Krisenintervention
schriftliche Ausführung des Referats in der Projektlehrveranstaltung
Krisenintervention und Suizidprävention
Prof. Dr. Rektor Dieter Wittmann
Dipl.- Sozialarbeiterin, Dipl.-Pädagogin Barbara Weiler
vorgelegt von
Thomas M. Thoß
Matrikelnr.:22000.4217
5. Semester Sozialpädagogik
Tania Prange
Matrikelnr.:22000.4372
5. Semester Sozialpädagogik
Oktober 2002
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 2
1. EINLEITUNG..................................................................................................... 3
2. BEGRIFFSDEFINITION „KRISENINTERVENTION“........................................ 3
2.1. Der Begriff der Krise im Bereich der Psychologie .................................................................. 4
2.2. Unterschiedliche Krisenmodelle............................................................................................... 8 2.2.1. Das funktionale Krisenmodell nach G. Caplan...................................................................... 9 2.2.2. Das Krisenmodell von E. Lindemann .................................................................................. 10 2.2.3. Lebenszyklus und Krise nach Erikson................................................................................. 12 2.2.4. Krisenintervention und Krisentherapie ................................................................................ 13
3. THEORETISCHES UND HISTORISCHES FUNDAMENT SOZIALPÄDAGOGISCHER KRISENINTERVENTION NACH GOLAN .................. 15
3.1. Der funktionelle Ansatz............................................................................................................ 15
3.2. Der diagnostische Ansatz........................................................................................................ 17
3.3. Der problemlösende Ansatz .................................................................................................... 19
3.4. Der krisenorientierte Ansatz.................................................................................................... 21
4. THERAPEUTISCHES KONZEPT DER KRISENINTERVENTION NACH SONNECK UND ETZERSDORFER......................................................................... 23
4.1. Zielsetzung ................................................................................................................................ 23
4.2. Therapiekonzept ....................................................................................................................... 24
5. KRISENINTERVENTION NACH VERENA KAST........................................... 27
5.1. Ziele der Krisenintervention .................................................................................................... 28
5.2. Die Krise als schöpferischer Prozess .................................................................................... 31
6. BEARBEITUNGSTYPEN IN DER KRISENINTERVENTION NACH SCHÜRMANN .......................................................................................................... 34
6.1. Bearbeitung einer ablehnenden Haltung ............................................................................... 34
6.2. Verstehen der Gründe einer suizidalen Handlung ................................................................ 35
6.3. Bearbeitung einer Gefährdung................................................................................................ 37
6.4. Bearbeitung eines Problems ................................................................................................... 38
6.5. Bearbeitung eines Auftrages................................................................................................... 40
LITERATURVERZEICHNIS ..................................................................................... 43
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 3
1. Einleitung [Tania Prange, Thomas Thoß]
Da wir uns als Referatsthema das Gebiet der Krisenintervention ausgesucht haben,
erscheint es uns sinnvoll, zunächst die beiden Begriffe Krise und Intervention zu
definieren.
Anschließend soll der Begriff der Krise im Fachbereich der Psychologie näher
beleuchtet werden, in diesem Zusammenhang werden auch drei unterschiedliche
Krisenmodelle detaillierter vorgestellt.
Hier haben wir an geeigneter Stelle die theoretischen Hintergründe mit Erfahrungen
aus der Praxis in Verbindung gebracht, die wir im Rahmen unseres
Fachhochschulpraktikums gemacht haben.
Des Weiteren möchten wir den Begriff der Krisenintervention von dem Begriff der
Krisentherapie abgrenzen.
Im Anschluss hieran werden wir einen Blick auf die Entstehung verschiedener
Modelle der Krisenintervention seit den 1940er Jahre werfen, um dann den Fokus
auf aktuelle Therapieformen der Krisenintervention zu richten, etwa auf die Modelle
von Sonneck und Etzersdorfer und Verena Kast. Abschließend sollen Problemlagen
der Interventionsarbeit und deren Lösungsmöglichkeiten auf Basis der Ergebnisse
eines Workshops von Schürmann aufgezeigt werden.
2. Begriffsdefinition „Krisenintervention“ [Tania Prange]
Der Begriff der Krise lässt sich aus dem griechischen Wort krisis ableiten, was so viel
wie Entscheidung bedeutet1. Im ursprünglichen Sinne war hiermit die entscheidende
Wendung einer Krankheit gemeint.
Anfang des 16. Jahrhunderts fand der Begriff Eingang in die medizinische
Fachsprache. Mit Beginn der Aufklärung erlebte der Begriff der Krise eine
metaphorische Übertragung in mehr oder weniger alle Bereiche des menschlichen
1 Habermeyer, 2001, 06.09.2002
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 4
Lebens, so sind uns z.B. auch die Begriffe der Wirtschafts-, der Identitätskrise oder
der Staatskrise geläufig.
Im Allgemeinen kann man sagen, dass die Krise als Höhepunkt einer
problematischen Entwicklung gesehen werden kann. In allen Bereichen stellt die
Krise eine aufgezwungene Herausforderung und keine gewollte oder forcierte
Entwicklung dar.
Weitere wichtige Merkmale der Krise sind, dass sie sich mit herkömmlichen Mitteln
nicht bewältigen lässt und einen negativen aber auch einen positiven Ausgang haben
kann.
Der Begriff Intervention lässt sich aus dem lateinischen Verb intervenire ableiten;
dies bedeutet dazwischentreten. Damit ist es gelungen, einen recht einprägsamen
Begriff für den Arbeitsbereich der Krisenintervention zu schaffen.
2.1. Der Begriff der Krise im Bereich der Psychologie [Tania Prange]
Im Folgenden soll der Begriff der Krise näher beleuchtet werden, da er in der
psychologischen und psychiatrischen Fachliteratur zum Teil sehr unterschiedlich
verwendet wird, je nach theoretischem Hintergrund und praktischer Erfahrung des
Autors2.
Die meisten Autoren betrachten die Krise vorwiegend unter dem Blickwinkel von
Bedrohung, Ausnahmesituation und Hilflosigkeit.
Krise bezeichnet auch in Psychologie einen Prozess, in dem sich bisher etablierte
Handlungsstrategien, Bewältigungsmuster und Abwehrmaßnahmen, als zunehmend
unzulänglich erweisen. Dieser Prozess kann sich immer mehr zuspitzen und
schließlich einen Höhepunkt finden.
Individuen können mit sich alleine in eine Krise geraten3. Dies passiert z.B. wenn
man lange und hart für eine Beförderung gearbeitet hat, dann jedoch unerwartet ein
Kollege vorgezogen wird.
2 Schnell und Wetzel, 1999, S.371 3 ebd., S.372
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Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 5
Der Mensch kann freilich auch mit seiner Familie und/oder seiner näheren
Umgebung in eine Krise geraten. Hierfür wäre Arbeitslosigkeit ein Beispiel: Die
Familie und die peergroup des Betroffenen lassen sich von dieser Krise nicht
ausschließen, da viele Lebensbereiche aufgrund einer schlechten finanziellen Lage
neu definiert werden müssen.
Ebenso kann eine bestimmte Bevölkerungsschicht eine Krise erleben. Dies wäre z.B.
der Fall, wenn die Sozialhilfe ersatzlos gestrichen werden würde.
In extremen Lebenssituationen ist es auch möglich, dass die gesamte Gesellschaft in
eine Krise gerät. Diese Bedingungen findet man etwa in Kriegsgebieten.
Schnell & Wetzel verweisen darauf, dass jede Krise ein Lebensabschnitt ist, in dem
die bisherige Identität verloren gehen kann. Gleichzeitig kann man jedoch längst
verloren Geglaubtes wieder finden und Neues entdecken.
So liest man z.B. in Berichten und Analysen, die sich mit den Anschlägen des 11.
September befassen, dass viele Menschen pessimistisch und ängstlich der Zukunft
entgegen sehen. Sie fühlen sich bedroht; die Weltwirtschaft hat ebenfalls unter den
Anschlägen gelitten, dies wirkt sich für manchen im finanziellen Bereich negativ aus.
Zugleich berichten diese Menschen jedoch, dass ihnen nichtmaterielle Werte wie
Freunde und Familie plötzlich wieder wichtiger geworden sind, da sie sich von ihnen
Beistand und Nähe erhoffen.
In Krisen liegen sowohl die Gefahr des Untergangs, als auch die Chance der Reifung
und Neugestaltung des Lebens4.
Sie sind eine Veränderung, die weder vom einzelnen direkt gewollt wird, noch
selbstbestimmt durchlebt werden kann.
Eine Krise ist stets mit heftigen Emotionen verbunden5. Schließlich konfrontiert die
Krise das Individuum mit einer Realität, die es lieber nicht wahr haben möchte, weil
eben diese Realität traurig, schmerzlich, unter Umständen sogar entsetzlich ist und
die Lebensplanung des Betroffenen in Frage stellt.
Symptome und Emotionen einer Krise sind vielfältig, individuell sehr verschieden und
können einen unterschiedlich ausgeprägten Schweregrad aufweisen. Anhaltspunkte
für eine Krise können folgende Merkmale sein:
4 Schnell und Wetzel, 1999, S.372
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Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 6
• erhöhte Spannung, Aufregung und Nervosität
• Unsicherheit, Ängstlichkeit
• Irritation, Aggressivität
• Depression
• Verwirrtheit, unangemessenes Verhalten
• In schweren Fällen: Ablösung von der Realität, Gefühle der Unwirklichkeit,
Wahn und
• Verfolgungsideen, Halluzinationen6
Auch Schnell & Wetzel verweisen darauf, dass es in Verbindung mit Krisen zum
Ausbruch von psychischen Krankheiten kommen kann. Drogen- und
Alkoholmissbrauch, Gewaltausbrüche gegen andere, oder auch Suizidversuche
stellen verzweifelte Versuche dar, die Bedrohung, die von der Krise ausgeht, zu
kompensieren bzw. dem unerträglich gewordenen Zustand zu entgehen.
Krisen stellen neben einer psychischen auch einen physischen und sozialen
Ausnahmezustand dar. Physische Merkmale einer Krise können körperliche
Symptome verschiedenster Natur sein. So gibt es beispielsweise das Krankheitsbild
des Krisenulkus7.
Des Weiteren werden in krisenhaften Situationen vermehrt Stresshormone
freigesetzt. Stresshormone besitzen kurzfristig gesehen positive Wirkungen für den
menschlichen Organismus, werden sie jedoch längerfristig kontinuierlich
ausgeschüttet, kann es zu einer Vielzahl von körperlichen Beeinträchtigungen bis hin
zu pathologischen Veränderungen kommen8.
So wird die Entstehung von Arteriosklerose und Diabetes begünstigt, das
Immunsystem arbeitet nicht mehr einwandfrei, sogar die Gehirnfunktion wird
beeinträchtigt, da bestimmte Cytokine9 Nervenzellen zerstören und zudem erhöhte
Cortisolmengen10 die Funktion des Hippocampus11 hemmt.
5 ebd., S.373 6 medizininfo, 2002, S.1 7 Krisenulkus [entspr. Stressulkus]: 24 bis 48 Stunden nach Operationen, ausgedehnten Verbrennungen, beruflicher Anspannung etc. auftretende geschwürige Schleimhautveränderung des Magens evt. mit nachfolgender Blutung oder Perforation (vgl. Roche Lexikon Medizin, 1993, S.947) 8 Possemeyer, 2002, S.153 9 Cytokine = Zellprodukte, die physiologisch den Ablauf der Immunantwort regulieren (vgl. Duden Medizinische Fachausdrücke, 1992, S.766) 10 Cortisol = Hormon der Nebenniere, welches in Stresssituationen vermehrt freigesetzt wird (vgl. Duden Medizinische Fachausdrücke, 2992, S.401)
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 7
Im Zusammenhang mit dem pathologischen Potenzial von Krisen muss jedoch auch
festgestellt werden, dass die Krise an sich zunächst nichts Krankhaftes ist. Vielmehr
stellen Krisen ein normales Verhalten auf einen unnormalen Vorfall dar. Der
individuelle Umgang mit einer Krise kann sich jedoch verselbstständigen und
schließlich in einer pathologischen Verhaltensweise enden (z.B. Halluzinationen,
Suizidabsichten).
Ob es überhaupt zu einer Krise kommt, hängt zudem nach Schnell & Wetzel von
mehreren verschieden Faktoren ab12. Auch die Heftigkeit und Bedrohlichkeit einer
Krise können sich stark unterscheiden. Es ist wichtig zu sehen wie stabil eine Person
ist und in welchem Verhältnis der Krisenanlass zu dem persönlichen Wachstum und
Reifegrad des betroffenen Individuums steht.
Des Weiteren sollte beurteilt werden inwieweit eine Überforderung der vorhandenen
Bewältigungsstrategien eintreten könnte. Letztlich hängt die mehr oder weniger hohe
Belastungsbereitschaft eines Individuums in Krisensituationen auch von der Stabilität
des sozialen Umfeldes ab.
Reichen die individuellen Ressourcen eines Menschen zur Krisenbewältigung nicht
aus, kann es schließlich auch zu einer chronischen Verlauf der Krise kommen. Dies
passiert z.B. wenn die Angst des Betroffenen vor der Krise zu groß wird und die
depressiven Persönlichkeitsanteile oder aber auch die Bereitschaft zur
Selbstbestrafung des Individuums zu groß werden.
In psychischen Krisen können Strukturen, die das „Ich“ im Laufe seiner Entwicklung
gebildet hat, um sich zu schützen und selbst zu erhalten, instabil und schwach
werden13. Sie werden in Frage gestellt, denn sie erbringen ja nicht mehr den
gewünschten Effekt. Die Unsicherheit über das eigene Sein nimmt zu und
schützende Abwehrmechanismen gegen frühere, unbewältigte Konflikte werden
durchlässiger.
Schnell & Wetzel verweisen jedoch in diesem Zusammenhang auf die bereits
erwähnten positiven Chancen der Krise, die nun hier näher benannt werden sollen.
11 Hippocampus = Hirnabschnitt, besitzt eine zentrale Funktion innerhalb des limbischen Systems (vgl. Roche Lexikon Medizin, 1993, S.479) 12 ebd., S.373
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Ein positiver Aspekt von Krisen ist, dass wohlbekannte Verhaltensweisen, Ansichten
und Gewohnheiten, die zwar Sicherheit und Bequemlichkeit bieten, aber ebenso
einschränkend wirken können, während der Krise überdacht und nun anders
gewertet werden. Schließlich können sie ja den so dringend benötigten Schutz nicht
mehr gewähren14.
In diesem Moment besteht nicht nur die Möglichkeit die alten Gewohnheitsmuster in
Frage zu stellen und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu überprüfen. Vielmehr können
die altbekannten Handlungsweisen so verändert werden, dass sie mehr Flexibilität zu
lassen, oder aber es werden gänzlich neue Bewältigungsstrategien geschaffen.
Spätestens hier wird deutlich, dass Krisen neben ihrer bedrohlichen Funktion auch
ein enormes kreatives und schöpferisches Potential innehaben können.
So besteht beispielsweise die Möglichkeit den Konflikt zu bewältigen und auf einer
neuen erweiterten Entwicklungsstufe handlungsfähig zu werden.
Anthroposophisch orientierte Mediziner, die Krankheiten als Krisen betrachten,
machen z.B. die Aussage, dass Kinder oftmals nach einer überstandenen so
genannten Kinderkrankheit in ihrer seelischen Entwicklung erheblich gereift sind15.
2.2. Unterschiedliche Krisenmodelle [Tania Prange]
Im Folgenden sollen drei unterschiedliche Krisenmodelle vorgestellt werden. Die
Grundannahme über Krisen ähnelt sich bei allen Vertretern, nämlich die Krise als
13 ebd., S.373 14 Schnell und Wetzel, 1999, S.373 15 Stumpf, 1999, S.213
Bsp.01: Des Weiteren lernte ich während meines Fachhochschulpraktikums Frau S. kennen. Aus Frau S. Akte entnahm ich, dass sie mit einer schweren Hepatitis auf der Intensivstation des Krankenhauses lag, als ihre Betreuung vor dem Amtsgericht angeregt wurde. Frau S. hatte ein sehr massives Alkoholproblem, daher rührte auch ihre Hepatitis. Nach den damaligen Aussagen der Ärzte war es zu diesem Zeitpunkt um Frau S. schlecht bestellt, so wurde ihre Lebenserwartung auf einige wenige Wochen oder Monate festgelegt. Mittlerweile sind drei Jahre vergangen, Frau S. lebt und hat ihre persönliche Krise mit Erfolg überwunden. Sie ist wieder fähig mit ihrer Tochter zusammen zu leben, ihr die nötige Erziehung angedeihen zu lassen und sich mit der Unterstützung ihrer Betreuerin den Problemen des Alltags zu stellen. Als ihren größten Erfolg verbucht sie allerdings, dass sie seit nunmehr drei Jahren trockene Alkoholikerin ist.
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 9
Zeit der Veränderung zu sehen und das Wissen um die hohe Labilität in diesen
Lebensabschnitten.
Es wird jedoch auch deutlich, dass die jeweiligen Autoren z.T. unterschiedliche
Thesen über den Ablauf und die Häufigkeit von Krisen benennen, sie teilweise als
entwicklungsbedingte Notwendigkeit werten, ja sogar als normalen erforderlichen
Bestandteil des menschlichen Lebens ansehen.
Des Weiteren legen die Autoren in ihren Untersuchungen und Darstellungen auf
ganz verschiedene Details Wert, so dass es lehrreich ist alle drei Krisenmodelle
näher zu betrachten.
2.2.1. Das funktionale Krisenmodell nach G. Caplan [Tania Prange]
C. Caplan sieht Krisen als „[...] eine sich entwickelnde Folge gravierender interner
oder externer Veränderungen, die eine Anpassung der ganzen Person an die neue
Gegebenheit notwendig machen.“16
Interne Veränderungen können entwicklungsbedingt sein, aber auch durch eine
Krankheit oder ein Trauma hervorgerufen werden.
Externe Veränderungen hingegen sind z.B. der Verlust oder drohende Verlust eines
bedeutsamen oder geliebten Menschen, bspw. durch Trennung, Scheidung oder
Tod.
Nach Caplan verläuft die Krise in vier unterschiedlichen Phasen; dieses so genannte
funktionale Krisenmodell soll im folgenden kurz dargestellt werden:
• Phase 1: Anfänglich werden vom Individuum die üblichen Techniken des
Problemlösens herangezogen; diese bleiben jedoch wirkungslos. Als Folge
dessen steigert sich die Spannung beim Individuum.
• Phase 2: Der Mensch entdeckt, dass er das Problem nicht lösen kann, sein
Unbehagen wächst.
• Phase 3: Die anwachsende Spannung baut sich zu einem mächtigen inneren
Stimulus auf. Dadurch werden sowohl innere als auch äußere Ressourcen
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mobilisiert. Lösungen werden erprobt, die für Notsituationen zur Verfügung
stehen; das Problem wird gegebenenfalls neu definiert.
• Phase 4: Konnte das Problem bislang nicht gelöst werden, nehmen das
Unbehagen und die innere Spannung zu; es kann zu einer Desorganisation
der Person kommen.
Im Normalfall gelingt es dem Individuum nach einigen Tagen oder Wochen wieder,
das seelische Gleichgewicht zu erlangen und den Alltag in ehemals gewohnter
Weise adäquat zu gestalten.
Caplan erklärt, dass sich ein Mensch während einer Krise in einem sehr labilen
Zustand befindet, er hat in der Regel ein sehr viel größeres Bedürfnis nach Hilfe als
sonst und ist folglich auch viel leichter beeinflussbar. Dies erklärt z.B. auch warum
sich Menschen, die in Krisen geraten sind, einer Sekte zuwenden oder
empfänglicher für Drogenkonsum sind.
Die Hilfsbedürftigkeit und leicht Beeinflussbarkeit kann der helfende Mensch nach
Caplan jedoch auch positiv nutzen, denn gerade durch den labilen Zustand kann das
große Potential zwischenmenschlicher Hilfe in Krisen auf breiter Basis präventiv
wirksam werden17.
2.2.2. Das Krisenmodell von E. Lindemann [Tania Prange]
Lindemanns ursprünglicher Untersuchungsgegenstand war eigentlich die akute
Trauer. Der Psychologe betreute Überlebende und Hinterbliebene der Opfer einer
großen Brandkatastrophe in Boston im Jahr 1943.
16 ebd., S.371 17 ebd., S.371
Bsp.02: Herr E., den ich ebenfalls während meines Fachhochschulpraktikums kennen lernte, hat diese Erfahrung gemacht. Aufgrund einer Alkoholerkrankung, die sich nach dem Tod seiner Mutter manifestierte, brach seine Schwester, die gleichzeitig die letzte lebende Verwandte ist, den Kontakt zu Herrn E. ab. Daraufhin nahm Herr E. Kontakt zu den Mormonen auf, weil er sich von ihnen Beistand, Hilfe und menschliche Nähe erhoffte.
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Er stellte fest, dass sich bei den meisten der Betroffenen eine signifikante
Übereinstimmung an Gefühlsreaktionen und Verhaltensweise einstellte. So kam es
zu diversen körperlichen Beschwerden, Schuldgefühlen, feindselige Reaktionen,
Verlust von Handlungskompetenz, intensive Beschäftigung mit dem Bild des
Verstorbenen, Identifikation und Übernahme einzelner Verhaltensweisen des
Verstorbenen, um nur einige bedeutsame zu nennen.
Diese Reaktionen sind als normale Trauerarbeit anzusehen. Sie zeigen, dass sich
die Betroffenen aktiv mit dem Verlust, den sie erlitten haben, auseinander setzten.
Bei einer anderen Gruppe von Betroffenen beobachtete Lindemann eine
pathologische Trauerreaktion. So bemerkte er eine erhebliche Verzögerung oder
zeitliche Verschiebung der Trauer. Die Betroffenen nahmen den Tod eines
Angehörigen über mehrere Monate hinweg völlig unberührt und unbeteiligt hin. Die
Personen lebten im Alltag weiter, als wäre nichts geschehen und ohne das Gefühl,
etwas verloren zu haben. Lediglich konnte manchmal eine leicht gesteigerte Aktivität
festgestellt werden.
Urplötzlich veränderten sich die Betroffenen jedoch. Die Beziehung zu Freunden und
Bekannten wandelte sich; es kam zu destruktiven und feindseligen
Verhaltensweisen. Diese Krise verstärkte sich und endete bei einigen Personen in
einer schweren Depression.
Lindemann beobachtete ähnliche Verhaltensweisen bei Colitis-Ulcerosa18- Patienten
sowie bei Menschen nach einem größeren operativen Eingriff. Die von Lindemann
beschriebene Trauerreaktion kann somit auch als ein Paradigma für eine
situationsbedingte oder traumatische Krise gesehen werden.
Lindemann erkannte ähnlich wie Caplan, dass eine krankhafte Entwicklung
vermieden oder abgemildert werden kann, wenn die Krise als solche rechtzeitig
erkennt und entsprechend interveniert wird.
Bei Lindemanns Schilderungen werden weitere Parallelen zu Caplans Krisenmodell
deutlich. Man begreift anhand der beschriebenen Symptomatik wie ausgesprochen
labil der Mensch ist, der sich in einer Krise befindet. Personen, die die pathologische
18 Colitis- Ulcerosa = schwerwiegende, chronische, entzündliche Darmerkrankung (vgl. Duden Medizinische Fachausdrücke, 1992, S.390)
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 12
Trauer durchlebten, mussten außerdem eine erhebliche Desorganisation erfahren,
als sich ihre Krise verstärkte und in einer Depression endete.
2.2.3. Lebenszyklus und Krise nach Erikson [Tania Prange]
Für Erikson stellen Krisen im menschlichen Leben nicht eine Ausnahmeerscheinung
sondern eine normale Erscheinung dar19.
„Krisen sind unabdingbarer Bestandteil jeder gesunden menschlichen Entwicklung,
sie treten periodisch immer bei einem Übergang von einem Lebensabschnitt zum
anderen auf. Sie sind Nahtstellen und Wendepunkt am Beginn einer neuen
Lebensphase. Die Krise ist eine Periode besonderer Labilität und Offenheit für
Neues, eine Zeit großer Wandlungsfähigkeit, aber auch erhöhter Anfälligkeit und
Verletzlichkeit.“20
Nach Erikson durchläuft jeder Mensch vom Säuglingsalter bis hin zum reifen
Erwachsenenalter acht verschiedene Lebensabschnitte. Zu jedem dieser
Lebensabschnitte gehört auch eine spezifische Krisen. So muss z.B. der Säugling
die vertraute, geborgene Umgebung des Mutterleibes verlassen und ein
Grundvertrauen zu seiner Umwelt aufbauen. Ein Jugendlicher wird stark damit
beschäftigt sein, seine eigene Identität zu finden, wohingegen sich ein älterer
Mensch damit beschäftigen muss, ob er es akzeptieren kann was aus ihm geworden
ist und wie er sein Leben gestaltet hat.
Erikson verweist darauf, dass es ganz entscheidend ist, wie die
lebensabschnittsspezifischen Krisen bewältigt werden. Die Bewältigungsart bestimmt
zu einem hohen Maß das weitere Schicksal des Individuums.
So ist z.B. die Adoleszenz in Eriksons Sinn eine Zeit mit großen Krisen. Gleichzeitig
ist der Erfolg der Adoleszenz zugleich ihr Ende und es folgt der Übergang in die
unbekannte und unsichere Lebensphase des Erwachsenenalters. Scheitert das
Individuum an den Krisen der Pubertät, kann dieses negative Folgen haben, die sich
im späteren Leben äußern.
19 Schnell und Wetzel, 1999, S.372 20 ebd., S.372
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 13
2.2.4. Krisenintervention und Krisentherapie [Tania Prange]
Krise bedeutet gleichzeitig etwas Generelles jedoch auch etwas Unikales für den
Menschen. Krise ist auf der einen Seite allgemein menschlich, weil jeder in seinem
Leben durch mehrere Krisen gehen muss. Faktoren sowie Begleitumstände die zur
Krise führen, ähneln sich zum Teil sehr.
So sind z.B. alle menschlichen Individuen während des Teenageralters den Höhen
und Tiefen der Pubertät ausgesetzt. Viele von uns müssen zu irgendeinem Zeitpunkt
den Verlust eines Partners durch eine Trennung überwinden oder aber wir verlieren
einen geliebten Menschen, weil dieser verstirbt.
Andererseits ist die Krise jedoch für jeden einzelnen von uns etwas Einmaliges und
einzigartiges, weil es für den Betroffenen darum geht, seinen eigenen, individuellen
Weg aus der Misere zu finden. Der Betroffene allein muss letztlich für ihn endgültige
Entscheidungen treffen und mit den Konsequenzen der gemachten Entscheidung
leben.
Aus diesem Zustand heraus haben sich nach Schnell & Wetzel auch
unterschiedliche Krisenberatungsweisen entwickelt. Zum einen gibt es die Formen
der Krisenintervention und des Krisenmanagement21. Diese Zugangsweise ist mehr
auf die Krise an sich ausgerichtet. Zum anderen existiert die Krisentherapie; diese
Ausrichtung hat mehr den einzelnen Menschen im Blick.
Bsp.03: Besonders eindrucksvoll habe ich eine gescheiterte Lebensabschnittskrise bei einer Betreuten während meines Fachhochschulpraktikums erlebt: Die mittlerweile siebenundzwanzigjährige Frau M. konnte sich weder in ihrer Kindheit noch in ihrer Jugend moderat entwickeln. Während ihrer Kindheit wurde sie zwischen der lieblosen Großmutter und einer abweisenden Tante herumgereicht. Hier liegt der Schluss nahe, dass sie kein Urvertrauen entwickeln konnte. Auch während ihrer Jugend konnte sie sich nicht mit alterstypischen Gegebenheiten auseinandersetzen, da sie wiederholt und über einen langen Zeitraum hinweg physischer, psychischer und sexueller Gewalt ausgesetzt war. Heute besitzt Frau M. die emotionale und kognitive Reife eines pubertierenden Teenagers: Mal gibt sie sich unzuverlässig, trotzig und gegen alles aufbegehrend; ein anderes Mal sucht sie die mütterliche Zuneigung ihrer Betreuerin. Auf die Frage hin, wie sie selbst sich sieht, gibt sie die Auskunft, dass sie sich wie ein junges Mädchen fühlt. Frau M. konnte anscheinend ihre Adoleszenz nicht erfolgreich abschließen und folglich den Übergang in das Leben einer erwachsenen Person nicht antreten.
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Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 14
Die typische Krisenintervention lässt sich nach Schnell & Wetzel in vier
unterschiedliche Phasen unterteilen:
• Phase 1: Die Situation des Betroffenen und seine aktuellen Schwierigkeiten
werden beurteilt.
• Phase 2: Die therapeutische Intervention wird geplant.
• Phase 3: Die Intervention selbst wird durchgeführt.
• Phase 4: Die Lösung der Krise und die vorausschauende Planung für die
nähere Zukunft des Klienten sollen erfolgen.
Ziel der Intervention ist es, die einstmalige Funktionsfähigkeit des Klienten wieder her
zu stellen. Der Betroffene soll sein emotionales Gleichgewicht wieder erlangen,
welches er vor dem Ausbruch der Krise besaß.
Die durchschnittliche Krisenintervention umfasst eine bis sechs Sitzungen. Schnell &
Wetzel berichten, dass Autoren, die sich mit der Krisenintervention befassen,
folgender Meinung sind: „[...] die therapeutische Arbeit in Krisen, im Sinne einer
unmittelbarer Intervention, muss zeitlich begrenzt sein und auf die gegenwärtige
Situation fokussiert sein. Der Therapeut geht geplant und gezielt vor und ist viel
direkter als in einer Psychotherapie.“22
Die Krisentherapie wird im Gegensatz zur Krisenintervention als eine längerfristige
Angelegenheit betrachtet. Schnell & Wetzel berichten, dass in der Krisentherapie
zunächst die Bedingungen, die aktuell die Krise ausgelöst haben, bearbeitet werden
sollen.
In einer psychischen Krise tauchen jedoch aufgrund der labilen Gesamtsituation
auch viele frühere unbewältigte Konflikte, verdrängte Gefühle und Ängste auf. Diese
wiederum bestimmen die Schwere der aktuellen Krise in einem nicht unerheblichen
Maße mit.
21 ebd., S.373 22 ebd., S.373
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 15
Insofern sollte während einer Krisentherapie die Aufmerksamkeit nicht nur auf die
aktuelle sondern auch auf die zurückliegende Lebensgeschichte des Klienten
gerichtet sein.
3. Theoretisches und historisches Fundament sozialpädagogischer Krisenintervention nach Golan
[Thomas Thoß]
Der gegenwärtige, theoretische Fundus der sozialpädagogischen Krisenintervention
ist im Wesentlichen die Schnittmenge vier verschiedener Ansätze der
Krisenbewältigung, die ich hier nach Golan chronologisch vorstellen möchte. Zudem
soll dieses Kapitel die Entstehung der Krisenintervention seit den 30er Jahren bis in
die Gegenwart beleuchten23.
3.1. Der funktionelle Ansatz [Thomas Thoß]
Bereits in den dreißiger Jahren begann man mit dem funktionellen Ansatz, dem
Klienten in einer akuten Krisensituation Aufmerksamkeit zu widmen. Einerseits stand
Mittelpunkt der Theorie die gesamt-therapeutische Situation des Klienten. Man
konstatierte, dass die Kürze der Krisenintervention nur dann positive Auswirkungen
haben könne, wenn sie im Einklang mit der bisher geleisteten Unterstützung, die der
Betroffene erhalten habe, stehe. Schon damals zeigte sich also der Ansatz eines
sozialen Netzwerkdenkens, das Kooperation nicht ausschloss.
Man erkannte, dass der Mensch, der sich zwar augenscheinlich in einer
auswegslosen, lähmenden Situation befindet, dennoch Schritte unternimmt, um sich
selbst Erleichterung zu verschaffen, indem er eine Krisenberatungsstelle aufsucht. Er
selbst schafft den Impuls für eine Besserung einer Lage. Aufgabe des Sozialarbeiters
ist es, diesen Impuls zu erhalten und zu fördern. Für die individuell zunächst als nicht
zu bewältigend eingeschätzte Situation ist somit doch noch die Handlungskompetenz
vorhanden, sich an Dritte zu wenden, die vielleicht bei einem neuen und evtl.
23 Golan, 1983, S. 47 ff.
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 16
unentdeckten Lösungsweg behilflich sein können. Stichwort hierbei ist also „Hilfe zur
Selbsthilfe“. Der Sozialarbeiter solle sich bemühen, die Kräfte des Klienten durch
seine Unterstützung insofern zu mobilisieren, dass letzterer wieder selbst seine Lage
bewältigen kann.
Hierbei war es den Vertretern des funktionellen Ansatzes wichtig, noch die einzelnen
Phasen der Krise, in denen sich der Klient befindet, zu berücksichtigen. Der
Sozialarbeiter solle es sich von Nutzen machen, dass die Krise ein Anfangs-, Mittel-
und Endstadium durchlaufe. Diese möchte ich an dieser Stelle noch einmal im Sinne
der in der Einleitung genannten Krisenphasen nach Kaplan rekapitulieren und durch
einige eigne Überlegungen zur möglichen Interventionsarbeit ergänzen:
In der Anfangsphase ist der Leidensdruck des Klienten sehr hoch, er findet keine
Ansatzpunkte, seine Problemlage zu bewältigen, außer etwa in Kontakt mit einer
Kriseninterventionsstelle zu treten. Er fühlt, dass er Hilfe zur Selbsthilfe benötigt. Das
Kooperationspotenzial dürfte in diese Phase am höchsten liegen.
Die Empfindung der Mittelphase der Krise kann im Erleben des Klienten auf zwei
Arten ausgeprägt sein.
1. Der Klient erlebt eine Hilfestellung, die ihn motiviert, die Krise auszuhalten und
findet damit Kraft.
2. Der Klient merkt, dass die Probleme trotz der Hilfestellung andauern. Er benötigt
neue Bewältigungsstrategien zur Lösung seiner Schwierigkeiten. Dies kann entweder
zu erneutem, großen Kooperationspotenzial zwischen Helfer und Betroffenen führen,
birgt aber auch die Möglichkeit einer anstehenden Resignation, in der Aufgabe des
Sozialarbeiters sein dürfte, den Klienten weiter zu motivieren, ihm dabei kleine und
kurzfristig erreichbare Ziele zu verdeutlichen oder etwa bisherige Strategien mit ihm
zusammen in Frage zu stellen und seine Resignation zu nutzen, einen neuen
Lösungsweg einzuschlagen.
Die Endphase der Krise dürfte in vielen Fällen von einer Erleichterung des Klienten
gekennzeichnet sein. Hier lassen sich zusammen mit dem Sozialarbeiter etwa mittel-
und längerfristige Entschlüsse evaluieren, die es für die Zukunft umzusetzen gilt,
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 17
etwa erlernte Umgehensweisen, die in erneuten Krisensituationen zur Verfügung
stehen.
Kernpunkte des funktionellen Ansatzes
Der Mensch, der sich in einer Krise an einen Berater resp. Sozialarbeiter
wendet, besitzt eine anfängliche und wesentliche Handlungskompetenz, seine
Lage zu verbessern. Er ist daher nicht in dem Maße ohnmächtig, wie er sich
vielleicht fühlen mag.
Diese erste Handlungskompetenz gilt es in der Hilfsbeziehung zu erweitern
und zu fördern.
Der Sozialarbeiter sollte ein Bewusstsein über die Stadien der Krise
entwickeln es auf seinen Klienten anwenden können und adäquat zum
Krisenverlauf intervenieren.
3.2. Der diagnostische Ansatz [Thomas Thoß]
Wie schon der Name dieses Ansatzes, der in den vierziger Jahren vor allem auf
Basis der Thesen des amerikanischen Pioniers Sozialer Arbeit, Gordon Hamilton,
entstand, verrät, war hier die Diagnose der Krise des Betroffenen Mittelpunkt der
sozialarbeiterischen Intervention.
Primäre Barriere für die Diagnose stellte dabei die Angst und die fehlende
Selbstachtung der Klienten dar. Der Sozialarbeiter sollte sich von ihnen nicht
befangen lassen, sondern eruieren, was wirklich hinter dem Dilemma des
Betroffenen steckte. Dazu sollte letzterem die ungeteilte Aufmerksamkeit des
Helfenden entgegengebracht werden. Eine vertrauensvolle Hilfsbeziehung, in der der
Klient sagen durfte, was ihn bewegt, war die Prämisse zur Untersuchung.
Als problematisch sah Hamilton vor allem Fälle an, in denen sofortiger
Interventionsbedarf herrschte. Hier laufe der Helfende Gefahr, dem Betroffenen allzu
schnell das Problem abnehmen zu wollen, was er nicht als dessen Aufgabe ansah.
Die Bestimmung des professionellen Sozialarbeiters bestehe indessen darin, in einer
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 18
Krisensituation die Verantwortung für den Klienten in Teilbereichen zu übernehmen,
in denen er nicht mehr für sich selbst sorgen könne, allerdings auch nur bis zu dem
Zeitpunkt, an dem der Betroffene wieder genug Kraft gesammelt habe, die
Verantwortung wieder für sich selbst in die Hand zu nehmen.
Innerhalb der diagnostischen Schule unterschied man zwischen zwei
Behandlungsmethoden für den Betroffenen:
• In der sozialen Therapie wurden Interventionen für Problemlagen des
Klienten bearbeitet, deren Ursache in seiner sozialen Umwelt lagen, bspw.
Arbeitslosigkeit und Armut.
• In der Psychotherapie sollte eine Veränderung in der Einstellung und im
Verhalten des Klienten herbeigeführt werden, sie stützte sich auf die gesamte
Persönlichkeit. Hierunter ist etwa die Behandlung von Depressionen zu
verstehen.
Ferner unterschied man zwei Zielsetzungen der Krisenintervention:
• Die Behandlung, die nicht darauf zielte, die Anpassungsmuster des Klienten
zu verändern, etwa bei Klienten, die wegen einer Krise nur vorübergehend in
ihren Fähigkeiten eingeschränkt waren, etwa bei einem Todesfall in der
Familie und
• die Verfahren, die Anpassungsmuster des Betroffenen ändern wollten, um
einer dauerhaften Krisensituation zu entgegnen, wie sie etwa bei Psychosen
gegeben sein kann.
Unter Anpassung ist dabei die Möglichkeit des Individuums zu verstehen, ein
systemisches Gleichgewicht zwischen sich und seiner sozialen sowie physikalischen
Umwelt herzustellen24.
Die diagnostische oder auch: psychosoziale Schule gliederte somit die Problemlage
des Individuum in einer sozialen Umwelt in den „äußeren Druck“ (Pression)
einerseits und den „inneren Druck“ (Stress) andererseits. Beide stünden in
Korrelation miteinander. Damit berücksichtigte Hamilton einen Dualismus, der zum
24 Lexikon der Psychologie, 1995, S. 30
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 19
Einen besagte, dass sich der psychische Zustand des Menschen auf dessen
Verhalten in seiner sozialen Umwelt auswirken kann, zum Anderen aber auch die
soziale Umwelt einen Einfluss auf die Psyche des Individuums hat.
Als Konsequenz der Summe der genannten Überlegungen erkannten die Vertreter
der diagnostischen Schule, dass es unumgänglich war, für jedwede Behandlung die
Analyse der Situation des Individuums heranzuziehen, und zwar beidseits auf intra-
sowie interindividueller Ebene.
Kernpunkte des diagnostischen Ansatzes
Jeglicher Intervention muss die Diagnose der Ursachen der Krise
vorausgehen.
Der Helfer soll den Betroffnen in der Krise situativ und punktuell entlasten,
nicht aber versuchen, ihm das Problem generell abzunehmen.
Individuum und soziale Umwelt stehen in Interdependenz. Letztere soll in der
Diagnose berücksichtigt werden.
3.3. Der problemlösende Ansatz [Thomas Thoß]
Parallel zur Entwicklung der diagnostischen Schule entstand in den vierziger Jahren
der problemlösende Ansatz auf Basis der Thesen von Charlotte Towle. Sie erkannte
den hohen Druck und die Spannungen, die den Menschen in der Krise belasten und
die sie gleichermaßen in ihrer Situation fangen. Auftrag des Sozialarbeiters in der
Krisenintervention war demnach, eine Entlastung für das vorherrschende Problem zu
schaffen, noch bevor die Anspannung mittel- und längerfristig traumatische Formen
annimmt.
Dabei erkennt eine weitere Vertreterin des problemlösenden Ansatzes, Helen
Perlman, nicht nur die potenzielle Entlastung, die die Krisenintervention zu leisten
vermag, sondern auch den zusätzlichen Druck der dem Betroffenen dadurch
entsteht, sich an eine Beratungsinstanz wenden zu müssen. Schließlich erkenne er
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 20
in seinem Hilfsbedürfnis gleichzeitig auch seine Hilflosigkeit, die Krise mittels eigener
Kräfte nicht bewältigen zu können, was seinerseits das Missbehagen steigere
[Ansätze zur Arbeit in diesem Problemfeld werden in Kapitel 6.1 geschildert; Anm.
des Autors]. Dies wirke sich auf die von Perlmann so benannten „Ich-Kräfte“ des
Klienten aus, die infolgedessen immer weniger Potenzial zur Problemlösung
aufbringen könnten, nicht zuletzt aufgrund des stagnierenden Selbstwertgefühls des
Betroffenen. Perlman erkennt die ganzheitliche Struktur aller Einflüsse auf den
Klienten und fordert daher, Prioritäten in der Bearbeitung der Problemlage zu setzen,
die häufig multifaktoriell ausgeprägt ist: ein mögliche Verfahrensweise stelle so die
Entlastung des Klienten auf einem Teilgebiet seiner Problematik dar, um für ihn neue
Ressourcen zur Lösung in anderen Teilbereichen zu erreichen.
Ein Problem entstehe nach den Aussagen des problemlösenden Ansatzes immer
dort, wo psychische, soziale oder materielle Bedürfnisse nicht ausreichend befriedigt
werden können. Der Mensch strebe nach einem inneren Gleichgewicht, die
Unzufriedenheit mit seiner Lage erfordere von ihm neue Anpassungsmuster an seine
Umwelt, um selbige Balance wiederherstellen zu können. Dazu suche er die Hilfe
des Beraters auf.
Bsp.04: Der 78 jährige Friedrich H. bemerkt einige Jahre nach dem Tod seiner Frau, dass ihn die alltäglichen Aufgaben wie etwa das Putzen der 90 qm großen Wohnung, die er alleine bewohnt, und das Einkaufen überforderten. Er ist aufgrund seiner Herzinsuffizienz weniger mobil als früher und kann nur noch sehr langsam gehen. Hinzu kommt seine zunehmende Sehschwäche. Schon mehr als einmal hatte er versäumt, die Rechnung der Stadtwerke für Gas und Strom zu begleichen, da er die auf dem Bescheid genannten Termine aufgrund der kleinen Schrift nicht entziffern konnte. Der berentete Kaufhausverkäufer liebt nach wie vor die Gesellschaft von Menschen. In seiner Stadt ist er bekannt und beliebt. Leider kann er den Weg aus seiner Wohnung in die Stadt nicht mehr alleine gehen, da er aufgrund der Gehbehinderung leicht fallen und sich verletzen könnte. So kommt er nur noch hin und wieder unter Leute. Die in großer Entfernung lebende Nichte H.s bemerkt bei einem Besuch, dass ihr Onkel immer weniger Herr seiner eigenen Lage ist und regt beim zuständigen Vormundschaftsgericht eine rechtliche Betreuung an. Das Gericht entscheidet, dass H. vor allem in Sachen der Gesundheits- und der Vermögenssorge Beistand benötigt. Die eingesetzte Betreuerin schlägt H. einen Umzug in ein Altersheim vor. Nach einiger Überlegung stimmt er zu. Ferner will sich die Betreuerin künftig um die finanziellen Angelegenheiten wie Heimkosten und Rechnungen kümmern. Mittlerweile fühlt sich H. in seiner neuen Unterkunft sehr wohl. Er kommt ständig in Kontakt mit anderen Bewohnern und dem Pflegepersonal des Heimes. Im Betreuten Wohnen kann er sich selbstständig Mahlzeiten herrichten. An Tagen, an denen er nicht genügend Kraft zum Kochen aufbringen kann, nimmt er sein Essen im Speisesaal des Heimes zu sich. Wenn H. in die Stadt zum Einkaufen gehen möchte, begleitet ihn ein Zivildienstleistender der Einrichtung. Sein Girokonto ist aufgrund des Wirtschaftsplanes der Betreuerin seit einigen Wochen schuldenfrei.
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 21
Perlman konstatierte auch die hohe Subjektivität im Empfinden des Klienten: nicht
alle dem Berater vorgetragenen Probleme seien wirkliche Krisen, dennoch sei hier
das höchst individuelle Erleben des Betroffenen zu berücksichtigen. Schließlich habe
er das Gefühl, sich in einer Krise zu befinden, was ausschlaggebend für eine
kurzfristige Motivation des Klienten durch den Berater sein sollte. Der
problemlösende Ansatz definiert daher, dass durch den Helfer eine kurzfristige,
kleine Hilfestellung zum richtigen Zeitpunkt geschehen müsse, um mittels schneller
Entlastung dem Klienten neue Ressourcen zu eröffnen. Lange Wartezeiten wirkten
dieser Chance entgegen.
Kernpunkte des problemlösenden Ansatzes
Der Druck, der auf dem Klienten lastet, setzt sich zum einen aus seiner
Problemlage, zum anderen aber auch aus seiner Erkenntnis zusammen, in
eine Lage gekommen zu sein, aus der er sich selbst nicht befreien kann und
er sich daher an eine Beratungsinstanz wenden muss.
Hilfe soll auf einem Teilbereich geschehen, damit der Klient auf einem
anderen Teilbereich zu neuen Ressourcen findet, um sich hier selbst helfen zu
können.
Hilfe muss für den Klienten kurzfristig und zum richtigen Zeitpunkt geleistet
werden, damit traumatischen Auswirkungen vorgebeugt werden kann.
3.4. Der krisenorientierte Ansatz [Thomas Thoß]
Der krisenorientierte Ansatz nach Howard Parad erklärt, dass in nahezu allen Fällen
eine Krise entweder innerhalb einer längeren oder einer kurzen Behandlung
bearbeitet werden könne. Parad spricht sich für letztere Variante vor allem in den
Fällen aus, in denen eine Krise erst vor kurzer Zeit entstanden ist und erläutert, dass
das Tätigkeitsfeld des Beraters hier zweigleisig vorzufinden ist: letzterer formuliere
eine präzise Diagnose und trete gleichzeitig in den beratenden, therapeutischen
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 22
Kontakt mit dem Klienten. Es wird hier nicht zwischen Untersuchung, Diagnose und
Behandlung unterschieden. Somit entstehe eine nicht zuletzt auch Ressourcen
schonenden Arbeitsweise, die darüber hinaus noch dem dringlichen Wunsch des
Klienten nach Abhilfe seiner Problemlage dienlich sei und lange Wartezeiten
umgehen könne. Auf Kosten einer langfristigen, therapeutisch-systematischen
Vorgehensweise ergebe sich die Möglichkeit, den Klienten schnell aus seiner
Anspannung zu helfen, was seinerseits dem Sozialarbeiter ein hohes Maß an
Erfahrung und Einschätzungsvermögen bezüglich offener und versteckter
Mitteilungen seines Klienten abverlange.
Der krisenorientierte Ansatz ist nach Lydia Rapoport ein Palliativ, in dem er nicht auf
die Heilung des Klienten, sondern auf dessen besseres Funktionieren in seinem
sozialen Umfeld ziele.
Autorität des Helfenden – sprich: des Sozialarbeiters – solle nicht nur erkannt,
sondern angewandt werden: in der großen Verunsicherung suche der Betroffenen
die von Fachwissen geprägte Superiorität in Fragen der Krise, was hier weniger im
Sinne von Überlegenheit gegenüber dem Klienten, sondern vielmehr als Kompetenz
des Helfenden verstanden werden soll. Daraus könne der Leidtragende neues
Vertrauen erfahren, das seiner Angst entgegenwirke.
Der krisenorientierte Ansatz verlange vom Sozialarbeiter die Einschätzung der
Problemlage seines Klienten nach der Priorität der einzelnen Schwierigkeit. Ein
dringliches, als nächstes anstehendes Problem solle fokussiert und bearbeitet
werden.
Die Vertreter des Ansatzes sehen den größten Unterschied zur klassischen
Einzelfallhilfe darin, dass der Sozialarbeiter in der Krisenintervention nicht die
Gefühle des Betroffenen therapieartig allmählich sondiert, ordnet und klärt. Vielmehr
sei es seine Aufgabe, die Problematik zu erkennen, sich einzufühlen und schnell zu
handeln. Ähnlich der Thesen des funktionellen Ansatzes müsse der Berater den Hilfe
suchenden Impuls des Betroffenen nutzen, der von letzterem verlange, sich selbst
wieder aus seiner Lage zu befreien und ihn zu diesem Zwecke zum Hilfsangebot des
Beraters resp. der Beratungsstelle führe.
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 23
Kernpunkte des krisenorientierten Ansatzes
Dem Klienten soll möglichst schnell aus seiner Krise geholfen werden. Dazu
sollen Diagnose und Intervention zeitgleich stattfinden.
Der krisenorientierte Ansatz funktioniert als Palliativ: Ziel ist nicht die Heilung
des Klienten, sondern ein besseres Funktionieren in der sozialen Umwelt. Hier
zeigt sich erneut das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe.
Der Sozialarbeiter soll über eine Autorität verfügen, die es ihm ermöglicht, die
Problemlage seines Klienten zu strukturieren und zu überblicken. Der
Ausdruck dieser Autorität verschaffe dem Betroffenen ein Vertrauen in die
Hilfsbeziehung und bewirke, die durch die Krise entstandene Verwirrung
abzubauen.
4. Therapeutisches Konzept der Krisenintervention nach Sonneck und Etzersdorfer
[Thomas Thoß]
Das Konzept nach Sonneck und Etzersdorfer25 kann wohl am besten als Synthese
der in Kapt. 3 genannten Ansätze der Krisenintervention umschrieben werden. Im
folgenden Abschnitt möchte ich zunächst die Zielsetzung dieses Paradigmas
schildern, um dann in einem weiteren Schritt die Methodik der Therapie zur
Erreichung der Absichten aufzuzeigen.
4.1. Zielsetzung [Thomas Thoß]
Wie in allen o.g. Ansätzen steht auch in diesem gegenwärtigen Modell die Hilfe zur
Selbsthilfe im Mittelpunkt der Intervention. Aufgabe sei, dem Klienten zu vermitteln,
aktiv seine Krisensituation zu bewältigen. Hier geht es darum, die Gefahren passiver
25 Sonneck und Etzersdorfer, 1992, S. 57 ff.
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 24
Bewältigungsformen abzuwenden, die sich in Vermeidung des Problems oder
Alkohol- und Medikamentenabuses manifestieren können. Vielmehr ist Intention der
Therapie, mit dem Klienten alternative Lösungsansätze zu entwickeln, und ihn ggfs.
aufzufordern, „gänzlich neue Wege zu beschreiten“26. Denn gerade im Leidensdruck
des Betroffenen liege großes Motivationspotenzial, an der Situation etwas zu ändern,
was, in Übereinstimmung mit Schnell und Wetzel [vgl. Kapt. 2.1], die große Chance
ausdrückt, die die Krise in sich birgt. Dem Klienten sollen damit also
Handlungskompetenzen aufgezeigt werden, um kreativ Einfluss auf die Situation zu
nehmen, die nicht lediglich in der aktuellen, sondern zudem auch in künftigen Krisen
anwendbar sein sollen.
Ferner ist das Wissen des Sozialarbeiters über die Verfügbarkeit anderer sozialer
und psychologischer Unterstützung gefordert. So stelle zwar die Krisenintervention
mit längstens 10 – 12 Gesprächen27 nur eine kurzfristige Arbeit mit dem Betroffenen
dar, nichtsdestotrotz könne sie aber das Vermittlungsangebot längerfristiger Hilfen
beinhalten, wie sie etwa Psychotherapien darstellen.
Wie die genannten, früheren Vertreter der Krisenintervention, sind auch Sonneck und
Etzersdorfer der Ansicht, dass Sinn der Krisenintervention die kurzfristige Erkenntnis
der krisenhaften Lage durch den Betroffenen darstellen muss. Nicht die
Verleugnung, sondern die Akzeptanz der Situation soll fokussiert werden, mit all
ihren Begleiterscheinungen wie Gefühle der Trauer, des Schmerzes, denen der
Sozialarbeiter innerhalb eines ihm möglichen Rahmens empathisch begegnen solle.
4.2. Therapiekonzept [Thomas Thoß]
Generell führen Sonneck und Etzersdorfer sechs Charakteristika des helferseitigen
Umgangs mit Krisen auf, die die Arbeit mit dem Klienten kennzeichnen. Diese sind in
der folgenden Abbildung dargestellt.
26 ebd., S. 61 27 ebd., S. 67
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 25
Abbildung 1 Prinzipien für den Helfer in der Krisenintervention
Unter Berücksichtigung der in obiger Abbildung gezeigten Maximen ergibt sich für
Sonneck und Etzersdorfer ein therapeutisches Interventionskonzept, das davon
ausgeht, dass die Krise keine pathologische Defizitsituation darstellt, die man
schlicht wie eine Krankheit behandeln könne. Eine derartige „Patientenbehandlung“
wirke eher dem Postulat der „Hilfe zur Selbsthilfe“ entgegen und sehe kaum die
intrapersonalen Fähigkeiten im Betroffenen, seine Schwierigkeiten eigenmächtig zu
lösen und dessen Motivation zu nutzen, sich aus dem hohen Leidensdruck zu
befreien. Gerade die Feststellung der großen Chancen, die eine Krise in sich bergen
kann, führt die Autoren zu ihrem Konzept, das dem persönlichen Wachstum, der
Entlastung für den Klienten in dem Maß schaffen, in dem er
wieder handlungsfähig wird. Bei zu hoher
Erleichterung Gefahr des Wegfalls der klienteneigenen
Motivation.
Methodenflexibilität: individuelle
Hilfestellungen auf sozialer,
psychologischer oder medizinischer
Basis herausarbeiten und vermitteln. Betrachtung der
Wechselwirkungen zwischen Klient und
dessen Umwelt
Auseinandersetzung mit der emotionalen Lage des Klienten.
Untersuchung der aktuellen Situation des
Betroffenen.
Arbeit an der Beziehung zwischen
Helfer und Betroffenem. Daraus
entstehend: Kooperation in der
Hilfsbeziehung.
Prinzipien der helfenden
Instanz in der Kriseninterven
tion
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 26
Reifung und aktiven Bewältigung zuarbeiten will und welches ich im Folgenden kurz
beleuchten möchte28.
• Beziehung zwischen Betroffenem und Berater
Gemeint ist hier das Verhältnis von Nähe und Distanz in der Hilfsbeziehung,
das ein Mittel zwischen zwei Polen darstellen sollte. Ist die Beziehung
einerseits zu offen, d.h., der Helfer versucht sich zu sehr aus der Beziehung
herauszuhalten, so besteht die Gefahr, dass sich Klient in seiner Problemlage
nicht ernst genommen fühlt, etwa durch Äußerungen wie „es ist doch alles gar
nicht so schlimm“.
Lässt sich der Helfer andererseits zu sehr in die Problematik des Betroffenen
verwickeln, so droht die Beziehung zu eng zu werden. Der Helfer kann hier
seine Abgrenzungsmöglichkeit und damit auch den Überblick über die Lage
verlieren oder nimmt aus allzu großem Mitleid dem Klienten die meisten
Aufgaben einfach ab.
Die Hilfsbeziehung sollte daher partnerschaftlich organisiert sein. Dem
Klienten zwar einerseits eine Stütze zu sein, ihn andererseits aber auch nicht
von der Hilfestellung abhängig zu machen sei der Lösungsweg der
Krisenintervention.
• Aktueller Anlass
Die Krisenintervention arbeite in und an der gegenwärtigen Situation des
Klienten. Die Historie des Betroffenen interessiert nur insofern, wie sie
Auskunft über bereits angewandte Bewältigungsstrategien, die Dauer der
Krise und eventuelle psychische Vorbelastungen geben könne.
• Emotionale Situation
Hier steht die emotionale Verfassung des Betroffenen im Vordergrund. Welche
Ängste und Befürchtungen schränken die Handlungskompetenz ein, wie
wirken sie sich auf die körperliche Verfassung aus. Bei Depressionen kann
hier auch eine medikamentöse Behandlung in Erwägung gezogen werden.
28 ebd., S. 63-67
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 27
• Soziales Netzwerk
Hier müsse mit dem Klienten erarbeitet werden, welche Hilfestellungen er in
seiner sozialen Umwelt erwarten und aktivieren könne. Gemeint ist im privaten
Bereich etwa die Unterstützung durch Familie, Bekannte, Freunde. Auch im
öffentlichen Hilfsnetzwerk kann nach neuen Ressourcen der Beihilfe gesucht
werden, etwa durch das Heranziehen von Selbsthilfegruppen, sozialen
Diensten usw.
• Vorgehensweise
Dem Klienten soll hier die Vorgehensweise der Intervention erläutert werden.
In den Zeiten der durch die Krise hervorgerufenen Verwirrungen muss er
Kontinuität und Verlässlichkeit erfahren, um Kräfte zur Eigenbewältigung zu
erlagen. Hierzu wird einerseits die Absprache über das Setting, den Rahmen,
in dem die Intervention stattfindet, gezählt. Dem Betroffenen soll geschildert
werden, wo die Treffen stattfinden, welche Personen anwesend sind, in
welchem Turnus man sich trifft etc.
Andererseits muss die Intervention auch immer auf deren Beendigung
hinarbeiten. Dazu sei es dienlich, den aktuellen Stand im Gegensatz zum
Anfangsstand und damit das Erreichte zu reflektieren. Außerdem soll darauf
hin gearbeitet werden, wie sich der Klient nach der Interventionsmaßnahme
verhalten wird, sollte erneut eine Krise entstehen. Sollte bei Beendigung der
Interventionsbeziehung diese Eigenkompetenz der Selbsthilfe im Krisenfall
nicht festgestellt werden können, so sei eine Psychotherapie in Betracht zu
ziehen.
5. Krisenintervention nach Verena Kast [Tania Prange]
In ihrem Buch „Der schöpferische Sprung“ zeigt die aus der Schweiz stammende
Psychoanalytikerin und Psychotherapeutin Verena Kast Wege der Krisenintervention
in unterschiedlichsten Lebenslagen auf.
Kast verweist darauf, dass sie in ihrem Arbeitsbereich hauptsächlich mit latenten
Krisen konfrontiert wird, bei denen es gilt diese als solche zu identifizieren.
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 28
„Innerhalb der psychotherapeutischen Praxis haben wir es aber im allgemeinen eher
mit verschleierten Krisen zu tun, auf die die Bezeichnung “Krise“ im engeren Sinne
nicht mehr zutrifft, da sich diese Krisen nicht mehr in ihrer vollen Dramatik zeigen,
sondern sich allenfalls etwa in anhaltenden Problemsituationen, wie unerklärbarer
Müdigkeit, Lustlosigkeit oder in psychosomatischen Beschwerden äußern.“29
Dennoch beschreibt Kast in ihrem Werk auch zahlreiche Fallbeispiele, die
verdeutlichen, dass sie sich ebenso mit Krisen im herkömmlichen Sinne befasst.
Kast unterscheidet zwei verschiedene Krisenformen. Zum einen nennt sie die
Überstimulierungskrise, zum anderen beschreibt sie die Unterstimulierungskrise30.
Als Überstimulierungskrise bezeichnet sie den Zustand, dass Menschen während
einer Krise von ihren Emotionen förmlich weggetragen werden. Das Ich-
Bewusstsein kann die Emotionen nicht fassen und regulieren, die Betroffenen sind
außer sich. Diese Form der Krise und die jeweilige auslösende Situation lassen sich
verhältnismäßig leicht erkennen, da der Betroffene sie sozusagen lautstark auslebt.
Kast bezeichnet sie daher auch als “laute Krisen“. Die Probleme, die sich hinter der
Krise verbergen, lassen sich hingegen etwas schwieriger eruieren.
Die Unterstimulierungskrise bleibt oft unbemerkt. Kast nennt sie auch die “leisen
Krisen“. Der Mensch erstarrt in seiner Kontrolle, spaltet z.B. jegliche Emotionen ab.
Zwar hat er vermeintlich alles im Griff, sein Leben wird jedoch immer leerer. Wenn
der Betroffene den Höhepunkt seiner Krise erlangt, hat nichts mehr einen Sinn,
nichts geht mehr, jegliche Stimulation, die sonst vom Leben ausgeht, scheint zu
fehlen.
Es wird deutlich, dass die Beschreibung von Über- bzw. Unterstimulierungskrisen
dem Krisenmodell von Lindemann ähneln.
5.1. Ziele der Krisenintervention [Tania Prange]
Kast definiert insgesamt vier Ziele für eine gelungene Krisenintervention. Zunächst
hält sie es für unabdingbar den Auslöser der Krise festzustellen. An dieser Stelle
29 Kast, 1987, S.10 30 ebd., S.46
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 29
sollen aber auch tiefere Zusammenhänge der Krise und damit auch der tiefere Sinn
der Krise herausgearbeitet werden. Diese Wichtigkeit wird an einem Fallbeispiel aus
ihrer Praxis deutlich:
Sie erzählt von einem Mann, der zur Krisenintervention in ihre Praxis kommt. Der
Mann ist außer sich vor Wut, seine Frau hat einen Freund, vermutlich will sie ihn
verlassen. Der Auslöser der Krise scheint auf der Hand zu liegen: Schließlich ist ein
Trennungserlebnis in der Regel ein äußerst belastendes Ereignis. Im Laufe des
Gespräches kristallisiert sich jedoch heraus, dass der Mann zwar von der
potentiellen Option von seiner Frau verlassen zu werden sehr betroffen ist.
Auf die Frage hin, was diese Trennung für Folgen haben könnte, thematisiert er
jedoch auch noch ganz andere Ängste:
„Sie verlässt mich – ich werde alt sein – niemanden mehr haben – ich werde
vertrocknen – ich habe keinen Gesprächspartner mehr.“31
Hier wird deutlich, dass dieser Mensch nicht nur eine enorme Angst vor dem
Verlassen werden im Allgemeinen besitzt; seine Angst vor dem Alter ist mindestens
ebenso hoch.
Als Kast den Mann nach anderen Lebensbereichen fragt, die möglicherweise in
dieser schwierigen Situation Ressourcen für ihn bieten könnten (bspw. Freunde des
Betroffenen), wehrt dieser vehement ab. Zwar habe er Freunde, doch mit diesen
könne er das Problem unmöglich bereden, dies sei viel zu peinlich:
„Wissen Sie, dass ist für einen Mann wie mich eine verrückte Pleite, so das Gesicht
zu verlieren.“32
Dann führt der Mann noch weiter verschieden Gründe auf, warum es absolut nicht zu
ihm passt verlassen zu werden: Ihm gelingt stets alles, er ist selbstständiger
Unternehmer, steht also auch im Arbeitsbereich seinen Mann. Er hat ein Haus für
seine komplette Familie gebaut, kurzum: Er ist ein bodenständiger Mann, der sein
Vorhaben stets in die Tat umsetzt und dem dieses auch immer einwandfrei glückt. Er
hat seine ganze Familie um sich versammelt. Seine Kinder, die zwar mittlerweile
schon verheiratet sind, leben immer noch in seinem Haus, dass er extra zu diesem
Zweck ausgebaut hat, mit seiner Frau ist er schon seit seiner Schulzeit zusammen,
31 ebd., S.37
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 30
er war niemals mit einer anderen Frau zusammen, noch nicht einmal seine
hochbetagten Eltern haben ihn verlassen um zu sterben, sie leben beide noch.
Kast nimmt an, dass dieser Mann in seiner aktuellen Lebenssituation nicht vor
seinem Ich- Ideal bestehen kann und zudem eine Reifungskrise durchmacht.
Genau in diesem Zustand sieht sie eine tiefere Bedeutung der Ursprungskrise. Zum
einen musste der Mann nie die Erfahrung einer Trennung machen und steht ihr jetzt
im konkreten Fall hilflos gegenüber. An ihm nagt also nicht nur die Trennung selbst,
sondern auch dass Gefühl der Hilflosigkeit, dass die Trennung in ihm hervorruft und
dem er bisher noch nie ausgesetzt war, da er seine Probleme stets gemeistert hat
und vor seinem Ich-Ideal bestehen konnte.
Kast nimmt weiter an, dass der auslösende Moment der Krise, nämlich dass die Frau
einen Freund hat, mit dem bisher verdrängten Problem des Älterwerdens
zusammentrifft. Sie bezeichnet die Angst vor dem Älterwerden als Reifungskrise.
Es wird deutlich, wie wichtig es in diesem Fall war, die tieferen Zusammenhänge und
den Sinn der Krise herauszuarbeiten, da der Mann nicht nur, wie zunächst
angenommen, aufgrund der drohenden Trennung von seiner Frau diese Krise erlebt.
Auch sein hoch angesetztes Ich-Ideal, dass in der Trennungssituation nicht länger
bestehen kann und die Angst vor dem Alter trugen das ihre zum Entstehen dieser
Krise bei.
Abschließend kommentiert Kast diesen Fall folgendermaßen:
„Das Problem in diesem Fall ist leicht verständlich. Der Mann steht das erste Mal in
seinem Leben bewusst vor einer Trennungssituation. Die Trennungssituation macht
die latente Krise seines Alters erlebbar, aber auch seine Probleme, darunter das des
Scheiterns der Beziehung und des damit verbundenen Gesicht- Verlierens.“33.
Als weiteres Ziel für eine Krisenintervention formuliert Kast die Befähigung einen
neuen Umgang mit der Angst, die die Krise auslöst, möglich zu machen.
Auch dies gelingt Kast im eben beschriebenen Fallbeispiel. Als sie den Mann mit
seiner Angst vor dem Älterwerden und seiner Angst vor seinen Schwächen
konfrontiert, ist er bereit sich mit seinen Ängsten auseinander zu setzen und
bezüglich dessen auch neue Verhaltensweisen zu erlernen. Dies ermöglicht ihm, die
32 ebd., S.39
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 31
drohende Trennung von seiner Frau aus einer anderen Perspektive zu sehen und die
bröckelnde Beziehung wieder tragfähig zu machen.
Das dritte Ziel einer Krisenintervention besteht für Kast darin, instrumentelle Hilfe
zugänglich zu machen. Damit ist gemeint, dass bestimmte andere soziale
Einrichtungen einen Problemanteil besser bewältigen können. Im Fallbeispiel ist nicht
erkennbar, dass Kast anderweitige Hilfe organisiert. Dies ist offenbar aber auch nicht
nötig, da sich der Mann in einem sicheren sozialen Gefüge befindet.
Beispiele für eine instrumentelle Hilfe könnten etwa die Anregung einer Betreuung
bei psychotischen Verhaltensweisen sein.
Als letztes Ziel nennt Kast die Notwendigkeit Ressourcen für den Klienten
aufzudecken, die ihm bei der Problemlösung hilfreich zur Seite stehen könnten. So
soll z.B. die Frage nach Beziehungen/Freunden gestellt werden, die auch in der
Krise tragfähig sind und dem Klienten hilfreich beistehen können.
An dieser Stelle verweist Kast auch auf die Hilfe aus dem Unbewussten, nämlich auf
das Miteinbeziehen von Träumen, da sie der Meinung vertritt, dass Träume gerade in
Krisensituationen ausgesprochen hilfreich gewertet werden können.
5.2. Die Krise als schöpferischer Prozess [Tania Prange]
Kast vertritt die Ansicht, dass sich die Krisenintervention am Modell des
schöpferischen Prozess orientieren kann. Die Krise stellt im schöpferischen Prozess
den Punkt dar, an dem uns bewusst wird, dass wir mit konventionellen Methoden
eine Aufgabe oder auch ein Problem nicht lösen können.
33 ebd., S.40
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 32
Abbildung 2: Kast, Verena, 1987, S. 33
Kast erläutert, dass wir uns zunächst, das Problem welches uns beschäftigt, bewusst
machen müssen.
Darauf folgt die so genannte Vorbereitungsphase. Kennzeichnende Emotion dieser
Phase ist die Spannung.
In der Vorbereitungsphase wird das Problem aus verschiedenen Perspektiven
begutachtet. Material und Ideen passend zum Problem werden gesammelt,
allerdings ohne den Hintergrund das bereits ein passendes Problemlösekonzept
konzipiert wird.
Im Anschluss an die Vorbereitungsphase folgt die Phase der Inkubation, hier wird
das Problem im Unbewussten bearbeitet. Diese Phase wird durch die Emotionen der
Unruhe und Frustration gekennzeichnet.
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 33
Problemlösungen werden erdacht und wieder verworfen, das Individuum gerät durch
das Problem in einen immer größer werdenden Druck. In dieser Phase muss der
Gedanken alles in den Griff bekommen zu wollen aufgegeben werden. Vielmehr
muss der Mensch darauf vertrauen, dass dem Chaos eine konstruktive fruchtbarer
Eingebung entspringt. Kann der Mensch darauf vertrauen, dass er früher oder später
diesen Gedanken haben wird, bleibt die Krise für ihn erträglich.
Oft ist das Individuum in einer Krise jedoch ganz und gar von der Furcht
eingenommen, die Situation möglichst schnell wieder in den Griff zu bekommen und
dies möglichst auch noch allein und selbstständig.
An diesem Punkt kann nun die Krisenintervention einsetzen. Der Intervenierende
kann durch seine Maßnahmen den Klienten von der Lösbarkeit der Problemlage
überzeugen.
Des Weiteren soll der Intervenierende helfen, die Gefühle, die mit der Krise
verbunden sind zu ordnen. Auch soll er den Klienten dabei unterstützen diese
Gefühle anzunehmen und ertragen zu können.
Nach der bedeutenden und schwierigen Phase der Inkubation schließt sich
Einsichtsphase an. Die leitenden Emotionen dieser Phase sind Freude und
Erleichterung.
In der Einsichtsphase kommt es zu einer sinnvollen Erkenntnis. Die neue Erkenntnis
in Verbindung gebracht mit neuen Einsichten, neuen Erlebnis- und Verhaltensweisen
bezüglich der eigenen Person, stellen das kreative Potential dar, welches aus der
Krise heraus geboren werden kann.
Die letzte Phase des schöpferischen Prozesses wird die Verifikationsphase34
genannt. Hier wird die neu gewonnene Einsicht evaluiert und kann gegebenenfalls
anderen Menschen mitgeteilt werden.
Auf den Krisenbereich übertragen bedeutet dies, dass das Individuum versucht sich
darüber klar zu werden was sich durch das Bewältigen der Krise verändert hat. Auch
hier hat der Mensch den Wunsch diese Erkenntnis mitzuteilen. In der
Krisenintervention zeigt sich nun, inwieweit die Interventionsmaßnahmen die
Spannung des Klienten zu lindern vermochten und ob der Klient gegebenenfalls
34 Verifikation = Überprüfung
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 34
sogar neue Erlebnisweisen, Verhaltensweisen oder Beziehungsmöglichkeiten
gefunden hat.
6. Bearbeitungstypen in der Krisenintervention nach Schürmann
[Thomas Thoß]
Eine Untersuchung von Ingeborg Schürmann zeigt mögliche Ansatzpunkte für die
Krisenintervention in der Praxis. Innerhalb eines Workshops unter ihrer Leitung
wurden mehrere Typen der Krisenbearbeitung in speziellen ambulanten
Kriseneinrichtungen herausgearbeitet, die hier kurz vorgestellt werden sollen35.
6.1. Bearbeitung einer ablehnenden Haltung [Thomas Thoß]
In der sozialarbeiterischen Praxis und hier im Speziellen in der direkten
Einzelfallarbeit mit dem Klienten trifft der Krisenberater auf eine ablehnende
Grundhaltung seines Gegenübers, die eine große Barriere in der Kontaktaufnahme
zwischen beiden darstellen kann.
Die Gründe für die verschlossene Grundhaltung derer, die eigentlich Hilfe benötigen,
sind mannigfaltig gestreut. Häufig kann fehlende Krankheitseinsicht Ursache für die
verweigernde Haltung eines Klienten darstellen. Kann der Betroffene nicht die
Krankheit und die damit einhergehende Schwäche vor sich selbst eingestehen, so
wird er auch auf keinen Fall seine Problematik nach außen hin, sprich: gegenüber
einem Dritten bekannt geben. Das hier genannte Hindernis tritt, so Schürmann, vor
allem bei Klienten auf, die von Dritten als hilfsbedürftig angesehen werden, etwa von
Nachbarn, Freunden oder auch der Polizei und sich nicht als Selbstmelder die
Einrichtung aufsuchen.
Nach Schürmann liegt hier die Entscheidung über die Gestaltung der Kooperation
beim Helfer. Der Entschluss des Klienten ist schließlich bereits gefällt. So liegt es im
Ermessen des Beraters resp. Helfers, inwieweit er auf denjenigen zugeht, der
35 Schürmann, 1993, S. 157-167
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 35
eventuell aktiv keine Hilfe sucht. Schürmann betont, dass Grundlage jeglicher
Kooperation natürlich die Kontaktaufnahme mit dem Klienten sein muss. Um eine
grundlegende Kommunikation herstellen zu können, wurde im Workshop die
Nivellierung zwischen Klient und Helfer als erfolgreichster Ansatzpunkt evaluiert. Ein
erster Austausch in der Hilfsbeziehung zwischen Berater und Klient könne nur durch
einen möglichst herrschaftsfreien Diskurs erreicht werden. Schließlich müsse ein
vertrauensvoller Kontext, frei von Schuldzuweisungen, erreicht werden, um dem
Klienten die Angst vor Schuldzuweisung zu nehmen, der wohl häufig Nachteile für
seine Person befürchtet, wie bspw. soziale Ausgrenzung aufgrund seiner
individuellen Problematik. Schürmann schlägt „das Ansprechen der Befürchtungen
und die Klarstellung der eigenen Rolle“36 vor, um Misstrauen auszuräumen.
6.2. Verstehen der Gründe einer suizidalen Handlung [Thomas Thoß]
Aufbauend auf der vorhergehenden Schilderung der Annäherung im Falle einer
verweigernden Grundhaltung des Klienten erläutert Schürmann die Ansätze einer
Arbeit mit Klienten, die nach einer suizidalen Handlung in die Hilfsbeziehung
eintreten. Hier kennt sie vier Qualitäten, die die Interventionspraxis auszeichnen:
• Diagnose: der Berater evaluiert die suizidale Rezidivrate seines Klienten.
• Problemklärung: Welche Problematik liegt beim Klienten vor, warum hat sie
ihn zum Suizidversuch geführt. Der Fokus kann hier entweder auf einer
Einzelsituation liegen, die quasi affektiv zum Suizidversuch führte oder aber
auf einer multifaktoriellen Herleitung, sprich mehrere Ereignisse, die eine
unerträgliche psychische Befindlichkeit des Klienten auslösten oder zu einer
„desolaten Lebenssituation“ führten. Beiden gemein ist der Versuch einer
Aufklärung über die Faktoren zu erhalten, die die individuellen
Bewältigungsstrategien des Klienten überforderten.
• Katharsis: Der Klient soll Erleichterung durch Aussprache seiner Gefühle wie
Ängste und Belastungen finden.
• Motivation: Gemeint ist hier der Aufbau einer Motivation für den Helfenden,
ein Ziel, dass es in der Hilfsbeziehung zu erreichen gilt. Schon die Erkennung 36 ebd., S. 160
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 36
des Problems oder der Kommunikationsbarriere als erreichtes Ziel könne
nach Schürmann Entlastung bieten.
Das weitestmögliche Verstehen der Handlung kann als Konsequenz auch die
Reduzierung der Komplexität des Falles haben, die Bearbeitung kann damit besser
strukturiert werden, etwa nach Faktoren, die in großer Interdependenz mit dem
Suizidversuch stehen und Auslöser, die einen sekundären Handlungshintergrund
darstellten.
Das Verstehen beinhaltet bei Schürmann auch die Unterscheidung zwischen der
Situation des Klienten vor dem Versuch und seinem Zustand danach.
Veränderungen werden in das Verständnis miteinbezogen und können beurteilt
werden.
Eventuell ist die potenzielle, eingetretene Veränderung eine Momentaufnahme, quasi
als „Reaktion auf den Schreck“. Der Berater kann dann die Veränderung nur
bewerten, wenn er viel Zeit zur Kontrolle seiner Hypothesen bzgl. der Veränderung
besitzt..
Da Zeit hierzu oftmals unzureichend vorhanden ist, wäre ein weiter Ansatz, mit dem
Klienten zu evaluieren, wie er sich Hilfe holen kann, wenn eine Krisensituation
eintritt. Zumal eine lange Hilfsbeziehung durch den Klienten als überflüssig
empfunden werden kann.
Schürmann baut ihren Verständnisbegriff auf das nähere, soziale Umfeld des
Suizidgefährdeten aus. Hier mangele es oft am Verständnis für den Tatversuch.
Systemische Beratung im Kreis der Familie könne hier den Druck der Angehörigen
entlasten.
Die Situation eines Jugendlichen nach dem Suizidversuch kann sich dahingehend verändern, dass sich etwa seine Beziehungen in der Familie ändern. Der Suizidversuch stellt einen Hilfeschrei dar, der von der Familie wahrgenommen wird. Dies wiederum kann zu mehr Beachtung in der Familie führen und den Betroffenen aus einer vormals isolierten Stellung heraushelfen.
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 37
6.3. Bearbeitung einer Gefährdung [Thomas Thoß]
Schürmann erläutert wiederholend in ihren Gedanken zur Arbeit in einer
Gefährdungssituation, dass vier Punkte vorrangig zu beachten sind.
• Aufbau einer Beziehung (vgl. Kapitel 6.1)
• Einschätzung suizidaler Gefährdung (vgl. Kapitel 6.2)
• Entlastung, etwa durch Katharsis (vgl. Kapitel 6.2)
• Herstellung eines längerfristigen, schützenden Kontextes (vgl. Kapitel 6.2)
Problematisch innerhalb dieser Bearbeitungsphasen ist die eigene Angst des
Beraters und Helfenden. Die Autorin spricht hier die Abgrenzungsfähigkeit
gegenüber des Klienten an. Es müsse ihm möglich sein, die eigene Angst zu
reflektieren, einerseits zu Beginn der Hilfsbeziehung, andererseits auch während
deren Verlauf. Er solle sich selbst hinterfragen, ob sich Ängste während der Beratung
verstärken oder ändern. Schließlich stelle die eigene Angst eine Barriere in der
Kommunikation mit dem Klienten dar. Auf unkontrollierter Ebene führe sie zur
vermeidenden Haltung, der Helfer lässt sich in den Bann der Ängste des Klienten
ziehen und reflektiert weniger einen professionellen Hilfeplan als die Möglichkeiten,
das ihm selbst etwas Ähnliches passieren könne. Die Angst um den Klienten kann
sich auch in sehr langen Gesprächen mit dem Betroffenen widerspiegeln, deren
Grund in der Unsicherheit des Beraters liegen kann, ob dem Patient durch die
Intervention auch wirklich geholfen ist. Viele Helfer verwenden hier die
Interventionsmaßnahme des Vertrages des Klienten mit sich selbst: sobald dieser
spüre, dass er in eine Krisensituation driftet, solle er sich Hilfe holen. Allerdings nur
dann, wenn es „in die Welt des Klienten passt.“37
37 ebd., S. 164
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 38
6.4. Bearbeitung eines Problems [Thomas Thoß]
Unter der Bearbeitung eines Problems versteht Schürmann diejenigen
Hilfsbeziehungen, in denen ein Erstkontakt mit dem Klienten vorliegt, dessen
Problematik erfasst und bewertet werden soll. Die Lösungsentwicklung sah innerhalb
der im Workshop vorgetragenen Fallbeschreibungen bei Schürmann immer eine
Weitervermittlungsempfehlung vor, die der weiterführenden Bearbeitung der
klientenseitigen Problematik dienen sollte. Im folgenden Abschnitt 6.5 möchte ich
dann die von Schürmann geschilderten Vorgehensweisen und Problemstellungen in
der Arbeit mit dem vermittelten Klienten zeigen.
Zur Problembearbeitung und Lösungsentwicklung erörtert Schürmann ein fünf
Punkte umfassendes Prinzip, dem ich hier parallel ein fiktives Beratungsgespräch
gegenüberstellen möchte.
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 39
Bsp.05 Paradigma nach Schürmann Modellhafte Umsetzung
Schilderung
Der Klient trägt seine Problemlage vor, schildert,
welche Faktoren ausschlaggebend für die
Schwierigkeiten waren und stellt Thesen auf, wie
eine mögliche Lösung aussehen könnte.
Klient B. besucht Beraterin A. in der Krisenberatungs-stelle. Er schildert seine Alkoholproblematik. Er habe
mit dem Trinken angefangen, nachdem seine Ehe geschieden wurde. Seine Arbeitsstelle wurde ihm
gekündigt, da er wiederholt morgens nicht pünktlich seinen Dienst angetreten habe. Das Geld werde ihm
langsam knapp und er habe Angst, dass er die Verfügbarkeit von Alkohol nicht mehr sichern kann und damit
erneut Halluzinationen bekomme, wie es ihm erst vor kurzem wieder geschehen sei.
Rekapitulation Der Berater rekapituliert den Sachverhalt wiederum
und redefiniert in einem folgenden Schritt das
Problem.
Beraterin A. klärt über ihre Vermutung auf, dass B. unter einer Alkoholabhängigkeit leide, den er selbst
kaum mehr kontrollieren kann. Sie sieht das Auftreten von Halluzinationen als sehr problematisch, und
erklärt die schädlichen und evtl. sogar letalen Folgen eines Delirium tremens. Sie zeigt Mitgefühl für die
Scheidung der Ehe, erklärt aber gleichermaßen, dass der Alkohol an dieser Sachlage nichts ändern,
sondern sie gegenteilig noch verschlechtern wird, etwa durch den Verlust des Arbeitsplatzes. Nach
eingehender Befragung des Klienten erörtert sie, dass sie vermute, dass B. die Kraft fehle, eigenmächtig
vom Alkohol Abstand zu nehmen.
Akzeptanz Der Klient muss in einem Folgeschritt die
Redefinition des Problems akzeptieren.
B. bestätigt, wie schwer es ihm falle, keinen Alkohol mehr zu sich zu nehmen, da die Entzugserscheinungen
ihn fast ohnmächtig werden ließen. Dennoch denkt er, er könne es alleine schaffen. Die Beraterin A. klärt
befragt ihn, welche Kompetenzen er denn besitze, die ihn diesen Entzug ermöglichen würden – vor allem in
Hinblick auf die von B. geschilderte Ohnmacht in den verbliebenen, „trockenen“ Zeiträumen. B. erkennt
daraufhin, dass er kaum genügend Kraft aufbringen könne, den Entzug eigenmächtig durchzuführen.
Lösungsansatz Der Berater erarbeitet dann mit dem Klienten einen
möglichen Lösungsweg.
Beraterin A. schlägt vor, den Entzug in einer soziotherapeutischen Einrichtung durchzuführen. Hier habe er
eine durchgängige Betreuung, er müsse die Ohnmacht nicht mehr in dem Maße befürchten, wie er sie zu
Hause gefühlt habe, denn in der Einrichtung sei jederzeit seine Betreuung gesichert. Hier könne man ihm
auch zeigen, wie er die Entzugserscheinungen aus eigener Kraft wieder besser kontrollieren könne.
Verarbeitung Es folgt dessen Verarbeitung durch den
Ratsuchenden.
B. willigt obgleich seiner, von ihm selbst erkannten, schwierigen Lage in die Therapie ein. Er will es sich
aber noch einmal in Ruhe überlegen und dann erneut mit der Beraterin Kontakt aufnehmen.
In dieser Situation liegt es im Ermessen der Beraterin, entweder auf die Verlässlichkeit des Klienten B. und
dessen erneuten Besuch zu hoffen, oder aber ihn gleich zu einem ersten Informationsaustausch mit der
Einrichtung zu ermuntern, etwa durch ein Telefonat, in der ein Termin für eine Besichtigung vereinbart wird.
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 40
Natürlich kann ist oben gezeigte Darstellung in der modellhaften Umsetzung sehr
verkürzt und geradezu idealtypisch. In der Realität wird beim Klienten erst ein sehr
hohes Maß an Leidensdruck erreicht werden müssen, bis er entweder erstens die
Hilfe in der Kriseninterventionseinrichtung sucht und zweitens darüber hinaus in die
Behandlung in der soziotherapeutischen Einrichtung einwilligen wird. Schürmann
umschreibt ebenso, dass sich viele Berater schon in der gezeigten Phase der
Planung einer Weitervermittlung viel Zeit für den Klienten lassen, anderweitig könne
man das Problem kaum in all seinen Ausprägungen erfassen. Schließlich sei zu
bedenken, dass oftmals erst eine Vertrauensbasis zwischen Berater und Klient
geschaffen werden müsse, um letzteren wirklich von der Notwendigkeit einer
Weiterbehandlung durch Dritte überzeugen zu können.
In der gezeigten Verarbeitungsphase könne die direkte Weitervermittlung, wie etwa
das Angebot eines gemeinsamen ersten Besuchs in der Einrichtung wenn akute
Gefahr im Verzug sei von Vorteil sein, so etwa bei Psychosen oder gegenwärtiger
Suizidgefährdung. Die Erfahrung habe gezeigt, dass nur wenige Klienten einen
weiteren Anlauf zu einer Beratungsstelle in Angriff nehmen. Bei einer sofortigen
Vermittlung muss der Klient sich nicht erneut überwinden, die Beratungsstelle in
Anspruch zu nehmen.
6.5. Bearbeitung eines Auftrages [Thomas Thoß]
Wurde in Kapitel 6.4 der Umgang mit einem Klienten geschildert, der erstmalig in das
soziale Hilfsnetzwerk eintritt, so soll hier nun die Arbeit mit dem Bereits durch eine
vorausgehende Instanz vermittelten Hilfesuchenden erörtert werden. Schürmann
spricht dabei vom Hilfsauftrag, etwa durch eine dritte Beratungsstelle38. Als
problematisch erarbeitete der Workshop Schürmanns hier vor allem die Tatsache,
dass durch den vermittelnden Auftraggeber die Hilfe vorstrukturiert wird: Einerseits
werde häufig eine bestimmte Vorstellung der Bearbeitung vermittelt, andererseits
werden Vorab-Informationen über den Klienten geliefert, die schon im Vorfeld ein
bestimmtes Bild der Hilfsbedürftigkeit vermitteln. Hier hing von der
Kooperationsfähigkeit der involvierten Interventionseinrichtungen ab, ob und wie die
Zuschreibung der Hilfsbedürftigkeit des Klienten geschieht.
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Seite 41
Hier zeigt sich die einengende Problematik eines Hilfsauftrages, der von einer
zweiten Hilfsinstanz herbeigeführt wird. Der Betreuer, der ein bestehendes
Hilfssystem erarbeitet hat, bekommt einen konträren Hilfsauftrag von einer dritten
Stelle, i.d.F. des Vormundschaftsgerichts. Auf den Zuweisungsprozess des Gerichtes
kann er keinen Einfluss mehr nehmen, da hier vor allem die laufenden,
zivilrechtlichen Klagen berücksichtigt wurden. Der Auftraggeber ist im geschilderten
Fall das Vormundschaftsgericht, das einen Auftrag an den Betreuer zur weiteren
Bearbeitung der Hilfslage des Klienten abgegeben hat. Dennoch setzt es diesen
Auftrag unter enge Richtlinien. Verhält sich der Klient innerhalb seiner Betreuung
nicht adäquat der vom Gericht vorausgesetzten Richtlinien, so kann es einschreiten
und die vom Betreuer im Hilfeplan geschaffenen Richtlinien aussetzen. Hier engt
natürlich der Auftraggeber die Arbeit des Auftragnehmers ein.
Im Workshop Schürmanns wurde diese Problematik häufig angesprochen. Die von
ihr bevorzugte Strategie ist die der weitestgehenden Kooperation zwischen den
einzelnen Auftraggeber und -nehmer. Sie sollen gemeinschaftlich auf den
Zuweisungsprozess der Hilfsbedürftigkeit des Betroffenen Einfluss nehmen können.
Im genannten Beispiel wäre etwa ein Zusammentreffen von Betreuer, Richter, 38 ebd., S. 165
Der Betreute M. leidet unter einer paranoiden, schizophrenieformen Psychose. Er lebt alleine in seiner Wohnung, versorgt sich zuverlässig selbst, hat aber immer wieder Probleme in der Öffentlichkeit. Wenn er in die Stadt zum Einkaufen geht, beschimpft er zahlreiche Passanten. Er vermutet, dass sie ihm nachspionieren. Häufig wurde er auch schon in Raufereien einbezogen, es laufen mehrere Klagen am Amtsgericht gegen ihn. Der Betreuer von Hr. M. versucht schon seit geraumer Zeit, ihn in wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Als tagesstrukturierende Maßnahme besorgte er einen Platz in einer psychosozialen Einrichtung für ihn, in der er unter sozialpädagogischer und psychologischer Betreuung den Umgang mit anderen Menschen bspw. beim gemeinsamen Bereiten des Mittagessens erlernen sollte. Mittlerweile besucht M. die Einrichtung regelmäßig jeden Wochentag und scheint sich lt. Aussage der Mitarbeiter schon gut in die Gruppe integriert zu haben. Das Vormundschaftsgericht hingegen wurde über die laufenden Verfahren gegen M. informiert. Es sieht in ihm eine Gefährdung für sich selbst und die ihn umgebenden Menschen. Nach Rücksprache mit dem Betreuer nimmt der zuständige Richter zur Kenntnis, dass M. sich zwar mittlerweile gut in die Tagesgruppe eingefügt habe. Dennoch entscheidet er in Rücksprache mit dem zusätzlich beauftragten Arzt der psychiatrischen Institutsambulanz, M. aufgrund der potenziellen Gefahr zunächst stationär in eine psychiatrische Heilanstalt einzuweisen und dort seine Medikation neu einzustellen . Er könne es nicht verantworten, M. am öffentlichen Leben teilnehmen zu lassen. Es sei als positiv zu betrachten, dass M. sich gut in die Tagesgruppe eingefügt habe. Dennoch handele es sich hierbei um einen geschlossenen und zudem unter stetiger Betreuung stehenden Personenkreis, der nicht vergleichbar mit dem öffentlichen Leben sei. Der Betreuer befürchtet nun, dass sein Klient die erlernte Selbstständigkeit verlieren könne, da er in der Klinik in keiner Weise mehr Verantwortung für sein eigenes Leben trage. Seine Aufgabe für die Zukunft wird sein, den Hilfeplan wahrscheinlich gänzlich zu revidieren und abzuwarten, wie sich M. nach seiner Entlassung verhalten wird.
Tania Prange Thomas M. Thoß
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Ambulanzarzt und ggfs Klienten ratsam gewesen, das als Zielsetzung die
Erarbeitung eines gemeinsamen Hilfeplans hat.
Tania Prange Thomas M. Thoß
Krisenintervention Schriftliche Ausführung des Referates Literatur
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Wien; Zürich: Duden Verlag, 1992 Encarta Enzyklopädie, 2001. Golan, Naomi: Krisenintervention. Strategien psychosozialer Hilfen. Freiburg i.B.:
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