+ All Categories
Home > Documents > Jahresreport 2005

Jahresreport 2005

Date post: 24-Jul-2016
Category:
Upload: munich-re-foundation
View: 227 times
Download: 3 times
Share this document with a friend
Description:
Der „Report 2005“ informiert über die Stiftungsarbeit und die Projekte des letzten Jahres u. a. in Mosambik und Eritrea. Er enthält Zusammenfassungen der nationalen und internationalen Veranstaltungen der Stiftung, die zu den Themen Wasser, Mikroversicherung und Katastrophenbewusstsein durchgeführt wurden. Außerdem umfasst die Publikation Beiträge zur Strategie der Stiftung und zur Stiftungskapitalanlage. Interviews mit namhaften Experten runden die Veröffentlichung ab.
48
Münchener Rück Stiftung Vom Wissen zum Handeln Report 2005
Transcript
Page 1: Jahresreport 2005

Münchener Rück StiftungVom Wissen zum Handeln

Report 2005

Page 2: Jahresreport 2005

Vorwort

Strategie

Erforschen

Vernetzen

Sensibilisieren

Handeln

Vom Wissen zum Handeln

Essay

Startschuss

Kapitalanlage

Inhalt

Rückblick 2005

Ein Jahr Münchener Rück Stiftung

Der Mensch im MittelpunktStrategie der Münchener Rück Stiftung

Katastrophen treffen den NervStiftungslehrstuhl für „Social Vulnerability“

Jugend schafft WissenSchülerwettbewerb zur Energieeffizienz

Arm und nicht abgesichertInternationale Konferenz Mikroversicherung

Risikobewusstsein ist der SchlüsselSymposium zur weltweiten Katastrophenvorsorge

Facetten eines LebenselixiersDialogforen Wasser

Gefahr bei roter FlaggeFlutwarnsystem in Mosambik

WasserfängerNebelnetze in Eritrea

Wasserfilter für ErdbebenregionPakistan erhält Soforthilfe

Interview Dr. Hans-Jürgen Schinzler

Überleben mit dem RisikoDr. Patrick Illinger zur Evolution des Umgangs mit Gefahren

Der FestaktMünchener Rück Stiftung beginnt mit der Arbeit

Nachhaltig und ertragsstarkAnlagestrategie der Münchener Rück Stiftung

Stiftungsrat

Team Ausblick 2006Impressum

1

2

6

8

12

14

18

24

26

28

30

32

34

36

40

Page 3: Jahresreport 2005

Thomas Loster, Geschäftsführer derMünchener Rück Stiftung, blickt aufdas erste Jahr nach der Gründung undbeschreibt Umfeld, Ziele und Chancender Stiftung angesichts globalerHerausforderungen.

Vor einem Jahr, am 7. April 2005,haben wir unsere Stiftung ins Lebengerufen und es war uns wichtig, einklares und glaubwürdiges Profil zuentwickeln. Dabei war selbstverständ-lich, dass Stiftungsarbeit nur in engerAnbindung an das Wissen und dieKompetenz der Stifterin erfolgreichsein kann: Die Münchener Rück ist seitmehr als 125 Jahren einer der welt-weit führenden Risikoträger. Sie hilftMenschen, Unternehmen und Politik,Risikosituationen zu bewältigen undmacht mithilfe von Versicherungs-lösungen technische und wirtschaftli-che Entwicklung erst möglich. Verläss-lichkeit und Innovation sind der Motorihres Erfolgs.

Die Münchener Rück Stiftung stelltden Menschen im Risiko ins Zentrumihrer Arbeit: Unser Team setzt sich mit vielfältigen Risiken und ihrer Vernetzung auseinander. Im Sinneunseres Mottos „Vom Wissen zumHandeln“ möchten wir das Wissen derStifterin erschließen und zugänglichmachen. Wir wollen Menschen aufRisiken vorbereiten und, wo möglich,ihre Lebensbedingungen verbessern.

Unsere Themenfelder, die in der Satzung verankert sind – Wasser, Klimawandel, Katastrophenvorsorgeund Bevölkerungsentwicklung – leiten sich unmittelbar aus dem Wissen der Stifterin und unseremeigenen Know-how ab. Hier könnenwir bewegen und anschieben.

Die Stiftung kann nicht nur auf dasFachwissen der Mutter zurückgreifen,sie verfügt über ein weites inter-nationales Netzwerk. Mit geballterKraft kann Wissen konsequent insoziales Handeln umgesetzt werden.

Die Voraussetzung, dass unsere Arbeit effizient ist: der kontinuierliche, reibungslose Informationsfluss zwischen Stiftung, externen Expertenund Stifterin. Da die Münchener-Rück-Mitarbeiter quer durch alle Hierarchien unsere Gründung unter-stützt und begrüßt haben, stehen dieChancen gut, unserem Anspruchgerecht zu werden und die Expertiseder Stifterin auch jenseits von wirt-schaftlichen Interessen gemeinnützigeinzusetzen.

Schon heute gibt es erste Anzeichenfür weiteren Zündstoff und Risiko-verschärfung, denken wir nur an Konflikte rund um das Wasser oder an den Klimawandel. Im Jahr 2005 wurden allein in Deutschland fast 900 neue Stiftungen gegründet, mehrals in jedem Jahr zuvor. Die Bedeu-tung ihrer Arbeit wird zunehmen. Dennoch: Nur wenige widmen sichden weltumspannenden Heraus-forderungen. Die Münchener RückStiftung kann zwar keine Berge versetzen, aber intelligente und nach-haltige Lösungen erarbeiten und so einen kleinen Beitrag in diesemSpannungsfeld leisten.

Ein Jahr Münchener Rück Stiftung

Vorwort

Die Voraussetzung für effiziente Arbeit ist,dass der Informationsfluss zwischen der Stiftung, externen Experten und derStifterin reibungslos funktioniert.

Thomas LosterGeschäftsführer der Münchener Rück Stiftung

Münchener Rück Stiftung/Report 2005

1

Page 4: Jahresreport 2005

März April Mai Juni Juli August

7. AprilDer Festakt zum125-jährigen Jubiläum der Münchener Rück istder Startschussfür die Arbeit derStiftung.

Seite 34

1. Juli Erstes Projekt:Münchener RückStiftung gründetden Lehrstuhl für „Social Vulnerability“(soziale Verletz-barkeit) an der Universitätder VereintenNationen in Bonn.

Seite 6

2. AugustMit Unterstützungder MünchenerRück Stiftungstellt die Wasser-Stiftung Eben-hausen im Hochlandvon Eritrea„Nebelnetze“ auf,mit denen Trink-wasser gewonnenwird.

Seite 26

5. AugustMit dem Projekt„FlutwarnsystemMosambik“ unter-stützen wir denAufbau eines einfachen, abereffektiven Frühwarnsystemsam Fluss Búzi.

Seite 24

10. Mai–26. JuliWir begleiten die Ausstellung „Wasser – Mythosund Naturgewalt“mit einer Vortrags- undDiskussionsreihe.

Seite 18

7. März„Jugend mit unendlicher Energie – schütztdas Klima!“ – Münchener RückStiftungbeschließt dieFörderung desbundesweitenSchülerwettbe-werbs.

Seite 8

1

3

2

4

Page 5: Jahresreport 2005

Rückblick 2005

September Oktober November Dezember

18.–20. OktoberIn Kooperation mit der CGAP(„ConsultativeGroup to Assist the Poor“ Working Group onMicroinsurance) lädt die Stiftung ausgewählteExperten zu einerTagung über Mikroversicherung.

Seite 12

31. OktoberZusammen mit demForschungszentrumfür Umwelt undGesundheit (gsf)veranstalten wir den Auftakt zurVortragsreihe„Risiken der Münch-ner – PersönlicheWahrnehmung undRealität“.

14. NovemberFür die Erdbeben-opfer in Pakistanspendet die Münchener RückStiftung winter-feste Zelte und startet eineInitiative zurBeschaffung von„Trinkwasser-Emergency-Kits“.

Seite 28

16.–17. NovemberDie MünchenerRück Stiftung veranstaltet eininternationalesSymposium zurweltweitenKatastrophen-vorsorge, bei demdie Hohenkammer-Charta verab-schiedet wird.

Seite 14

6

5

7

9

8

10

Page 6: Jahresreport 2005

Dank der prominenten Stifterin kön-nen wir relevante Akteure aus Politik,Wirtschaft und dem öffentlichenLeben an einen Tisch bringen, um dieHerausforderungen unserer Zeit zumeistern. Im Dialog mit den Partnernist die Münchener Rück StiftungImpulsgeber. Sie eröffnet neue Per-spektiven und schafft so die Voraus-setzungen, sich durch Kompetenz undQualität ihrer Arbeit als feste Größe in der Gesellschaft zu etablieren.

Um den Menschen im Risiko wirksamzu helfen, setzen wir eine Strategieein, die auf vier Säulen beruht:

Indem sie Risiken erforscht, fördertdie Stiftung das Verständnis für Ursa-chen und Wirkungen.

Internationale Experten und Entschei-der zu vernetzen sieht die Stiftung alsChance, eine ganzheitliche Sicht aufRisiken zu erhalten und die Konzeptezur Risikoprävention voranzutreiben.

Die Stiftung sensibilisiert die Öffent-lichkeit und möchte damit Wissen überdie Gefahren unserer Welt verbreitenund Akzeptanz für die Umsetzung vonSicherheitskonzepten schaffen.

Schließlich leistet die Stiftung direkteHilfe bei den Menschen vor Ort, indemsie konkret handelt.

In den 125 Jahren seit ihrer Gründunghat die Münchener Rück großes Fachwissen über globale Risiken aufgebaut. Aufgabe der MünchenerRück Stiftung ist, diese bisher intern für geschäftliche Zwecke genutztenKenntnisse in den Dienst der Men-schen zu stellen. Denn dieses Wissenbirgt großes Potenzial, das sich für die Risikovorsorge und die Verbesse-rung von Lebensbedingungenerschließen lässt – getreu unseremMotto „Vom Wissen zum Handeln“.

Die Arbeit der Münchener Rück Stif-tung ist so vielfältig wie die Risikenselbst und orientiert sich am Men-schen in seinen unterschiedlichenLebensbedingungen. Ihr vorrangigesZiel ist, den Menschen in Entwick-lungsländern zu helfen, ihre Risikenbesser einzuschätzen und zu beherr-schen. Denn nur wenn das Wissenüber Gefahren auch in der viel zitier-ten „letzten Meile“ verankert ist – dieaus Sicht der gefährdeten Bevölke-rung die „erste Meile“ darstellt –, istwirksame Unterstützung möglich.

Ein innovativer Ansatz unterscheidetdie Münchener Rück Stiftung von an-deren Institutionen dieser Art: dieengen Grenzen der einzelnen Fachdis-ziplinen aufbrechen. Interdisziplinär zu denken heißt, Kompetenzen zu ver-netzen und Themen übergreifend zu behandeln. Statt etwa die Bereiche„Wasser“, „Armut“ und „Megacitys“isoliert zu betrachten, suchen wir eineAntwort auf die Frage, wie sich dieWasserversorgung in Armutsviertelnvon Megacitys sicherstellen lässt. So eröffnet die Vernetzung von Wis-sen neue Chancen und erschließtHandlungspotenziale.

Der Mensch im MittelpunktStrategie der Münchener RückStiftung

Strategie

2 3

Wasser:Ressource und Risikofaktor

Umwelt-veränderung

und Klimawandel

Katastrophen-vorsorge

Verstädterungund

Megacitys

Armut

Bevölkerungs-entwicklung

Die Stiftungbetrachtet undbearbeitet ihreThemenfelder vernetzt.Dadurch werdenverborgeneZusammenhängesichtbar.

Mensch im Risiko

Page 7: Jahresreport 2005

Umweltveränderung und Klimawandel

Die Klimaänderung findet statt:Die Mitteltemperatur der Atmos-phäre ist in den vergangenen 100 Jahren um circa 0,8 °C gestie-gen. Die Pole schmelzen, Gletscherschrumpfen, der Meeresspiegelsteigt, Niederschläge und extremeStürme nehmen zu: Nur wenn wirheute die Weichen richtig stellen,finden auch spätere Generationeneine lebenswerte Zukunft vor.

Wir setzen uns für die Eindämmungder Klimaänderung ein.

Katastrophenvorsorge

Naturkatastrophen sind unver-meidlich. Ein ausgeprägtes Risiko-bewusstsein hilft jedoch, bessermit ihnen umzugehen, Opfer zu ver-meiden und Schäden zu minimieren.

Mit der Fachkompetenz der Münchener Rück zu Katastrophenunterstützt die Stiftung Menschenim Risiko. Ihr Ziel: dieses Wisseneiner breiten Öffentlichkeitzugänglich machen und trag-fähige Lösungen für Betroffene entwickeln.

Wasser – Ressource und Risikofaktor

Wasser ist für den Menschen uner-setzlich. Nur ein Prozent der welt-weiten Wasservorkommen steht als Trinkwasser zur Verfügung. Etwa 1,1 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trink-wasser; 2,6 Milliarden müssen auf minimale Hygieneeinrichtungenverzichten.

Aber auch Überschwemmungenhaben in den vergangenen Jahrenweltweit dramatisch zugenommen.Diese Situation wird sich durchden Klimawandel noch deutlich ver-schärfen.

Ziel der Stiftung ist, dasBewusstsein für diese Problematikzu schärfen und sich zugleichunmittelbar für Menschen einzu-setzen, die täglich mit Trink-wassermangel zu kämpfen haben.

Bevölkerungsentwicklung

Zu den heute etwa 6,5 MilliardenMenschen auf der Erde werden inden nächsten 45 Jahren schät-zungsweise knapp drei Milliardenhinzukommen. Die meisten davon inden 49 ärmsten Ländern: Bis 2050wird sich die Bevölkerung hier mehrals verdoppeln, von 668 Millionenauf 1,7 Milliarden. Den Industrie-staaten hingegen droht die Über-alterung.

Das Thema Bevölkerungsent-wicklung ist bei vielen Projekten der Stiftung ein wichtiger Aspekt.

Verstädterung und Megacitys

Städte sind Zentren der wirt-schaftlichen Entwicklung. Dahersind sie besonders für wirtschaft-lich schwache Bevölkerungsteileein regelrechter Magnet. Die künf-tigen Megacitys werden überwie-gend in Entwicklungsländern zu fin-den sein und viele Probleme haben:wachsende Armenviertel und Slumsvoll Lärm und Schmutz, kein saube-res Wasser sowie fehlende sani-täre Einrichtungen. In den städti-schen Randlagen sind die Menschenaußerdem häufig von Überschwem-mungen oder Erdrutschen bedroht.

Wir setzen uns für Projekte ein, die langfristige und wirksame Hilfe für die „vergessene Bevölkerung“ in Ballungsgebietenversprechen.

Armut

Armut misst sich nicht nur am Einkommen: Analphabetentum,schlechte Gesundheitsvorsorge,hohe Kindersterblichkeit, häufigeDiskriminierung von Frauen sowiemangelnder Zugang zu sauberemWasser, fehlende sanitäre Anlagenund zunehmende Umweltverschmut-zung verschlimmern die Situation.Naturgefahren bedrohen dieArmenviertel und Slums der Mega-citys. In der Millenniumserklärungder Vereinten Nationen ver-pflichteten sich 180 Staatsober-häupter, die Zahl der in Armutlebenden Menschen bis zum Jahr2015 zu halbieren.

Die Münchener Rück Stiftung hatsich zum Ziel gesetzt, mit ihrenProjekten zu diesem Millenniumszielbeizutragen.

Themenfelder

Die Stiftung setzt sich mit dengroßen Herausforderungen unsererZeit auseinander: mit Umwelt-veränderung und Klimawandel, mitWasser als Ressource und Risiko-faktor, mit Verstädterung undMegacitys, mit Bevölkerungsent-wicklung und Katastrophenvor-sorge. Bei diesen komplexen und nicht selten hochpolitischen Themen achten wir darauf, uns nichtüber unsere eigenen Ressourcenhinaus zu engagieren und setzenuns für überschaubare, aber umsointelligentere Lösungen ein.

Münchener Rück Stiftung/Report 2005

Page 8: Jahresreport 2005

Erforschen

4 5

Umweltveränderungen, Bevölkerungs-wachstum, Armut, Unwissenheit:Viele Faktoren treffen in komplexerWeise zusammen, wenn eine Flut oderein Wirbelsturm zu einer Katastrophewird. Die Münchener Rück Stiftungunterstützt die Erforschung der Grün-de und Folgen von Katastrophensowie die Entwicklung von Konzepten,die Risiken mindern.

Mit dem Stiftungslehrstuhl für „SocialVulnerability“ an der UN-Universitätlegte die Münchener Rück Stiftung2005 den Grundstein für mehrjährigewissenschaftliche Untersuchungender Gefährdungen von Mensch undGesellschaft in Entwicklungsländern.Daneben förderte sie den wissen-schaftlichen Nachwuchs, der in einemSchülerwettbewerb kreative Ideenzum Klimaschutz entwickelte.

Der Direktor der UN-Universität, Bonn, Prof. Janos Bogardi im Gespräch mit Stiftungsrat Prof. Gerhard Berz, daneben Prof. Hans van Ginkel, UN Under-Secretary-General und Rektor der UN-Universität in Tokio.

Page 9: Jahresreport 2005

Das erste Stiftungsprojekt, der Lehrstuhl am Institut für Umwelt und menschliche Sicherheit an der UN-Universitätin Bonn, wird besiegelt.

Umweltbedingte Extremereignisse nehmen weltweit zu. Nur wenn wir ihreUrsachen und Wirkungen erforschen ,können wir strategisch richtig handeln.Prof. Janos BogardiDirektor des Instituts für Umwelt und menschliche Sicherheit der Universität der Vereinten Nationen in Bonn

Münchener Rück Stiftung/Report 2005

Page 10: Jahresreport 2005

Katastrophen treffen den NervStiftungslehrstuhl für„Social Vulnerability“

Erforschen

6 7

Prof. Dr. Úrsula Oswald-Spring, Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM) – Psychologin und Politikerin – 2005/2006

Prof. Dr. Hans-Georg Bohle, Universität Bonn, Deutschland – Geograph und Armutsexperte fürIndien – 2006/2007

Prof. Dr. Anthony Oliver-Smith, University of Florida, USA – Mittelamerika-Anthropologe mit dem Schwerpunkt Migration und Vertriebene – 2007/2008

Prof. Dr. Thomas E. Downing, Stockholm Environment Institute,Großbritannien – Klima- und Umwelt-wissenschaftler – 2008/2009.

Das „Institut für Umwelt und mensch-liche Sicherheit“ der UN-Universität(UNU-EHS), an dem der Stiftungs-lehrstuhl angesiedelt ist, wurde 2004in Bonn eröffnet. Sein Direktor ist der Hydrologe Prof. Dr. Dr. Janos J.Bogardi, der zuvor bei der UNESCOdie Sektion „Nachhaltige Erschließungund Management von Wasserressour-cen“ (Sustainable Water ResourcesDevelopment and Management) leitete.

Die UN-Universität umfasst ein welt-weites Netzwerk von Forschungs- und Ausbildungsinstituten sowieassoziierten Institutionen und Wissen-schaftlern, deren Aktivitäten das UNU-Centre in Tokio koordiniert. Ihre Aufgabe ist, Lösungsansätze fürdie drängenden Probleme der Welt zu entwickeln.

Ab 2006 organisieren UN-Universitätund Münchener Rück Stiftung jährlicheine Sommerakademie. Dort sollenherausragende Doktoranden ihre For-schungsansätze und -ergebnisse imBereich „Gesellschaftliche Verletzbar-keit“ mit hochrangigen Wissenschaft-lern und internationalen Experten dis-kutieren können.

Die erste Academy findet vom 23. bis 29. Juli 2006 auf SchlossHohenkammer statt und steht unterdem Motto „Globaler BrennpunktWasser: Schwachstellen der Gesell-schaft und Stärkung der Strukturen“.Die Wissenschaftler werden überle-gen, wie akademische, politische undpraktische Wissenslücken geschlos-sen werden können – und diskutieren,wie das vergleichsweise junge For-schungsgebiet „Social Vulnerability“weiter entwickelt werden kann.

Damit eine Naturkatastrophe ge-schieht, müssen zwei Dinge zusam-mentreffen: ein großes Naturereigniswie ein Sturm oder eine Überschwem-mung und eine Bevölkerung, die darauf nicht adäquat vorbereitet ist.Die komplexen Zusammenhänge, diemenschliche Gesellschaften verletzbarmachen, werden am neuen Lehrstuhlfür„Social Vulnerability“(soziale Verletzbarkeit) am Institut für Umweltund menschliche Sicherheit der Uni-versität der Vereinten Nationen (UNU)in Bonn erforscht. Als erstes Projektgründete die Münchener Rück Stiftung2005 diesen Lehrstuhl.

Wie schätzen Menschen in unter-schiedlichen Kulturkreisen Risikendurch Naturkatastrophen ein? WelcheVorsorgemaßnahmen ergreifen sie,welche können sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation überhaupttreffen? Kann eine einheitliche globaleStrategie der Risikoprävention lang-fristig zum Erfolg führen? Die kulturel-len und ökonomischen Dimensionender Risikowahrnehmung, die der neueUNU-Lehrstuhl wissenschaftlichuntersucht, ist von großer Bedeutung,um geeignete Vorsorge- und Sicher-heitskonzepte entwickeln zu können.Ziel ist, internationale Studenten in Katastrophenschutz und -vorsorgeauszubilden. In ihren Heimatländernsollen sie dieses Wissen praktischanwenden.

Der Lehrstuhl wird im Rotations-verfahren mit hervorragenden inter-nationalen Wissenschaftlern besetzt,die zusammen ein Forschungsnetz-werk aufbauen. So kann über längereZeit ein Forschungsziel verfolgt werden. Jeder Forscher wird fürjeweils ein akademisches Jahr denLehrstuhl (Chair) innehaben. Diedesignierten „Munich Re FoundationChair Holder“:

Beim Erdbeben in Pakistan im Oktober 2005wurden mehr als 3 Millionen Menschenobdachlos.

Hurrikan Katrinaweitete sich in New Orleans zur Tragödie aus:Die Evakuierung war nicht genügendauf die Bedürfnisseder Menschen zugeschnitten.

Page 11: Jahresreport 2005

Interview

Frauen sind stärker von Katastrophen betroffen

Prof. Dr. Úrsula Oswald-Spring vonder Universität Mexiko (UNAM)erforscht, wie sich geschlechtsspezi-fische soziale Prägungen bei einerKatastrophe auf die Situation vonFrauen auswirken. Fragen an die Wissenschaftlerin, die den Stiftungs-lehrstuhl „Social Vulnerability“ amInstitut für Umwelt und menschlicheSicherheit 2005/2006 innehat.

Wie gelangt eine Professorin aus Mexiko an einen Lehrstuhl derUN-Universität in Bonn?

Oswald-Spring: Unter anderem alsUmweltministerin des BundesstaatesMorelos in Mexiko habe ich 20 Jahrelang theoretische und praktischeErfahrungen in der Erforschung undim Management von Katastrophengesammelt. Außerdem passte dasneue Sicherheitskonzept HUGE(Human, Gender and EnvironmentalSecurity), das ich für die UNESCO entwickelte und das menschliche,geschlechtsspezifische und Umwelt-sicherheit berücksichtigt, gut in den Forschungsrahmen des Instituts.

Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Folgen vonKatastrophen?

Oswald-Spring: Frauen sind stärkergefährdet als Männer, und zwar auskulturellen Gründen. Vielfach ist ihreSozialisation geprägt von der Sorgeum andere: um Kinder, Ehemann,Familie, Alte und Hilfsbedürftige. Inder heutigen Gesellschaftsstruktursind Frauen oft benachteiligt in Bezugauf Einkommen, berufliche Stellung,Arbeitslast und soziale Anerkennung.Herrschen sehr traditionelle Vorstel-lungen von Arbeit vor, leben Frauenmeist überwiegend im Haus und sindhäufig schlechter ausgebildet.

Wie wirkt sich das bei einer Katastrophe aus?

Oswald-Spring: Frauen unterstützenSchwächere und Hilfsbedürftige, häufig unter Einsatz ihres Lebens.Gleichzeitig wird ihr Leben in vielenKulturen als weniger wertvoll angese-hen und daher weniger geschützt.Außerdem dürfen Frauen in manchenGesellschaften das Haus ohne männliche Begleitung nicht verlassen.Deshalb werden sie bei Katastrophenspäter gewarnt und sind vielfach von den Folgen stärker betroffen.

Was muss getan werden?

Oswald-Spring: Zunächst müssen wirdie kulturell bedingten geschlechts-und altersspezifischen Unterschiedeidentifizieren – wissenschaftliche Daten dazu gibt es praktisch noch nicht.Dann müssen wir uns in den einzelnenRegionen ansehen, wie die Verletz-barkeit in einer Gesellschaft verteiltist. Das hilft uns – sowie Regierungen und Verwaltungen –, die größere Verletzbarkeit von Frauen besser zuberücksichtigen, besonders bei derEntwicklung von Evakuierungsplänen.Wenn Warnungen Frauen schnellerreichen, kümmern sie sich norma-lerweise um die ganze Familie.

Was nehmen Sie mit nach einem Jahr Stiftungslehrstuhl?

Oswald-Spring: Ich konnte meine Kontakte zu anderen Experten intensi-vieren und hoffe auf eine langfristigeKooperation, um eine integrierte Sicht sozialer Verletzbarkeit zu entwi-ckeln. Auf der Grundlage theoreti-scher Überlegungen und empirischerUntersuchungen können wir ein neuesBewusstsein dafür schaffen, wie in unterschiedlichen Kulturen sozialeVerletzbarkeit verringert wird.

LehrstuhlinhaberinÚrsula Oswald-Spring erforschtdie Auswirkungenvon Katastrophenim soziologischenKontext.

Münchener Rück Stiftung/Report 2005

Page 12: Jahresreport 2005

Jugend schafft WissenSchülerwettbewerbzur Energieeffizienz

Erforschen

8 9

Am 26. April 2006 findet in Berlin diegroße Preisverleihung statt: Dort stellen die Teams und ihre Projektpart-ner die originellsten und interessan-testen Ideen vor, die von Bundes-umweltminister Sigmar Gabriel aus-gezeichnet werden. Es gibt Preis-gelder von insgesamt 15 000 € sowieSach- und Sonderpreise.

Der Wettbewerb wird vom ZeitbildVerlag in Berlin betreut, der jahrelangeErfahrung in der Schul- und Bildungs-arbeit hat. Die Münchener Rück Stif-tung ist Projektpartner, denn: Nachhal-tige Lösungen finden, Wissen anwen-den und handeln – das ist die Ziel-setzung der Jugendlichen und zugleichunser Auftrag.

„Jugend mit unendlicher Energie –schützt das Klima!“ lautet das Mottoeiner bundesweiten Jugendaktion, die das Bundesministerium fürUmwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit (BMU) ins Leben gerufenhat. Schüler wurden aufgefordert, ihr Wissen über Klimaänderung, Energie und Energieeffizienz anzu-wenden und Techniken, Modelle oderBeiträge zu entwickeln. Seit 2005unterstützt die Münchener Rück Stif-tung die Aktion, bei der sich SchülerWissen aneignen und es anschließendpraktisch umsetzen.

Windenergie im Unterricht, ein Modell-boot mit Brennstoffzellenantrieb oderein Schneckenzaun mit Solarstrom:Diese und andere Projekte, die 2004prämiert wurden, lassen erwarten,dass die Preisverleihung für das Wett-bewerbsjahr 2005 nicht weniger span-nend wird. Mit Enthusiasmus undPhantasie haben sich Schüler, Klassenund sogar ganze Schulen ein Jahrlang mit erneuerbaren Energien aus-einander gesetzt und pfiffige Ideenentwickelt, wie und wo sich fossileEnergie einsparen lässt.

Das Anliegen des Wettbewerbs: dasBewusstsein für Themen rund um denKlimawandel schärfen. Als Begleit-material für den Unterricht erhielten deshalb 26 000 deutsche SchulenArbeitsblätter, Infotexte und ein Ener-giequiz, die sich mit erneuerbarerEnergie, Energieeffizienz, Umwelt,Mobilität und Klimaschutz befassen.Um sich bei ihren Projekten beratenoder finanziell unterstützen zu lassen,konnten die Schüler Verbände, Unternehmen und Initiativen in ihrerRegion ansprechen.

Mit Plakaten und Broschürenwurde an 26 000deutschen Schulenzur Teilnahme amWettbewerb„Energieeffizienz“aufgerufen.

Page 13: Jahresreport 2005

Klimafakten

Treibhaus Erde: 2005 war daswärmste Jahr seit Beginn der Auf-zeichnungen vor mehr als 100 Jah-ren. Seither ist die Temperaturinsgesamt um 0,8 °C gestiegen,davon entfallen 0,6 °C auf die ver-gangenen 30 Jahre. Hauptsächlichverursacht wurde diese Erwärmungvon Treibhausgasen wie Kohlen-dioxid (CO2).

Drew Shindell, Goddard-Institut fürWeltraumstudien, NASA

Die Erde im Fieber

Hitze: Die Hitzewelle in Mittel-und Südeuropa im Jahr 2003 wareine der größten Katastrophenseit dem Mittelalter, rund 35 000Menschen kamen in der Folge umsLeben. Durch den Einfluss des Menschen hat sich die Wahrschein-lichkeit, dass ähnliche oder sogarintensivere Hitzewellen auftreten,mehr als verdoppelt.

Peter A. Stott et al., 2004, Nature 432, S. 610ff

Hochwasser: Neben Stürmen sind Überschwemmungen in vielen Ländern – auch in Deutschland –die häufigsten Gründe für Schäden aus Naturereignissen. Ein Drittelaller volkswirtschaftlichen Schäden ist auf Überflutungenzurückzuführen. Ursache ist neben der vermehrten Besiedlungexponierter Gebiete vermutlichdie Klimaänderung.

Dr. Wolfgang Kron, Münchener Rück,Klima-Symposium, 3.–4. Mai 2004 in Würzburg

Artensterben: Über eine MillionArten, also rund ein Viertel allerLandtiere und -pflanzen könnteninfolge der Klimaerwärmung bis zumJahr 2050 aussterben. Das be-fürchtet ein internationales For-scherteam in einer Studie, die inder renommierten Wissenschafts-zeitschrift Nature veröffentlichtwurde.

Chris D. Thomas et al., 2004, Nature 427, 145ff

Allergien: Die ständig steigendeCO2-Konzentration in der Luftkann das Pflanzenwachstum und diePollenbildung anregen; das habenUntersuchungen an einer Ambro-sia-Art (Ambrosia artemisiifolia)ergeben. Gleichzeitig verlängertsich durch höhere Temperaturendie Vegetationsperiode. Allergikersind somit stärkeren Zusatzbelas-tungen ausgesetzt.

Center for Health and the Global Environment, Harvard Medical School

Krankheiten des Südens: EinerStudie der Universität Bonnzufolge werden zunehmend wärme-liebende Krankheitsüberträgerund -erreger aus Asien und Afrikanach Europa eingeschleppt. Sokönnten Krankheiten, die bislang ineuropäischen Breitengraden unbe-kannt sind, im Zusammenhang mitUmwelt- und Klimaveränderungenzum Problem werden.

Deutsches Umweltbundesamt (Herausgeber), 2003, Climate Change,Studie Nr. 05/03

Wenn sich dieBerechnungen derKlimawissenschaftlerbewahrheiten, kann die Temperaturder Atmosphäre bis zum Ende desJahrhunderts um biszu 6 °C ansteigen. Die Folgen wärendramatisch.

Die Grafik zeigt, wie sich die Mitteltemperaturder Atmosphäre in den vergangeneneine Million Jahrenentwickelt hat (in logarithmischgestaffelten Zeitfenstern).

QuelleMünchener Rück2003

max.

min.

Prognose

21°C

20

19

18

17

16

15

14

13

12

11

10

9

8

– 1 Million – 100 000 – 10 000 – 1 000 100heute Jahre

Münchener Rück Stiftung/Report 2005

Page 14: Jahresreport 2005

Unser Expertenwissen steigt rasant.Nur durch Vernetzung können wir esoptimal nutzen.Dipankar MahalanobisMicroCare, Uganda

Vernetzen Die Vernetzung von Wissen über globale Risiken eröffnet neue Chancen und erschließt Potenziale. Die Münchener Rück Stiftung gibt Impulse für Netzwerke und veranstaltet Symposien und Treffenmit internationalen Fachleuten, diesich der Lösung weltumspannenderProbleme widmen.

2005 erörterten Experten bei zwei Konferenzen die Themen Risiko-vorsorge für Katastrophen und Mikroversicherungen für Kleinst-verdiener – mit jeweils ganz konkretenErgebnissen: In der Hohenkammer-Charta formulierten sie die zehn größten Herausforderungen für dieRisikoprävention, bei der Mikro-versicherungskonferenz zeigten sietragfähige Lösungen für Menschen in Entwicklungsländern auf.

Experten diskutieren auf dem Internationalen Symposium„Katastrophenvorsorge – Risikobewusstsein ist der Schlüssel“.

Von links: Dr. Irmgard Schwaetzer, Deutsches Komitee Katastrophenvorsorge (DKKV), Christoph Bals, Germanwatch,Dr. Eugene Gurenko, Weltbank, David Peppiat, ProVention Consortium und Dr. Juan Carlos Villagrán, UN-Universität.

10 11

Page 15: Jahresreport 2005

Dipankar Mahalanobis, Direktor der MicroCare Group, zeigt seine Erfahrung mit Schadenentwicklung und Risiko-bewertung in Uganda und erklärt, wie die Ärmsten der Armendort versichert werden können.

Page 16: Jahresreport 2005

Arm und nicht abgesichertInternationale Konferenz Mikroversicherung

Vernetzen

12 13

„Vielfach wird immer noch gezweifelt,ob es eine Versicherung für Armegeben kann“, sagte Dirk Reinhard,stellvertretender Geschäftsführer derMünchener Rück Stiftung. NiedrigePrämien bei einem oft relativ hohenRisiko, Verwaltungskosten und diemeist schlechte Erreichbarkeit derBetroffenen lassen vielen AnbieternMikroversicherungen unattraktiverscheinen. „Die Konferenz hat aberverdeutlicht, dass es tragfähigeLösungen gibt. Dennoch bleibt viel zu lernen und insbesondere der Wissenstransfer muss intensiviertwerden.“ Die unterschiedlichenAkteure – lokale Gruppen und Mikro-finanz- sowie Mikroversicherungs-organisationen, Entwicklungshelferund Behörden, aber auch die klassi-schen (Rück)Versicherer – müssen entsprechend ihres Fachwissens undihrer spezifischen Aufgaben engerzusammenarbeiten.

Dies bestätigte der Vorsitzende derCGAP-Arbeitsgruppe Mikroversiche-rung, Craig Churchill von der Interna-tional Labour Organisation (ILO) inGenf: „Die Zahl der Mikroversiche-rungskonzepte und der versichertenPersonen hat sich in den letzten zehnJahren jedes Jahr verdoppelt – wennauch von einem niedrigen Niveauaus.“ Viele Programme würden kleinanfangen, in einigen läge jedoch gro-ßes Potenzial. „Das beweisen drei Programme in Bangladesch, Ugandaund Indien, die inzwischen jeweilsmehr als einer Million Menschen Ver-sicherungsschutz bieten.“

Auch 2006 werden wir gemeinsam mit CGAP eine Konferenz zu Mikroversicherung veranstalten – dieses Mal in Südafrika, wo es bereitsvielversprechende Ansätze gibt.

Bei der Bekämpfung der weltweitenArmut spielen Mikroversicherungeneine wichtige Rolle. So lautet das Fazitder internationalen Konferenz „Makinginsurance work for the poor. Currentpractices and lessons learnt“, die vom18. bis 20. Oktober 2005 in Hohen-kammer stattfand. Eingeladen hattedie Münchener Rück Stiftung gemein-sam mit der „Consultative Group to Assist the Poor“ Working Group onMicroinsurance (CGAP).

Von den vier Milliarden Menschenweltweit, die mit weniger als zwei US-Dollar pro Tag auskommen müssen,haben derzeit nicht einmal10 Millio-nen die Möglichkeit, sich zu versi-chern. Einkommensschwache Haus-halte müssen daher für Medizin- undArztkosten größtenteils selbst auf-kommen: Diese Ausgaben machenteilweise mehr als 30 Prozent ihresEinkommens aus. Bei Naturkatastro-phen verlieren die Menschen häufigihre gesamte Existenzgrundlage.Mikroversicherungen sind ein wichti-ges Instrument, um Armut zu bekämp-fen; sie zu realisieren ist jedoch nichteinfach.

Armutsbekämpfung spielt auch einewichtige Rolle bei der Katastrophen-vorsorge – diese Einschätzung wurdeauf dem internationalen Symposium„Weltweite Katastrophenvorsorge –Risikobewusstsein ist der Schlüssel“der Münchener Rück Stiftung im November bestätigt (siehe S. 14). Aufgrund des enormen Absicherungs-bedarfs, dem bislang nicht Rechnunggetragen wird, unterstrich die UN 2005mit dem „Jahr der Mikrofinanzierung“,wie wichtig es ist, die Bedürftigendurch adäquate Finanzinstrumente zustärken.

Deshalb luden die Münchener RückStiftung und die CGAP-ArbeitsgruppeMikroversicherung rund 100 Expertenaus 25 Ländern. Diese diskutierten,wie Mikroversicherungen verwirklichtund so Kleinstverdiener mit einemGrundschutz bei Lebens- und Krankenversicherung ausgestattetwerden können. Im Zentrum stand dieErörterung der Ergebnisse von rund20 Fallstudien über bereits bestehendeMikroversicherungsangebote in dreiKontinenten.

Weitere Informationen

www.microinsuranceconference2005.org

Page 17: Jahresreport 2005

Interview

Einfache Konzepte überzeugen

Auf Krankenversicherungssysteme für Kleinstverdiener hat sich derFinanzdienstleister MicroCare Ltd.spezialisiert und in Uganda bereitserfolgreiche Projekte gestartet. Fragen an Dipankar„Dubby“Mahala-nobis, Managing Director von MicroCare, zu Notwendigkeiten undChancen von Mikroversicherungen in Entwicklungsregionen.

Was ist eine Mikroversicherung?

Mahalanobis: Kurz gesagt: Sie ist eineVersicherung für Arme. Es ist sehrwichtig, den Menschen in Entwick-lungs- und Schwellenländern, die keinen Zugang zu klassischen Finanz-dienstleistungen haben, eine faireChance und bezahlbare Lösungen zubieten. Bislang werden Mikrokrediteund -versicherungen oft nur sehrzurückhaltend der überwiegend armen Landbevölkerung angeboten. Gleichzeitig befinden wir uns meist in Regionen, in denen traditionelle Versicherer noch nicht aktiv sind.

Wie kann eine MikroversicherungArmut lindern?

Mahalanobis: Laut Weltbank ist einMensch arm, wenn er weniger alseinen US-Dollar am Tag zur Verfügunghat. Das bedeutet, dass weltweit über1,2 Milliarden Menschen arm sind.Jeder ist während seines Lebens mitEreignissen konfrontiert, die unab-hängig vom finanziellen Status wirt-schaftliche Engpässe hervorrufen können. Dazu zählen Krankheit, Behin-derung, Altersgebrechen oder der Tod eines Angehörigen. Eine Mikro-versicherung hilft, diese Unvorherseh-barkeiten auszugleichen. Die Men-schen kommen schnell wieder auf dieBeine und haben eine Grundlage fürihre Selbstbestimmung und weitereEntwicklung.

Was sind die dringlichsten Probleme?

Mahalanobis: Im Moment gibt es nur wenige Produkte, die sich wirtschaftlich rechnen. Hier brauchenwir ein stärkeres Engagement derGeberländer oder mehr Partnerschaftin Form von „Public-Private Partner-ships“. Eine weitere Schwierigkeit ist das fehlende Verständnis für dasKonzept einer Versicherung. Die Menschen sehen oft nur die Prämienund empfinden sie als zu hoch. Mund-propaganda kann da helfen: Wenn einzelne Mitglieder einer Gemeindeschon einmal Geld von einer Sterbe-oder Ausbildungsversicherung ausbezahlt bekommen haben, wird sie schnell akzeptiert, auch von denanderen. Außerdem gilt: je einfacherdas Konzept, umso überzeugender.

Was haben Sie von der Konferenz inHohenkammer mitgenommen?

Mahalanobis: Sie war ein Zusammen-spiel von Ideen, Praxisbeispielen und Theorie. Ich konnte Kontakte zuvielen Experten aus unterschiedlichenBereichen und Ländern knüpfen. Wir haben erkannt, dass wir einegroße Gemeinschaft sind und uns oftdieselben Probleme beschäftigen. Dieses Netzwerk wird mir in Zukunfthelfen, knifflige Fragen der täglichenArbeit anzugehen, Synergien zu nutzen und neue Ideen zu entwickeln.

4

1, 3Rund 100 Expertenaus 25 Ländern analysierten in Vorträgen undWorkshops mehr als 20 Fallstudien.

2Dipankar Mahalanobis, MicroCare Group,Uganda.

4Craig Churchill,International LabourOrganisation (ILO),Schweiz.

5Vijay S. Athreye,TATA-AIG Life Insurance CompanyLtd., Indien.

1

3

2

5

Münchener Rück Stiftung/Report 2005

Page 18: Jahresreport 2005

Aus diesem Grund brachte die Mün-chener Rück Stiftung 100 Teilnehmeraus 30 Ländern in dem InternationalenSymposium zusammen. FührendeVertreter von Regierungs- und Nicht-regierungsorganisationen wie derWeltbank, der Vereinten Nationen,dem Internationalen Roten Kreuz undder Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ)diskutierten mit Finanz- und Versiche-rungsexperten über das Thema „Weltweite Katastrophenvorsorge –Risikobewusstsein ist der Schlüssel“.

Persönlichkeiten wie Dr. IrmgardSchwaetzer vom Deutschen KomiteeKatastrophenvorsorge (DKKV), Dr. Bernd Eisenblätter von der GTZ, Dr. Salvano Briceño vom Sekretariatder Vereinten Nationen für die Inter-nationale Strategie zur Katastrophen-vorsorge (UN-ISDR) und Dr. JohanSchaar von der Internationalen Föde-ration der Rotkreuz- und Rothalb-mond-Gesellschaften (IFRC) unterstri-chen, dass die zentralen Aufgaben derRisikoprävention nur in der Partner-schaft von Politik, Wirtschaft, Wissen-schaft und den Betroffenen gelöstwerden können.

Ergebnis der Tagung war die Hohen-kammer-Charta, in der die Fachleutedie 10 größten Herausforderungen derZukunft formulierten (siehe Kasten).„Katastrophen sind unvermeidbar; wir müssen uns darauf vorbereiten“,fasste Thomas Loster, Geschäftsführer der Münchener Rück Stiftung, dieKernaussage zusammen. „Wir können viel Leid mindern, aber nur, wenn wirgemeinsam anpacken.“

Die dramatischen Auswirkungen vonErdbeben, Wirbelstürmen und Über-flutungen können nur dann langfristigund deutlich reduziert werden, wenndie Menschen in den gefährdetenGebieten über die Gefahren aufgeklärtsind und wissen, wie sie sich schützenkönnen. Experten auf dem Internatio-nalen Symposium der MünchenerRück Stiftung verabschiedeten 2005die Hohenkammer-Charta, welche diezehn wichtigsten Aspekte zur Optimie-rung der weltweiten Katastrophen-vorsorge enthält.

2004 und 2005 gab es so viele Todes-opfer und Sachschäden wie nie zuvor.Ursache waren vor allem Katastro-phen wie der verheerende Tsunamiinfolge des Seebebens im IndischenOzean im Dezember 2004 und HurrikanKatrina, der im August 2005 in den süd-lichen US-Bundesstaaten Louisiana,Mississippi und Alabama Verwüstun-gen anrichtete und zur Überflutungder Stadt New Orleans führte. DieNaturgewalten haben drastisch vorAugen geführt, wie wichtig Risikobe-wusstsein und -vorbeugung bei derSchadenvorsorge sind.

Das Wissen um die Gefahren in denKöpfen der Menschen zu verankern istein Ziel, das nur durch internationaleAnstrengungen erreicht werden kann.

Risikobewusstsein ist der SchlüsselSymposium zurweltweiten Katastrophen-vorsorge

14 15

1

5

2 3

4

Vernetzen

Page 19: Jahresreport 2005

Münchener Rück Stiftung/Report 2005

Hohenkammer-Charta

Mit der Hohenkammer-Charta wurdeein wichtiger Grundstein gelegt,um weltweite Anstrengungen bes-ser zu bündeln und zu fokussieren.

Die 10 größten Herausforderungenfür optimierte Risikoprävention:

1. ArmutMenschen, die in Armut leben, sind besonders verletzlich.Armutsbekämpfung ist deshalb einSchlüsselelement.

2. MenschenBemühungen in der Katastrophen-vorsorge müssen bei den Menschenin den Risikogebieten ansetzen.

3. EntscheidungsträgerEngagement der Entscheidungs-träger auf Gemeinde- bis Regie-rungsebene ist die Grundvoraus-setzung dafür, funktionierendeVorsorgemaßnahmen rasch umzu-setzen.

4. DialogDer Meinungsaustausch zwischenden Beteiligten muss vorangetrie-ben werden, um ein gleiches Ver-ständnis für Probleme und Lösun-gen zu entwickeln.

5. PartnerschaftenPolitik, Wirtschaft, Wissenschaftund die Betroffenen müssen mehrund besser zusammenarbeiten:Bündnisse – Public-Private Part-nerships – müssen mit Lebengefüllt werden.

6. EntwicklungspolitikRisikoprävention muss als zentraleMaßnahme in der Entwicklungszu-sammenarbeit und nationalen Pro-grammen ausgewiesen und in dieseimplementiert werden.

7. VerbreitungVielversprechende Ansätze desrisikogerechten Vorbeugens aufGemeindeebene, die heute bereitsexistieren, müssen rund um denGlobus übernommen und verbreitetwerden.

8. AnreizePolitische, rechtliche und wirt-schaftliche Anreize sind notwen-dig, um Investitionen in Katastro-phenprävention zu unterstützenund die Prozesse zu beschleunigen.

9. VersicherungRisikotransfer wie Versicherungenund Solidargemeinschaften hilft,die Verletzlichkeit von Regierun-gen und Menschen in Risikositua-tionen zu reduzieren.

10. BewusstseinsbildungRisikobewusstsein ist der Schlüsselfür adäquate Maßnahmen, bevor sich Katastrophen ereignen.

Wir können viel Leid mindern, aber nur, wenn wir gemeinsam anpacken.

Thomas LosterGeschäftsführer der Münchener Rück Stiftung

Intensive Gesprä-che führten Ver-treter von Politik,Entwicklungs-zusammenarbeit,Wissenschaft undWirtschaft.

1Dr. Maryam Golnaraghi, WorldMeteorologicalOrganization(WMO), Schweiz.

2Victor Orindi,ACTS & World Agroforestry Centre, Kenia.

3Dr. Bernd Eisen-blätter, DeutscheGesellschaft für Technische Zusammenarbeit(GTZ), Deutsch-land.

4Dr. Norman Kin-Wai Cheung,Kings College, Großbritannien.

5Von rechts: LeilaMoonda, South African InsuranceAssociation(SAIA), Südafrika;Shaoyu Wang, SwissFederal ResearchInstitute WSLDavos (SLF).

Page 20: Jahresreport 2005

Sensibilisieren Voraussetzung für angemessenes Handeln ist, die Herausforderungen zukennen: Mit Vorträgen und Diskussions-veranstaltungen sensibilisiert die Münchener Rück Stiftung die Öffent-lichkeit für die weltweiten Risiken.

2005 bildete Wasser einen besonderenThemenschwerpunkt. In fünf Dialog-foren konnten sich die Zuhörer überdie Problematik der Ressource Wasserin Megastädten der Schwellen- undEntwicklungsländer ebenso informie-ren wie über rechtliche Aspekte derWasserverteilung. Vorträge überDürre und Fluten sowie über natur-nahen Hochwasserschutz verdeutlich-ten, dass Wasser auch Risikofaktorsein kann. Die kulturelle Bedeutung in Religion und Mythos erläuterte einweiteres Dialogforum.

Dr. Cecilia Tortajada, Vizepräsidentin des Third World Centre for Water Management (links), und Prof. Janos Bogardi, Direktor des Instituts für Umwelt und menschliche Sicherheit der UN-Universität, referieren auf dem ersten Dialogforum über die Wasserproblematik in Megastädten.

16 17

Page 21: Jahresreport 2005

Verantwortung beginnt für mich mit der Sensibilität für die Risiken, denen andere Menschen ausgesetzt sind.Dr. Stefan KröpelinProjektleiter im Sonderforschungsbereich „Kultur- und Landschaftswandel im ariden Afrika“, Universität zu Köln

Leben fast ohne Wasser. Dr. Stefan Kröpelin, Projektleiter an der Universität zu Köln, pflegt seine guten Beziehungen imNord-Tschad; eine Voraussetzung für erfolgreiche Forschungin Wüsten und Trockengebieten.

Page 22: Jahresreport 2005

Wasser in Megacitys10. Mai 2005

Die zunehmende Urbanisierung lässtimmer mehr Städte zu Megastädtenmit über zehn Millionen Einwohnernanwachsen. Besonders in Entwick-lungsländern wird die Versorgung derMenschen mit Trinkwasser und derZugang zu sanitären Einrichtungenzum Problem. Prof. Dr. Dr. JanosBogardi, Direktor des Instituts fürUmwelt und menschliche Sicherheitder UN-Universität in Bonn, schilderteim Dialogforum „Wasser in Megaci-tys“ die enormen Herausforderungenfür die wachsenden Metropolen. Um bis 2015 den Anteil der Menschenohne Zugang zu Toilette und Bad zuhalbieren, müssten alle drei Tage sanitäre Anlagen für rund eine MillionMenschen eingerichtet werden – dasentspricht einer Großstadt wie Köln. Dieses ehrgeizige Ziel haben sich die Vereinten Nationen gesteckt. Dennnoch ist die Situation dramatisch,auch aufgrund der schlechten Versor-gung mit Trinkwasser: „Jedes Jahrsterben fünfmal so viele Kinder wegen mangelnder Wasserqualität,als Menschen bei der Tsunami-katastrophe im Dezember 2004 umsLeben kamen“, mahnte Bogardi.

Dr. Cecilia Tortajada, Vizepräsidentindes Third World Centre for WaterManagement in Mexiko-Stadt, erläu-terte die Probleme am Beispiel dermexikanischen Hauptstadt. Allein dieprivaten Haushalte benötigten 40-malso viel Wasser wie München. „Wasserist zwar ausreichend vorhanden. Um die Versorgung zu gewährleisten,muss es aber teilweise über eine Entfernung von bis zu 150 Kilometertransportiert werden und eine Höhen-differenz von mehr als 1 000 Meternüberwinden, was sehr energieauf-wändig ist“, sagte Tortajada. Zudemgingen bei der Verteilung 30 bis 40Prozent des Wassers verloren – allein damit könnten vier MillionenMenschen versorgt werden. WeitereProbleme: sinkendes Grundwasser,wodurch Teile der Stadt unaufhaltsamum bis zu 40 Zentimeter pro Jahrabsacken, sowie die stark überlasteteKanalisation, welche die Abwasser-beseitigung erschwert.

Ein ästhetisches Erlebnis mit Informationen verknüpfen, das wardas Konzept der Ausstellung „Wasser – Mythos und Naturgewalt“,welche die Hypo-Kulturstiftung imSommer 2005 in der Kunsthalle derbayerischen Landeshauptstadt präsentierte. Die Münchener Rück Stiftung begleitete die Ausstellung mit einer Vortrags- und Diskussions-reihe zum Thema Wasser.

An dem Lebenselixier herrscht inDeutschland kein Mangel: Hochwerti-ges Trinkwasser gibt es in so großenMengen, dass es sogar zum Autowa-schen und für die Toilettenspülungreicht. Das vergisst man leicht –obwohl es doch ebenso wenig selbst-verständlich ist wie der weitgehendeSchutz vor Überschwemmungen, dendie Deiche unserer Flüsse bieten. Mitder Vortragsreihe „Dialogforen Was-ser“ trug die Münchener Rück Stiftungdazu bei, die Öffentlichkeit für dieweltweite sowie die regionale Wasser-problematik zu sensibilisieren.

Einen hervorragenden Anknüpfungs-punkt fanden die Vorträge in der Ausstellung, die neben etwa 70 hoch-karätigen Gemälden aus der Zeit vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwartauch wirtschaftliche, politische und wissenschaftliche Aspekte des Themas präsentierte. Die Ausstellungentstand durch die Kooperation derTechnischen Universität München,des Bayerischen Landesamts für Wasserwirtschaft, des DeutschenMuseums und der Münchener Rück.

Facetten eines LebenselixiersDialogforen Wasser

Sensibilisieren

18 19

Bei der Verteilung des Wassers in Mexiko-Stadt gehen 30 bis 40 Prozent verloren. Damit könnten vier Millionen Menschen versorgt werden.

Dr. Cecilia TortajadaVizepräsidentin des Third World Centre for Water Management in Mexiko-Stadt

Page 23: Jahresreport 2005

Trotz der erheblichen Probleme warensich die Referenten einig, dass Mega-städte auch enorme Chancen bieten,etwa wegen ihrer besseren Infrastruk-tur. Um dieses Potenzial zu erschließen,muss eine langfristige Stadtentwick-lungsstrategie die Wasserversorgungsichern. Dabei sollten alle Möglichkei-ten ausgeschöpft werden, vor allemPartnerschaften zwischen Stadtverwal-tungen und privaten Unternehmen.

Der Isarplan: Naturnaher Schutz vor den Fluten21. Juni 2005

Hochwasserschutz und die Attraktivi-tät und Artenvielfalt eines Wildflussessind miteinander vereinbar. Dies zeig-te Dr. Klaus Arzet, Leiter des Wasser-wirtschaftsamts in München, am Bei-spiel der Isar im Dialogforum „Fließge-wässer im Wandel – Renaturierungder Isar“. Er nahm die Zuhörer mit aufeinen Spaziergang durch Vergangen-heit, Gegenwart und Zukunft desstadtnahen Isarufers.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatteman die Isar, die bis zu dieser Zeitnoch regelmäßig die Stadtteile Au, Talund Lehel überschwemmte, gebän-digt – oft durch geradlinige Beton- undSteinwälle. Anfang der 1990er-Jahrebeschlossen der Freistaat Bayern und die Stadt München, das Flussbettneu zu gestalten. Ziel des Projekts„Isarplan“ war, den Hochwasseschutzzu optimieren und die Qualität desNaherholungsgebiets zu verbessern –alles unter dem Motto„Mehr Raumund Naturnähe für die Flusslandschaft“.

Der Fluss hat sein Aussehen verän-dert, nachdem man zwei der drei Bau-abschnitte fertig gestellt hatte: HinterKiesbänken, Mäandern und kleinenInseln verbergen sich ausgeklügelteSchutzkonstruktionen, unsichtbareDeichverstärkungen, schonendeBaumschutzkonzepte und Fischtrep-pen. Fauna und Flora entwickeln sichprächtig; erste Zählungen haben laut Arzet ergeben, dass die Artenviel-falt in kurzer Zeit deutlich zugenom-men hat. Auch der Flutschutz genügtbereits jetzt den bayernweiten Richt-linien für 2020.

Mit dem Abschluss des Isarplans imJahr 2008 wird die Attraktivität der Isarals Freizeitfluss deutlich aufgewertetsein, denn der 260 Kilometer langeWildfluss ist von jeher ein begehrtesAusflugsziel. Die Gesamtkosten vonrund 30 Millionen € sind niedrig, verglichen mit anderen Projekten derbayerischen Landeshauptstadt und des Freistaats. So wurde der Isarplanzu einem echten Win-win-Projekt:Menschen, Ökologie, Stadt, Freistaatund die Isar selbst – alle profitierenvom naturnahen Rückbau des Flusses.

Wasser gehört allen!28. Juni 2005

Fast ein Fünftel der Weltbevölkerunghat kein sauberes Trinkwasser. Eine Podiumsdiskussion im Dialog-forum „Streit ums Wasser – Recht aufWasser für alle“ richtete das Augen-merk auf das Verteilungsproblem.

Prof. i.R. Dr. Peter A.Wilderer vom Institute of Advanced Studies onSustainability, European Academy of Sciences and Arts, wies darauf hin,dass die weltweite Nahrungsmittel-produktion bereits heute 70 Prozentdes Wassers beansprucht, mit steigen-der Tendenz. Wilderer, Träger desStockholm Water Price 2003, appellier-te an die politisch Verantwortlichen,den Dialog über das Recht auf Wasserweiterzuführen.

Mit der politischen Bedeutung desWassers beschäftigten sich auch dieAusführungen von Dr. Andreas Kuckvon der Deutschen Gesellschaft fürTechnische Zusammenarbeit (GTZ): 40 Prozent der Weltbevölkerung lebenan grenzüberschreitenden Flüssen.Kuck forderte, effizienter mit demWasser umzugehen, um Verteilungs-konflikte zu entschärfen. Als Beispielnannte er die jordanische HauptstadtAmman, die gereinigtes Abwasserstatt Trinkwasser in der Landwirtschafteinsetzt.

Das Effizienzproblem thematisierteauch Dr. Thomas Kluge vom Institutfür sozial-ökologische Forschung(ISOE) der Universität Frankfurt. Beiden institutionellen und technischenHerausforderungen der Wasser-versorgung gehe es „nicht um dieRechtsform eines Wasserversorgers,sondern darum, wie er reguliert wird“, so Kluge. Zugleich forderte er, Abwasser möglichst energiesparendaufzubereiten und gelöste Stoffe wiePhosphate oder Nitrate besser zu nutzen. Die Technologien dafür müssten in Deutschland Marktreifeerlangen, um sie dann exportieren zu können. Kluge bekannte sich zur Vorbildrolle der Industrieländer: „Wir müssen vorleben, was wir selbstverlangen“.

„Es fehlt nicht an den Ressourcen, esfehlt am politischen Willen“, beklagtejedoch Rosmarie Bär, Koordinatorinfür Entwicklungspolitik bei der schwei-zerischen Arbeitsgemeinschaft derHilfsorganisationen. Die Wassernut-zung solle als Menschenrecht völker-rechtlich verankert werden, um zu gewährleisten, dass Wasser fürkünftige Generationen ungehindertzugänglich ist und die Ressourceerhalten bleibt.

Für die einen istWasser in derStadt ein Hinder-nis, hier bei einerÜberflutung in Mexiko-Stadt.

Für die anderen sind die Ufer des kühlen Nass in der Stadt einOrt der Erholung,hier die Isar inMünchen.

Münchener Rück Stiftung/Report 2005

Page 24: Jahresreport 2005

Risiko Wasser – Dürren und Fluten26. Juli 2005

Riesige Wüsten, aber auch Gebiete,die immer wieder von gewaltigenÜberschwemmungen heimgesuchtwerden: Viele Menschen leben inRegionen mit extremen Wasserbedin-gungen. Das Dialogforum „RisikoWasser: Zu viel – zu wenig“ setzte sichmit Dürren und Fluten auseinander.Dabei wurde deutlich: Menschen imRisiko sind hohen Belastungen ausge-setzt und müssen gemeinsam handeln.

Hauptforschungsgebiet von Dr. StefanKröpelin, Projektleiter am Kölner Son-derforschungsbereich „Kultur- undLandschaftswandel im ariden Afrika“,ist die größte Wüste der Welt. DieSahara war jedoch nicht immer Wüste;über tausende von Jahren wechseltensich Feucht- und Trockenperioden ab.Doch „heute ist die Sahara so trocken,dass Regen meist vollständig ver-dunstet, bevor er den Boden erreicht.Man findet nicht einmal mehr Keime“,so Kröpelin.

Die Menschen haben sich an die extre-men Bedingungen angepasst undkommen teilweise mit weniger alseinem Liter Wasser pro Tag aus. Denndas Trinkwasser muss über weite Stre-cken herangeschafft oder aus bis zu 3 000 Meter tiefen Brunnen hochge-pumpt werden. Dort ist Wasser als fos-sile Ressource vorhanden, wird abernicht mehr durch neue Niederschlägeaufgefüllt. Einmal herausgepumpt,geht es ähnlich wie Öl dem Erdinnernunwiederbringlich verloren. Langfris-tig bestehe die einzige Chance für rundeine Milliarde Menschen auf der Erdedarin, Meerwasser zu entsalzen, meintder Geograph und Geologe: „Das istaufwändig, aber es gibt in der Regiongenügend Sonnenenergie – die musskonsequent genutzt werden.“

Übernutzung dagegen fördert die Ausbreitung von Wüsten. „Die Ver-steppung Südeuropas schreitet in ers-ter Linie wegen zu intensiver Land-wirtschaft voran, nicht aus klimatolo-gischer Sicht“, weiß Kröpelin. Werdeder Raubbau gestoppt, könne sich dieLandschaft erholen – das würden auchForschungen in der Sahara belegen.

Mythos Wasser – Element der sakralen Reinigung12. Juli 2005

Lebensspender, Durststiller, Reiniger:Wasser übt wegen seiner essenziellenBedeutung von jeher auch einen spirituellen Zauber auf den Menschenaus. Prof. Dr. Matthäus Woschitz, Ordinarius der Universität Graz, erläuterte in seinem religionswissen-schaftlichen Vortrag im Dialogforum„Mythos Wasser – Element der sakra-len Reinigung“, wie Wasser durch den „homo religiosus“ sakrale Würdeerlangt. Reinigungsvorstellungen und -bräuche finden sich daher inallen alten Kulturen als Teil religiöserLebenspraxis, so der Theologe.

Als Mittel der Reinigung erlangt Wasser religiöse Symbolkraft, mit derWohl und Wehe des Menschen engverbunden sind. In allen Kulturendient es auch dazu, sich von Schuldreinzuwaschen und eine Wandlungder Seele einzuleiten. Die Bitte „Erlöseuns von dem Bösen“ im christlichenVaterunser spiegle, so Woschitz, dieGrundfrage aller Religionen und Philo-sophien wider: die Befreiung des Men-schen von Leid, Schuld und Bösem.Als eines der gebräuchlichsten Mittelritueller Reinigung habe das Wassereine grundlegende symbolischeBedeutung und stehe somit für seeli-schen Neubeginn und Erkenntnis.

Diese Kraft des Grundelements werdenicht nur in der Religion, sondernauch in Märchen und Sagen bildhaftdargestellt, erläuterte Woschitz. Soverwandelt sich in Grimms „Gestiefel-tem Kater“ ein Müllerbursche in einenMarquis, als er im Fluss badet. DerReligionswissenschaftler: „Das Able-gen der Kleider und Eintauchen in denFluss stehen für: ‚Mensch, erkenne dich selbst!’, also für das Eingestehender eigenen Schwächen.“ Wasserbedeutet also seelischen Neubeginnund Erkenntnis – und ist damit Symbolfür menschliche Grundfragen.

Sensibilisieren

20 21

Wasser als Lebensspender,Durststiller und Reiniger hat in vielen Ländernauch religiöseSymbolkraft.

Page 25: Jahresreport 2005

Auch beim anderen Extrem, den Über-schwemmungen, spielt der Menscheine Schlüsselrolle. Davon überzeugtist Dr. Wolfgang Kron, Leiter des Fach-gebiets Hydrologische Risiken in derGeoRisikoForschung der MünchenerRück: „Heute ist man fast an keinemOrt mehr vor Sturzfluten sicher, selbstauf einem Berg nicht“, erläuterte Kron.Einzelne Überflutungen könnten ver-heerende Schäden anrichten, etwa inBangladesch, wo 1998 vierzig Prozentdes Landes unter Wasser standen. In Industrieländern entstehen bei Ein-zelereignissen oft volkswirtschaftlicheSchäden von vielen Milliarden Euro.Letztlich könne man den zunehmen-den Überschwemmungen vor demHintergrund des Klimawandels nur ineiner Risikopartnerschaft zwischenPolitik, Wirtschaft und Gesellschaftbegegnen. „Wir müssen lernen, mitÜberschwemmungen zu leben, aberauch gemeinsam aktiv werden, wennsteigende Schäden und tragischeEreignisse verhindert werden sollen“,so Kron.

Doch verdränge man Risiken zu oftund zu schnell, selbst nach schwerenSchäden. Nachhaltige Schutzmaß-nahmen wie die Einrichtung von Flutschutzzonen scheiterten häufig am Widerstand der Anlieger. „Wir müssen das Risikobewusstseinfür Hochwasser schärfen“, beendeteKron seinen Vortrag. „Dann haben wir eine Chance.“

„Wir freuen uns schon heute auf die kommenden Dialogforen zu den‚Risiken der Münchner’, die im Herbst2006 stattfinden werden“, schließtAnne Wolf, Projektleiterin der Stiftung,die Veranstaltungsreihe.

Vorträge der Münchener RückStiftung 2005

Um für die globalen Herausforde-rungen zu sensibilisieren, denensich die Stiftung stellt (siehe S. 3),haben neben den „Dialogforen Wasser“ auch Vorträge beigetra-gen, die das Stiftungsteam beiverschiedenen Veranstaltungenhielt. Ein Auszug:

16.03.Naturkatastrophen – Trends und Folgen GTZ, Frankfurt

21.04.Naturkatastrophen und die Klimaveränderung – Beobachtungen und TrendsAllianz Landesbeirat, Mühlacker

19.05.Climate Change – Risks and Opportunities for the Banking and Insurance Sectors UNEP-FI, Barcelona

02.06.Entwicklungszusammenarbeit (EZ) – Ein Überblick Geo-Runde, München

22.06.Financial ProductsRed Cross Work Conference, Den Haag

23.07.Stürme, Fluten, Erdbeben – Sind wir noch zu retten?Tsunami-Tag, FachhochschuleRosenheim

27.07.Die Auswirkungen des Klimawandelsauf die KatastrophenhäufigkeitBayernLB, München

23.08.Concept and Background of the Munich Re FoundationStockholm Water Week

12.09.Global Natural Disasters – Serving people at riskSTS Forum, Kyoto

13.09.MDGs: A Business Case for theFinancial Industry?10th International Business Forum2005, New York

28.09.Nachhaltiges Investment – Kür oder Pflicht?MEAG, München

03.10.Disaster Prevention – The last micrometerISRD, London

09.10.Naturkatastrophen, Klimawandelund die MDGsJournalistenseminar, UniversitätHohenheim

24.10.Vom WasserWasserStiftung Ebenhausen

14.11.UNEP-FI – Eine globale Partnerschaft zur Unterstützungdes Kioto-ProzessesEvangelische Akademie, Tutzing

18.11.Globale HerausforderungenInWent, Lauingen a. d. Donau

21.11.Vom Wissen zum Handeln – Naturkatastrophen – Bewusstsein ist der SchlüsselLions Club, Schleißheim

24.11.Klimawandel, Wetter-katastrophen – Was kommt auf unszu? Was können wir tun?Verein Energie mit Zukunft, Bad Endorf

24.11.MikroversicherungGeo-Runde, München

15.12.Wasser und Wüste – Katastrophenund HandlungsoptionenInWent, Feldafing

Trinkwasser mussüber weite Stre-cken herange-schafft oder ausbis zu 3 000 Metertiefen Brunnengepumpt werden.

1998 standen inBangladesch vierzig Prozentdes Landes unterWasser.

Münchener Rück Stiftung/Report 2005

Page 26: Jahresreport 2005

Nur wenn Menschen den Sinn von Risikovorsorge erkennen, können sie auch verantwortlich handeln .Wolfgang StiebensBerater des International Institute for Disaster Risk Management (DRM), Projektleiter der GTZ für das Flutwarnprojekt in Mosambik

Handeln In ihren Projekten setzt die MünchenerRück Stiftung Wissen in konkreteHandlungen zur Unterstützung vonMenschen in Risikosituationen um.Dabei arbeitet sie mit kompetentenPartnern zusammen. Die Projekte richten sich direkt an die Betroffenenund beziehen sie und vorhandeneStrukturen aktiv mit ein.

2005 förderte die Stiftung drei Wasser-projekte: In Mosambik unterstützte sie die Anwohner eines Flusses, einFlutwarnsystem aufzubauen; in Eritreahalf sie, so genannte Nebelnetze aufzustellen, mit denen die Bewohner des trockenen Hochlands selbst Trinkwasser erzeugen können. Und:Erdbebenopfer in Pakistan könnenjetzt mit Filtern Trinkwasser aufberei-ten und so lebensbedrohliche Krank-heiten vermeiden.

22 23

Frühwarnsystem Flut: Wolfgang Stiebens kennt Mosambik wieseine Westentasche. Hier wirbt er für das Frühwarnsystem am Fluss Búzi, das nur funktionieren kann, wenn alle Mitgliederder Dorfgemeinschaft anpacken.

Page 27: Jahresreport 2005

2005 gingen in Afrika Frauen und Kinder 40 Milliarden Stunden zu Fuß, um Wasser zu holen. Schule und Ausbildung blieben meistauf der Strecke.

Page 28: Jahresreport 2005

An strategischen Punkten im Einzugs-gebiet des Flusses überwachen eigensberufene Verantwortliche aus denDörfern einfach ablesbare Pegelmes-ser und erfassen den Tagesnieder-schlag. Kritische Niederschlagsinten-sitäten oder Wasserpegel senden sieper Funk an das Auswertungs- undFrühwarnkomitee in der Distrikt-hauptstadt Búzi. Lassen die Meldun-gen Flächenniederschläge erwarten,werden je nach Warnstufe blaue,gelbe oder rote Flaggen gehisst. Zuvorausgewählte Helfer schwärmen ausund verbreiten mit Megaphonen dieWarnung; gefährdete Gebiete werdengeräumt.

Die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ)und das World Institute for DisasterRisk Management (DRM) haben das System installiert. Sie brachten Experten aus Honduras ins Land, diein ihrer mittelamerikanischen Heimatein gleichartiges, lokal gesteuertesSystem errichtet hatten. FreiwilligeMitarbeiter der Münchener-Rück-Außenstelle in Südafrika begleitetendas Vorhaben und halfen beim Monitoring.

Ein erfolgreicher Testlauf des Systemsim November 2005 zeigte, dass dieMenschen am Oberlauf ihre sozialeVerantwortung erkennen und wahr-nehmen, und Dorfälteste, Bürger-meister und Distriktverwaltung dasKonzept mittragen.

Im nächsten Schritt sollen Gefähr-dungskarten für den Búzi erstellt unddas Projekt in andere gefährdeteRegionen Mosambiks übertragen wer-den. Ferner wollen die MünchenerRück Stiftung und die GTZ in Koopera-tion mit dem nationalen mosambika-nischen Institut für Katastrophen-management (INGC) einen Distrikt-beratungsservice für Katastrophen-vorsorge aufbauen.

Mosambik im Südosten Afrikas wirdimmer wieder von schweren Stürmenheimgesucht. Gewaltige Regen-mengen lassen Flüsse innerhalb kür-zester Zeit über die Ufer treten, reißenMenschen in den Tod und verwüstenganze Landstriche. In Zukunft wirdeine Gruppe lokaler Freiwilliger dieWasserstände messen und so dieBevölkerung rechtzeitig warnen. Die Münchener Rück Stiftung unter-stützt den Aufbau dieses einfachen,aber effektiven Frühwarnsystems.

2000 war ein schlimmes Jahr für dieMenschen in Mosambik. Ein Sturmtiefund die beiden Zyklone Eline und Gloria brachten im Februar und Märzexzessive Regenfälle, die vor allem die Flüsse Búzi und Save in Zentral-mosambik weit über die Ufer tretenließen: Bis zu 19 000 QuadratkilometerLand wurden überschwemmt, davonmehr als 2 000 QuadratkilometerÄcker. 700 Menschen kamen bei derKatastrophe ums Leben, tausende verloren ihre Lebensgrundlage.

Bisher lassen sich die schweren Flu-ten, von denen das Land immer wieder heimgesucht wird, nicht prog-nostizieren. Regenfall- und Wasser-standsdaten werden nicht systema-tisch erfasst. Finanzielle Mittel, um einhydrologisches Modell zu erstellen,gibt es nicht: Mosambik ist eines derärmsten Länder der Welt.

Mit dem Projekt „FlutwarnsystemMosambik“ unterstützte die Münche-ner Rück Stiftung 2005 den Aufbaueines einfachen Systems am Búzi, mitdem Flutwellen vorhergesagt und dieMenschen über die drohende Gefahrschnell informiert werden können.

Gefahr bei roter FlaggeFlutwarnsystem in Mosambik

Handeln

24 25

Der Fluss Búzi istdie Lebensader der Menschen in derProvinz Sofala inZentralmosambik: Bei ruhigem Wasserwird er mit Ein-bäumen befahren.

In Mosambik müssenFrauen und Mädchen das Wasser holen. Märsche von 30 Kilometern sindkeine Seltenheit.

Page 29: Jahresreport 2005

Vom Krieg gezeichnet

Bereits kurz nach der Unabhängig-keit von der portugiesischenKolonialmacht 1975 brach inMosambik ein Bürgerkrieg aus, der17 Jahre dauerte und mindestenseine Million Menschenleben forder-te. Große Teile des Landes und der Infrastruktur wurden verwüs-tet. Noch heute leben in Mosambik70 Prozent der Bevölkerung von weniger als 0,40 US$ pro Tag.Mehr als die Hälfte der Einwohnerkönnen weder lesen noch schrei-ben; die Kindersterblichkeit liegt bei 12,5 Prozent. Die durch-schnittliche Lebenserwartung wird – auch durch die hohe Zahl anAIDS-Infektionen – weiter sinken.

Naturkatastrophen suchen regel-mäßig das Land heim: Neben Zyklo-nen und heftigen Unwettern, diejedes Jahr den Südosten des afrikanischen Kontinents treffen,gab es in den vergangenen Jahrenschwere Dürren.

Trotzdem hat sich die wirtschaft-liche Lage Mosambiks seit demFriedensschluss verbessert: Das Wirtschaftswachstum liegtseit 1995 bei durchschnittlichsechs Prozent, von dem allerdingsgrößtenteils südafrikanischeUnternehmen profitieren. Die Einschulungsrate lag 2004 bei92 Prozent; die Demokratie hatsich stabilisiert.

EinblickeMosambik/Deutschland

Speziell ausge-wählte Verant-wortliche lernen,wie sie sich imErnstfall verhal-ten müssen.

Die Dorfgemein-schaft wird amVersammlungsplatzüber neueste Entwicklungeninformiert.

Schon in der Schulemuss Risikobewusst-sein geschaffenwerden – hier in derDorfschule Búzi.

Kinderleicht abzulesen: RoteFarbmarkierungenkennzeichnen diegefährlichen Pegel-stände entlang desFlusses.

Zugang zu sauberem Trinkwasser in %

Analphabetenrate in %

Asphaltierte Straßenkilometer in %

Stadt 76

Männlich 38

19

Weiblich 69

Land 24

Stadt/Land 100

Lebenserwartung in Jahren

Regentage/Jahr in Maputo

Radiogeräte/1 000 Personen

99

weniger als 1

64

44

167

570

Mosambik

Fläche801 590 km2

Einwohner19,4 Millionen

Bevölkerungs-dichte24 Einwohner pro km2

76 82

männlich weiblich

40 41

Kilokalorien/Person/Tag

2 082 3 484

Münchener Rück Stiftung/Report 2005

Page 30: Jahresreport 2005

Die feinen Wassertröpfchen desNebels lassen sich einfach und sehrwirkungsvoll sammeln und sind einewertvolle und ergiebige Trinkwasser-quelle. Mit Unterstützung der Mün-chener Rück Stiftung hat die Wasser-Stiftung Ebenhausen damit begon-nen, so genannte Nebelnetze aufzu-stellen, die 1 000 Menschen mit saube-rem Wasser versorgen werden. DieWassertröpfchen schlagen sich an denfeinen Kunststofffasern der Netze nie-der und werden über Fangrinnenabgeleitet. Die kanadische Nichtregie-rungsorganisation FogQuest hat dieseTechnik entwickelt und solche Netzebereits erfolgreich in Chile und imJemen in trockenen, aber nebel-reichen Küstengebieten installiert.

Nach den positiv verlaufenen Tests imJahr 2005 sollen 2006 insgesamt 40 Nebelnetze rund 300 Liter Wasserpro Netz und Tag sammeln und dreiDörfer versorgen. Um das Wasser zuspeichern, wird eine Zisterne gebaut,die 30 000 Liter fasst. Ein lokales Wasserkomitee wird das Wasser ver-walten, verteilen und erschwinglichePreise festlegen. Die bewachten Zisternen werden jeden Tag einigeStunden offen sein.

Die Nebelnetze zeigen, wie man sehralte Erfahrungen nutzen kann: In derKalahari im Süden Afrikas sammelnBuschmänner von jeher Tauwasser,das sich an Pflanzen abgesetzt hat undes ihnen ermöglicht zu überleben. DieNebelnetze in Eritrea, die nach demgleichen einfachen Prinzip funktionie-ren, können die Lebenssituation derMenschen effizient und nachhaltigverbessern.

Das einst waldreiche Eritrea leidetheute unter ständigem Wasserman-gel. Spezielle Kollektoren, die Nebel-tröpfchen einfangen, können vielenMenschen im Hochland von Asmarabald dringend benötigtes Trinkwasserliefern. Die Münchener Rück Stiftungunterstützt das Projekt „Nebelnetze“der Ebenhausener WasserStiftung.

Wasser holen ist auf dem schwarzenKontinent Frauensache: 40 MilliardenStunden jährlich sind Frauen undMädchen damit beschäftigt, daslebenswichtige Nass zu transportieren.Im Hochland von Asmara in Eritrea,zwischen 2 000 und 2 500 Meter hochgelegen, ist das eine besonders be-schwerliche Arbeit: Mit einem 20-Liter-Kanister auf dem Rücken müssen dieFrauen Tag für Tag oft stundenlangeFußmärsche zu den Wasserstellen indie Täler zurücklegen, da es im Hoch-land kaum Quellen oder Brunnen gibt.In den Tälern kann man auch Wasserkaufen, das mit Tankwägen aus derHauptstadt Asmara kommt – aller-dings zu einem Preis, der für armeMenschen oft unerschwinglich ist.

Niederschlag fällt im Hochland außer-halb der Regenzeit im Sommer selten.In der Trockenzeit zwischen Novemberund März bilden sich jedoch Nebelund Wolken entlang einer 500 Kilome-ter langen Gebirgsregion, die Hoch-land und Küste trennt. Sie entstehendurch heiße Luft, die im Landesinne-ren hochsteigt und feuchte Luft vomRoten Meer ansaugt.

WasserfängerNebelnetze in Eritrea

Handeln

26 27

Freude beim Vorstand der WasserStiftungEbenhausen: Die Spende derMünchener Rückund ihrer Stiftungermöglicht denAufbau von 20 Nebelnetzen in Eritrea.

Page 31: Jahresreport 2005

Einheit in kultureller Vielfalt

Eritrea ist der jüngste StaatAfrikas: 1993 erlangte das Landnach fast dreißig Jahren Krieg dieUnabhängigkeit von Äthiopien.Diese Kämpfe und anschließendeGrenzkonflikte mit dem Nachbarnhaben es ausgezehrt.

Trotz der kriegreichen Vergangen-heit und der desolaten wirt-schaftlichen Lage entwickelt Eri-trea ein starkes kulturellesBewusstsein: In der Verfassungsind alle neun Sprachen der ver-schiedenen Ethnien gleichberech-tigt festgeschrieben. Jede ethni-sche Gruppe in Eritrea soll ihrekulturellen Traditionen pflegenund jedes Kind soll die Möglichkeithaben, Grundschulunterricht inder Muttersprache zu erhalten.

Das Kultur- und Bildungsministeri-um fördert die Erfassung undSicherung der historisch interes-santen und archäologisch wert-vollen Stätten, um nicht zuletztdie Attraktivität Eritreas alstouristisches Ziel zu steigern.

Nebelnetze werdenim Team montiert:Hier ein kleinesTestnetz, das biszu 30 Liter Trink-wasser pro Tag liefern kann.

Die Netze müssenso aufgestelltwerden, dass inder Trockenzeitvon November bis März ein Maxi-mum an Wasser-tröpfchen geern-tet werden kann.

Buchführung undStatistik sindwichtig, wenn dieTechnik weiterverfeinert werdensoll. Vertreter aus den Projekt-dörfern wertengemeinsam mit derkanadischen Orga-nisation FogQuestdie Daten aus.

Eritrea

Fläche121 144 km2

Einwohner4,6 Millionen

Bevölkerungs-dichte36 Einwohner pro km2

EinblickeEritrea/Deutschland

Zugang zu sauberem Trinkwasser in %

Analphabetenrate in %

Asphaltierte Straßenkilometer in %

Stadt 72

43

22

Land 54

Stadt/Land 100

Lebenserwartung in Jahren

Regentage/Jahr in Asmara

99

weniger als 1

60

167

76 82

männlich weiblich

57 60

Kilokalorien/Person/Tag

1 5193 484

Radiogeräte/1 000 Personen

464

570

Münchener Rück Stiftung/Report 2005

Page 32: Jahresreport 2005

Mit der Initiative von THW und Mün-chener Rück Stiftung, Trinkwasser-Emergency-Kits zu beschaffen, konn-ten 150 Familien – insgesamt etwa 1 000 Menschen – eines „spontanenNotlagers“ in der Nähe von Balakotversorgt werden. Die Stadt in derNähe des Epizentrums, in der einst 60 000 Menschen lebten, wurde durchdas Beben praktisch vollständig zer-stört. Trotzdem sammelten sich dieMenschen auch aus den umliegendenBergdörfern um Balakot, da entlegeneGegenden von jeder Hilfe abgeschnit-ten waren.

Mitarbeiter der ortsansässigen, pakis-tanisch-amerikanischen Entwicklungs-hilfeorganisation Dosti Foundationwiesen die Familien in der lokalenSprache Urdu in den Gebrauch derWasserfilter ein. Dies war erforderlich,denn die Analphabetenrate in derRegion ist mit 55 Prozent sehr hoch. In der halbstündigen Informationsver-anstaltung lernten die Kleingruppen(10 bis 15 Personen) Grundlagen überLagerung und Hygiene im Umgangmit Wasser. Zusätzlich zu einem Wasserfilter erhielt jede Familie einFaltblatt mit der Gebrauchsanweisung,die einheimische THW-Mitarbeiter in Urdu übersetzt hatten. Für rund 10 €pro Person konnte auf diese Weisesauberes Wasser für rund 100 Tagesichergestellt werden.

In den Morgenstunden des 8. Oktober2005 erschütterte eines der stärkstenErdbeben der vergangenen hundertJahre die Region Kaschmir in Pakistan.Viele tausend Erdbebenopfer benötig-ten vor allem Schutz vor dem Winterund sauberes Wasser. Die MünchenerRück Stiftung spendete winterfesteZelte und startete zusammen mit derBundesanstalt Technisches Hilfswerk(THW) die Initiative zur Beschaffungvon Trinkwasser-Emergency-Kits, mitdenen die Menschen selbstständigWasser aufbereiten können.

Nach Schätzung der Vereinten Natio-nen kamen bei dem Erdbeben inKaschmir mit der Stärke 7,6 auf derRichterskala 88 000 Menschen umsLeben; 3,3 Millionen wurden obdach-los. Der nahe Winter, der in den Aus-läufern des Himalaja sehr kalt undschneereich ist, und die weitgehendzerstörten Wasserleitungen und sani-tären Anlagen erforderten schnelleHilfe. Besonders Kinder und Schwan-gere litten unter den schweren, mit-unter tödlichen Magen-Darm-Erkran-kungen, die verunreinigtes Wasserhervorrufen kann.

Wasserfilter für ErdbebenregionPakistan erhält Soforthilfe

Handeln

28 29

Die Spenden-bereitschaft warin Deutschlandbisher bei großenNaturkatastro-phen beachtlich.Der Tsunami vom26. Dezember 2004hat alles Bisherigeweit übertroffen.

Dagegen ist beim Erdbeben vonPakistan im Herbst 2005, das 88 000 Menschendas Leben kostete,das Spenden-aufkommen starkabgefallen.

QuelleDeutschesZentralinstitutfür soziale Fragen (DZI), 2006

Spendenaufkommen in Deutschland

670 Mio. ¤

Seebeben in Südostasien/Tsunami2004

350 Mio. ¤

Elbeflut2002

80 Mio. ¤

Erdbeben in Pakistan/Kaschmir-Region2005

66 Mio. ¤

Oderflut1997

Page 33: Jahresreport 2005

Pakistan – die vergessene Katastrophe?

Sowohl die internationale als auchdie nationale Hilfe für die Opferdes Erdbebens im pakistanischenTeil Kaschmirs liefen zunächstzögerlich an. Erst alarmierendeSpendenaufrufe und eine UN-Geberkonferenz im November 2005brachten zumindest einen Teil derdringend benötigten Mittel.

Unicef-Sprecher Rudi Tarnedensieht die Gründe in den vielenKatastrophen, die es 2005 gab: Die Hilfen für den Tsunami, dieHungerkrise im Niger, die Hurrikanein der Karibik und das Erdbeben inPakistan hätten sowohl Hilfs-organisationen als auch Öffent-lichkeit und manche Regierungen anihre Grenzen gebracht.

Hinzu kommt die relativ spärlicheBerichterstattung aus der entlegenen und militärisch abge-schotteten Region, in der Men-schen einer fremden Kultur leben.Europäer können sich damit nurschwer identifizieren.

Durch die Initiativedes THW und derMünchener RückStiftung können 150 Familien in Notlagern versorgtwerden. Die Trink-wasserversorgungkann mit 10 ¤ für100 Tage gesichertwerden.

Ein Familienober-haupt erklärt die Trinkwasser-aufbereitung.

Pakistan

Fläche803 940 km2

Einwohner162 Millionen

Bevölkerungs-dichte186 Einwohner pro km2

EinblickePakistan/Deutschland

Zugang zu sauberem Trinkwasser in %

Asphaltierte Straßenkilometer in %

Stadt 95

59

Land 87

Stadt/Land 100

Lebenserwartung in Jahren

Regentage/Jahr in Islamabad

99

29

167

76 82

männlich weiblich

62 64

Kilokalorien/Person/Tag

2 316 3 484

Analphabetenrate in %

Männlich 47

Weiblich 71

weniger als 1

Radiogeräte/1 000 Personen

105

570

Münchener Rück Stiftung/Report 2005

Page 34: Jahresreport 2005

Vom Wissen zum Handeln

30 31

Dr. Hans-Jürgen Schinzler

Page 35: Jahresreport 2005

Interview

Dr. Hans-Jürgen Schinzler ist Auf-sichtsratsvorsitzender der MünchenerRück. In den Jahren von 1993 bis 2003war er Vorstandsvorsitzender undmaßgeblich an der Stiftungsgründungbeteiligt. Als Vorsitzender des Stiftungsrats begleitet er die Arbeitder Stiftung.

Herr Schinzler, wir blicken auf ein Jahr Stiftungsarbeit zurück. Welches Resümee ziehen Sie?

Schinzler: Erste Ergebnisse unsererAktivitäten wie der Aufbau des Flut-warnsystems in Mosambik oder derNebelnetze in Eritrea beweisen, dasswir bereits im ersten Stiftungsjahr dieLebensbedingungen der Menschenvor Ort verbessern konnten. Lang-fristig erfolgreich wären wir, wennunser Engagement andernorts nach-geahmt würde.

Was war Ihnen als Stiftungsrats-vorsitzender besonders wichtig?

Schinzler: Mir war wichtig, dass wiruns keine Ziele setzen, die wir erst in10 Jahren erreichen. Wir wollten„etwas zum Anfassen“ unterstützenund uns dort engagieren, wo wir kurzfristig etwas bewegen können,das nachhaltig wirkt. Neben prakti-scher Projektarbeit haben wir aberauch durch Risikoforschung Wissenaufgebaut und die Öffentlichkeit sensibilisiert.

Die Stiftung war im vergangenen Jahr in Entwicklungsländern in Afrika aktiv. Ist das Ihr geografischerSchwerpunkt?

Schinzler: In erster Linie wollen wir inEntwicklungs- und Schwellenländernpositive Impulse geben. Im Gegensatzzu klassischer Entwicklungszusam-menarbeit beschränken sich die Stiftungsprojekte allerdings nicht auf den armen Teil der Welt. So wirddas Problem etwa der Wasser-knappheit auch in Industrieländernauftreten. Hier kann die Initiative derStiftung vielerorts etwas bewegen.

Wir haben mit der Stiftung erste Akzentegesetzt und konnten zeigen, auch mit einem kleinen Hebel lässt sich etwas bewirken. Dr. Hans-Jürgen SchinzlerVorsitzender des Aufsichtsrats der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft und Vorsitzender des Stiftungsrats

Münchener Rück Stiftung/Report 2005

Page 36: Jahresreport 2005

Der Rückblick auf die Evolution erklärtallerdings auch manche Schwächedes modernen Menschen. Das Gehirndes Homo sapiens hat sich mindes-tens vor 50 000, womöglich schon vor200 000 Jahren zu seiner heutigenForm entwickelt. Das oft so geschätzteDenkorgan wurde also zu einer Zeitgeprägt, in der die Anforderungen an das Überleben anderer Art warenals heute. Zwei Fähigkeiten warenbesonders wichtig: dem Raubtier zuentkommen und dem Feind eins aufdie Mütze zu geben. Die Lehrzeit in der Savanne befähigt uns heute einer-seits zu erstaunlichen Leistungen,etwa im Straßenverkehr, wo eineungeheure Zahl optischer Eindrückemit hoher Geschwindigkeit nachihrem Gefahrenpotenzial sortiert wer-den muss. Andererseits begründet die Evolution der Hominiden vermut-lich auch, warum manche westlicheIndustrienation heute Terroristen mehrfürchtet als den Klimawandel.

Die Steinzeit haben wir schon langehinter uns gelassen. Aber Risikenschätzen wir häufig so ein, wie esunsere Vorfahren getan hätten. Dr. Patrick Illinger, Wissenschafts-journalist und Leiter des Ressorts„Wissen“ der Süddeutschen Zeitung,reflektiert unsere Schwierigkeiten, mit einem in der Vorgeschichtegeprägten Gehirn heute zu überleben.

Das Leben wäre die Hölle, müssten wir Menschen jederzeit und in jederAlltagssituation die Risiken des eige-nen Handelns mathematisch korrektabwägen. Bevor wir eine Straße über-queren, wäre zu prüfen, ob es mehrwert ist, den anderen Bürgersteig zu erreichen, als das Risiko, überrolltzu werden. Überhaupt wäre jede Auto-fahrt eine Qual, angesichts der sto-chastisch nicht unerheblichen Wahr-scheinlichkeit, als einer von jährlich 5 000 deutschen Verkehrstoten zuenden. Und jedes Boeuf à la modebekäme den Hautgout eines choleste-ringetränkten Sargnägelchens.

So gesehen ist es ein Glück, dass dieNatur den Menschen mit einer kräfti-gen Portion Irrationalität ausgestattethat. Die meisten Annehmlichkeitendes Lebens sind schließlich mehr oder weniger gefährlich. Generell istauch jeder Fortschritt ein Risiko. OhneWagemut, Neugier und die Bereit-schaft, sich selbst auch kräftig wehzu-tun, hätten unsere Vorfahren vor 2,5 Millionen Jahren in der Olduvai-Schlucht in Tansania niemals begon-nen, Steine zurechtzuklopfen und hartschalige Früchte damit zu öffnen.Der Gewinn dieser ersten verbürgtenInnovation der Menschheitsgeschich-te übertraf letztlich die damit verbun-denen Risiken.

Überleben mit dem RisikoDr. Patrick Illinger zur Evolution des Umgangs mitGefahren

Essay

32 33

Dr. Patrick Illinger

Page 37: Jahresreport 2005

Der Mensch ist immer stark, wenn erdie Gefahr unmittelbar vor Augen hat.Wenn das Raubtier aus dem Buschspringt, reagiert der Körper vegetativ:Fest verdrahtete Reaktionen steuerndas Verhalten und sichern im günstig-sten Fall das Überleben. Das eigeneHandeln hat in dieser Situation nichtsmehr mit dem Räsonieren und Abwä-gen im Angesicht eines vagen, zeitlichoder räumlich ausgedehnten Problemszu tun.

Die weniger durchsichtigen Risikenbergen jedoch die Gefahr, dass wirnicht adäquat reagieren oder präven-tiv handeln. Vor dem 26. Dezember2004 hatten höchstens ein paar splee-nige Meeresgeologen das Thema Tsunami im Blick. Dass Viren, dieVögel infizieren, sich auch mit Vögelnverbreiten, scheint so manchen Politi-ker überrascht zu haben. Und einstrenger Winter lässt sogar gebildeteZeitgenossen am Klimawandel zwei-feln. All das macht deutlich, wieschwer es uns Menschen fällt, ein Pro-blembewusstsein allein auf der Basiswissenschaftlicher Fakten zu entwi-ckeln. Engagierte Forscher versuchendaher gelegentlich, das weltweit lah-mende Engagement gegen Kohlen-dioxidemissionen über den Vergleichmit fühlbaren Gefahren, etwa demTerrorismus, zu beleben. Doch das istein Irrweg, weil der ImpulsgeberAngst nicht automatisch die richtigeReaktion auslöst. Die Menschheit sollte sich daher den Luxus nicht neh-men lassen, mit Verstand nachhaltigeAuswege aus komplexen Problemenzu suchen. Dafür allerdings müssenkomplexe Gefahren als solche erkanntwerden.

Dem steht die biologische Tatsacheentgegen, dass der einzelne Menschnicht fähig ist, emotional auf langfristi-ge, theoretische und multikausaleRisiken zu reagieren. Dieses Unvermö-gen kann die Menschheit nur als Kol-lektiv ausgleichen. Die Basis dafürsind solide Forschung und Erkenntnisüber den Zustand der Welt. So wie der Mensch einen Sinn für Kunst,Genuss und Symbolik entwickelt hat,sollte er den Drang empfinden, dieZusammenhänge der Natur zu verste-hen. Das wäre die lohnenswertesteFortsetzung des Engagements unsererVorfahren aus der Olduvai-Schlucht,die sich einst von dem Schicksalbefreiten, ein willenloser Spielball derNaturgewalten zu sein.

Die weniger durchsichtigen Risiken bergen die Gefahr, dass wir nicht adäquatreagieren oder präventiv handeln.

Dr. Patrick IllingerLeiter des Ressorts „Wissen“ der Süddeutschen Zeitung und Stiftungsratsmitglied der Münchener Rück Stiftung

Münchener Rück Stiftung/Report 2005

Dr. Patrick Illinger

Der promovierte Physiker und Wissenschaftsjournalist, Jahrgang 1965, arbeitet seit 1997 als Redakteur bei der Süd-deutschen Zeitung, wo er seitApril 2002 das Ressort Wissen undseit Dezember 2004 die Redaktiondes Wissenschaftsmagazins „SZ Wissen“ leitet. Dr. Illinger ist Stiftungsratsmitglied der Münchener Rück Stiftung.

Page 38: Jahresreport 2005

„ ... 125 Jahre Münchener Rückgeben uns Anlass zur Freude. Indem Wort ,Jubiläum‘ steckt dashebräische ,Jovel‘, was ,Freuden-schall‘ heißt. Wir wollen heutenicht nur unsere Freude teilen,sondern auch ein Stück weit unserWissen. Wer über ein breites Wissen verfügt, trägt Verantwor-tung. Und wer verantwortlich handelt, muss sein Wissen teilen.

Mit der Gründung der MünchenerRück Stiftung, die mit einem Kapi-tal von 50 Millionen ¤ ausgestat-tet ist, übernimmt die MünchenerRück diese Verantwortung. Wirstiften aber nicht nur unser Geld,wir stiften auch unser Wissen. Die Projektarbeit der neuen Stif-tung der Münchener Rück führtvom Wissen über ,Menschen undRisiken‘ zum Handeln.

Heute wird die Stiftung aus derTaufe gehoben. Mehr noch, siebeginnt – quasi gleich nach ihrerGeburt – aktiv mit ihrer Projekt-arbeit.

Die Themen der Stiftungsarbeitsind so vielfältig wie die Hinter-gründe und Ursachen von Risiken.So sind Fragen zum Thema Bevölke-rungsentwicklung untrennbar verbunden mit dem Element Wasserals knapper Ressource einerseitsund als Risikofaktor andererseits,denken Sie an Überschwemmungen.Ebenfalls eng miteinander ver-knüpft sind Umweltveränderungund Klimawandel oder Katastro-phenvorsorge und Armutsbekämp-fung. Die Stiftung will übergrei-fende Aspekte aus unterschiedli-chen Perspektiven beleuchten, umdann nachhaltige Lösungen für dieRisikobewältigung zu entwickeln.“

Für ihr 125-Jahre-Fest hatte die Münchener Rück etwas Besonderesvorbereitet: Mit den Jubiläums-feierlichkeiten am 7. April 2005 nahm die Münchener Rück Stiftung ihre Arbeit auf. Geschäftsführer Thomas Loster unterzeichnete mitProf. Dr. Dr. Janos J. Bogardi einAbkommen zur Einrichtung eines Stiftungslehrstuhls. Der „Munich ReFoundation Chair on Social Vulnera-bility“ wird sich an der UN-Universitätin Bonn um Risikoforschung unterdem Blickwinkel kultureller Unter-schiede im Umgang mit Katastrophenund Umweltveränderungen kümmern.

Wir stiften unser Wissen

In seiner Rede zum Festakt anlässlichdes Jubiläums der Münchener Rückging Vorstandsvorsitzender Dr. Niko-laus von Bomhard unter anderem aufdie Motive ein, die zur Gründung derStiftung geführt hatten.

Der FestaktMünchener RückStiftung beginnt mitder Arbeit

Startschuss

34 35

Wer über ein breites Wissen verfügt, trägt Verantwortung. Und wer verantwortlich handelt, muss sein Wissen teilen.

Dr. Nikolaus von BomhardVorstandsvorsitzender der Münchener Rück

Page 39: Jahresreport 2005

Warum schützen Menschen ihrenBesitz besser als ihr Leben?

Erstes Projekt der jungen MünchenerRück Stiftung war die Gründung des Lehrstuhls zur Erforschung der„Social Vulnerability“. In seiner Redeerläuterte der Direktor der UN-Uni-versität, Bonn, Prof. Dr. Dr. Bogardiden Forschungsbedarf für die häufig kulturell geprägte „Verletzbarkeit“ vonGesellschaften gegenüber Risiken.

„ ... In der Forschung an unseremInstitut setzen wir nicht bei denklassisch-naturwissenschaftlichenKomponenten der Gefährdungdurch extreme Ereignisse undschleichende Umweltveränderun-gen an, sondern vielmehr bei derVerletzbarkeit des Menschen undder Gesellschaften an sich.

Bei der Quantifizierung von Ver-letzbarkeit neigen wir dazu,Ersatzindikatoren wie zum BeispielArmut mit Verletzbarkeit gleich zusetzen. Dabei geht die Berück-sichtigung von traditionellenMethoden mit Gefahren umzugehenebenso verloren wie die Erkennt-nis, wie sehr hochtechnisierteGesellschaften sich als Zielscheibepräsentieren. Es ist mehr als eineVermutung, dass hinsichtlich Ver-letzbarkeit eine tiefe Diskrepanzklafft zwischen Wahrnehmung undWahrheit.

Eine der ergreifendsten Fotoauf-nahmen vom Mosambik-Hochwasser2000 zeigt eine Gruppe von Men-schen, die sich vor der steigendenFlut auf eine winzige Erhöhung umeinen Baum geschart hat. Ihrewichtigsten Besitztümer, darunterein Fahrrad, waren hoch in den Baumgehängt und am besten geschützt.

Was bewegt Menschen, eher sichselbst den Gefahren auszusetzenals ihre Habseligkeiten zu verlie-ren? Könnte man eine ähnlicheReaktion in Asien, Lateinamerikaoder eben in Europa erwarten?Lässt sich ein solches Verhalteneiniger weniger Menschen auf einengrößeren Maßstab übertragen? –Viele Fragen, die wissenschaftlichnoch nicht genügend erforschtsind; und doch dringend beantwor-tet werden müssten, um bei derKatastrophenvorbeugung brauch-bare Grundlagen zu schaffen – zur Vorbereitung politischer Ent-scheidungen, aber auch füröffentliche Informationen undFrühwarnung. Denn menschlicheSicherheit kann nur durch gezielteVerminderung der Verletzbarkeitnachhaltig verbessert werden.Deshalb sind wir der MünchenerRück Stiftung besonders zu Dank verpflichtet, dass sie mitihrem langfristigen Engagementeinen zusätzlichen Lehr- und Forschungsschwerpunkt im UNU-EHS-Institut ermöglicht.“

Dr. Nikolaus vonBomhard und Prof. Janos Bogardi sprechen auf demJubiläumsfestakt„125 Jahre Münche-ner Rück“ zum Thema„Mensch im Risiko“.

Prof. Klaus Töpfer,UN Under-Secre-tary-General und Leiter des UNEPunterstrich dieBedeutung vonumweltfreundlichemWirtschaften.

Münchener Rück Stiftung/Report 2005

Page 40: Jahresreport 2005

Zwei Besonderheiten zeichnen ihreVermögensverwaltung aus: Stiftungensind im Grundsatz auf die Ewigkeit an-gelegt und daher gehalten langfristigzu denken. So ist in Deutschland heute noch eine Stiftung aktiv, derenUrsprung ins 12. Jahrhundert zurück-reicht: Als älteste Stiftung Deutsch-lands, die praktisch ununterbrochengearbeitet hat, gilt der LüneburgerHospitalfonds Sankt Benedikti ausdem Jahr 1127.

Zweite Besonderheit von Stiftungen:Sie sind gesetzlich verpflichtet, ihrVermögen zu erhalten, was in der all-gemeinen Vorgabe der „sicheren undrentablen“ Geldanlage zum Ausdruckkommt. Damit unterscheiden sie sichdeutlich von anderen Anlegern, dienicht selten kurzfristige Renditezielemit mehr oder weniger hohem Risikodes Kapitalverlusts verfolgen.

Bei ihrer Vermögensverwaltung agiertdie Münchener Rück Stiftung zudem im Spannungsfeld zwischen Rendite-erwartungen und dem Stiftungs-zweck. Der Nachhaltigkeitsaspektdient in diesem Zusammenhang nichteinfach nur der Imagebildung, son-dern ist wichtiger Bestandteil einererfolgreichen Vermögensverwaltung.

Nachhaltigkeit – ein Thema für Stiftungen?

Es stellt sich die Frage, inwiefern die Vermögensverwaltung auf nach-haltige Faktoren Rücksicht nehmensollte, ob also zusätzlich zu den reinfinanziellen Aspekten auch ökolo-gische und soziale Kriterien eine Rollespielen sollten. Überraschenderweisezeigen Untersuchungen wie die Heissmann-Stiftungsstudie (2005),dass Stiftungen bislang kaum derarti-ge Ansätze verfolgen. Trotzdem hatdie Münchener Rück Stiftung diesemThema hohe Priorität eingeräumt.Denn Erträge aus ökologisch odersozial problematischen Anlagen wür-den zurecht die Frage nach der Glaub-würdigkeit aufwerfen, wenn sich dieStiftung etwa selbst in Projekten fürdie Beseitigung derartiger Schädenengagiert. Gleichzeitig kann sie ihrerlangfristigen Ausrichtung gerechtwerden, wenn sie die Sorge darum,dass Lebensgrundlagen für künftigeGenerationen erhalten bleiben, auch bei der Vermögensverwaltungberücksichtigt.

Die Münchener Rück Stiftung finan-ziert ihre gesamte Arbeit aus denErträgen ihres Stiftungsvermögens.Essenziell für eine erfolgreiche Arbeitist daher, es sicher zu verwalten undgute Renditen zu erzielen. Um nach-haltig zu wirtschaften und dabei öko-logische, ökonomische und soziale Kriterien berücksichtigen zu können,sind besondere Anlagestrategien notwendig.

Der Wunsch, etwas zu bewegen, sowieVerantwortungsbewusstsein gegen-über anderen Menschen – das sindlaut einer Studie der Bertelsmann Stiftung häufige Motive, eine Stiftungzu gründen. Außerdem wollen Stiftergerne selbst entscheiden, wie sie sichgesellschaftlich engagieren. Auch bei der Münchener Rück waren sozialeVerantwortung und die Absicht, dieAllgemeinheit stärker am eigenenErfolg teilhaben zu lassen, ausschlag-gebend für den Entschluss, im Jahr2000 eine Stiftung ins Leben zu rufen,die 2005 mit der operativen Arbeitbegann.

Mit einem Kapital von 50 Millionen €zählt sie zu den mittelgroßen Stiftun-gen in Deutschland. Laut Bundesver-band Deutscher Stiftungen verwaltenderartige Einrichtungen in Deutsch-land inzwischen zirka 60 Milliarden €.Und: Sie sind zunehmend beliebt.Wurden in den Achtzigerjahren im Jah-resdurchschnitt 150 gegründet, mar-kierte das Jahr 2005 mit 880 Neuerrich-tungen einen Rekord. Damit gibt esderzeit 13 490 bürgerlich-rechtlicheStiftungen in Deutschland.

Nachhaltigund ertragsstarkAnlagestrategie der Münchener RückStiftung

Kapitalanlage

36 37

Deutsche Börse, Frankfurt

Page 41: Jahresreport 2005

Rendite nachhaltiger Investments

Ein häufiges Vorurteil lautet: UmNachhaltigkeit bei der Kapitalanlagezu berücksichtigen, müsste man aufRendite verzichten. Dem widerspre-chen die Ergebnisse zahlreicher Studi-en, in denen bislang keine signifikantschlechtere Rendite nachhaltiger Kapitalanlagen nachgewiesen wurde.WestLB Panmure (2002) oder Schrö-der (2005) kamen sogar zu der Ein-schätzung, dass sich die Performanceverbessert hätte und gleichzeitig dasRisikoprofil abnehmen würde, auchwenn diese Angaben noch nicht statis-tisch abgesichert sind.

Es scheint plausibel, dass Unterneh-men, die sich bei ihren Produktions-prozessen und Produkten nicht denHerausforderungen des Klimawandelsstellen und weiter auf den sorglosenUmgang mit fossilen Brennstoffensetzen, mittel- bis langfristig einenwirtschaftlichen Nachteil haben. Denn der starke Anstieg der Weltbe-völkerung und die gleichzeitige rasan-te wirtschaftliche Entwicklung vonLändern wie China und Indien werdenden Energieverbrauch – und damit, wie schon 2005, auch die Preise – langfristig deutlich nach oben treiben.Gleichzeitig muss man davon ausge-hen, dass die Vorschriften zum Schutz des Klimas verschärft und dieEmissionen von Treibhausgasenzunehmend sanktioniert werden.Sogar China hat schon Vorgaben fürden maximalen Treibstoffverbrauchvon Fahrzeugen erlassen.

Nachhaltige Investments— ein Wachstumsmarkt

Die Zahl der Nachhaltigkeitsfondsin Europa stieg laut einer Studievon Avanzi SRI Research bis Mitte 2005 im Jahresvergleich um 6 Prozent auf 375. Das verwalteteVolumen wuchs im gleichen Zeitraumum 27 Prozent von 19 auf über 24 Milliarden ¤. Damit haben dieseAnlageformen ihr Nischendaseinbeendet. Auch wenn ihre durch-schnittliche Größe mit rund 64 Millionen ¤ immer noch unter der eines konventionellen Fondsliegt, bringen es einige britischeNachhaltigkeitsfonds bereits auf ein Vermögen von mehr alseiner Milliarde ¤.

Auch institutionelle Investoreninteressieren sich nun für dasThema. Es ist aber aufgrund derkomplizierten Abgrenzung schwie-rig, das Vermögen, das nach Nach-haltigkeitskriterien verwaltetwird, mit einer Zahl anzugeben. Das Carbon Disclosure Project will die Industrie mit Unterstüt-zung institutioneller Anleger zuintensiveren Klimaschutzanstren-gungen bewegen. Immerhin haben 2005 solche Initiativen Zugang zu Unternehmen gefunden, die zusammen 26 Billionen ¤ verwalten.

Anlagestrategie der Münchener Rück Stiftung

Um die Chancen der Anlagestrategieim Rahmen der rechtlichen Vorgabenbestmöglich zu nutzen, hat die Mün-chener Rück Stiftung Anfang 2002zusammen mit der MEAG, dem Vermögensverwalter der Münchener-Rück-Gruppe, einen Spezialfonds entwickelt, den MEAG MRS. Diese ArtKapitalanlage wurde nicht zuletzt deshalb gewählt, weil es mit ihr besserals mit anderen möglich ist, die Steuerung der Ausschüttungen an dieBedürfnisse der Stiftung anzupassen.Dabei sind die Kosten für einen Spezialfonds bei diesem Volumen imVergleich zu alternativen Anlage-formen vertretbar.

Der Fonds wird nach demTotal-Return-Prinzip geführt. Dabei zählt das abso-lute Ergebnis am Jahresende und nichtdie Performance in Relation zu einemVergleichsindex, der so genanntenBenchmark. Die Kriterien für Region,Rating oder Assetklassen, welche dieMEAG bei der Kapitalanlage berück-sichtigen muss, sind im so genanntenMandat zusammengefasst. Um dieRisiken zu mindern, wurde der maxi-male Aktienanteil auf 30 Prozentbegrenzt, der Rest wird in Unterneh-mens- und Staatsanleihen investiert.Die Anlage ist auf Europa beschränkt.

Zusätzlich zu diesen Vorgaben hat derStiftungsrat Richtlinien zur Nachhal-tigkeit verabschiedet. Positivkriterienlegen fest, dass ausschließlich solcheUnternehmen in das Anlageuniversumaufgenommen werden, die in ihrerBranche aus Nachhaltigkeitssicht füh-rend sind – der Best-in-class-Ansatz.Den Nachweis hierfür können dieUnternehmen z. B. dadurch erbringen,dass sie positiv in einem der zahlrei-chen Sustainability-Rankings abschnei-den. Für kleinere und mittlere Unter-nehmen, die seltener einer besonde-ren Nachhaltigkeitsbewertung unter-liegen, wurden besonders Geschäfts-felder mit Nachhaltigkeitsaspektenwie regenerative Energien oder Was-seraufbereitung definiert, die zu einerAufnahme ins Anlageuniversum qualifizieren. Negativkriterien definie-ren den Umgang mit Geschäftsfeldernwie Rüstung.

Münchener Rück Stiftung/Report 2005

Page 42: Jahresreport 2005

Zweimal im Jahr tritt ein Anlageaus-schuss mit Vertretern der MEAG, derMünchener Rück Stiftung und Finanz-experten der Münchener Rück zusam-men und entscheidet darüber, wie der Fonds auszurichten ist. Im Vorder-grund steht, wie Anleihen und Aktienim Hinblick auf die erwartete Markt-entwicklung gewichtet sind.

Überzeugende Anlagestrategie beischwierigen Rahmenbedingungen

In den vergangenen Jahren habenFondsgesellschaften die Stiftungenals potenzielle Kunden entdeckt. Standen nur zwei Alternativproduktezur Auswahl, als der MEAG MRS auf-gelegt wurde, waren es 2005 bereitssieben.

Tabelle 1 stellt die Performance desMEAG MRS anderen Stiftungsfondsgegenüber. Auch wenn der MEAGMRS dem Total-Return-Konzept folgt,wurde eine Benchmark als Vergleichs-maßstab herangezogen. Diese bestehtzu 85 Prozent aus dem AnleiheindexFTSE Eurozone Government BondIndex (all maturities) und zu 15 Prozentaus dem Aktienindex DJ STOXX 50.Der Anleiheindex umfasst Staats-anleihen aller Länder der Eurozone mit einer Restlaufzeit von mindestenseinem Jahr. Am 31. Januar 2006betrug die durchschnittliche Restlauf-zeit des Index 7,9 Jahre.

Auswahlprozess des Portfolios

Die Selektion erfolgt in zwei Stufen:Zunächst erstellen die Fondsmanagerder MEAG zusammen mit der Stiftungeine Liste mit etwa 400 Emittenten, die sowohl dem Mandat als auch den Nachhaltigkeitsanforderungengenügen.

Die Definition des Anlageuniversumswirft dabei völlig neue Fragestellun-gen auf: So sind die Auswahlkriterienvon europäischen Staatsanleihennach Nachhaltigkeitsgesichtspunktenweder sehr weit entwickelt noch aus-reichend auf ihren Zusammenhangmit der Performance überprüft. DiePositivkriterien von Sustainability-Ratingagenturen, die man derzeit ver-wendet, bringen aus Sicht der Stiftungkaum Mehrwert. Denn bestimmteNegativkriterien für den Ausschlusseinzelner Länder, etwa Menschen-rechtsverstöße, laufen angesichts der Anlagebeschränkung auf Europains Leere. Ein weiteres Problem ent-steht, wenn sich Negativ- und Positiv-kriterien widersprechen, also einUnternehmen beispielsweise bei derWasseraufbereitung zu den Marktfüh-rern zählt, andererseits aber gegenNegativkriterien verstößt. Hier mussman im Einzelfall abwägen und ent-scheiden.

Das Anlageuniversum kann jedochjederzeit angepasst werden, etwanach dem Börsengang eines interes-santen Unternehmens. Aus dieserGrundgesamtheit können die Fonds-manager dann ohne weitere Rück-sprache mit der Stiftung die aussichts-reichsten Titel für das Portfolio wählen.Diese zweistufige Vorgehensweise ist inzwischen bei vielen Nachhaltig-keitsfonds üblich.

Kapitalanlage

38 39

Fondsname 2002 2003 2004 2005 Performance p.a.1

LIGA-Pax-Balance-Stiftungsfonds-Union –21,86 2,71 4,93 11,32 -0,73F&C HVB-Stiftungsfonds –4,40 10,68 7,25 8,40 5,48DVG-Stiftungsfonds - 2,59 4,89 7,34 4,94Fonds für Stiftungen INVESCO - - 5,95 15,56 10,76DEKA-Stiftungen Balance - - 4,38 7,93 6,16dit-Stiftungsfonds Balanced - - 1,75 2,65 2,20dit-Stiftungsfonds Bonds - - 2,96 3,21 3,09Durchschnitt –13,13 5,33 4,59 8,06 4,56Benchmark2 2,20 6,13 7,52 7,97 5,96MEAG MRS 1,34 9,41 7,19 8,94 6,72

Performance-vergleich des MEAGMRS mit anderen in Deutschlandverfügbaren Stiftungsfonds.

Tabelle 1Performance ausgewählter Stiftungsfonds

1 Performance p. a. basiert auf den verfügbarenDaten.

Wertentwicklung (in Prozent) – aus allgemeinzugänglichenDatenquellen undMEAG, Stand Januar 2006.

Die Performance p. a. gibt den gleitenden Durch-schnitt aus denzur Verfügungstehenden Jahrenwieder.

2 Benchmark: 85 % FTSE Euro-zone GovernmentBond Index (all maturities), 15 % DJ STOXX 50.

Page 43: Jahresreport 2005

Das Ergebnis kann sich sehen lassen.Der MEAG MRS hat in allen Jahreneine überdurchschnittliche Renditeerzielt. Die durchschnittliche Perfor-mance per annum seit 2002 erreichtmit 6,72 Prozent ebenfalls einen Spit-zenwert, wobei nur über einen sehrkurzen Zeitraum mehrere Vergleichs-möglichkeiten zur Verfügung stehen.Trotz der schwierigen Finanzmärkte im Jahr 2002 ist es dem MEAG MRSnicht nur gelungen, den Werterhalt zu sichern, sondern er konnte das Ver-mögen sogar leicht mehren. In denFolgejahren gehörte er immer zu denbesten Fonds und erzielte eine kon-stant solide Performance. Die leichteUnderperformance gegenüber derBenchmark 2002 und 2004 wurdedurch eine deutliche Outperformance2003 und 2005 ausgeglichen.

Wichtiger, als einzelne Jahre zubetrachten, ist jedoch der Blick auf dielängerfristige Entwicklung einer Kapi-talanlage. Dies gilt umso mehr, alseine jährliche Umschichtung des Ver-mögens einer Stiftung wenig wahr-scheinlich ist und auch unter demGrundsatz der Vermögensanlage derruhigen Hand nicht geboten ist.

Tabelle 2 vergleicht, wie sich 100 €,angelegt in die jeweiligen Fonds, zwi-schen dem 1. Januar eines Jahres und dem 31. Dezember 2005 entwi-ckelt hätten (Total Return).

Auch langfristig betrachtet unter-streicht das Ergebnis die Stärke desAnlagekonzepts des MEAG MRS.Rückblickend zeigt sich: Seit Anfang2002, als der Fonds aufgelegt wurde,hat keine alternative Anlage in einemder anderen Fonds einen vergleichbarhohen Total Return erzielt. Dabei zahl-te es sich aus, dass der Fonds wenigRisiko einging, und somit auch inschlechten Zeiten den Kapitalerhaltsicherstellen konnte. Trotz des ver-gleichsweise niedrigen Risikoprofilszählte das Ergebnis auch in den gutenBörsenjahren zur Spitzengruppe. Dergeringe Abstand zu den Top-Perfor-mern einzelner Jahre wird langfristigkaum ins Gewicht fallen.

Fazit

Die Erfahrungen mit dem Spezial-fonds MEAG MRS haben gezeigt, dassNachhaltigkeit nicht zulasten der Ren-dite geht. Im Gegenteil: Die Tatsache,dass man soziale und ökologischeAspekte berücksichtigt, hat zum Erfolgdes MEAG MRS beigetragen. Dass der Fonds nicht blind einem Indexfolgt, sondern Chancen nutzen kann,wie sie sich 2005 in der Solarindustriegeboten haben, trug wesentlich zumErfolg bei.

Darüber hinaus bietet diese besonde-re Anlagestrategie der MünchenerRück Stiftung die Chance, Glaubwür-digkeit und Verantwortung über diereine Stiftungsarbeit hinaus unterBeweis zu stellen. Auch wenn die Per-formance der Vergangenheit keineGarantie für die künftige Wertentwick-lung darstellt, ist sich die Stiftungsicher, den richtigen Weg eingeschla-gen zu haben.

Fondsname Kategorie Anlage zum 1.1.2002 1.1.2003 1.1.2004 1.1.2005

LIGA-Pax-Balance-Stiftungsfonds-Union Mischfonds mit 93,75 119,97 116,81 111,32variablem Anlageschwerpunkt

F&C HVB-Stiftungsfonds Mischfonds Euro defensiv 123,01 128,68 116,26 108,40DVG-Stiftungsfonds Mischfonds Euro defensiv - 115,50 112,59 107,34Fonds für Stiftungen INVESCO Mischfonds - - 122,44 115,56DEKA-Stiftungen Balance Mischfonds Euro defensiv - - 112,66 107,93dit-Stiftungsfonds Balanced Garantiefonds - - 104,45 102,65dit-Stiftungsfonds Bonds Garantiefonds - - 106,27 103,21Durchschnitt 108,38 121,38 113,07 108,06Benchmark 125,92 123,21 116,09 107,97MEAG MRS Mischfonds 129,47 127,76 116,77 108,94

Tabelle 2MEAG MRS und andere Stiftungsfonds – ein Vergleich (1.1.2002 = 100)

Performance-vergleich des MEAGMRS mit anderen in Deutschlandverfügbaren Stiftungsfonds.

Wert von 100 ¤ zum 31.12.2005einer Anlage zum1.1. des jeweiligenJahres bei Wieder-anlage sämtlicherErträge.

Wertentwicklung (in Prozent) – aus allgemeinzugänglichenDatenquellen undMEAG, Stand Januar 2006.

Münchener Rück Stiftung/Report 2005

Page 44: Jahresreport 2005

Dr. Dirk JohannsenLeiter Unternehmenskommunikation,Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft

Christian KlugeMitglied des Vorstands der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft

Prof. Dr. Lenelis Kruse-GraumannInstitut für Psychologie, FernUniversität in Hagen, UniversitätHeidelberg

Thomas LosterGeschäftsführer der Münchener RückStiftung

Prof. Dr. Renate SchubertLeiterin des Instituts für Wirtschafts-forschung, Eidgenössische Technische Hochschule, Zürich

Dr. Wolfgang StrasslMitglied des Vorstands der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft (im Stiftungsrat seit Juni 2005)

Der Stiftungsrat entscheidet in allengrundsätzlichen Angelegenheiten und überwacht die Geschäftsführung. Mitglieder des Stiftungsrats sind:

Dr. Hans-Jürgen SchinzlerVorsitzender des Aufsichtsrats der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft (Vorsitzender des Stiftungsrats)

Prof. Dr. Gerhard BerzEhemaliger Leiter der Abteilung GeoRisikoForschung, MünchenerRückversicherungs-Gesellschaft

Dr. Nikolaus von BomhardVorsitzender des Vorstands der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft

Prof. Dr. Hartmut GraßlEhemaliger Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg

Stefan HeydMitglied des Vorstands der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft (bis Dezember 2005; im Stiftungsrat bis Dezember 2005)

Prof. Dr. Dr. Peter HöppeLeiter der Abteilung GeoRisiko-Forschung, Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft

Dr. Patrick IllingerLeiter der Wissenschaftsredaktion,Süddeutsche Zeitung, München

Dr. Torsten JeworrekMitglied des Vorstands der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft (im Stiftungsrat seit Januar 2006)

Stiftungsrat der Münchener Rück Stiftung

40

Page 45: Jahresreport 2005

Bildnachweis

Zeitbild Verlag, BerlinUmschlaginnenseite vorne/1, Seite 8

Oliver Jung, MünchenUmschlaginnenseite vorne/2, 7, 10Seiten 4, 5, 10, 11, 13, 14, 35

Anne Wolf, Münchener Rück StiftungUmschlaginnenseite vorne/3Seite 16

Ilona Roberts, UN-Universität, BonnUmschlaginnenseite vorne/4

Thomas Loster, Münchener Rück StiftungUmschlaginnenseite vorne/6Seiten 23, 24 rechts, 25 links oben und unten

WasserStiftung EbenhausenUmschlaginnenseite vorne/5Seite 27

Forschungszentrum für Umwelt undGesundheit (gsf)Umschlaginnenseite vorne/8

Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW)Umschlaginnenseite vorne/9Seite 29

Alexander Allmann, Münchener RückSeite 6 oben

Reuters/CorbisSeiten 6 unten, 19, 21 rechts

Prof. Úrsula Oswald-Spring, MexikoSeite 7

Dr. Stefan Kröpelin, Universität zu KölnSeite 17

Ansett Richard, Corbis/SygmaSeite 20

Peter Turnley, CorbisSeite 21 links

Wolfgang Stiebens, DRM/GTZSeite 22

John Griffiths, Münchener Rück SüdafrikaSeiten 24 links, 25 rechts oben

Dirk Reinhard, Münchener Rück StiftungSeite 26

Karsten de Riese, BairawiesSeite 30

Thomas Dashuber, SZ WissenSeite 32

David Pollack, CorbisSeite 36

Oliver Soulas, MünchenUmschlaginnenseite hinten

Quellen

Fischer Weltalmanach 2005CIA-World Factbook 2005UN World Development Indicators 2005www.auswaertiges-amt.dewww.fao.orgwww.ipicture.de/datenSeiten 25, 27, 29

Impressum

©2006Münchener Rück StiftungKöniginstraße 10780802 MünchenTelefon +49 (0) 89/38 91-88 88Telefax +49 (0) 89/38 91-7 88 [email protected]: 80791 München

Bestellnummer302-05000

RedaktionAnne Wolf, Thomas Loster

Redaktionelle UnterstützungScience&MediaBüro für Wissenschafts- und Technikkommunikation,München-Unterföhring

Karin Groß-Kaun, Beate Brix und Florian WöstUnternehmenskommunikationMünchener Rück

GestaltungKeller Maurer Design, München

DruckWKD Offsetdruck GmbHOskar-Messter-Straße 1685737 Ismaning

Page 46: Jahresreport 2005

Thomas LosterDiplom-Geograph; Geschäftsführer der Münchener Rück Stiftung

Dirk ReinhardDiplom-Wirtschaftsingenieur; stellvertretender Geschäftsführer

Anne WolfGeographin, Germanistin und MBA; Projektmanagement, Medienkontakt

Angelika BoosTeamassistentin

Anja MilbergRechtsanwältin, Licenciée en droit; Projektmanagement (bis November 2005)

Team der Münchener Rück Stiftung

Von links nachrechts:Angelika Boos, Thomas Loster, Anne Wolf, Dirk Reinhardund Anja Milberg

Page 47: Jahresreport 2005

27. MärzDie MünchenerRück Stiftung vergibt in Kooperation mitdem DeutschenKomitee Katastro-phenvorsorge (DKKV) zum erstenMal den Münchener-Rück-Stiftungs-preis für Frühwar-nung. Mit 50 000 ¤honoriert derPreis ein innova-tives Projekt, dassich unmittelbarden „Menschen im Risiko“ widmet.

23.–29. JuliWir veranstalten auf Schloss Hohen-kammer die SummerAcademy on SocialVulnerability. Diese Fachtagungmit dem Schwer-punkt „Global WaterHotspots“ führt die Stiftung mit dem Institut fürUmwelt und mensch-liche Sicherheit derUniversität derVereinten Nationenin Bonn durch.

September bisNovember„Die Risiken derMünchner“ sind auch2006 ein Anliegender Münchener RückStiftung. In fünfDialogforen werdenverschiedeneRisikoaspekte auf-gegriffen undumfassend disku-tiert.

NovemberDie Chancen undMöglichkeiten vonMikroversicherungenwerden auch im Jahr2006 Thema sein. Die Stiftung organisiert erneuteine Konferenz mitder „ConsultativeGroup to Assist thePoor“ Working Groupon Microinsurance,die in Südafrikastattfinden wird.

MärzAusblick 2006

Juli September November

Page 48: Jahresreport 2005

Münchener RückStiftungVom Wissen zumHandeln

Münchener Rück StiftungKöniginstraße 10780802 München

Telefon +49 (0)89/38 91-88 88Fax +49 (0)89/38 91-788 [email protected]

Briefe: 80791 München


Recommended