer Erhaltungsgröße. Bei den beiden Größen handelt es sich um die
Energie und den Drehimpuls des Objektes. Die normierten Größen ergeben sich dadurch zu # ≔ ©M§ und
ª ≔ «M§ , diese lassen sich als Energie und Drehimpuls pro Masseneinheit interpretieren.
Für eine Geodäte ist
¬ ≔ ���� ���
stets eine Erhaltungsgröße. Für zeitartige Kurven gilt ¬ = 1 und für Lichtartige ¬ = 0.
Für äquatoriale Bahnen mit konstantem = = �7 und den drei Erhaltungsgrößen erhält man
schlussendlich:
12 9� 7 + $Y(9) = 0
mit dem effektiven Potential
$Y(9) = −¬ L9 + ª7
297 + 12 (¬ − #7)(1 + F7
97 − L9V (ª − F#)7)
Da wir uns für stabile Kreisbahnen interessieren müssen wir nach den Minima des effektiven Potentials
suchen. Diese entsprechen gerade den Nullstellen der ersten Ableitung mit positiver Krümmung, es
muss also gelten:
�$Y�9 = 0 �7$Y�9² > 0
Natürlich bilden auch die Nullstellen der ersten Ableitung mit negativer Krümmung Kreisbahnen,
jedoch sind diese labil, d.h. jede kleine Störung führt zu einer Bewegung nach 9 → 0 oder 9 → ∞.
Um die letzte stabile Kreisbahn zu bekommen fordern wir zusätzlich, dass die radiale Geschwindigkeit
verschwindet, sodass dies eine zusätzliche Bedingung an das effektive Potential stellt.
�9�� = 0 ⇒ $Y = 0
Die Nullstellen der ersten Ableitung unter oben genannter Bedingung ergeben sich zu
9������ = (1 − #7)F7 + ª² ± ¯�ª7 − F7(#7 − 1)�7 − 12(ª − F#)7L²2L
4.2.1 Definition
Wir definieren den letzten stabilen, kreisförmigen Orbit oder auch ISCO als den stabilen Orbit, für
welchen 9M�n = 9MO� gilt.
Um der Definition zu genügen muss die Diskriminante �ª7 − F7(#7 − 1)�7 − 12(ª − F#)7L7 = 0
verschwinden. Dies stellt eine Bedingung an den Drehimpuls des Objektes.
Aus dem so bestimmten Drehimpuls und $Y = 0 lässt sich nun auch # bestimmen. Dadurch erhalten
wir
9°v±² = L[3 + ´7 ∓ [(3 − ´B)(3 + ´B + 2´7)]B7] wobei
´B ≔ 1 + 1 − F²L²�
BV [81 + FL;
BV + 81 − FL;
BV]
´7 ≔ 3F²L² + ´B7�
B7
Im Kerr-Fall existieren zwei verschiedene Lösungen für den ISCO, da es davon abhängig ist, ob das
Objekt in Richtung oder gegen die Richtung des Schwarzen Loches rotiert [Geb01].
4.2.2 Bemerkung
Im extremen Kerr-Fall F = C erhalten wir [Geb02]:
i, Falls das Objekt gegen die Richtung des Schwarzen Loches rotiert
9°v±² = 9C ª°v±² = − 223√3 C #°v±² = 5
3√3
ii, Falls das Objekt in Richtung des Schwarzen Loches rotiert
9°v±² = C ª°v±² = 2√3 C #°v±² = 1
√3
4.2.3 Bemerkung
Für den extremen Kerr-Fall ergibt sich die maximale Energieabstrahlung zu
#��n*·n¸ = 1 − #°v±² = 1 − 1√3 ≈ 0.42
Dieses Ergebnis bedeutet, dass ca. 42% der in der Masse befindlichen Energie beim Einfangen des
Objektes in den ISCO frei wird. Ein realistischer Wert liegt natürlich etwas unter dem idealisierten Wert
(ca. 30-35%) [Ton01].
4.3 Penrose-Prozess und irreduzible Masse
Wie in 4.2 begründet ist die Energie ¦ ≔ ��¥�� eine Erhaltungsgröße längs einer geodätischen
Bahn. Außerhalb der Ergospähre ist ¦ positiv, da ¥� zeitartig ist. Teilen wir � in zwei Teile � =�(B) + �(7)
auf, so ergibt die Kontraktion mit dem Killingfeld ¦ = ¦(B) + ¦(7) (vgl. [Abb02]).
Da ¥� innerhalb der Ergosphäre raumartig wird, kann die Energie auch negativ werden. Kann man nun
einen Prozess so arrangieren, dass ein Teilen mit � in �(B) + �(7) zerfällt, sodass ¦(B) < 0 innerhalb
der Ergospähre gilt und der Teil mit �(7) einer Weltlinie aus der Ergosphäre folgt, so gilt
¦(7) > ¦
Es konnte also Energie aus dem Schwarzen Loch extrahiert werden [Wal02].
Penrose zeigt in seiner Arbeit, dass ein solcher Prozess geeignet arrangiert werden kann, aus welchem
Grund dieses Vorgehen oft als Penrose-Prozess bezeichnet wird. Weiter kann man zeigen, dass das
verbleibende Teilchen mit �(B), welches den Horizont passiert einen Drehimpuls entgegengesetzt
zum Schwarzen Loch besitzt. Insgesamt reduziert sich also der Drehimpuls des Schwarzen Loches.
Mit den Definitionen von 1, ¦ und Ωt ≔ O(N»¼)²�O² erhalten wir folgenden Zusammenhang
1 < ¦Ωt
und da ¦(B) < 0 gilt nun auch 1(B) < 0, fällt nun das Objekt mit 1(B) und ¦(B) in das Schwarze Loch, so
wird dessen Masse L und Drehimpuls ½ ≔ LF reduziert und es gilt:
%L = ¦(B)
%½ = 1(B)
Also folgt %½ < ¾I¿¼ was wir nun mit etwas Algebra zu folgendem Ausdruck umformen können
%L�NN > 0
Wobei
L�NN7 ≔ 12 [L7 + u(L~ − ½7)]
⇒ L7 = L�NN7 + 14
½²L�NN² ≥ L�NN²
Wir sehen also, dass die Masse des Schwarzen Loches eine untere Schranke besitzt und lediglich die
Energie L − L�NN kann vom Schwarzen Loch extrahiert werden. Wird diese Energie abgeführt, so
konvergiert der Drehimpuls des Schwarzen Loches gegen 0, weshalb wir die Größe L − L�NN als
Rotationsenergie interpretieren können [Wal03].
4.4. Carter-Zeitmaschiene
4.4.1 Definition
(1) Eine riemannsche Mannigfaltigkeit heißt chronologisch, wenn es keine geschlossenen zeitartigen
Kurven in ihr gibt.
(2) Eine riemannsche Mannigfaltigkeit heißt kausal, wenn es keine geschlossenen nicht-raumartigen
Kurven in ihr gibt.
4.4.2 Lemma
Die Boyer-Lindquist-Blöcke j und jj sind kausal.
Beweis: siehe [Rei05]
4.4.3 Bemerkung
Lemma 4.4.2 kann leider nicht auf den Bereich III ausgedehnt werden. Betrachten wir dazu die
Koordinatenabbildung @. Die Integralkurven des Vektorfeldes �� sind bis auf den Achsen, wo �� = 0
gilt, geschlossene Kurven, welche um die Rotationsachse kreisen. Es ist das Vektorfeld �� auf I und II
zwar raumartig, allerdings existiert in III ein Bereich nahe der Singularität, sodass �� zeitartig wird. Dies
liefert nun ein Problem mit der Kausalität.
Wir definieren durch das in diesem Block zeitartige Vektorfeld $ ≔ (97 + F7)�Z + F�� eine
Zukunftsrichtung auf jjj [Rei06].
4.4.4 Theorem
Der Block jjj ist bösartig, das heißt, dass es für je zwei Ereignisse � und Á in jjj eine zeitartige,
zukunftsgerichtete Kurve (in jjj) gibt, welche von � nach Á führt.
Beweis: siehe [Rei07]
4.4.5 Definition
Der Bereich X ≔ ���� < 0} in Block jjj wird als Carter Zeitmaschine definiert.
4.4.6 Bemerkung
Theorem 4.4.4 impliziert natürlich auch, dass es eine vergangenheitsgerichtete Kurve von Á nach �
gibt.
4.4.7 Bemerkung
Es kann die Zeitmaschine T von jedem beliebigen Punkt in jjj aus erreicht werden (sowohl zukunfts-
als auch vergangenheitsgerichtet). Dies wird für den Beweis von 4.4.4 benötigt, was den Begriff der
Zeitmaschine erklärt.
Zum Ende versuchen wir nun noch den Bereich der Zeitmaschine einzugrenzen. Eine Eingrenzung
liefert folgendes Lemma:
4.4.8 Lemma
Die Zeitmaschine X liegt in der Region – CF��C, F} < 9 < 0.
Beweis: siehe [Rei06].
5. Schlussbemerkung
Wir haben nun einiges über die Symmetrien und Erhaltungsgrößen der allgemeinen
Relativitätstheorie, die Kategorisierung von Schwarzen Löchern, die Lösung von Roy Kerr der
einsteinschen Feldgleichung und deren Auswirkungen auf die Raumzeit kennengelernt.
Als Physiker müssen wir natürlich einsehen, dass nicht jedes mathematisch korrekte Ergebnis auch
eine Entsprechung in unserem Universum findet. So ist es unwahrscheinlich, dass nackte Singularitäten
existieren oder, dass innerhalb des Ereignishorizonts wirklich eine derart starke Verdichtung der
Materie entsteht, sodass das Objekt eine Nullmenge des Raumes entspricht. Es ist davon auszugehen,
dass hier starke Quanteneffekte auftreten, welche wir zum heutigen Zeitpunkt nur erahnen bzw.
vermuten können. Nichts desto trotz regen diese Ergebnisse die Phantasie des Menschen an.
Wir haben aber auch gesehen, dass es einige Phänomene gibt, welche außerhalb des Horizonts
auftreten und somit an sich beobachtbar für uns sind.
A. Anhang Mannigfaltigkeiten
In diesem Abschnitt werden die wichtigsten mathematischen Begriffe und Sätze kurz aufgelistet. Für
ein tieferes Verständnis und genauere Definitionen der Begriffe siehe [Lee01].
A.1 Definition
Sei (L, Ã) ein topologischer Raum, wir bezeichnen L als topologische Mannigfaltigkeit der
Dimension n bzw. als n-Mannigfaltigkeit, falls folgende Bedingungen erfüllt sind:
- L erfüllt die Hausdorff-Eigenschaft: Für je zwei Punkte �, Á ∈ L existieren offene Mengen
Ä, $ ∈ Ã mit � ∈ Ä , Á ∈ $ und Ä ∩ $ = ∅.
- L erfüllt das zweite Abzählbarkeitsaxiom: Es exist. Eine abzählbare Basis der Topologie
- L ist lokal euklidisch: Für jeden Punkt � ∈ L existiert eine Umgebung, welche homöomorph
zu einer offenen Teilmenge des ℝn ist.
A.2 Defintion
Ein Paar (Ä, @ ) , mit der in 1.1.1 beschriebene Umgebung Ä und dem Homöomorphismus @ der
lokalen Euklidizität bezeichnet man als Karte von L. Oft wird @ auch als lokale Koordinate von L
bezeichnet.
Eine Menge von Karten, welche die Mannigfaltigkeit überdecken bezeichnet man als Atlas.
Seien weiter (Ä, @ ) und (Ä, Ç ) zwei Karten der Mannigfaltigkeit mit Ä ∩ $ ≠ ∅, so definieren wir den
Kartenwechsel Çₒ@AB: @(Ä ∩ $) → Ç(Ä ∩ $). Zwei solche Karten werden als glatt kompatibel
bezeichnet, wenn entweder Ä ∩ $ = ∅ oder Çₒ@AB ein Diffeomorphismus ist.
A.3 Definition
Ein Atlas heißt glatter Atlas, wenn all seine Karten glatt kompatibel miteinander sind.
Ein glatter Atlas der Mannigfaltigkeit heißt maximal, sofern er keinen strikt größeren Atlas enthält.
Sei (L, È) eine topologische n-Mannigfaltigkeit und A ein maximaler Atlas, so bezeichnen wir A als
glatte Struktur und M als glatte n-Mannigfaltigkeit.
A.4 Definition
Sei �: ÉÊ(L) → ℝ eine lineare Abbildung, diese bezeichnen wir als Derivation, falls für alle � ∈ L und
Ë, � ∈ ÉÊ(L) gilt:
�(Ë�) = Ë(�)�� + �(�)�Ë
Die Menge aller Derivationen im Punkt � ∈ L bildet einen Vektorraum, diesen bezeichnen wir als
Tangentialraum XÌL an die Mannigfaltigkeit im Punkt � ∈ L. Ein Element von XÌL wird als
Tangentialvektor definiert.
In diesem Zusammenhang definiert man XL ≔ ∐ XÌLÌ∈I die disjunkte Vereinigung aller
Tangentialräume als das Tangentialbündel.
A.5 Lemma
Für jede glatte n-Mannigfaltigkeit L besitzt XL eine kanonische Topologie und glatte Struktur, womit
XL zu einer 2n-Mannigfaltigkeit wird, sodass die Abbildung r: XL → L, r(�, �) = � glatt ist.
Beweis: siehe [Lee02].
A.6 Definition
Sei L eine glatte Mannigfaltigkeit, ein Vektorfeld auf L ist ein Schnitt auf XL. Etwas präziser gesagt
ist ein Vektorfeld Î: L → XL eine stetige Abbildung, sodass für jedes � ∈ L, Î(�) =: ÎÌ ∈ XÌL gilt.
Die Menge der Vektorfelder auf L bezeichnen wir mit Ï(L).
A.7 Bemerkung
In analoger Weise definieren wir den Kotangentialraum (XÌL)∗, sowie das Kotangentialbündel XL∗.
A.8 Definition
Sei M eine glatte Mannigfaltigkeit und ½ ⊆ ℝ. Eine glatte Kurve auf M ist eine glatte Abbildung Ò: ½ →L. Falls Ò eine glatte Kurve ist, so wird für <b ∈ ½ über
Òe(<b) = Ò∗��< |ZÓ ∈ XÔ�ZÓ�L
ein Tangentialvektor an Ò definiert. Sofern 0 ∈ ½, so heißt Ò�0� ∈ L der Startpunkt von Ò.
A.9 Definition
Sei M eine glatte Mannigfaltigkeit und V ein glattes Vektorfeld auf M. Eine Integralkurve von V ist eine
glatte Kurve Ò: ½ → L auf einem offenen Intervall ½ ⊆ ℝ, sodass
Òe�<� = $Ô�Z� für alle < ∈ ½
A.10 Definition
Sei M eine glatte Mannigfaltigkeit. Wir definieren einen globalen Fluss als glatte Abbildung
=: ℝ × L → L
mit folgenden Eigenschaften:
=�<, =�6, ��� = =�6 + <, ��
=�0, �� = �
Weiter sei Õ ⊆ ℝ × L offen, so bezeichnen wir D als Fluss Domäne, falls für alle � ∈ L die Menge ÕÌ ≔ � < ∈ ℝ ∶ �<, �� ∈ Õ} ein offenes Intervall mit 0 ist. Ein Fluss auf M ist somit als glatte Abbildung
=: Õ → L
Welche ebenso die oben genannten Eigenschaften erfüllt. Sei = ein Fluss, so definieren wir =Z��� ≔=�Ì��<� ≔ =�<, ��. Der infinitesimale Generator von = ist $Ì ≔ =�Ì�×�0�.
A.11 Bemerkung
Ein globaler Fluss, sowie ein Fluss definiert eine Linksoperation auf M.
A.12 Theorem
Sei V ein glattes Vektorfeld auf einer glatten Mannigfaltigkeit M, so existiert ein eindeutiger maximaler
Fluss, dessen infinitesimaler Generator V ist.
Beweis: Siehe [Lee03].
A.13 Definition
Sei M eine glatte Mannigfaltigkeit, $, Ø zwei glatte Vektorfelder auf M und sei weiter = der durch
1.1.12 implizierte Fluss von $, so definieren wir die Lie-Ableitung von Ø in Richtung V als Vektor am
Punkt �:
(ℒ)Ø)Ì = ��< |ZÙb� =AZ�∗Ø�Ú�Ì� = limZ→b
� =AZ�∗Ø�Ú�Ì� − ØÌ<
Sei weiter Ë: L → ℝ eine Funktion, dann bildet $Ë eine weitere Funktion, welche wir an ØÌ ankoppeln
können, sodass ØÌ�$Ë� mit � ∈ L eine reelle Zahl ergibt, sowie andersrum. Wir definieren die Lie-
Klammer durch folgende Beziehung
[$, Ø]ÌË ≔ $Ì�ØË� − ØÌ�$Ë�
A.14 Bemerkung/Definition
Das Konzept der Lie-Ableitung lässt sich auf Tensorfelder verallgemeinern, in diesem Fall ergibt sich
die Definition für ein Tensorfeld X und ein Vektorfeld � mit Fluss = zu:
�ℒÞX�Ì ≔ ��< |ZÙb� =Z�∗X�Ú�Ì�
A.15 Theorem
Seien Ø, $, � Vektorfelder auf M, Ë eine reellwertige Funktion und X ein (0,2)-Tensorfeld auf M, so
gilt:
ℒ)Ø = [$, Ø]
ℒÞX�$, Ø� = �X�$, Ø� − X�[�, $], Ø� − X�$, [�, Ø]�
ℒ)Ë = $�Ë
�ℒ)Ø� = $���Ø + Ø��$�
�ℒÞX�� = ����X� + X����� + X�����
Wobei �� die kanonische Basis des Tangentialraums darstellt.
Beweis:
siehe [Lee04] und [Rei08].
B. Anhang Riemannsche Geometrie
B.1 Definition
Sei L eine glatte Mannigfaltigkeit, so definieren wir eine Funktion �, sodass diese jedem Punkt von
� ∈ L eine symmetrische und positiv-definite Bilinearform (ein Skalarprodukt) zuordnet, welche
differenzierbar von � ∈ L abhängt:
�: L → XL∗ ⊗ XL∗
�Ì: XÌL ⊗ XÌL → ℝ
Die differenzierbare Abhängigkeit bzgl. � ∈ L kann wie folgt verstanden werden:
Seien �, Î Vektorfelder auf L, so ist � → �Ì(�Ì, ÎÌ) differenzierbar.
Die Funktion � wird als metrischer Tensor und L als riemannsche Mannigfaltigkeit bezeichnet.
B.2 Bemerkung
Der in der Physik auftretende metrische Tensor ���(�) innerhalb des Linienelements �67 ist die
Basisdarstellung von � bzgl. Der kanonischen Basis ��� ⊗ ��� des Kotangentialraums an einem Punkt
� der Mannigfaltigkeit. Es gilt also: ���(�) = (��)� ��� ⊗ ����. B.3 Definition
Sei (L, �) eine riemannsche Mannigfaltigkeit und � ein Vektorfeld auf M, so heißt � ein Killingfeld
oder Killingsches Vektorfeld, falls ℒÞ� = 0.
B.4 Definition
Sei r: ¦ → L ein Vektorraumbündel (siehe [Rei09]) über eine glatte Mannigfaltigkeit M und bezeichne
�(L; ¦) die Menge der Schnitte von M auf E.
Eine ℝ −bilineare Abbildung:
∇: Ï(L) × �(L; ¦) → �(L; ¦)
(�, 6) → ∇(�, 6) = : ∇Þ6
Heißt Covariante Ableitung auf E, falls für alle � ∈ χ(M), 6 ∈ �(L; ¦) und @ ∈ #(L) gilt:
∇�Þ6 = @∇Þ6
∇Þ@6 = �@6 + @∇Þ6
Ist r: XL → L so heißt ∇ auch ein Zusammenhang auf L.
B.5 Definition
Sei (L, <; >) eine riemannsche Mannigfaltigkeit, �, Î, ´ Vektorfelder ein Zusammenhang ∇ mit:
2⟨∇ÞÎ, ´⟩ = �⟨Î, ´⟩ + Î⟨´, �⟩ − ´⟨�, Î⟩ − ⟨�, [Y, Z]⟩ + ⟨Y, [Z, X]⟩ + ⟨Z, [X, Y]⟩
heißt Levi-Civita-Zusammenhang.
B.6 Theorem
Sei � ein Killingfeld und Î, ´ Vektorfelder so gilt
�(∇é�, ´) + �(Î, ∇ê�) = 0
Dies ergibt die sogenannte Killinggleichung:
∇��� + ∇��� = 0
Beweis:
siehe [Wal04]
C. Anhang Bilder
[Abb01]
Matt Visser, Kerr Spacetime: A brief introduction, University of Wellington, 2008, S. 24
[Abb02]
Sean M. Carroll, Lecture Notes Generals Relativity, University of California, 1997, S. 214
Endnoten [Car01]: Sean M. Carroll, Lecture Notes Generals Relativity, University of California, 1997, S. 212ff.
[Fli01]: Torsten Fließbach, Allgemeine Relativitätstheorie, 6. Auflage, Springer Verlag, S. 289
[Goe01]: Hubert Goenner, Einf. In die spez. und allg. Relativitätsth., Berlin Akd. Verlag, 1996, S. 303
[Goe02]: Hubert Goenner, Einf. In die spez. und allg. Relativitätsth., Berlin Akd. Verlag, 1996, S. 305ff.
[Goe03]: Hubert Goenner, Einf. In die spez. und allg. Relativitätsth., Berlin Akd. Verlag, 1996, S. 379f.
[Goe04]: Hubert Goenner, Einf. In die spez. und allg. Relativitätsth., Berlin Akd. Verlag, 1996, S. 379f.
[Goe05]: Hubert Goenner, Einf. In die spez. und allg. Relativitätsth., Berlin Akd. Verlag, 1996, S. 380ff.
[Geb01]: Wolfgang Gebhardt, Lecture Notes, S. 50ff.
[Geb02]: Wolfgang Gebhardt, Lecture Notes, S. 53ff.
[Hen01]: R.C. Henry, Kretschmannsc. for a Kerr-Newman Black Hole, Astrophysical Journal, 1999, S. 6
[Lee01]: John M. Lee, Introduction to smooth manifolds, University of Washington, 2000
[Lee02]: John M. Lee, Introduction to smooth manifolds, University of Washington, 2000, S. 57
[Lee03]: John M. Lee, Introduction to smooth manifolds, University of Washington, 2000, S. 314
[Lee04]: John M. Lee, Introduction to smooth manifolds, University of Washington, 2000, S. 329ff.
[Mue01]: Alexander Müller, Lexikon der Astrophysik, 2007, S. 100
[Raj01]: S.G. Rajeev, Lecture Notes, Lecture 18, S. 1ff
[Rei01]: Maren Reimold, Zulassungsarbeit zum Staatsex., Eberhard-Karls-Univ. Tübingen, S.73ff.
[Rei02]: Maren Reimold, Zulassungsarbeit zum Staatsex., Eberhard-Karls-Univ. Tübingen, S.75ff.
[Rei03]: Maren Reimold, Zulassungsarbeit zum Staatsex., Eberhard-Karls-Univ. Tübingen, S. 78f.
[Rei04]: Maren Reimold, Zulassungsarbeit zum Staatsex., Eberhard-Karls-Univ. Tübingen, S. 87f.
[Rei05]: Maren Reimold, Zulassungsarbeit zum Staatsex., Eberhard-Karls-Univ. Tübingen, S. 89f.
[Rei06]: Maren Reimold, Zulassungsarbeit zum Staatsex., Eberhard-Karls-Univ. Tübingen, S. 89f.
[Rei07]: Maren Reimold, Zulassungsarbeit zum Staatsex., Eberhard-Karls-Univ. Tübingen, S. 90f.
[Rei08]: Maren Reimold, Zulassungsarbeit zum Staatsex., Eberhard-Karls-Univ. Tübingen, S. 11f.
[Rei09]: Maren Reimold, Zulassungsarbeit zum Staatsex., Eberhard-Karls-Univ. Tübingen, S. 11f.
[Ton01]: Stijn J. van Tongeren, Rotating Black Holes, 2009, S. 12ff.
[Wal01]: Robert M. Wald, General Relativity, Univ. of Chicago Press, 1984, S. 320ff.
[Wal02]: Robert M. Wald, General Relativity, Univ. of Chicago Press, 1984, S. 324ff.
[Wal03]: Robert M. Wald, General Relativity, Univ. of Chicago Press, 1984, S. 326ff.
[Wal04]: Robert M. Wald, General Relativity, Univ. of Chicago Press, 1984, S. 442
[Wik01]: Wikipedia, https://en.wikipedia.org/wiki/Gravitational_singularity#Conical, 25.11.15
Literaturverzeichnis:
Sean M. Carroll, Lecture Notes Generals Relativity, University of California, 1997
Torsten Fließbach, Allgemeine Relativitätstheorie, 6. Auflage, Springer Verlag
Hubert Goenner, Einf. In die spez. und allg. Relativitätsth., Berlin Akd. Verlag
R.C. Henry, Kretschmannsc. for a Kerr-Newman Black Hole, Astrophysical Journal, 1999
John M. Lee, Introduction to smooth manifolds, University of Washington, 2000
Alexander Müller, Lexikon der Astrophysik, 2007
Maren Reimold, Zulassungsarbeit zum Staatsex., Eberhard-Karls-Univ. Tübingen
Stijn J. van Tongeren, Rotating Black Holes, 2009
Robert M. Wald, General Relativity, Univ. of Chicago Press, 1984