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KÁRMÁNsche Querschwingungen

Date post: 05-Jan-2017
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Baudynamik und Zustandsanalyse Eine Einführung in die Baudynamik mit Mathematica ® Das vorliegende Skript wurde im Original mit dem Programmsystem MATHEMATICA ® von WOLFRAM-Research [http://www.wolfram.com] geschrieben und erstmals auf den Webseiten der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden (University of Applied Sciences) [http://www.htw-dresden.de] veröffentlicht. Die Schrift trägt den Charakter eines Arbeitskonzepts, so dass ich für Hinweise und Anregungen aller Art, einschließlich zu Rechtschreibung, Grammatik und Druckbild sehr dankbar bin. Mit meinem Beitrag erhebe ich keinen Anspruch auf irgendeine Vollständigkeit bzw. Allgemeingültigkeit. Ich möchte einzig und allein an exemplarischen Problemstellungen der Baumechanik logisch einfache mathematisch-physikalische Lösungsmethoden zur Diskussion stellen. Mirko Slavik, Dresden 21 Beanspruchungen infolge Wind 21.9 KÁRMÁNsche Querschwingungen 21.9.1 Im Frühjahr 1975 habe ich mich im Zusammenhang mit einem Vortrag in Vorbereitung zu meiner Diplomarbeit erstmals und bis zum September 2010 leider auch letztmalig mit den KÁRMÁNschen Querschwingungen beschäftigt. Damals ging es um die aerodynamische Beurteilung der Stützen der aufgeständerten Fahrbahn einer weitgespannten Zweigelenkbogenbrücke über den Plauenschen Grund in Dresden, wobei ich mich hauptsächlich an den umfangreichen Untersuchungen zu den Ständern der Moldaubrücke bei Z ˇ dákov [121] orientiert hatte. 21.9.2 Bei vergleichbaren, insbesondere kreiszylindrischen Konstruktionen war beobachtet worden, dass es bei bestimmten Windgeschwindigkeiten zu Querschwingungen kommen kann, deren Ursache die bereits im Absatz 21.7.31 (vgl. auch Absatz 21.7.18) erwähnten, sich wechselseitig, quasi peri- odisch ablösenden Wirbel sind. 21.9.3 Die Ablösung der Grenzschicht einer Strömung und die damit einhergehende Wirbelbildung ist an die Tatsache gebunden, dass die Strömungspartikel gegen einen Druckanstieg (vgl. u. a. Absatz 21.5.50) anlaufen, wie dies zum Beispiel im Strömungsschatten eines Hindernisses auftritt, da der dort zu verzeichnende Abfall der Strömungsgeschwindigkeit eine relative Druckzunahme bewirkt (siehe Bild 21.9.3, vgl. auch die versteckte Zelle nach dem Absatz 21.7.30). Ruhezone a) Ablöse- punkt v char v char b) c p, theoretisch c p, real +1 -3 +1 -3 Bild 21.9.3: Erklärungshintergrund für das Wechselspiel zwischen Grenzschichtablösung und Druck- verteilung am Kreiszylinder nach [117]: a) Grenzschichtentwicklung und b) Druckverteilung Versteckte Zelle zur theoretischen Berechnung der idealen Druckverteilung an einem Kreiszylinder
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Page 1: KÁRMÁNsche Querschwingungen

Baudynamik und ZustandsanalyseEine Einführung in die Baudynamik mit Mathematica ®

Das vorliegende Skript wurde im Original mit dem Programmsystem MATHEMATICA® von WOLFRAM-Research [http://www.wolfram.com] geschrieben und erstmals auf den Webseiten derHochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden (University of Applied Sciences) [http://www.htw-dresden.de] veröffentlicht. Die Schrift trägt den Charakter eines Arbeitskonzepts, so dass ichfür Hinweise und Anregungen aller Art, einschließlich zu Rechtschreibung, Grammatik und Druckbild sehr dankbar bin.Mit meinem Beitrag erhebe ich keinen Anspruch auf irgendeine Vollständigkeit bzw. Allgemeingültigkeit. Ich möchte einzig und allein an exemplarischen Problemstellungen der Baumechaniklogisch einfache mathematisch-physikalische Lösungsmethoden zur Diskussion stellen.

Mirko Slavik, Dresden

◼ 21 Beanspruchungen infolge Wind

◻ 21.9 KÁRMÁNsche Querschwingungen21.9.1 Im Frühjahr 1975 habe ich mich im Zusammenhang mit einem Vortrag in Vorbereitung zu meinerDiplomarbeit erstmals und bis zum September 2010 leider auch letztmalig mit den KÁRMÁNschenQuerschwingungen beschäftigt. Damals ging es um die aerodynamische Beurteilung der Stützen deraufgeständerten Fahrbahn einer weitgespannten Zweigelenkbogenbrücke über den Plauenschen Grundin Dresden, wobei ich mich hauptsächlich an den umfangreichen Untersuchungen zu den Ständern derMoldaubrücke bei Z

ˇdákov [121] orientiert hatte.

21.9.2 Bei vergleichbaren, insbesondere kreiszylindrischen Konstruktionen war beobachtet worden,dass es bei bestimmten Windgeschwindigkeiten zu Querschwingungen kommen kann, deren Ursachedie bereits im Absatz 21.7.31 (vgl. auch Absatz 21.7.18) erwähnten, sich wechselseitig, quasi peri-odisch ablösenden Wirbel sind.

21.9.3 Die Ablösung der Grenzschicht einer Strömung und die damit einhergehende Wirbelbildung istan die Tatsache gebunden, dass die Strömungspartikel gegen einen Druckanstieg (vgl. u. a. Absatz21.5.50) anlaufen, wie dies zum Beispiel im Strömungsschatten eines Hindernisses auftritt, da der dortzu verzeichnende Abfall der Strömungsgeschwindigkeit eine relative Druckzunahme bewirkt (sieheBild 21.9.3, vgl. auch die versteckte Zelle nach dem Absatz 21.7.30).

Ruhezone

a)

Ablöse- punktvchar vchar

b)

cp, theoretisch

cp, real

+1

-3

+1

-3

Bild 21.9.3: Erklärungshintergrund für das Wechselspiel zwischen Grenzschichtablösung und Druck- verteilung am Kreiszylinder nach [117]: a) Grenzschichtentwicklung und b) Druckverteilung

☺ Versteckte Zelle zur theoretischen Berechnung der idealen Druckverteilung an einem Kreiszylinder

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☺(siehe Bild 21.9.3b).

21.9.4 Derartige Grenzschichtablösungen, die stets an Reibung und relative Druckschwankungengekoppelt sind, stellen außerordentlich komplexe, nichtlineare Vorgänge dar, weshalb die zeitlicheVoraussage, wann exakt ein Wirbel entsteht nicht möglich ist (vgl. hierzu auch [59]). Wenn sich jedochein Wirbel ablöst, erhöht sich der Strömungswiderstand, was man sich auch mit einer gegenläufigenZirkulationsströmung erklären kann, die die stationäre Umfangsgeschwindigkeit verlangsamt (siehe dieobere Seite des Kreiszylinders im Bild 21.9.4a). Infolge dessen kommt es zu einem relativen Druck-anstieg in der laminaren Umfangsströmung, der sich in einer Druckkraft, quer zur Strömungsrichtungmanifestiert.

b)

a)

c)

d)

vchar

vchar

vchar

vchar vv

Zonen der Ablösepunkte

Fquer

Bild 21.9.4: Querkraftentstehung und Wirbelstraßen nach [117]:

a) Entstehung einer Kraft quer zur Strömungsrichtung b) unterkritischer Bereich bis kritischer Bereich Rezahl ∼ 40 - 2 × 10 5

2 baudyn_21_9_wind_querschwingungen.nb

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zahl ∼ - ×c) kritischer bis überkritischer Bereich Rezahl ∼ 2 × 10 5 - 3.5 × 10 6 d) transkritischer Bereich Rezahl > 3.5 × 10 6

21.9.5 Die ursprünglich quasi-symmetrische Geschwindigkeitsverteilung der ungestörten Strömung wirdaus dem Gleichgewicht gebracht und führt zu einer Erhöhung der Umfangsgeschwindigkeit auf dergegenüberliegenden, unteren Seite des betreffenden Kreiszylinders. Die Druckverteilung wird unsym-metrisch. Es baut sich ein Unterdruck auf, der die bereits im Entstehen begriffene Querkraft “füttert”.Würde der Störkörper zusätzlich noch querverschieblich, sprich schwingungsfähig sein, käme es zueiner weiteren Verstärkung dieses Effektes. Die Querkraftentstehung besitzt offensichtlich einen außeror-dentlich komplexen Hintergrund (vgl. hierzu auch die versteckte Zelle nach dem Absatz 21.9.47)

21.9.6 Gehen wir von ähnlichen aerodynamischen Verhältnissen, wie auf der Oberseite aus, dann trittim Strömungsschatten des unteren Bereiches ein relativ stärkerer Druckanstieg als oben auf. Somitmuss es auch auf der Unterseite zum Ablösen eines Wirbels und damit zu den bereits beschriebenenFolgeerscheinungen kommen. Die sich aufbauende Querkraft wirkt jetzt zeitlich versetzt in die entge-gengesetze Richtung.

21.9.7 Bei REYNOLDSzahlen im unterkritischen bis kritischen Bereich (vgl. Tabelle 21.7.18) ist fürden Prozess der sich ablösenden Wirbel ein zeitlich begrenztes, relativ stabiles periodisches Gleich-gewicht kennzeichnend. Hierfür typisch ist ein Nachlauf, der von alternierenden gegenläufigen Wirbelngeprägt ist (siehe Bild 21.9.4b). In der Fachliteratur bezeichnet man ihn als KÁRMÁNsche Wirbelstraße[124] (vgl. hierzu Absatz 21.5.52 bzw. die versteckte Zelle nach dem Absatz 21.7.30). Eine solcheWirbelstraße hat eine quasi-periodische Querkrafterregung zur Folge. In ihrer Längsrichtung tretenebenfalls pulsierende Kräfte auf, die aber gegenüber den Amplituden der Querkräfte in der Regelvernachlässigbar sind. Deren Frequenz ist doppelt so groß wie die der Quererregung. Die reduzierteGeschwindigkeit einer Wirbelstraße beträgt nach [95] ungefähr 85% der ursprünglichen, ungestörtenStrömungsgeschwindigkeit.

21.9.8 Nach RUSCHEWEYH [117] besteht eine enge Kausalität zwischen regelmäßigen Wirbelablösun-gen und geraden Ablöselinien, wie sie beispielsweise an Körpern mit Ecken meist vorhanden sind. Beieinem Kreiszylinder ist die Wirbelablösung hingegen an eine homogene Entwicklung längs desUmfanges gebunden. Im unterkritischen bis kritischen Bereich entsteht in der Regel eine vom Staupunktausgehende laminare Grenzschicht, im transkritischen Bereich ist dies jedoch von Anfang an eineturbulente Grenzschicht (vgl. Absatz 21.5.58). In beiden Fällen können sich diese Grenzschichtenausreichend lang aufbauen, um am jeweiligen Ablösepunkt (siehe Bild 21.9.4b und d) die erforderlicheinnere Homogenität aufzuweisen. Deshalb treten bei beiden quasi-periodische, wenn auch unter-schiedlich stabile Wirbelbilder auf.

21.9.9 Im kritischen bis überkritischen Bereich (Bild 21.9.4c) findet allerdings vor dem Ablösepunkt einUmschlagen der laminaren in eine turbulente Grenzschicht statt (vgl. Absatz 21.5.58). Da dieserProzess sowohl örtlich als auch zeitlich inhomogen ist, sind die Ablöselinien stochastischer Natur unddie Wirbel instabil. Damit sind auch nur geringe Quererregungskräfte zu erwarten.

21.9.10 Die quasi-periodische Querkrafterregung im transkritischen Bereich ist nach [117] erst im Jahre1961 entdeckt worden. Sie dient u. a. als Erklärung dafür, weshalb es auch bei sehr großen Schorn-steinen zu Querschwingungen kommen kann.

21.9.11 Die KÁRMÁNschen Querschwingungen ordnet RUSCHEWEYH [117] in eine Schwingungsartein, die zwischen Zwangserregung und Selbsterregung steht. Da die Quererregerkräfte beim Zylinder in

“ ”

baudyn_21_9_wind_querschwingungen.nb 3

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der Regel erst im “hinteren” Störkörperbereich (engl. afterbody) einwirken, sind bei Hindernissen, beidenen ein solcher Teil nicht vorhanden ist, keine Querschwingungen zu beobachten.

21.9.12 Kreiszylinder oder kreiszylinderähnliche Konstruktionen, die Wind-, aber auch Wasserströ-mungen ausgesetzt sind, treten relativ häufig auf. Ein Beispiel sind die bereits oben erwähnten Stützenbei aufgeständerten Brückenfahrbahnen. Desweiteren sind Frei- und Rohrleitungen, Seile und Stäbevon Hängekonstruktionen, Türme und Maste, Schornsteine und sich im Wasser befindende Funda-ment- bzw. Stützkörper zu nennen.

21.9.13 Der Ablösevorgang der Grenzschichten hängt von der REYNOLDSzahl, der Oberflächen-rauigkeit, der Lage und Ausbildung der Kanten und dem Verhältnis Durchmesser zur Länge einerKonstruktion ab. Die Ablöse-, sprich Erregerfrequenz ferr [Hz] bestimmt man mittels derSTROUHALzahl St, benannt nach dem tschechischen Physiker Čenek STROUHAL (1850 - 1923). Sieist eine Kennzahl für turbulente Strömungen und lautet:

St =ferr Lchar

vchar

mitferr - Ablöse- oder Druckschwankungsfrequenz; entspricht der Anzahl der abgelösten Wirbel je Sekunde an einem Ablösepunkt in [Hz],vchar - charakteristische Strömungsgeschwindigkeit in [m/s] (vgl. auch Absatz 21.5.60),Lchar - charakteristische Länge (Breite) in [m].

21.9.14 Die charakteristische Geschwindigkeit entspricht in der Regel der mittleren ungestörtenAnströmgeschwindigkeit. Als charakteristische Länge (Breite) wird bei einem Kreiszylinder derDurchmesser d angesehen. Im Bereich Rezahl ∼ (101) 102 - 104(105), der von laminaren Grenz-schichten und stabilen Wirbelstraßen geprägt ist, liegen die STROUHALzahlen relativ eng zwischen St∼ 0,14 - 0,22 [103][117]. Ab Rezahl ∼ (104) 105 bis Rezahl ∼ (106) 107 schwanken die in der Literaturausgewiesenen Werte wesentlich stärker und zwar zwischen St ∼ 0,16 - 0,32 [103][117]. Die zugehöri-gen Grenzschichten sind turbulent und die Wirbelstraßen folglich stochastisch. Im transkriti-schenBereich Rezahl > (106) 107 kommt es zu einer relativen Stabilisierung der Wirbelablösungen (vgl.Tabelle 21.7.18), weshalb die STROUHALzahlen sich um die Werte St ∼ 0,15 - 0,20 einpegeln. Der imBild 21.9.14 veranschaulichte Vergleich verdeutlicht, dass die Eigenbewegung eines Störkörpers einenstarken Einfluss auf die STROUHALzahl und folglich auf die Ablösefrequenz hat (man vgl. hierzu die im Absatz 21.9.5 erwähnte Ambivalenz der Wirbelentstehung).

0,2

0,4

0,6

St

ortsfest

Re105 6 710 10

zahl0

elastisch

4 baudyn_21_9_wind_querschwingungen.nb

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Bild 21.9.14: STROUHALzahl vs. REYNOLDSzahl bei einem ortsfesten glatten Zylinder (gestrichelt)und einem aeroelastischen Modellschornstein (ausgezogen) gemäß [95, Bild 7.3, S. 112]

21.9.15 Da die größten Erregerkräfte jedoch bei STROUHALzahlen von St ∼ 0,2 auftreten, schlägtRUSCHEWEYH [117] diesen Wert für baupraktische Berechnungen als zu wählende Ansatzgröße fürden gesamten REYNOLDSzahlbereich vor. Richtwerte für die STROUHALzahlen nichtkreisförmigerProfile können den Normen bzw. der Literatur, wie z. B. in [117, Bd. 2, S. 70f.] oder in [103, S. 231]entnommen werden.

21.9.16 Bei Querschnitten, die wie z. B. Rechteck- und Quadratprofile nicht rotationssymmetrisch sind(Bild 21.9.16), spielt die Anströmrichtung eine entscheidende Rolle, da unterschiedlich geneigte Anström-flächen die Breite der Wirbelstraßen, aber auch die Ablösefrequenz der Wirbel beeinflussen. Ver-schiedene Formen der Kantenausbildung können Veränderungen in der STROUHALzahl von bis zu25% zur Folge haben [117].

0,05

0,10

0,15

St

d/b1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

0,12

0,06

0,15

0,110,09WIND

b

d

Bild 21.9.16: STROUHALzahl für Rechteckprofile mit scharfen Kanten und rechtwinkliger Anströmung (gemäß [97])

21.9.17 Beachtung muss aber nicht nur einer einzelnen Konstruktion gewidmet werden, sondern auchnacheinander angeordneten Baustrukturen, die sich eventuell im Schatten einer Wirbelstraße befindenkönnten (vgl. hierzu Absatz 21.9.7). So sind zum einen sehr schlanke Bauwerke, die in der Nähe eineskompakten Gebäudes stehen, gefährdet. Zum anderen sollten mehrere gleichartige, grazile Baukörper,wie zum Beispiel Schornsteine, wenigstens einen Abstand voneinander haben, der 10 - 15mal größerals deren maßgebende charakteristische Länge ist [95].

21.9.18 Am Ende des letzten Jahrhunderts, siehe u. a. [95] und [103], stellte man fest, dass trotzerheblicher Fortschritte, was die Entschlüsslung der aerodynamischen Mechanismen betraf, es hin-sichtlich der Voraussage der zu erwartenden Erregerkräfte noch keinen allseitig befriedigenden Ansatzgab. Das KÁRMÁNsche Querschwingungsproblem gehört womöglich zu einem jener komplexen,nichtlinearen Phänomene, bei denen wegen der hohen Sensibilität in den Anfangswerten (sieheAbschnitt 8 bzw. [59]), eine in sich geschlossene Berechnungsmethodik, die dem Windingenieur eineausreichend sichere Vorhersage ermöglicht, offensichtlich nicht formulierbar ist.

21.9.19 Das Hauptaugenmerk sollte deshalb auf geeignete konstruktive Gegenmaßnahmen gelenktwerden, die die Entstehung von periodischen Ablöseerscheinungen verhindern oder auftretende Quer-

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schwingungen hinreichend tilgen. So stellen zusätzliche formgebende Oberflächenelemente, wie z. B.Drahtwendel, Ringe, Störstreifen und Verstärkungsflansche außerordentlich wirksame Störmaßnahmendar. Sie erhöhen allerdings auch den Windwiderstand des jeweiligen Objektes. Hingegen ist die Anord-nung von passiven, geschweige von aktiven Schwingungsdämpfern sehr kostenintensiv. Bei der imAbsatz 21.9.1 erwähnten Brücke in Z

ˇdákov erhöhte man übrigens die Dämpfung der als schwingungs-

gefährdet erkannten Ständer passiv, indem deren Hohlräume mit scharfkantigem Feinschotter aufgefülltworden waren.

Anmerkung: Zur Problematik der aktiven Schwingungsdämpfung bei Windbeanspruchungen ver-weisen wir auf die interessante Arbeit von KÖRLIN [122].

21.9.20 Im Weiteren werden die oben genannten Probleme und Schwierigkeiten in der theoretischenVoraussage der Wirkungen KÁRMÁNscher Querschwingungen näher beleuchtet. Falls baupraktische,normgerechte Bemessungen erforderlich sind, empfehlen wir u. a. die sehr übersichtliche und solideAusarbeitung über winderregte Hängerschwingungen, die unter Federführung von K.-G. SCHÜTZ [123]stand. Dem eigenen Credo gehorchend werde ich, wie in all meinen anderen Skripten, an Normengebundene bzw. an Vorschriften orientierte Berechnungsrezepte weitgehend meiden. Mir geht esvordergründig um das Aufzeigen der mathematisch-physikalischen Hintergründe.

21.9.21 In Anlehnung an die im Absatz 21.7.11.3 definierte differenzielle Kraft ∂z F(MORISONgleichung), wird eine zeitabhängige, auf die Längeneinheit bezogene GesamtwindlastQquer(t) ≏ ∂z F(t) eingeführt. Sie wirkt seitlich auf den Störkörper. In der Literatur unterteilt man siezwecks besseren Verständnisses formal in drei Komponenten:

Qquer[z, t] = Q y,tur[z, t] + Q wirbel[z, t] + Q aerodyn[z, t]

wobei

Q y,tur(z, t) - querwirkender Lastanteil des turbulenten Windes (vgl. z. B. Absatz 21.6.3)Q wirbel(z, t) - durch Wirbelbildung verursachte Querlast; sie tritt sowohl bei fehlender als auch

bei vorhandener Strukturbewegung auf; im letzteren Fall sind starke Abhängigkeiten zwischen Last und Bewegung zu verzeichnen

Q aerodyn(z, t) - bewegungsinduzierte Last.

21.9.22 In [95] werden zwei turbulente Strömungszustände hervorgehoben, bei denen eine erhöhteWahrscheinlichkeit des Auftretens wirbelinduzierter Querschwingungen besteht. Das sind erstens relativgeglättete, beruhigte Windverhältnisse, wie sie beispielsweise in wenig bebauten Küstenbe-reichenanzutreffen sind. In geglätteten Strömungen entstehen signifikant häufiger Querschwingungen vonBaustrukturen als in sehr turbulenten Arealen. In beruhigten Windströmungen kann es gemäß [95] auchzu einem starken Anwachsen der sogenannten negativen aerodynamischen Dämpfung kommen.

21.9.23 Im zweiten Fall handelt es sich um Bereiche mit anwachsenden Kleinwirbeln, die z. B. imNachlauf einer schlanken, sich in der Nähe befindenden Struktur ähnlicher Abmessungen entstehenkönnen. Die sich vergrößernden Kleinwirbel erhöhen den Kraftkoeffizienten, der im Zusammenhang mitden Wirbelablösungen steht.

21.9.24 Um die mathematisch-physikalischen Zusammenhänge besser zu verstehen, nutzen wir dasvereinfachte zweidimensionale Querschwingungsmodell des Bildes 21.9.24. Der zweiseitig elastischgelagerte, starre Balken schwinge nur in der y-z-Ebene. Die mittlere Hauptrichtung der stationären

6 baudyn_21_9_wind_querschwingungen.nb

Page 7: KÁRMÁNsche Querschwingungen

Windanströmung liegt in der x-Achse. Es wird vorausgesetzt, dass der Balken sich nur parallel zur z-Achse in y-Richtung bewegen kann. Da die beiden Feder- und Dämpferelemente parallel geschaltetsind, gilt für die Federsteifigkeiten k = k1 + k2 und die Dämpfungskoeffizienten c = c1 + c2 (vgl.hierzu und im Weiteren auch die Abschnitte 7 und 8).

c1

k1

c2

k2

H

d

starrerKreis-zylinder

Qquer (t) dF(t)dz

z

yx

Bild 21.9.24: Vereinfachtes zweidimensionales Querschwingungsmodell

21.9.25 Unter den oben getroffenen Annahmen ist der im Bild 21.9.24 ausgewiesene starre Balken aufeinen einfachen, krafterregten Einmassenschwinger, der für Q quer(z, t) ≏ Q quer(t) der Differenzialgle-ichung (7.1) gehorcht, reduzierbar:

m y''[t] + c y'[t] + k y[t] = Qquer[t] H (Q y,tur[t] + Q wirbel[t] + Q aerodyn[t]) H

21.9.26 Die meisten Fragezeichen bei den KÁRMÁNschen Querschwingungen bezogen auf baulicheAnlagen im Wind bestehen hinsichtlich der Verteilung der Erregerfrequenzen und der Erregungskräfte.Letztere sind im entscheidenden Maße von der Strömungsenergiedichte (Staudruck) 0,5 ρ vchar

2

abhängig, weshalb alle weiteren Einflussfaktoren vorerst in einen verallgemeinerten orts- und zeitab-hängigen aerodynamischen Kraftbeiwert c f(x, y, z, t) gepackt werden, der je nach Fragestellungaufgesplittet bzw. stark vereinfacht werden kann, um die drei Komponenten, Turbulenz, Wirbelbildungund aerodynamische Dämpfung zu bedienen. Wir schreiben:

Qquer[z.t] cf[x, y, z, t] d[z]1

2ρ vchar[z]2

mit der Dimension N

m ≏ [-] [m]

kg

m3

m2

s2

m

m

baudyn_21_9_wind_querschwingungen.nb 7

Page 8: KÁRMÁNsche Querschwingungen

wobei

d(z) - Durchmesser des Zylinders [m],c f(x, y, z, t) - dimensionsloser orts- und zeitabhängiger, aerodynamischer Kraftbeiwert,ρ - Dichte des strömenden Mediums [kg/m³ ],vx(z) ≏ vchar(z) - mittlere (charakteristische) Windgeschwindigkeit [m/s].

21.9.27 Bei Baustrukturen hängt der verallgemeinerte Kraftbeiwert c f(x, y, z, t) von vielen Parameternab, zwischen denen eine sehr komplexe Abhängigkeitsstruktur besteht [117]:

- Verteilung der Geschwindigkeit vchar über die Höhe z; man vergleiche hierzu die Aussagen zum Windprofil des Abschnittes 21.6- Anströmrichtung sowie deren zugehörige Turbulenzintensitäten (siehe auch Absatz 21.9.28)- Querschnittsform, REYNOLDSzahl, STROUHALzahl, Oberflächenrauigkeit- Schwingungsformen; sie beeinflussen die generalisierten Erregerkräfte sowie die Korrelationslängen (siehe Absatz 21.9.31 bzw. [117][126])- Verhältnis Schwingweg zur charakteristischen Querschnittsbreite; es existiert eine fundamentale Rückkopplung zwischen Querschwingung und Wirbelablösung hinsichtlich deren Erzeugung überhaupt, aber auch bezüglich ihrer Intensität und Stabilität - Einfluss der Randbedingungen (Lagerausbildung, Anschlüsse, Querschnittssprünge u. v. a. m.).

21.9.28 In [95] wird bezüglich der beiden in den Absätzen 21.9.22 und 21.9.23 beschriebenenSzenarien ein modifizierter, allein auf den Anteil Q wirbel(z, t) bezogener Kraftbeiwert c f,w(z, t) einge-führt, den man als Zufallsprozess mit dem Erwartungswert null betrachtet (s. a. die versteckte Zelleunten). Für seine Standardabweichungen werden Werte im Bereich svc f, w ∼ 0,05 ... 0,16 ausgewiesen,wobei der hohe Wert im Kontext zur Auswertung von Messungen steht, die bei zwei benachbarten 130m hohen Essen vorgenommen worden waren (siehe Absatz 21.9.23). Hierbei wurde auch eine starkeAbhängigkeit von der Turbulenzintensität INTx(z) (siehe Absatz 21.6.6) festgestellt.

☺ Versteckte Zelle zum modifizierten Kraftbeiwert c f, w aus [95, S. 113 ff.].

21.9.29 Wie bereits des Öfteren erwähnt, existieren beim KÁRMÁNschen QuerschwingungsphänomenRückkopplungseffekte zwischen den verursachenden Strömungsmechanismen und den Störkörperbewe-gungen. Obzwar diese Rückkopplungen mathematisch sehr schwierig abzuschätzen und zu beurteilensind, dürfen sie jedoch nicht außer Acht gelassen werden.

21.9.30 Eines der nichtlinearen Teilprobleme dieser Rückkopplungserscheinungen stellt der Lock-in-Effekt dar, den wir in ähnlicher Form bereits bei Brückenschwingungen infolge Fußgängerlasten kennen-gelernt haben (siehe Absätze 20.8.3 ff und 20.8.8 ff. bzw. [91]). Unter bestimmten Randbedingungenkommt es zu einer Synchronisation der dominanten Wirbelablösefrequenz (Druck-schwankungsfre-quenz) mit der Eigenfrequenz des Baukörpers (siehe auch den im Absatz 21.9.5 beschriebenenWirbelablösemechanismus).

21.9.31 Ein weiteres Teilproblem betrifft die Korrelationslänge, sprich die Frage nach der erforderlichenEinflusslänge, die für die Querwindlasten längs einer Baustruktur angesetzt werden muss, um diemaßgebenden Beanspruchungen berechnen zu können. Beobachtungen zeigten eine eindeutigeAbhängigkeit zwischen Bauteilbewegung und Korrelationslänge. Mit zunehmender Querbewegungwächst auch der notwendige Einflussbereich. Den Lock-in-Effekt und die Korrelationslänge muss manmiteinander verknüpfen. Als ein geeignetes Hilfsmittel könnte sich die Anwendung dynamischer Ein-

8 baudyn_21_9_wind_querschwingungen.nb

Page 9: KÁRMÁNsche Querschwingungen

flusslinien erweisen (siehe [23]).

21.9.32 Für die bewegungsinduzierte Last Qaerodyn (z, t) der Gleichung (21.9.21) findet man in [95] dieinteressante Beziehung:

Q aerodyn[z, t] = - cträg[z, t] y''[z, t] - cdäm[z, t] y'[z, t]

21.9.33 Der erste Term ist der Beschleunigung des Störkörpers proportional und repräsentiert dieTrägheit des vom Baukörper verdrängten Mediums (vgl. Absatz 21.7.11.6 f.). Der zweite hat die mecha-nische Bedeutung einer Dämpfung, die der Geschwindigkeit proportional ist (vgl. u. a. die Absätze21.7.14 und 21.8.4 f.).

21.9.34 Im Anwendungsfall einer in Luft bewegten Baustruktur ist der Trägheitsanteil wegen des in derRegel geringen Masseverhältnisses von Luft zum Baukörper vernachlässigbar. Der aerodynamischeDämpfungsanteil hingegen, den RUSCHEWEYH [117] als aerodynamische Massendämpfung bezeich-net, spielt in der Aerodynamik eine wichtige Rolle. So reduziert ein negativer aerodynamischer Dämp-fungsbeiwert cdäm die effektive Bauwerksdämpfung. Es kommt folglich zu einer zusätzlichen aerody-namischen Anregung statt Dämpfung.

21.9.35 Der obige lineare Ansatz der aerodynamischen Dämpfung ist für kleine Querbewegungen, d. h.10-20% der charakteristischen Länge (Breite) hinreichend. Für Systeme mit größeren Verschiebungensind in der Literatur nichtlineare Dämpfungsansätze vorgeschlagen worden [95]. Wir erhalten mit denbeiden modifizierten Dämpfungsbeiwerten c1däm(z, t) und c3däm(z, t) und unter Wegfall des Trägheit-santeils:

Q aerodyn[z, t] ≈ -c1däm[z, t] y'[z, t] - c3däm[z, t] (y'[z, t])3

21.9.36 Der kubische Term dient der Selbstbegrenzung des schwingenden Systems im Falle negativerDämpfungen (siehe auch Absatz 21.9.42). Die negative Dämpfung erklärt man sich als selbstinduzierteKräfte. Sie repräsentiert die stete Energieentnahme aus einem nicht versiegenden Strömungsumfeld,welches die ureigentliche Quelle der Querschwingungen darstellt. Wie aber dieser Energieentzugphysikalisch konkret abläuft, ist bisher noch nicht eindeutig geklärt. Die aerodynamischen Dämpfungsbei-werte basieren weitgehend auf der Interpretation empirischer Daten.

21.9.37 In einem vereinfachten Berechnungsmodell bedienen wir uns des Einmassenschwingers ausdem Bild 21.9.24, womit die Ortsabhängigkeit apriori eliminiert ist. Bleiben die Querturbulenzanteileund die Trägheitswirkungen der Luft, wie oben bereits erwähnt, vernachlässigt, erhält man für dieGleichung (21.9.25) den unten angeführten Ausdruck:

baudyn_21_9_wind_querschwingungen.nb 9

Page 10: KÁRMÁNsche Querschwingungen

m y''[t] + c y'[t] + k y[t] = Qquer[t] H = (Q y,tur[t] + Q wirbel[t] + Q aerodyn[t]) H

mit

Q y,tur[t] ≡ 0

Q wirbel[t] = cf,w[t] d1

2ρ vchar2 siehe Absatz 21 _ 6 _ 26 und 21 _ 6 _ 28

cf,w[t] = cfw Sin[2 π ferr t] wobei nach Absatz 21 _ 9 _ 13 ferr =St vchar

dQ aerodyn[t] = - c1däm y'[t] + c3däm (y'[t])3

k

m:= ω12 und

c

m:= 2 ωb1 (siehe Absatz 7 _ 4)

folgt

y''[t] + 2 ωb1 y'[t] + ω12 y[t] =

H

mcfw Sin2 π

St vchar

dt d

1

2ρ vchar2 - c1däm y'[t] + c3däm (y'[t])3

21.9.38 Die Lösung der obigen Differenzialgleichung erfolgt in Analogie zu der bereits im Abschnitt 7bzw. 8 verwendeten fraktalen Methode. Als Basismodell wird ein Zylinderrohr gewählt, das sich ineinem quasi-stationären Luftstrom befinde. Seine Parameter lauten d = 2 m, H = 1 m und m = 516 kg.Zum Zeitpunkt t = 0 ≏ t0 = (n=0) · Δt ist der Einmassenschwinger in Ruhe. Für den Initiator nutzen wirdie Erkenntnis aus dem Absatz 20.5.7 und beginnen mit einer sehr, sehr kleinen Zahl x1 ≪ 1.

21.9.39 Um die Ergebnisse besser einordnen und mit der Literatur vergleichen zu können, führen wir andieser Stelle die SCRUTONZAHL Sc (Massendämpfungsparameter [126]) sowie die dimensions-losereduzierte Geschwindigkeit vred ein. Die Definition dieser beiden Kennparameter lautet:

Sc =2 M Λ

ρ d2

vred =vchar

f0 d↔ St =

ferr d

vchar⟹ ferr = St f0 vred für St ∼ 0.2 und vred ∼ 5.5 ... 6.5

⟹ ferr = 1.1 ... 1.3 f0 bzw. f0 = 0.91 ... 0.77 ferr

mit

d - Durchmesser des Zylinders [m],ρ - Dichte des strömenden Mediums [kg/m³],Λ - logarithmische Dämpfungsdekrement (siehe Absatz 2.2.3)M - reduzierte Masse je Längeneinheit [kg/m] (hier gilt M ≏ m

H)

vchar - mittlere Windgeschwindigkeit [m/s]St - STROUHALzahl (siehe Absatz 21.9.13)f0 - natürliche Eigenfrequenz in [Hz] (hier gilt f0 ≏ f1)

10 baudyn_21_9_wind_querschwingungen.nb

Page 11: KÁRMÁNsche Querschwingungen

0 0 ≏ 1

21.9.40 Sowohl zu den wirbeleregten als auch den selbstinduzierten Querschwingungen, wie Flatternund Galloping existiert eine sehr umfangreiche Spezialliteratur, doch eine schlüssige, allgemeingültigeIngenieurtheorie konnte nach meiner Erkenntnis bisher noch nicht gefunden werden. Das Hauptproblemstellt die Frage nach der physikalischen Beschreibung der selbstinduzierten Querkräfte (“negative”Dämpfung) und der Selbstanpassung der Wirbelfrequenzen (Lock-in-Effekt) an die Schwingungsfre-quenz des Störkörpers dar.

Anmerkung: Im Kontext mit den weiter unten angestellten Überlegungen zum eigenem Berech-nungsmodell stellt sich die Frage, ob “negative” Dämpfung und Lock-in-Effekt schlussendlich wo-möglich nicht dasselbe Phänomen erfassen, falls man den Lock-in-Effekt nicht allein als Synchronisa-tion der Frequenzen ansieht, sondern ihn dahingehend erweitert, dass es infolge dieser Synchronisa-tion in einer bewegten Luftsäule auch zu einer effektiven Vergrößerung der Erregerkräfte kommenkönnte.

21.9.41 Um den Lock-in-Effekt zu umgehen, scheint es am einfachsten, Vorhersagemodelle zu gener-ieren, bei denen eine Übereinstimmung der Eigen- mit der Erregerfrequenz von vornherein hergestelltwird. Da im diesbezüglich folgenden, fiktiven Beispiel eine relativ kleine Windgeschwindigkeit vorliegt, istfür den Kraftkoeffizienten in Anlehnung an [126, S. 87] ein Wert von c f,w = 0,7 in Ansatz gebrachtworden, der übrigens ein Maximum im Gesamtspektrum der Werte darstellt, die in der uns zur Verfü-gung stehenden Literatur aufzufinden waren.

Anmerkung: Zwecks einer besseren Beurteilung der Wegamplituden wird bei den Eingangsparame-tern neben der quasistatischen Verschiebung infolge der Querkraftamplitude 0,5 c f, w H d ρ vchar

2 (KÁRMÁNkraft) zusätzlich die zugehörige quasistatische Verformung bei einer maximalenWindgeschwindigkeit von max vchar = 35,1 m/s (siehe Tabelle 21.4.13) ausgewiesen. Beide Wertehaben die Dimension [m]. Die maximale dynamische Durchbiegung im linearen, stationären Resonanz-zustand ohne Berücksichtigung einer nichtlinearen aerodynamischen Dämpfung betrüge übrigens0,697 m.

d = 2, H = 1, m = 516, ρ = 1.2919, ν = 1.345 × 10-5, η = ν ρ;

vchar = 5, Δt = .005, ω1 = 2 π × 0.5, Λ = .02, St = .2, cfw = .7, ωb1 = Λω1

2 π;

c1däm = -1.05 2 ωb1m

H, c3däm = -2 2 ωb1

m

H;

erg = Solvexn+1 - 2 xn + xn-1

Δt2+ 2 ωb1

(xn+1 - xn-1)

2 Δt+ ω12 xn

H

mcfw Sin2 π

St vchar

dn Δt d

1

2ρ vchar2

-c1däm(xn+1 - xn-1)

2 Δt+c3däm

(xn+1 - xn-1)

2 Δt

3, xn+1;

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Page 12: KÁRMÁNsche Querschwingungen

x0 = 0; x1 = 10-15; v0 = 0; a0 = 0;

maxn = 4 × 104; Table[tn = n Δt, {n, 0, maxn}];

Dox1+n = erg[[3, 1, 2]], vn = (xn+1 - xn-1) 2 Δt,

an = xn+1 - 2 xn + xn-1 Δt2, {n, 1, maxn}

weg = Table[{tn, xn}, {n, 0, maxn, 5}];

geschw = Table[{tn, vn}, {n, 0, maxn, 5}];

Eigenfrequenz [Hz]: 0.5

Erregerfrequenz [Hz]: 0.5

Reduzierte Geschwindigkeit vred[-]: 5.

SCRUTONzahl Sc[-]: 3.99412

REYNOLDSzahl Rezahl[-]: 743494.

Struktur-Dämpfungsgrad β = ωb1ω1

[-]: 0.0031831

Amplitude der KÁRMÁNkraft [N]: 22.6082

Zugehörige quasi-statische Wegamplitude [m]: 0.00443933

Zugehöriger stationärer DMF [-]: 157.08

Zugehörige maximale dynamische Wegamplitude [m]: 0.697328

Effektivwert der Verschiebung [-]: 0.227457

Maximalwert der Verschiebung [-]: 0.364267

Maximale quasi-statische

Wegamplitude [m] bei max. vchar:

0.312531

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Page 13: KÁRMÁNsche Querschwingungen

☺ Versteckte Zelle zum Beiwert c1däm, der Ka aus [78, S. 637 ff.] gleichgesetzt wird.

21.9.42 Weitgehend offen sind die realen Größen der beiden modifizierten Dämpfungsbeiwertec1däm(z, t) und c3däm(z, t). Um sie zu bestimmen, bedarf es der Durchführung von In-situ-Messungen.Die Annahme negativer aerodynamischer Dämpfungen (selbstinduzierter Querkräfte) ist an bestimmteströmungsmechanische Konfigurationen gebunden. Sind sie betragsmäßig größer als die positivenStrukturdämpfungen, dann kommt es zu instabilen, quasi unbegrenzten Schwingungsausschlägen.Deshalb wurde in der obigen fiktiven Beispielberechnung, die eine negative aerodynamische Dämpfungenthält, als stabilisierendes Element das kubische Korrekturglied mit c3däm(z, t) aktiviert, da auch in derRealität sich selbstbegrenzende Schwingungseffekte auftreten [95].

21.9.43 Die Analyse der nichtlinearen Dämpfungskräfte, die die bewegungsinduzierten Kräfte desquerschwingenden Störkörpers erfassen sollen, nahmen eine Schlüsselstellung in der von VICKERYund BASU [127] entwickelten semi-empirischen stochastischen Methode ein, mit der es gelang, einebessere Beurteilung der Schwingungen hoher schlanker Baustrukturen vorzunehmen. Neben denselbstinduzierten Einwirkungen stellen die klassischen wirbelinduzierten Querkräfte und die aus derWindlängsrichtung resultierenden, quergerichteten Turbulenzen (siehe Absätze 21.9.6 bis 8) zweiweitere Hauptquellen der Querschwingungen in ihrem Berechnungsmodell dar.

21.9.44 Mit dem Begriff der negativen aerodynamischen Dämpfung hatte und habe ich gewisseSchwierigkeiten. In meinem Verständnis geht die Dämpfung bezogen auf einen bestimmtes schwingen-des Objekt stets mit einem Energieverlust infolge Energieumwandlung einher. Sie hat somit eineVerkleinerung der betreffenden Schwingungsamplitude zur Folge.

21.9.45 Die Problematik der KÁRMÁNschen Querkräfte ist für mich einer der Präzedenzfälle physika-lischer Erscheinungen bei dem das zielorientierte Ingenieurdenken sich an der Komplexität der natür-lichen Prozesse offensichtlich die Zähne ausbeißt. Kennzeichen der Entstehung KÁRMÁNscher Wirbel-straßen sind deren Vielfalt, Nicht-Vorhersagbarkeit und Instabilität. Das Auftreten von Wirbeln anStörkörpern selbst, aber auch ihre Wirkungen auf nichtlineare dynamische System tragen in sich die

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Page 14: KÁRMÁNsche Querschwingungen

Tendenz zum Chaos [59]. Die Vielfalt der Wirkmechanismen in komplexen Systemen erfordert eineVielfalt an Berechnungsmodellen. Eine komplexe Verhaltensstruktur allein mit einem Modell erfassen zuwollen, ist ein gewagtes Unterfangen.

21.9.46 Bei der Suche nach einer Zauberformel zur Vorhersage extremer Beanspruchungen sind dieWindingenieure in ein ziemlich unübersichtliches Minenfeld geraten. Das Eintreten des Resonanzfallesω 1 ≡ ω s hat eine Auftrittswahrscheinlichkeit mit dem Wert Null. Legte man diesen Zustand dennoch zurAbschätzung zugrunde, wie es im Absatz 21.9.41 geschehen ist, dann wären bei sehr kleinen Struktur-dämpfungen unrealistisch hohe dynamische Vergrößerungen zu erwarten (siehe die DMF-Werte desAbsatzes 7.34). Das Ausnutzen der in der Natur vorhandenen Breitbandigkeit der Erregerfrequenzenmittels der Methoden der statistischen Dynamik (siehe Abschnitt 21.6 und 21.8) hat zwar erfolgreichequalitative Lösungsstrategien zu Tage gefördert, doch die bei Messungen und Versuchen nachgewiese-nen nichtlinearen Lock-in-Effekte, gepaart mit den Amplitudenvergrößerungen infolge selbstinduzierterErregerkräfte, stellten den stochastischen Ansatz quantitativ gesehen wieder in Frage. Hieraufreagierend haben VICKERY und BASU [127] versucht, eine Antwort zu geben, wobei sie aber demAnsatz der aerodynamischen Dämpfung die Treue hielten.

21.9.47 Um der Notwendigkeit zu entgehen, eine negative Dämpfung einführen zu müssen, wurde vonmir alternative Gedankenmodelle ausprobiert, bei denen ich zunächst auf die zur Zeit übliche stochastis-che Modellbildung zugunsten einer iterativen nichtlinearen Analyse verzichtete. Entscheidend für denLock-in-Effekt sind meines Erachtens die in der Realität stets auftretenden Geschwindigkeitsdifferenzen,die u. a. auch infolge der Störkörperbewegungen geweckt werden und eine nichtlineare Veränderungder Erregerfrequenzen zur Folge haben. Außerdem erzeugen die Querschwingungen des Störkörpersbei niedrigen SCRUTONzahlen weitere signifikante Erregerkräfte, die in der Realität von den Querturbu-lenzen noch zusätzlich überprägt werden können. Mit meinem Modell konnte ich bei Werten von Sc <1,1 ohne jegliche Manipulation und ohne auf das Konstrukt der negativen Dämpfung zurückgreifen zumüssen, zum Kollaps führende Wegamplituden erzeugen.

☺ Versteckte Zelle enthält die gedanklichen sowie mathematisch-physikalischen Hintergründe dergewählten hypothetischen Vorgehensweise.

21.9.48 Anhand einer Parameteruntersuchung ist die aus der Literatur bekannte Tatsache, dass beiniedrigen SCRUTONzahlen Sc < 10 und bei reduzierten Geschwindigkeiten im Intervall 5,5 < vred <6,5 die größten Schwingwegamplituden zu erwarten sind, tendenziell bestätigt worden. Dies betrifftauch die in [127] ausgewiesenen Größenordnungen der ermittelten Schwingwege. Bei den Simulationenzeigte sich, dass offensichtlich mehrere stationäre Zustände existieren, was auf die Existenz von Bifurka-tionen im nichtlinearen System hindeutet. Der Einfluss von Windturbulenzen in Querrichtung wurdevorerst nicht eingebunden. Er würde zu tendenziell größeren Werten führen, aber vermutlich nichtsWesentliches an den qualitativen Aussagen verändern, sofern in der Natur keine Rückkopplungseffekteinfolge des schwingenden Hindernisses existieren. Dies bedarf noch einer intensiven Prüfung. Alseffektiver Kraftbeiwert ist in Anlehnung an [127] c f,w ∼ 0,43 gewählt worden. Die Zeitdauer dersimulierten Einschwingprozesse betrug jeweils T = 3000 s. Für die im Bild 21.9.49 ausgewiesenenWerte lautete die reduzierte Geschwindigkeit vred ≈ 5,5. Das folgende Beispiel verdeutlicht denVerlauf eines typischen instationären Einschwingvorganges bei einer relativ kleinen SCRUTONzahl (Sc≈ 4).

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Page 15: KÁRMÁNsche Querschwingungen

Anmerkung: In der versteckten Zelle nach den Eingabeparametern ist eine impulsförmige Störerre-gung aufbereitet, die als fiktiver Auslösungsmechanismus eines Lock-in-Effektes gedacht war, aber inden durchgeführten Berechnungen noch keine Anwendung gefunden hat.

maxn = 6 × 105, vchar = 5, Δt = .005, ω1 = 2 π .5 × 0.91, d = 2, H = 1, m = 516,

Λ = .02, ωb1 = Λω1

2 π, ρ = 1.2919, ν = 1.345 × 10-5, η = ν ρ, St = .2;

Eigenfrequenz [Hz]: 0.455

Erregerfrequenz [Hz]: 0.5

Reduzierte Geschwindigkeit vred[-]: 5.49451

SCRUTONzahl Sc[-]: 3.99412

REYNOLDSzahl Rezahl[-]: 743494.

Struktur-Dämpfungsgrad β = ωb1ω1

[-]: 0.0031831

Amplitude der KÁRMÁNkraft [N]: 13.8879

Zugehörige quasi-statische Wegamplitude [m]: 0.0032931

Zugehöriger stationärer DMF [-]: 157.08

Zugehörige maximale dynamische Wegamplitude [m]: 0.517279

Gewähltes Zeitfenster in [s]:

tstart = 50; tende = 2950;

Effektivwert der bezogenen Verschiebung [-]: 0.0365753

Maximalwert der bezogenen Verschiebung [-]: 0.0661485

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Page 16: KÁRMÁNsche Querschwingungen

☺ Versteckte Zelle zur Dokumentation der Parameteruntersuchung.

21.9.49 In der mit dem Bild 21.9.49 dokumentierten Analyse sind sowohl die Effektivwerte als auchdie Maximalwerte der Durchbiegungen zu jeweils einer bestimmten Simulation berechnet worden.Zum Zwecke eines Vergleichs wurden blau die empfohlenen Bemessungswerte y max

d nach DIN 4133

(1991) [126] hinzugefügt, wie sie sich für die Parameter des im Absatz 21.9.48 untersuchten fiktivenMusterbeispiels ergaben.

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Page 17: KÁRMÁNsche Querschwingungen

Bild 21.9.49: Maximalwerte (schwarz) und Effektivwerte (rot) ausgewählter instationärer Schwingungsprozesse in Abhängigkeit von der SCRUTONzahl (blaue Vergleichswerte gemäß [126])

21.9.50 Die von VICKERY und BASU [127] stammende, häufig zitierte Darstellung der Abhängigkeitder auf den Kreiszylinderdurchmesser d bezogenen Querschwingwege in Abhängigkeit von der SCRU-TONzahl (Bild 21.9.50) stellen die Effektivwerte (RMS-Werte, siehe hierzu auch Absatz 18.2.8)) einerMessung dar. Diese Abbildung aus [127] nutzend sprechen HOLMES [128] aber auch BACHMANN et.al. [80] hingegen von Spitzenwerten, was aber offensichtlich nicht richtig ist.

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Page 18: KÁRMÁNsche Querschwingungen

2 5 10 200,001

0,01

0,10

Übe

rgan

gsbe

reic

h

Bereich der

Lock-in-Effekte

keine

Lock-in-Effekte

Sc

yeffd( )

[ ]_

[ ]_

Bild 21.9.50: Bezogene effektive Schwingwege in Abhängigkeit von der SCRUTONzahl gemäß [127] bzw. [128]

21.9.51 Der Vergleich der beiden Grafiken zeigt tendenziell eine gute Übereinstimmung, über die essich lohnte zu diskutieren, da erstere ohne das fragwürdige Konstrukt einer negativen aerodynamischenDämpfung erzeugt worden ist. Der im Bild 21.9.50 erkennbare rasante Abfall im Bereich der SCRU-TONzahlen zwischen Sc ∼ 5 und Sc ∼ 10 konnte anhand meiner theoretisch simulierten instationärenEinschwingprozesse nicht bestätigt werden. Analysiert man hierzu aber die Arbeit [127] etwasgründlicher, wird erkennbar, dass dieser Übergangsbereich einen breiten Wertekorridor besitzt. Sobewegen sich die y eff

d-Werte der in [127] simulierten stationären Prozesse z. B. bei Sc ∼ 5 in

Abhängigkeit von der Turbulenzintensität zwischen ∼ 0,15 und ∼ 0,015 (siehe [127, Part I, Fig. 11]).

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