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James Cook

Date post: 09-Jan-2017
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K L E I N E B I B L I O T H E K D E S W I S S E N S

LUX-LESEBOGENNATUR- U N D K U L T U R K U N D L I C H E HEFTE

OTTO Z IERER

JAMES COOKS E E M A N N U N D E N T D E C K E R

V E R L A G S E B A S T I A N L U X

M U II N AU • M Ö N C H E N • I N N S B R U C K • B A S E L

Lockruf der See

Etwa in der Mitte der Ostkiiste Englands flachen sich die Hoch­moorhügel der Grafschaft York zu einer schmalen Küstenebene ab.Dort, wo zahlreiche kleine Flüsse sich trichterförmig in die Nord­see ergießen, liegt auf halbem Wege zwischen Middlesborough undScarborough die kleine Hafenstadt Whitby. Nahe bei Whitby, aneiner Bachmündung, und mit seinem Fischerhafen gleichsam nurein Anhängsel von Whitby, ducken sich die niederen Fachwerk­häuser des Fleckens Staithes hinter die weißen Dünen, welche diekrüppeligen Moorwälder des Hügellandes begrenzen. Eine der be­nachbarten Buchten heißt Robin-Hood-Bay, weil das schwermütige,vom ewigen Seewind gepeitschte Land von den Bauern und Fischernfür das einstmalige Jagdrevier des sagenumwobenen Räubers undFreiheitshelden galt.

In der einzigen Straße von Staithes, der Mainstreet, erhoben sichdas Lagerhaus und der Kramladen des angesehenen Mister Sander-son.

Der ganze Ort machte den Eindruck der Enge und Verlorenheit;trostlos mußten dem fremden Besucher die unregelmäßige Zeileder buntbemalten und von Wind und Regen verwaschenen Fischer­häuser und die alten Bootsschuppen ersdieinen. Wie Trauersdlleierwehten die dunklen Netze, die zwischen Dünen und Bucht ausge­spannt waren, im Wind. Tag für Tag waren die Alten des Dorfesund die Frauen mit dem Ausbessern des kostbaren und empfind­lichen Gutes beschäftigt.

Wenn der Lehrling von Sanderson, ein zwölfjähriger, kräftigerJunge, am frühen Morgen in seiner Dachkammer aufwachte, be­drückte ihn oft das Gefühl, eingeschlossen und gefangen zu sein;vielleicht kam es von der niederen, von schweren Balken und alters­dunklen Brettern umgrenzten Kammer, von dem winzigen Man­sardenfenster, in dessen Rahmen eine gelblieh-lichtlose Kalbshautanstatt des Glases eingespannt war oder von der niederen Tür,

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die zur steilen Speichertreppe führte. Der erste Blick am Morgenin den Hof hinunter, in dem die Stapel des Tauwerks, die Herings­und Teerfässer, die Kisten mit Eisenbeschlägen neben den schwar­zen Kohlenhaufen lagen, die baufälligen Schuppen des Magazinsund die hochbeinigen Zweiräderkarren davor, verstärkte in demJungen die Furcht, ein ganzes Leben lang an eine graue, freudloseWelt gekettet zu sein, wie ein Hund an seine Hütte, vor der er sichnur im Kreise zu drehen vermag.

Deshalb pflegte der Lehrbub gleich nach dem Aufstehen auf dieKleidertruhe vor dem zweiten, ebenso kleinen Giebelfenster zuklettern, das Guckloch aufzustoßen und auf die andere Seite vonSandersons Anwesen zu schauen, wo der Blick frei zum Hafen undzur See hinüberfliegen konnte. Tief atmete er den frischen, salzigenSeewind, in den sich der Geruch von Teer, Tang und Hanfseilen, jazuweilen sogar eine verlorene Schwade von grobem Matrosentabak,Fisch und dem Lederfett der Seestiefel mischten. Das war der Atemdes Meeres, der Dunst der Hafenstraßen in allen Häfen der Welt.Und wenn der Junge Glück hatte, dann trieb die Morgenbrise vonSandersons Laden herauf noch den Duft der fremden Gewürze, dieder Kaufmann führte, und vervollständigte die Illusion von Ferne,fremden Küsten und weiter Welt.

Manchmal geriet der zwölfjährige James ins Träumen. Dann saher sich auf dem Oberdeck einer stolzen Brigg über grünglasigeWogen reiten, die Segel ballten sich über ihm wie Sommerwolken,und über dem Bugspriet stieg eine weiße Palmenküste empor;oder seine Phantasie zauberte ihm vor, wie er kühn im Krähen­nest eines Dreimasters Ausguck hielt und langsam die blauschwar­zen Schatten gigantischer, unbekannter Felsenkegel aus einer sma­ragdenen See heraufwachsen sah.

Wenn er zu lange träumte, grollte aus der dämmerigen Tiefedes alten Hauses die schimpfende Stimme Mister Sandersons, derseinen säumigen Lehrjungen an die Arbeit rief. Vor der Nüchtern­heit des Alltags zerstoben die unendlich weit aufgestoßenen Hori­zonte des Traumes; James sprang von der Truhe und fand sichwieder, begrenzt von dem spinnwebbehangenen Gebälk in seinerärmlichen Kammer.

Im Elternhaus war es nicht anders gewesen. Not und die Engeder Armut hatten James Cook vom ersten Tag an begleitet. SeinVater hatte als Kind eines Bauernknechtes nie an eigenes Landdenken können, und als er eine ebenso arme Magd geheiratet hatte,war sein Leben eingezwängt in Not, Sorge und harte Arbeit auf dem

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Gut seines Herrn in Marton, einem kleinen Dörfchen nahe Middles-borough. Das höchste Ziel eines solchen Daseins hatte der Vatererreicht, als er Verwalter eines kleinen Vorwerks des Gutes vonGreat Ayton geworden war.

In Marton war James am 27. Februar 1728 als zweiter Sohn desLandarbeiterehepaares geboren worden; nach acht Jahren war dieFamilie auf das Vorwerk Great Ayton übergesiedelt, und dort hatteJames die Elementarschule besucht. Nachdem er ein wenig schrei­ben, lesen und rechnen gelernt hatte, war er zu Sanderson in dieLehre gekommen. Der Sohn sollte einmal freier und besser leben,hatte der Vater gesagt; ein Kaufmann, ein Krämer, ja sogar einBüroschreiber schienen dem ehemaligen Bauernknecht nur halb sogeplagt wie ein Landarbeiter oder ein mittelloser Pächter.

Für James aber war die Umsiedlung nach Staithes nur wie derGang eines Gefangenen aus einer Zelle seines Gefängnisses in diebenachbarte gewesen. Trost gab allein der Blick in die Weite, derWind von der See, der Geruch der Schiffe, der Gewürze, des Teersund des Hanfes —, die Illusion von Ferne, fremder Welt und Mee­ren voller Abenteuer. Eine tiefe Sehnsucht nach all diesen Dingenwuchs in der Seele des Zwölfjährigen heran, aber aller Voraussichtnach würde das wohl für immer ein Traum bleiben. Nirgendwoschien es einen Ausweg aus der Enge eines vorgezeichneten Daseinszu geben.

Von unten schimpfte Sandersons mürrische Stimme. James Cooklief eilig zur finsteren Treppe.

*Den ganzen Tag über stand der kleine James hinter dem Laden­

tisch, wenn er nicht eben in dem Lagerschuppen Fässer rollen, Tauesortieren oder auf dem Hof Kohle schaufeln mußte. Die Kundenin Sandersons Kramladen waren meist Fischer, die sich Netz­schnüre, Angelleinen und etwas Eisenzeug holten, oder es kamendie Frauen und Töchter, um eine Handvoll Gewürz, eingemachtePflaumen, Zucker oder Salz zu kaufen.

Manchmal hockten auch ein paar bärtige Fischersleute an derTheke bei einem Glas Jamaikarum zusammen und erzählten überden letzten Fang auf der Doggerbank, über den Zug der Kabeljausbei den Lofoten oder über das Ausbleiben der Heringe vor denShetlandinseln. Sie unterhielten sich über den Lauf der Gezeiten,über Abdrift, Stürme, Sandbänke, Klippen und Fahrrinnen, sie spra­chen von verlorenen Ankern und gekappten Tauen, von fallendenRahen und zerfetzten Segeln. Der kleine James, der alles um sich

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her vergaß und atemlos horchte, hörte von dem Sturmtag, als Steuer­mann Harris über Bord ging und erfuhr alle Einzelheiten des Un­glücks, als der Schiffsjunge Fredy in der Biskaya vom brechendenMast erschlagen wurde.

Ein Freudentag für den jungen Kaufmannslehrling war es, wennmit breitem, wiegendem Seemannsschritt Mister William Walker,Schiffseigner und Kapitän eines schmucken Schoners, aus Whitbyherüberkam, um bei seinem Vetter Sanderson die Schiffsvorräte zuergänzen. Walker schätzte den aufgeweckten Jungen, und jedesmalbedang er sich aus, daß niemand anderer als James Cook ihn mitdem Wagen nach Whitby begleitete, um die eingekauften Warenan Bord zu bringen.

Mister Walker erzählte von den Fahrten seines guten Schiffes„Freelove", die meist Kohle und Teer ins Baltikum segelte, umvon dort mit Hanf und Pech, Holz oder Pelzwerk zurückzukehren.James konnte nie genug von diesen Seegeschichten hören, und alsihn der gutmütige Walker eines Tages fragte, ob er nicht auchzur See wolle, seufzte er tief auf und sagte so sehnsuchtsvoll sein„Ja . . .!" daß der Kapitän ihm lachend die Haare zauste.

„Jungchen!" meinte er und tat einen kräftigen Schluck aus derflachen Taschenflasche, die immer so verdächtig nach gutem Ja­maikarum roch, „vermutlich hast du in deinem Kopf allerhandFlausen. Träumst von Abenteuer und Seefahrt und weißt nichtsdavon, wie es wirklich an Bord aussieht. Seemannsbrot ist hartesBrot und verlangt ganze Männer. Der Platz hinter der Ladenthekeist viel sicherer als die Arbeit vor dem Mast."

„Ich will es ja gar nicht so sicher haben", widersprach Jamesund bekam ganz blanke und harte Augen. „Da ist man nun einmalauf dieser Welt und soll nichts davon sehen als die Heringsfässerin Mister Sandersons Laden! Ein Leben lang die Mainstreet vonStaithes hinauf- und hinabgehen und einmal im Monat nachWhitby hinüber, und unterdessen fahren andere da draußen aufder See und sehen Palmen, Neger und Indianer. Ich aber bin hiereingesperrt! Nein, Mister Walker, das macht mich auch nicht glück­lich!"

Der Kapitän wiegte den Kopf. „Weiß es der Kuckuck, Jimmy, obdu glücklich wärest, wenn du erst wüßtest, was ein Orkan, eineFallböe, eine Untiefe vor einer nicht vermessenen Küste oder einLeck im Kielboden ist! Hast du eine Ahnung, was Wassermangelauf dem Meer bedeutet? Wenn die Sonne brennt, daß der Teer inden Decksfugen schmilzt, der Salzwind bläst, und du hast für zwan-

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zig Mann nur noch eine Gallone brackiger Brühe? Ahnst du, wasSkorbut, tausend Meilen von jedem Land entfernt, bedeutet? Wennden Matrosen die Zähne aus dem faulenden Mund brechen und dieKnie schwach werden, weil sie seit Wochen nichts als sauren Hering,madiges Pökelfleisch und von Würmern wimmelnden Zwieback be­kommen haben? Jimmy, die christliche Seefahrt ist kein Zucker­lecken, und die meisten Matrosen wären froh, wenn sie einen Jobauf dem festen Lande hätten. Bleibe lieber bei Vetter Sandersonund halte dich — wenn er eben nicht im Laden ist — an das Pflau­menfaß!"

Mit diesen ernüchternden Worten schien ein deutlicher Schluß­punkt hinter eine wilde, jäh aufsteigende Hoffnung des kleinenJames gesetzt.

*Ein halbes Jahr später stand Kapitän William Walker abermals

in Sandersons Kramladen, kaufte neuen Proviant und ließ ihnwieder von James Cook verladen. Gegen Mittag kutschierten sieab nach Whitby.

Der Kapitän spann sein Garn, und James horchte gespannt undhingebungsvoll zu. Holpernd rollten sie auf den Pier von Whitby,wo die „Freelove" vertäut lag. Eine Plankenbrücke verband dasDeck mit dem Kai, die Segel hingen gerefft an den Rahen, und aufDeck schrubbten und spülten die Matrosen den Schmutz der langenFahrt über Bord.

„Gefällt dir der Kahn?" fragte Walker, und als James eifrignickte, setzte er hinzu: „Möchtest wohl mal mitfahren, wie?"

„0 gewiß, Mister Walker!"Der Kapitän kraute sich den grauen Backenbart, schmunzelte und

griff den Jungen am Schopf.„Wenn du wirklich willst, kannst du bei mir als Schiffsjunge an­

heuern, Jimmy! Dein Vorgänger Johnny, du hast ihn wohl gekannt,ist bei einer Sturzsee in den Belt gefallen und nicht wieder hoch­gekommen. Hast du noch Lust?"

„Von Herzen, Mister Walker! Ich muß nur meine Eltern fragen."

Die Schule des blanken Hans . . .

Vater Cook war erstaunt und abweisend, als sein Junge ohneAnmeldung in Great Ayton auftauchte und um Erlaubnis bat, zurSee gehen zu dürfen. Niemals zuvor hatte es unter den Cooks See­leute gegeben; alle hatten sie die Erde bebaut und waren brave

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Arbeiter ihrer Herren gewesen. Aber der Junge wußte so leiden­schaftlich um die Erfüllung seiner Bitte zu kämpfen, daß MisterCook erkannte, hier handelte es sich um eine echte Berufsent­scheidung, die man achten müsse. Umsonst erinnerte er James andie Härte des Seemannslebens und die Gefahren der Meere, ver­geblich sprach er davon, welche barbarischen Zustände sowohl inder britischen Handelsmarine wie auf den Kriegsschiffen herrschten.Alltäglich wurden Matrosen am Hauptmast ausgepeitscht, in Ply-mouth, Southampton und Scarborough' sah man immer wieder ge­hängte Meuterer reihenweise an den Rahen baumeln, und dieschrecklichen Kerker der Hafenfestungen waren voll mit bestraftenSeeleuten, die, in Eisen geschlossen, ein böses Wort gegen Kapitänoder Steuermann büßten. Die königliche Marine mußte häufig ihrenNachwuchs mit Gewalt und List auf die Schiffe bringen. Und dieOzeane drohten nicht nur mit Stürmen, Klippen, Untiefen undtückischen Strömungen, sie wurden nicht nur von Durst, Skorbutund den Fiebern fremder Küsten beherrscht, sondern auf ihnenkreuzten am Rand der ewigen Kriege die Kaperschiffe, die Piratenund Flibustier und warfen die Mannschaft rücksichtslos über Bord,wenn ihnen ein Schiff in die Hände fiel.

Doch alles Abreden blieb vergeblich; James wollte Seemann wer­den und beharrte fest auf seinem Entschluß. Seufzend gaben dieEltern schließlich ihre Einwilligung.

James wurde Schiffsjunge auf der „Freelove".

*Die „Freelove" war ein Zweimast-Schoner von 280 Tonnen, auf

der Whitbyer Werft von Harwood Brothers aus gutem Yorkshire-Eichenholz gezimmert. Außer dem Eigner-Kapitän William Walkerhatte sie zwölf Mann Besatzung an Bord.

Der Schoner war ein dunkles, schwerbäuchiges Frachtschiff, zu­verlässig und stark gebaut, mit niedrigem Vordeck, das in einemkühn geschwungenen Bugspriet endete; das Vorderkastell ähnelteeiner breiten Festung aus Balken, dahinter stieg man über eineEichenholztreppe zum erhöhten Hinterkastell, das die Kapitäns­und Steuermannskajüte trug. Am Heck standen auf hohen, kunst­geschmiedeten Armen die beiden Laternen, und die Fenster derwinzigen Galerie waren sogar im Stil der Zeit elegant geschnitzt.An den Wanten stiegen wie Netzwerk die Verspannungen der Ta­kelage zu den beiden Masten empor. Von Deck aus verlor sich derBlick in einem Gewirr von Tauen, Rahen, Taljen und Blöcken.

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Kapitän Walker war ein ordentlicher, rechtlich denkender Mann,wenn er auch, wie die meisten Schiffer, gern dem Jamaikarum zu­sprach und seine holländische Tabakspfeife qualmte. Wenn sieeinen fremden Hafen anliefen, machte er es nicht wie die meistenSeeleute und peilte die nächste Schänke an, sondern er benützte dieLiegezeiten in Antwerpen, Rotterdam, in Bordeaux, Hamburg, Ko­penhagen, Riga oder Petersburg — wohin immer die „Freelove"mit ihren Ladungen englischen Porterbiers, mit Kohle, SheffielderEisenwaren oder Birminghamer Tuch, Teer oder irischem Leinenkreuzte —, um die Sehenswürdigkeiten der Fremde kennenzuler­nen. Und da der Schiffsjunge James nun einmal der Liebling desKapitäns war, wurde ihm erlaubt, sich diesen Ausflügen anzuschlie­ßen, so daß der ehemalige Kaufmannslehrling bald ein schönesStück von der Welt rum um Nord- und Ostsee und um die Bis-kaya kannte.

Auf dem Schiff des Kapitäns Walker gab es kein Prügeln undkein wildes Fluchen; Mannschaft und Schiffsführer waren einegroße Familie und hielten fest zusammen. Der Schoner blitzte vorSauberkeit, und es wurde weder an Wasser noch an frischer Farbegespart. Auch für ordentlichen Proviant und anständige Löhnungsorgte Mister Walker und gab damit dem jungen James ein Beispielfürs ganze Leben.

Die Arbeit des Jüngsten an Bord bestand zunächst in den vieler­lei Hilfsdiensten, die der „Moses" zu verrichten hat: Er trug dasEssen aus der Kombüse ins Mannschaftslogis, er schrubbte das Deckund putzte die golden glänzenden Messingbeschläge, er lernte Tauespleißen und Knoten legen, später durfte er in die Takelage enternund als Ausguck im Krähennest von Horizont zu Horizont blicken.Nach einiger Zeit vertraute man ihm Pinsel und Farbe an, wenndas Schiff im Hafen lag und die Anstriche erneuert wurden. Alser kräftiger und älter wurde, half er in luftiger Höhe Segel setzenund Leinwand bergen und drehte im Kreise der Kameraden dasSpeichenrad des Spills, wenn der Anker gehievt wurde.

Ein ganz besonderer Festtag war es, wenn ihn Walker auf dieBrücke rief und ihn lehrte, den Kompaß zu lesen, die Windroseeinzustellen, die Sternhöhe mit dem Sextanten zu nehmen und diePosition zu bestimmen. Er zeigte ihm, wie man Strömung und Ab­drift, Untiefen und verborgene Klippen, Fahrrinnen und Fluß­mündungen rechtzeitig erkannte, und er prägte seinem Zöglingimmer wieder ein, wie wichtig es für einen Seemann sei, genau undscharf zu beobachten und das Gesehene im Gedächtnis zu behalten.

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Zehn Jahre lang furchte die „Freelove" mit James Cook an Borddie grauen Wogen der Nordsee, fuhr durch die stürmische Biskayaoder kämpfte mit den kurzen, heftigen Wellen der mattblauenOstsee. Manchmal hatten sie russisches Holz für Mr. Bates, einenreichen Londoner Holzhändler, geladen, ein andermal verfrachtetensie wertvolles Pelzwerk unter Deck, oder sie nahmen baltischenRoggen und ukrainischen Weizen in Riga auf, Rotwein in Bor­deaux, Käse- und Butterfässer in Rotterdam oder Kopenhagen.

Allmählich entwickelte sich James zu einem brauchbaren Matro­sen, der die Sprache von Wind, Wasser, Sonne und Gestirnen zudeuten wußte und der die Zeichen von Fels, Sand, Landmarkenund Hafeneinfahrten zu lesen verstand.

Je öfter er auf der Brücke stand und sich um Navigation, Kurs­abstechen und Kartenkunde mühte, um so mehr empfand er denMangel an gründlicher Schulbildung. Auch spürte er bald die Gren­zen Mister Walkers, der wohl ein guter Praktiker, aber nur einsehr mäßiger Nautiker war, wenn es um theoretische Kenntnisseging. Der Kapitän gab seine Mängel auch offen zu und ermunterteJames, sich in London Bücher über Mathematik, Astronomie, Nau­tik und Seefahrtskunde zu kaufen.

Auf der nächsten Reise sahen die Matrosen ihren jüngsten Ka­meraden in jeder freien Stunde über den dicken Folianten sitzen.

Bald verstand der Junge soviel von Navigation und Schiffsfüh­rung, daß ihm Kapitän und Steuermann ohne Sorge Ruder undSchiff anvertrauen durften, wenn das Meer ruhig an den Plankenvorüberglitt und der Wind stetig die Segel füllte. Als James einund­zwanzig Jahre alt geworden war, machte der weißhaarige Steuer­mann seine letzte Fahrt und ging in Whitby von Bord, um denRest seines Lebens in einem kleinen Strandhäuschen zu verbringen.

Kurz bevor das Schiff zu seiner nächsten Fahrt vom Pier los­machte, geschah, was die Mannschaft längst erwartet hatte: KapitänWalker machte James Cook zu seinem Steuermann.

Der „blanke Hans" — wie die Deutschen die Nordsee nannten — war ein harter und vielseitiger Lehrer, und wie in jeder anderenSchule kam der Tag, an dem James seine Prüfung abzulegen hatte.An einem Oktobertag des Jahres 1752 — James Cook war nunvierundzwanzig Jahre alt geworden — schlug die Bewährungsstundefür den jungen Seemann.

Die gute alte „Freelove" geriet im „nassen Dreieck" vor derTrichtermündung der Elbe in einen bösen Nordweststurm. Sie hattelängst die Doggerbank gekreuzt, weit und breit war kein Segel zu

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sehen, und die Wolken jagten, Nebelfetzen und Gischt vor sich her­treibend, niedrig über den Schaumkronen dahin. Allmählich stei­gerte sich der Sturm zum Orkan, die Doggerbank spie mächtigeGrundseen aus, und obschon die „Freelove" fast alle Segel gereffthatte, flog sie in hoher Fahrt den gefährlichen Gewässern vor Hel­goland entgegen.

Gegen Abend schleuderte ein überkommender Brecher den Ka­pitän so wuchtig gegen die Schanzverkleidung, daß er bewußtlosliegenblieb und fast über Bord gespült wurde. Das Schiff und seinSchicksal lagen nun allein in den Händen des Steuermanns. Stun­denlang schäumte der Schoner unter dem Befehl Cooks durch dengrauen Gischt, immer wieder hob sich der dunkle Rumpf wie einschweres Roß, das die weiße Mähne der Brecher schüttelt, aus denWogen; die Speigatten sprudelten, das Wasser brandete bis zurBrücke herauf, und die hereinbrechende Nacht war Sternenlos fin­ster wie ein gähnender Abgrund.

Die Luft schien ein einziges Heulen, Sausen und Donnern, dasSalzwasser brannte in Cooks Augen, mit denen er angestrengt vor­aus in die Dunkelheit starrte, aus der bald — das Sturmestobenüberbrüllend — das Grollen der Brandungsseen auf den zahlreichenUntiefen der Eibmündung rumoren würde.

Als der Morgen lichtlos und grau aus der rasenden See stieg, er­kannte James an Backbord, dort, wo die rote Laterne brannte, denweiß schäumenden Hexenkessel einer umbrandeten Insel. DasSchiff befand sich mitten in den Sandbänken und Untiefen, diegleich Barrieren von der Elbe ins Meer hinausgeschoben waren.Jetzt kam alles darauf an, daß den Steuermann sein Gedächtnisnicht verließ. Aber Cooks Erinnerungsvermögen war klar und zu­verlässig, die Schule der vergangenen zehn Jahre hatte ihn ge­schmiedet, die immer wiederholte Mahnung des Kapitäns, scharfund sicher zu beobachten, war bei ihm auf fruchtbaren Boden ge­fallen. Dieser weißbrodelnde Brandungsgürtel zur Linken mußteScbarhörn sein, dicht dahinter lag der große Vogelsand, und zwi­schen den Bänken und Inseln wand sich die tiefe Fahrrinne desStromes, die das Schiff erreidien mußte, sollte es der Hölle desOrkans mit heilen Planken entfliehen.

Mit lauter Stimme befahl Cook, mehr Segel zu setzen. Die Matro­sen, die sich verzweifelt festklammerten, um nicht von überkommen­den Seen mitgerissen zu werden und manchmal bis zum Hals imWasser standen, bekreuzigten sich. Wie? Der Steuermann wollte indiesem Orkan noch Segeltuch setzen?

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Als Seeleute waren sie gewohnt, blind zu gehorchen. Sie enter­ten daher wortlos in die Wanten und machten ein paar der gereff­ten Segel los. Donnernd preschte der Sturm in die gewölbten Flä­chen, die „Freelove" nahm sofort noch mehr Fahrt auf, aber siegehorchte jetzt wieder dem Druck des Steuers.

Auf einer gewaltigen Grundsee ritt der Schoner über eine Un­tiefe hinweg und hinüber in die sichere Fahrrinne der Strom­mündung.

Wenige Stunden 6päter, als sie in den Windschatten der Küste ka­men, glitt der Schoner in mäßiger Fahrt vor Flut und Wind in denHafen des Dorfes Cuxhaven. An der Tür der Kajüte erschien Kapi­tän Walker mit verbundenem Kopf. Er drückte James wortlos dieHand.

*„Käptn", sagte James, „heute hab' ich etwas hinzugelernt! Als

wir da draußen in der grauen Wasserwüste dahinjagten und dieBrandung immer gefährlicher donnerte, da hing doch alles an derVerläßlichkeit meines Gedächtnisses. Ein Glück, daß ich das Wassergenau in Erinnerung hatte, sonst lägen wir jetzt allesamt bei denFischen. Ich meine, da stimmt etwas nicht mit der christlichen See­fahrt. Schiff und Mannschaft dürfen nicht allein von dem Erinne­rungsvermögen des Schiffers abhängen!"

„Wie willst du das ändern?" fragte Mister Walker achselzuckend.„Solange es Stürme und Wellen gibt, werden Schiffe in Gefahr seinund der sicheren Hand, dem Wissen und Können ihrer Schiffsfüh­rer ausgeliefert bleiben."

„Sicherlich, Käptn. Aber die Erinnerung mag täuschen, sie kannbesonders in Augenblicken der Gefahr versagen. Und was geschieht,wenn der vielleicht einzige Mann an Bord, der die Gewässer kennt,über Bord geht? Nein, so geht das nicht, man müßte feste Anhalts­punkte haben, auf die man sich mit Sicherheit stützen kann."

Der Kapitän stieß einen scharfen Pfiff aus. „Nicht dumm, dumeinst, man sollte überall Seezeichen setzen: Bojen, Leuchttürme,Tonnen und Pfähle, so wie man das an der Themse- und Mersey-mündung getan hat? Wäre nicht schlecht, aber auch Seezeichen istnicht immer zu trauen, im Orkan pflegen sie sich häufig loszureißenoder im Gischt zu verschwinden."

„Nein, Käptn!" erwiderte Cook. „Ich dachte an anderes: Mansollte anfangen, die See, vor allem die Strommündungen, Hafen­einfahrten, Inseln und alle schwierigen Gewässer genau wie dasLand und die Küstenlinien zu vermessen und Seekarten herzustel-

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len, so wie das die Kriegsmarine bereits an einigen HafenplätzenEnglands getan hat."

Mister Walker lächelte ungläubig. „James", sagte er, „Junge,überlege doch selbst: Wie soll man denn vermessen, was unter demWasser verborgen ist? Du kannst ein Riff in deine Karte eintragen,selbstverständlich, ebenso eine Felsenbarre oder eine Sandbank,die knapp aus dem Wasser herausragt, mehr aber nicht. Berge undTäler deiner Yorker Heimat wird ein geschickter Mann, welcherdergleichen gelernt hat, sicher in eine Karte einzeichnen können,aber wie der Seegrund eine Meile vor der Küste von Whitby be­schaffen ist, wer will das sagen können, falls er nicht zufällig alsFisch auf die Welt gekommen ist?"

„Natürlich gibt es da noch eine Menge Probleme aus derWelt zu räumen", gab Cook zu. „Aber mit Sextant und Lot müßteschon viel zu machen sein. Jedenfalls sehe ich immer mehr ein,daß ich noch einiges zu studieren habe!"

Der alte Kapitän schlug seinem Steuermann, der nun ebenso großwar wie er, freundschaftlich auf die Schulter. „Versuch es nur!"sagte er, „wenn einer es überhaupt schaffen kann, bist du es. Duhast das Zeug dazu."

Der Lorenzostrom

Seit Jahren hatte man in den Häfen von einem bevorstehendenWeltkrieg zwischen Frankreich und England gesprochen. 1755 wares so weit, daß die Kanonen das letzte Wort hatten und die Aus­einandersetzung zwischen dem ehrgeizigen Frankreich, das nachKolonialreich und Seemacht strebte, und dem meerbeherrschendenEngland unvermeidlich geworden war. In kühnem Aufbegehrenhatte das Inselreich in den Tagen der großen Königin Elisabethbegonnen, der spanischen Weltmacht Konkurrenz zu machen, hattedie größte Flotte aller Zeiten schließlich in der Armadaschlacht be­siegt und von den Ozeanen verjagt. Die Navigationsakte Cromwellsvon 1651 hatte den Anspruch der Briten auf Seeherrschaft doku­mentiert, die flottenmächtigen Holländer waren niedergerungenworden, und nun stand die Entscheidung mit Frankreich, das seitLudwigs XIV. Zeiten nach dem Weltimperium und der führendenRolle auf allen Meeren drängte, vor der Türe.

In dieser Stunde, da es um das Schicksal des Vaterlandes ging,wollte der Steuermann James Cook, siebenundzwanzig Jahre altund durch Selbststudium weit über seinen Rang hinaus gebildet,

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nicht abseits stehen. Er sah in dem anhebenden Ringen nicht nurdie Chance, die weite Welt zu sehen, sondern er fühlte auch alsbritischer Seemann die Verpflichtung, für das Empire zu kämpfen.

Der Werbeoffizier der Royal Navy machte erstaunte Augen, alssich der vortrefflich aussehende, seebefahrene Steuermann freiwilligzu einem Dienst meldete, zu dem man die Männer meist mit bar­barischen Mitteln zwingen und kommandieren mußte. James Cookwurde als Vollmatrose auf dem Patrouillenschiff „Eagle" ange­mustert.

Hatte er im Stillen vielleicht gehofft, ins ferne Indien zu segeln,wo der große Clive sich mit dem französischen Gouverneur Dupleixherumschlug, oder nach Amerika zu fahren, wo die Franzosen vonKanada her die Neu-Englandstaaten bedrohten, so wurde er ent­täuscht. Die „Eagle" machte nur Vorpostendienst in der Nordsee,die James wie seine Hosentasche kannte.

Das Schiff stand unter dem Kommando von Sir Hugh Palliser,einem adeligen Offizier und hervorragendem Seemann. Da dieMannschaft der Kriegsschiffe fast ausschließlich aus gepreßten See­leuten oder zwangsgemusterten Gefängnisinsaßen, Landstreichernund anderen zwielichtigen Elementen bestand, mußte ein so ordent­licher und verläßlicher Mann wie James Cook bald das Augenmerkseiner Vorgesetzten auf sich ziehen. Sir Hugh unterhielt sich gernmit dem Matrosen und erkannte bald die ungewöhnliche Intelligenzdes Mannes und seine erstaunliche Bildung in nautischen Fragen.Vorzeitig ernannte er ihn zum „Masterman" und sorgte dafür, daßsich endlich der Herzenswunsch des Freiwilligen erfüllte und er aufein zum Einsatz bestimmtes Kriegsschiff, die Fregatte „Mercury",versetzt wurde, die zum Kanadageschwader gehörte.

Die „Mercury" stach bald in See und lief die Neufundlandinselnan, wo das Gros des Geschwaders vor Anker lag.

Die Hoffnung auf Feindfahrt und Kampf, auf abenteuerlichesKreuzen in fremden Meeren, wurde allerdings wieder nicht erfüllt.Die Herren Admiräle und Kapitäne nahmen den Kolonialkrieg, dersich irgendwo weit im Westen in den Urwäldern und Gebirgen, aufden Seen und Strömen Kanadas abspielte, nicht recht ernst. Siefischten, spielten Polo an Land und unternahmen Segelpartien; dasGeschwader setzte Muscheln und Moos an und wiegte sich vor denAnkerketten.

Aus Europa kamen Meldungen vom Verlauf des SiebenjährigenKrieges und Berichte, daß der Verbündete Englands, der Preußen­könig Friedrich, hart von den Österreichern, Russen und Franzosen

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bedrängt würde. In Indien standen die Dinge besser: Robert Clivejagte die Franzosen und eingeborenen Fürsten zu Paaren, bei einemOrte namens Plassey sollte er fast die gesamte Streitmacht desBourbonenkönigs und der Inder vernichtet haben.

General Wolfe, der neue englische Oberbefehlshaber auf demkanadischen Kriegsschauplatz, war gewillt, mit der langsamen,zähen Kriegsführung Schluß zu machen und wie Clive die Ini­tiative zu ergreifen. Er marschierte geradewegs auf Quebec los, diestärkste französische Festung in ganz Kanada, in der sich der Fran­zose Montcalm verschanzt hatte.

Eines Tages meldeten die Ausguckposten auf den Schiffen derKanadaflotte vor Neufundland, daß sich von Osten ein fremderSegler nähere. James Cook traute seinen Augen nicht, als er beimNäherkommen die alte „Eagle" erkannte. Kaum hatte das SchiffAnker geworfen, setzte es bereits ein Boot mit der Kapitänsflaggeaus, das von einem halben Dutzend Matrosen mit schnellen Ruder­schlägen zur „Mercury" herübergepullt wurde. Kapitän Sir HughPalliser kletterte mit Hilfe der ausgeworfenen Strickleiter an Bord.

Nach einer längeren Besprechung mit dem Kommandanten kamer nach vorn, wo das Quartier des Mastermans lag und begrüßteseinen Schützling mit freundlichen Worten.

„Jimmy", sagte er und zog den Masterman an die Reling, „ichweiß eine großartige Möglichkeit, wie Ihr Euch auszeichnen könnt.Hört zu!"

Sir Hugh berichtete, daß er einen Sonderauftrag des Flotten­befehlshaber zu übermitteln habe. Morgen früh noch werde dasKanadageschwader in die Trichtermündung des Lorenzostromes ver­holen und im Schatten der Orleans-Insel ankern. Es hätte Befehlbekommen, den bevorstehenden Angriff General Wolfes auf Quebecvom Strom aus zu unterstützen. Während der General die Abra­hamshöhen über der Festung angriff, sollten die Schiffe mit ihrenKanonen die Forts Montmorency und Beaufort niederhalten. Zudiesem Zwecke müßte die Flotte in den unbekannten, niemals ver­messenen Strom einlaufen —, ein gefährliches Unternehmen für diewertvollen Schiffe.. Der Vorschlag Sir Hughs war es gewesen, die Fahrrinne des Lo-

renzo vorher auszuloten und zu vermessen; dann konnten nichtSandbänke, Riffe und Untiefen die ganze Aktion gefährden. JamesCook sollte das gewagte Abenteuer durchführen.

„Ich vertraue auf Euch und Euer Glück, Jimmy!" sagte Sir Hughernst.

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In einem kleinen Beiboot pirschte sich in den folgenden Tagender Masterman James Cook, von zwei Matrosen begleitet, bisdicht unter die Mauern Quebecs. Er lotete, maß, gebrauchte Sex­tant und Theodolith und brachte zum Erstaunen der Kapitäne nachwenigen Tagen eine genaue Seekarte der Stromgewässer.

Am 13. September 1759 begann der Sturm auf Quebec. Die Land­truppen General Wolfes kletterten im Morgennebel auf die steilenAbrahamshöhen, während gleichzeitig die den Lorenzostrom auf­wärts gesegelte englische Flotte mit ihren mächtigen Geschützen dieForts niederkämpfte. Wolfe fiel, aber die Festung kapitulierte, unddamit war Kanada in britischer Hand.

Der Anteil des bescheidenen Mastermans James Cook an diesemErfolg war nicht gering zu achten.

Ein Kapitän für das Südmeer

Seiner Lordschaft, dem gestrengen Admiral Sir Charles Saunders,war die tapfere Tat des Mastermans der „Mercury" gemeldet wor­den, und er verfügte umgehend die Versetzung des glänzend be­urteilten Mannes auf das Flaggschiff der Fotte, die „Northumber-land". James Cook genoß auf diesem neuen großen Schiff, das dreiübereinanderliegende Kanonendecks führte, von Anfang an hohesAnsehen und wurde des öfteren bei Besprechungen der Offizierehinzugezogen. Seinen Vorgesetzten fiel er sowohl durch seine Zu­rückhaltung und höflichen Manieren, wie durch sein überraschendesWissen über alle Fragen der Seefahrt auf. Kam die Flotte in schwie­rige Gewässer, rief man James Cook ans Steuerruder der „North-umberland" oder befahl ihm, mit Ruderbooten vorauszufahren, zuvermessen, zu loten und eine gefahrlose Wasserstraße zu erkunden.

Im Verlaufe der Operationen, die zur Eroberung von Neufund­land und der Lorenzomündung führten, fertigte Cook für das ganze,von Inseln, Untiefen, Klippenbarrieren und Strömungskanälendurchsetzte Gewässer vor der kanadischen Ostküste genaue See­karten an, die so zuverlässig waren, daß sie heute noch mit geringenVerbesserungen und einigen modernen Zusätzen bei der britischenMarine in Gebrauch sind.

Um seine verantwortungsvollen und schwierigen Aufgaben nochbesser und noch sorgfältiger durchführen zu können, studierte Cookunablässig in seiner Freizeit nautische und astronomische, mathe­matische und meteorologische Werke, die ihm die Offiziere zur Ver­fügung stellten.

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Mit der Einnahme von Neufundland und der Sicherung des Lo-renzostromes war der Krieg in Amerika so gut wie gewonnen; dainzwischen auch in Indien die britischen Waffen siegreich gebliebenwaren und der Kontinentaldegen Englands, Friedrich der Große, sichzu einem guten Frieden hinübergerettet hatte, war vorauszusehen,daß das erschöpfte Frankreich nun auch Friede schließen würde. Eshieß, daß bereits in Paris und London verhandelt würde.

Weil keine ernsthaften Kriegshandlungen mehr zu erwarten wa­ren, bat Cook Lord Saunders um den längst fälligen Urlaub nachEngland. Mit dem nächsten Postschiff reiste er in die Heimat ab.

*Sein erster Weg im alten Lande führte den Vierunddreißigjähri-

gen in das ansehnliche Bürgerhaus des Holzhändlers Bates, fürden er und William Walker vor Jahren Holzfrachten aus dem Bal­tikum geholt hatten. Das Ehepaar Bates hatte eine Tochter, Elisa­beth, die — damals noch beinahe ein Kind — den Berichten desSteuermanns Cook wie einem Orakel gelauscht und während seinerBesuche keinen Schritt von seiner Seite gewichen war. Mit ElisabethBates hatte James während der langen Kriegszeit ständig in Brief­wechsel gestanden; aus dem Kind war indessen eine erwachsenejunge Dame geworden. Der Masterman des Admiralschiffes machteseinen ersten Besuch nach der langen Abwesenheit in seiner schön­sten Uniform mit dem am Ärmel aufgestickten goldenen Anker undhielt bei Vater Bates um die Hand Elisabeths an.

Keine vier Wochen nach der Ankunft Cooks in England fand dieHochzeit statt. Elisabeth und James führten eine ausnehmendglückliche Ehe, sie wurde mit sechs Kindern gesegnet. SchwereSchicksalsschläge blieben jedoch nicht aus: Drei Kinder starben injungen Jahren, zwei Söhne fanden den Seemannstod, und der letzteCook starb während des Studiums in Cambridge. Elisabeth Bates er­reichte das hohe Alter von 93 Jahren.

Zunächst freute sich das junge Paar — ohne viel an die ferneZukunft zu denken — der gemeinsam verlebten Urlaubszeit. Manbesuchte Great Ayton und den hinfällig gewordenen William Wal­ker und machte sich den Spaß, beim Krämer Sanderson in Staithesein wenig Zuckerwerk einzukaufen. Jeden Abend saß Cook beimSchein der Kerze am Schreibtisch und verzeichnete die kleinen undgroßen Ereignisse des Tages in sein schwarz eingebundenes Tage­buch.

Nach sieben Monaten — Cook wurde bereits ungeduldig ob der

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langen Wartezeit — kam ein Kurierbrief mit dem Wappenaufdruckder Royal Navy, der königlichen Kriegsmarine. Er enthielt die Er­nennung Cooks zum Assistenten des Gouverneurs von Neufundland.

Unterdessen war der Pariser Friede unterschrieben und die ehe­mals französische Besitzungen in Kanada und Neufundland warenan die britische Krone gefallen. Der einstige Kapitän der „North-umberland", Sir Graves, hatte das Amt des Gouverneurs der Neu­fundlandgewässer übernommen und in die Liste seiner Mitarbeiterden Matrosen James Cook aufgenommen .

Cook ging wieder auf See und zeichnete in den folgenden Jahren,hauptsächlich an Bord des ihm zur Verfügung gestellten Schoners„Grenville", ausgezeichnete Seekarten der kanadischen und neu-fundländischen Küsten. Er vollbrachte diese mühsame und schwie­rige Aufgabe mit solchem Geschick, daß die sonst sehr konservativeMarine alle Regeln durchbrach und den unstudierten und nicht-adeligen Masterman zum Leutnant beförderte. Dieser bedeutendeErfolg ebnete dem so überaus befähigten Seemann die Bahn zumWeltruhm.

. * Schon zweimal waren unter der Regierung König Georgs III . eng­

lische Schiffe zu Entdeckungsreisen in das letzte, großenteils nochunerforschte Seegebiet der bewohnbaren Weltkugel, in den StillenOzean, ausgesandt worden. 1764 erhielten die „Dolphin" und die„Tamor" unter den Kapitänen Byron und Mouat, 1766 die „Dol­phin" und die „Swallow" unter Wallis und Carteret den Auftrag,nach neuem Land zu suchen. Man ahnte wohl, daß in den ungeheu­ren Meerflächen zahlreiche Eilande, vielleicht sogar unentdeckteKontinente, lägen, aber das Wagnis des Vordringens in völlig unbe­kannte Wasserwüsten, dem Durst und Skorbut ausgeliefert, immerin Gefahr, sich in der Unendlichkeit eines geheimnisvollen Meereszu verlieren, war bisher allen zu groß erschienen; auch die beidenExpeditionen waren nicht allzuweit von den bekannten Seewegenabgewichen, und ihre Ergebnisse waren deshalb recht dürftig ge­blieben. Einzig Wallis, der sich von Carteret getrennt hatte, war aufeine neue Inselgruppe gestoßen, die er St. Georgsinseln nannte.Das Haupteiland hieß in der Sprache der braunen Eingeborenen„Tahiti".

Nach Wallis und Carterets Rückkehr bestürmte die einflußreiche„Royal Society" — die erste wissenschaftliche Gesellschaft Groß­britanniens — den König, eine weitere Expedition in die Südseeauszusenden. Georg III . gab seine Einwilligung und beauftragte

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Lord Hawkes, ein Schiff und einen geeigneten Kapitän für diesenZweck namhaft zu machen.

Lord Hawkes, der bei seinem Besuch in Neufundland die fein­gezeichneten Hafenpläne von Placentia bewundert und James Cookzu seinen Arbeiten und Erfolgen beglückwünscht hatte, schlug denneuernannten Leutnant zur See als Expeditionsführer vor. Er über­ließ es ihm, das geeignete Schiff zu finden, das den Anforderungeneiner vielleicht jahrelangen Kreuzfahrt in unbekannten Gewässerngewachsen war.

James ging nach London zurück und begab sich zusammen mitseinem alten Freund, Kapitän Hugh Palliser, auf die Suche. Keinerder in den Häfen Englands zum Verkauf stehenden Segler gefieljedoch dem erfahrenen Seemann.

Lord Hawkes drängte zur Entscheidung und Abfahrt, er meinte,Cook habe zum Heiraten weniger Zeit gebraucht als zur Wahl seinesSchiffes. Nach langen ermüdenden Fahrten von Hafen zu Hafenund von Werft zu Werft fand Cook sein erträumtes Idealschiff indem Kohlenfrachter „Queen Anne", einem dreckigen, schwerbäuchi-gen Barksegler. Das geschulte Auge des erfahrenen Schiffsführerserkannte durch Schmutz und Kohlenstaub hindurch, daß diesesSchiff auf der Werft von Harwood-Brothers zu Whitby aus York-Bhire-Eichen erbaut worden war und daß es aus der gleichen Mei­sterhand wie die alte geliebte „Freelove" hervorgegangen war. Die„Queen Anne" war kein Schiff, um eine Segelregatta zu gewinnen,aber dafür gab es nach menschlicher Voraussicht keinen Sturm, densie nicht abreiten konnte.

Gegen alle Einwände bestand James Cook auf dem Kauf desKohlenschiffes, er ließ es überholen und neu herriditen. Feierlichwurde die „Queen Anne" durch Frau Elisabeth auf den Namen„Endeavour" — das bedeutet soviel wie „Bemühung" — umgetauft.

Von Deptfort segelte James Cook nach Plymouth und sandteBotschaft an die Mitglieder der „Royal Society", die seine Reisebegleiten sollten. Um einen bevorstehenden Durchgang des PlanetenVenus von Tahiti aus zu beobachten, war der berühmte AstronomGreen abgeordnet, dazu kam der ehrenwerte Sir Banks, ein Bota­niker, und Mister Solander, ein Zoologe; die notwendigen Vermes­sungen und Kartenzeichnungen würde der Kapitän persönlich durch­führen.

Am Mittwoch, den 25. August 1768, kamen die Passagiere anBord. James Cook begann ein neues Wachsleinwandheft, das ersorgfältig und mit angeborenem Sinn für das Wichtige und Beson-

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dere führen würde. Voller Bescheidenheit schloß er die Einleitungs­worte zu seinem Reisetagebuch mit den Worten:

„. . . der Leser möge die Ungenauigkeit des Stils entschuldigenund sich erinnern, daß dies alles das Produkt eines Mannesist, der nicht den Vorteil vieler Schulbildung genossen hat,sondern von Jugend auf ständig zur See gewesen ist; undwenn er auch mit Unterstützung weniger guter Freunde alleStadien, die zum Seemann gehören, durchlaufen hat, vomLehrling im Kohlenhandel bis zum Unterkapitän in derRoyal Navy, so hat er doch keine Gelegenheit gehabt, dieWissenschaften zu pflegen . . . "

Am Donnerstag, den 26. August, trug der Kapitän ein:„Ging um 2 Uhr nachmittags unter Segel und stach in Seemit 94 Personen an Bord, einschließlich der Offiziere, See­soldaten, Zivilisten und deren Diener; ferner hatte ich für18 Monate Proviant, 10 Lafettengeschütze, 12 Drehbassen so­wie reichlich Munition und Vorräte aller Art."

Das große Abenteuer, von dem einst ein kleiner Junge am Dach­fenster des Krämers Sanderson geträumt hatte, die Fahrt in unbe­kannte, ferne Ozeane und zu unentdeckten Palmenküsten, nahmihren Anfang. James Cook hatte die Bahn des Entdeckerruhmesbetreten.

Erste Weltumseglung 1768 bis 1771

Die „Endeavour" stampfte bei gutem Wind durch den Atlantik,erreichte ohne Zwischenfall Funchal, Teneriffa und Gran Canaria,dann nahm sie Kurs nach Südost und überquerte den Ozean. ImNovember machte sie im Hafen von Rio de Janeiro fest, ludWasser und Frischgemüse an Bord und ging abermals in See. Längsder südamerikanischen Küste steuerte sie die Meeresstraße an, dieeinstmals der Seefahrer Magellan entdeckt hatte.

Kap Hörn stieg aus eisgrünen Wogen hervor, schwarze Basalt­klippen ragten in die Wolken wie Türme urweltlicher Dome, haus­hohe Brandung donnerte an die Schären von Feuerland, und derSturm, der gefürchtete Sturm von Kap Hörn, bog die Masten desSchiffes. Zwischen einer öden Felsenlandschaft, die sich gleicheinem Tanzplatz der Riesen mit dunklen Wänden und tiefen Ab­stürzen in ein kochendes Meer senkte, und nebelverhangenen Gra­niteilanden führte der Kapitän sicher die „Queen Anne" hindurchund erreichte nach Tagen den Stillen Ozean.

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Eingeborener von Neuseeland mit Gesichtstätowierungen (Kupfer­stich aus „Geschichte der Seereisen von Kapitän Cook", Berlin 1774)

Wochen gingen dahin im Rollen der Dünung. Tintenblau lag dasMeer ringsum, große Fische folgten dem Kiel, Wale bliesen ihreWassersäulen empor, Delphine sprangen in Herden aus dem schim­mernden Blau, und nachdem man die ersten winzigen Palmeninselngesichtet hatte, mehrten sich die Koralleneilande, man mußte nahebei Tahiti sein. Cook verzeichnete am Dienstag, den 4. April 1769,in seinem Tagebuch:

„Sah um zehneinhalb Uhr Land im Süden, hielt darauf zuund fand bald, daß es eine Insel von etwa 2 Leagues(1 League = 5,553 km) Umfang und ovaler Gestalt mit einerLagune in der Mitte war, wonach ich sie Lagunen-Insel taufte(das Atoll Vabitahi im Panmotu Archipel). Am Westendeder Insel steht ein großer Baum, der wie ein gewaltigerTurm aussieht, und etwa in der Mitte zwei Kokospalmen, dieüber alles andere Gehölz hinausschauen, so daß es beimNäherkommen wie eine Fahne aussah. Wir sahen einige Ein­geborene, meist Männer, und diese marschierten längs derKüste dem Schiff gegenüber mit großen Speeren in den Hän­den, als ob sie sich unserer Landung widersetzen wollten . . ,14

Eine Woche später ging James Cook in Tahiti an Land, wo manein Vierteljahr blieb, um wissenschaftliche Forschungen anzustellen.Während der Astronom Green den Venusdurchgang beobachtete, SirBanks Pflanzen, Samen und Blumen sammelte und Solander dieTierwelt studierte, verzeichnete James Cook mit höchster Genauig­keit und viel Verständnis alle bedeutsamen geographischen, völker­kundlichen und sonstigen Neuigkeiten, er zeichnete Karten undlotete die Hafengewässer.

Seine Tagebücher füllten sich mehr und mehr mit wichtigenAufzeichnungen, die ein getreues Bild dieser fernen Inselwelt er­gaben.

Nachdem die Tahiti benachbarten Inselschwärme vermessen undaufgenommen waren, denen man zu Ehren der „Königlichen Gesell­schaft" in London den Namen „Gesellschaftsinseln" verlieh, führteCook die „Endeavour" in die bisher unbekannte Tubaigruppe undsteuerte im September Neuseeland an, das seit seiner Entdeckungdurch den Holländer Abel Tasman vor mehr als hundert Jahren, alsNordostrand eines vermuteten Australkontinents galt. James Cookumsegelte beide Teile dieser Doppelinsel und bewies damit den Cha­rakter Neuseelands als zwei getrennte Eilande. Mit feierlicher Flag-genhissung nahm er das Land für England in Besitz.

Der Kiel wurde wieder westwärts gewandt, am 19. April 1770 er-

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reichte die „Endeavour" die australische Küste und ging in einerBay, der man wegen der Menge der dort gefundenen Pflanzen denNamen „Botanybai" (Sidney) gab, vor Anker.

Auf der Weiterfahrt entdeckte man das große Barriereriff, undda sich nahe der Durchfahrt in der haifischverseuchten Torresstraßedie „Endeavour" ein Leck holte, gab man diesem Teil der Meeres­straße den Namen „Endeavour-Straße". Australien wurde im Nor­den umschifft, der Inselcharakter Neuguineas festgestellt und seineKüste zum Teil kartographiert. In Batavia auf Java erreichten dieEntdecker wieder einen europäischen Stützpunkt und kehrten vondort in abenteuerreicher Fahrt um das Kap der Guten Hoffnungim Juli 1771 nach England zurück.

Die letzte, sachliche und bescheidene Eintragung in Cooks Tage­buch lautete:

„Freitag, 12. Juli 1771, gegen Mittag lagen wir vor Dover,und um 3 Uhr nachmittags warfen wir in den Downs Anker.Bald darauf landete ich, um nach London zu gehen."

In London aber betrat als erster ein Beauftragter des BritischenKolonialministeriums das Deck des Heimkehrers und versiegelteund beschlagnahmte die Tagebücher des Kapitäns. Ein Befehl desKönigs legte allen Beteiligten strengstes Stillschweigen über dieErgebnisse der Reise auf. Man wünschte in Whitehall, der könig­lichen Residenz, nicht, daß andere Mächte Nutzen aus der FahrtCooks zögen.

James Cook war glücklich, seine Gattin wieder in die Armeschließen zu können und seine Familie um sich zu wissen.

Den Ruhm des Entdeckers und Weltumseglers begehrte er nicht.

Die Royal Society

Es war ihm nur ein Jahr der Ruhe gegönnt. Die aufregendenErgebnisse der ersten Reise Cooks hatten die „Royal Society", die„Königliche Gesellschaft", nicht ruhen lassen, sie bereitete soforteine zweite Expedition vor, die fast auf den Tag genau ein Jahrnach der Rückkehr Cooks in See gehen sollte. Diesmal standen fastunbeschränkte Geldmittel zur Verfügung; zwei Schiffe, die „Reso­lution" als Flaggschiff und die „Adventure" unter Kapitän Four-neaux wurden Cooks Kommando unterstellt. Als wissenschaftlicheBeobachter sollten die beiden Gelehrten Johann Reinhold und GeorgForster mitfahren. Um Cook die nötige Autorität zu verleihen,wurde er vom Leutnant zum „Commander", Befehlshaber, befördert.

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Seine Aufgabe war diesmal besonders schwierig: Er sollte nichtnur zum erstenmal in der Geschichte der Seefahrt versuchen, vonWest nach Ost, also gegen die Passatwinde, um die Erde zu segeln,sondern feststellen, was es mit dem alten Seemannsgeschwätz vomgroßen Südkontinent auf sich habe. Nach den Berichten sturmver-schlagener Kapitäne sollte es nämlich weit im Süden vom Kap derGuten Hoffnung und südlich von Australien eine riesige Landmassegeben, die nur ihres Entdeckers harrte.

Wieder ging James Cook in See . . .Die Spur der beiden Schiffe zog durch bekannte Gewässer bis

zum Kap der Guten Hoffnung, von dort begann der wiederholteVorstoß zur Antarktis. Eine gefährliche Welt stieg aus grünglasigenTiefen herauf; Hagel und Eisregen, Schnee und Frost fielen über dieSchiffe, und die dampfende Weite der See bedeckte sich mehr undmehr mit treibenden Eisschollen. Manchmal glitten, aus kalten Ne­belschwaden auftauchend, wie glitzernde Märchenschlösser mit Zin­nen, Bogen und glasigen Mauern, gewaltige Eisberge in der Strö­mung, die beiden Schiffe majestätisch überragend.

Bis beinahe zum 70. Breitengrad südlicher Zone kämpfte sichCook mit seinen Männern voran, bis höchste Gefahr zur Umkehrzwang. Auf der Höhe des südlichen Sommers trug James Cook insein Logbuch ein:

„Mittwoch, 30. Dezember.Der Wind ging von NO nach SO herum und wuchs zu einerkräftigen Brise an, die so hohe See mit sich brachte, daßes für die Schiffe gefährlich wurde, zwischen dem Eis zubleiben. Die Gefahr wurde jedoch noch größer, als wir imN ein großes Eisfeld erblickten. Da wir nicht mehr als zweioder drei Meilen entfernt waren und uns von Treibeis um­geben sahen, blieb keine Zeit zu Beratungen. Wir legten aufder Stelle um, bekamen aber noch manch harten Stoß vonriesigen Eisblöcken . . . "

Durch die mutigen Kreuzfahrten Cooks im südlichen Eismeerwurde für die damals erreichbaren Breiten die Behauptung vonder Existenz eines Südkontinents endgültig ins Reich der Fabelverwiesen. Glücklich, der Eishölle entronnen zu sein, wandten„Resolution" und „Adventure" ihre Kiele der Südsee zu. Neu-Kale-donien und Süd-Georgien wurden entdeckt, an die Sandwichgruppekamen die Schiffe auf Sichtweite heran, und wo immer sie denewig gleichmäßigen Meerpfad liefen, wurden Vermessungen ange­stellt, Karten gezeichnet und die Kenntnis von der Welt des Großen

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Ozeans vervollständigt. Den Heimweg nahm Cook diesmal gen Osten,vorüber an Kap Hörn.

Nach zahlreichen Forschungen und Kreuzfahrten traf am 30. Juli1775 die „Resolution" — später als die „Adventure" — in Londonein. Zwar konnte Cook diesmal nur ein negatives Ergebnis auf­weisen, mußte er doch die erhoffte Existenz des Südkontineritsins Land der Fabel verweisen, aber seine übrigen Entdeckungenwaren wertvoll genug, ihn zum gefeierten Helden der englischenSeefahrt zu machen.

Seine Majestät der König schickte James Cook das begehrtePatent als ordentlidier Sdiiffskapitän der königlichen Kriegsmarineund gab ihm eine Pfründe mit hohem Einkommen. Die höchsteEhrung aber erfuhr Cook, als ihn die stolze Royal Society einlud,in ihren Räumen einen wissensdiaftlichen Vortrag über die Be­kämpfung des gefürchteten Skorbuts auf hoher See zu halten. DieGesellschaft war von James Cook und seinen Taten so beeindruckt,daß sie dem Vorschlag ihres Präsidenten Sir Joseph Banks freudigzustimmte und den Mann, der kaum eine ordentliche Elementar­schule besucht hatte, als Mitglied in ihre Reihen aufnahm.

Nord-West-Passage

Kurz nach der Rückkehr Cooks von seiner zweiten Entdecker­reise wurde eine Parlamentsakte veröffentlicht, die demjenigeneine Belohnung von 20000 Pfund verspradi, dem es gelänge, denTraum so vieler Seefahrer zu realisieren und die erhoffte „Nord-West-Passage" zu finden. James Cook meldete sidi sofort freiwillig,die Führung einer soldien Expedition zu übernehmen.

Schon bald nach der Entdeckung des amerikanisdien Kontinentshatten die spanischen und portugiesischen Seefahrer begonnen, nacheiner Meeresstraße zu suchen, die eine kurze Verbindung zwischenAtlantischem und Stillem Ozean, zwischen der westlichen und öst­lichen Küste des Kontinents, vermittelte. Die Versuche führtenzwar zur Überquerung der Landenge von Panama durch Baiboa undzur Auffindung der Kap-Horn-Straße durch Magellan, aber alleVorstöße im Nordwesten des Kontinents blieben erfolglos. Auchder große Sir Henry Hudson hatte nur die nach ihm benannteBay, nicht aber die ersehnte Fahrrinne zum Pazifik gefunden. Ir­gendwo aber — so meinte man — müsse es eine Verbindung derbeiden Meere geben. Die meisten hatten es auf den Strömen Ka­nadas und im Baffinmeer versucht, James Cook wollte nun das

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Cooks Schiff, die „Endeavour", ist an unbewohnter Küste an Landgezogen worden, um Ausbesserungen vornehmen zu können

Problem auf den Spuren des dänischen Seefahrers Vitus Beringangehen, der hundert Jahre zuvor die Nordostspitze Asiens um­segelt und die nach ihm benannte Straße gefunden hatte.

Wieder war es beinahe genau ein Jahr nach der letzten Reise,daß er in See ging. Am 12. Juli 1776 verließen die beiden Expedi­tionsschiffe „Resolution" unter James Cook und „Discovery" unterKapitän Clerke den Hafen Plymouth. Sie segelten um das Kap derGuten Hoffnung, zu den Kerguelen-Inseln, nach Tasmania im SüdenAustraliens und weiter nach Neuseeland und Tahiti.

Von seinem geliebten Tahiti aus kreuzte der Kapitän durchdie Südsee, fand abermals eine Anzahl neuer Inselgruppen undfüllte seine Tagebücher mit wertvollen, bis ins Kleinste gehendenBeobachtungen und Schilderungen. Im Winter 1777 warfen dieSchiffe in Tahiti los und nahmen Kurs nach Norden. Am HeiligenAbend tauchte eine niedere Inselgruppe aus dem Ozean, der manden Namen „Christmas Islands" — Weinachtsinseln — gab. DieBesatzung fing in den Inselgewässern zur Aufbesserung der Vorräteriesige Meerschildkröten.

Ein paar Wochen später stiegen hohe, vulkanische Berggipfelaus der azurblauen See, die Sonne leuchtete golden und heiß, dennman befand sich genau unter dem nördlichen Wendekreis.

Die schöne große Inselgruppe war bereits auf den Seekarten,wenn auch ungenau, verzeichnet; im Jahre 1542 hatte es den Spa­nier Gaetano hierher verschlagen, und 1567 hatte der Spanier Men-dozza die Inseln, die von der kanakischen Bevölkerung nach derHauptinsel „Hawai" genannt wurden, besucht. James Cook, derihre geographische Lage genauer bestimmte und in die Karten ein­zeichnete, nannte sie nach seinem Gönner, dem Grafen Sandwich.

Den Engländern erschienen die glücklichen Eilande wie ein irdi­sches Paradies. Hohe Palmen wippten mit breiten Fächerkronenüber blauen Buchten, deren Strand weiß oder rötlich leuchtete;Kanakendörfer mit ihren Blatthütten bargen sich im Schatten blü­hender Büsche, und wie feurige Striche flogen bunte Vögel um diegrell bemalten Zauberpfähle. Von der Küste stießen lange, schmaleKanus ab, von braunen Kriegern gerudert; schreiend und singendkamen die neugierigen Eingeborenen näher und umkreisten diehochragenden Schiffe der Fremden.

Die Braunen kamen an Bord und betasteten mit kindlicher Un­befangenheit alle erreichbaren Gegenstände, ja sogar die Barte,Kleider und Schuhe der Weißen. Bald war ein friedlicher Tausch­handel im Gange.

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Einige Wochen kreuzten die Schiffe zwischen den Inseln derPriester, Götter und Tänzer, dann nahmen sie ihren Kurs wiederauf und steuerten den amerikanischen Kontinent an.

Zum ersten Mal wurde nun die Westküste der Neuen Welt kar­tographisch aufgenommen und bis zum Beringmeer genau ver­messen. Die Expedition lief in die Beringstraße, die nördlicheMeeresstraße zwischen Amerika und Asien, ein, mußte aber bald,von arktischen Eismassen bedrängt, umkehren. Die Hoffnung, hierim Norden einen befahrbaren Schiffahrtsweg von Ozean zu Ozeanaufzufinden, zerrann in Nichts. Cook überwinterte in Unalaschkaund kehrte, als das Meer einigermaßen von Treibeis frei wurdeund die Stürme sich legten, am 17. Januar 1779 zur schönen Sand­wichgruppe zurück. Vor der Insel Hawai, in der Karakua-Bay, war­fen die „Besolution" und „Discovery" Anker.

Die See war tintenblau, und der schwere Duft von Blüten drangmit dem Gesang badender Mädchen zu den Schiffen herüber. Hierwar der Traum des Krämerjungen am Fenster der Dachkammer vonStaithes zur Wirklichkeit geworden. An diesen zauberhaft schönenKüsten wollte James Cook eine Weile bleiben und ausruhen. Nie­mand ahnte, daß es ihm bestimmt war, für ewig unter den Palmenvon Hawai zu ruhen.

Am Ende der Reise

Die beiden Großsegler lagen in der Karakuabucht vor Ankerund verbrachten einige Wochen mit dem Ausbessern der üblichenSchäden, der Erneuerung der Vorräte und mit dem Ausloten derKüstengewässer. Es wurde Februar, und allmählich verschlechtertesich das anfangs so freundliche Verhältnis zu den Eingeborenen.

Die Lebensmittelvorräte der Dörfer wurden knapp, kleine Dieb­stähle der Naturkinder führten zu Schlägereien mit den Matrosen;nachteilig war es auch, daß die Priester die weißen Männer fürGötterabkömmlinge erklärt und dadurch die Eifersucht der Häupt­linge wachgerufen hatten. Die jungen Männer der Insel branntenlichterloh vor eifersüchtigem Zorn, weil die schönen schwarzlockigenMädchen der Dörfer sich in der Gunst der Weißen sonnten undwilde Feste mit den Matrosen feierten. Es wurde Zeit, daß dieSchiffe sich einen anderen Liegeplatz suchten. James Cook ließdeshalb am 4. Februar die Leinen loswerfen.

Ein tragischer Zufall wollte es, daß die Schiffe, kaum außerSichtweite der Küste, in einen Sturm gerieten, leichte Beschädigun-

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gen erlitten und gezwungen waren, nach ein paar Tagen abermalsin die Karakuabucht zurückzukehren.

Am 13. Februar zeigten sich einige Eingeborene, als die Frisch-wasserholer an Land ruderten, so feindlich, daß Cook befehlenmußte, vorsichtshalber die Flinten zu laden,beantwortet.

In der Morgenfrühe des nächsten Tages bemannte Cook zweiRuderboote, um an Land zu gehen und die Vorfälle in persönlicherVerhandlung mit dem Oberhäuptling Tereeoboo zu bereinigen.Während der Kapitän mit seinem Boot an den Strand stieß, sam­melte sich eine wild erregte Masse brauner Krieger und schwangdrohend ihre Hartholzkeulen, Speere und Dolche. Gleichzeitig glit­ten aus dem Schatten einer Landzunge mehrere Kanus mit Bewaff­neten in die Bucht und drohten, Cook und seiner Mannschaft denRückzug abzuschneiden. Die Flintenträger des zweiten Bootes er­öffneten jetzt das Feuer und hatten das Unglück, einen Häuptlingzu töten. Zwar stoben die Kriegskanus erschreckt ans Ufer zurück,aber zugleich drängte die grollende Masse gegen die paar weißenMänner vor, die bereits am Strande standen.

In diesem kritischen Augenblick wandte sich James Cook undhob befehlend die Hand, den voreiligen Schützen des Bootes Ein­halt zu gebieten. Diese Gebärde der Menschenfreundlichkeit warsein Verderben: Ein riesiger Kanake benützte den Augenblick, daihm der weiße Gott den Rücken wandte, sprang ihn an und töteteihn durch einen wohlgezielten Dolchstoß.Tage später erst gelang es Kapitän Clerke, durch Verhandlungen diesterblichen Überreste James Cooks ausgeliefert zu erhalten.

Die Matrosen schaufelten ein Grab unter Palmen am Strand vonHawai und begruben ihren Kommandanten, wie es einem Christ undSeemann gebührt.

Dann hievten sie die Anker und segelten westwärts . . .

Umschlaggestaltung: Karlheinz DobskyBild auf der 2. Umschlagseite: James Cook;Bildnachweis: Ullstein-Bilderdienst; Archiv.

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