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April 2002 Heft 2/2002 ISSN 0947-1049 Das Testosteron der Thomaner Das Kunstherz ohne Kasten Papyrusforscher: Auch in den Lücken lesen CeBIT-Nachlese: Die Erinnerung wird gefunkt Gadamer: Ein Weiser in finsteren Zeiten Stadtentwicklung: Dynamisch ins Dilemma? UNIVERSITAT LEIPZIG journal Buchmesse / Sonderausstellung
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April 2002 Heft 2/2002 ISSN 0947-1049

Das Testosteronder Thomaner

Das Kunstherzohne Kasten

Papyrusforscher:Auch in den Lücken lesen

CeBIT-Nachlese:Die Erinnerung wird gefunkt

Gadamer:Ein Weiser in finsteren Zeiten

Stadtentwicklung:Dynamisch ins Dilemma?

UNIVERSITAT LEIPZIG

journalBuchmesse / Sonderausstellung

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UniVersumNachrichtenInterview: Das Testosteron der ThomanerRektor Bigl wurde 60Ostwaldsche Farbenlehre„Fromm – fremd – barbarisch“: Ausstellungzur Religion der Kelten

GremienSenatssitzungen, u. a.: der Hochschulkonsens

ForschungKunstherz ohne KastenModellfall Weiße ElsterTierversuche vermeiden helfen

Fakultäten und InstituteStadtentwicklung: Dynamisch ins Dilemma?Malen zur Musik, Musizieren zur MalereiWeitere Nachrichten

StudiosiHochschulkonsens: Auf Einsicht hoffenSemesterticket: Fahren im Verbund?Große Aufgaben für kleinen Dolmetscher

UniCentral: MessenCeBIT: Die Erinnerung wird gefunktCeBIT: Lehrstuhl-Software ist marktreifBuchmesse: Europa und die Weltkonflikte

ForumLeserbrief zum Heisenberg-Beitrag

PersonaliaGadamer: Ein Weiser in finsteren ZeitenNachrufeKurz gefasstGeburtstageNeu berufenWeitere Nachrichten

Jubiläum 2009Papyrologen: Auch in den Lücken lesenPapyrus Ebers: Das Buch der SuperlativeRezepte aus dem Papyrus Ebers

Habilitationen und PromotionenAm RandeImpressum

Titelfoto : Armin Kühne

Messezeit – Man begegnet sich, kommt mit anderen ins Ge-spräch und erfährt Anregungen für das eigene Sein.

Die Universität Leipzig präsentierte auf der CeBIT 2002 zweiErgebnisse aus der Forschung. Zwei Ergebnisse, die hin-sichtlich des Entwicklungsstandes und der Zielstellung der Prä-sentation sehr unterschiedlich sind. Da ist auf der einen Seite„UniTel“ aus dem Institut für Software- und Systementwick-lung, das durch die strikte Trennung von Datenpool undSteuerprogramm nahezu perfekt auf unterschiedlichste An-forderungen von Interessenten anpassbar ist. Aufgrund derbegrenzten Kapazität des kleinen Entwicklerteams eine un-abdingbare Voraussetzung für die erfolgreiche Verwertung.Für das zweite Exponat „MEMOS – ein Gedächtnishilfe-system für Patienten“ aus dem Institut für Informatik und derTagesklinik für kognitive Neurologie bietet die Messe gute

Möglichkeiten, mit Fachbesuchernunterschiedlichster Couleur ins Ge-spräch zu kommen und Verbündete fürdie Praxisumsetzung zu finden.Bei der Eröffnung der CeBIT sagteBundesministerin Bulmahn, dass „Inno-vationen aus den Hochschulen schnel-ler auf den Markt gebracht werdenmüssen, um neue Märkte zu gewin-nen und zum gesamtwirtschaftlichenWachstum beizutragen“. Die Expo-nate der Universität Leipzig zeigenrecht gut, wie unterschiedlich die füreine Nutzung durch Dritte noch erfor-derlichen Aktivitäten sein können. Zur

Unterstützung des Wissens-, Forschungs- und Kompetenz-transfers hat das BMBF kürzlich weitere Fördermöglichkeitengeschaffen. So wurde u. a. das Hochschulpatentwesen re-formiert, mit dem Aufbau von Verwertungsagenturen begon-nen und die Existenzgründung aus den Hochschulen unter-stützt.

Die Forschungskontaktstelle im Dezernat für Öffentlichkeits-arbeit und Forschungsförderung hat sich mit einem Projekt-antrag an diesen BMBF-Initiativen erfolgreich beteiligt. In dennächsten zwei Jahren stehen der Universität erheblichefinanzielle Mittel zur Verfügung, um über die Sächsische Pa-tentverwertungsagentur die Verwertbarkeit von Forschungs-ergebnissen zu prüfen, diese erforderlichenfalls durch Pa-tente rechtlich zu sichern und Interessenten für die Nutzungzu gewinnen. Hier schließt sich der Kreis zu den Messen.Denn die sind eine gute Möglichkeit, marktnah die Resonanzauf neue Ergebnisse zu prüfen und mit dem Fachpublikum insGespräch zu kommen.

Roland KrauseSeit 1. Februar Leiter der Forschungskontaktstelle

EDITORIAL

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UNIVERSITAT LEIPZIG

Verbündete findenInhalt

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Bleibt alles andersLiebe Leser,Sie werden es schon bemerkt haben: Dasneue Semester bringt ein „neues“ Uni-Journal. Das Heft hat ein überarbeitetesLayout, das Modernität und Altbewährtesmiteinander verbindet. Charakteristischsind zudem die festen Rubriken, von denendie meisten neu sind. Ansonsten lässt sichdie Redaktion weiterhin von dem Willenleiten, ein informatives und zugleich unter-haltsames Heft zu gestalten.Die Zeitschrift trägt nun auch offiziell denNamen, der sich ohnehin bereits eingebür-gert hatte, Uni-Journal eben. Eine weitereNeuerung: Das Journal verzichtet künftigauf einen eigenen Veranstaltungskalender.Das Internet hat sich für Veranstaltungshin-weise als das beste, weil aktuellste und je-derzeit verfügbare Medium erwiesen. Nut-zen Sie daher bitte die vielfältigen Informa-tionen unter dem Punkt „Veranstaltungen“auf der Internet-Seite

http://www.uni-leipzig.de/struktur/info

Auf den letzten Seiten eines jeden Journalswerden Sie ab sofort bis zum 600-jährigenJubiläum der Universität im Jahre 2009Beiträge finden, die Geschichten um dieGeschichte der Universität Leipzig bein-halten. Dort werden Begebenheiten, Per-sonen, Gebäude, Sammlungen etc. ihrenPlatz haben, die für die Universitätsge-schichte bedeutsam waren bzw. sind.Möge das Uni-Journal Ihnen stets einLesevergnügen bereiten.

Ihr Carsten Heckmann, Redakteur

Nach vier Jahren Vorbereitung war es am8. Februar soweit: Mit jeweils drei symbo-lischen Hammerschlägen legten der Leip-ziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefen-see, der Staatssekretär im SächsischenWirtschaftsministerium Dr. WolfgangVehse und Uni-Rektpor Prof. Dr. VolkerBigl den Grundstein für die Bio City Leip-zig, das biotechnologisch-biomedizinische

Zentrum gegenüber der Deutschen Büche-rei. An das Zentrum werden hohe Erwar-tungen geknüpft, das zeigten auch dieReden bei der Grundsteinlegung. Wissen-schaft und Wirtschaft mögen, so hieß es,Leipzig in enger Symbiose zu einem füh-renden Biotechnologiestandort in Deutsch-land werden lassen – innovativ und unter-nehmerisch erfolgreich. Foto: Kühne

UniVersum

2 journal UNIVERSITAT LEIPZIG

ImpressumHerausgeber: Der RektorRedakteur: Carsten HeckmannRitterstr. 26, 04109 Leipzig,Tel. 0341/ 9 73 01 54, Fax 0341/ 9 73 01 59,E-mail : [email protected]. i. S. d. P. : Volker SchulteNamentlich gekennzeichnete Beiträge geben dieMeinung der Autoren wieder.Layout : Andreas Wendt, wpunktwSatz und Lithographie: DZA Satz und BildGmbH, AltenburgDruck und Binden: Druckerei zu AltenburgGmbH, Gutenbergstraße 1, 04600 AltenburgAnzeigen: Druckerei zu Altenburg GmbH, Tel. 03447/5550Verlag: Leipziger Universitätsverlag GmbHAugustusplatz 10/11, 04109 LeipzigTel./Fax: 0341/9900440Einzelheft : 1,50 eJahresabonnement (sieben Hefte) : 13,– e

In Fragen, die den Inhalt betreffen, wenden Siesich bitte an die Redaktion, in Fragen, die denVertrieb betreffen, an den Verlag.Nachdruck mit Quellenangabe gestattet. Beleg-exemplare erbeten.Redaktionsschluß: 22. 3. 2002ISSN 0947-1049

Grundstein für Bio City

Ein voller Erfolg war ein EU-geförderterKurs für Arbeitslose Akademikerinnen amInstitut für Pathologie der Universität Leip-zig. Vom 1. Januar bis 31. Dezember 2001absolvierten den Kurs insgesamt 26 Teil-nehmerinnen der Studiengänge Medizin,Biochemie, Chemie und Biologie. DasZiel: Im Berufsleben wieder Fuß fassen.Das Ergebnis: 22 Frauen haben, zum Teilnoch während des Kurses, wieder Arbeitgefunden. Einige sind an der Universitätgeblieben, einige arbeiten jetzt an anderenwissenschaftlichen Einrichtungen, einigesind in die Wirtschaft gegangen. Mancheteilen sich einen Arbeitsplatz, um Berufund Familie besser unter einen Hut bringenzu können. Was viele nach diesem Kurs bewegt,spricht Dr. Kristina Sass, Jahrgang 1949und eine der ältesten Teilnehmerinnen desKurses, aus: „Der Kurs war eine Riesen-chance, die man nutzen musste.“ Dr. Sass

war nach Biologie-Studium, Promotionund anschließender Berufstätigkeit amDeutschen Krebsforschungszentrum inHeidelberg mit ihrem Mann zunächst fürfünf Jahre nach Amerika gegangen undhatte sich seitdem vor allem ihren zweiKindern und dem Haushalt gewidmet.1998 zog die Familie nach Leipzig, wo ihrMann seit 1996 das Fachgebiet Genetik ander Universität Leipzig vertritt. Die Kindersind inzwischen erwachsen und sie trugsich mit dem Gedanken, wieder berufstätigzu werden. „Aber ein Wiedereinstieg ins Berufslebenist nach einer solchen Unterbrechung sehrschwierig“, meint sie. So kam ihr der Kurssehr gelegen, von dem sie aus den Medienerfahren hatte. „Es war mir sofort klar, dassich teilnehmen wollte, um wieder An-schluss zu gewinnen.“ Das bezieht Dr. Sasskeinesfalls nur auf die fachliche Qualifi-zierung, obwohl diese nicht zu unterschät-

Erfolgreicher Kurs für arbeitslose Akademikerinnen

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zen sei. „Die Eigeninitiative und Aktivität,die man durch die Kursteilnahme bewiesenhat, erhöhte die Chancen, einen Arbeits-platz zu bekommen beträchtlich“, ergänztsie. Sie nutzte eine Ausschreibung des Inter-disziplinären Zentrums für Klinische For-schung der Universität Leipzig und arbei-tet jetzt am Institut für Anatomie. DessenChefin, Prof. Dr. Katharina Spanel-Bo-rowski, freute sich besonders darüber, dasssie mit Hilfe von Drittmitteln einer Kolle-gin nach einer familiären Pause wieder denEintritt ins Berufsleben ermöglichenkonnte.Den Kurs mit einem bundesweit einmali-gen Konzept hatte seinerzeit PD Dr. An-drea Tannapfel in die Wege geleitet. Dasneue Lebensgefühl, was die Frauen durchden Kurs finden konnten, ist für Frau Dr. Tannapfel einer der interessantestenNebeneffekte des Kurses. Aber dieserbrachte noch mehr: „Wir haben den FrauenZugang zu den neuesten Techniken undGeräten geboten. Auch theoretisch konntensie wieder Anschluss gewinnen. Sie habenaber auch Zugang zu einem ganz neuenNetzwerk sozialer Beziehungen gefunden,die viele von ihnen auch in ihrer zukünfti-gen Arbeit nutzen können.“ Die Auftraggeber und Finanziers von Sei-ten der Europäischen Union waren beein-druckt vom positiven Ergebnis des Kurses.Sie haben gleich einen Anschlusskurs ge-nehmigt, an dem nun auch fünf Männerteilnehmen dürfen. Der Kurs begann am1. März. Dr. Bärbel Adams

Studium universaleHomo faber –der arbeitendeMenschDas Thema „Arbeit“ steht im Blickpunktdes Studium universale im Sommersemes-ter. Dabei geht es um soziale und persön-liche Aspekte der Arbeit und damit auchum ihre gesellschaftspolitische Dimension.Im Mittelpunkt steht somit das Indivi-duum, homo faber, der arbeitende Mensch.Erstmals kooperieren die Hochschulen des Universitätsverbundes Halle–Leipzig–Jena auch im Studium universale.Die erste Veranstaltung des Sommerseme-sters findet am 17. April statt, wie immerum 18.15 Uhr, im Hörsaal 21 des Hörsaal-

gebäudes Universitätsstraße. Prof. BirgitPfau-Effinger beginnt mit einem Thema,das unsere Zukunft impliziert, unsere Kin-der. Er hinterfragt „Volle Arbeitsmarktinte-gration oder geteilte Elternschaft?“ undgeht auf differierende Entwicklungspfadeder Familie in Europa ein.

Pfau-Effinger geht davon aus, dass sich dieFamilie trotz aller Turbulenzen des sozia-len Wandels in den letzten Jahrzehnten alseine erstaunlich stabile soziale Einheit er-wiesen hat. Natürlich war sie auch Verän-derungsprozessen unterworfen. Dabei be-stehen aber im Vergleich europäischer Ge-sellschaften erstaunliche Differenzen imHinblick darauf, welche Familienformenjeweils die vorherrschenden sind, und anwelchen kulturellen Leitbildern zur „idea-len“ Form der familiären Lebensführungsich die Menschen orientieren.Nach dieser Auftaktveranstaltung folgentheologische Überlegungen zu „Gott arbei-tet – ‚dass ihm die Haut raucht‘ (MartinLuther)“ von Prof. Trowitsch aus Jena so-wie „Migration und Arbeitsmarkt“ vonProf. Steinmann aus Halle. Insgesamt neunVorträge zum Thema sind im Sommer-semester zu erwarten. Der Arbeitsmedizi-ner Prof. Schreinicke aus Leipzig fragt„Macht Arbeit krank?“ und die PathologinProf. Andrea Tannapfel, ebenfalls ausLeipzig, spricht über ihre Arbeit – ein sel-tenes Angebot, da die Arbeit der Patholo-gen noch immer mit einem Tabu belegt ist.„Bioethik“, „Beruf und Berufung“, „Ar-beitsformen der Zukunft“ und „GlobalPlayers“ sind Reizwörter aus weiterenVorträgen, die alle den Nerv der Zeit tref-fen.

Dr. Bärbel Adams

Informationen im Internet:http://www.uni-leipzig.de/~univers/universale.htm

Heft 2/2002

AmRande

Das Auge isst mit, und in Leipzigs Men-sen essen viele Augen. Allein 6000sind es täglich in der Zentralmensa.Exklusive der unzähligen geistigen Au-gen, vor denen sich die gebuttertenMandarinen oder die FleischklopseMailänder Art präsentieren. Bevor dieEntscheidung fällt, ob sie eines realenBlickes würdig sind. Biobedürftige Augen fragen sich zudiesem entscheidenden Zeitpunkt in-zwischen wieder, ob sie einen Knick inder Optik haben. Haben sie nicht: DasBio-Essen ist nach kurzer Probephaseaus dem Blickfeld verschwunden. Aller-dings nicht, weil der Chefkoch die obder Großbetriebszwänge ergrautenBio-Kartoffeln nicht mehr sehen wollte.Sondern wegen eindeutig unter Fiel-mann-Niveau gebliebener Verkaufs-zahlen. Bio-Tonnen gibt es hingegen weiterhin,bis zu fünf volle am Tag. Darin: Daswenig ansehn-liche Ergebnisder Tatsache,dass die Augenoft größer sindals der Hunger.Oder was Bes-seres gesehenhaben wollenals der Gau-men dann ge-schmeckt hat.Wobei das gar nicht so oft vorkommensoll, wie allgemein kolportiert wird.Schließlich hat ja auch ein Chefkochein Auge aufs Essen, der schon im Für-stenhof und in Auerbachs Keller in dieTöpfe geschaut hat. Und der sich wie die Augen seinerGäste schon auf ein Ende der 70er-Jahre-Mensa-Optik freut; und sich überein Ende der Tablett- zugunsten der Tel-lerwirtschaft freuen würde; und vehe-ment bestreitet, dass die Schnitzel inanderen Mensen größer sind als amAugustusplatz. Alles eine optische Täu-schung, sagt er. Immer eine optische Enttäuschung, sa-gen viele über den Mensa-Besuch. DasAuge will eben wirklich mitessen. Aberwer kann sich schon satt sehen.

Carsten Heckmann

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Der „1. Workshop Kinder- und Jugend-stimme“ fand Ende Februar während des13. Interdisziplinären Leipziger Phonia-trie-Symposiums statt. Die Experten warensich einig: Die Singstimme braucht profes-sionelle Betreuung, medizinisch und päda-gogisch. Wie sie beim Leipziger Thoman-erchor gegeben ist. Über diese Betreuungsprach Carsten Heckmann mit dem Thoma-ner-Stimmarzt und Workshop-OrganisatorDr. Michael Fuchs. Zum Gespräch geselltesich auch ein Stimmbildner der Thomanerhinzu, Kammersänger Martin Petzold.

Journal: Herr Dr. Fuchs, wann habenSie zuletzt einen Thomaner untersucht?Fuchs: Vor zwei Wochen, es waren ja Fe-rien.

Worum ging es bei der Untersuchung?Fuchs: Es handelte sich um einen fastschon jungen Mann, der im Übergang vonder Hauptphase der Mutation, des Stimm-wechsels, in die Phase der sogenanntenPostmutation steht. Also eine Phase, in derdas eigentliche Wachstum des Kehlkopfesund damit auch die Verlängerung derStimmlippen abgeschlossen ist. Aber diegesamte neuromuskuläre Steuerung und

die kinästhetischen Empfindungen sindnoch nicht wieder stabil. Also das, was manauch als Sänger braucht, um ein Gefühl fürseinen Kehlkopf zu bekommen oder über-haupt für sein Stimmorgan. In der Phaseder Postmutation geht es dem Chorleiternatürlich um die Frage: Wann kann dieStimme wieder für den chorischen Bereicheingesetzt werden?

Worin sehen Sie dabei Ihre Aufgabe alsStimmarzt?Fuchs: In dem speziellen Fall ging es umdie Fragestellung: Ist es noch Mutationoder ist es schon Postmutation, sind alsodie Wachstumsveränderungen abgeschlos-sen? In der Gesamtsicht würde sich dieseFrage auf die Betreuung der professionel-len kindlichen Singstimme in Phasen derstimmlichen Instabilität beziehen. Dasheißt, die Behandlung soll nicht erst be-ginnen, wenn Probleme auftreten. Zwei an-dere Aufgaben des Stimmarztes sind dieBetreuung im akuten Erkrankungsfall,zum Beispiel bei einem Erkältungsinfekt,und eine Forschungsarbeit zur Kinder- undJugendstimme. Auch das gemeinsam mitden Gesangspädagogen, das hat unser Kon-gress ja auch gezeigt.

Ist denn die Zusammenarbeit immer soeinfach? Gibt es nicht auch kniffligeFälle, wo es im Interesse des Choreswäre, bestimmte Stimmen dabei zu ha-ben, der Stimmarzt sich aber dagegenausspricht?Fuchs: Solche Konfliktfälle gibt es. ZumGlück leben wir die nicht als Konflikt aus,sondern kommen zu einer gemeinsamenEntscheidung. Wir Stimmärzte sind durch-aus bereit, auf die aktuelle Situation imChor einzugehen. Wenn man sich daraufeinlässt, muss man der entsprechendenStimme aber dann große Aufmerksamkeitwidmen.Petzold: Wenn der Stimmarzt davon abrätbestimmte Knaben mitsingen zu lassen,kann das für einen Chor natürlich zuSchwierigkeiten führen, gerade wennwichtige Auftritte anstehen. Genau dasmüssen wir aber unterordnen. Es geht im-mer um das Wohl des Einzelnen.

Große Teile des Workshops waren derMutation, dem Stimmwechsel, gewid-met. Ist sie für einen Chor so etwas wieein Schreckgespenst?Petzold: Ja, unter dem Aspekt, dass dieMutation im Vergleich zu den Chorzeiten,

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Das Testosteron der ThomanerInterview mit Stimmarzt und Stimmbildner

Damit die Thomaner in stimmliche Hochform kommen, bedienen sie sich derKompetenz von Medizinern und Gesangspädagogen. Foto : Gert Mothes

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die unter Günter Ramin zum Beispiel wa-ren, also vor rund 60 Jahren, sehr frühbeginnt. Heute mutieren bereits Elf- undZwölfjährige. Damals war es noch mög-lich, mit 16- oder 17-jährigen Knaben auf-zutreten. das war natürlich ein ganz ande-res Fundament. Die brachten einen ande-ren Resonanzraum mit aufgrund ihrer Kör-pergröße und hatten auch ganz anderemusikalische Erfahrungen. Fuchs: Tatsächlich wird die Mutationdurch ihre Verlagerung nach vorn zumSchreckgespenst. Dadurch verschiebt sich,bei feststehenden Grenzen der Aufnahmein und des Ausscheidens aus dem Chor, dasGleichgewicht zwischen Knaben und Män-nerstimmen immer mehr zu Ungunsten derKnabenstimmen.

Was kann man da tun?Fuchs: Für die Chor-Besetzung gibt esverschiedene Strategien, dem Phänomenzu begegnen. Aufhalten können sie es janicht. Eine Strategie, die wir auch in einemWorkshop besprochen haben, ist: Mankann junge Männerstimmen, die sich sta-bilisiert haben, in der Altlage singen las-sen, mit einer speziellen Gesangstechnik,dem sogenannten Countertenor.Zweitens setzt man die Kinder in der soge-nannten Prämutationsphase gerne in denAltstimmen ein. Dort also, wo erste stimm-liche Veränderungen hörbar sind, das Kehl-kopfwachstum aber noch nicht so weit fort-geschritten ist, dass die stimmliche Leis-tung beeinträchtigt wird. Eine Kinder-stimme hat in dieser Zeit die maximaleStimmleistung.Da ist es nun ganz wichtig, den Zeitpunktdes Beginns der eigentlichen Stimmkrise,

also der Mutation, möglichst exakt deter-minieren zu können. Man darf ihn nichtverpassen und muss eine übermäßigestimmliche Belastung vermeiden. Und unsgelingt es sogar, die verbleibende Zeit biszum Eintreten der Mutation vorherzu-sagen. Damit stehen dem Chorleiter wert-volle Informationen zur Verfügung für dieBesetzung einer jeden einzelnen Knaben-stimme.

Wie kommen Sie zu Ihren Vorhersagen? Fuchs: Unsere Forschungen gehen zurückauf eine Studie, die wir mit den Thomanerndurchgeführt haben. Wir haben Sänger desThomanerchores über einen Zeitraum vondreieinhalb Jahren untersucht, bis sie weitin der Phase der eigentlichen Mutation wa-ren. Wir haben dabei stimmliche Parame-ter aufgezeichnet, aber auch Wachstums-parameter und Blutparameter, Hormone.Gerade von denen hatten wir uns erhofft,dass sie eine prädiktive Aussagekraft habenwürden. Als wir alle Sänger untersucht hat-ten, haben wir zunächst einmal den Zeit-punkt determiniert, an dem die Mutationwirklich begann. Das war unser ZeitpunktNull. Darauf haben wir sozusagen alle Kin-der normiert, unabhängig vom Alter, denndas kann ja unterschiedlich sein. Vom Zeit-punkt Null haben wir dann zurückge-schaut, um zu sehen: Was hat sich denn bisdahin signifikant verändert? Gibt es einenParameter, der Vorhersagen erlaubt? Wirhaben ihn gefunden, und da waren wir sehrglücklich darüber.

Nämlich welchen?Fuchs: Das männliche Geschlechtshor-mon Testosteron verändert sich so, dass,wenn ein gewisser Schwellenwert über-schritten wird, es noch so und so langedauert, bis die Mutation einsetzt. Wenn esden Wert von einem Nanomol pro LiterBlut erstmalig übersteigt, dauert es durch-schnittlich 16 Monate, bis das Kind in denStimmwechsel kommt. Bei zwei Nanomolsind es noch ungefähr neun Monate. Dassind wichtige Informationen, gerade auchfür Chorpädagogen und Chorleiter. Wenndie wissen, dass sie noch anderthalb JahreZeit haben, bis das Kind in den Stimm-wechsel kommt, dann werden sie das Kindlieber schon mal in der Altstimme beset-zen, die immer unterbesetzt ist. Dort „nüt-zen“ sie dem Chor noch anderthalb Jahreetwas. Wenn sie hingegen wissen, dassinnerhalb der nächsten Wochen der Stimm-wechsel vor sich geht, dann werden sie dasnatürlich nicht tun, weil das Kind es über-

haupt nicht schaffen wird, die Literatur zulernen. Andere Parameter haben wir auch noch ge-funden. Die Wachstumsgeschwindigkeitzum Beispiel. Der Fußpunkt des Wachs-tumsschubs, den wir alle kennen, liegt inetwa sieben Monate vor Beginn der stimm-lichen Krise. Zusätzlich gibt der Genital-status wichtige Informationen.

Das sind natürlich relativ aufwändigeUntersuchungen.Fuchs: Es gibt auch noch andere Möglich-keiten. Zum Beispiel haben wir einen In-dex untersucht, den Kollegen aus Belgienentwickelt haben und der aus einer Stimm-felduntersuchung hervorgeht. Auch dieserIndex verändert sich signifikant bereits vorder Mutation. Außerdem haben wir nach-weisen können, dass auch computerge-stützte Analysen mit dem Göttinger Hei-serkeitsdiagramm die Vorhersagen ermög-lichen.Wir in Leipzig untersuchen also in der Tateine ganze Reihe von Parametern, aber im-mer in der Zusammenschau mit den klini-schen Befunden. Bei diesem Symposiumhaben mir mehrere Kollegen gesagt: Gernewenden wir das Leipziger Verfahren an,zum Beispiel das Testosteron zu testen. Dashat mich sehr gefreut.

Was halten denn die „Betroffenen“, alsodie Thomaner, von den regelmäßigenUntersuchungen?Fuchs: In aller Regel tragen die das miteiner erstaunlichen Fassung. Natürlich istes nicht angenehm, zum Arzt zu gehen. DieKehlkopfuntersuchung zum Beispiel tutnicht weh, ist aber unangenehm. Man muss

Heft 2/2002

UniVersum

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Martin Petzoldwar selbst Thomaner von 1965 bis 1974.Heute gehört der 46-Jährige Kammer-sänger zum Solistenensemble der OperLeipzig und betreut als Stimmbildnereinige Thomaner.

Dr. med. Michael Fuchs war selbst Thomaner von 1978 bis 1987.Heute ist der 33-Jährige Facharzt fürHals-, Nasen und Ohrenheilkunde amUniversitätsklinikum und einer der dieThomaner betreuenden Ärzte.

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die Zunge raushalten, den Würgereizunterdrücken. Aber wir haben sowohl inunserer Studie als auch bei der Betreuunggenerell gesehen, dass, wenn man den Kin-dern Sinn und Zweck nahe bringt, durch-aus Interesse zu wecken ist. Die Kinderkommen dann zum Teil und sagen: Na, wieist denn mein Testosteronwert heute? Inprofessionellen Chören wie dem Thoma-nerchor ist es erfreulicherweise ohnehin so,dass das Interesse an einer gesunden Ent-wicklung der Stimme groß ist. Allerdingsmuss man auch hier wieder sagen: Das giltnicht ohne Weiteres für alle Kinder- undJugendchöre.

Sie waren ja beide auch selbst Thoma-ner. Wie haben Sie denn die kritischeZeit und die Zeit davor erlebt?Fuchs: Damals hatten wir natürlich nochnicht die Ergebnisse, die wir heute haben.Eine professionelle stimmärztliche Betreu-ung gab es aber schon. Ich selber habe dieZeit recht gelassen erlebt. Sie werden dadie meisten Thomaner fragen können, diefreuen sich auf diese Zeit des Stimmwech-sels. Das liegt auch einfach daran, dassman da mal ein bisschen Freizeit hat. Manwird ja von der aktiven Chorarbeit befreit.

Ich habe mich darauf gefreut, für mich wardas auch etwas Normales. Es kam auchniemand auf die Idee, mich zu hänseln, dasist in anderen Umfeldern schon wiederganz anders. In einer normalen Schulklassesteht man mitunter im Mittelpunkt des Ge-lächters, wenn die Stimme immer hin- undherschlägt.Petzold: In so einer Chorgemeinschaftwird vieles abgefedert. Auch sind vieleschädliche Umwelteinflüsse im Internat sonicht ausgeprägt, wenn ich zum Beispiel an Rauschmittel denke. Da sind auchandere Werte vorhanden. Das ist wunder-bar. Ich behaupte: In ein paar Jahrenwerden die Eltern Schlange stehen, damitihre Kinder ein gutes Internat besuchenkönnen.Fuchs: Im Nachhinein weiß man wirklich,wie wichtig es ist, während des Stimm-wechsels weiterhin ein Mitglied der Ge-meinschaft zu sein. Es gibt ja auch Chöre,in denen die Knaben mit Beginn der Mu-tation aus dem Chor ausscheiden. Dasheißt also, sie fallen gewissermaßen in einLoch. Auch bei den Wiener Sängerknabenist das so. Gemacht wird das meist auswirtschaftlichen Gründen, nicht aus bösemWillen.

Wenn entschieden ist: Diese Sängerkommen in die heiße Phase des Stimm-wechsels, man kann sie nicht mehr denhohen Belastungen aussetzen. Was ma-chen die dann?Petzold: Die Jungs wohnen wie die ande-ren auch weiter im Internat. Sie nehmen amChorleben ganz normal teil. Sie habendann eben andere Aufgaben. Sie gehenzum Beispiel mit einkaufen, sie holenDruckgenehmigungen ein und vieles mehr.Diese Jungs werden aber in kleinen Inter-vallen immer wieder zum Stimmbildnergebeten. Da bringt es nicht viel, wenn mansie einmal in der Woche 30 Minuten langunterrichtet, sondern es ist besser, sie drei-oder viermal in der Woche zu sehen unddann für jeweils zehn Minuten gezielteSprech- und Singübungen zu machen.

Herr Dr. Fuchs, Sie haben die wirt-schaftlichen Erwägungen angesprochen.Führen die nicht auch bei den Thoma-nern manchmal dazu, dass Herr Petzoldund der Thomaskantor zuweilen daraufdringen, Knaben wieder einzubinden,auch wenn sie die kritische Phase nochnicht ganz hinter sich haben?Fuchs: Das kommt schon vor. Aber damuss man dann standhaft bleiben und sa-gen: Das geht noch nicht. Aber wie gesagt:Wir machen das in einer ganz kollegialenDiskussion. Es ist ja auch durchaus nötig,bei diesen Knaben mal auszuprobieren, obsie der Belastung schon wieder gewachsensind. Da muss ich auch so flexibel sein,dass ich sage: Okay, von den Parameternher müsste die Stimme wieder belastbarsein. Aber schafft er die Belastung wirklichschon oder nicht? Das muss man dann inengmaschigen, das heißt wöchentlichen,Abständen prüfen.

Was kann der Thomaner denn auchselbst tun, um mitzuentscheiden?Fuchs: Zunächst einmal ist es wie gesagtwichtig, nichts zu tabuisieren und den Kin-dern alles zu erklären. Und ich muss dasKind sensibilisieren, selber auf seineStimme zu hören. Ein Problem, das es da-bei gibt, ist natürlich, dass die Kinder,wenn sie im Chor singen, eine geminderteauditive Kontrolle haben. Das heißt, siekönnen sich nicht so gut selbst beurteilen.Im Gegenteil: Dass die Umstehenden mit-singen, verleitet unter Umständen dazu, dienur eingeschränkt funktionsfähige Stimmeüberzustrapazieren. Hier ist der Stimm-bildner gefragt. Der kann dann sagen:„Hörst du das? Da ändert sich etwas an

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6 journal UNIVERSITAT LEIPZIG

Karikatur : Martin Petzold

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deiner Stimme. Die wird heiserer oder diewird rauer. Du schaffst die hohen Tönenicht mehr so …“ Ich muss das Kind alsodafür sensibilisieren. Petzold: Und dann ist es auch ganz eigen-artig, wenn man zwischendurch fragt ,HastDu wieder Lust zu singen?‘ und ein Knabesagt: Nee, noch nicht. Das entscheidet dieNatur. Die Lust kommt allmählich wieder.Dann merkt man: Aha, der ist soweit. Ob-wohl wir die Pause im Stimmbruch, die un-gefähr ein halbes Jahr andauert, gern aus-dehnen würden. Die Mutation verläuft jaweiter. Sie werden als junge Männerstim-men eingestellt, obwohl sie noch weitermutieren. Dann müssen sie sorgsam ge-führt werden, damit sie ihre jungen Män-nerstimmen nicht gleich wieder überbean-spruchen. Ich sage immer: Man muss alleserst mal aus dem Piano heraus verstehen.Das Piano ist das Keimblatt einer gesundenStimme, alles soll gärtnerisch wachsendürfen. Ich muss dann ungestüme Gemüteretwas zügeln – das mache ich aber gern.

Gibt es Probleme bei der Wiederein-gliederung in den Chor?Fuchs: Weil wir die Betreuung so opti-miert haben, haben wir zum Glück sehr sel-ten Probleme. Es gibt nur absolute Einzel-fälle, dass Kinder nach dem Stimmwechselnicht wieder mitsingen können, das heißt,dass man sie aufgrund stimmlicher Pro-bleme aus dem Chor ausschließen muss.Ich bin auch überzeugt davon, dass es nichtabsolute Ausnahmen wären, wenn wirnicht diese Prophylaxe betrieben, die javielleicht einem Laien relativ aufwändigerscheint. Wir wollen eben aus einer quali-tativ guten Knabenstimme eine qualitativgute Männerstimme machen.

Ist denn immer gewährleistet, dass auseiner guten Knabenstimme eine guteMännerstimme wird?Petzold: Nein. Das ist auch noch so einPhänomen, das erforschenswert ist. Eskommt eben auch immer darauf an, wanneine gute Knabenstimme aufhört zu sin-gen. Die Gefahr ist, dass eine gute Kna-benstimme ganz lange gebraucht wird, weiljeder Chorleiter dankbar ist, wenn er sielange hat. Wenn sie kurz vor dem Stadiumsind, wo sie nicht mehr singen können,dann haben die einen wunderschönen Ton.Das ist eben die gefährliche Zeit. Ansons-ten gilt: Es ist oft so, dass eine gute Män-nerstimme hervorkommt, muss aber nichtso sein. Es bildet sich ja etwas ganz Neues,und nicht nur im Kehlkopfbereich.

Der Rektor der Universität Leipzig, Prof.Dr. Volker Bigl, wurde am 13. Februar 60 Jahre alt, und die lange Schlange derGratulanten, die sich durch das Rektorats-gebäude zog, verdeutlichte die hohe Wert-schätzung, die ihm Universität und StadtLeipzig entgegenbringen. In seiner Lauda-tio auf den Jubilar hatte Kanzler Peter Gut-jahr-Löser im Rückblick auf den Neube-ginn der Universität nach dem politischenUmbruch die Bereitschaft von Volker Biglgewürdigt, sich mit ganzer Kraft für denNeuaufbau der Alma mater zur Verfügungzu stellen. Dafür habe ihn nicht nur präde-stiniert, dass er zu den großen Leistungs-trägern unter den Forschern der Universitätzählte, sondern auch, dass ihm von allenSeiten Lauterkeit und Pflichtbewusstseinzugesprochen wurden. Diese Eigenschaf-ten haben dann auch den Ausschlag gege-ben, dass Prof. Bigl – fernab von jedemEhrgeiz auf akademische Ämter – zunächstdie Leitung des Paul-Flechsig-Instituts fürHirnforschung und dann auch Verantwor-tung als Prodekan und Dekan der Medizi-nischen Fakultät und schließlich ab 1. De-zember 1997 als Rektor der UniversitätLeipzig übernahm. Mit dem Beginn derzweiten Amtszeit als Rektor im Dezemberdes Jahres 2000 fiel auch die Übernahmedes Vorsitzes in der Sächsischen Landes-hochschulkonferenz zusammen.Der Rektor dankte den zahlreichen Gratu-lanten des universitären und öffentlichen

Lebens von Stadt und Land – unter ihnenStaatsminister Meyer, Regierungspräsi-dent Steinbach, Dekane und Senatoren derUniversitäten, Ehrensenatoren und Ehren-bürger, Abgesandte der Stadt, Rektorenanderer Universitäten, Repräsentanten derMesse, der Sächsischen Akademie derWissenschaften – für die guten Wünscheund wertete sie insbesondere als Zeichender Verbundenheit mit der UniversitätLeipzig. Ein Wunsch für die Zukunft sei es,die Dialogfähigkeit zwischen gesellschaft-lichen Bereichen, Disziplinen und Kultu-ren wieder stärker auszuprägen. Die aufseine Bitte hin erfolgte „Umwandlung“ derpotentiellen Geburtstagsgeschenke inSpenden zur Unterstützung ausländischerStudierender – auf dem eigens eingerichte-ten Sonderkonto des Fördervereins gingenrund 3500 Euro ein – wertete er dankbarals Zeichen für diesen Dialog, der auch undgerade zwischen den Kulturen zu führensei und in dem wir gleichermaßen Gebendeund Nehmende seien. Und an die Univer-sitätsangehörigen gerichtet dankte er fürdie stets vertrauensvolle Zusammenarbeit,getragen von einer selten gewordenen kol-lektiven Verantwortung für das Ganze.Ohne sie wäre es beispielsweise undenk-bar, neue wissenschaftliche Arbeitsgebietean der Universität in einer Zeit aufzubauen,da den sächsischen Hochschulen ein dra-matischer Stellenabbau ins Haus steht.

V. S.

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Herzliche Glückwünsche gab es auchvon den Studenten. Foto : Kühne

Die Universität feierte:Rektor Bigl wurde 60

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Diskussion mitEU-Kommissarin

Was wäre eine Diskussionsveranstaltungohne eine – mit dem Blick auf den kom-menden Vortrag – der Kritik und demZweifel Raum gebende Einleitung? Prof.Dr. Georg Vobruba, Institut für Soziologieder Universität Leipzig, handelte entspre-chend und benannte am 17. Januar 2002vor dem Vortrag von Frau Dr. MichaeleSchreyer, Mitglied der Europäischen Kom-mission, zuständig für den Haushalt, dreiProblemgruppen im Zusammenhang von

Integration und Erweiterung der Europäi-schen Union: Probleme der großen Zahl,Probleme der großen Unterschiede undProbleme durch ein großes Versäumnis,nämlich das, ein politisches Großprojektals Elitenprojekt und ohne einen breit ge-tragenen politischen Prozess zu verwirk-lichen zu suchen. Dagegen stand die vonFrau Dr. Schreyer vehement vertreteneThese: Durch die Erweiterung wird diepolitische Stabilität der EU gestärkt! In denMittelpunkt ihrer Ausführungen stellte siedie Fortführung des Integrationsprozessesund nannte als Beispiele die Vollendungdes Binnenmarktes, eine gemeinsame eu-ropäische Währung, verstärkte Koordina-tion der Wirtschafts- und Finanzpolitik undSchaffung eines gemeinsamen Raumes derSicherheit, der Freiheit und des Rechts!Die rege Diskussion im vollbesetzten Hör-saal des Geschwister-Scholl-Hauses ver-deutlichte, dass es keinen Zweifel darangibt, dass das Projekt Europa weiter voran-kommen wird. Aber immer wieder wurdeauch die Überzeugung geäußert, dass dieanstehenden Probleme der Integration undErweiterung Europas nur durch eine natio-nalstaatliche Selbstentmachtung zwecksSteigerung der europapolitischen Hand-lungsfähigkeit gelöst werden können. Einekomplizierte Voraussetzung … V. S.

Die Universität Leipzig erhielt aus Privat-besitz Arbeiten und Gegenstände zur Ost-waldschen Farbenlehre im Wert von über150 000 DM zum Geschenk. Im Rektoratder Universität wurde kürzlich zwischenDr. Arne Fuchs aus München und RektorProf. Dr. Volker Bigl ein entsprechenderVertrag unterzeichnet. Der Vater desSchenkers, Dipl.-Ing. Erhardt Fuchs, hattesich als Rationalisierungsingenieur imZusammenhang mit Produkt-, Raum- undGebäudegestaltung in den 1930er Jahrenintensiv mit der Farbenlehre von WilhelmOstwald und deren praktischer Anwendungbefasst und hierfür nötige Geräte (Farb-pyramide, Farbkästen, Farbtafeln, Farb-drehscheiben, Vergleichstafeln u. a. m.) so-wie Schriften und Bücher zur Farbanwen-dung erworben. Dabei hatten sich auchVerbindungen zur Familie des ab 1906 inGroßbothen ansässigen Nobelpreisträgersergeben. Die Universität verpflichtet sich,die erhaltenen Gegenstände der Wilhelm-Ostwald-Gedenkstätte in Großbothen unddamit einer sinnvollen Nutzung zur Ver-fügung zu stellen, verbunden auch mit derHoffnung, wie der Rektor sagte, dass derFreistaat bis zum 150. Geburtstag Ost-walds im Jahre 2003 dessen Besitz inGroßbothen wieder der Universität zu-führt.Ostwald, der sich im Auftrag des Deut-schen Werkbundes ab 1914 systematisch

mit dem Phänomen Farbe befasst hat, zähltauch aus heutiger Sicht zu den wichtigstenPionieren der Farbwissenschaft. Seine Be-streben war es, durch eine quantitativ be-gründete Chromatik „genormte“, also ge-setzmäßig reproduzierbare Farben her-zustellen. Durch seine Messungen gelanges, mathematisch genau bestimmbare unddamit unverwechselbare Farbbezeichnun-gen einzuführen. Den verschiedenen Nut-zern stellte er auf dieser Grundlage spe-zielle Arbeitsmaterialien zur Verfügung, soz. B. einen großen Farbenatlas mit über2500 eingestellten Farben, einen Kunstsei-denatlas, Woll- und Seidenkataloge für dieTextilindustrie, Messstreifen für das Him-melsblau für Meteorologen, Messvorlagenfür die Herstellung künstlicher Augen,einen Haut- und Gewebefächer mit über1000 Farbproben für die Gerichtsmedizi-ner bis hin zu Farbtafeln für Kanarien-vogel- und Blumenzüchter. Für die Schu-len wurden nach den Ostwaldschen Nor-men eingerichtete Malkästen hergestellt. Ostwald selbst war der Meinung, dass ermit seiner Farbenlehre das alte Problemvon der Harmonie der Farben grundsätz-lich gelöst habe. Wie er in einem Brief aneinen Kollegen schrieb, habe er „ungefährfünf Jahre unausgesetzt und mit aller An-spannung an dieser Sache gearbeitet“; erglaube, „es ist das beste geworden, was ichin meinem Leben gemacht habe“. V. S.

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Michaele Schreyer Foto: Kühne

Universität erhielt Gegenständezur Ostwaldschen Farbenlehre

Der Präsident der Ohio University in Athens, Prof. Dr. Robert Glidden, und Prof.Dr. Volker Bigl unterzeichneten Ende vergangenen Jahres ein Memorandum, dasdie Durchführung einer Summer School im Rahmen des gemeinsamen ZentrumsOhio-Leipzig European Center regelt. US-amerikanische Studierende können sichin dem fünfwöchigen Kurs mit „Art and Culture in the New Europe“ (Kunst undKultur im neuen Europa) vertraut machen. Foto: Kühne

Europäische Kultur im Sommer

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Fromm,fremd,barbarischAusstellung zur Religion der KeltenVon Daniela Weber

Miraculix war der gelehrteste von allen.Von allen Druiden versteht sich. Er warsehr weise und nie vergaß Asterix, was ihnMiraculix gelehrt hatte: Geometrie (wieberechnet man das Volumen eines Hinkel-steins), Naturkunde (das Wildschwein, seinnatürlicher Lebensraum, seine Zuberei-tung), Arithmetik (wenn ein Gallier dreiRömer vermöbelt, wie viele Römer werdendann von sechs Galliern verhauen?) … Römer vs. Gallier – das ist eine lange Ge-schichte und eine alte noch dazu. SabineRieckhoff, Professorin für Ur- und Frühge-schichte an der Universität Leipzig, ist derGeschichte der Gallier, resp. Kelten, inBurgund/Frankreich auf der Spur. Seit1995 bilden die Ausgrabungen in der kel-tischen Stadt Bibracte, 20 Kilometer west-lich von Autun, einen Schwerpunkt ihrerForschungen. Die Ergebnisse werden vom12. April bis 15. Juni in der Ausstellung„fromm – fremd – barbarisch“ der Univer-sität Leipzig präsentiert. Kern der Ausstel-lung bildet „Les Druides“, eine Schaukleineren Formats am französischen Gra-bungsort Bibracte/Mont Beuvray – einerjener drei Orte übrigens, die für den Beginnder modernen Keltenforschung stehen, dievon Kaiser Napoleon III. (1852–1870) mitdem Augenmerk, den ruhmreichen Kampfder Gallier gegen die Römer ins Bewusst-sein der durch den Wiener Kongress ge-schundenen Nation zu heben, finanziertwurde.Für Leipzig wurde die Exposition „LesDruides“ erweitert und überarbeitet. Jetzt

markiert der Untertitel „Die Religion derKelten“ den zentralen Dreh- und Angel-punkt. „Die Religion ist jener Bereich eineranderen Kultur, der uns am fremdesten ist“,so Sabine Rieckhoff. „Zugleich kommt dasSelbstverständnis einer Kultur am stärks-ten in ihrer Religion zum Tragen.“Es waren die Römer, die ihren Gegenspie-lern den Namen „Gallier“ verpasst hatten.Sie selbst nannten sich „Kelten“ – und un-ter diesem, ihrem Namen sind sie auch indie Historiographie eingegangen. Auf demMont Beuvray hatten die keltischen Hae-duer ihre Siedlung Bibracte angelegt undzum Hauptort befestigt. Hier schlug IuliusCäsar 58 v. Chr. eine seiner ersten sieg-reichen Schlachten im Gallischen Krieg(58–51 v. Chr). Hier lebte der einzigeDruide, der Eingang in die historischeÜberlieferung fand. Es waren die Römer,die seinen Namen – Diviciacos – als des-jenigen Mannes, der als geistliches undweltliches Oberhaupt von Bibracte in Romüber Wohl und Wehe seines Volkes ver-handelte, bewahrten. Der Ausgang ist be-kannt: Im Gallischen Krieg unterwarf mitGaius Iulius Caesar die Gallier jenseits derAlpen vollends.Für die Exposition erweist sich der DruideDiviciacos, die bei der Ausstellung inFrankreich im Mittelpunkt stand, alsGlücksfall. „Um diese Person und dieneuen Grabungsergebnisse in Bibracte re-konstruieren wir die Religion der Kelten“,umreißt Prof. Rieckhoff das LeipzigerKonzept. Bislang ist die Geschichte desDruidentums ein Thema, zu dem keineeigenständige deutsche Publikation vor-liegt. Mit der Leipziger Ausstellung wirdsich das ändern. Prof. Rieckhoff, speziali-siert auf die Geschichte der Kelten, ver-weist auf den mit der Ausstellung verbun-denen „wunderbaren Katalog, der für Wis-senschaftler sehr informativ und für denLaien anschaulich und spannend“ seinwird.Wahrscheinlich reicht der Ursprung derkeltischen Priesterschaft bis ins 5. Jahr-hundert v. Chr. zurück. Da Druiden ihreTradition und ihre Werte, ihre Mythen undihre Rituale mündlich weitergaben, zeugenheute allein archäologische Funde – wiedie aus Bibracte – von den kultischenHandlungen und religiösen Vorstellungender Kelten. Ausgehend von ihren Selbst-zeugnissen waren die Kelten ausgespro-chen fromme Menschen. Ebenso verstan-den sie sich in ihrer Gottesfürchtigkeit alszivilisiertes und kultiviertes Volk. Siepflegten ihre heiligen Orte, die für sie Tem-

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Die marmorne Darstellung des sog. „Sterbenden Galliers“ ist eines der präg-nantesten Beispiele für die Wahrnehmung der Gallier in der antiken Welt. Das Original datiert aus der Mitte des 1. Jh. v. Chr.

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pel und Naturheiligtümer waren. Sie be-statteten ihre Toten in Würde und Ehre, indem sie die Leichen so lange an der Lufttrocknen ließen, bis die mumifiziertenKörper auseinander fielen. Sie ehrten ihreGötter, in dem sie ihre Opfer mehrheitlichin Seen und Flüssen versenkten. Sie be-wiesen ihre Kunstfertigkeit mit Holzsta-tuen, deren Gestaltung von ihren Mythenund Geschichten erzählte. Und sie trugenihre fromme und zivilisierte Kultur hinausin alle Welt – im 4. Jahrhundert v. Chr. fie-len die Kelten nach Italien und Griechen-land ein, brandschatzen, mordeten, verge-waltigen und raubten die Heiligtümer ihrerFeinde aus. Prof. Sabine Rieckhoff: „EineGesellschaft, die sich selbst als frommempfindet, muss sich in den Augen eineranderen Gesellschaft noch lange nichtfromm aufführen.“So verkehrte sich das Selbstverständnis derKelten in der Wahrnehmung der Römerund Griechen ins Gegenteil. „Wenn dieKelten kommen, Heiligtümer ausraubenund Menschen töten, dann werden sie ausSicht der Römer und Griechen zu Barba-ren.“ Seine Aussage kann Prof. Hans-Ulrich Cain mit eindrucksvollen römi-schen Kopien von Monumenten aus grie-chischen Heiligtümern belegen. Die Plasti-ken zeigen: Seit dem 3. Jahrhundert v. Chr.galten die Kelten in der historischen Er-fahrung des Südens als diejenigen, die diekulturellen Errungenschaften der grie-chisch-römischen Zivilisation bedrohten.Unverblümt wurden die Kelten in der Öf-fentlichkeit als unzivilisierte und pietätlose

Gegner dargestellt. Das Bild des barbari-schen Kelten überlebte bis ins 17. Jahr-hundert hinein: Als nackte Kopfjäger, überund über tätowiert, mit wilden Haaren undHalsring wurden die Kelten gezeichnet.Die Ausstellung fokussiert die geheimnis-volle Welt der Kelten und Druiden somitzweifach: Zum einen liefert „fromm –fremd – barbarisch“ eine wissenschaftlichprofunde Darstellung zum Selbstverständ-nis der Kelten als religiöse und zivilisierteKultur. Zum anderen erhellt sie die römi-sche und griechische Sichtweise anhandgriechischer Plastiken und Statuen, die deneinzigartigen keltischen Funden zur Seitegestellt werden. In den Räumen der Leip-ziger Universitätsbibliothek ergibt sichdaraus eine im Sinne des Wortes anschau-liche Präsentation. Quasi wie ein Spiegelstehen sich die keltischen Funde, die ihrenPlatz in den perfekt ausgeleuchteten Räu-men im Kellergeschoss gefunden haben,und die griechischen Skulpturen in derhistorischen Treppenhalle der ehrwürdigenBibliotheca Albertina gegenüber. Ein Ef-fekt, mit dem die Ausstellung in der Kraftihrer Aussage „um hundert Prozent ge-winnt“ (Prof. Rieckhoff) sowie einen drit-ten Aspekt augenscheinlich macht. „Wäh-rend die Römer in der Arena Gladiatorenund wilde Tiere aufeinander hetzten, fan-den sie es gleichzeitig barbarisch, dass dieKelten ihre Toten mumifizierten“, kehrtProf. Rieckhoff die Selbstwahrnehmungder Römer um. Das Thema der LeipzigerAusstellung ist brisant. Konfrontiert esdoch die Besucher mit einer Ambivalenz,die wohl alle Gruppen und Gemeinschaf-ten, Stämme und Völker, Gesellschaftenund Nationen, Länder und mit Andersseinund Fremdsein erfahren.Auch für die 1543 begründete LeipzigerUniversitätsbibliothek, nach Heidelbergdie zweitälteste in Deutschland, ist „fromm– fremd – barbarisch“ ein Novum. In demGründerzeitbau – den sie 1891 bezog, derim Zweiten Weltkrieg schwer zerstört undim zurückliegenden Jahrzehnt liebevollwieder aufgebaut wurde – findet erstmalseine Ausstellung statt, die die Räumlich-keiten des Hauses in dieser Breite zur Basis ausnutzt und ausnutzen darf.

JuristenfakultätIm neuen DomizilNahezu jedes Zimmer hat eigene indivi-duelle Ausmaße, die eine Etage ist kein Ab-bild der anderen, tragende Säulen stehenteilweise mitten im Raum – die architekto-nischen Vorgaben des Juridicum-Neubausin der Burgstraße 27 machten den Umzugnicht einfach. Doch nunmehr leisten dasDekanat und 13 Lehrstühle der Juristen-fakultät ihre Arbeit bereits seit einemSemester im neuen Domizil, getreu demLeitspruch „Und nun prägt deine Würdeden Raum“. Diesen hatte der damalige De-kan Prof. Dr. Franz Häuser schon in seinerBegrüßungsansprache zur Vorstellung derneuen Arbeitsräume angeführt. Der Leit-spruch hatte in seiner lateinischen Origi-nalversion „Et nunc servat honos sedemtuus“ an der Kopfseite des Vorlesungsrau-mes im sogenannten Petrinum an der Pe-tersstraße gestanden, in dem zu GoethesZeiten juristische Vorlesungen stattfanden.„Jeder von uns sollte sich klarmachen, dassdas wissenschaftliche Ansehen der Fakul-tät und ihrer Mitglieder nicht in erster Linievon der Quadratmeterzahl und Höhe derRäumlichkeiten bestimmt wird, sondernvon den Leistungen und der persönlichenAusstrahlung der in den Räumen arbeiten-den und forschenden Menschen“, hatteHäuser gesagt und damit auf die Schwie-rigkeiten reagiert, die aufgrund der Archi-tektur aufgetreten waren. Bekanntlich ist das neue Domizil der Juris-ten in einem Komplex mit zahlreichen Ge-schäften und dem Cinestar-Kino unterge-

bracht. Die Mischnutzung ist nach Anga-ben Franz Häusers „so ganz neu nicht“.Denn: „Ein Foto des Collegium Juridicums(Petrinum) in den Jahren 1892 bis 1943zeigt, dass die erste und zweite Etage vonder Firma Sperling & Wendt Kleiderstoffeund Damengarderobe genutzt wurde unddass es dort auch eine Firma Kitzing &Helbig gab, die ein Bier- und Wein-Re-staurant betrieb.“ C. H./Foto: Kühne

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Die vier Statuetten aus einer befestig-ten Hofanlage in der Nähe von Pauleund stammen aus dem 2. Jh. v. Chr.Besonders interessant ist die Figur desLeierspielers, der nach antiken Berich-ten in der keltischen Gesellschaft eineähnlich wichtige Rolle einnahm wiedie berühmten Druiden.

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WissenschaftlerinnenChancen imAusland suchenImmer mehr Nachwuchswissenschaft-lerInnen wandern ins Ausland ab, weil fürsie in Deutschland schwierige Arbeitsbe-dingungen herrschen. Verschärft stellt sichdie Situation mit dem neuen Hochschul-rahmengesetz dar, um das sich deshalbviele Diskussionen auf dem 7. Kolloquiumdes Deutschen Hochschullehrerinnenbun-des (DHB) in Leipzig rankten. Die Refe-rentinnen waren sich darin einig, dass auf-grund der Arbeits- und Qualifikationsbe-dingungen, die sich fast überall in Europaund in den USA besser darstellen alshierzulande, eine Orientierung in andereLänder zu empfehlen sei – vor allem fürFrauen, und nicht nur vorübergehend. Überdie Rahmenbedingungen, aber auch Hin-dernisse für Nachwuchswissenschaftlerin-nen in anderen Ländern, gab es bei dieserGelegenheit vielfältige Informationen.Der Hochschullehrerinnenbund setzt sichfür die Chancengleichheit von Frauen undMännern an den Hochschulen ein. Aspekteseiner Arbeit sind unter anderem die Ver-netzung von Frauen im Wissenschaftsbe-trieb und die Ermutigung weiblichen wis-senschaftlichen Nachwuchses. Das Kollo-quium hatte den Titel „Wie viele Wege füh-ren zur Professur? Aufstiegschancen vonFrauen im Vergleich“ und fand am 26. Ja-nuar in Leipzig statt. Die Vorträge werdendurch den Hochschullehrerinnenbund pu-bliziert und können bei der Geschäftsstellebestellt werden: DHB, Freie Universität Berlin, Institut fürFleischhygiene, Philippstr. 13, 10115 Ber-lin, Tel.: 030-2093-6011/6410.

Melani Schröter

Die Landeshochschulkonferenz hat aufihrer Sitzung am 11. 3. 2002 den vorlie-genden Entwurf eines Hochschulkonsen-ses mit der Staatsregierung bei nur einerEnthaltung abgelehnt. Dies entsprach auchder Empfehlung des Senats der UniversitätLeipzig (siehe nachfolgende Berichte ausdem Senat). Die Gegenargumente warenvor allem die angesichts wechselnder Re-gierungen eben nicht zwingend gewähr-leistete Vertragssicherheit sowie die An-sicht, dass die Regierung klar und allein dieVerantwortung für die von ihr geplantenStellenkürzungen übernehmen müsse.

Die Frankfurter Rundschau zitierte darauf-hin am 21. März 2002 Wissenschaftsmini-ster Meyer, der den Hochschulen vorwarf,sie wollten sich nicht mit dem sprichwört-lichen Spatz in der Hand zufrieden geben,sondern „die Taube auf dem Dach“ haben.Generell war das Medienecho auch über-regional groß.Das Uni-Journal dokumentiert daher andieser Stelle einige Überschriften aus derBerichterstattung. Zudem äußert sich indiesem Heft auch der StuRa zum Thema,auf S. 19.

C. H.

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„Die Taube auf dem Dach“

15. Januar 2002

1. Der Senat befasste sich unter dem PunktBerufungsangelegenheiten mit Ausschrei-bung und Berufungskommission für „Epi-demiologie“ (C3) an der Veterinärmedizi-nischen Fakultät; mit Berufungsvorschlä-gen für „Bürgerliches Recht, Handels-, Ge-sellschafts- und Wirtschaftsrecht“ (C4), für„Sozial- und Wirtschaftsgeschichte“ (C4),für „Betriebswirtschaftslehre, insbeson-dere Organisation“ (C3/gestiftet von derWüstenrot-Stiftung), für „Mikrobiologie“

(C4), für „Molekularbiologisch-biochemi-sche Prozesstechnik“ (C4). Des weiterenstimmte der Senat dem Antrag der Fakultätfür Physik und Geowissenschaften zu, PDDr. Bernd Rheinländer das Recht zur Füh-rung der Bezeichnung „außerplanmäßigerProfessor“ zu verleihen.2. Der Senat nahm zustimmend Kenntnisvom Beschluss der Fakultät für Sozialwis-senschaften und Philosophie, Günter F.Thiele (Düsseldorf) die Ehrendoktorwürde

Die Sitzungen des Senats

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zu verleihen. Günter F. Thiele hat sichgroße Verdienste um die Entwicklung derKommunikationsberufe in Deutschlanderworben und insbesondere die Entwick-lung der deutschen Öffentlichkeitsarbeitganz maßgeblich geprägt. Hervorzuhebenist auch, dass er die „Stiftung zur Förde-rung der PR-Wissenschaft an der Univer-sität Leipzig“ initiiert und mit begründethat.3. Der Senat bestätigte die Erste Ände-rungssatzung zur Immatrikulationsord-nung der Universität Leipzig vom 22. 9.2000, worin die Regelungen zur Chipkarteals Studienausweis (Kaution, Gebühren fürErsatz bei Verlust) der Umstellung auf denEuro Rechnung tragen.4. Der Rektor informierte über den Standder Verhandlungen mit der SächsischenStaatsregierung zum „Konsens über dieHochschulentwicklung“, woran sich eineausführliche Diskussion schloss. Der Rek-tor versicherte, dass er den vorhandenenSpielraum in den Verhandlungen unterEinbeziehung der im Senat vertretenenMeinungen und Vorschläge nutzen wolle.Keinen Spielraum gäbe es aus Sicht derStaatsregierung bei der Zahl der vom Ab-bau betroffenen Personalstellen, die mit715 Stellen bis 2008 und der Befristungweiterer 300 Stellen ab 2005, um sie gege-benenfalls abbauen zu können, festgelegtscheine. Für die Universität Leipzig be-deutete dies den Verlust von 186 Stellen bis2008 und die Abgabe weiterer 80 Stellen ineinen Innovationspool. Die Diskussionkreiste um die Frage, wie groß der Preissein könne, der für eine längerfristige Pla-nungssicherheit bezahlt werden müsse.Unerlässlich sei es, dass in dem „Konsens“eindeutig niedergelegt wird, dass die poli-tische Verantwortung für den Stellenabbauausschließlich bei der Staatsregierungliegt. Den im Senat geäußerten Vorbehal-ten setzte der Rektor das Versprechen ent-gegen, alles zu tun, d. h. auch, die Fähig-keit der Hochschulen zu sachgerechtenEntscheidungen einzubringen, damit dieBelastungen für die Hochschulen und nichtzuletzt für die Studierenden so gering wiemöglich ausfallen und die Studierfähigkeitder Fächer wie insgesamt die Arbeitsfähig-keit der Hochschulen gewährleistet blei-ben. In diesem Sinne werde er die Ver-handlungen fortsetzen.

5. Februar 2002

1. Unter dem Punkt Berufungsangelegen-heiten befasste sich der Senat mit dem Li-stenvorschlag für die Besetzung der C4-Professur „Massivbau und Baustofftechno-logie“.2. Der Senat befürwortete den aus der Ju-ristenfakultät kommenden Antrag, denBundesminister des Auswärtigen undVizekanzler a. D. Hans-Dietrich Genscher die Ehrendoktorwürde zu verleihen. Damitsollen seine herausragenden Verdienste aufdem Gebiet des Friedensvölkerrechts, ins-besondere im Zusammenhang mit der Her-stellung der deutschen Einheit, gewürdigtwerden. Die Feier der Ehrenpromotionwird im Wintersemester 2002/03 stattfin-den.3. Analog zum Beschluss für die Zeit zwi-schen 1933 und 1945 erklärte der Senat dievon der Universität Leipzig zwischen 1945und 1990 vorgenommene Aberkennungvon Doktorgraden und anderen akademi-schen Graden, soweit sie aus politischenGründen, z. B. wegen „Verrats der DDR“,„illegalen Verlassens der DDR“ oderwegen einer als „feindlich“ eingestuftenpolitischen Betätigung erfolgte, als nichtigund von Anfang an ungültig. Die Univer-sität Leipzig hatte bereits nach dem politi-schen Umbruch von 1989/90 eine Reihevon Betroffenen rehabilitiert. Der Senatfordert die Fakultäten auf, in weiteren Fäl-len aktiv zu werden und den Doktorgrad ineiner Urkunde zu erneuern.4. Der Senat bestätigte die Zusammenset-zung des SYLFF-Komitees für die vierteAmtsperiode (2002–2005), das für dieUmsetzung des Sasakawa-Förderpro-gramms für den wissenschaftlichen Nach-wuchs verantwortlich zeichnet. Neu hinzu-gekommen sind Frau Prof. Dr. MichaelaMarek und Prof. Dr. Stefan Troebst. 5. Der Senat beriet die mit der Euro-Um-stellung vorgenommene Neufassung derGebühren- und Entgeltordnung der Uni-versitätsbibliothek und beschloss die Ein-arbeitung einer Reihe von Hinweisen sowiedie Neuvorlage der Ordnung in der nächs-ten Sitzung.6. Der Senat genehmigte nach Erörterungund Änderung einiger Formulierungen dieOrdnungen der Juristenfakultät und der Fa-kultät für Mathematik und Informatik.7. Der Senat beschloss Übergangsbestim-mungen für den Diplomstudiengang Che-mie für Studierende, die im Wintersemester1999/2000, 2000/01 und 2001/02 immatri-kuliert wurden; als nächster Schritt werden

ab Wintersemester 2002/03 Bachelor- undMasterstudiengänge eingerichtet.8. Der Senat erörterte nach ausführlicherInformation des Rektors über den aktuel-len Diskussionsstand das Für und Widerdes Sächsischen Hochschulkonsenses.Nach Vorstellung des SMWK sollen dieHochschulen bis zum 30. 6. 2002 ihre je-weiligen Profilierungskonzepte als Struk-turpläne auf der Basis ihres Personalbe-standes im Jahre 2008 erarbeiten. DasSMWK wird dann diese Strukturpläne ineine landesweite Hochschulstruktur inte-grieren. In diesem Zusammenhang wurdenim Senat auch Überlegungen zur Um-setzung des vom Freistaat beschlossenenbzw. angekündigten Stellenabbaus bis2004 diskutiert. Als Kriterien wurden u. a.die Effektivität und Kooperationsfähigkeitvon Forschergruppen und die Relevanz vonStudiengängen (Stellung in Sachsen undMitteldeutschland, Bedeutung für Wirt-schaftsansiedlungen, Tradition an derUniversität, Akzeptanz bei Studierenden,Bewerbersituation) genannt.

8. März 2002Auf einer Sondersitzung sprach sich derSenat in Diskussion und Stellungnahmezum Sächsischen Hochschulkonsens mitdeutlicher Mehrheit gegen einen solchenVertrag aus. Es gab Ablehnung aus grund-sätzlichen Erwägungen heraus, aber auchdurch Kritik im Detail. Angesichts desmassiven Stellenabbaus und weiterbeste-hender Haushaltssperren könne von sub-stantieller Planungssicherheit nicht ge-sprochen werden. Durch die Verhandlun-gen der Landeshochschulkonferenz mit derStaatsregierung seien zwar einige Verbes-serungen erreicht worden, doch die Schief-lage insgesamt, dass den Hochschulen da-mit eine politische Mitverantwortung fürein Herunterfahren des sächsischen Hoch-schulwesens aufgebürdet werde, könne dasnicht ausgleichen. In der Minderheit blie-ben Stimmen, die aus pragmatischen Grün-den, voran die Sicherung des Status quo beieinem stagnierenden oder gar sinkendenHaushalt, eine Annahme des Vertrags emp-fahlen.

12. März 20021. Der Senat behandelte Berufungsangele-genheiten; das betraf die C4-Professur„Umweltmikrobiologie“, eine gemeinsame

Gremien

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Berufung mit dem Umweltforschungszen-trum Leipzig-Halle; die C4-Professur „Re-gionale Geographie“, eine gemeinsameBerufung mit dem Institut für Länder-kunde. Der Senat stimmte des weiterendem Antrag der Wirtschaftswissenschaft-lichen Fakultät zu, Dr.-Ing. Olaf Selle zumHonorarprofessor für Siedlungswasser-wirtschaft zu bestellen. Danach befasstesich der Senat mit Berufungsvorschlägenfür „Poetik“ (C4), „Sorabistik“ (C4),„Herzchirurgie“ (C3), „Endokrinologie“(C3). Zustimmung gab der Senat zurEinstellung der Berufungsverfahren für„Neuere deutsche Literatur unter besonde-rer Berücksichtigung der Literaturtheorieund der Medien“ (C4) und „Innere Medi-zin/Schwerpunkt Endokrinologie“ (C4).2. Der Senat nahm zustimmend Kenntnisvom Beschluss der Fakultät für Chemieund Mineralogie, Prof. Dr. Horst Kessler(Technische Universität München), einemweltweit führenden Vertreter der Bioorga-nischen Chemie und der Kernresonanz-Spektroskopie, die Ehrendoktorwürde zuverleihen. Horst Kessler hat in LeipzigChemie studiert und sich nach dem politi-schen Umbruch für die Entwicklung derLeipziger Fakultät engagiert.3. Der Senat stimmte der Gründung des In-stituts für Immobilienmanagement an derWirtschaftswissenschaftlichen Fakultät zu.4. Der Senat stimmte dem Vorschlag derWirtschaftswissenschaftlichen Fakultät zu,Prof. Dr. Rolf Thiele für seine Verdiensteum die Erneuerung der Universität Leipzigdie Caspar-Borner-Medaille zu verleihen.Insbesondere sollen damit sein Einsatz fürdie Sicherung des Studienganges Wirt-schaftsingenieurwesen und die Einrichtungdes Studienganges Bauingenieurwesennach der „Wende“ gewürdigt werden. 5. Der Rektor, zugleich Sprecher der Lan-deshochschulkonferenz (LHK) Sachsen,informierte über die am Vortage auf derSitzung der LHK mit Staatsminister Meyergeführte Beratung zum Entwurf des Hoch-schulkonsenses. Angesichts einer Reihenoch zu klärender Probleme habe sich dieLHK nicht in der Lage gesehen, den Mit-gliedshochschulen die Annahme des vor-liegenden Entwurfes zu empfehlen. DieStaatsregierung sei um die Weiterführungder Verhandlungen gebeten worden. AlsGründe für die Ablehnung wurden auch derenorme Zeitdruck, der es einigen Senatennoch gar nicht ermöglichte, sich mit demletzten Entwurf zu befassen, und die man-gelnde Flexibilität der Staatsregierung, aufeinzelne Vorschläge der Hochschulen noch

konstruktiv zu reagieren, genannt. Da-gegen hat der Wissenschaftsminister ineiner Erklärung betont, dass durch dieTatsache, dass einige Hochschulsenateihren Rektoren für die Zustimmung zumKonsens den Rückhalt verweigerten, dieChance zu einer langfristigen Sicherungder Zukunft der sächsischen Hochschulenvertan sei.6. Der Senat beschloss die Prüfungs- undStudienordnung für den Diplomstudien-gang Geologie.7. Der Senat bestätigte den 13. November2002 als Termin für die konstituierendeSitzung des neuen Konzils, auf der dieGruppenvertreter im Akademischen Senatgewählt werden. Der Senat stimmte demvom Wahlleiter vorgelegten Zeitplan fürdie Wahlen der Gruppenvertreter in den Fa-kultätsrat, den Fachschaftsrat, als WeitereKonzilsmitglieder sowie der Gleichstel-lungsbeauftragten zu. Der Senat gab imPrinzip seine Zustimmung zur Berechnungder Größe und der zahlenmäßigen Zu-sammensetzung des Konzils, lässt abernoch prüfen, ob der Einwand eines studen-tischen Senators, dass die Zahl der studen-tischen Konzilsmitglieder um zwei zu nie-drig ausgefallen sei, berechtigt ist.Die Vertreter der Mitgliedergruppe „Stu-denten“ im Senat stimmten dem Vorschlagdes StudentInnenRates zu, ChristianSchmidt-Gütter (Informatik) und Arne

Schildberg (Politikwissenschaft) als stu-dentische Mitglieder des Wahlausschusseszu bestellen. 8. Der Senat genehmigte die Ordnung derVeterinärmedizinischen Fakultät.9. Der Senat beschloss, nachdem entspre-chende Änderungen vorgenommen wor-den waren, die Vorläufige Gebühren- undEntgeltordnung der Universitätsbibliothek.10. Der Senat nahm Kenntnis von dem vomProrektor für Forschung und wissenschaft-lichen Nachwuchs vorgestellten Antrag aufWeiterförderung des Graduiertenkollegs„Analysis, Geometrie und ihre Verbindungzu den Naturwissenschaften“.11. Der Senat bestätigte in Fortführung derFebruar-Sitzung den an einigen Stellenpräzisierten Text des Beschlusses zurwiderrechtlichen Aberkennung akademi-scher Grade in der Zeit von 1945 bis 1989.12. Der Senat genehmigte Regeln für denInternetauftritt der Universität Leipzig. Siesollen einen Missbrauch der Mittel undeine Schädigung des Namens der Univer-sität verhindern helfen, ohne dabei kom-plizierte Hemmnisse für die Erfüllung uni-versitärer Aufgaben zu errichten. EinKernpunkt ist dabei, dass Veröffentlichun-gen nicht den Interessen der Universitätzuwiderlaufen dürfen.

Prof. Dr. V. Bigl V. SchulteRektor Pressesprecher

Heft 2/2002

Gremien

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Der Jurist Erwin Jacobi, Rektor in den Jahren 1947/48, ist jüngstes Mitglied derRektorengalerie. Hier zeigt der Maler Heinz Wagner dem Rektor das Porträt.Zuvor hatte Wagner bereits die Rektoren Gadamer, Mayer, Lips, Rathmann undWeiss gemalt. Foto: Kühne

Zuwachs in der Rektorengalerie

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KunstherzohneKastenFortschrittevorgestelltVon Sabine Görtz

Die Zahl der Patienten in Deutschland, diean einer Herzerkrankung im Endstadiumleiden, ist auf ca. eine Million Patienten an-gestiegen und wird vermutlich weiter an-steigen. Die Ein-Jahres-Überlebensrateliegt nur bei 20 bis 50 Prozent und ist mitder Prognose bei einer aggressiven Krebs-erkrankung vergleichbar.Dieser schweren Erkrankung stehen ver-schiedene Behandlungsmethoden gegen-über, wie Medikamente oder eine Herz-transplantation mittels eines Spenderher-zens. Aufgrund der zurückgehenden Spen-derzahlen ist es aber notwendig, dassalternative Wege zur Behandlung dieserPatientengruppe gefunden werden. Einerdavon ist das Kunstherz.Unter dem Begriff Kunstherz stellt mansich eigentlich einen Ersatz für das eigeneHerz vor, das wie ein Spenderherz in denKörper transplantiert wird. Nur leider wardas bis jetzt nur in wenigen Fällen möglich.Ein Kunstherz ist ein Pumpensystem, dasüber in den Brustkorb eingebrachteSchlauchsysteme mit den entsprechendenHerzkammern verbunden wird. Das Herz

wird entlastet und eine ausreichendeDurchblutung des Körpers gewährleistet.Dieses mechanische Kreislaufunterstüt-zungssystem findet meistens seinen Ein-satz in der Herzunterstützung als Über-brückung bis zu einer Transplantation oderbis zur Erholung des eigenen Herzens. Seltener wird das Kunstherz als permanen-ter Ersatz für das eigene Herz eingesetzt,ohne dass eine Herztransplantation geplantist. Im Moment zielt die Forschung darauf,dass beide Varianten operativ in den Brust-raum eingepflanzt werden und nicht wiebisher ein sehr geräuschvoller Kasten stän-dig am Körper mit sich herumgetragenwerden muss. Die jüngsten Erkenntnisseauf diesem Gebiet wurden auf der 31. Jah-restagung der Deutschen Gesellschaft fürThorax-, Herz- und Gefäßchirurgie im Fe-bruar 2002 in Leipzig vorgestellt.Die neuesten Kunstherzen, zum Beispieldas Modell Jarvik 2000, zeichnen sichdurch ihr geringes Gewicht (85 g), ihreLage im Herzen, den Anschluss an die ab-steigende Hauptschlagader und ihren voll-ständigen geräuschlosen Betrieb aus.Hauptsächlich unterstützen sie die Arbeitder linken Herzkammer.„Jarvik 2000“ ist eine daumengroße Kunst-pumpe, die operativ in den Herzmuskeleingebracht wird und dort das eigene Herzunterstützt. Demgegenüber steht „Abio-Cor“ als vollständiger Ersatz des eigenenOrgans. Die Pumpe besteht aus Titan undPlastik, die über vier Schläuche mit denBlutgefäßen des Patienten verbunden ist.Es enthält eine interne Batterie, die daskünstliche Herz eine halbe Stunde lang an-treiben kann und deshalb ständig über eineSpule durch die Haut von einer Batterie,die der Patient an einem Gürtel trägt, auf-geladen werden muss. „AbioCor“ kommt aber lediglich für Pa-

tienten in Frage, deren rechte Herzkammersehr stark geschädigt ist oder deren Lun-genwiderstand so groß ist, dass das Blutnur schwer in die Lunge gepumpt werdenkann. In den USA ist „AbioCor“ bis jetztsieben Mal implantiert wurden. InDeutschland, so auch am Leipziger Herz-zentrum, wird meistens das „Lionheart“implantiert, das im Körper das Herz desPatienten lediglich unterstützt, aber nichtersetzt.Sollte nämlich einmal die Technik im Kör-per versagen, haben die Patienten miteinem unterstützenden Kunstherz eineChance zu überleben, da sich meistens dasHerz während der Entlastungsphase soweiterholt, dass es den Patienten wenigstens biszum Eintreffen des Krankenwagens amLeben erhält. Aber das Leben eines Patien-ten mit einem Totalersatz ist allein von demFunktionieren dieser Technik abhängig.„Der Vorteil der Kunstherzen gegenüberder alleinigen medikamentösen Behand-lung zeigte sich sowohl in der Lebensver-längerung wie auch in der Verbesserung derLebensqualität der Patienten, die nichttransplantiert werden konnten“, erklärteProfessor Friedhelm Beyersdorf auf derTagung in Leipzig. Beyersdorf ist Direktorder Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie derAlbert-Ludwigs-Universität Freiburg.mDen Fortschritten bei der Behandlung mitMedikamenten und dem Einsatz einesKunstherzens zum Trotz gilt aber weiter-hin: Angestrebt wird zumeist eine Herz-transplantation mittels eines Spenderher-zens. Daher müsse die Bereitschaft zur Or-ganspende größer werden, sagte Tagungs-leiter Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Mohr.Der Direktor der Klinik für Herzchirurgiedes Herzzentrums Leipzigs brachte es nocheinmal auf den Punkt: „Transplantationensollen der goldene Standard bleiben.“

Forschung

14 journal UNIVERSITAT LEIPZIG

Öffentliche BekanntmachungJurastudenten an der Technischen Universität Dresden und der Universität Leipzig

Die Dr.-Hedrich-Stiftung ist eine rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts mit Sitz in Dresden. Sie ist benannt nach ihrem Stifter,Herrn Staatsminister a.D. Dr. jur. Hans Richard Hedrich, verstorben am 20. 09. 1945 in Dresden. Zweck der Stiftung ist es, begabte undbedürftige Studentinnen und Studenten, die ein juristisches Studium an der Technischen Universität Dresden oder an der UniversitätLeipzig absolvieren, finanziell zu fördern.Die Voraussetzungen einer Förderung im Einzelnen ergeben sich aus der Satzung und der Vergaberichtlinie der Stiftung.

Interessenten fordert der Vorstand der Stiftung hiermit auf, bis zum 17. 05. 2002 einen Antrag auf Förderung zu stellen.

Nähere Informationen zu den Antrags- und Förderbedingungen sind erhältlich bei der Dr.-Hedrich-Stiftung, Landeshauptstadt Dresden,Geschäftsbereich Finanzen und Liegenschaften, Postfach 12 00 20, 01001 Dresden oder telefonisch unter 0351/488 20 82 (Frau Behn).

Der Vorstand der Dr.-Hedrich-Stiftung

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ModellfallWeiße Elster

Das Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle, die Universität Leipzig und die Frie-drich-Schiller-Universität Leipzig erhiel-ten vom Bundesministerium für Bildungund Forschung den Zuschlag für die För-derung eines gemeinsamen Projektes, dassich im Allgemeinen mit einem Flussein-zugsgebietsmanagement und im Besonde-ren mit der Konfliktbewertung und Lö-sungsansätzen am Beispiel der WeißenElster befasst. Der Förderumfang des Pro-jektes beträgt 1,14 Millionen Euro; Ziel istnichts Geringeres als die Verbesserung derWasserqualität und des lebenswichtigenGrundwasserschutzes.Prof. Dr. Martin Oldiges von der Univer-sität Leipzig, dessen Lehrstuhl Öffent-liches Recht, insbesondere Staats- und Ver-waltungsrecht an dem Projekt maßgeblichbeteiligt ist, unterstreicht: „Wir hoffen einModell erarbeiten zu können, das die na-turwissenschaftlich-ökologischen, ökono-mischen und sozialwissenschaftlich-juri-stischen Zusammenhänge so umfassendund genau beschreibt, dass es auch in Be-reichen außerhalb der Weißen Elster als einBündel von Entscheidungshilfen genutztwerden kann.“Ausgangspunkt für das Projekt ist die vonBrüssel beschlossene und im Jahr 2000 inKraft getretene Wasserrahmenrichtlinie, andie nun das Wasserschutz- und Wasser-bewirtschaftungsrecht anzupassen ist. Zusprechen ist dabei von einem Paradigmen-wechsel, erfolgt doch die Orientierung jetztnicht mehr an Verwaltungsgrenzen wieStaats-, Landes- oder Kreisgrenzen, son-dern an Flusseinzugsgebieten. Auf dieseWeise sollen auf der Basis von neuartigenBewirtschaftungsplänen effektivere Maß-nahmen für das Erreichen einer guten Was-

serqualität in einem Zeitraum von 15 bis 27Jahren eingeleitet werden. Dazu wird auchgehören, die Kosten der Wassernutzungeinschließlich der mittelbaren ökologi-schen Kosten realistisch auf die Wasser-preise umzuschlagen. Ein solches Konzept einer integrativen Be-trachtung und nachhaltigen Entwicklunghat erstens technisch-naturwissenschaft-liche Aspekte wie den Zusammenhangzwischen Stoffeintrag, landwirtschaftlichund industriell verursachten Belastungen,Abflussverhalten und Gewässergüte zuuntersuchen, zweitens ökonomische zuberücksichtigen und dabei in die Kosten-Nutzen-Analyse mehr Faktoren einzu-schließen als bisher, und drittens sozial-wissenschaftlich-juristische, die auf dieSchaffung neuer organisatorischer Formenfür ein erfolgreiches Flusseinzugsgebiets-management gerichtet sind.Wird in letztgenanntem Punkt vor allemdie Kompetenz von Juristen der Universitätgenutzt, so werden auf den anderen Fel-dern der Jenaer Lehrstuhl für Geoinfor-matik, Hydrologie und Modellierung undvor allem das Umweltforschungszentrummit seinen Sektionen Angewandte Land-schaftsökologie, Bodenforschung, Öko-systemanalyse sowie Ökonomie, Soziolo-gie und Recht (Projektbereich Fluss- undSeenlandschaften) wirksam.Die Entscheidung für das Projekt WeißeElster – zum Einzugsgebiet der Elbe undzum Teileinzugsgebiet der Saale gehörend– ist auch deshalb vielversprechend, weil esnicht nur ein anderes Staatsgebiet (Tsche-chien), sondern auch mehrere deutscheBundesländer (Thüringen, Sachsen-Anhaltund Sachsen) betrifft, sondern durch denFlussverlauf durch verschiedene Industrie-gebiete und auch durch eine Großstadt wieLeipzig relativ stark verschmutzt ist (Güte-klasse 3) und somit ein fundiertes Konzeptzur Verbesserung der Wasserqualität be-sonders dringlich erscheint. V. S.

TierversuchevermeidenhelfenZwei Wissenschaftlerinnen der UniversitätLeipzig arbeiten an einem Projekt, mit des-sen Hilfe Tierversuche zur Untersuchungentzündungshemmender Wirkungen vonneuen Arzneimitteln zurückgedrängt be-ziehungsweise vermieden werden können.Unter den bereits bestehenden In-vitro-Methoden gibt es nur sehr wenige, die alsErsatz für Tierversuche entwickelt wurden.Das gilt auch für Entzündungsmodelle.Bei diesen Modellen wird die Reaktion des tierischen Organismus oder seiner Ge-webe gegen verschiedenartige schädigendeReize getestet mit dem Ziel, die krank-heitserregende Ursache und ihre Auswir-kungen zu beseitigen. Dabei spielen Ver-änderungen im Immunsystem, verbundenmit der übermäßigen Freisetzung vonhormonähnlichen Wirkstoffen im Entzün-dungsgeschehen eine zentrale Rolle. Den Organismus bei der Abwehr der Agen-zien, z. B. Viren, Bakterien, Pilzen oder Pa-rasiten, aber auch chemischen Substanzen,die eine Entzündung hervorrufen können,zu unterstützen, ist der Ausgangspunkt beider Suche nach neuen Arzneimitteln. Beiihrer Entwicklung wurden die Wirkungenauf das Immunsystem bisher nur unzurei-chend untersucht, oder es werden Tierver-suche durchgeführt, die mit großen Belas-tungen für die Tiere verbunden sind.Die Arbeitsgruppe um Frau Professor Ka-ren Nieber, Institut für Pharmazie, undFrau Professor Sunna Hauschildt, Institutfür Zoologie an der Leipziger Universität,hat das Forschungsvorhaben „HumaneMonozyten/Makrophagen als Ersatz fürTierversuche bei Untersuchungen zur ent-zündungsfördernden oder -hemmendenWirkung von neuen Pharmaka“ erarbeitet,das mit rund 13300 Euro aus Mitteln derErnst-von-Weber-Stiftung gefördert wird.Die Pharmakologin und die Immunologinwollen gemeinsam auf der Basis vonmenschlichen Zellen, die am Entzün-dungsprozess beteiligt sind, ein Ersatz-modell entwickeln. An Hand einfach zu er-mittelnder Parameter sollen unerwünschteentzündungsfördernde Wirkungen erkanntwerden. Ziel ist es, das gleiche Testmodellauch zur Charakterisierung von antient-zündlichen Effekten neuer Wirkstoffe ein-zusetzen und damit Tierversuche einsparenzu helfen.

Heft 2/2002

Forschung

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Die Weiße Elster bei Franzmühle Elsterberg(Foto: Bürgerinitiative „Gegen Gewässerverbauung in Sachsen“)

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DynamischinsDilemma?Geographenerforschen Stadt-EntwicklungenVon Carsten Heckmannund Frank Hommel

Reich versus arm, gehobene Gründerzeit-quartiere versus Großwohnsiedlungen: Diesozialen Unterschiede manifestieren sichauch in den sächsischen Großstadtregionenimmer mehr in einer räumlichen Trennung.Wo Handwerker Müller wohnt, will Bank-kaufmann Meier sich nicht niederlassen.„Sozialräumliche Differenzie-rung“, „soziale Entmischung“oder auch „Fragmentierung“nennen das die geographi-schen Experten. Im Extremfall sieht das Er-gebnis so aus: Slums auf dereinen, sogenannte „GatedCommunities“, in denen sichdie besser Gestellten abschotten,auf der anderen Seite. In Europa istman von solchen Extremen meist weit ent-fernt, aber: Der Differenzierungsprozessfindet auch hier statt und hat sich seit 1999gerade in Sachsens großen Städten ver-stärkt. Immer mehr Problemquartiere könn-ten entstehen, wo sozial schwächere Grup-pen sich konzentrieren und die Abwärtsent-wicklung sich selbst laufend verstärkt.Das ist zumindest eines der jetzt veröffent-lichten Ergebnisse der ersten Studie desForschungsverbundes „Stadt und Regionin Sachsen“. Dem Verbund gehören an: dieGeographischen Institute der Universitätenin Leipzig, Dresden und Chemnitz sowiedas Leipziger Institut für Länderkunde unddas Dresdner Institut für ÖkologischeRaumentwicklung.Die beunruhigenden Erkenntnisse kommennicht überraschend. Nicht umsonst hattedie Fachwelt auch auf dem 53. DeutschenGeographentag im vergangenen Herbst vorden vielfältigen Problemen gewarnt, die

mit der dramatischen Zunahme der Ver-städterung verbunden sind. Der Mammut-kongress hatte unter dem Leitthema „Stadtund Region – Dynamik von Lebenswelten“gestanden. 1900 Wissenschaftler aus 26Ländern waren dazu an die UniversitätLeipzig gekommen – der größte Kongressanno 2001 in der Messestadt.Dass die Formulierung „Stadt und Region“sowohl im Kongress- als auch im For-schungsverbundtitel auftaucht, ist alles an-dere als ein Zufall. „Dem Verhältnis vonKernstadt und Umland gilt aktuell stets un-ser Augenmerk“, sagt Alois Mayr, Profes-sor für Regionale Geographie an der Uni-versität Leipzig und Direktor des Institutsfür Länderkunde.Unstrittig sei, das hatte Sir Peter Hall aufdem Geographentag unterstrichen, dass dieBevölkerungsbewegung in die Randge-biete, die Speckgürtel, für die Kernstädtevielfältige Probleme mit sich bringe. „DieInnenstädte erleiden einen Funktionsver-lust. Im Umland entstehen Einkaufszen-tren, Bürokomplexe, Freizeiteinrichtun-gen“, beschreibt Alois Mayr das Dilemma.„Dadurch haben die Städte einerseits eine

Chance zur Revitalisierung, ande-rerseits können sie das Wachs-

tum nicht dem Umland über-lassen und der Flächenver-brauch steigt auch stetig.“Solche Probleme ließen sichnur durch Zusammenarbeit

mit den Regionen lösen,sagte Peter Hall in Leipzig. Auf

die gemeinsamen Ziele verweistauch Prof. Mayr immer wieder:

„Schließlich ist man sich doch einig, dasszum Beispiel die Arbeitsplätze auf jedenFall in der Region erhalten bleiben sollen.Daher muss man sich zusammenraufen.“mDenn ein weiterer Trend ist offensichtlich:der sich verschärfende Wettbewerb derStädte und ihrer Regionen untereinander,vor allem bei Wirtschaftsansiedlungen. Dageht es nicht darum, ob sich ein Unterneh-men innerhalb oder knapp außerhalb derStadtgrenzen Leipzigs ansiedelt, sondernob überhaupt in dieser Region. JüngstesBeispiel dafür: die Suche nach dem Stand-ort des neuen BMW-Werkes. Über 200Städte hatten sich beworben, Leipzig hatteletztendlich den Zuschlag erhalten.Solch aktuelle Entwicklungen gehen ein-her mit aktuellen Leipziger Forschungen:Im Institut für Länderkunde beschäftigtman sich derzeit unter anderem mit der„Konkurrenz der Metropolen zwischenMadrid und Moskau“.

MineralogieWinterschulemit MeteoritenAls eines der wenigen Fächer gestalten seit1997 die mineralogischen Einrichtungender Universitäten Halle, Jena und Leipzigden Universitätsverbund institutionalisiertund kontinuierlich. Hierzu gehören nebender Abstimmung von Lehrinhalten undLehrveranstaltungen, der Ergänzung derMethodik und Geräteausstattung sowiePrüfungsabnahmen die jährlich stattfin-denden meist zweitägigen Winterschulenmit jeweils wechselnder organisatorischerVerantwortung. Der Weiterbildung dienenhierbei Überblicksvorträge von den Hoch-schullehrern, wissenschaftlichen Mitarbei-tern und Habilitanden zu ausgewähltenThemen und Methoden. Diplomanden undDoktoranden stellen sich mit Vorträgenüber den erreichten Stand ihrer Qualifizie-rungsarbeiten der Diskussion und übensich damit im öffentlichen Auftreten.Die diesjährige Winterschule fand an ei-nem Februarwochenende unter der Leitungder Hallenser Kollegen im Hause der Stif-tung LEUCOREA in Wittenberg statt. Beiinsgesamt 45 Teilnehmern wurden 24 Vor-träge mit anschließender Diskussion ge-halten. Diese waren in Inhalt und Vortrags-weise von hohem Niveau und gaben dieGelegenheit, wissenschaftliche Problem-stellungen, Lösungswege und Ergebnissekritisch vorzustellen und zu vertiefen.Entsprechend der unterschiedlichen Pro-file der drei mineralogischen Einrichtun-gen mit je zwei Professuren wurden ins-besondere folgende Themenbereichevorgestellt: Geochemie und natürlicheStoffsituationen von Gesteinen und Erzen,natürliche und partiell technische Gläser,halb- und supraleitende Mischkristalle,Speicherkristalle für toxische Elemente so-wie historische Aspekte der Mineralogie.Die Forschungsorte zu natürlichen Mate-rialien reichten vom Schwarzen Meer undder Türkei über Deutschland bis nachSkandinavien und schlossen zusätzlichMeteoriten mit ein. Die starke Anwen-dungsorientierung der Forschungsgebietebetraf unter anderem Entwicklungen vonSolarzellenmaterialien, Bestandsaufnah-men der Denkmalverwitterung und ent-sprechender Restaurierungskonzepte so-wie Depositionsgefahren in Tagebauen undderen Bewältigung.

Klaus Bente, Peter Schreiter

Fakultäten und Institute

16 journal UNIVERSITAT LEIPZIG

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Kunst- und MusikpädagogikMalen zur Musik,Musizieren zurMalerei

Bildende Kunst und Musik gelten gemein-hin als Kunstäußerungen mit grundsätzlichunterschiedlichen Anschauungsformen.Die eine hat es mit räumlichen und sicht-baren Gebilden, die andere mit zeitlichenund hörbaren Verlaufsgestalten zu tun.Diese strenge Trennung wird jedoch späte-stens im 20. Jahrhundert aufgeweicht. Bil-der nehmen sich häufig zeitliche Verlaufs-formen zum Vorbild, während Musikwerkesich bei vielen Komponisten räumlichenVorstellungsbildern anverwandeln. DieseEntwicklung eröffnet neue Möglichkeitender grenzüberschreitenden Gestaltung. Siebeschränkt sich nicht mehr nur auf pro-grammatisch-inhaltliche Gemeinsamkei-ten von Musik und Bildern, sondern kannsich nunmehr auch auf räumlich-zeitlicheStrukturähnlichkeiten erstrecken. Solche Bezüge waren Thema einer ge-lungenen Kooperationsveranstaltung derInstitute für Kunstpädagogik und Musik-pädagogik. Im Januar kamen Lehrende und Studenten beider Institute eine Woche lang im Geschwister-Scholl-Hausder Leipziger Universität zusammen, umsich in praktisch-künstlerischer Gestaltungund theoretischer Erörterung dem grenz-überschreitenden Spiel mit musikalisch-

bildnerischen Strukturanalogien zu wid-men.Dabei standen die Realisation von Klang-bildern nach Bildvorlagen ebenso auf demProgramm wie spontanes künstlerischesArbeiten zur Musik oder praktische Ge-staltungsversuche zum Thema Regen. Wei-tere Themen praktischer Übungen waren„Ordnung und Zufall“ in der musikali-schen und bildnerischen Improvisation so-wie „Ruhe und Bewegung“ in Malerei,Musik, Pantomime und Video. Auch die Theorie kam nicht zu kurz. So ha-ben der Musikpädagoge Prof. Dr. Hans-Jürgen Feurich unter dem Titel „Kunst derFuge – Fuge in der Kunst“ und die Kunst-pädagogin Renate Herfurth zum Thema„14 Arten den Regen zu beschreiben“ auf-schlussreiche Beispiele zur Beziehungs-vielfalt von Musik und Malerei vorgestelltund analysiert. Eine spannende Annähe-rung an das Thema aus der Sicht einesKomponisten boten die Vorträge von Tho-mas Richter über das „Komponieren – Im-provisieren. Musik im Spannungsfeld zwi-schen Ordnung und Zufall“ wie auch zweiBeiträge von Bernd Franke zur „Chaos-theorie und Quantenmechanik – SOLOXFACH (für Joseph Beuys)“ und über sei-nen kompositorischen „Chagall-Zyklus“(1985–1986).Mit der öffentlichen Vorstellung der stu-dentischen Arbeitsergebnisse schloss dieKooperationsveranstaltung, für die sichalle Beteiligten eine baldige Fortsetzungwünschten.

Hans-Jürgen Feurich / Renate Herfurth

Dubnow-VorlesungEisenstadtkritisiert Begriff„Pariavolk“Vor großem Publikum in der Alten Han-delsbörse hielt der renommierte SoziologeShmuel Noah Eisenstadt (Hebräische Uni-versität Jerusalem) am 23. Januar dieZweite Simon-Dubnow-Vorlesung zumThema „Jüdische Geschichte im universal-vergleichenden Zusammenhang“. In sei-nem Vortrag verortete Eisenstadt jüdischeGeschichte vor dem Hintergrund der Ent-wicklung der großen Zivilisationen. ImZentrum der Rede stand eine kritische Be-trachtung von Max Webers Studien überdas antike Judentum. Eisenstadt kritisierteinsbesondere Webers Begriff von den Ju-den als „Pariavolk“, weil dieser nicht ge-eignet sei, die historische Erfahrung in derDiaspora zu erfassen.Shmuel N. Eisenstadt gilt als führenderVertreter des Zivilisationsvergleichs in denSozialwissenschaften. In den 50er Jahrenwar der heute 78jährige Gelehrte noch As-sistent von Martin Buber, seit 1951 lehrteer Soziologie in Jerusalem. Mit Unterstützung der Fritz Thyssen Stif-tung veranstaltet das Simon-Dubnow-In-stitut für jüdische Geschichte und Kulturan der Universität Leipzig jedes Jahr eineöffentliche Vorlesung zum Gegenstand sei-ner Forschungen. Herausragende Wissen-schaftlerpersönlichkeiten werden eingela-den, um den Ertrag ihres Werkes auf demGebiet der Geschichte der Juden in Ver-bindung mit Fragen der allgemeinen Hi-storie der akademischen und interessiertenÖffentlichkeit vorzustellen.

Tobias Brinkmann

Heft 2/2002

Fakultäten und Institute

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Der Beweis ist erbracht : Musik und Malerei lassen sich miteinander in Einklangbringen. Foto : Kühne

Hielt die zweite Simon-Dubnow-Vorlesung: Shmuel N. Eisenstadt.

Foto : Kühne

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LateinamerikazentrumRing frei fürRingvorlesungIn einer Ringvorlesung stellt sich das nochjunge Lateinamerika Zentrum der Univer-sität Leipzig im Sommersemester einerbreiteren Hochschulöffentlichkeit vor. Inder ersten Runde, die unter dem Titel „La-teinamerika am Beginn des 21. Jahrhun-derts: Aufgaben und Forschung“ steht,kommen Wissenschaftler aus den Berei-chen Chemie, Geographie, Geschichte, Hi-spanistik und Umweltforschung zu Wort.Für das Wintersemester ist eine Vortrags-reihe über Räume und Raumkonzepte inLateinamerika geplant, an der weitereFächer beziehungsweise Disziplinen, dieebenfalls im Lateinamerika Zentrum ver-treten sind, beteiligt sein werden.Die einzelnen Vorlesungen finden immeran einem Dienstag von 11.30 bis 12.30 Uhrim Hörsaal 3 des Hörsaalgebäudes amAugustusplatz statt. Den Anfang macht am16. April Prof. Dr. Alfonso de Toro vom In-stitut für Romanistik mit dem Thema „DieZukunft von Kulturstudien und Literatur-wissenschaft. Zu einer Theorie der Hybri-dität“. Ihm folgt eine Woche später Prof.Dr. Lothar Beyer vom Institut für Chemie.Der Titel seiner Vorlesung lautet: „Dieälteste Hochkultur Lateinamerikas Caral-Supe und das Gold der Incas – Perspek-tiven und Ergebnisse wissenschaftlicherZusammenarbeit von peruanischen unddeutschen Archäologen und Chemikern.“

Die weiteren Termine der Ringvor-lesung stehen im Internet unterhttp://www.uni-leipzig.de/~laz/ringvorlesung.htm

BotanikBeeindruckteBaumkronen-Besucher„So was hätten wir gerne auch in Oxford“,sagte der Engländer Dr. Andrew Mitchell,als er Ende Februar vor dem Kran im Leip-ziger Auwald stand. Mitchell führte einehochkarätige vierköpfige Delegation vonBaumkronen-Forschern an, die ProfessorWilfried Morawetz, Direktor des Institutsfür Botanik der Universität Leipzig sowie

des Botanischen Gartens, eingeladen hatte.Mit Hilfe des 40 Meter hohen Krans kön-nen die Botaniker seit März 2001 das Le-ben in den Baumwipfeln erforschen. Zehnweitere solcher Kräne stehen in Wäldern inanderen Teilen der Welt. Die Forscherarbeiten inzwischen im „Global CanopyProgramme“ (Globales Baumkronen-Pro-gramm) zusammen, um ihre Arbeiten zukoordinieren und Ergebnisse zu verglei-chen. Dr. Andrew Mitchell, Direktor diesesProgramms, zeigte sich in Leipzig vorallem von der 120 Meter langen Schien-entrasse beeindruckt, auf der der Kran be-wegt werden kann: „Das ist wirklich faszi-nierend.“ Nur in Venezuela stehe noch einKran auf Schienen.Die Besucher aus England und den USAließen es sich trotz starker Windböen nichtnehmen, in der kleinen orangefarbenenKran-Gondel von oben einen Blick auf dieAuwald-Wipfel zu werfen. „Man hat hierso etwas wie ein Observatorium – natürlichmit begrenztem Sichtfeld“, erklärte derUS-amerikanische Forscher Dr. GeoffreyParker. Rund 1,6 Hektar Wald können vomLeipziger Kran aus erreicht werden, da derAusleger 45 Meter misst.„Die Baumkronen-Forschung ist essenziellfür das Verstehen des globalen Klimas undfür den Erhalt der globalen Artenvielfalt“,betonte Professor Wilfried Morawetz undwies auf die Notwendigkeit der wissen-schaftlichen Höhen-Arbeit hin. Gerade im

Leipziger Auwald herrsche eine große Ar-tenvielfalt. Das gelte für Bäume und Tiere.16 Gehölzarten fänden sich dort und hun-derte Insektenarten. „Und das Leben desWaldes spielt sich vor allem in den Baum-kronen ab“, so Morawetz. Noch gebe es für die Forscher viel zu tun.„Wir sind in einem Stadium, das dem an-derer Wissenschaften zur Zeit des Mittel-alters entspricht: Wir wissen nahezu garnichts.“ Carsten Heckmann

IndologieGastwissen-schaftler ausder MongoleiSchon zum zweiten Mal konnten derDirektor des Instituts für Indologie undZentralasienwissenschaften, Prof. Dr. PerK. Sørensen, und der Fachvertreter derMongolistik, Dr. Klaus Koppe, im abge-laufenen Wintersemester einen Gastwis-senschaftler aus der Mongolei begrüßen.mProf. Jantsan Bat-Ireedui ist Dekan der Fa-kultät für Mongolische Sprache und Kulturder Mongolischen National-Universität inUlan Bator. Zwischen der Fakultät fürMongolische Sprache und Kultur und derhiesigen Fakultät für Geschichte, Kunst-und Orientwissenschaft besteht bereits seit2000 ein Vertrag über die wissenschaft-liche Zusammenarbeit. Durch Drittmittel-finanzierung, einem Stipendium des Deut-schen Akademischen Austausch Dienstes(DAAD), wurde es ermöglicht, den mon-golischen Wissenschaftler für einen drei-monatigen Gastaufenthalt an die Uni-versität Leipzig einzuladen. Schon imOktober 2001 finanzierte der DAAD denebenfalls dreimonatigen Gastaufenthalt ei-nes mongolischen Nachwuchswissen-schaftlers der Akademie der Wissenschaf-ten der Mongolei. Den Mongolistik-Stu-denten der Universität Leipzig wird damitdie Möglichkeit geboten, sich von hoch-qualifizierten und in der Lehre erfahrenenMuttersprachlern unterrichten zu lassen. Ausdruck der guten Zusammenarbeit mitder Fakultät für Mongolische Sprache undKultur der Universität in Ulan Bator wardie Übergabe einer Bücherspende mongo-listischer Fachliteratur durch Prof. Bat-Ireedui.Neben der Lehrtätigkeit wirken die mon-golischen Gastwissenschaftler auch an der

Fakultäten und Institute

18 journal UNIVERSITAT LEIPZIG

Auf Augenhöhe mit den Baumkronen:Prof. Dr. Wilfried Morawetz und Dr. David Shaw. Foto: Kühne

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Ausarbeitung konkreter Projekte mit, beidenen es u. a. um die Geschichte derdeutsch-mongolischen Beziehungen geht.Vor allem aber haben Prof. Bat-Ireedui undDr. Koppe die gemeinsame Arbeit an ei-nem Lehrbuch der Mongolischen Sprachefür deutschsprachige Lernende und Studie-rende begonnen. Ein solches Lehrbuchstellt angesichts der vorhandenen Mate-riallage ein Desiderat in der deutschspra-chigen Mongolistik dar. Um die Koopera-tionsbeziehungen zu vertiefen, werdenProf. Sørensen und Dr. Klaus Koppe imSommer, ebenfalls finanziert durch denDAAD, in die Mongolei reisen.

Anita Faltermann

ErziehungswissenschaftenBildungsdialogmit Letten in Leipzig

Zum vierten Mal konnte Prof. Dr. DieterSchulz, Geschäftsführender Direktor desZentrums zur Erforschung und Entwick-lung pädagogischer Berufspraxis, Gästeaus Lettland in Leipzig begrüßen: EineGruppe Studierender des Instituts für Pä-dagogik und Psychologie der UniversitätLettlands, Riga, verbrachte vom 25. bis 30. Januar 2002 einen Studienaufenthalt inLeipzig. Die Gruppe setzte sich zusammenaus 13 Studierenden im Master-Studien-gang Erziehungswissenschaft und zehnDoktorandinnen. Der Zweck des Studien-aufenthalts bestand darin, den Gästen ausLettland einen Einblick in aktuelle Ent-wicklungen des Bildungswesens in Sach-sen und in die erziehungswissenschaftlicheLehre und Forschung in Deutschland sowieden Erfahrungs- und Meinungsaustauschmit Studierenden und Lehrenden der Uni-versität Leipzig zu ermöglichen. Die Finanzierung des Programms wurdesichergestellt durch Zuwendungen desBildungswerks Leipzig der Konrad-Ade-nauer-Stiftung, der Verbundnetz Gas AG,Leipzig, der Universität Lettlands und desSchulverwaltungsamts der Stadt Riga.

StuRa zumHochschulkonsensAuf EinsichthoffenSeit Oktober gab es da ein Papier, welchesvon Anfang an den Titel „Konsens“ trug,aber nur von einer Seite erarbeitet wordenwar, gut, ehrlicherweise hieß es „Konsensüber die Hochschulentwicklung“. Damitwar dann der Inhalt auch hinreichend zu-sammengefasst, die Hochschulen bauen1315 Stellen ab, sind weiterhin von Haus-haltssperren betroffen und haben so ziem-lich alles, was man derzeit mit moder-nen Fremdwörtern ausdrücken kann, zutun. Da wäre die Einführung von „effizienz-orientierten Managementmethoden“ alsdas wohl schönste Beispiel zu nennen. Esgab viele Verhandlungen, einige Wortewurden gestrichen, die abzubauenden Stel-len den Hochschulen zahlenmäßig zuge-ordnet, das Landeskuratorium in seinenKompetenzen eingeschränkt. Allerdingstat sich bei allem anderen gar nichts unddann hieß es Anfang März plötzlich „frissoder stirb“, die Drohgebärden wegen deszu erwartenden neuen Ministerpräsidentenverstärkten sich und der Konsens galt alsquasi unterschrieben. Nun dachten sich aber die befragten Hoch-schulsenate „schlimmer geht‘s nimmer“und erteilten dem Minster(präsidenten)eine klare Abfuhr. Dass die Hochschulenweiterverhandeln wollen, um tatsächlicheinen Konsens zu erarbeiten, interessiertdie Staatsregierung nicht, Nachverhand-lungen ausgeschlossen, heißt es da. Danneben nicht, bleibt nur auf die Einsicht Milb-radts zu hoffen.

Es geht uns nicht darum, einen Konsensper se nicht zu unterstützen, sondern essind zur derzeitigen Situation klare Nach-teile für die Hochschulen zu erwarten.Deshalb fordern wir, dass in den nach-folgenden Verhandlungen, die folgendenPunkte verwirklicht werden.– Trennung der zu erwartenden Stellen-

kürzungen vom Hochschulkonsens– Konkretisierungen der umzusetzenden

Empfehlungen der SHEK– Finanzielle Zuwendungen für zu kür-

zende Stellen nach dem Vorbild von Ba-den-Württemberg

– Ausnahmen von Haushaltssperren– Inflationsausgleich bei Sach- und Inves-

titionsmitteln

– Konkretisierung der Umsetzung derLeistungs- und Qualitätsindikatoren

– Ausformulierung der Kündigungsmög-lichkeiten für die Hochschulen

– Sicherheit der Finanzierung des Bücher-grundbestandes

Des weiteren erhoffen wir uns eine breiteöffentliche Diskussion über das sächsischeHochschulsystem, in der auch endlich dieErgebnisse der SHEK auf den Prüfstandgestellt werden. Juliane Drews

Referentin für Hochschulpolitik

Weitere Informationen im Internet unterwww.stura.uni-leipzig.de (hopo)

StuRa zum SemesterticketFahren imVerbund?

1995 schlossen die Universitäten der StädteHalle, Jena und Leipzig einen Uni-Ver-bund. Studierenden sollte so ermöglichtwerden, Studienleistungen innerhalb die-ses Verbundes abrechnen zu können. Eswäre also theoretisch möglich, an einemTag eine Veranstaltung in Leipzig und aneinem anderen eine in Halle zu besuchen.So könnte der Uni-Verbund zur Stärkungdes Wissenschaftsstandortes Mittel-deutschland beitragen. Die praktischeVoraussetzung fehlt allerdings: eine preis-werte Verbindung zwischen den Verbunds-Städten. Das war für die VertreterInnen der Studen-tInnenRäte in Halle und Leipzig Grund ge-nug, Verhandlungen mit dem Mitteldeut-schen Verkehrsverbund (MDV) zu begin-nen über ein Semesterticket, das dieStrecke zwischen Halle und Leipzig bein-haltet. Ein weiteres Ziel ist, eine kosten-günstige und schnelle Verbindung nachJena herzustellen, um die dort angebotenenVeranstaltungen nutzen zu können. Seit 1996 gibt es ein Semesterticket inLeipzig, das von rund der Hälfte aller Stu-dierenden gekauft wird. Das Modell hatsich augenscheinlich bewährt. Nach Datendes StuRa gibt es aber einen hohen Anteilan studentischen PendlerInnen im Gebietdes MDV. Warum also nicht das Ticket auf den ge-samten Bereich ausdehnen, einschließlichder so wichtigen Strecke Halle–Leipzig?Auch dies wäre ein Modell mit Zukunft.

Heft 2/2002

Fakultäten und Institute | Studiosi

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Brandenburg, Hessen und das Saarlandmachen es vor. Dort können Studierendezu niedrigen Preisen ein Semester lang fastdas gesamte Bundesland durchqueren. Bei-spiel Frankfurt/Oder: Für 76 Euro könnenStudierende ein halbes Jahr lang den Nah-verkehr in Brandenburg und Berlin nutzen.112 Euro zahlt man in Potsdam, 111 Euroin Frankfurt/Main. Und was bietet der MDV? 210 Euro sollenStudierende in Halle und Leipzig für einGebiet berappen, dass noch nicht einmalannähernd die Größe eines Landes wieBrandenburg oder eine Verkehrsdichte wieFrankfurt/Main oder Berlin hat. Zumal einBetrag von solcher Höhe und geballterForm Studierende am Anfang des Seme-sters wohl vor finanzielle Schwierigkeitenstellt.Diese Preise mögen für nicht-studentischeOhren niedrig klingen, doch haben die Ver-kehrsunternehmen hier Einnahmen, mitdenen sie auf Jahre hinaus garantiert rech-nen können. Auch diejenigen, die eigent-lich gar nicht fahren wollen, sind schließ-lich verpflichtet diesen Beitrag solidarischzu zahlen. Außerdem bieten Studierendeein enormes Potential an Nutzern. Rund5000 Leipziger Studierende haben alleinihren Wohnsitz im Gebiet des MDV außer-halb Leipzigs. Noch unklar ist bis jetzt, wieviele Studierende das Lehrangebot in deranderen Stadt nutzen würden. Bei einempreiswerten Ticket könnten es sich aberwohl eine ganze Menge überlegen. Das Ar-gument, dass mit einem billigeren Ticketeine größere Masse an Studierenden esauch nutzen würde, wird vom MDV mit derBegründung abgelehnt, man wolle keinenVerkehr produzieren. Was aber soll danndie Aufgabe eines Verkehrsunternehmenssein?Die Einführung des Semestertickets inLeipzig 1996, die anfangs mit großer Skep-sis betrachtet wurde, hat es gezeigt: einpreiswertes Billet ist verkehrspolitisch undökonomisch sinnvoll und den studenti-schen und universitären Interessen förder-lich. Es bleibt zu hoffen, dass bei den kommen-den Verhandlungen eine konstruktive Lö-sung gefunden wird und die Universitätendie Studierenden in diesem Anliegen tat-kräftig unterstützen.

Carola Richter und Jan NaujoksReferat für Ökologie und Verkehr

Mehr Informationen im Internet unter:www.stura.uni-leipzig.de/~oeko/ sem.html

Mock-KonferenzGroße Aufgabenfür den kleinenDolmetscherEs war einmal an einem kalten Tag im Ja-nuar, genauer gesagt an einem MittwochNachmittag. An diesem Tag fand die großeMock-Konferenz statt, bei der es Reden inden unterschiedlichsten Sprachen zumThema „Der Einfluss des Englischen aufunsere Sprachen“ geben sollte.Schon als er morgens aufgewacht war,hatte der kleine Dolmetscher leichte Zei-chen von Nervosität verspürt, die jedochdurch die Vorbereitungen, die noch erledigtwerden mussten, schnell vergingen. Erstals gegen 14 Uhr das letzte Seminar fürdiesen Tag zu Ende ging, der Konferenz-beginn unweigerlich näherrückte und dieZuhörer in den Saal strömten, kam auch dieAufregung wieder. Und mit ihr die Fragen:Bin ich ordentlich vorbereitet? Weiß ichalle wichtigen Vokabeln? Bin ich gut beiStimme? Bin ich ausgeschlafen? Leiderkonnte er, wenn er ehrlich war, ziemlichviele dieser Fragen nicht wirklich mit ja be-antworten; da es mittlerweile jedoch zuspät war, daran noch etwas zu ändern, be-schloss er, das Beste aus der Situation zumachen und ging in seine kleine Dol-metschkabine. Nachdem er sich dort ein-gerichtet hatte, sein Wörterbuch neben ihmlag und er ein Glas Wasser getrunken hatte,fühlte er sich gewappnet.Dann kam der große, gleichermaßen er-sehnte und gefürchtete, Augenblick, dieKonferenz begann. In den folgenden fünfMinuten konnte der kleine Dolmetscher ankaum etwas anderes denken als daran, daswas er da gerade auf deutsch hörte insFranzösische zu übermitteln. Nur blitzartiggingen ihm andere Gedanken durch denKopf. Warum nur müssen die Leuteeigentlich immer so schnell sprechen? Undwas soll denn das heißen: „Das Verhältnisdes Menschen zu seiner Sprache ist nichtdas der vollkommenen Einsprachigkeitund einsprachigen Vollkommenheit, son-dern im Gegenteil das der unvollkomme-nen Mehrsprachigkeit und der mehrspra-chigen Unvollkommenheit“? Die ersteRede war überstanden – eigentlich war esja doch nicht so schlimm gewesen.Die folgende Stunde verging wie im Flug.Zahlreiche Reden wurden gehalten –deutsch, spanisch, russisch, französisch,

deutsch – die anderen Dolmetscher untenim Saal hatten auch ganz schön zu tun, undder kleine Dolmetscher in der Dolmetsch-kabine wurde immer sicherer. Aber wassind denn das nun wieder für komischeWörter? „Transliterieren“! Können sich dieLeute nicht klar und einfach, eben ver-ständlich ausdrücken? Doch egal, es gehtweiter, Hauptsache er sagt überhaupt etwas,darüber nachdenken kann er später. Späterdenkt er allerdings nicht mehr daran.Nach einer kurzen Pause ging es weiter mitdem zweiten Teil, mit schon wesentlich ge-wachsenem Selbstvertrauen ging der kleineDolmetscher zurück in seine Dolmetschka-bine. Und wieder sprach ein Redner nachdem anderen – englisch, portugiesisch, ara-bisch, spanisch, französisch. Was wurde dagerade gesagt? Der Redner hatte ganz si-cher von Wirtschaft, Technik und Kulturgesprochen, aber war da nicht noch etwasgewesen? Zum Nachdenken ist keine Zeit,ach egal, in solchen Aufzählungen passt dasWort Politik immer, also raus damit.Mittlerweile wurden Schwierigkeiten nichtmehr als bedrohlich empfunden, sondernals Herausforderungen, die die Denkfähig-keit anregen, der kleine Dolmetscher be-kam das Gefühl, über sich hinauszuwach-sen. In diesem Augenblick traute er sichfast alles zu und war sich sicher: es wirdeinmal der Tag kommen, an dem er aufeiner wirklich großen Konferenz dolmet-schen wird. Christiane Biskup

Studiosi

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Eine Mock-Konferenz ist eine von Stu-denten des Instituts für angewandte Lin-guistik und Translatologie für Studentenorganisierte mehrsprachige Konferenz,die einmal pro Semester stattfindet. DerName kommt vom englischen Verb „tomock“, was soviel heißt wie nachah-men, imitieren. Die simulierte Konfe-renz soll den angehenden Dolmetscherndie Möglichkeit geben, einmal in einer„realen“ Situation ihre erworbenen Fä-higkeiten auszuprobieren. Redner ausunterschiedlichen Ländern halten je-weils in ihrer Muttersprache eine Redezu einem festgelegten Thema, diese Re-den werden von den Studenten gedol-metscht. Die letzte Konferenz fand am16. 01. in der Dolmetschtrainingsanlageim Seminargebäude statt. Die Autorindes nebenstehenden Beitrags war dabei.Nähere Informationen im Internetunter: www.uni-leipzig.de/~ialt/institut/dta

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Es ist 8 Uhr morgens. Ute Unwirklichmüsste eigentlich ihre Herztabletten ein-nehmen. Doch daran denkt sie nicht – bisihr PMA piept und vibriert. Zwei Stundenspäter steht der Zahnarzt-Besuch an. Gut,dass der PMA rechtzeitig die Meldung„Bitte Zähne putzen“ ausgibt – das hätteFrau Unwirklich sonst glatt vergessen.Noch ist das alles Zukunftsmusik, aber siewird auf der Computermesse CeBIT gernund gut gespielt von den Informatikern derUniversität Leipzig. Am Lehrstuhl Rech-nernetze und Verteilte Systeme ist unter derLeitung von Prof. Dr. Klaus Irmscher„MEMOS“ entwickelt worden, ein mobi-les Gedächtnishilfesystem für Patientenmit Hirnschädigungen. PMA lautet dasKürzel für das „MEMOS“-Mobilgerät. Diedrei Buchstaben stehen für Personal Me-mory Assistant, den persönlichen Gedächt-nis-Assistenten. Dieser Zeitgenosse ist,wie sollte es anders sein, ein elektronischesGerät. Die Bezeichnung ist angelehnt anPDA, Personal Digital Assistant. So nen-nen die Fachsprachler im Prinzip alle Ge-räte, die man im Elektronik-Prospekt unter„Organizer“, „Handheld“, „Palmtop“ oder

ähnlichen Namen findet. Sie sind klein wieeine Handfläche und bieten ein elektroni-sches Gehirn – das allerdings vom Men-schen mit Informationen gefüttert werdenmuss.Genau da setzt „MEMOS“ an. „Die Bedie-nung kommerzieller elektronischer Sys-teme ist für die Patienten oft nicht erlern-bar“, weiß Diplom-Informatiker HendrikSchulze. Gemeint sind Patienten mit Ge-dächtnisstörungen, die zum Beispiel auseinem Schlaganfall oder einem Schädel-hirntrauma resultieren. „Unsere primäreZielgruppe besteht dabei aus jenen Men-schen, deren prospektives Gedächtnisgeschädigt ist“, so Schulze. Das ist dasGedächtnis, das nach vorne blickt, damitbeispielsweise für die Erinnerung an Ter-mine zuständig ist.Diesen Menschen soll also ein Gerät zurVerfügung gestellt werden, das sie an alldas erinnert, was sie sonst zu tun vergessenwürden – und ihnen überdies Informatio-nen für die Erfüllung der Aufgaben gibt.Eine „kognitive Prothese“, wie HendrikSchulze es nennt. Die nötigen Informatio-nen für das Mobilgerät kommen per Funk,

das System wird gespeist von autorisiertenPersonen. „Das können Ärzte sein, Be-treuer und Verwandte“, sagt Schulze. Nichtjeder darf dabei alles, schließlich sollte eswirklich dem Arzt vorbehalten bleiben,über die Anwendung von Tabletten zu ent-scheiden. Der Ehefrau dürfte es reichen,ihren Mann an die Einkäufe zu erinnern.Wobei er auch die Einkaufsliste auf denPMA laden kann. Die Patienten könnenwiederum zum Beispiel ihre Tablettenein-nahme bestätigen – geschieht das nicht,erfahren die Betreuer, dass etwas nichtstimmt.Die Interaktion der Eingabeberechtigtenmit dem Basissystem erfolgt über einenInternet-Browser. PMA und Basissystemkommunizieren über ein eingebautes Mo-biltelefon. Das System ist selbstredend inder Lage, die Eingaben verschiedener Be-treuer zu koordinieren und so Terminüber-schneidungen zu verhindern. In Notfall-situationen kann der Patient per Telefonschnellstens Kontakt zu einem Betreueraufnehmen.Das Ganze ist damit interaktiv, hilft demPatienten und mindert den Betreuungsauf-

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Mit zwei Projekten war dieUniversität Leipzig im März auf

der weltgrößten ComputermesseCeBIT vertreten. Das Uni-Journal

hat die Leipziger in Hannoverbesucht und stellt ihre

Entwicklungen vor.Foto : CeBIT

Die Erinnerung wird gefunktGedächtnishilfe von Informatikern Von Carsten Heckmann

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wand – in der Theorie. Denn die richtigeRealisierung steht noch aus. Wobei dieFunktionsfähigkeit längst nachgewiesenist. Davon kann Hendrik Schulze auch dieCeBIT-Besucher in Halle 11 überzeugen,mit Hilfe eines PMA-Prototyps, den einemittelständische sächsische Firma denUni-Informatikern hergestellt hat. Einschlichter silbergrauer Kasten mit zweiTasten und einem ausreichend großenBildschirm.Doch um eine größere Zielgruppe versor-gen zu können, gehen die Überlegungen in-zwischen weg von diesem speziellen PMA:„Wir fokussieren jetzt auf handelsüblicheOrganizer“, erklärt Schulze. Die „Zielar-chitektur“ sehe so aus: eine robuste Kom-

bination aus Organizer und Handy, kleinund kompakt, mit Touchscreen und mög-lichst wenigen Tasten, sowie einem Zugangzum Quellcode. Letzteren brauchen die In-formatiker, um das Gerät für „MEMOS“ zumodifizieren.Schulze nutzt daher die CeBIT auch, umKlinken zu putzen bei den PDA-Herstel-lern. „Leider habe ich schlechte Erfahrun-gen gemacht. Aber immerhin hat sich einekleine koreanische Firma interessiert ge-zeigt und angekündigt, uns zu einemniedrigen Preis zwei Testgeräte zu bauen.“Doch das sei natürlich nur ein Versprechen.„95 Prozent der auf der CeBITbegonnenen Erfolg verspre-chenden Gespräche ver-laufen am Ende dochwieder im Sande“, weißSchulze.Er spricht aus Erfah-rung mit einer gesundenSkepsis im Hinterkopf.Schließlich ist für „ME-MOS“ bislang nicht alles rei-bungslos verlaufen. Entwickeltwurde „MEMOS“ im Rahmen dessächsischen Verbundprojektes „Mobtel“.Der Startschuss fiel 1998. Die Idee hattenzwei Neuropsychologen der Leipziger Uni-Tagesklinik für kognitive Neurologie, FrauDr. Angelika Thöne-Otto und Prof. Yvesvon Cramon. Die Tagesklinik sitzt auchheute noch mit im Entwicklungsboot.Schließlich müssen die Informatiker vieleInformationen verarbeiten über das, wasdie Patienten zur Hilfestellung bekommensollen. „Mobtel“ ist allerdings ausgelaufen.Das Nachfolgeprojekt heißt „Mobregio“

und ist mit 1,5 Millionen Euro vomBundesforschungsministerium verbunden– sowie „mit einer wesentlichen personel-len Aufstockung“, so Hendrik Schulze.„Ein Koordinator, zwei halbe Psychologen-Stellen, zwei Informatiker, ein medizi-nisch-psychologischer Assistent“, zählt der28-Jährige auf. „Bis jetzt haben ein Infor-matiker und ein Psychologe die Arbeit ge-macht.“Die Voraussetzungen für eine gute Weiter-entwicklung sind also da, doch einfachwird es trotzdem nicht für „MEMOS“. EinGrund dafür: der Preis. Rund 500 Euro

wird ein Personal Memory Assi-stant kosten, auf mindestens

50 Euro werden sich mo-natlich die Telefonkostenbelaufen, und auch dasBasissystem will be-zahlt werden. „DieKrankenkassen bezah-

len schon konventionelleGedächtnishilfen nicht“,

weiß Hendrik Schulze. „Dawerden sie wohl dieses System

auch nicht bezahlen.“ Andererseitskönnten vielleicht Berufsgenossenschaftenfür die Kosten aufkommen, meint Schulze.Oder aber Angehörige der Patienten, die jaselbst „außerordentlich profitieren“ wür-den, wenn ihr Verwandter alltägliche Tä-tigkeiten wieder selbständig ausführenkönnte, sobald er automatisch daran er-innert würde.Doch zunächst einmal kann InformatikerSchulze es gar nicht mehr erwarten, dassendlich Testphasen beginnen können, Feld-versuche, die bislang nicht möglich waren.„Erste Erfahrungen mit Patienten wollenwir ab Herbst machen mit Hilfe eines Han-dys mit Touchsreen. Die neuropsychologi-sche Welt schaut auf uns, alle wollen esausprobieren.“ Mit der „Zielarchitektur“rechnet Schulze zum Jahresende. Und zusammen mit den Psychologenwerde es auch gelingen, den Patienten sowenig wie nötig zu helfen. „Solche Unter-fangen sind immer eine Gratwanderungzwischen Führung und Gängelei“, sagt derjunge Wissenschaftler, der über „ME-MOS“ promovieren will. „Aber diese Grat-wanderung schafft eine clevere Sekretärinja mit ihrem Chef auch.“

Informationen im Internet:http://rnvs.informatik.uni-leipzig.de/memos

UniCentral

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Hendrik Schulze erklärt „MEMOS“.Foto : Heckmann

Ein Beispiel für die Terminverwaltung mit „MEMOS“.

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Endlich Semesterferien. Student MartinMuster liegt am Strand und genießt das Son-nenbad. Und was er auf dem Display seinesHandys erblickt, verbessert seine Laune zu-sätzlich: Die Zwischenprüfung ist bestan-den. Wenn das keinen Cocktail wert ist.Diese fiktive Szene hat einen realenHintergrund: „UniTel“ und ein Zugriff aufeine Datenbank mit Prüfungsdaten. „Uni-Tel“ ist ein Lehrstuhl-Kommunikations-system, konzipiert am Institut für Soft-ware- und Systementwicklung der Univer-sität Leipzig, welches an der Wirtschafts-wissenschaftlichen Fakultät angesiedelt ist.Mit „UniTel“ können Studenten tages-aktuelle Informationen zu Prüfungsergeb-nissen, Lehrinhalten, Terminen und Übun-gen jederzeit abrufen – zu Hause am Com-puter oder unterwegs mit dem Mobiltele-fon oder einem PDA-Gerät (PersonalDigital Assistant, auch firmierend unter„Organizer“, „Palmtop“ und ähnlichen Na-men).Brandneu ist das nicht. In Berlin lief vonMai 2000 bis Februar dieses Jahres mit„Campus Mobil“ ein Testprojekt mit einemUni-Handy, an dem 500 Studenten dreierHochschulen teilnahmen. Neu ist aber da-für das, was hinter der „UniTel“-Informa-tionsübermittlung steckt. „Wir haben einSoftwaresystem entwickelt, das universelleinsetzbar ist“, sagt Prof. Gerd Gold-ammer. An jedem beliebigen Lehrstuhlkönne mit dieser Software ein eigenesInformationsangebot erstellt werden, dasdann über das Internet zugänglich ist.„Die entsprechenden Informationen wer-

den einfach in Textform auf die Plattformaufgesetzt, der Rahmen ist konfigurier-bar“, erläutert Goldammer. Will heißen:Sowohl über das Aussehen als auch überdie Funktionalität kann der jeweilige „Uni-Tel“-Kunde selbst entscheiden. Nur musser dazu keine Detail-Kenntnisse in derComputer-Welt haben. Die Software wirdsogar von Leipzig aus über das Internetinstalliert und auch auf diesem Wege ge-wartet. „Damit können Institute ihre Arbeitrationalisieren und die Kommunikationverbessern“, sagt Prof. Goldammer.Wie das in der Realität aussehen kann, dür-fen Goldammers Leipziger Studenten nichterst seit der CeBIT 2002, sondern schon seit1996 begutachten. Die programmiertePlattform „Eldas“ läuft seitdem „heiß“, wieGoldammer es gerne formuliert. Der Zu-gang übers Internet ist also schon längermöglich, der Zugang per Mobilgerät hinge-gen erst jetzt. Auf der CeBIT erstmals fürFachleute auszuprobieren, im Sommerse-mester erstmals für Studenten zu nutzen.Die „Eldas“-Internetseite wird von denLernenden schon jetzt fleißig aufgesucht.Regelmäßig laden sie sich zum BeispielVorlesungsskripte und Arbeitsblätter aufihre eigenen Computer „herunter“. „Eineungeheure Informationsfülle“ biete man zuden 13 Vorlesungen des Instituts an, soGerd Goldammer. An der ein oder anderenStelle fehlt allerdings eine Information aufden Blättern. „Diese Angaben ergänzen wirdann in der Vorlesung“, erzählt Goldam-mer. „Denn die soll ja niemand schwän-zen.“ Prüfungsergebnisse werden natürlich

auch gern abgerufen. Damit es da-bei keinen Missbrauch gibt, ist dasSystem speziell geschützt. Nie-mand soll schließlich seine eigenenPrüfungsergebnisse manipulierenkönnen.Erprobt ist das Gesamtsystem nungenug, die „UniTel“-Version 4.0liegt vor. Professor Goldammerkonstatiert: „Das ist von der Tech-nologie her der Höchststand undreif für den Markt.“ Mit-Entwik-kler Dr. Wilfried Röder ergänzt:„Wenn man etwas entwickelt hat,will man es natürlich realisiert se-hen, nicht nur im eigenen Haus.“

Daher der CeBIT-Besuch. Kundenwerbungist angesagt. Einige Interessenten gebe esbereits, so Röder.Das Standardpaket kostet 300 Euro, inklu-sive Installation, exklusive eigener Farben,Funktionen oder anderer Wünsche. „Daransieht man, dass das Geldverdienen für unsnicht im Vordergrund steht“, meint Wil-fried Röder. „Das bewegt sich ja preislichim Bereich von Shareware.“Apropos Preis: Der mobile „UniTel“-Zu-gang kostet selbstredend jeden StudentenGeld. Minutenweise. „Für das Abrufeneines Prüfungsergebnisses sollte man abermit 25 Cent hinkommen“, sagt WilfriedRöder. „Geübte SMS-Schreiber sind natür-lich klar im Vorteil.“Die Leipziger Wissenschaftler sind selbstsehr gespannt, wie gut der mobile Zugangangenommen wird. „Noch wissen wir jaauch nicht genau, was wir für die mobileVariante an Informationen anbieten sol-len“, erklärt Professor Goldammer. In eini-gen Monaten wird er schlauer sein – dieStrandsaison steht schließlich bevor.

Informationen im Internet:http://www.iss.uni-leipzig.dehttp://www.uni-leipzig.de/eldas

UniCentral

Prof. Goldammer demonstriert „UniTel“.Foto : Heckmann

Lehrstuhl-Software ist marktreifUni-Infos immer und überall Von Carsten Heckmann

„UniTel“ mobil: Studieninformationenper Handy. Foto : Heckmann

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24 journal UNIVERSITAT LEIPZIG

Gruppen und Organisationen der islami-schen Welt und der ständig aktualisiertelslam-Katalog mit Informationen zu Me-dien, Wirtschaft, Recht. Bei ersterem Pro-jekt haben Studierende des Instituts in mo-natelanger Recherche Internet-Seiten aus-gewertet und übersetzt sowie Sekundär-quellen hinzugezogen, um ein klareres Bildvon den Gruppen zu erhalten, die von ver-schiedenen Seiten immer wieder als mili-tant eingestuft werden. Erstmals ist aucheine große Anzahl von Verweisen auf Ori-ginalseiten der beschriebenen Organisatio-nen enthalten. Mit dieser Initiative wollendie Studierenden vor allem Journalistenund Politikern, aber natürlich auch jedeminteressierten Bürger, Informationen auserster Hand liefern, denn oft ist über ver-schiedenste Gruppen im islamischen Raumin der Zeit nach den Terroranschlägen vom11. September sehr einseitig und wenig dif-ferenziert berichtet worden.Viel Aufmerksamkeit fand nach Aussagenvon Standleiter Dr. Peter Nenning auch dieCD „Immobilienwissen aktuell“ des Lehr-

Leipzig las – und die Universität las mit.Genauer gesagt : sprach mit, diskutiertemit. Die gemeinsam von der UniversitätLeipzig und der Leipziger Messe GmbHveranstaltete Buchmesseakademie unterdem Rahmenthema „Forum Neues Eu-ropa“ erwies sich im Vorfeld der EU-Er-weiterung als ein Ort für das nachdenklicheGespräch, für die lebhafte Diskussion. DieUniversität auf der Buchmesse – das hießaber auch Vorstellung neuer Bücher aus derAlma mater Lipsiensis. Mehr als 3000 wis-senschaftliche Publikationen wurden imzurückliegenden Jahr von Autoren der Uni-versität Leipzig vorgelegt, darunter auchjene rund 160 Bücher, die zwischen 21.und 24. März 2002 auf dem Neuen Messe-gelande in Halle 3 am Stand der Universitätin Augenschein zu nehmen waren. Unter ihnen befand sich auch der Titel „DieKelten in Deutschland“ von Sabine Rieck-hoff, Professorin für Ur- und Frühge-schichte an der Universität Leipzig, undJörg Biel. Leser oder sagen wir besser :Blätterer in diesem Band konnten sich da-

bei auf die Kelten-Ausstellung der Uni-versität einstimmen, die unter dem Titel„fromm – fremd – barbarisch“ vom 12. Aprilbis 15. Juni gezeigt wird (s. a. S. 9).Am stets gut besuchten Messestand, andem im Rahmen des Universitätsverbun-des auch die Martin-Luther-UniversitätHalle-Wittenberg und die Friedrich-Schil-ler-Universität Jena vertreten waren, prä-sentierte die Universität Leipzig des weite-ren an Hand von sechs Exponaten einenAusschnitt ihrer vielgestaltigen Arbeit inForschung und Lehre. So stellte sich derSonderforschungsbereich 586 „Differenzund Integration“ vor, in dem Wissenschaft-ler aus Halle und Leipzig mit dem Blick aufgegenwärtige Weltentwicklungen – mandenke an die Globalisierung – die Wech-selwirkungen zwischen nomadischen undsesshaften Lebensformen in Zivilisationender Alten Welt erforschen.Mit zwei deutschlandweit einmaligen Pro-jekten war das Orientalische Institut aufder Buchmesse vertreten: eine Internet-Datenbank zu politischen und religiösen

UniCentral

Kann Europa dieWeltkonflikte moderieren?Buchmesseakademie mit spannenden ThemenVon Volker Schulte

Konnte sich über große Aufmerksam-keit freuen: Standleiter Dr. PeterNenning von der Forschungskontakt-stelle der Universität. Foto : Kühne

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stuhls Grundstücks- und Wohnungswirt-schaft. Sie stellt eine einzigartige Samm-lung von immobilienwirtschaftlichen Dis-sertationen, Diplom- und Hausarbeiten dar,welche am Stiftungslehrstuhl in den Jahren1994 bis 2001 geschrieben wurden. Allesin allem etwa 20000 Seiten wissenschaft-licher Text mit Forschungsergebnissen zuGebieten wie Immobilienmarkt, -bewer-tung, -investment, -management, -ökologieund -entwicklung. Weitere CDs zu Themenwie Nachhaltiges Bauen, Shopping-Cen-ter-Management oder Bewertung sind be-reits für die nächste Zeit angekündigt.Zurück zur Buchmesseakademie. Ganz aufEuropa eingeschworen, war sie thematischwie personell sehr gut besetzt. Schon dieerste Diskussionrunde nach der Eröffnung(Europa noch dem 11. September 2001)ließ erkennen, dass hier nicht diplomati-sches Einerlei zur Verkostung kommt. Ins-besondere Karl Schlögel von der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder über-raschte mal mit zugespitzten, mal mit ori-ginellen Sichtweisen. Etwa derart : Sich aufdie Höhe der Zeit zu arbeiten, heißt zu be-greifen, dass mit dem Knall von New Yorkdie Übergangsperiode von der geschlosse-nen zur offenen Gesellschaft zu Ende ging.Oder: Bedeutete 1989 das Ende desOstens, so hat mit dem 11. September 2001die Abwicklung des Westens begonnen.Die Welt werde sich neu sortieren – nachInteressen. Der Hauptkonflikt der Zukunftliege im Gegensatz von metropolitanenHochgeschwindigkeitszonen der Entwick-lung und einem abgehängten Rest der Welt.Was bleibt da Europa? Als etwas Mittleresund Kleinteiliges habe es die Fähigkeitzum Moderieren und Aushalten von Kon-flikten.Ähnlichen Optimismus verbreitete das Eu-ropaforum zum Thema: Das neue Europa:Kulturelle Einbahnstraße? „Die Kraft deskulturellen Diskurses“ beschwor dabeiBundesaußenminister Joschka Fischer.„Wir müssen vor einer kulturellen Homo-genisierung keine Angst haben“, sagte erweiter. Der Weg der Kultur gehe derzeitviel mehr von der Peripherie ins Zentrum,meinte der polnische Publizist MarcinKról, daher gebe es am Rande der EU auchkeine Einbahnstraßenfurcht. Eine Gefahrsieht man eher im Nationalismus, dieser„europäischen Pest“. Dieses verdammte19. Jahrhundert stecke in unseren Köpfen,so Fischer. Das sei in den USA anders.Wichtig seien die Ideale. „Eine Visionbraucht man, eine positive Definition vomeuropäischen Projekt“, stimmte der tsche-

chische Diplomat und Autor Jiri Grusa zu.Auch da könne man auf die USA blicken,meinte Fischer. So waren nicht wenige derZuhörer überrascht : Wer hätte gedacht,dass Amerika in einer Kultur-Debatteplötzlich zum Vorbild erwachsen würde?m„Europa von unten“ kam ins Bild – auchim Wortsinn durch den Film „Mit IKEAnach Moskau“ von Michel Chauvistré – inder Podiumsdiskussion unter dem viel-sagenden Titel „Kriechströme“, womit jene Ameisenpfade eines halblegalen Ost-West-Handels gemeint sind, die nachSchlögel die eigentlichen Gegenstände derKulturwissenschaft sein müssten. Und ersetzte noch eins drauf: IKEA und McDo-nald’s verkörperten einen ungeheuren zivi-lisatorischen Fortschritt im Osten, sie stün-den für Effizienz, Freundlichkeit, Sauber-keit, verlässliche Standards, kurzum, siesollten Schule machen und nicht bekämpftwerden. Also muss sich die europäischeIntelligenz neue Feindbilder suchen?In den Kulturzeitschriften, die unter derFrage „Spiegel einer europäischen Kul-tur?“ in einer weiteren Podiumsdiskussionzusammengeführt wurden, wird man siefreilich auch nicht finden. Ganz im Gegen-teil. Diese liebenswerten Vertreter einergefährdeten Kulturtradition (z. B. „Lettre“,„Merkur“, „Transit“, „Kafka“), allzeit zurSelbstüberschätzung bereit, wie sie selbstsagen, plädierten für Dialog, für eine Arteuropäische Öffentlichkeit, gleichzeitig fürVielfalt und Verschiedenheit und bekann-ten sich unaufgeregt zu ihrer Kleinheit, und

zwar als Chance zum Eigensinn und zurVerneinung von Diplomatie. Kein bloßesnettes Kennenlernen, eher Korrektiv undStreitfeld – auch das braucht Europa.

UniCentral

WeitereMessen2002Die Universität Leipzig nimmt jedesJahr an mindestens einem Dutzendüberregionalen und regionalen Messenteil. Wichtige Termine in diesem Jahrsind unter anderem noch folgende:

Industrie-Messe Hannover, 15.–20. 04.Die weltgrößte Industriemese sieht dieSächsischen Hochschulen an einem Ge-meinschaftsstand.

Denkmal, 30. 10.–2. 11. in LeipzigDie Europäische Messe für Denkmal-pflege und Stadterneuerung soll zumzum zweiten Mal beschickt werden. DieKonservierung von Kunstwerken gehörtebenso wie Archivierungssysteme, Re-staurierung von Gebäuden und Anwen-dung neuer Baustoffe zum Gegenstanddieser Messe.

Medica, 21.–24. 11. in DüsseldorfEs handelt sich um eine internationaleFachmesse mit angeschlossenem Kon-gress

Wie viele andere kamen auch sie bei der Buchmesseakademie ins Gespräch:György Konrád, Präsident der Akademie der Künste Berlin, und Karl Schlögel von der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder. Foto : Kühne

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1936 in der Parteizeitung wegen seiner„unnatürlichen, theoretischen und interna-tionalistischen Physik“ ein „weißer Jude“genannt und im Jahre 1937 fast eliminiert.Heisenbergs Abscheu vor dem Kommu-nismus war jedoch größer als der vor den„Braunen“. Nachdem im Jahre 1938 inBerlin Uran-235 als Spaltmaterial entdecktund 1939 der Uranverein gegründet wor-den war, versuchte Heisenberg die Auto-ritäten von dem großen strategischen Po-tential der Physik zu überzeugen. NachAusbruch des Krieges fand er ein offenesOhr bei ihnen. Bekannt ist das Gespräch zwischen Hei-senberg und Niels Bohr, das 1941 in Ko-penhagen stattfand. Nach der Überliefe-rung, die (wie sich vor einiger Zeit heraus-gestellt hat) wegen aktiven Eingreifens vonHeisenberg stark retuschiert ist, hat er Bohrdamals auf die deutschen Forschritte beider Entwicklung der Atombombe hinge-wiesen und gedrängt auf eine stillschwei-gende Vereinbarung zwischen Alliiertenund deutschen Atomforschern, die Arbei-

ten im Interesse der Menschheit abzubre-chen. Diese Geschichte ist unter anderemin Heller als tausend Sonnen (1956) vonRobert Jungk zu lesen. In der 1957 er-schienenen dänischen Ausgabe dieses Bu-ches ist vom Autor eine Zusammenfassung

eines an ihn gerichteten Briefes vonHeisenberg hinzugefügt, in dem dieserschrieb, Bohr während ihres Treffens 1941einen geheimen Versuchsstop auf die Ent-wicklung von Atomwaffen vorgeschlagenzu haben. Diese Vorstellung der Tatsachenliegt auch Michael Frayns TheaterstückCopenhagen zugrunde, das im Jahre 1998in London uraufgeführt wurde.Anfang Februar dieses Jahres publiziertedas Niels Bohr-Archiv in Kopenhagen imInternet persönliche Dokumente von Bohr.Unter diesen Dokumenten befindet sichein nie verschickter Brief von Bohr an Hei-senberg. In diesem Brief, der nicht datiertist, aber Ende 1957 oder Anfang 1958 ge-schrieben worden sein muß, spricht einspürbar entsetzter Bohr seine Bestürzungaus über die von Heisenberg an Jungk vor-gehaltene Version ihres Gesprächs im Jahre1941. Bohr erwähnt in diesem Brief wieHeisenberg und Carl-Friedrich von Weiz-säcker gegenüber Bohr und seiner Frau,aber auch gegenüber Bohrs Institutskolle-gen, selbstversichert die Überzeugung

aussprachen, daß Deutschland denKrieg gewinnen würde, daß diedänischen Physiker kurzsichtigseien in ihrer Hoffnung auf ein an-deres Ende und in ihrer Ablehnungjedes deutschen Angebots zur Zu-sammenarbeit.Dasselbe ist zu lesen in einer nichtdatierten Notiz von Bohrs Ehefrau.Wie Bohr in zwei ebenfalls nichtverschickten Briefen aus dem Jahre1962 an Heisenberg schrieb, war1941 von moralischen Bedenkenund von Plänen, die internationalePhysik-Welt zu einem Boykott derEntwicklung der Atombombe zubewegen, bei Heisenberg überhauptnicht die Rede. Warum Bohr dieseBriefe nie verschickt hat, ist nichtbekannt; möglicherweise fand er siezu bissig. (…) Anläßlich der Auf-führung von Copenhagen entschieddie Familie Bohr, den Brief zu pu-blizieren. Das deutsche Atombombenprojekt(das sich, trotz Heisenbergs undvon Weizsäckers Äußerungen, imJahre 1941 noch im Anfangssta-dium befand) wurde 1942, unter an-

derem wegen deutscher Kriegschancen inRußland, von Rüstungsminister AlbertSpeer aufgegeben zugunsten der Raketen-projekte von Wernher von Braun. Die Ent-wicklung der Atombombe wurde auf Spar-flamme gesetzt. Der Grund, daß Heisen-

26 journal UNIVERSITAT LEIPZIG

DiemoralischeFrageLeserbrief zumHeisenberg-BeitragVon Prof. Dr. Frans HinskensInstitut für Germanistik,Abteilung Niederlandistik

In der Januarausgabe von Universität Leip-zig wird sowohl auf dem Umschlag alsauch in einem ausführlichen Beitrag ein-gegangen auf die Festveranstaltung,die während des letzten Dies Aca-demicus organisiert worden warzum Gedächtnis des vor 100 Jahrengeborenen Physikers Werner Hei-senberg, der von 1927 bis 1942 alsProfessor für theoretische Physikan der Universität Leipzig beschäf-tigt war. Der Beitrag beschäftigtsich ausführlich mit der Bedeutungvon Heisenbergs Forschung für diemoderne Physik, aber auch mit demMenschen hinter dem Gelehrten.Hierbei wird reichlich aus Prof.Dürrs Festrede zitiert. Heisenbergkommt aus diesem Beitrag als einleidenschaftlicher, genialer und vi-sionärer Wissenschaftler und zu-gleich als ein geduldiger und hin-gebender Dozent nach vorne (…).Die Universität Leipzig kann zuRecht stolz auf diesen ehemaligenProfessor sein.Weder diese Tatsache noch der An-laß der Festveranstaltung bildenjedoch einen hinreichenden Grundzu verschweigen, daß Heisenberg(obwohl selber bestimmt kein Nazi,wie auch aus der Kurznachricht inder Novemberausgabe von UniversitätLeipzig deutlich hervorgeht) von 1939 bis1942 intensiv und voller Überzeugung ander Forschung, die zur deutschen Atom-bombe führen sollte, mitarbeitete. Heisen-berg, der die Nazis verabscheute, wurde

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berg sich dem nicht widersetzte, war wahr-scheinlich, daß er die wissenschaftlichenProbleme überschätzte und sich dem Nazi-regime gegenüber, das ihm jahrelang allesandere als wohlgesinnt gewesen war, keineFehlschläge leisten konnte.Er blieb jedoch überzeugt von der Überle-genheit der deutschen Atomforschung undwar bestürzt, als ihn 1945 in englischer Ge-fangenschaft die Nachricht von der ameri-kanischen Bombe auf Hiroshima erreichte.Sein Kollege Von Weizsäcker hat bei die-ser Gelegenheit darauf hingewiesen, daßdie Deutschen die Atombombe hätten her-stellen können, dies aus humanitären Grün-den jedoch nicht zu tun wünschten.Es ist sehr wohl denkbar, daß BohrsWiedergabe der Ereignisse während seinesTreffens 1941 mit Heisenberg den Organi-satoren der Festveranstaltung noch nichtbekannt war, aber Heisenbergs Mitarbeitam Zustandekommen des deutschen Atom-waffenprogramms in den ersten Kriegsjah-ren ist schon geraume Zeit bekannt. Daßdies im Beitrag in der Januarausgabe vonUniversität Leipzig mit keinem einzigenWort erwähnt wird, ist eine bedenklicheAuslassung. Indem ich verweise auf Heisenbergs Ein-satz für die deutsche Atombombe und – an-läßlich der rezenten Publikation von BohrsBriefen zu diesem Thema – auf Heisen-bergs möglicherweise eher nationalistischeals pazifistische Einstellung zum Themader Atombewaffnung, möchte ich die im-mense Bedeutsamkeit der Forschung Hei-senbergs überhaupt nicht bestreiten. Wie-viel Wissenschaftler können, wenn sie sichzwischen Ehre und Gewissen entscheidenmüssen, den Dr. Faustus in sich selbst völ-lig unterdrücken? Aber sicherlich darf dieakademische Welt, auch in einer Festver-anstaltung, die Augen nicht verschließenvor einer moralischen Frage, die imGrunde zeitlos ist. Außerdem darf manvom deutschen Intellektuellen erwarten,daß er eine aktive Rolle in der immer nochnotwendigen „Vergangenheitsbewälti-gung“ spielt.

Wichtigste Quellen:Delft, D. van, „Alles voor de Duitse bom“.NRC-Handelsblad, 9. 2. 2002, S. 37Website Niels Bohrarchief, Kopenhagen:www.nbi.dk/nba

Anmerkung: Der Beitrag wurde von der Redaktionleicht gekürzt.

Heft 2/2002 27

Mit Trauer hat die Universität Leipzig dieNachricht aufgenommen, dass Hans-Georg Gadamer am 13. März verstorbenist. Sie verliert in ihm, wie Rektor VolkerBigl sagte, nicht nur einen ihrer namhaf-ten Hochschullehrer (1939–47), Rektoren(1946/47) und Ehrendoktoren (1996), son-dern eine ihrer prägenden geistigen Ge-stalten. Nach dem politischen Umbruchhatte der Philosoph mehrfach die Univer-sität Leipzig besucht und ihren Erneuer-ungsprozess nicht nur mit Interesse undSympathie verfolgt, sondern auch mit Ratund Tat unterstützt.1993 hatte er, nach 46 Jahren wieder anseine alte Universität zurückgekehrt, dieFestrede zur Immatrikulationsfeier desneuen Studentenjahrgangs gehalten. Dabeibekannte er sich nachdrücklich zu der Auf-gabe, nach Zeiten der Trennungen wiederins gemeinsame Gespräch zu kommen undüber unterschiedliche Prägungen hinwegVerständigung zu wagen. „Es kommt dar-auf an, den anderen verstehen zu lernen, inder Verständigung mit dem anderen einegemeinsame Sprache zu finden und neue

Solidaritäten aufzubauen“, unterstrich erdamals. Und sein Arbeitsgebiet, die Her-meneutik, die Lehre vom Verstehen, könnehierfür einen gewichtigen Beitrag leisten –im großen Maßstab der Menschheit wie indem bescheideneren Maßstab eines jedenEinzellebens und auch der UniversitätLeipzig, „der ich mich noch immer so sehrverbunden fühle“.Vor zwei Jahren hatte die Universität ausAnlass seines 100. Geburtstages eineFeierstunde für ihn und mit ihm ausge-richtet, in der Rektor Bigl, StaatsministerMeyer und der Philosophie-Professor Ka-rol Bal aus Gadamers Heimatstadt Breslaudas Lebenswerk des Jubilars gewürdigthatten. Dabei war der Rektor auch derFrage nachgegangen, warum sich die heu-tige Universität gerade so eng mit ihremRektor Gadamer verbunden fühle, wo erdoch nur knapp zwei Jahre das Rektoramtinne hatte. Zum einen, weil unter seinemRektorat am 5. Februar 1946 die Wieder-eröffnung der Universität nach dem Kriegeerfolgte, und zum anderen vor allem des-halb, weil er in seiner damaligen Rekto-

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Erinnerung an Hans-Georg Gadamers letzten Besuch in Leipzig : der Gelehrte,der auf ein in aller Welt bekanntes philosophisches Lebenswerk zurückschauenkann, und der Schüler, der das Studium der Philosophie erst noch vor sich hat.

Foto: Kühne

Ein Weiser in finsteren ZeitenZum Tode von Hans-Georg Gadamer

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28 journal UNIVERSITAT LEIPZIG

ratsrede seinem Glauben an die „ewigenMaßstäbe der Wahrheit … und der wissen-schaftlichen Erkenntnis“ so überzeugendAusdruck gegeben und damit auch dasSelbstverständnis der heutigen UniversitätLeipzig umrissen habe. Hans-Georg Gada-mer an der Universität Leipzig, das waraber auch „ein Weiser in finsteren Zeiten“,wie es Minister Meyer formulierte. SeinWirken an der Universität Leipzig sei eineindrucksvolles Argument für den Rangdes je eigenen Tuns und Lassens auch un-ter einer Herrschaft, die den Wert und dieBerechtigung der Individualität bestreitet.Zu würdigen sei die unverführbare Klar-heit, mit der er als Professor der Philoso-phie die abendländische Tradition einerdem Menschen verpflichteten Geistigkeitlehrte und repräsentierte.Zum 100. Geburtstag Hans-Georg Gada-mers hatte auch der Leipziger Philosophie-professor Pirmin Stekeler-Weithofer in ei-nem Beitrag die Bedeutung von GadamersThema, der hermeneutischen Methode, fürdas philosophische Denken von heuteunterstrichen. Die Humanitas gebe es nichtohne hinreichend radikale Befragung derGeschichte und nicht ohne Verfremdungdes zunächst Selbstverständlichen. Das seidie Lehre, die Gadamer – aufbauend aufHegel und Platon, Dilthey und Heidegger– in einer philosophischen Hermeneutikentwickelte. Gadamer selbst verkörperedie akademische Profession der Philoso-phie wie auch das Philosophische in jederPerson. „Gerade in Zeiten, in denen Hum-boldts Idee universitärer und universalerBildung ausgehöhlt und in der Folge als fürdie Gesellschaft zu teures Ideal dargestelltwird – als könnte man die Leistung au-thentischer Selbst-Bestimmung direkt öko-nomisch bemessen –, ist die Erinnerungnotwendiger denn je, dass Wissenschaftund Ausbildung ohne philosophischesDenken blind werden.“ Hans-Georg Gada-mer zählt eben aufgrund dieser Erinnerungzu den großen Denkern, ja er gehört in dasDreigestirn der wohl nachhaltigsten Fragerseines Jahrhunderts – neben Heidegger undWittgenstein.Was seine Philosophie im Ganzen prägt,war auch bei seinen Leipziger Besuchen zuerfahren: die grenzenlose Bereitschaft zumZuhören. Eine Tugend, die eine jede, soauch diese Universität als Hans-Georg Ga-damers Vermächtnis aufnehmen sollte.

Volker Schulte

Der am Altjahrsabend 2001 verstorbene,international angesehene Leipziger Kir-chenhistoriker Kurt Nowak war und bliebmit der Stadt Leipzig, in der er am 28. Okt-ober 1942 geboren wurde, zeitlebens aufdas engste verbunden. Hier besuchte er dieSchule und erwarb 1961 das Abitur. DieVerweigerung des Wehrdienstes machtezunächst ein Studium unmöglich. Erst1964 gelangte er auf Umwegen zum Theo-logiestudium, das er ebenfalls in Leipzig –und mit einer Unterbrechung in Jena – ab-solvierte. Die Aufnahme einer akademischen Lauf-bahn gestaltete sich aufgrund seiner politi-schen Biographie bis zur Wende in derDDR 1989 schwierig und war von Behin-derungen begleitet. 1969 wurde er For-schungsstudent, 1971 wissenschaftlicherOberassistent an der Theologischen Fakul-tät Leipzig. Die schon im Studium begon-nene intensive Beschäftigung mit derKirchengeschichte während der Zeit desNationalsozialismus bestimmte nachhaltigdie Fragestellungen seiner theologischenQualifikationsschriften: 1971 wurde er zu-nächst mit einer Untersuchung zum Um-gang der evangelischen und katholischenKirche mit der „Euthanasie-Aktion“ im„Dritten Reich“ zum Dr. theol. promoviert.Während der langen Zeit der Oberassisten-tur an der Theologischen Fakultät(1971–1983) fertigte Kurt Nowak danneine Studie über „Evangelische Kirche undWeimarer Republik: zum politischen Wegdes deutschen Protestantismus zwischen1918 und 1932“ (Weimar 1981, zugleich:Göttingen 1981) an. Mit dieser Arbeit erwarb er nicht nur denGrad des Dr. sc. theol., sondern begründetezugleich seinen über die engen Grenzender DDR hinausgehenden Ruf als Kir-chenhistoriker, indem er vor allem inbundesdeutschen Forschungskreisen mitder These von der Demokratieunfähigkeit

der evangelischen Kirche während der Zeitder Weimarer Republik für Aufsehensorgte. Mit den genannten Arbeiten posi-tionierte sich Kurt Nowak in einem For-schungsfeld, auf dem er sich den Ruf eineskompetenten und gesuchten Gesprächs-partners erwarb: der Erforschung derkirchlichen Zeitgeschichte. Bei diesen wieanderen Arbeiten – erinnert sei etwa anseine vielbeachtete „Geschichte des Chris-tentums in Deutschland: Religion, Politikund Gesellschaft vom Ende der Aufklärungbis zur Mitte des 20. Jahrhunderts“ (Mün-chen 1995) – lag ihm insbesondere an demGespräch mit der allgemeinen Geschichts-wissenschaft, um in der kirchenhistori-schen Forschung theologisch-konfessio-nelle Engführungen zu vermeiden und anallgemein-wissenschaftlichen Standardsanschlussfähig zu bleiben.Ein anderes Interesse der wissenschaft-lichen Arbeit Kurt Nowaks galt der Fragenach der Durchdringung von Religion undKultur unter dem Druck neuzeitlicher Mo-dernisierungsprozesse. Als paradigmati-schen Leitfiguren dieser Entwicklungwandte er sich früh der Erforschung vonLeben und Werk Friedrich Daniel ErnstSchleiermachers zu, des bahnbrechendenBegründers des modernen Protestantis-mus; später widmete er sich Adolf von Har-nack, dem wohl berühmtesten Kirchen-historiker in der Geschichte der protestan-tischen Theologie. Die noch während derZeit seiner Oberassistentur angefertigteund 1984 verteidigte literaturhistorischeDissertation über „Schleiermacher und dieFrühromantik“ (Weimar 1986) markierteeine erste Etappe auf diesem Weg.Als krönenden Abschluss seiner jahr-zehntelangen Beschäftigung mit Schleier-macher konnte Kurt Nowak noch kurz vorseinem Tod als opus magnum die erste wis-senschaftliche Schleiermacher-Biographie(Göttingen 2001) seit Wilhelm Dilthey vor-

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Nachruf für Kurt NowakZwischen Theologieund Geschichte

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legen. Im Bereich der erst in jüngerer Zeitan Dynamik gewinnenden Harnack-For-schung brachte sich Kurt Nowak durcheine Reihe kleinerer Studien und vor allemmit seinem wissenschaftsorganisatori-schen Talent ein, die ihn als intimen Ken-ner des Harnackschen Œuvre auswiesen.mMit erheblicher Verzögerung hatte KurtNowak erst 1983 die facultas legendi undeine Dozentur für Kirchengeschichte ander Theologischen Fakultät Leipzig erhal-ten; 1987 wurde er hier außerordentlicheProfessor für Kirchengeschichte. Die poli-tische Wende im Herbst 1989 brachte fürihn mit der Berufung zum Professor neuenRechts im Jahr 1992 die gebührende Aner-kennung seiner wissenschaftlichen Leis-tungen. Unter den gewandelten Bedingun-gen weiteten sich auch seine Forschungs-interessen. Als ein dritter Schwerpunktseiner wissenschaftlichen Arbeit kristalli-sierte sich nun – nicht zuletzt aufgrund le-bensweltlicher Verankerung und der heftiggeführten Debatte um die Bewertung der„zweiten deutschen Diktatur“ – die Fragenach der Geschichte der Kirche in Ost-deutschland nach 1945 heraus. Im Zuge der Neustrukturierung der Uni-versität Leipzig ab 1990 übernahm KurtNowak Verantwortung beim Neuaufbaudes Fachs Geschichte, des Studium univer-sale, des Zentrums für Höhere Studien undals Mitglied des Reformkonzils. Mit sei-nem Tod verliert die Theologische FakultätLeipzig einen profilgebenden Kollegenvon überregionaler Ausstrahlung und inter-nationalem Ansehen, der während seinergesamten akademischen Laufbahn dieInteressen „seiner“ Theologischen Fakultätin den Mittelpunkt seiner wissenschaft-lichen Existenz gerückt hatte. Die Studie-renden verlieren mit ihm einen hervorra-genden und engagierten Lehrer und Förde-rer des wissenschaftlichen Nachwuchses,der Wissenschaft und Lehre auf anzie-hende Weise in Vorlesungen und Semina-ren zu verbinden wusste und in seiner Per-son eindrucksvoll der von ihm vertretenenÜberzeugung Ausdruck verlieh, dass The-ologie ohne ein reflektiertes historischesBewusstsein mit der Gegenwart nicht ge-sprächsfähig bleiben kann.

Andres Straßberger

Heft 2/2002 29

Bernhard Kölver war, wie man so sagt, einwacher Kopf, ein Mann mit vielfachen Be-gabungen und weit gestreuten Interessen,ein Mann so recht geeignet für das Fach,das dann schließlich auch das seine gewor-den ist, die Indologie. Denn dafür tut es einbisschen Spezialwissen und die Kenntnisdes Englischen noch nicht. Dazu braucht esauch Weltoffenheit und einen Blick für diegeopolitischen Veränderungen in Asien,die nicht nur die Politik und die Wirtschaftsondern auch die Wissenschaft zur Kennt-nis nehmen muss. Ausgestattet mit dem festen Fundamentder Indogermanistik, der er sich zunächstzugewandt hatte und der Anglistik, aberauch der Musik sowie der schöngeistigenLiteratur kam er zur Indologie. „Wer beimir studieren will“, so sagte er später inseinen Seminaren, „muss zuvor zwei Dingelesen und verstehen: die beiden Bände derAutobiographie von Mahatma Gandhi unddas indische Kursbuch.“ Damit war die Richtung bezeichnet, dieBernhard Kölver der Indologie zuweisenwollte. Zwar sollte sie vom festen Bodender reichen Vergangenheit und der in vie-len Farben schillernden indischen Geistes-welt ausgehen, dann aber auch den muti-gen Sprung in das real existierende mo-derne und technologisch avancierte Indienwagen. Als ich Bernhard Kölver kennenlemte warder junge Kölner Indologe ein frisch habi-litierter Schüler von Klaus Ludwig Janertund hatte soeben das damalige „Starpro-gramm“ der Deutschen MorgenländischenGesellschaft, das „Manuscript Preserva-tion Project“ im Himalaya-Königreich Ne-pal, übernommen. Das Abkommen war ge-rade unterschrieben worden. Zu jener Zeit– es waren die späten sechziger Jahre – ar-beitete ich an der deutschen Botschaft inKathmandu und hatte versucht, dazu bei-zutragen, der deutschen Wissenschaft die

Genehmigung zu verschaffen, die uralteHandschriftensammlung des Nationalar-chivs in Kathmandu, die ca. 130 000 Ma-nuskripte umfasste, zu mikrofilmieren. Zwei Grenzen musste die Indologie nachKölvers Auffassung überschreiten. Zu-nächst sollte jeder wissenschaftliche An-satz so interdisziplinär wie möglich konzi-piert werden. Darüber hinaus sollten dieschließlichen Nutznießer der neuen Indo-logie auch als finanzielle Träger der wis-senschaftlichen Arbeit zusammengebun-den werden.Im Schwerpunktprogramm „Nepal“ derDeutschen Forschungsgemeinschaft, das ernach seiner Rückkehr nach Deutschlandentwickelte und zehn Jahre lang leitete,suchte er den ersten Ansatz zu ver-wirklichen. Nicht nur die Philologie, dieEthnologie, die Religionswissenschaftenmussten dabei sein. Er brauchte genau sodie Kunstgeschichte, die Architektur, dieMusikwissenschaft, die Politik- und So-zialwissenschaften. Auch die Naturwissen-schaften sollten, wo möglich, dabei sein.Was ihn zusätzlich reizte, war die Verbin-dung von Theorie und Praxis. Nie verhehlteer seine Bewunderung für das, was ihm dieArchitekten mit ihrem pragmatischen An-satz dabei vermittelten. Als Ergebnisschrieb er selbst eine architektonische Ar-beit. Auch das war die Überschreitungeiner Grenze.Schon während dieser Arbeiten hatte ihnder Ruf auf den indologischen Lehrstuhl inKiel erreicht. Mit dem Fall der Mauer je-doch tat sich plötzlich eine ganz neueGrenze auf, die zu überschreiten reizte. Alsihn der Ruf an den traditionsreichen Lehr-stuhl für Indologie an der gleichermaßentraditionsreichen Universität Leipzig er-reichte, akzeptierte er mit Freuden. Mitaller Kraft machte er sich an die Neuorga-nisation des Lehrstuhls, der ihm sofort ansHerz wuchs. Gleichzeitig entwickelte er

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Nachruf für Bernhard KölverEin Mann, derGrenzen überschritt

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Kurz gefasstDr. Anke Schneider, Universitätsklinikund Poliklinik für Kinder und Jugendliche,gewann das diesjährige Nachwuchsstipen-dium der Deutschen Gesellschaft für End-okrinologie für ihr Projekt „Mutationendes IGF 1-Rezeptors als Ursache fürWachstumsstörungen beim Menschen“.Dr. Schneider ist es erstmals gelungen, eineFamilie mit kleinwüchsigen Familienmit-gliedern zu finden, die eine Mutation desIGF 1-Rezeptors aufweisen, der für dieWachstumskontrolle zuständig ist.

Auf der 125. Jahrestagung der DeutschenGesellschaft für Zahnmedizin und Kiefer-heilkunde gewann die Arbeitsgruppe umDr. Thorsten W. Remmerbach, Klinik fürMund-, Kiefer- und Plastische Gesichts-chirurgie der Universität Leipzig, den mit5000 DM dotierten ersten Preis für dieArbeit „Cytologic and DNA-CytometricEarly Diagnosis of Oral Cancer“. DerArbeitsgruppe gehörten u. a. auch dieLeipziger Dr. Horst Weidenbach, Institutfür Pathologie, und Prof. Dr. Dr. Alexan-der Hemprich, Klinik und Poliklinik fürMund-, Kiefer- und Plastische Gesichts-chirurgie, an.

Auf der 13. Mitgliederversammlung desRheumazentrums am UniversitätsklinikumLeipzig e.V. wurden Prof. Dr. med. HolmHäntzschel, Direktor der MedizinischenKlinik IV, und Dr. med. Wolfram Seidel,Oberarzt für Rheumatologie an der Medi-zinischen Klinik IV, als erster bzw. zweiterSprecher des Rheumazentrums wiederge-wählt.

Prof. Dr. rer. biol. hum. Elmar Brähler,Leiter der Selbständigen Abteilung für Me-dizinische Psychologie und MedizinischeSoziologie an der Klinik und Poliklinik fürPsychotherapie und PsychosomatischeMedizin, erhielt kürzlich die Bewilligungfür das Projekt „Arbeitslosigkeit und Ge-sundheit“. Die Böckler-Stiftung wird dieseArbeit durch finanzielle Mittel unterstüt-zen.

Durch das Board of Ophthalmology erhieltDr. med. Peter Wiedemann, Direktor derKlinik und Poliklinik für Augenheilkundeder Universität Leipzig, im März 2002 fürdie kommenden fünf Jahre erneut eineAnerkennung seiner Klinik als Weiterbil-dungsstätte für Assistenten.

30 journal UNIVERSITAT LEIPZIG

jene Gedanken weiter, die ihm seit seinerfrüheren Arbeit für das Schwerpunktpro-gramm „Nepal“ vorschwebten. Es ging imPrinzip um die Verwirklichung des Gedan-kens eines wissenschaftsfördernden Ver-bundsystems für ganz Asien.Bernhard Kölver arbeitete bis zu seinemviel zu frühen körperlichen Verfall. Einihm außerordentlich wichtiges Vermächt-nis konnte er kurz vor seinem Tod noch zuEnde bringen: ein umfassendes Werk überden Hinduismus. Dann aber versagte seinimmer schwächer gewordenes Herz denDienst. Er starb in Leipzig am 27. Novem-ber 2001. Mit Bernhard Kölver hat diedeutsche Indologie einen Gelehrten ver-loren, der die Erinnerung an das 19. Jahr-hundert lebendig gehalten hatte. Damalshatte die deutsche Indologie einen erstenPlatz in der Welt eingenommen, obwohldas Objekt ihres Studiums noch in exotischversponnener Ferne gelegen hatte. Heute,wo Indien eine machtpolitische Stellungersten Ranges einnimmt und das Gewichtganz Asiens täglich wächst, täten wir gutdaran, die Ansätze, für die Bernhard Köl-ver bis zum Endes seines Lebens warb,ernst zu nehmen und in die Wirklichkeitumzusetzen. Dr. Heinrich Seemann

Der Verfasser ist ehemaliger Deutscher Botschafter inIndonesien. Bei dem Beitrag handelt es sich um Aus-züge seiner Rede bei der Trauerfeier für BemhardKölver.

Nachruf für Ekkehard StärkLatinist mitLeidenschaft

Am 16. September 2001 verstarb im Altervon 43 Jahren nach schwerer KrankheitProf. Dr. Ekkehard Stärk, Ordinarius fürKlassische Philologie an der UniversitätLeipzig. Zu seinem ehrenden Gedenken hatam 4. Februar 2002 im Alten Senatssaal derUniversität eine viel beachtete akademische

Feier stattgefunden. Die große Zahl derTeilnehmer – unter ihnen zahlreiche Fach-vertreter auswärtiger Universitäten – ließetwas von der menschlichen Ausstrahlungdes Lehrers und Forschers und von dem An-sehen erkennen, das der Verstorbene imKollegenkreis genossen hat. In den Vor-trägen der Veranstaltung, die von Grahamund Bettina Welsh stimmungsvoll musi-kalisch begleitet wurde, kamen je verschie-dene Aspekte seiner Persönlichkeit und sei-nes Wirkens zur Geltung.Magnifizenz Prof. Dr. Volker Bigl wür-digte in seiner Ansprache den Beitrag, denEkkehard Stärk für Leipzig als Wissen-schaftsstandort geleistet hat. 1992 auf denLehrstuhl für Latinistik berufen, fühlte ersich der bedeutenden Tradition der Leipzi-ger Klassischen Philologie tief verpflichtetund hatte entscheidenden Anteil an demAufschwung, den das Fach nach Jahren derMarginalisierung an unserer Universitätgenommen hat. In der Art seines Forschensund Lehrens, so der Rektor, habe das Be-streben, „Altes und Neues zusammenzu-führen und die Reflexion auf die eigeneGeschichte als dialektisches Pendant derInnovation zu verstehen“, exemplarischGestalt gewonnen.Im Anschluss beleuchtete der Dekan derPhilologischen Fakultät, Prof. Dr. Wolf-gang F. Schwarz, in Streiflichtern das kol-legiale Verhältnis und die Eingebundenheitdes Verstorbenen in seine Fakultät; Stärkhat sich als Prodekan an der akademischenSelbstverwaltung beteiligt und in einerUmbruchsphase das Profil der Fakultätmaßgeblich mitgestaltet. Als Vertreter desInstituts für Klassische Philologie ver-suchte Prof. Dr. Kurt Sier (Lehrstuhl fürGräzistik) eine Annäherung an die Indivi-dualität und das Ethos seines Kollegen, indessen Persönlichkeit eine humorvoll-sou-veräne Gelassenheit und eine von leiden-schaftlichem Ernst getragene Intensitätzum Ausgleich kamen.Die eigentliche Gedächtnisrede wurde vonProf. Dr. Dr. h.c. Eckard Lefèvre (Frei-burg), dem akademischen Lehrer vonStärk, gehalten. Sein weit ausgreifenderVortrag vermittelte einen Eindruck vondem wissenschaftlichen Rang des Verstor-benen, der fraglos einer der bedeutendstenLatinisten seiner Generation gewesen ist,und er ließ hinter der Darstellung des her-vorragenden Forschers und Gelehrten invielerlei Details zugleich das komplexeBild eines Menschen sichtbar werden, derim persönlichen Umgang schlechthin be-zaubernd war. Prof. Dr. Kurt Sier

Personalia

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Prof. Dr. Ekkehard Becker-Eberhard istneuer Dekan der Juristenfakultät. ZumProdekan wählte der Fakultätsrat Prof. Dr.Christian Berger. Der bisherige DekanProf. Dr. Franz Häuser wurde am 24. Ja-nuar in den Börsenrat der Berliner Wert-papierbörse gewählt.

Prof. Dr. Kurt Sier, Institut für KlassischePhilologie, ist von der Altertumswissen-schaftlichen Kommission der Berlin-Bran-denburgischen Akademie der Wissenschaf-ten auf ihrer Jahressitzung (Januar 2002)zum Mitglied der Kommission für das Cor-pus Medicorum Graecorum / Latinorum(CMG/CML) gewählt worden.

Nach längerer schwerer Krankheit ist derehemalige Praktische Theologe an derTheologischen Fakultät Prof. Dr. Gott-fried Kretzschmar am 23. Dezember2001 verstorben. Kretzschmar war 1930 imsächsischen Strehla geboren worden. AlsPraktischer Theologe lag ihm die Ausbil-dung künftiger Pfarrer in besonderer Weiseam Herzen.

Prof. Dr. rer. nat. habil. Stephan Luck-haus von der Fakultät für Mathematik undInformatik wurde als auswärtiges wissen-schaftliches Mitglied an das LeipzigerMax-Planck-Institut für Mathematik in denNaturwissenschaften berufen.

GeburtstageFakultät für Mathematik undInformatik65. GeburtstagDr. Martin Belger, Institut für Mathema-tik, am 22. 03.60. GeburtstagProf. Dr. Heinrich Herre, Institut für In-formatik, am 02. 01.

Fakultät für Physik undGeowissenschaften76. GeburtstagDr. Christian Kleint, ehemals SektionPhysik, am 03. 04.70. GeburtstagProf. Dr. Wolfgang Weller, ehemals Sek-tion Physik, am 17. 02.65. GeburtstagProf. Dr. Siegbert Grande, Institut fürExperimentelle Physik I, am 25. 04.

60. GeburtstagProf. Dr. Herbert Schmiedel, Institut fürexperimentelle Physik I, 13. 02.60. GeburtstagProf. Dr. Dieter Freude, Institut für Expe-rimentelle Physik I, am 22. 03.

WirtschaftswissenschaftlicheFakultät60. GeburtstagProf. Dr. Spiridon Paraskewopoulos, In-stitut für Theoretische Volkswirtschafts-lehre, am 05. 01.

Philologische Fakultät75. GeburtstagProf. Dr. Harald Hellmich, ehemals Sek-tion Theoretische und Angewandte Sprach-wissenschaften, am 23. 02.75. GeburtstagProf. Dr. Claus Träger, ehemals SektionAllgemeine Literaturwissenschaften, am04. 02.60. GeburtstagProf. Dr. Gerd Wotjak, Institut für Ange-wandte Linguistik und Translatologie, am12. 01.

Fakultät für Geschichte,Kunst- und Orientwissenschaften76. GeburtstagProf. Dr. Karl Czok, ehemals Sektion Ge-schichte, am 12. 03.75. GeburtstagProf. Dr. Lothar Rathmann, ehemalsSektion Afrika- und Nahostwissenschaf-ten, am 16. 02.70. GeburtstagProf. Dr. Eberhard Paul, Institut für klas-sische Archäologie und Antikenmuseum,am 01. 03.

Erziehungswissenschaftliche Fakultät60. GeburtstagProf. Dr. Klaus Neumann, Institut fürFörderpädagogik, am 27. 03.

Theologische Fakultät81. GeburtstagDr. Ingetraut Ludolphy, am 02. 03.

Medizinische Fakultät80. GeburtstagProf. Dr. sc. Med. Ernst Springer, ehe-mals Institut für Arbeitsmedizin und So-zialmedizin, am 23. 02.70. GeburtstagProf. Dr. med. Karl Bilek, ehemals Uni-versitätsfrauenklinik, am 28. 01.65. Geburtstag

Heft 2/2002 31

Prof. Dr. med. Uwe-Frithjof Haustein,Klinik und Poliklinik für Hautkrankheiten,am 20. 02.65. GeburtstagProf. Dr. med. Joachim Bennek, Klinikund Poliklinik für Kinderchirurgie, am27. 04.60. GeburtstagRektor Prof. Dr. med. med. Volker Bigl,Paul-Flechsig-Institut für Hirnforschung,am 13. 02.60. GeburtstagProf. Dr. med. Gerhard Asmussen, Carl-Ludwig-Institut für Physiologie, am 18. 02.60. GeburtstagProf. Dr. med. Ingrid Kästner, Karl-Sud-hoff-Institut für Geschichte der Medizinund Naturwissenschaften, am 03.03.

Veterinärmedizinische Fakultät75. GeburtstagProf. Dr. Erich Kolb, ehemals SektionTierproduktion und Veterinärmedizin, am07. 04.70. GeburtstagProf. Dr. Herbert Gürtler, Veterinär-physiologisch-chemisches Institut, am 19. 04.

Fakultät für Biowissenschaften,Pharmazie und Psychologie80. GeburtstagProf. Dr. Heinz Thieme, ehemals SektionBiowissenschaften, am 19. 04.79. Geburtstag Prof. Dr. Gottfried Schuster, ehemalsSektion Biowissenschaften, am 21. 04.77. GeburtstagProf. Dr. Helmut Kulka, ehemals SektionPsychologie, am 11. 03.65. GeburtstagProf. Dr. Karl Drößler, Institut für Zoolo-gie, am 16. 02.60. GeburtstagProf. Dr. Gernot Collani, Institut für All-gemeine Psychologie, am 25. 04.60. GeburtstagProdekan Prof. Dr. Kurt Eger, Institut fürPharmazie, am 13. 03.

Fakultät für Chemie und Mineralogie60. GeburtstagProf. Dr. Bärbel Schulze, Institut für Or-ganische Chemie, am 22. 02.

Der Rektor der Universität Leipzig und dieDekane der einzelnen Fakultäten gratulie-ren herzlich.

Personalia

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Rolf Borsdorf70 Jahre

Professor Dr. RolfBorsdorf, emeritierterLehrstuhlinhaber fürStrukturanalytik an derFakultät für Chemieund Mineralogie inLeipzig, feierte am30.11. 2001 seinen 70.Geburtstag. Nach sei-

nem Abitur musste Borsdorf zunächst alsSohn eines selbständigen Schiffseignerszwei Jahre auf die Zulassung zum Che-miestudium warten. 1952 konnte erschließlich mit dem Studium in Leipzigbeginnen. Als Schüler von Wilhelm Treibserarbeitete er eine Diplomarbeit über Azu-lene, die mit Hilfe der UV-Spektroskopieuntersucht wurden. Sein akademischerLehrer, der während der Zeit des Mauer-baus von einer Westreise nicht zurück-kehrte, wies ihn auf die Anwendung physi-kalischer Methoden in der organischenChemie hin und entsprechend hieß derTitel der 1961 eingereichten Disserta-tion „Spektroskopische und dielektrischeUntersuchungen an nicht-klassischen Aro-maten“. Nach seiner Ernennung zum Oberassisten-ten baute Rolf Borsdorf am Institut für Or-ganische Chemie eine spektroskopischeAbteilung auf, die zu den besten Einrich-tungen dieser Art in Deutschland zählteund beispielgebend für die Einführung derInstrumentalanalytik in die organischeChemie war. Damals war dieser Zweig deranalytischen Chemie – wie im Westen –noch in den Händen der „Organiker“. Ne-ben seinen experimentell orientiertenArbeiten widmete Rolf Borsdorf sich ver-stärkt den theoretischen Aspekten der or-ganischen Chemie. Er hatte großen Anteilam Aufbau und der Entwicklung der Quan-tenchemie in Leipzig, die schließlich zurBildung der leistungsfähigsten Arbeits-gruppe auf diesem Gebiet in der ehemali-gen DDR führte.1967 wurde Borsdorf zum Dozenten und1975 zum ordentlichen Professor für „Ana-lytik und Spektroskopie“ berufen. Damitwaren auch in Leipzig die Weichen für eineeigenständige Entwicklung der Analyti-schen Chemie gestellt. Bleibende Ver-dienste hat sich Rolf Borsdorf mit der Ein-führung des postgradualen Studiums, desjetzigen Aufbaustudiengangs „Analytikund Spektroskopie“ erworben. Seit 1973

bis zu seiner Emeritierung 1996 hat erdiese in Deutschland einzigartige Ausbil-dung geleitet und dabei mehr als 600 Che-mikern, die gegenwärtig bevorzugt aus denalten Bundesländern kommen, eine zusätz-liche Qualifikation vermittelt. Dem Jubilar wünschen wir Wohlergehenund weiterhin Freude an den Arbeiten sei-ner Schüler. Stefan Berger

Emeritierung von Manfred SchönfelderLobeshymnenfür den Nestor

Ab 1. April 2002 ging der Nestor dergegenwärtigen Universitätschirurgie inLeipzig in den wohlverdienten Ruhestand.Seinen 65. Geburtstag feierte Prof. Dr.Manfred Schönfelder, der Direktor derChirurgischen Klinik I der UniversitätLeipzig und einer der führenden onkologi-schen Chirurgen Deutschlands ist, bereitsam 22. 12. 2001. Manfred Oswald Ernst Schönfelder wurdeals einer von vier Geschwistern in Falken-berg/Oberschlesien geboren. Er studiertevon 1955 bis 1960 Humanmedizin in Leip-zig, wurde zunächst Facharzt für Patholo-gie und 1970 schließlich Facharzt für Chir-urgie. Er habilitierte sich 1976 und wurde1977 zum Oberarzt ernannt. 1983 wurde erAbteilungsleiter für spezielle Onkochirur-gie. Wie viele Ärzte der Universität Leip-zig war er ein gutes Jahr als assoziierterProfessor für Chirurgie an der UniversitätAddis-Abeba, Außenstelle Gondar, inÄthiopien tätig und wurde 1988 zumaußerordentlichen Professor ernannt. Prof. Schönfelder gehörte zu den Wissen-schaftlern der Medizinischen Fakultät derUniversität Leipzig, die sich in den Wen-dejahren aktiv für eine Umgestaltung derFakultät einsetzten. Er war in dieserschwierigen Zeit zunächst Prorektor fürMedizin der Universität Leipzig, dann lei-tender Ärztlicher Direktor des Universi-

tätsklinikums. Bis 1995 engagierte er sichin dieser Funktion für das Gesamtklini-kum.Das war nicht immer einfach, war er dochzunächst als kommissarischer, dann als be-rufener Universitätsprofessor für Chirurgiegleichzeitig Direktor der ChirurgischenKlinik der Universität Leipzig. Sein Ar-beitspensum war fast übermenschlich,schon weil er keinerlei Abstriche an Qua-lität und Umfang seiner Arbeitsfelder zu-ließ. „Er war ständig im Einsatz.“, kom-mentierte der Dekan der Medizinischen Fa-kultät, Prof. Dr. Joachim Mössner. „Uns,die wir in den 90er Jahren aus den altenBundesländern nach Leipzig gekommenwaren, erleichterte Prof. Schönfelder un-sere Integration in das hiesige Umfeld.“Der Dekan wies auch darauf hin, dass Prof.Schönfelder natürlich auch zu Lehre undForschung an der Medizinischen Fakultätviel beigetragen hat. „Seine Vorlesungenzur Allgemeinen Chirurgie wurden vonden Studenten sehr geschätzt.“, so Prof.Mössner. Er betreute zahlreiche Promotio-nen und Habilitationen, trat auf Kongres-sen mit wissenschaftlichen Vorträgen auf,publizierte in nationalen und internatio-nalen wissenschaftlichen Zeitschriften,schrieb Buchbeiträge und war geschätzterRezensent von Monografien. Besonders engagierte er sich auf dem Ge-biet der Onkologie (Krebsheilkunde). AlsLeiter des Histopathologischen Labors derChirurgischen Universitätsklinik, als Ab-teilungsleiter für onkologische Chirurgie,und als Leiter des Tumorzentrums des Uni-versitätsklinikums Leipzig e.V. leistete ereinen unschätzbaren Beitrag für die Be-kämpfung des Krebsleidens. Besondershervorzuheben ist seine Onkologische Spe-zialsprechstunde, die er bereits 1970 auf-gebaut hat und allmählich vergrößerte.Diese ermöglichte ihm und seinem Teamnicht nur eine exzellente Patientenbe-treuung, sondern auch die Durchführungvieler klinischer Studien. Die Ergebnisseseiner Forschungsarbeit wurden zumWohle seiner Patienten immer so schnellwie möglich in die Praxis umgesetzt.Seine Familie, er ist verheiratet und hat vierKinder, musste oft genug zurückstecken.Wenn Prof. Schönfelder jetzt emeritiertwird, kann er endlich seiner Familie mehrZeit widmen. „Dennoch hoffen wir “, sagteder Medizinische Vorstand des Universi-tätsklinikums, Prof. Dr. Norbert Krüger,„dass uns Prof. Schönfelder auch weiterhinmit Rat und Tat zur Seite seht“.

Dr. Bärbel Adams

32 journal UNIVERSITAT LEIPZIG

Personalia

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Heft 2/2002 33

Enno Bünzist seit dem zurückliegenden Wintersemes-ter Professor für Sächsische Landesge-schichte am Historischen Seminar. „DerLehrstuhl ist der traditionsreichste in die-sem Bereich“, sagt Bünz. „Eine spannendeSache“ sei die neue Aufgabe daher, und ersei „offen aufgenommen worden“ in derMessestadt. Er habe somit schnell Kon-takte knüpfen können, auch zu den zahl-reichen außeruniversitären Einrichtungen,mit denen er zusammenarbeite.Als seine wissenschaftlichen Arbeitsge-biete nennt der 40-Jährige Sächsische undvergleichende Landesgeschichte, Verfas-sungs-, Gesellschafts- und Kirchenge-schichte des Mittelalters und der Reforma-tionszeit und Historische Hilfswissenschaf-ten. „In Leipzig gibt es nun drei Projekte,auf die ich mich stürze: die Reformations-zeit in Sachsen, die Geschichte des Dom-kapitels Meißen und die AgrargeschichteSachsens.“ Dabei noch nicht mitgezählt seidie Mitarbeit am Werk über die Universi-tätsgeschichte zum Jubiläum 2009.Enno Bünz weilt seit 1993 in mitteldeut-schen Landen, arbeitete an der Friedrich-Schiller-Universität Jena am Lehrstuhl fürThüringische Landesgeschichte und Mit-telalterliche Geschichte. Geboren wurde erin Marne/Dithmarschen in Schleswig-Hol-stein, sein Studium der Fächer Geschichte,Germanistik und Latein absolvierte er inKiel und Würzburg. Dementsprechendschrieb er seine Promotion zum „StiftHaug in Würzburg“, und seine erste wis-senschaftliche Tätigkeit nahm er am Insti-tut für Historische Theologie der Univer-sität Würzburg auf. Seine Habilitation fiel bereits in die thü-ringische Zeit und trägt den Titel „Derniedere Klerus im spätmittelalterlichenThüringen“. In der Liste seiner weiterenPublikationen finden sich sehr bekannte,darunter „Der Tag X in der Geschichte. Er-wartungen und Enttäuschungen seit 1000Jahren“ und „ ,Die Kirche im Dorf lassen…‘. Formen der Kommunikation im spät-mittelalterlichen Kirchenwesen“. C. H.

Holger Jentschleitet seit 1. Dezember 2001 den Funk-tionsbereich Parodontologie an der Polikli-nik für Konservierende Zahnheilkunde undParodontologie. Der gebürtige Rostockerist aus seiner Heimatstadt an die Pleißegekommen. Seit 1983 war er an der Ros-tocker Klinik und Poliklinik für Zahn-,Mund- und Kieferheilkunde tätig gewesen,zunächst als Assistent, dann als Privatdo-zent, Oberarzt und Professor.Die nach eigenen Worten „fantastische Zu-sammenarbeit mit einem Biochemiker“ hatden Speichel zu einem seiner Spezialge-biete werden lassen. Mehrere wichtige Pu-blikationen sind dazu entstanden, unter an-derem seine Habilitation „Faktoren desmenschlichen Gesamtspeichels und derenBeziehung zum Kariesgeschehen“ sowie„Vergleichende Untersuchungen zum Ge-halt an antibakteriellen Faktoren im Spei-chel“ und „Untersuchungen zur Konstanzder Ergebnisse der Speicheltests“. Generellsei es sinnvoll, im Bereich der Parodonto-logie, also der Zahnbetterkrankungen,„auch andere als nur klinische Variablen“zu untersuchen. „Die Kombination Zahn-mediziner und Biochemiker ist eine sehrinteressante“, sagt der 44-Jährige.In seiner Promotion hat Holger Jentsch dieAktivität einiger Enzyme sowie den Kal-ziumgehalt im Inneren von Zähnen unter-sucht, die ganz oder zum Teil im Kiefer ver-blieben oder parodontal geschädigt sind. Dawar er bereits wieder in Rostock, studierthat er aber in Bukarest. „Ich wollte nicht inder DDR studieren, ich fand es begeisternd,im Ausland zu sein.“ Die Verbindungennach Bukarest seien später nie abgerissen.Immer mal wieder fahre er privat dorthin, soJentsch. „Vielleicht lassen sich ja auch malberufliche Kontakte knüpfen.“Das will er also nun von Leipzig aus ver-suchen, wo er sich „auf eine beruflicheWeiterentwicklung in einer prosperieren-den Stadt“ freut. Seinen privaten Interessenkomme die Stadt sehr entgegen. Jentschinteressiert sich besonders für Musik undArchitektur. C. H.

Johannes Ringelist Architekt. Aber nicht irgendein Archi-tekt. Erstens hat der 45-Jährige seit demvergangenen Wintersemester die neue Stif-tungsprofessur für Stadtentwicklung amInstitut für Baubetriebswesen und Bau-wirtschaft inne. Und zweitens hat sich seinBüro in Leipzig einen Namen gemacht, seit1990 schon. Ob Specks Hof, Hansahausoder Barthels Hof – Johannes Ringel waran vielen wichtigen Sanierungsprojektenbeteiligt. „Ich bin mit der Revitalisierungder Stadt sehr verbunden“, sagt er nichtohne Stolz.Die Voraussetzungen dafür schuf Ringeldurch sein Architekturstudium in Berlinund Dortmund sowie ein Aufbaustudiumder Denkmalpflege an der TechnischenUniversität München. Die Titel zweier sei-ner wichtigsten Publikationen lauten dem-entsprechend: „Bauen im Bestand“ und„Altimmobilien: Revitalisierung, Umnut-zung oder Neubau?“ Aber Ringel beschäf-tigt sich nicht nur mit alten Bauten, son-dern auch mit neuen, vor allem jenen, diefür den Handel bestimmt sind. Das neuesteProjekt in Leipzig: die Marktgalerie gegen-über dem Alten Rathaus. Nicht umsonstdürfte eine weitere Publikation Ringels dieÜberschrift „Urbane Chancen – Architek-tur für den Handel“ tragen.Einen Lehrauftrag an der Leipziger Univer-sität hatte Johannes Ringel erstmals imWintersemester 1998/99, „bis die Idee füreinen ganzheitlichen Lehrstuhl für Stadt-entwicklung entstand und ich gefragtwurde, ob ich den nicht gleich übernehmenwürde“, berichtet der Architekt. „Und dannhaben wir gearbeitet wie die Idioten, wirmussten alles aufbauen, es gab ja nichts.“mFernab vom Arbeitsplatz sei er, so sagtRingel selbst, „ein leidenschaftlicher Fa-milienvater“. Seine drei Söhne im Altervon drei, sieben und zehn Jahren halten ihnauf Trab. Wenn er sich nicht gerade eineranderen Leidenschaft widmet: dem Lau-fen. Sein letzter Marathon liege aber schonein Jahr zurück, „ich bin nicht mehr imTraining“. C. H.

Personalia : Neu berufen

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ChristlicherWiderstandgewürdigtDie Universität gedenkt ihrer Opfer: Her-mann Reinmuth (*19. 1. 1902 † 16. 4. 1942KZ Sachsenhausen). – Diesen schlichtenSchriftzug trug der Kranz, den der Rektorfür die Universität am Grabe von HermannReinmuth in Markkleeberg anlässlich des-sen 100. Geburtstages niedergelegt hatte.Während einer Gedenkfeier in der Kapellewürdigten Magnifizenz Bigl, Dekan Häu-ser und Oberbürgermeister Klose den Juri-sten Reinmuth, der an der Universität Leip-zig Rechtswissenschaft studiert und an ihrpromoviert hatte, als einen aufrechtenMann und Humanisten der Tat, der seineGegnerschaft zum Dritten Reich mit demLeben bezahlte.

Sein Engagement für Hilfebedürftige undspäter sein Widerstand gegen die Nazi-Herrschaft waren zuvorderst christlich-moralisch motiviert. „Die Grundsätze derHumanität und Toleranz“, schrieb er imZuchthaus Waldheim 1936 auf, „diesemoralischen Leistungen der europäischenKultur sind meines Erachtens die Voraus-setzungen für ihre geistigen und techni-schen Taten. Zerfällt diese Grundlage, sosind alle Leistungen und Kenntnisse tech-nischer, wirtschaftlicher, psychologischerund sonstiger Art keine Fortschritte derKultur, sondern solche der Barbarei.“Am folgenden Tag erinnerte die Universitätim Rahmen eines Ökumenischen Gottes-dienstes in der Nikolaikirche an das Wir-

34 journal UNIVERSITAT LEIPZIG

Michael Sticherlingarbeitet schon seit dem 1. Februar vergan-genen Jahres an der Klinik und Poliklinikfür Hautkrankheiten. Er war von der Uni-versitätshautklinik Kiel gekommen. „Seit1. 1. 2002 bin ich nun vollständig in Leip-zig“, sagt er und meint: „persönlich, fami-liär und wissenschaftlich“. Seine wissen-schaftlichen Projekte seien seit Jahresan-fang komplett an der hiesigen Uniklinikangesiedelt. Nach dem Ausscheiden vonProfessor Uwe Frithjof Haustein hat Sti-cherling zudem am 1. April die kommissa-rische Leitung der Klinik und Poliklinikübernommen.Der Mediziner stammt aus Marl in West-falen, hatte seinen Lebensmittelpunkt aberseit 1977 in Kiel, erst als Student, dann inwissenschaftlichen Tätigkeiten. Kein Wun-der, dass er den Start in Leipzig als „nichteinfach“ bezeichnet. „Es sind eben keinelang aufgebauten Strukturen wie in Kielda.“ Was übrigens auch für die „Babysitter-strukturen“ gelte, so der zweifache Vater.mDafür sei die Uniklinik Leipzig „von denMöglichkeiten her sehr interessant“ unddie Stadt attraktiv. Sticherling reizt vorallem „die Kombination zwischen Klinikund Wissenschaft“, die er mit der Profes-sur für Klinische und Experimentelle Der-matologie verwirklichen kann.Das Spezialgebiet Sticherlings ist die Im-mundermatologie, die die gesamte Gruppeder Hautkrankheiten umfasst, die durcheine gestörte Körperabwehr auftreten. Diebekannteste Variante ist die Schuppen-flechte. Sticherlings Promotionsthema lau-tete „Ablösen zellständiger Oberflächen-antigene zur gezielten Immunisierung vonMäusen“. Er befasste sich dabei nacheigenen Worten mit der Zusammenarbeitvon Abwehrzellen, die von Oberflächen-molekülen koordiniert wird. Das Themader Habilitation: „Die Bedeutung von IL8bei der kutanen Entzündung.“ „IL8“ sei, so Sticherling, „ein Proteinfaktor, der amentzündlichen Geschehen der Haut ganzwesentlich beteiligt ist“.

C. H.

Andrea Tannapfelist eine passionierte Jägerin. Beruflichmacht die C-3-Professorin am Institut fürPathologie der Universität Jagd auf Tumore,privat zum Beispiel auf Wildschweine.Die 36-Jährige, geboren in Hoya an derWeser, studierte von 1985 bis 1991 in Han-nover Medizin. Der Titel ihrer Dissertation:„Das duktale Adenokarzinom des Pan-kreas.“ Sie beschäftigte sich darin mitTumoren in der Bauchspeicheldrüse. Wa-rum sich Tumorzellen unkontrolliert teilen,das untersuchte sie im Jahr 2000 in ihrerHabilitation, die bereits an der hiesigenUniversität entstand, unter der Überschrift„Zellzyklusregulation in malignen Tumo-ren“.Seit 1996 hatte sie bereits im Institut fürPathologie gearbeitet. Im April 2001 wurdesie Oberärztin. Stationen vor Leipzig wa-ren unter anderem die Universität Erlan-gen, wo sie am dortigen PathologischenInstitut als wissenschaftliche Assistentinarbeitete, und die Universität Hiroshima inJapan, wo sie 1992/93 einen einjährigenForschungsaufenthalt hatte.75 internationale Publikationen kann Tann-apfel bereits aufweisen. Auch wenn derLaie deren Titel nicht immer auf Anhiebversteht, ein Wort taucht immer wieder auf, schließlich ist es auch in der Publi-kationssprache Englisch das gleiche wieim Deutschen: Tumor. Besonders auf diegastrointestinalen Tumore ist AndreaTannapfel spezialisiert, das sind jene inMagen, Darm, Leber und Bauchspeichel-drüse.Wenn sie dann mal wieder genug von„ihren“ Tumoren hat, begibt sie sich auf diePirsch, in der Regel einmal im Monat. Inden heimischen niedersächsischen Wäl-dern um Bremen ist bekannt, was AndreaTannapfel bekennt: „Bei mir wird scharfgeschossen.“ Die Voraussetzungen für eineerfolgreiche Jagd sind gegeben: Tannapfelhat nicht nur einen Jagdschein, sie kannauch das Jagdhorn blasen und besitzt einenJagdhund.

C. H.

Personalia

Ein Porträt von Hermann Reinmuthaus den 20er Jahren.

Foto : Universitätsarchiv

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ken von Dr. Reinmuth und der mit ihm be-freundeten römisch-katholischen SorbinDr. Maria Grollmuß, die 1934 vom be-rüchtigten „Volksgerichtshof“ zu langjäh-rigen Zuchthausstrafen in Waldheim verur-teilt wurden. Beide überlebten die NS-Zeitnicht: Dr. Reinmuth fand im KZ Sachsen-hausen, Dr. Grollmuß im KZ Ravensbrückden Tod. In den Ansprachen von RektorBigl, Oberbürgermeister Tiefensee, Prof.Becker-Eberhard von der Juristenfakultätund Universitätsprediger Petzoldt entstandein beeindruckendes Bild von einemaußerordentlich mutigen und konsequen-ten Widerstand, der nicht so bekannt ist, deres aber verdient hat, an der Universität undin der Stadt Leipzig lebendig gehalten zuwerden. Während des Gottesdienstes wur-den auch Zitate aus der Haft verlesen, dar-unter dieses von Hermann Reinmuth: „DieDemokratie als die Anerkennung der Auto-nomie des Denkens bedeutet, dass dieAuseinandersetzung mit gegnerischenMeinungen gleich welchen Inhalts nur mitgeistigen Mitteln geführt werden darf, alsodazu die Gewalt abgelehnt wird.“ – Wermöchte angesichts solcher Sätze bezwei-feln, dass dieser Widerständler der zweitenReihe nicht nur schlechthin zu gedenkenist, sondern dass wir Heutigen in besserenZeiten unvermindert von ihnen zu lernenhaben? V. S.

Jurastudentin Jutta Erbstößerstarb vor 50 JahrenEin jungesLeben – zerstörtAls die Leipziger Jurastudentin Jutta Erb-stößer, geboren am 24. Oktober 1927 inBlankenheim bei Sangerhausen, am 24. Ja-nuar 1948 durch den sowjetischen Ge-heimdienst NKWD verhaftet wurde, warsie 20 Jahre alt. Spionage warf man ihr vor,für „Sammeln und Weitergabe von Spiona-genachrichten an ausländischen Nachrich-tendienst“. Nach der Verurteilung durchein sowjetisches Militärtribunal am 3. Mai1948 zu 25 Jahren Strafarbeitslager, warnur von Spionageverdacht die Rede.„Wenn von einer Schuld gesprochen wer-den kann“, schreibt Jutta Erbstößer im An-schluss an das Urteil, „dann habe ich siedurch meine Haftzeit bereits schon ge-sühnt“. Sie besuchte in Leipzig, wo ihre Eltern eineBäckerei besaßen, die Grund- und Mittel-

HabilitationenFakultät für Physik und GeowissenschaftenDr. Andreas Berkner (8/01):Die Braunkohlenplanung in Westsachsen zwischenraumordnungsplanerischer Pflichtaufgabe, Konflikt-bewältigung und Regionalmanagement

Fakultät für Mathematik und InformatikDr. Bernd Kirchheim (12/01):Geometry and Rigidity of Microstructures

Fakultät für Chemie und MineralogieProf. Dr. Gerrit Schürmann (12/01):Von der Molekülstruktur zur biologischen Wirkung –Theoretische Modelle in der Chemischen Ökotoxiko-logieDr. Frank-Michael Matysik (12/01):Hydrodynamische Elektrochemie: Neue Entwicklun-gen und Anwendungen für die Analytik

Medizinische FakultätDr. Roger Secknus (8/01):Rolle biliärer Proteine bei der Entstehung von Chole-steringallensteinenjeweils 10/01:Dr. Karel Caca:CDX2 als potentielles Tumor-Suppressor-Gen undseine Interaktion mit der E3-Ubiquitin-Ligase HectH7Dr. Holger Stepan:Untersuchungen zur Expression und Regulation desC-Typ natriuretischen Peptids (CNP) unter besonde-rer Berücksichtigung von Reproduktion und Gesta-tionDr. Kai Wohlfahrth:Die Verwendung von Botulinumtoxin Typ A in derTherapie neurologischer Erkrankungen: Klinischeund pharmakologisch-toxikologische AspekteDr. Attila Tárnok:Cellular and serological alterations during and aftercardiosurgical interventions in childrenDr. Traugott Rother (11/01):Densitometrische Untersuchungen zur Myokardper-fusion unter besonderer Berücksichtigung von Pa-tienten mit Angina pectoris und unauffälligem Koro-narogramm (Syndrom X)

PromotionenFakultät für Physik und Geowissenschaftenjeweils 8/01:Dipl.-Geogr. Robert Rudolph:Stadtzentren russischer Großstädte unter den Bedin-gungen der Transformation – dargestellt am BeispielSt. Petersburg und JekaterinburgDipl.-Phys. Stefan Wurlitzer:Statische und dynamische Eigenschaften von Mikro-strukturen in Langmuir-MonolagenDipl.-Chem. Angelika Wurlitzer:Strukturen von Lipopolymeren an der Wasser-Luft-Grenzflächejeweils 9/01:Dipl.-Geogr. Judith Miggelbrink:Der gezähmte Blick. Zum Wandel des Diskurses über„Raum“ und „Region“ in humangeographischen For-schungsansätzen des ausgehenden 20. JahrhundertsDipl.-Phys. Anita Just:Bestimmung der räumlichen Verteilung des spezifi-schen elektrischen Widerstandes an zylinderförmigenKörpern mit Hilfe der Elektrischen Widerstandsto-mographie – Anwendung in der Petrophysik auf Bohr-kerne und Lockersedimente

Heft 2/2002 35

schule und vom Oktober 1946 bis Septem-ber 1947 den zweiten Vorbereitungskursfür das Hochschulstudium. Im Oktober1947 wurde sie an der Juristenfakultät derUniversität Leipzig immatrikuliert. Später,im Zuchthaus, schreibt sie: „Ich wollte Ju-gendrichterin werden.“Nach dem ersten Semester wollte sie an dieHumboldt-Universität Berlin wechseln,weil dort auch kriminalistische Vorlesun-gen gehalten wurden. Dazu kam es nicht.Stattdessen begann für Jutta Erbstößer einlanger Leidensweg, der vom Gefängnis inder Leipziger Alfred-Kästner-Straße zurberüchtigten Haftanstalt am MünchnerPlatz in Dresden führte. Im Anschluss anden sogenannten Prozess folgten Bautzen,Sachsenhausen und im Februar 1950 dasFrauengefängnis Hoheneck bei Stoll-berg.mAm 20. Januar 1951 hielt sie in einem Le-benslauf fest, dass sie keine Pläne für dieZeit nach ihrer Entlassung habe. Sieglaubte nicht mehr an eine Zukunft. Exaktzwei Jahre nach der letzten Einlieferungnahm sich Jutta Erbstößer am 11. Februar1952 das Leben. Am nächsten Morgenwurde die Leiche hastig in das Kremato-rium nach Chemnitz gebracht, verbranntund die Asche anschließend „entsorgt“;eine Grabstelle gibt es nicht. Fragen bleiben offen. Wer von deutscherSeite hat die Verhaftung im fahrenden Zugvon Leipzig nach Halle ausgelöst und ihrjunges Leben zerstört? Was sind dieeigentlichen Gründe für die Festnahme unddie hohe Verurteilung? Endgültige Klarheitkönnten die Akten des NKWD in Moskaubringen. Gerald Wiemers

Personalia | Habilitationen und Promotionen

Jutta ErbstößerFoto: Universitätsarchiv

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Dipl.-Phys. Thomas Müller:Bestimmung streckenintegrierter Aerosolparameterund Wasserdampfkonzentrationen aus spektralenExtinktionsmessungenDipl.-Phys. Thomas Rudolf (10/01):Adsorption and Desorption Behavior of Nitric Mon-oxide in Zeolites Na-A, Na-ZSM-5, and H-ZSM-5 –a Multi-Frequency Electron Paramagnetic ResonanceStudyDipl.-Phys. Tilo Reinert (11/01):Ionenstrahluntersuchungen am Gelenkknorpel –Energiedispersive Röntgenspektrometrie, Rückstreu-spektrometrie und Transmissionsionenmikroskopie(PIXE, RBS, STIM)Dipl.-Phys. Thomas Nowotny (11/01):PHASE TRANSITIONS AND MULTIFRACTALPROPERTIES OF RANDOM FIELD ISING MO-DELS

Sportwissenschaftliche FakultätRalph Petzold (5/01):Integrative Sportspielvermittlung im Spannungsfeldvon Sache und Schüler – Empirische Untersuchungenzu Potenzen und Grenzen eines sportspielübergrei-fenden UnterrichtsKhaled Tawfik (9/01):Modifizierung des langfristigen Leistungsaufbaus imSportschwimmen unter den Bedingungen der Sport-förderung Ägyptens mit besonderer Berücksichti-gung des GrundlagentrainingsCathleen Saborowski (9/01):Der sportliche Karriereverlauf von Kindern und Ju-gendlichen unter besonderer Berücksichtigung desEinflusses der Trainerinnen und Trainer – eine Längs-schnittstudie von 1997–2000 in Sachsen

Erziehungswissenschaftliche FakultätSteffi Tollkühn (9/01):Die sprachlichen Fähigkeiten von Erstklässlern. EineUntersuchung an den Grund- und Förderschulen imFreistaat Sachsen.Laurindo Caetano (9/01):Sekundarbildung und Hochschulzugang in Transfor-mationsgesellschaften – Mosambik und die neuenBundesländer der Bundesrepublik Deutschland (amBeispiel Sachsen). Ein Vergleich.

Fakultät für Sozialwissenschaften und PhilosophieWilm Hüffer M.A. (11/01):Theodizee der Freiheit. Hegels Philosophie des ge-schichtlichen DenkensHolger Maaß M.A. (11/01):Transzendentale Phänomenologie und normativ-pragmatische Sprachphilosophie

JuristenfakultätJutta Hänle (7/01):Die Geschäfte des Allfinanzdienstleistungsvermitt-lers bei Kombinationsmodellenjeweils 10/01:Michael Gädeke:Öffentliche und private EntsorgungsverantwortungKatja Havemann:Die Übergangsregelungen im Mietrecht nach dem3. 10. 1994 auf dem Gebiet der neuen Bundesländerunter besonderer Beachtung der Kündigungs- undMietzinsbestimmungenTorsten van Jeger:Geldbuße gegen juristische Personen und Personen-vereinigungenMichael Knoppik:Tarifgeltung ohne Mitgliedschaft

jeweils 11/01:Alexandra Jorzig:Amtsermittlungsgrundsatz im ArzthaftungsprozessCornelia Susanne Marquardt:Freie Erfindungen im ArbeitsverhältnisJens Muschner:Die haftungsrechtliche Stellung ausländischer Par-teien und Medizinalpersonen in Fällen sprachbeding-ter MissverständnisseKonstantin Pohlmann:Die Beschränkung anwaltlicher Werbung in Berufs-und Wettbewerbsrecht und deren Verhältnis zueinan-derMartina Rissing:Das Verbot der Leiharbeit im Baugewerbe

Wirtschaftswissenschaftliche FakultätThorsten Faust (1/01):Herstellung, Tragverhalten und Bemessung von kon-struktivem LeichtbetonMarkus Görsch (2/01):Komplementäre Kulturfinanzierung. Das Zusammen-wirken von staatlichen und privaten Zuwendungen beider Finanzierung von Kunst und KulturVolkmar Teichmann (2/01):Die Finanzierungsbeziehungen zwischen den öffent-lich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepu-blik Deutschland. Bestandsaufnahme und Reform-vorschlägeHans Alexander Biegholdt (4/01):Beitrag zur Bewertung von schlanken Mauerwerk-wänden unter Berücksichtigung der aussteifendenWirkung seitlicher Holzstiele hinsichtlich der Stand-sicherheit der VerbundkonstruktionMichael Jahn (5/01):Die zukunftsorientierte Beurteilung der Bonität vonFirmenkunden durch deutsche Banken anhand derKriterien Forschung & Entwicklung und Technolo-giemanagementMohamed Mostafa (5/01):Ein Beitrag zum fugenlosen Bauen von Betonbau-werkenPatricia Barton (6/01):Förderung der Servicequalität deutscher Bankendurch Selbstbewertung – Eine Modellauswahl aufBasis strategischer Erfolgsfaktoren unter besondererBerücksichtigung von GroßbankenSteffen Metzner (6/01):Immobiliencontrolling als strategische Analyse undSteuerung von Immobilienergebnissen auf Basis vonInformationssystemenCarsten Ahner (6/01):Sicherheits- und Nachweiskonzept für die nichtline-are Tragwerksbemessung von stabförmigen Stahlbe-tontragwerkenMarco Herrmann (10/01):Umwertungs- und Investitionseffekte auf Realkapi-talbestände in Ostdeutschland: KapitaltheoretischesDilemma, statistische Unzulänglichkeiten und empi-rische UntersuchungsansätzeIvan Bergamin (11/01):Ein Gestaltungskonzept integrierter Früherkennung –Ergebnis einer systemtheoretischen Analyse vonMetakonzepten der Früherkennung und von Progno-seansätzenDiemo Dietrich (12/01):Finanzintermediation im monetären Transmissions-prozess. Die Wirkungen der Geldpolitik auf dieFinanzierungsentscheidung von Unternehmen imRahmen institutionenökonomischer Intermediations-modelle

Matthias Schreier (12/01):Immobilienaktiengesellschaften als alternative Mög-lichkeit der indirekten ImmobilienanlageSven Brosge (12/01):Beitrag zur Ermüdungsfestigkeit von hochfestemBeton

Fakultät für Chemie und Mineralogiejeweils 7/01:Uwe Eichelberger:Synthese von Lipidanaloga des Antibiotikums Moe-nomycin AHeiko Michael:Bestimmung flüchtiger organischer Verbindungen ausdem Hausbrand von Braunkohle und aus Automobil-abgasen mittels adsorptiver Anreicherung/Thermode-sorption und chromatographischer TrennverfahrenJörg Plugge:Wechselwirkungen organischer Schadstoffe derCarbochemie mit Rhizosphärenkomponenten undBilanzierung von Stoffströmen in Pflanzenkläranla-gen: LaborversucheNils Eduard Schlörer:Untersuchungen zur Fixierung von Kohlendioxidmittels organischer und metallorganischer ReaktionenKatherina Stembera:Moenomycin als Werkzeug zur Isolierung und Cha-rakterisierung des Penicillin-bindenden Proteins 1BBarbara Wenzel:Synthese und Charakterisierung heterobimetallischerKomplexe mit O/S-funktionalisierten Ligandenjeweils 10/01:Andrij Buchynskyy:Selektive Modifizierungen des Antibiotikums Moe-nomycin A: Neue Werkzeuge zum Studium des Trans-glycosylierungs-Schrittes bei der Peptidoglycan-Bio-syntheseChristoph Hawat:Untersuchungen von Wechselwirkungen in Lösungenmittels Kern-Overhauser-NMR-Spektroskopie undMolekülmodellierungAndré Schreiber:Untersuchungen zum Ionisierungs- und Fragmentie-rungsverhalten umweltrelevanter Substanzen bei derHPLC/MS-Kopplung – Aufbau und Nutzung vonHPLC/MS-SpektrenbibliothekenCaroline Windolph:Aufbau und Anwendung einer Pikosekundenlaserap-paratur: Untersuchungen zum Energietransfer anbichromophoren Arylderivaten des Benzophenonjeweils 11/01:Marco Fioroni:Fluorine: a unique tool for engineering molecularpropertiesKerstin Gebhardt:Über die Wechselwirkung von Silber und Zinn mit derchemisch modifizierten InP(001)-Oberflächejeweils 12/01:André Barthel:Quantenchemische Untersuchungen der Struktur undBindungsverhältnisse von Zwei- und Dreikerncarbo-nylkomplexen mit Eisen und OsmiumSilvio Beutekamp:Adsorptionsgleichgewichte der reinen Gase Methan,Kohlendioxid, Stickstoff und deren binärer Gemischean verschiedenartigen porösen StoffenAndreas Hubert:Optimierung der beschleunigten Lösemittelextraktion(Accelerated Solvent Extraction – ASE) und desCleanup-Verfahrens zur Spurenbestimmung vonumweltrelevanten Schadstoffen aus Pflanzen- undBodenproben

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Habilitationen und Promotionen

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Alexei Preobrajenski:Ultrathin semiconductor layers on InP(110) andInP(001): some unusual interfacesKathleen Taubert:Funktionalisierte Sultime und Sultame als Sauerstoff-transfer-Reagenzien

Medizinische Fakultätjeweils 8/01:Anke Panitz:Das Risikoprofil von Patienten mit peripher arteriel-ler Verschlusskrankheit vor und nach einer gefäß-chirurgischen Operation oder einer nichtoperativenTherapie am Städtischen Klinikum ZwickauManuela Reinohs:Einfluss von Noradrenalin auf Funktion und Kolla-genstoffwechsel des RattenherzensOliver Schilling:Quantitative Erfassung der Hämatopoese im Kno-chenmark – ein Vergleich zwischen Magnetresonanz-tomographie und HistologieUwe Schirmer:Die Objektivierung der muskulären Stabilisierung desKniegelenks durch die Messung der isometrischenMaximalkraft und der biologischen Oberflächenakti-vität mit dem Messplatz „Kniemax“Karin Schüppel:Der Einfluss des Neurotoxins Trimethylzinn (TMT)auf Neurone und auf perineuronale extrazelluläreMatrix des RattenhirnsMaria Katarina Schurk:Wertigkeit der Spiral-CT-Vesikulographie beim prä-operativen Tumorstaging des ProstatakarzinomsKerstin Stange:Okuläre Blutdrucke, Perfusionsdrucke, Pulsblutvolu-mina und Pulskurvenzeitwerte augengesunder Pro-banden – Untersuchungen mit der Okulooszillodyna-mographieSabine Stöcklein:Klinische Antikörperdiagnostik und histologischerBefund bei der AutoimmunthyreoiditisRomana Unger:Untersuchungen zur reepithelisierenden Wirkungeiner Verbrennungscreme aus spagyrischem Ei-Öl beiKindern mit partiell und vollständig dermalen ther-mischen Verletzungen (bis 2-b-Grad)Rigo Voigt:Expressionsuntersuchungen der Matrix- und Zyto-skelettbestandteile bei primären LebertumorenKatja Wurzinger:Messungen der lichtinduzierten extrazellulären Ka-liumkonzentrationsänderungen zur Untersuchung derBipolarenaktivität und ERG-b-Wellen-Enstehung ander RCS-RattennetzhautIna Geisel:Praktische Bewährung von zahnfarbenen Restaura-tionen im Seitenzahngebiet und bei Klasse-V-Läsio-nen – eine 12 MonatsstudieAntje Thriemer:Werkstoffkundliche Untersuchung anwendungsrele-vanter Parameter von Materialien zur Kierferrela-tionsbestimmung mit interokklusalen Registratenjeweils 9/01:Agnes Becker:Qualitätskontrolle bei schweren Verletzungen mittödlichem Ausgang: Analyse der präklinischen undklinischen Versorgung unter Berücksichtigung derrechtsmedizinischen SektionsprotokolleJens Borgwardt:Ergebnisse der Marknagelung mit dem UngebohrtenTibiamarknagel (UTN) von 1994–1998 bei 136 Pa-tienten

Sabine Brunner:Die Bestimmung modifizierter Nukleoside im Urinals Parameter maligner NeoplasienAlexa Flügel:Eignung eines Schafes als Modell für die Fraktur-behandlung am osteoporotischen Knochen (Pilot-studie)Frank Graupner:Retrospektive Analyse des Auftretens nosokomialerInfektionen bei osteosynthetischen Eingriffen amHüftgelenk oder im hüftgelenknahen Bereich undderen Erfassung in einer Chemnitzer Klinik in denJahren 1995 und 1997Fritz Herrschelmann:Der Fixateur externe in der Orthopädie (eine retro-spektive Studie des Krankengutes an der Orthopädi-schen Universitätsklinik Leipzig im Zeitraum von1977 bis 1984)Sivaji Jeyaraman:Mammakarzinom – Behandlungsergebnisse aus derChirurgischen Abteilung des Krankenhauses Borna –eine retrospektive Studie der Jahre 1983 bis 1994Rüdiger Repmann:Die adjuvante Therapie des lokal fortgeschrittenenNierenzellkarzinoms mit autologer TumorvakzinemacropharmFabian Schmidtler:Therapie mit rekombinatem Wachstumshormon beiPatienten mit ischämischer KardiomyopathieChristoph Wölfl:Externe Fixation der Beckenringfrakturen, biomecha-nische Messungen am KnochenersatzmodellAndreas Zirlik:In Vitro Darstellung von Herzkranzarterien mittelsdreidimensionaler KontrastechokardiographieHeike Börnert:Dreidimensionale Analyse der Oberkiefermorpholo-gie von Patienten mit einseitiger Lippen-, Kiefer-,Gaumenspaltbildung unter besonderer Berücksichti-gung der vertikalen Veränderungen der Spaltenseg-mentejeweils 10/01:Ali Al-Rifai:Anstieg von „Calcitonin Gene Related Peptide“(CGRP) in experimentell induzierten polyzystischenOvarien der RatteSabine Bonitz:Die Wirkung von Knoblauch (Allium sativum L.) aufParameter des Lipidstoffwechsels und des antioxida-tiven PotentialsSophia Bratanow:Benigne epitheliale Einschlüsse in Lymphknoten desAbflussgebietes der Glandula parotis und ihre Be-deutung für die Entwicklung von Speicheldrüsentu-moren – Aufarbeitung von Parotidektomiepräparatenund vergleichende Untersuchungen an kindlichemAutopsiematerialJana Czymmek:Aktigraphische Untersuchungen von Patienten miterworbener Hirnschädigung und AntriebsminderungCornelia Ebert:Untersuchungen zum Stand der alimentären Jodver-sorgung bei Leipziger SchülernRalf-Peter Feyer:Probleme der sozialen Integration jugendlicher Epi-leptikerJens Förster:Diagnostik des Hughes-Syndrom durch verschiedeneAssays zum Nachweis von AntiphospholipidenOlaf Galisch:Die Konfrontation mit Malaria in der Zeit des Zwei-ten Weltkriegs in der deutschen Wehrmacht

Steffen Haupt:Pyocintypisierung und Makrorestriktionsanalyse mitder Pulsfeldgelenktrophorese von Pseudomonas aeru-ginosa von Patienten mit MukoviszidoseLudwig Michael Hellmundt:Body composition vor und nach Gewichtsreduktion inKorrelation zu StoffwechselkomponentenKatrin Hinkel:„Lieber dick und geistig da …“ Schizophrene Patien-ten und Angehörige beurteilen ClozapinClaudia Kolata:Alkoholisierungsmuster für das Einzugsgebiet des In-stitutes für Rechtsmedizin der Universität Leipzig inden Zeiträumen 1985–1987 und 1993–1995Stefan Josef Ludwig König:Veränderungen der Ultrastruktur des diabetisch vor-geschädigten Myokards der Ratte bei akuter Hypoxiemit und ohne Protektion durch Ginko biloba-Extrakt761Christiane Leicht:Stellenwert des (15N2)Harnstoff-Urintests für dieDiagnostik einer Helicobacter pylori-Infektion beiKindern mit chronischen BauchschmerzenDirk Lieber:Über die Wertigkeit der Spiral-CT bei AppendizitisMarco Mierzwa:Invasive Asperigillosen - Inzidenz und Labordiagno-stik. Eine 3-Jahresstudie am UniversitätsklinikumLeipzigQusai Muhammad:Immunmodulierende Wirkungen der Therapie mitGranulozyten-Kolonie-stimulierendem Faktor beikrebskranken Kindern und Jugendlichen während derChemotherapie-induzierten NeutropenieThomas Raeder:Beitrag zur nichtinvasiven Koronararteriendarstel-lung: Möglichkeiten des Einsatzes transthorakalen3D-Ultraschalls unter Kontrastmittelapplikation (Un-tersuchungen am Tiermodell)Maria Reulecke:Empirische Untersuchungen zum Zusammenhangzwischen dem erinnerten elterlichen Erziehungsver-halten und dem Schweregrad der psychischen Beein-trächtigungMarika Roch:Untersuchungen zum Immunstatus gegen die Kinder-lähmung im Freistaat Sachsen. Ein seroepidemiologi-sches SurveyAstrid Sawistowsky:Die cardiale autonome Neuropathie beim Diabetesmellitus Typ 2 – Häufigkeit und Beziehung zu Stoff-wechselcharakteristika und klinischen BefundenHelga Ursula Schmitt:Untersuchungen zur Belastung und Beanspruchungdes Küchenpersonals in einem Catering-Service-Cen-terAlexander Markus Springer:Entwicklung humoraler immunologischer Parameterbei Allergie-Risiko-Kindern in den ersten 3 Lebens-jahren – eine deskriptive StudieClaudia Steffler:Der Psychopharmakagebrauch bei Seniorinnen undSeniorenVolker Töpfer:Parakrine Autoregulation gliogener Hirntumoren –Korrelation von EGFR und RezidivverhaltenSwantje Wallach:Qualitative und quantitative Parameter der zellulärenImmunabwehr Früh- und Neugeborener innerhalb desersten Lebenshalbjahres

Heft 2/2002 37

Habilitationen und Promotionen

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38 journal UNIVERSITAT LEIPZIG

Der Papyrologe ist von Natur aus ein neu-gieriger Mensch. Ulrich Wilcken, der inLeipzig von 1906–1912 als Althistorikerwirkte und die noch heute in Leipzig er-scheinende Fachzeitschrift „Archiv für Pa-pyrusforschung“ ins Leben rief, zählt zuden Begründern dieser Fachdisziplin. Wieklein die Welt der Papyrologen ist, ver-deutlicht eine kurze biographische Anmer-kung: Der Assistent von Ulrich Wilcken,Friedrich Oertel, hatte später selbst einenAssistenten, Horst Braunert. Bei diesemwiederum war der Amerikaner John Shel-ton tätig, der anschließend den Ruf auf die erste reine Papyrologie-Professur inDeutschland, und zwar in Trier, erhielt undbei dem ich als erster und zunächst einzi-ger Student meine Ausbildung als Papyro-loge erhalten habe. Wenn ich nun für diePapyrussammlung der Universitätsbiblio-thek Leipzig verantwortlich bin, schließtsich in gewisser Weise der Kreis.Der Papyrologe in Leipzig ist „Herr“ über

ca. 5000 Papyri (dazu kommen noch 1600Ostraka), die überwiegend in Griechischgeschrieben sind und aus der Zeit zwischendem 3. Jh. v. Chr. und dem 7. Jh. n. Chr.stammen. Der größere Teil davon mussnoch geglättet, gereinigt, verglast und in-ventarisiert werden. Dabei arbeiten Papy-rusrestaurator und Papyrologe Hand inHand. Bei der Katalogisierung sind die wichtig-sten Angaben zu ermitteln und festzuhal-ten: Äußere Beschreibung mit Maßanga-ben, Sprache, Datierung, Erwerbung, Her-kunft und Inhalt.Das Ziel jeder papyrologischen Tätigkeitist die wissenschaftliche Edition der Pa-pyri. Diese beginnt mit der Entzifferungder manchmal „hingeschluderten“ Schrift.Neben den Abkürzungen und den am Endeeines Wortes nur noch angedeutetenSchnörkeln für ganze Buchstabenreihen,die auch heute fast jeder Vielschreibermacht, kommt generell erschwerend hinzu,

dass die antiken Schreiber in scriptio con-tinua geschrieben haben. Es gibt also kei-nen Abstand zwischen den einzelnen Wör-tern und auch keine Satztrenner. Es werdenauch nur Großbuchstaben verwendet. Alldies erleichtert nicht gerade das Lesen an-tiker Texte. Bei der Geschäftskursive flie-ßen mehrere Buchstaben ineinander über.Dann ist es auch fast aussichtslos, „buch-stabieren“ zu wollen. Das Lesen der Buch-schrift, die für literarische Werke benutztwurde, ist verhältnismäßig einfach, dadiese Schrift unserer heutigen „Block-schrift“ ähnelt.Es behindert die Arbeit, dass die meistenPapyri fragmentarisch erhalten sind. DieRänder sind ausgerissen, es gibt Löcherdurch mechanische Beschädigungen oderWurmfraß mitten im Text. Diese Lückenlernt der Papyrologe im Laufe seiner Tätig-keit aufgrund von Parallelstellen und seinerumfangreichen Textkenntnis immer besserzu schließen. Wenn es sich um eine „Ur-

Jubiläum 2009

Auch in den Lücken lesenDem Papyrologen über die Schulter geschautVon Prof. Dr. Reinhold Scholl

Papyri unter der Lupe: Prof. Scholl bei der Arbeit im Archiv. Foto : Kühne

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kunde“ handelt, hilft ihm die Kenntnis desAufbaus des jeweiligen Urkundentyps wei-ter. Es gibt allein mehrere Arten von Urkun-den, um einen Kauf zu dokumentieren. BeiPrivat- oder Geschäftsbriefen nützen Paral-lelen verständlicherweise nicht in diesemAusmaß weiter. Als Hilfsmittel dienenbeim Entziffern eine Lupe und ein mit einerzusätzlichen Kaltlichtquelle versehenesBinokular, mit dessen Hilfe man zwischen„Fliegendreck“ und Tinte unterscheidenkann. Bleistift und Radiergummi vervoll-ständigen die Ausrüstung. Denn die ersteLesung ist nicht immer die endgültige.Der Papyrologe hält das Ergebnis seinerEntzifferung schriftlich fest, wobei er mitHilfe des sogenannten Leidener Klammer-systems dokumentiert, wie gut und sicherseine Lesungen sind. Unsicher geleseneBuchstaben z. B. versieht er mit einemPunkt darunter. In eckige Klammern setzter das, was im Papyrus beschädigt ist; mitrunden Klammern kennzeichnet er aufge-löste Abkürzungen des antiken Schreibers,in doppelte eckige Klammern schreibt erdas, was bereits der antike Schreiber ge-löscht oder durchgestrichen hat. Dann fertigt er eine Arbeitsübersetzung an,wobei eine Übersetzung immer auch eineInterpretation darstellt. Es folgt ein philo-logischer Kommentar, der die Besonder-heiten der Sprache und Orthographie er-läutert. Als drittes wird ein Sachkommen-tar erstellt, der Zeile für Zeile die wichtig-sten Begriffe und Sachen erläutert, aufParallelen verweist, den historischen bzw.sonstigen Kontext erläutert.Aufgrund dieses historisch-philologischenSachkommentars wird dann die Arbeits-übersetzung nochmals überprüft und eineEinleitung zum Papyrus geschrieben, diedas allgemeine zur Textgattung sagt unddas besondere dieses Einzeltextes heraus-streicht.Gerade beim Sachkommentar ist es not-wendig, dass der Papyrologe sich auf denverschiedensten Fachgebieten auskennt.Hier kommt ihm ein breit angelegtes Stu-dium zugute. Gute Griechischkenntnissesind Voraussetzung. Ägyptischkenntnissesind von Vorteil, wenn es z. B. um Fragender Onomastik geht. Die griechische, rö-mische und ägyptische Religion sollte demPapyrologen nicht ganz fremd sein. OhneWissen um das Judentum und das Chris-tentum mit ihren Schriften sind viele Textenicht zu verstehen. Der Papyrologe solltesich auch in antiker Sozial- und Wirt-schaftsgeschichte auskennen. Grundwis-sen über Finanzwesen, Buchhaltung und

Ökonomie kann nicht schaden. Kenntnissedes griechischen, römischen und auch alt-ägyptischen Rechts sind nicht von Nach-teil; antikes Steuer- und Verwaltungsrechtgehört zum täglichen Brot. In der Land-wirtschaft sollte man sich zu Hause fühlen.Für die literarischen Papyri sollte man inder antiken Literatur bewandert, also Klas-sischer Philologe sein. Ein Überblick überdie Haupt- und Staatsaktionen auch außer-halb Ägyptens hilft bei der Einordnung undAuswertung der Texte. Das setzt voraus,dass man ein Althistoriker mit einer brei-ten Quellenkenntnis ist. So versteht der Pa-pyrologe natürlich auch etwas von Epigra-phik (Inschriftenkunde) und Numismatik(Münzkunde). Der Papyrologe ist also einSpezialist und gleichzeitig ein „Allroun-der“ der klassischen Altertumswissen-schaften.

Vielleicht gerade weil so viele Spezial-kenntnisse von dem Papyrologen erwartetwerden, hat er sich viele, die Arbeit er-leichternde Hilfsmittel geschaffen und diePapyrologie war von Anfang an bei demEinsatz von Computern und Datenbankenführend. Das mag auch damit zusammen-hängen, dass ein Straßburger Post- und Te-legraphendirektor sich nebenher mit gro-ßem Erfolg als Papyrologe betätigt hat,nämlich Friedrich Preisigke. Er hat begon-nen, ein Wörterbuch herauszugeben, indem jedes Wort, das in einem Papyrus vor-kommt, übersetzt und mit der genauen An-gabe (Nummer des Papyrus, Zeile und Da-tum) verzeichnet ist. Dasselbe hat er mitden Personennamen aus dem griechisch-römisch-byzantinischen Ägypten gemacht.Da die Verwaltung und deren Sprache da-mals wie heute eine eigene „Wissenschaft“ist, hat er auch ein nützliches Werk „DieFachwörter des öffentlichen Verwaltungs-dienstes Ägyptens in den Papyrusurkundender ptolemäisch-römischen Zeit“, Göttin-

Heft 2/2002 39

gen 1915, herausgegeben. Da auch Papy-rologen bei ihren Lesungen irren können,begründete er die „Berichtigungsliste“, diealphabetisch nach Editionen geordnet Neu-lesungen, Berichtigungen zu Lesungen undDatierungen zu den publizierten Papyriverzeichnet. Alle diese Unternehmungenlaufen in internationaler Zusammenarbeitweiter. Es gibt auch eine eigene in Brüsselerscheinende „Bibliographie papyrologi-que“ , die neuerdings statt auf Karteikartenauf Diskette erscheint.Das amerikanische Unternehmen „Thesau-rus Linguae Graecae“ hat sich zum Ziel ge-setzt, mehr oder weniger alle griechischenAutoren – von Homer bis in die Spätantike– in der Originalsprache auf eine CD-ROMzu pressen. Die aktuelle Version enthält be-reits die Mehrzahl der Autoren. Danebengibt es ein Projekt an der Duke University(The Duke Data Bank of Documentary Pa-pyri), das die Texte aller dokumentari-schen, veröffentlichten Papyri auf einerCD-ROM vereinigt. Die letzte Version ent-hält fast alle bis 1996 publizierten Papyriund Ostraka (ca. 40.000). Durch das in denletzten Jahren rasant zunehmende WorldWide Web gibt es jetzt die Möglichkeitüber das Perseus-Projekt online zusätzlichauch die neueren Papyruseditionen in die-ser Datenbank zu recherchieren. Die Da-tenbank des Heidelberger Instituts für Pa-pyrologie bietet u. a. ein „Gesamtverzeich-nis der griechischen PapyrusurkundenÄgyptens einschließlich der Ostraka usw.,der lateinischen Texte, sowie der entspre-chenden Urkunden aus benachbarten Re-gionen“ und eine „Wörterliste“ (eineKompilation der in den Registern neuererPublikationen enthaltenen griechischenund lateinischen Wörter und Namen).Schnelligkeit ist für den Papyrologen alsokeine Hexerei!Und wenn dem Papyrologen ein ganz be-sonderes Erfolgserlebnis beschert wird,ruft er hocherfreut: „Heureka“ (Ich hab’s).

Informationen im Internet

Perseus-Projekt http://www.perseus.tufts.edu

Beitrag von Prof. Scholl zum gemein-samen Vorhaben der Papyrussammlun-gen in Halle, Jena und Leipzig, ihrePapyrusbestände zu katalogisieren, zudigitalisieren und im Internet zugäng-lich zu machen.http://www.ub.uni-leipzig.de/freestyle/scholl_3.htm

Jubiläum 2009

Prof. Scholl am Binokular.Foto : Kühne

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40 journal UNIVERSITAT LEIPZIG

Es ist das älteste „Buch“ der Universitäts-bibliothek Leipzig. Es ist die größte undschönste Buchrolle zur Heilkunde Alt-ägyptens. Es ist: der Papyrus Ebers. Dieses„Buch“ der Superlativen, dieses einzigar-tige Lehrbuch der altägyptischen Heil-kunde, verdankt die Universitätsbibliothek,in der es seit 1873 aufbewahrt wird, demÄgyptologen und Romanautor Prof. Dr.Georg Ebers (1. 3. 1837–9. 8. 1898). Georg Ebers hat dieses bedeutsame Zeug-nis altägyptischer Wissenschaft und Kulturim Frühjahr 1873 in Theben käuflich er-worben. Schon damals konnte er durch„Sponsoring“ seitens eines LeipzigerKaufmannes die notwendige Summe auf-bringen. Der Papyrus Ebers ist aus 48 Ein-zelblättern zusammengeklebt und hat alsRolle eine Länge von 18,63 Meter und eineHöhe von 0,30 Meter. Die einzelnen Blät-ter sind im Schnitt 41 cm breit. Die Papy-rusrolle ist dann in Leipzig aus konserva-torischen Gründen in 29 Teile zerschnittenworden. Diese wurden verglast und ge-rahmt. Die Papyrusrolle stammt aus dem letztenViertel des 16. Jh. v. Chr. und ist somit dasälteste „Buch“ in der Universitätsbiblio-thek. Die Datierung ergibt sich zum einen

aus der Paläographie, zum anderen ausdem Kalender, der sich auf der Rückseiteder 1. Kolumne befindet. Die 108 Kolum-nen, die im Schnitt 22 cm breit sind und 21Zeilen umfassen, sind in der Antike nach-träglich paginiert worden, dabei fehlen die„Seitenzahlen“ 28 und 29. Das mag einVersehen des Schreibers sein, er kann aberauch ganz bewusst gemacht haben, um aufdas ideale Lebensalter der Ägypter, näm-lich 110 zu kommen. Die Kolumnen103–110 sind auf der Rückseite der Ko-lumnen 102–94 geschrieben. Dies undeine etwas missverständliche Formulie-rung von Georg Ebers in seiner Prachtaus-gabe von 1875 führten dazu, dass bisherdie Länge mit 20,23 Metern falsch ange-geben wurde.Der Papyrus ist in Hieratisch geschrieben.Dies ist eine kursive Schriftform des Ägyp-tischen. Die Schrift verläuft von rechtsnach links. Der Schreiber hat sowohlschwarze wie auch rote Tinte verwendet:Rot für Überschriften und Maßangaben beiden Rezepten. Der Papyrus Ebers ist Kompendium, einesogenannte Sammelhandschrift medizini-schen Inhalts. Der Schreiber hat aus ver-schiedenen Lehr- und Fachbüchern diese

Auswahl erstellt. Dabei kommt es vor, dasseinige Rezepte doppelt erscheinen.Der Papyrus Ebers bietet 879 medizinischeRezepte sowie Lehr- und Zaubertexte. Ins-gesamt lassen sich 45 Gruppen oderKrankheitsbereiche ausfindig machen.Den Anfang machen Begleitsprüche, diebeim Auflegen und Lösen eines Verbandesund beim Trinken von Heilmitteln aufzu-sagen sind. Es folgen Abhandlungen überHautkrankheiten, Erkrankungen der Ver-dauungswege, Magenleiden, Augenkrank-heiten, Zahnheilkunde, Gynäkologischesund Schönheitsmittel, um nur einige zunennen. Die Rolle diente womöglich im„Haus des Lebens“ in einem Tempel alsNachschlagewerk oder zur Ausbildung derÄrzte. Aus den angeführten Beispielenwird deutlich, dass Religion, Magie undMedizin die drei Komponenten sind, diezur ägyptischen Heilkunde miteinanderverbunden sind.Leider sind mehr als die Hälfte der im Pa-pyrus Ebers aufgeführten Pflanzen, Mine-ralien und sonstigen Inhaltsstoffe nicht zuidentifizieren. Auch verbergen sich sicher-lich hinter vielen Bezeichnungen aus dersogenannten „Drecks-Apotheke“ Code-Namen, die nur dem Arzt bekannt waren.Viele Fachdisziplinen der heutigen Medi-zinwissenschaft berufen sich auf den Pa-pyrus Ebers als erstes Fachbuch.Um den Papyrus im 2. Weltkrieg vor„Bombardierung“ und deren Folgen zuschützen, wurde er im August 1941 in denTresor der Deutschen Bank am Martin-Lu-ther-Ring eingelagert. Da dieser Aufbe-wahrungsort später nicht mehr sicher ge-nug erschien, trat der Papyrus im August1943 zusammen mit den Beständen desMuseums für bildende Künste die Reise ins

Jubiläum 2009

Das Buchder SuperlativeÜber den Papyrus EbersVon Prof. Dr. Reinhold Scholl

„Gekocht insüßem Bier“Prof. Scholl hat einige Rezept-Beispieleaus dem Papyrus Ebers zusammengestellt.

Ein anderes (Heilmittel) für das Beseiti-gen von Falten des Gesichts.Gummi von Weihrauchharz 1; Wachs 1;frisches Behenöl 1; Zypergras (?) 1;werde fein zerrieben, werde gegeben aufPflanzenschleim; werde an das Gesichtgege-ben jeden Tag. – Mache (es und) duwirst (den Erfolg) sehen. (Eb 716, Ko-lumne 87, Zeile 6–8)

Ein anderes (Heilmittel) (für das Beseiti-gen des Hustens).Johannisbrotfrucht; werde gekocht in sü-ßem Bier; werde getrunken 5 ro davon vierTage lang. (5 ro entsprechen 75 ccm). (Eb306, Kolumne 53, Zeile 2–3)

Ein anderes (Heilmittel) für das Wachsen-lassen der Haare eines Kahlen.Fett des wilden Löwen 1; Fett des Nil-pferds 1; Fett des Krokodils 1; Fett desKaters 1; Fett der Schlange 1; Fett desSteinbocks 1; werde zu einer Masse ge-macht; werde der Kopf des Kahlen damitgesalbt vier Tage lang. (Eb. 465, Kolumne66, Zeile 9–12)

Ein anderes (Heilmittel), eine Beschwö-rung des Schnupfens.Du mögest ausfließen, Schnupfen, Sohndes Schnupfens, der die Knochen zer-bricht, der den Schädel zerstört, der imKnochenmark (des Schädels) hackt, derveranlasst, dass die sieben Höhlen/Öff-nungen schmerzen im Kopf der Gefolgs-mannschaft (im Sonnenboot) des Re, die(hilfesuchend) Thoth anbeten.Siehe ich habe dein gegen dich gerichte-tes Heilmittel gebracht (und) dein gegendich gerichtetes Schutzmittel: Milch einer(Frau), die einen Knaben geboren hat;Duft-Gummi; es wird dich beseitigen, eswird dich entfernen – werde umgekehrt

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Schloss Rochlitz im gleichnamigen Ort ander Mulde an. Dort fanden auch regelmä-ßig Kontrollgänge statt. Doch in den Nachkriegswirren ging esnicht mehr so geordnet zu. Bei der Rück-führung fehlten dann einige Tafeln undeinige Kolumnen waren nur noch frag-mentarisch erhalten. Laut einem Berichtder „Neuen Zürcher Zeitung“ aus dem Jahr

1951 habe man den Papyrus Ebers in einerHundehütte vorgefunden, bei einigen Ta-feln sei das Glas zerbrochen gewesen, beianderen habe der zarte BeschreibstoffRisse erlitten. Doch es spricht für die Qua-lität des dreieinhalbtausend Jahre alten Be-schreibstoffes und der damals verwendetenTinten, dass sie trotz dieser widrigen Um-stände nichts von ihrer Konsistenz undLeuchtkraft eingebüßt haben. Inzwischensind die Teilstücke nach den neuestenErkenntnissen der Papyruskonservierungumverglast und die fragmentarischenStücke wieder zusammengefügt worden.Vielleicht gelingt es irgendwann, die bisheute nicht wieder aufgetauchten Tafelnaufzufinden und den Papyrus Ebers wiedervollständig herzustellen.

Mehr Wissenswertes dazu: R. Scholl,Der Papyrus Ebers. Die größte Buchrollezur Heilkunde Altägyptens (Schriftenaus der Universitätsbibliothek Leipzig,Bd. 7), Leipzig 2002. Eine Ausstellung zum Papyrus Ebers istnoch bis zum 19. Mai im ÄgyptischenMuseum der Universität, Schillerstr. 6,zu sehen.

Jubiläum 2009

Uni-Bibliothekarin Petra Löffler hat ein Papyrus-Ebers-Blatt im Blick, RestauratorJörg Graf hat es im Griff. Foto : Kühne

Eine Detailaufnahmedes Papyrus Ebers.

Foto : Kühne

angeordnet (d. h. es wird dich entfer-nen, es wird dich beseitigen). – Kommeheraus zu Boden; verfaule, verfaule, vier-mal.Werde rezitiert über Milch einer (Frau),die einen Knaben geboren hat; Duft-Gummi; werde in die Nase gegeben. (Eb763, Kolumne 90, Zeile 15 – Kolumne91, Zeile 1)

Ein anderes (Heilmittel) für das Beseiti-gen der Unebenheit (Trachom).Bleiglanz 1; roter Ocker 1; Ocker 1; ro-tes Natron 1; werde zerrieben; werde andie Außenseite der beiden Augen gege-ben. (Eb 407, Kolumne 62, Zeile 7–8)


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