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Jagdzeit

Date post: 04-Jan-2017
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Lassiter Band 1703

Jagdzeit

Jack South hielt mitten in der Bewegung inne. Hatten ihm seine übermüdeten Augen einen Streich gespielt, oder war dort wirklich ein metallisches Glitzern zu sehen gewesen? Genau an der Stelle, an der seine Spitzhacke ein Stück Fels aus der Wand in den Berg getrieben hatte. Der Digger rieb sich mit einer Hand über die Augen, ließ die Spitzhacke fallen und nahm die Lampe vom Haken. Dann ging er in die Hocke und ließ das Licht aus geringer Entfernung über die Felswand wandern.

* * *

Plötzlich war das Glitzern wieder da. Es war kaum mehr als ein kurzes Funkeln, aber für Jack

South war es so strahlend, als wäre ein Blitz durch seine Mine gezuckt.

Gold! Endlich. Wie lange hatte er schon danach gesucht! Er

konnte die Jahre, die er einsam in den Bergen verbracht hatte, kaum noch zählen. Alle hatten ihn für verrückt erklärt, aber er hatte nie auf die Zweifler gehört. Natürlich hatte es auch Momente gegeben, in denen er alles hinschmeißen und sich einen gewöhnlichen Job auf irgendeiner Farm suchen wollte. Aber dann war doch immer wieder dieses Gefühl der Unruhe in ihm erwacht, das brennende Ziehen in seiner Magengegend, wie bei einem Fieber, das ihn dazu brachte, doch wieder

loszuziehen, auf der Suche nach seinem Glück – und dem begehrtesten Metall, das es auf der Welt gab. Und nun waren all seine Träume plötzlich zum Greifen nah.

Jack South zwang sich zur Ruhe. Schnapp nicht über, alter Junge!, ermahnte er sich selbst.

Bleib auf dem Boden. Erst wenn du völlig sicher bist, hast du Grund zum Jubeln.

Seine rechte Hand zitterte, als er damit nach der Spitzhacke griff. Vorsichtig, als habe er Angst, seinen Fund mit dem Werkzeug zu verletzen, legte er die Stelle in der Felswand weiter frei. Mit jedem Schlag wurde das Glitzern deutlicher. Schon nach kurzer Zeit war eine gelbrote Ader zu erkennen, die sich durch das Gestein zog.

»Bei allen Teufeln der Hölle!« Jack South riss die Augen so weit auf, dass sie ihm beinahe aus den Höhlen sprangen. »Dass ich das noch erleben darf.«

Mit einem gezielten Hieb sprengte er ein Stück des glänzenden Materials aus der Wand. Er hob es vorsichtig auf. Als er mit dem Daumennagel seitwärts über das Metall kratzte, hinterließ das eine winzige, aber doch erkennbare Linie.

»Ja... Jaa... JAAA!!!« Seine Freudenschreie hallten von der Wand der kleinen

Mine wider. Jack South sprang begeistert auf. Dass er sich dabei den

Schädel an der niedrigen Höhlendecke anstieß, schien er nicht zu spüren.

Den Goldklumpen noch immer in der Hand, stürmte er hinaus ins Freie. Neben dem fleckigen Zelt, das er nicht weit vom Mineneingang aufgebaut hatte, stand Louis, der Packesel des Diggers, und zupfte gelangweilt ein paar Grashalme aus dem Boden. Das Tier hob überrascht den Kopf, als sein Besitzer auf es zugestürmt kam und ihm überschwänglich um den Hals fiel.

»Louis, wir haben’s geschafft!«, rief Jack South und vergrub sein Gesicht in der Mähne des Esels. »Wir sind reich! Jetzt können wir uns alles leisten. Wenn du willst, lasse ich dir das nächste Mal beim Schmied Hufeisen aus purem Gold verpassen. Das verspreche ich dir.«

Der Esel begann den Kopf zu schütteln. Als es ihm trotzdem nicht gelang, sich aus der Umarmung zu befreien, fing er an lautstark dagegen zu protestieren.

Louis’ Brüllen war so laut, dass Jack South nicht hörte, wie in diesem Moment zwei Reiter aus dem Unterholz kamen. Die beiden Männer wechselten einen kurzen Blick, als der Digger noch immer nicht von dem Esel abließ. Ein kurzes Nicken, dann lenkten sie ihre Pferde so nah heran, bis sie nur noch wenige Yards von Jack South entfernt waren.

»He, Ben, was sagst du dazu?«, fragte Daniel Legan höhnisch. »Wenn du mich fragst, sieht das ganz so aus, als würde da bald ’ne Hochzeit stattfinden.«

»Stimmt«, pflichtete ihm sein Begleiter bei. »Aber ob das so ’ne gute Idee ist? Jede Wette, dass die zwei verdammt hässliche Bälger miteinander haben werden.«

Die beiden Reiter begannen dreckig zu lachen. Jack South fuhr erschrocken herum. »Wer seid ihr?«, fragte

er verdattert. »Was wollt ihr hier?« »Wir waren nur zufällig in der Gegend«, erwiderte Ben

Shepherd. »Plötzlich haben wir jemanden brüllen gehört. Da sind wir einfach nachsehen gegangen, wo das herkommt.« Er grinste breit. »Scheint so, als wären wir gerade rechtzeitig zu ’ner kleinen Feier gekommen.«

»Gibt es denn einen besonderen Grund für deine gute Laune?«, wollte Daniel Legan wissen.

Der Digger spürte instinktiv, dass es das Beste sein würde, den beiden Kerlen nichts von seinem Fund zu erzählen. »Was? Äh, nein, eigentlich nicht«, behauptete er. »Ich... ich habe mich nur gerade dazu entschlossen, in die Stadt zurückzukehren. Die

Aussicht auf ein heißes Bad und ein kühles Bier im Saloon hat mir wohl für einen Augenblick den Schädel durcheinander gebracht.« Er ließ den Gesteinsbrocken hinter seinem Rücken zu Boden fallen und versuchte, ihn möglichst unauffällig mit dem Fuß beiseite zu stoßen.

»In die Stadt?« Daniel Legan sah ihn skeptisch an. »Kaufst du ihm das ab, Ben?«

»Kein Stück.« Ben Shepherd schüttelte den Kopf. »Ich auch nicht«, meinte Daniel Legan. »Ich glaube, der

Kerl ist ein verdammter Lügner. Und wenn es eine Sache gibt, die ich auf den Tod nicht ausstehen kann, dann ist das, wenn einer versucht, uns für blöd zu verkaufen.« Er sprang aus dem Sattel und zog seinen Smith&Wesson Schofield aus dem Holster, während er sich dem Digger drohend näherte.

Jack South wollte vor ihm zurückweichen, doch schon nach wenigen Schritten prallte er mit dem Rücken gegen Louis’ Flanke. Mit der ihm eigenen Störrigkeit hielt es der Esel nicht für nötig, seinem Besitzer auch nur einen einzigen Inch Platz zu machen.

Daniel Legan baute sich direkt vor dem Digger auf. »Also, spuck es schon aus.« Er hielt ihm die Mündung seines Revolvers vor das Gesicht. »Was hat dich dazu gebracht, dich hier so verrückt aufzuführen?«

»Nichts, wirklich...«, beteuerte Jack South. »Ich hatte einfach gute Laune.« Doch er war ein verdammt schlechter Lügner. Seine Augen zuckten für einen Moment zu dem Gesteinsbrocken, der nicht weit von seinen Stiefeln im Dreck lag.

Daniel Legan folgte seinem Blick. Auch ihm blieb das Glitzern im Staub nicht verborgen.

Ohne den Revolver von seinem Gegenüber abzuwenden, bückte er sich und hob das Stück Stein auf.

Legan stieß einen anerkennenden Pfiff aus, als er die goldene Maserung sah. »Schau dir das an!« Er warf den Stein seinem Begleiter zu.

»Nicht schlecht«, meinte auch Ben Shepherd. »Das ist also der Grund, warum der Kerl seinem Esel um den Hals gefallen ist. Wo hast du das her?«

Jack South erwiderte nichts, sondern starrte ihn nur hasserfüllt an.

»He, mein Freund hat dich was gefragt.« Daniel Legan rammte ihm den Lauf seines Revolvers in die Rippen. »Antworte gefälligst.«

Der Digger schien einen Moment lang seine Chancen abzuwägen. Doch ihm wurde rasch klar, dass er gegen die beiden Kerle nichts ausrichten konnte. »Ich habe es gefunden«, erwiderte er schließlich so leise, dass es kaum zu verstehen war. »Gerade eben.«

»Dort in der Höhle?« Daniel Legan wies mit dem Kinn auf den Mineneingang.

Der Digger nickte. »Gibt es dort noch mehr von dem Zeug?« Jack South presste die Lippen so fest aufeinander, dass von

ihnen nur noch schmale Linien zu erkennen waren. »He, Mistkerl, bist du stumm geworden?« Daniel Legan

schlug ihm so fest mit seiner Waffe ins Gesicht, dass der Digger zu Boden geschleudert wurde. Jack South wollte aufspringen, aber der Halunke nahm ihn sofort mit seinem S&W Schofield ins Visier. »Also, was ist? Oder soll ich es vielleicht erst aus dir rausprügeln? Gibt es in der Mine noch was zu holen?«

»Ich weiß es nicht«, stieß Jack South hervor. »Keine Ahnung. Vielleicht ist es ja nur Katzengold. Ich habe es noch nicht untersucht.« Er robbte rückwärts auf allen vieren von Legan fort. Doch der folgte ihm mit der Beharrlichkeit eines Moskitos, der die Witterung von Blut aufgenommen hatte.

»Quatsch keine Opern«, knurrte der Halunke. »Dass das Zeug was wert ist, hätte sogar meine blinde Grandma erkannt.«

Der Digger wusste, dass er alles auf eine Karte setzen musste, wenn er verhindern wollte, dass ihm die zwei Ganoven seinen neu gefundenen Schatz sofort wieder abjagten. Er schob sich zwischen die Beine seines Esels. Seine Hände fuhren nach oben und krallten sich in das Fell von Louis’ Bauch. Mit einem harten Ruck riss er ihm zwei Büschel Haare heraus.

Louis gab ein erschrockenes Brüllen von sich. Der Esel stieg auf die Vorderhand, dann keilte er mit den

Hinterläufen aus. Wie Jack South es gehofft hatte, wurde Daniel Legan von

einem der Hufe gegen die Brust getroffen. Der Halunke wurde nach hinten geschleudert und prallte mit dem Rücken in den Dreck.

Der Digger schnellte auf die Beine. Tief geduckt, um nicht selbst einen Tritt des wütenden Tieres abzubekommen, rannte er zu seinem Angreifer. Er warf sich hart auf Daniel Legans Oberkörper und packte dessen rechten Unterarm. Nach einem kurzen Handgemenge gelang es Jack South, seinem Gegner die Waffe zu entreißen.

Der Digger sprang erneut auf. Er hielt den S&W Schofield mit beiden Händen ausgestreckt vor sich. »Du hast genug Fragen gestellt, du elende Ratte!«, rief er. »Es geht dich einen Scheißdreck an, was ich hier gefunden habe. Ich werde dich...«

Weiter kam er nicht. Das Aufbellen eines Gewehrs übertönte seine letzten Worte. Auf Jack South’ Stirn erschien ein kreisrundes Loch.

Obwohl er sofort tot war, stand der Digger noch mehrere Sekunden da wie eine bizarre Marionette. Erst dann knickten seine Knie ein, und er fiel zu Boden.

»Bist du okay?«, wollte Ben Shepherd wissen. Aus dem Lauf der Winchester, die er noch immer in den Händen hielt, stieg ein dünner Rauchfaden auf.

»Ja...«, knurrte Daniel Legan. Er stand auf und klopfte sich den Staub von der Kleidung. Der Halunke verzog schmerzhaft das Gesicht, als er dabei die Stelle auf seiner Brust berührte, an der ihn der Huftritt getroffen hatte.

»Der alte Zausel war auf Draht«, meinte Ben Shepherd. »Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte dich direkt in die Hölle geschickt.«

Sein Begleiter nickte. »Verdammter Mistkerl.« Legan stieß dem Toten in die Seite, bevor er seinen Revolver wieder an sich nahm.

»Was machen wir jetzt?«, erkundigte sich Ben Shepherd. »Meinst du, in der Mine ist wirklich noch was zu holen?«

»Klar. Sonst hätte der Kerl sie nicht bis zum letzten Blutstropfen verteidigt. Wir brauchen sie uns nur noch unter den Nagel zu reißen.«

»Hast du eine Ahnung, wem der Bergzug hier gehört?« »Soviel ich weiß, ist das Niemandsland.« Daniel Legan

zuckte mit den Schultern. »Außer ein paar Rothäuten treibt sich hier kaum einer rum. Wir brauchen also bloß einen Claim anzumelden, und dann können wir uns ein paar goldene Eier verdienen.«

»Klingt nicht schlecht.« Ben Shepherd grinste. »Lass uns in die Stadt reiten und den ganzen Anmeldungsquatsch so schnell wie möglich erledigen. Dann besorgen wir Werkzeug und machen uns an die Arbeit.« Plötzlich wurde das Gesicht des Halunken wieder ernst. »Ehrlich gesagt, bei dem Gedanken an die Schufterei, die noch vor uns liegt, wird mir jetzt schon ganz anders. Es ist einfach nicht mein Ding, mir die Pfoten bei anstrengender Arbeit dreckig zu machen.«

»Denk einfach an das Gold, das wir damit einsacken werden«, erwiderte Daniel Legan. »Und diesmal besteht noch nicht mal die Gefahr, dass du eine Kugel in den Schädel kriegst. Bei einem Banküberfall ist das schon ’ne ganz andere Sache. Außerdem – es wird bestimmt nicht lange dauern, bis

wir reich genug sind, um andere für uns schuften zu lassen. Dann brauchst du nicht mehr zu tun, als die Hand aufzuhalten und abzukassieren. Ansonsten bleibst du einfach im Saloon, trinkst den besten Whiskey und suchst dir die Ladys aus, denen du es als Nächstes besorgen möchtest.«

Ben Shepherds Miene hellte sich schlagartig wieder auf. »Das klingt wirklich nicht schlecht. Lass uns aufbrechen«, meinte er. »Was machen wir bis dahin mit ihm?« Er zeigte mit dem Lauf seiner Winchester auf die Leiche des Goldgräbers.

»Den lassen wir liegen.« Daniel Legan stieg in den Sattel seines Braunen. »Er dient als Abschreckung, falls hier jemand rumschnüffeln sollte. Ansonsten erledigen die Geier und Wölfe den Rest.«

Ohne noch einen einzigen Blick an ihr Opfer zu verschwenden, stießen Legan und Shepherd ihren Pferden die Sporen in die Seiten. Die Tiere setzten sich sofort in Bewegung und waren wenige Augenblicke später im dichten Grün des Waldes verschwunden.

Louis trabte mit gesenkten Kopf zur Leiche seines Herrn. Er stieß Jack South die Schnauze mehrmals sanft in die Seite. Doch der Digger rührte sich nicht. Als dem Esel der scharfe Blutgeruch in die Nase stieg, warf er den Schädel in den Nacken. Das gequälte Gebrüll, das kurz darauf über die kleine Lichtung drang, ließ eine Bande Krähen aus einem der Bäume aufsteigen und erschrocken das Weite suchen.

* * *

Der Mann hinter dem Schalter des Registrierungsbüros nahm seine Brille ab und putzte sie ausgiebig mit seinem karierten Taschentuch. Als er sie endlich wieder aufsetzte, rückte er sie auf der spitzen Nase zurecht, bevor er sich schließlich der handgezeichneten Karte zuwandte, die vor ihm auf dem Tresen lag.

Mehrere Minuten verstrichen, bis er zu dem Mann aufsah, der auf der anderen Seite der Theke stand.

»Sind Sie sicher, dass Sie Ihren Claim dort anmelden wollen?«, wollte er von ihm wissen.

»Ja«, erwiderte Daniel Legan knapp. »Aber wenn ich das richtig sehe, ist das doch das Gebiet um

die Beaverhead Mountains, nicht wahr?« »Na und?«, schnauzte Daniel Legan seinen Gegenüber an,

»Ob ich meinen Claim in den Beaverhead Mountains oder im Gemüsegarten meiner Tante Betty anmelde, geht dich einen feuchten Dreck an. Klar?«

»Meinetwegen.« Der Registrierungsbeamte zuckte mit den Schultern. »Aber ein bisschen seltsam ist das schon.«

Daniel Legan warf Ben Shepherd, der nicht weit hinter ihm stand, einen gereizten Blick zu. »Wenn der Kerl so weitermacht, zwinge ich ihn dazu, seine eigenen verdammten Stempel zu fressen.«

Ben Shepherd erwiderte nichts. Stattdessen kam er näher an den Schalter heran und schob seinen Komplizen beiseite. »Was soll das heißen?«, fragte er den Mann auf der anderen Seite. »Ein bisschen seltsam ist das schon.«

»Nun ja, ich wundere mich einfach darüber, dass Sie auf eine Registrierung, samt dem ganzen Schreibkram und den Gebühren, bestehen.« Der Mann hinter dem Schalter richtete sich auf und nahm erneut die Brille ab. »Obwohl Sie nicht lange Freude an Ihrem Claim haben werden.«

Ben Shepherd sah ihn verdutzt an. »Und warum nicht?« Der Schalterbeamte zuckte erneut mit den Schultern. »Weil

Sie ihn nicht lange behalten können.« Daniel Legan sprang wie ein tollwütiger Hund nach vorn.

Seine linke Hand schnellte über den Tresen und packte den Mann auf der anderen Seite am Hemd. Er zog ihn mit einem so kräftigen Ruck an sich heran, dass dem Registrierungsbeamten die Brille aus den Fingern geschleudert wurde. »Red nicht

dauernd um den heißen Brei rum, sondern spuck endlich aus, was du zu sagen hast! Oder soll ich deinem Gedächtnis vielleicht damit ein bisschen auf die Sprünge helfen?«, knurrte er gereizt und knallte mit seiner Rechten den S&W Schofield auf die Schaltertheke. »Warum können wir diesen verfluchten Claim nicht lange behalten?«

Der Registrierungsbeamte war leichenblass geworden. »Ich... ich dachte, Sie hätten es gewusst«, stammelte er. Mit zusammengekniffenen Augen starrte er immer wieder zu der Waffe, die vor ihm auf dem Tresen lag. »Die Beaverhead Mountains werden Indianergebiet. Spätestens in zwei, drei Wochen wird es so weit sein.«

»Indianergebiet?« Legan und Shepherd wechselten einen überraschten Blick. »Und was bedeutet das für uns?«, fragte Daniel Legan, ohne

seinen Griff am Hemd seines Gegenübers auch nur für eine Sekunde zu lockern. »Wenn die roten Hunde zu aufdringlich werden, werde ich sie einfach so lange mit heißem Blei eindecken, bis sie mit eingezogenen Schwänzen wieder abhauen. Oder hast du da was dagegen?«

»Ich nicht«, beteuerte der Registrierungsbeamte. »Aber der Gouverneur wird das vermutlich etwas anders sehen.« Entsetzt bemerkte er, dass sich Legans rechte Hand fester um den Griff seiner Waffe legte. »Die Beaverhead Mountains liegen mitten in dem Gebiet, das zu einem neuen Indianerreservat erklärt werden soll«, fügte er deshalb schnell hinzu. »Die Blackfoot sollen sich dort ansiedeln. Die Verhandlungen haben ein Dreivierteljahr gedauert, jetzt ist es so weit. In zwei Tagen sollen die Verträge unterzeichnet werden. Dann haben die Rothäute dort das Sagen. Wir Weißen sind dann abgemeldet. Und Land dürfen wir in diesem Gebiet erst recht nicht mehr besitzen.«

»Damned!«

Daniel Legan war von der Neuigkeit so überrascht, dass sich seine Finger vom Hemd der Registrierungsbeamten lösten. Der nutzte die Gelegenheit, um sich an eine Stelle in Sicherheit zu bringen, an der er vom Schalter aus nicht mehr zu erreichen war. Er begann umständlich seine Kleider zu ordnen.

»Ein Reservat! God damned, wer hätte denn mit so was rechnen sollen?« Ben Shepherd schlug wütend mit der flachen Hand auf den Tresen. »Und es gibt nichts, was sich daran noch ändern ließe?«, fragte er dann in Richtung des Registrierungsbeamten.

»Wohl kaum.« Der schüttelte den Kopf. »Es sei denn, die Vertragsunterzeichnung findet nicht statt. Aber das dürfte wohl kaum geschehen. Morgen wird der Häuptling der Rothäute hier in der Stadt erwartet. Und übermorgen geht der ganze Zauber über die Bühne. Da müsste schon ein Wunder geschehen, um das Reservat zu verhindern.«

»Auf ein Wunder zu warten, dauert mir zu lange«, murmelte Ben Shepherd. »Es sei denn, man hilft bei der Sache ein bisschen nach. Komm mit!« Er nickte Daniel Legan auffordernd zu. »Es gibt für uns noch eine Menge zu erledigen.«

Gemeinsam stürmten Registrierungsbüro.

die beiden Halunken aus dem

* * *

Das Tipi, das auf einer Wiese am Stadtrand von Boise aufgeschlagen war, war klein, beinahe unscheinbar. Lediglich die rituellen Zeichen und Verzierungen, die rund um seinen Eingang angebracht waren, hätten einem kundigen Beobachter Hinweise auf die hohe Stellung des Bewohners des Zeltes gegeben. Ran-No-Pitti, Häuptling der Blackfoot – oder Siksika, wie sie ihr Volk selbst nannten – hatte hier Quartier bezogen. Begleitet wurde er lediglich von Lana-Wissasa, seiner einzigen

Tochter, die sich ihrem Vater spontan angeschlossen hatte und ihm auf dem Weg zur Vertragsunterzeichnung nicht von der Seite gewichen war.

Als sie vor das Zelt trat, trug die junge Frau ein besticktes Kleid aus Caribouleder, das über und über mit Stickereien verziert war. Die langen Fransen an ihren Ärmeln verliehen ihr ein vogelhaftes Aussehen, ein Eindruck, der von den Habichtfedern an ihrem Halsband noch verstärkt wurde. Ihr pechschwarzes Haar hatte sie zu zwei Zöpfen geflochten, in die farbige Lederbänder eingewoben waren. Lana-Wissasa legte den Kopf in den Nacken und blickte hinauf zur Sonne.

»Es ist Zeit aufzubrechen, Vater!«, rief sie dann auf Algonkin – der Sprache ihres Volkes – in Richtung des Zeltes. »Die Stunde der Unterzeichnung der Verträge ist gekommen. Und es wäre nicht weise, den Gouverneur durch spätes Kommen zu beleidigen.«

»Ich weiß, meine Tochter, ich weiß«, kam die Stimme eines Mannes aus dem Innern des Tipis. Wenig später wurde das Fell am Eingang beiseite geschlagen und ein Indianer erschien in der Öffnung. Auch er trug feierliche Kleidung – verzierte Hosen und Jacke aus Hirschleder, eine Kette aus Wolfszähnen und einen beeindruckenden Kopfschmuck aus Adlerfedern. Seine Statur war schlank und groß, seine Bewegungen federnd und geschmeidig, lediglich die unzähligen Falten, die sich in seinem Gesicht eingegraben hatten, und die silbernen Strähnen in seinem schwarzen Haar, verrieten, dass es sich bei dem Häuptling nicht um einen jungen Krieger, sondern um ein altes, weises Mitglied seines Stammes handelte. Ran-No-Pitti blieb wortlos neben dem Tipi stehen.

»Aus deinem Gesicht spricht Sorge, Vater«, meinte Lana-Wissasa bei seinem Anblick. »Was ist der Grund für die Schatten auf deiner Seele?«

»Gedanken kreisen durch meinen Kopf wie Krähen auf der Suche nach einem Lager für die Nacht.« Ran-No-Pitti wandte

seiner Tochter das Gesicht zu. »Ist der Vertrag mit den Weißen eine weise Entscheidung? Ist es klug, oder bringe ich damit Unglück über das Volk der Siksika?«

»Aber Vater, der Rat der Alten hat entschieden, dass du den Vertrag unterzeichnen sollst. Hast du das etwa wieder vergessen?«

»Nein.« Der Häuptling sah seine Tochter ernst an. »Aber du weißt auch, dass das Urteil nicht einstimmig ausgefallen ist. Es gab Stimmen im Rat, die sich dagegen ausgesprochen haben. Sie sagen, das Volk der Siksika soll sich nicht einpferchen lassen wie ein gezähmtes Pferd auf der Weide. Sie sagen, die Siksika sind wie Mustangs – ohne Freiheit können sie nicht leben. Und viele Krieger denken genauso. Sie glauben, der Vertrag ist eine Niederlage. Das ist auch der Grund, weshalb wir uns allein auf den Weg in die Stadt gemacht haben. Es soll nicht aussehen, als würde sich der gesamte Stamm dem Willen der Weißen unterwerfen. Wird der Vertrag das Volk der Siksika entzweien?«

»Ich weiß es nicht«, gab Lana-Wissasa offen zu. »Aber ich bin mir sicher, dass der Vertrag das Beste für unser Volk ist. Das Gebiet, das uns die Weißen versprochen haben, ist groß und reich an Geschenken, die Mutter Erde dort für uns bereit hält. Bereits unsere Vorväter haben dort gelebt. Unser Volk wird dort keinen Hunger leiden müssen. Es stimmt, die Siksika sind wie Mustangs. Aber gibt es nicht überall Jäger, die auf die Mustangs lauern, um sie zu töten oder die Herde in alle Winde zu vertreiben? Ist es dann nicht ein Zeichen von Weisheit, wenn sich die Herde auf ein Gebiet zurückzieht, in der sie leben kann, ohne Furcht haben zu müssen, dass die Jäger wieder über sie herfallen?«

Ran-No-Pitti erwiderte nichts, doch in seinen Augen konnte Lana-Wissasa ablesen, dass ihr Vater noch nicht vollständig überzeugt war.

»Einige unserer Brüder sprechen mit der Stimme des Falken«, fuhr sie deshalb fort. »Dass die Siksika ein tapferes Volk sind, haben sie in unzähligen Kämpfen bewiesen. Das Blut vieler Krieger ist dabei vergossen worden – und das von noch mehr Frauen und Kindern. Soll das denn niemals ein Ende haben? Werden die Falken erst dann verstummen, wenn das Volk der Siksika für immer von der Erde verschwunden ist? Oder hast du schon vergessen, dass deine Frau und deine beiden Söhne – meine Mutter und Brüder – ihr Leben im Kampf verloren haben? Willst du, dass das so weitergeht, bis keiner aus unserem Volk übrig geblieben ist?«

»Natürlich nicht«, entgegnete der Häuptling beinahe entrüstet.

»Dann unterzeichne diesen Vertrag«, forderte Lana-Wissasa entschieden. »Denn ich möchte den Namen meines Vaters mit Stolz nennen können. Als den Häuptling, der seinem Volk den Frieden gebracht hat. Und nicht als den, der es in den Untergang geführt hat, weil er zu blind war, den richtigen Weg zu erkennen.«

Der Anflug eines Lächeln huschte über Ran-No-Pittis Gesicht. »Meine Tochter ist schön und flink wie ein Reh. Aber noch flinker ist ihre Zunge. Die Worte sprudeln aus ihrem Wund wie das Wasser aus einer Quelle – klar und ohne jemals zu versiegen.«

Lana-Wissasa sah betreten unter sich. »Entschuldige. Ich wollte nicht, dass mein Geplapper deinen Geist noch mehr verwirrt.«

»Aber das hast du nicht.« Der Häuptling trat neben sie und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Ganz im Gegenteil. Deine Rede hat meine Zweifel vertrieben, wie die Morgensonne die Nebel über den Wiesen. Ich habe meine Entscheidung gefällt. Ich werde den Vertrag unterzeichnen. Nur so kann unser Volk noch viele Wechsel der Jahreszeiten überstehen.«

»Wirklich?« Die Erleichterung stand Lana-Wissasa ins Gesicht geschrieben. »Ich bin mir sicher, dass du eine weise Wahl getroffen hast, Vater. Dein Name wird an den Lagerfeuern ewig mit Ehrfurcht erwähnt werden.«

»Mögen deine Worte in Erfüllung gehen«, erwiderte Ran­No-Pitti. »Aber nun komm. Folge mir. Die Weißen warten bestimmt schon voller Ungeduld auf das Erscheinen des Häuptlings der Siksika – und seiner schönen Tochter.«

Lana-Wissasa lachte amüsiert auf, dann folgte sie ihrem Vater, der sich schon auf den Weg zu der alten Zeder gemacht hatte, unter der ihre Pferde auf sie warteten.

* * *

Die Town-Hall von Boise war feierlich geschmückt. Das gesamte Gebäude geradezu verpackt in Schleifen, Girlanden und Wimpeln. Überall flatterte, rotierte und glitzerte es in Rot, Weiß und Blau. Erst im letzten Moment war es einer der Ladys, die die Dekorationsarbeiten zu diesem feierlichen Anlass übernommen hatten, in den Sinn gekommen, dass auch der zweiten der unterzeichnenden Parteien eine Würdigung anlässlich der Festlichkeiten zustand. Deshalb war die Eingangstür des Rathauses mit einer Girlande aus Federn geschmückt, die die aufgeregten Damen hastig aus einem Hühnerstall besorgt hatten, und an beiden Seiten der Fronttreppe staken zwei Holzstäbe im Boden, auf deren oberen Ende knöcherne Büffelschädel samt Hörnern gespießt waren. Ein roter Teppich, der sich von der Main Street, über die Stufen hinauf bis zur Eingangshalle spannte, war die feierlichste Requisite von allen, die nur bei äußerst wichtigen Ereignissen zum Einsatz kam.

Die Eingangstür der Town-Hall stand weit offen. Die Honoratioren der Stadt und der Regierung hatten Aufstellung genommen, um die indianischen Gäste in Empfang zu nehmen.

Gouverneur Greg McGinty stand direkt im Türrahmen und blickte, die Hände in feierlicher Haltung vor dem Bauch gefaltet, in die Richtung, aus der der Häuptling der Blackfoot erwartet wurde. Mayor Hank Powell, der Bürgermeister von Boise, hatte zunächst beide Daumen lässig in die Armlöcher seiner silber-schwarz gestreiften Weste geschoben. Doch nach einem bösen Blick seiner Frau, die neben der Treppe bei den anderen Gästen und dem restlichen Publikum auf der Straße stand, hatte er sich rasch ein Beispiel an der Haltung des Gouverneurs genommen. Das zufriedene Lächeln seiner Frau war der Beweis, dass er mit seiner Entscheidung richtig lag.

Plötzlich ging ein Raunen durch die Menge. Zwei Reiter waren in die Main Street eingebogen. Ein Mann

und eine Frau. Gegen die blendende Morgensonne verschwammen ihre Bilder zu flirrenden Silhouetten. Einige Frauen stießen beeindruckte Rufe aus, als sie den gewaltigen Kopfputz des Häuptlings sahen.

Ran-No-Pitti und Lana-Wissasa ließen kein Zeichen von Eile erkennen. Kerzengerade und mit ernsten Gesichtern lenkten sie ihre Pferde im Schritttempo durch die Hauptstraße und somit der Town-Hall entgegen.

Ein weiteres Raunen ging durch die Zuschauer, als sie näher kamen. Fast jeder aus dem Publikum hatte schon einmal etwas von Ran-No-Pitti, dem stolzen Häuptling der Blackfoot, gehört, aber kaum einer hatte ihn schon einmal leibhaftig zu Gesicht bekommen. Nun, da er seine festlichste Kleidung angelegt hatte, war seine Erscheinung noch eindrucksvoller, als die neugierigen Beobachter sich das ausgemalt hatten.

Sämtliche Augenpaare waren auf den alten Indianer und seine schöne Tochter gerichtet. Niemand achtete auf die beiden Gestalten, die tief geduckt über das flache Dach eines der Häuser huschten, die links und rechts die Main Street säumten. Versteckt hinter einem Dachvorsprung gingen sie in Position.

Lana-Wissasa hatte sich ein wenig zurückfallen lassen, um ihrem Vater bei der Ankunft beim Rathaus den Vortritt zu lassen. Doch mit einer kurzen Geste, die jedem nicht­indianischen Zuschauer verborgen blieb, forderte Ran-No-Pitti seine Tochter auf, erneut zu ihm aufzuschließen. Stolz durchströmte Lana-Wissasas Körper wie eine warme Welle. Es bedeutete eine große Ehre, einen so wichtigen Augenblick für die Zukunft ihres Volkes Seite an Seite mit ihrem Vater erleben zu dürfen. Sie presste ihrem Apfelschimmel die Schenkel in die Seiten, um ihn zu einem höheren Tempo anzutreiben.

Der Lauf einer Winchester schob sich langsam über den Dachvorsprung.

Der Häuptling und seine Tochter waren jetzt nur noch etwa dreißig Yards von der Town-Hall entfernt. Der Rücken von Gouverneur Greg McGinty straffte sich. McGinty räusperte sich in Erwartung seiner Begrüßungsrede, die nun unmittelbar bevorstand. Mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht stieg er die Stufen der Eingangstreppe hinab, um seinen hohen Gast in Empfang zu nehmen. In der Menge schwoll erwartungsvolles Gemurmel an.

In diesem Moment übertönte der explosionsartige Knall eines Schusses jedes andere Geräusch.

Ran-No-Pittis Körper zuckte zusammen, als sei er vom Schlag einer unsichtbaren Faust getroffen worden.

Lana-Wissasa, die nur zwei Yards von ihrem Vater entfernt war, sah, wie die Hirschlederjacke auf dessen Rücken aufplatzte. Aus dem kreisrunden Loch strömte Blut schwallartig hervor. Es rann an seinem Körper hinab und färbte das Fell seines Pferdes am Rand der Satteldecke rot. Ran-No-Pitti begann kaum merklich zu schwanken. Plötzlich breitete er beide Arme aus. Sein Gesicht war wie zu einem letzten Gebet gen Himmel gerichtet – dann kippte er vom Rücken seines Mustangs und fiel schwer in den Staub der Straße.

Lana-Wissasa sprang augenblicklich von ihrem Pferd und stürzte zu ihrem Vater. Die entsetzten Schreie, die im Publikum laut wurden, hörte sie nicht. Ran-No-Pitti lag, das Gesicht voran, völlig regungslos da. Lana-Wissasa warf sich neben ihrem Vater zu Boden und drehte ihn auf den Rücken.

»Vater...«, flüsterte sie. »Sag etwas... bitte!« Der Häuptling in ihren Armen rührte sich mehrere Sekunden

lang nicht, doch dann suchten seine Augen ihren Blick. Seine Lippen bewegten sich. Doch er sprach so leise, dass sich Lana-Wissasa tief zu ihm hinabbeugen musste, um ihn zu verstehen.

»Lana-Wissasa...« Ran-No-Pittis Stimme war kaum mehr als ein heiseres Wispern. »Geliebte Tochter, das einzige Kind, das mir noch geblieben ist... Meine Seele muss an einen anderen Ort ziehen, versprich mir, dass du unser Volk auf dem Weg des Friedens weiterführen wirst... Höre nicht auf die Stimme der Falken...«

»Ja, Vater«, stieß Lana-Wissasa hervor, »ich verspreche dir, zu tun, um was du mich gebeten hast.«

Der alte Häuptling nahm noch einmal alle ihm verbliebene Kraft zusammen. Er legte seine rechte Hand auf sein Herz, dann streichelte er sanft mit den Fingern über die Wange seiner Tochter. Seine Augen blickten sie noch einmal eindringlich an – dann kippte sein Kopf in den Nacken.

In die Menge der Zuschauer war inzwischen Bewegung gekommen. Einige rannten in wilder Panik davon. Andere, darunter der Gouverneur und der Mayor, stürmten dem angeschossenen Häuptling und seiner Tochter entgegen. Ein paar Männer jagten über die Straße in Richtung des Hauses, auf dem sie den Heckenschützen vermuteten. Plötzlich schien die ganze Luft angefüllt zu sein mit einem Gemisch aus Entsetzensschreien, Weinen und hektisch gebrüllten Befehlen.

Greg McGinty war der Erste, der Lana-Wissasa und ihren Vater erreichte.

»Hat es ihn schwer erwischt?«, wollte er wissen. »Wird er es überleben?«

Die junge Indianerin wandte ihm das Gesicht zu. Dann schüttelte sie langsam den Kopf.

»Verdammt...«, murmelte Gouverneur McGinty. Er nahm den Hut vom Kopf. Inzwischen war auch ein Teil der Zuschauer herangeströmt und hatte sich kreisförmig um das Opfer des hinterhältigen Anschlags aufgestellt.

»Lasst mich durch! Macht Platz, verflucht noch mal!« Ein Mann drängte sich durch die Reihen der Neugierigen. Er hatte eine bauchige, schwarze Tasche dabei. Der Doc ging sofort neben Ran-No-Pitti in die Knie und drückte dem Häuptling prüfend eine Hand gegen die Halsschlagader. Schließlich schüttelte auch er den Kopf. Ohne ein einziges Instrument aus seiner Tasche hervorgeholt zu haben, erhob sich der Arzt wieder. »Da ist nichts mehr zu machen«, meinte er bedauernd. »Der Häuptling hatte nicht die geringste Chance.«

In diesem Moment war das Knirschen von Stiefeln zu hören, das rasch näher kam. Die Männer, die sich auf die Suche nach dem Todesschützen gemacht hatten, kamen zum Tatort zurück.

»Wie sieht es aus?«, rief der Gouverneur ihnen entgegen. »Habt ihr das verdammte Schwein erwischt?«

»Leider nicht«, erwiderte einer der Männer. »Die Kerle hatten sich schon aus dem Staub gemacht.« Er zuckte entschuldigend mit den Achseln.

»Ich kann Ihnen überhaupt nicht sagen, wie Leid mir das tut«, wandte sich McGinty nun wieder Lana-Wissasa zu. »Ich verspreche Ihnen, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun werden, um den Schuldigen, der für dieses Verbrechen verantwortlich ist, zu finden und zur Rechenschaft zu ziehen. Bis dahin bleibt mir nichts anderes übrig, als mein tiefes Bedauern über diesen tragischen Vorfall auszudrücken und Ihnen mein tiefes Beileid zuzusichern.«

Die junge Indianerin legte ihren toten Vater, den sie noch immer im Arm gehalten hatte, vorsichtig auf der Straße ab. Kein Laut kam über ihre Lippen. Doch als sie sich dann mit den Händen über das Gesicht fuhr, vermischte sich das Blut, das an Lana-Wissasas Fingern klebte, mit bitteren Tränen.

* * *

»Wie lange wird es dauern?«, fragte Lassiter. »’ne gute halbe Stunde«, erwiderte der Schmied. »Ich muss

die Eisen noch anpassen. Warum gehen Sie nicht einfach solange in den Saloon und genehmigen sich ein Bier?«

»Keine schlechte Idee.« Lassiter nickte. »Sorgen Sie dafür, dass er etwas ordentliches unter die Hufe bekommt.« Er tätschelte seinem Braunen, der am Eingang der Werkstatt festgebunden war, den Hals. »Wenn wir zusammen unterwegs sind, ist das nämlich nur ganz selten ein gemütlicher Spazierritt.« Das Pferd nickte, als wolle es die Worte seines Reiters bestätigen.

»Kein Problem.« Der Schmied winkte ab. »Wenn ich mit Ihrem Vierbeiner fertig bin, können Sie mit ihm beruhigt quer durch die Hölle galoppieren, ohne dass er sich dabei die Füße verbrennt. Meine Eisen sind die besten in der ganze Gegend. Da können Sie jeden hier fragen.«

»Ich denke nicht, dass das nötig sein wird«, entgegnete Lassiter. »Ich sehe auf den ersten Blick, ob jemand sein Handwerk versteht. Und bei Ihnen habe ich da eigentlich keine Bedenken.«

Die Augen des Hufschmieds leuchteten stolz auf. »Falls es aber doch zu Beschwerden kommen sollte«, fügte

Lassiter hinzu, »werde ich die Sache von meinem Anwalt klären lassen. Sein Name ist Remington. Er und seine sechs kleinen Helfer werden dann schon wissen, wie sie meine Interessen vertreten müssen.« Er zog seinen Revolver

blitzschnell aus dem Holster, ließ ihn mehrmals um den rechten Zeigefinger wirbeln und steckte ihn wieder zurück. »Haben Sie verstanden, was ich damit meine?«

»Selbstverständlich...«, stammelte der Hufschmied. »Aber ich bin mir sicher, dass Sie nicht auf die Hilfe Ihres Anwalts zurückgreifen müssen. Ich werde mein Bestes geben.«

»Genau das wollte ich hören.« Lassiter tippte mit zwei Fingern gegen die Krempe seines Huts. »Bis in einer halben Stunde dann also. Ich hoffe, Sie sind pünktlich.« Er wandte sich nicht noch einmal um. Aber am Geklapper, das sofort in der Werkstatt einsetzte, konnte er hören, dass der Schmied eilig damit beschäftigt war, sein Werkzeug zusammenzusuchen.

Lassiter schlug den Weg in Richtung des Saloons ein. Doch er war lediglich um die Hausecke hinter der Werkstatt gekommen, als ihn ein Ding, das inmitten der schmalen Gasse lag, wieder stehen bleiben ließ. Verwundert blickte er zu Boden. Nein, er hatte sich nicht getäuscht – dort lag wirklich ein rotes Strumpfband im Staub. Ein wissendes Grinsen glitt über Lassiters Gesicht, als er sich bückte und es aufhob. Das Strumpfband konnte noch nicht lange dort liegen. Der spitzenverzierte Stoff war makellos sauber; die Farbe strahlte wie die einer vollreifen Frucht. Sogar ein Hauch des Parfüms der ehemaligen Trägerin dieses kleinen, sinnlichen Kleidungsstücks, haftete noch immer in seinem Gewebe und stieg Lassiter verführerisch in die Nase. Doch von der Frau, der das Strumpfband ehemals gehört hatte, fehlte jede Spur.

Lassiter musterte es noch immer interessiert, als plötzlich eine leise Stimme an sein Ohr drang.

»Ich habe mir schon gedacht, dass du nicht daran vorbeigehen würdest.«

Lassiter blickte nach oben, in die Richtung aus der die Stimme gekommen war. Auf der Rückseite des Hauses, das sich an die Schmiede anschloss, stand im ersten Stock eine rassige, rothaarige Lady auf einem Balkon. Sie musste sich

dort oben im toten Winkel verborgen gehalten haben und erst vor wenigen Sekunden an die Brüstung getreten sein. Nun lehnte sie so geschickt an dem Geländer, dass ihre ohnehin nicht gerade kleinen Brüste noch ein Stück üppiger wirkten. Sie musterte Lassiter ungeniert von oben bis unten und lächelte ihn dabei einladend an.

»Dann gehört dieses Teil also dir?«, fragte Lassiter und ließ das Band um seinen Zeigefinger tanzen.

Die Lady nickte. »Ich benutze es zum Angeln«, meinte sie dann. »Als Köder...«

»Hast du denn schon Beute gemacht?« »Könnte sein.« Sie lächelte geheimnisvoll. »Immerhin sieht

es so aus, als sei mir ein kapitaler Brocken an den Haken gegangen.« Wie zufällig fuhr sie sich mit den Fingern durch ihre rote Mähne. »Ehrlich gesagt, als ich es dorthin warf, habe ich gehofft, dass du das Band auf der Straße finden würdest.«

»Wirklich? Und wie komme ich zu der Ehre?« »Auch ich sehe auf den ersten Blick, ob jemand sein

Handwerk versteht, oder nicht.« »Oh, du hast mein Gespräch mit dem Schmied belauscht!?« »Warum nicht?«, fragte die Lady. »Schließlich ist er mein

Mann.« Sie zuckte mit den Schultern. »Aber sollen wir die Zeit wirklich noch weiter mit unnötigem Geschwätz vergeuden? Warum kommst du nicht einfach zu mir rauf? Von der halben Stunde, die wir am Anfang gehabt hätten, sind jetzt vielleicht gerade noch zwanzig Minuten übrig.«

»Du legst wirklich ein ordentliches Tempo vor.« »Klar, schließlich sollen wir ja auch beide etwas davon

haben.« Die Lady zwinkerte ihm zu. Gleichzeitig legte sie ihren Zeigefinger an ihr Dekolletee und zog es so weit herunter, dass Lassiter einen Blick auf ihren prachtvollen Busen werfen konnte. »Was ist los? Wie lange soll ich mich hier oben noch langweilen?«

Lassiter zögerte nicht lange. Er schnellte aus dem Stand heraus nach oben und bekam einen der Balken der Balkonbrüstung zu fassen. Lassiter war durchtrainiert bis in die letzte Faser seines Körpers. Mit der Geschmeidigkeit eines Pumas zog er sich hinauf auf den Balkon. Als er über das Geländer kletterte, registrierte er, dass sich die rothaarige Lady wieder an eine Stelle des Vorbaus zurückgezogen hatte, die von der Straße aus nicht eingesehen werden konnte. Dort lehnte sie an der Wand und hatte bereits ihre herrlichen Brüste entblößt. Sie lächelte ihn an und breitete die Arme einladend in seine Richtung aus.

Lassiter wäre kein echter Mann gewesen, wenn er das Angebot nicht sofort angenommen hätte.

Er verschloss ihre erwartungsvoll bebenden Lippen mit einem heißen Kuss. Während ihre Zungen mit einem leidenschaftlichen Spiel begannen, legten sich Lassiters Hände um die Brüste der Rothaarigen. Die beiden Lustmelonen waren so groß, dass er sie nur mit Mühe vollständig umgreifen konnte. Die warmen, prallen Hügel schmiegten sich in seine Handflächen. Die Lady gab ein genüssliches Seufzen von sich, als er sie sanft zu massieren anfing. Seine Finger wanderten zur Spitze ihrer Brüste und nahmen die kirschroten Gipfel zwischen Daumen und Zeigefinger. Die Frau des Schmieds konnte nicht verstecken, wie sehr ihr das gefiel. Ein gurrender Laut drang aus ihrer Kehle, ihre Nippel schwollen an wie Blütenknospen in der Frühlingssonne.

»Ja... jaa... JAA!« Die Lady sah sich erschrocken um, als ihr bewusst wurde, wie laut sie gejubelt hatte. Doch auf der Gasse blieb alles ruhig. Und auch aus dem Haus war kein Geräusch zu hören. Die junge Frau stieß erleichtert die Luft aus. »Du machst das einfach phantastisch«, flüsterte sie Lassiter ins Ohr. »Trotzdem: Wir müssen vorsichtig sein. Mein Mann darf nichts davon mitkriegen. Man müsste mir den Mund stopfen, damit ich nicht vor Wonne losschreie. Das heißt – eigentlich ist

das gar keine so schlechte Idee. Ich weiß auch schon, wie wir das machen werden.«

Sie ging vor Lassiter in die Hocke. Ihre rechte Hand fuhr einmal über die gewaltige Beule, die

sich in Lassiters Jeans gebildet hatte. Die Rothaarige lächelte voller Vorfreude, als sie ihm geschickt Gürtel und Hose öffnete. Lassiters Liebespfahl sprang daraus hervor, wie ein gefangenes Wildtier, das schon die ganze Zeit hinter der Tür seines Gefängnisses gelauert hatte – bereit, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit, in die ersehnte Freiheit zu entkommen.

»Aber das ist ja...«, stieß die junge Frau bei dem Anblick, der sich ihr bot, fassungslos hervor. »Eigentlich sagt man, dass der Schmied den größten Hammer von allen hat. Aber jetzt sehe ich, dass das nichts anderes als eine dreckige Lüge ist.«

»Dazu kann ich nichts sagen«, meinte Lassiter. »Du solltest das schließlich am besten wissen.«

Die Rothaarige zwinkerte ihm verschwörerisch zu. Dann stürzte sie sich mit dem Heißhunger einer Löwin auf das pralle Stück Fleisch, das direkt vor ihrem Gesicht gen Himmel ragte.

Ihre Lippen schlossen sich um seine Spitze. Dann fing ihr Kopf an, gleichmäßig vor und zurück zu wandern. Lassiter kam ihren Bewegungen mit der Hüfte entgegen. Die Lady gab ein beglücktes Seufzen von sich – zu einer lauteren Äußerung wäre sie auch nicht in der Lage gewesen, denn das Prachtstück in ihrem Mund nahm so viel Raum ein, dass für ein Wort oder einen Schrei kein Platz mehr geblieben wäre.

Lassiter genoss jede Sekunde. Aber die Zeit, die ihnen gemeinsam zur Verfügung stand, war knapp bemessen. Und Lassiter war Gentleman genug, um seine Partnerin nicht unerfüllt zurückzulassen. Also griffen seine Hände vorsichtig in die rote Mähne vor sich und brachten den Kopf sanft, aber bestimmt, zum Stillstand.

»Steh auf«, sagte Lassiter, als ihn die Lady fragend ansah. »Ich habe da was für dich.«

»Aber was ist, wenn ich...?« »Keine Angst. Dein Mann wird uns nicht hören. Du wirst

nicht schreien...«, beruhigte er sie. »... selbst wenn du das willst.«

Er half ihr beim Aufstehen. Dann brachte er sie dazu, sich gegen die Hauswand zu lehnen. Lassiter schob den Rock der Rothaarigen nach oben. Wie er bereits vermutet hatte, trug sie seidene Strümpfe – aber kein Höschen. Seine Hände legten sich unter die Rundungen ihres Apfelhinterns. Ohne jede Mühe hob er die junge Frau an. Ihre Finger schlangen sich um seinen Nacken. Lassiter versiegelte ihre vollen Lippen mit einem Kuss – dann stach sein Unterleib zu.

Kein Laut war zu hören, als er in sie eindrang. Lediglich ihr Körper bäumte sich lustvoll auf, während sie die heiße Lanze immer tiefer in sich aufnahm. In diesem Moment setzte ein metallisches Hämmern ein. Der Schmied in der Werkstatt hatte angefangen, ein glühendes Eisen mit Schlägen zu bearbeiten. Lassiter nahm den Rhythmus der Hiebe mit dem Unterleib auf. Mit jedem Schlag, der von unten herauf schallte, stieß auch er zu. Bald waren er und seine schöne Gespielin in einem heißen, leidenschaftlichen Tanz vereint, zu dem der Schmied in der Werkstatt – unwissentlich – die berauschende Musik lieferte.

Das metallische Hämmern gipfelte in einem aggressiven Zischen, als der Schmied das glühende Eisen in einen Bottich mit Eiswasser tauchte. Nun hielt sich auch Lassiter nicht länger zurück. Er spürte wie sich die Fingernägel der Rothaarigen in seinen Rücken krallten. Ein letzter Stoß – dann ließ er die Säfte seiner Leidenschaft aus sich heraussprudeln. Die Augen der Lady weiteten sich. Zweifellos hätte sie vor Lust geschrien, doch Lassiters Kuss erstickte jeden Laut.

Erst als er sie vorsichtig zurück auf den Boden setzte, lösten sich auch ihre Lippen wieder voneinander.

»Das... das war...«, stammelte die junge Frau atemlos. »Mein Gott, ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. So etwas ist mir noch nie – zugestoßen.«

»Soll das heißen, dass es dir gefallen hat?« »Da fragst du noch? Bei allem, was mir heilig ist: JAAA!« Lassiter schob ihr eilig eine Hand über den Mund. Trotzdem

hatte er ihren begeisterten Ausruf nicht verhindern können. Aus der Werkstatt waren inzwischen keine Arbeitsgeräusche

mehr zu hören. Stattdessen wurde nun irgendwo im Haus eine Tür geöffnet. »Elaine?«, drang die Stimme des Schmieds bis hinauf zum Balkon. »Wo bist du, Elaine?«

»Meine Güte, mein Mann...«, zischte die Rothaarige erschrocken. »Wenn er uns hier zusammen erwischt, gibt es ein Blutbad.«

Lassiter hätte keine Angst vor einer Auseinandersetzung mit dem Schmied gehabt, schließlich hatte er es schon mit Kerlen aufgenommen, die mehr als doppelt so breit wie der gewesen waren. Aber er wollte seiner hübschen Gespielin jeden unnötigen Ärger ersparen. »Keine Sorge«, flüsterte er deshalb der jungen Frau zu, während er Hose und Gürtel schloss. »Ich bin sofort von hier verschwunden.«

»Elaine?«, fragte die Stimme im Haus ein weiteres Mal. Diesmal näher. »Wo steckst du, verdammt hoch mal!«

Ohne sich weiter darum zu kümmern, eilte Lassiter zum Rand des Balkons. Aus dem Augenwinkel heraus sah er, dass auch die junge Lady hektisch ihre Kleidung ordnete, dann flankte er über die Brüstung. Mit der Leichtfüßigkeit einer Katze federte er unten auf der Gasse den Sprung aus dem ersten Stock ab. Er richtete sich gerade wieder auf, als er die Stimme seiner hübschen Partnerin oben auf dem Balkon hörte. »Hast du mich gerufen, Fred?«, fragte sie scheinbar unschuldig ins Haus hinein. »Hier draußen bist du so schlecht zu verstehen. Einen kleinen Augenblick, Darling, ich bin gleich

bei dir.« Ihre eiligen Schritte verschwanden im Innern des Gebäudes.

Lassiter schlenderte ohne jede Hast zurück zur Werkstatt. Sein Brauner war noch immer dort angebunden, aber vom Schmied fehlte jede Spur. Stattdessen traf beinahe gleichzeitig mit ihm ein zweiter Mann bei der Schmiede ein. Er war elegant gekleidet, trug eine Tasche unterm Arm und blickte sich über den Rand seiner halbrunden Brille suchend um. Die Miene des Gentleman hellte sich deutlich auf, als er Lassiter entdeckte.

»Wunderbar, dass ich Sie gleich persönlich antreffe«, meinte er. »Drüben bei den Stallungen hat man mir gesagt, dass ich Sie wahrscheinlich hier finden kann.«

»Um was geht es denn?«, wollte Lassiter wissen, obwohl er schon ahnte, weshalb der Mann hier aufgetaucht war.

»Mein Name ist Trevor Brown«, erwiderte der Mann, wie um seine Vermutungen zu bestätigen. »Ich bin Anwalt hier in der Stadt. Mir wurde etwas zugestellt, das ich so schnell wie möglich an Sie weiterreichen soll.« Er öffnete seine Tasche und holte einen versiegelten Umschlag daraus hervor. »Bitte sehr...«

Das Couvert, das Lassiter entgegennahm, enthielt weder Siegelzeichen, Absender oder Anschrift – trotzdem wusste er sofort, wer es ihm geschickt hatte. Zweifellos handelte es sich dabei um eine Nachricht der Brigade Sieben, jener geheimen Organisation der Regierung in Washington, von der er immer seine Aufträge erhielt. Fast jedes Mal gab es einen anderen Boten, der ihm die Mitteilung überbrachte.

»Gut, mein Teil des Jobs ist damit erledigt.« Trevor Brown klemmte sich seine Tasche wieder unter den Arm und wandte sich zum Gehen. »Ich wünsche Ihnen noch einen guten Tag, Sir.«

»Thanks. Das wünsche ich Ihnen auch.« Lassiter wartete ab, bis der Anwalt aus der Werkstatt

verschwunden war, dann riss er den Umschlag auf. Er enthielt

nur ein einziges Blatt, das mit einer klaren, neutralen Schrift überzogen war.

In Boise/Idaho war die Unterzeichnung eines Vertrags zwischen den Blackfoot und der US-Regierung geplant, der dem Indianerstamm ein festes Reservatsgebiet zusagt, las Lassiter. Doch es kam nicht zur Unterschrift, da Häuptling Ran-No-Pitti kurz vor der Unterzeichnung von Unbekannten erschossen wurde. Die Gründe für das Attentat sind unbekannt, jedoch liegt die Vermutung nahe, dass sie im Zusammenhang mit der bevorstehenden Vertragsunterzeichnung zu suchen sind. Seine Tochter Lana-Wissasa befürwortet, trotz des Mordes an ihrem Vater, noch immer die Ansiedlung ihres Volkes in dem geplanten Gebiet. Sie selbst ist aber nicht berechtigt, die entsprechende Unterschrift zu leisten, sondern muss sich dazu erst die Legitimation des Ältestenrats ihres Stammes einholen. Es steht zu befürchten, dass auch das Leben der Häuptlingstochter in Gefahr ist. Ihr eine offizielle Schutztruppe zur Seite zu stellen, hat sie bereits mit der Begründung abgelehnt, ihr Volk könne das als eine Beleidigung missdeuten. Gegen einen einzelnen Leibwächter hat sie allerdings nichts einzuwenden. Reiten Sie deshalb auf dem schnellsten Weg nach Boise. Begleiten Sie Lana-Wissasa auf dem Weg zu ihrem Stamm, beschützen Sie das Leben der jungen Frau, und sorgen Sie dafür, dass die Voraussetzungen für die endgültige Unterzeichnung des Vertrags geschaffen werden.

Wie immer war der Brief nicht unterschrieben. Lassiter hob den Kopf, als in diesem Augenblick eine Tür

im hinteren Teil der Schmiede geöffnet wurde. Der Schmied und seine Frau betraten die Werkstatt. »Oh, Sie sind schon zurück?«, fragte der überrascht, als er Lassiter bemerkte. »Tut mir Leid, aber ich bin mit Ihrem Braunen noch nicht ganz fertig.«

»Seien Sie meinem Mann deswegen bitte nicht böse«, fügte die rothaarige Lady hinzu. Sie schmiegte sich wie eine rollige Katze an den Schmied. »Er hat mich gesucht. Sie müssen wissen, mein starker Brummbär bekommt schon Sehnsucht nach mir, wenn er mich nur ein paar Minuten nicht sieht. Ist das nicht drollig?« Sie kraulte ihn unter dem Kinn.

Dem Schmied waren ihre Zärtlichkeiten vor seinem Kunden sichtlich unangenehm. »Lass das doch, Elaine«, meinte er peinlich berührt. »Das interessiert den Gentleman doch nicht.«

»Machen Sie sich deswegen keine Gedanken«, erwiderte Lassiter. »Bei einer so schönen Frau wie der Ihren, kann ich es nur zu gut verstehen, wenn Sie immer in ihrer Nähe sein wollen. Ich glaube, das würde den meisten Männern so gehen.«

»Wenn Sie das sagen...« Der Schmied nickte geschmeichelt. Die rothaarige Lady

warf Lassiter einen langen, wissenden Blick zu, sagte aber nichts.

»Also, wie schon gesagt, ein paar Minuten wird es schon noch dauern.« Der Hufschmied machte sich von seiner Frau los. »Wollen Sie solange hier warten?«

»Nein, ich nütze die Zeit, um meine Sachen aus dem Hotel zu holen«, erwiderte Lassiter. »Dann kann ich gleich aufbrechen, sobald Sie hier fertig sind. Oben in Idaho wartet nämlich noch ne Menge Arbeit auf mich.« Er zerknüllte den Brief der B7 zu einer Kugel und warf sie in die glühenden Kohlen des Schmiedefeuers. Das Papier flammte sofort hell auf, dann zerfiel es innerhalb weniger Sekunden vollständig zu Asche. Als Lassiter sich zum Gehen umwandte, war bereits wieder das Klappern von Werkzeug zu hören. Obwohl er sich nicht noch einmal umsah, wusste er, dass ihm ein weibliches Augenpaar so lange sehnsuchtsvolle Blicke hinterher sandte, bis er endgültig hinter der nächsten Häuserecke verschwunden war.

* * *

»Das hätte nicht passieren dürfen.« Daniel Legan saß auf einem umgestürzten Baumstamm und

starrte mit finsterer Miene in das Lagerfeuer. »Was soll das heißen?«, knurrte Ben Shepherd. Er hockte

seinem Komplizen gegenüber. Der Kaffee in seiner Blechtasse war schon längst kalt geworden.

»Na, was wohl?«, erwiderte Daniel Legan gereizt. »Es hat nicht gereicht, die alte Rothaut abzuknallen. Du hättest seine Tochter gleich mit in die Hölle schicken müssen.«

»Geht das schon wieder los?« Ben Shepherd schüttete den Kaffee mit einer energischen Bewegung in die Flammen, wo er unter lautem Zischen verdampfte. »Ich habe dir schon tausendmal gesagt, dass das nicht meine Schuld war. Ich hatte die Kleine schon ins Visier genommen. Aber mit der Patrone war irgendwas nicht in Ordnung. Das verdammte Ding ist nicht losgegangen. Und bis ich richtig nachgeladen hatte, war die Kleine schon umringt von Zuschauern. Hätte ich die vielleicht alle abknallen sollen?«

»Warum nicht?« »Meine Fresse, wie kann man nur dermaßen bescheuert

sein?« Shepherd winkte ab. »Ich werde dir sagen, warum nicht. Weil dafür einfach nicht genug Zeit war. Wir sind auch so schon in letzter Sekunde von diesem verfluchten Dach abgehauen. Oder wäre es dir lieber gewesen, dass sie uns dort oben erwischt hätten?«

»Natürlich nicht.« Daniel Legan schüttelte den Kopf. »Ich hatte halt gedacht, die Sache ließe sich einfacher erledigen. Aber stattdessen sind wir jetzt genauso weit wie vorher.«

»Das stimmt nicht«, erwiderte Ben Shepherd. »Immerhin sind die Verträge noch nicht unterschrieben.«

»Richtig. Noch nicht.« Legan spuckte verärgert aus. »Aber diese kleine rote Schlampe wird dafür sorgen, dass sich das ziemlich schnell ändert.«

»Wer hätte das auch schon ahnen sollen? Ich hätte meinen letzten Dollar dafür verwettet, dass die Kleine durchdreht, wenn ihr Vater direkt vor ihren Augen eine Kugel abbekommt. Ich habe gedacht, sie haut sofort ab, um das Kriegsbeil auszugraben. Aber stattdessen macht sie genau da weiter, wo ihr Alter aufgehört hat.« Ben Shepherd grinste bitter. »Das hätte sie nicht tun sollen. Das war ein tödlicher Fehler.«

»Was meinst du damit?« »Na, was wohl? Dass ihr das Gleiche passieren wird wie

ihrem Vater.« Ben Shepherd verschränkte entschlossen die Arme vor der Brust. »Die rote Natter ist jetzt schon so gut wie tot.«

»Und wie willst du das anstellen?« »Solange sie noch in der Stadt ist, ist nicht an sie

ranzukommen«, erklärte Shepherd. »Sie wird bewacht wie der Arsch des Präsidenten. Aber wenn sie erst einmal auf dem Heimweg zu ihrem Stamm ist, sieht das schon ganz anders aus. Wir werden dafür sorgen, dass sie gar nicht erst wieder bei den roten Hunden ankommt.«

Daniel Legan machte ein skeptisches Gesicht. »Ist das nicht verdammt gefährlich?«

»Denk an die Mine. Glaubst du nicht, das Gold dort ist es wert, dass man dafür ein kleines Risiko eingeht?«

»Klar. Wenn’s sein müsste, würde ich mich dafür sogar mit dem Teufel persönlich anlegen.«

»Eben.« Ben Shepherd nickte. »Sieh das Ganze doch einfach als eine Art Jagd an.«

Er begann dröhnend zu lachen. Es dauerte nicht lange, bis auch Daniel Legan in das Gelächter einfiel.

* * *

Die junge Frau war eine Schönheit, das war Lassiter schon auf den ersten Blick klar. Als er das Sheriff’s Office von Boise betrat, war Lana-Wissasa gerade damit beschäftigt, ein paar Sachen zusammenzupacken. Die junge Indianerin sah nicht einmal auf, aber die Hände der beiden Männer, die ebenfalls im Raum waren, glitten automatisch zu den Waffen an ihren Seiten.

»Entspannt euch, Jungs.« Lassiter hob beschwichtigend die Hände. »Ich will der Lady nichts antun. Ganz im Gegenteil, ich soll dafür sorgen, dass sie wohlbehalten zu ihrem Leuten zurückkehrt.«

Lana-Wissasa drehte ihm kurz das Gesicht zu – ihre Züge waren auch ohne Schminke nahezu perfekt –, wandte sich aber gleich darauf wieder ihren Sachen zu.

»Sind Sie Mr. John Smith?«, wollte einer der Männer von Lassiter wissen.

»Allerdings«, erwiderte der. John Smith war das, Pseudonym, das er manchmal während seiner Aufträge benutzte. »Und mit wem habe ich es zu tun?«

»Ich bin Sheriff Clive Deacon. Und das ist mein Deputy Hank Farnsworth.«

Der Sheriff nickte in Richtung des zweiten Mannes. »Freut mich, Sie kennen zu lernen, Mr. Smith. Wir haben Sie schon erwartet.« Er ließ seinen Revolver los und kam mit ausgestreckter Hand auf Lassiter zu. Der Deputy musterte den Neuankömmling noch immer mit skeptischem Blick.

Lassiter erwiderte den Händedruck. Dann ging er zu der Indianerin, die gerade damit beschäftigt war, einen tönernen Krug, der oben mit mehreren Schichten aus Tüchern verschlossen war, in einem Lederbeutel zu verstauen. »Es tut mir Leid, was mit Ihrem Vater passiert ist«, spendete er Trost.

Lana-Wissasa sah ihn an. In ihrem ebenmäßigen Gesicht war keine Gefühlsregung zu erkennen. »Mir auch«, erwiderte

sie knapp und stand auf. »Ich hatte gehofft, dass mein Vater und ich mit einer frohen Botschaft zu unserem Volk zurückkehren würden. Statt eines Vertrags bringe ich unserem Stamm jetzt die Asche ihres Häuptlings.« Sie deutete auf den Tonkrug.

»Das ist wirklich eine schlimme Geschichte.« Lassiter nickte mitfühlend. »Trotzdem – ich würde vorschlagen, wir brechen so schnell wie möglich auf. Ich helfe Ihnen gern beim Packen. Wo sind Ihre restlichen Sachen?«

»Dort drüben.« Lana-Wissasa zeigte auf eine Tür an der Rückwand des Sheriffbüros, die in den hinteren Teil des Gebäudes führte.

»Im Gefängnis?« Lassiter riss erstaunt die Augen auf. Dann wandte er sich zum Sheriff um. »Sie haben die junge Frau wirklich in einer Zelle untergebracht? Welcher Teufel hat Sie denn dabei geritten?«

»Dort konnten wir einfach besser auf sie aufpassen.« Clive Deacon zuckte mit den Schultern. »Das Zelt, in dem sie bis zum Attentat mit ihrem Vater gewohnt hat, war nicht sicher genug. Sie wollte dort bleiben, aber das haben wir nicht erlauben können. Der Gouverneur hat verlangt, dass sie Tag und Nacht bewacht wird – da hat sich das Jail geradezu angeboten. Es war der ideale Platz.«

Lassiter zog zweifelnd eine Augenbraue in die Höhe. Offensichtlich war er in diesem Punkt anderer Meinung als der Sheriff. Er wandte sich wieder der jungen Indianerin zu. »Wie hat Ihnen denn Ihre Unterkunft gefallen?«

Der Anflug eines Lächelns huschte über Lana-Wissasas versteinerte Miene. »Es ist nicht neu für mich, dass die Weißen in vielen Dingen anders denken als mein eigenes Volk«, erwiderte sie. »Ein Vogel in einem Käfig ist sicher vor seinen Feinden, aber er muss auch auf die Freiheit des weiten Himmels verzichten. Die Siksika sind ein tapferes Volk. Sie haben sich noch niemals vor ihren Feinden verkrochen.«

»Das ist mir bekannt«, erklärte Lassiter. »Die Blackfoot gelten als mutig und unabhängig. Darf ich fragen, woher Sie so gut unsere Sprache sprechen?«

»Als Kind habe ich mich mit einem weißen Mädchen angefreundet«, entgegnete Lana-Wissasa. »Katty war die Tochter eines Trappers, der nicht weit von unserer Siedlung seine Hütte hatte. Mein Vater war so weise, die Freundschaft zu erlauben. Durch Katty habe ich die Sprache der Weißen gelernt, auch um zu verstehen, wie seine Gedanken funktionieren. Meistens jedenfalls...«

»Das erklärt so manches.« Lassiter nickte. »Deshalb haben Sie auch diese außergewöhnliche Unterkunft akzeptiert.« Er ließ seinen Blick über den Sheriff und den Deputy wandern, die betreten die Spitzen ihrer Stiefel anstarrten.

»Genau«, pflichtete ihm die junge Häuptlingstochter bei. »Aber bei den meisten anderen Kriegern meines Volkes wäre das anders. Sie hätten die Bewachung als Beleidigung angesehen. Deshalb habe ich mich geweigert, dass man mir auf den Rückweg einen ganzen Begleittrupp mitschickt. Für mein Volk hätte es so ausgesehen, als kehre ich als Gefangene der Weißen in unser Dorf zurück. Dann hätten sie einen Vertrag niemals akzeptiert.«

»Aber Sie haben nichts dagegen, dass ich Sie begleite?«, wollte Lassiter wissen.

»Ich habe noch niemals einen Wächter gebraucht«, erwiderte Lana-Wissasa kühl und wandte sich wieder ihren Sachen zu. »Und habe auch jetzt um keinen gebeten.«

Lassiter legte die Stirn in Falten. »Ehrlich gesagt, ich bin schon mit größerer Begeisterung empfangen worden. Aber ich hoffe, dass wir uns trotzdem einigermaßen gut verstehen werden.« Die Häuptlingstochter erwiderte nichts. Als Lassiter sich erneut mit fragendem Blick zu Sheriff Deacon und Farnsworth umdrehte, zuckten die nur ratlos mit den Schultern.

* * *

Lassiters Sinne arbeiteten auf Hochtouren. In Situationen wie dieser wurden die Instinkte eines Raubtiers in ihm wach. Es war eine gute halbe Stunde her, seit sie mit dem Abstieg in den Long Shadow Canyon begonnen hatten. Inzwischen ragten an beiden Seiten des Wegs ausgedehnte Abhänge empor, nur durch den Greywater River voneinander getrennt, dem Fluss, der im Verlauf der Jahrtausende die gewaltige Schlucht in die Landschaft gegraben hatte. Linkerhand des Pfads, der so schmal war, dass nur zwei Reiter oder ein kleiner Wagen darauf Platz fanden, rauschte, etwa dreißig Yards unter ihnen, der Greywater River. Der Fluss war mehr zu erahnen, als wirklich zu erkennen, da die Sonne nur zur Mittagszeit hoch genug stand, um mit ihren Strahlen bis in die unterste Tiefe der Schlucht zu reichen. Die Abhänge an beiden Seiten der Schlucht waren geradezu übersät mit Büschen, Strauchwerk und Felsbrocken; ein Paradies für jemanden, der die Schlucht beobachten wollte, ohne dabei selbst gesehen zu werden. Hier gab es eine solche Vielzahl von Verstecken, dass es einfach unmöglich war, jedes davon im Auge zu behalten. Andererseits gab es auf der gesamten Länge des Pfads aber kaum eine Stelle, die bei einem eventuellen Überfall ausreichend Deckung vor den Angreifern geboten hätte. Lassiter war es längst klar, dass die Passage durch den Long Shadow Canyon die gefährlichste Strecke auf ihrem Weg zur Siedlung der Indianer war. Aber die Schlucht zu umreiten hätte einen Umweg von mindestens drei Tagen bedeutet. Nach einer kurzen Beratung hatten sie sich deshalb dazu entschlossen, das Risiko einzugehen und den direkten Pfad zu nehmen. Das heißt, eigentlich hatte Lassiter das allein beschlossen, denn Lana-Wissasa hatte seit ihrem Aufbruch aus Boise kaum einen Satz mit ihm gesprochen. Mit steinerner Miene hatte sie ihn immer wieder spüren lassen, dass sie seine Gesellschaft eigentlich als

überflüssig empfand und sie davon überzeugt war, den Ritt auch ohne männlichen Beschützer hinter sich bringen zu können.

Lassiter wandte sich zu der Häuptlingstochter um. Sie ritt auf ihrem Apfelschimmel nur wenige Yards hinter ihm. An einer Leine hielt sie das Pferd ihres Vaters. Die junge Frau hatte darauf bestanden, den Mustang des Häuptlings ohne Hilfe zu beladen, und nun führte sie das Tier schon den gesamten Weg hinter sich her. An dem Tragegestell auf seinem Rücken waren beutelartige Taschen befestigt, in denen sich Ran-No-Pittis Asche, sein Federschmuck und andere Gegenstände befanden, die den Siksika heilig waren, und die der Häuptling zur feierlichen Unterzeichnung der Verträge mitgenommen hatte.

Lana-Wissasa bemerkte Lassiters nachdenklichen Blick sofort. »Stimmt etwas nicht?«, erkundigte sie sich bei ihm. Die rituellen Zeichen, die sie sich nach dem Tod ihres Vaters auf Wangen und Stirn gemalt und seitdem nicht wieder abgenommen hatte, ließen ihr schönes Gesicht ernster wirken.

»Ziemlich ungemütliche Gegend«, erwiderte Lassiter. »Ich hoffe, dass hier keine unangenehmen Überraschungen auf uns lauern.«

»Noch unangenehmer als die, die ich in Boise erlebt habe, können sie wohl kaum sein.«

Lassiter nickte. »Haben Sie einen Verdacht, auf wessen Konto der Mord an Ihrem Vater gehen könnte?«

»Nein.« Lana-Wissasa schüttelte eindringlich den Kopf. »In unserem Stamm gab es lange Palaver darüber, ob mein Vater den Vertrag unterschreiben soll oder nicht. Viele Stimmen, die dagegen waren, wurden laut. Wütende Stimmen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Krieger der Siksika seinen Häuptling ermorden würde. Und schon gar nicht in der Stadt.«

»Sie glauben also, dass ein Weißer das Attentat begangen hat?«

»Es gibt nichts, was dagegen spricht.« »Aber aus welchem Grund?« Die junge Indianerin sah ihn beinahe mitleidig an. »Es gibt

unendlich viele Dinge, die das Herz des Weißen Mannes vergiften«, erklärte sie dann. »Geld, Neid, Eifersucht. Ich weiß nicht, wodurch mein Vater den Hass seines Mörders auf sich gezogen hat. Aber ich bin mir sicher, seine Seele war frei von Schuld. Und ich werde nicht eher ruhen, bis mein Versprechen erfüllt ist, das ich ihm in der Stunde seines Todes gegeben habe.«

»Was war das für ein Ver...?« Der laute Schrei eines Vogels ließ Lassiter nach oben

blicken. Er brachte seinen Braunen zum Stehen. Lana-Wissasa kümmerte sich nicht weiter um ihn. Sie lenkte

ihr eigenes Tier an Lassiter vorbei und zog auch das Packpferd hinter sich her.

Lassiter war noch immer in die Beobachtung des Vogels vertieft. Es war ein Habicht, der sich auf halber Höhe des Abhangs laut zeternd in die Luft erhoben hatte. Der Vogel flog nicht davon, sondern umkreiste immer wieder ein relativ kleines Gebiet über einer mit Sträuchern überwucherten Felsnase. Wahrscheinlich hatte das Tier dort oben irgendwo sein Nest und war von irgendetwas aufgeschreckt worden. Aber wovon? Vielleicht ein Berglöwe, ein Fuchs oder ein anderes Raubtier auf Beutezug. Vielleicht aber auch von etwas ganz anderem.

In diesem Moment blitzte es hell zwischen den Blättern eines der Büsche auf.

Ein Sonnenstrahl war auf Metall getroffen und daran reflektiert worden.

Lassiter reagierte sofort. Er trieb seinem Braunen die Sporen in die Seite und jagte

der jungen Indianerin hinterher. Wenige Sekunden später hatte er sie erreicht.

»Vorsicht!«, brüllte er. »Da oben ist...« Seine restlichen Worte wurden von dem Knall eines

Schusses übertönt, der durch den Long Shadow Canyon peitschte.

Lassiter zögerte keinen Augenblick. Er schnellte aus dem Sattel. Noch im Flug packten seine Hände Lana-Wissasa und rissen die junge Frau ebenfalls vom Rücken ihres Pferdes. Eine Kugel zischte wie ein aggressives Insekt nur wenige Inches über sie hinweg. Das Fell des Apfelschimmels färbte sich am Hals blutrot, als die Kugel dem Tier dort die Haut aufritzte. Das Pferd der Häuptlingstochter stieg wiehernd auf die Hinterhand, schlug mehrmals mit den Vorderhufen aus, dann stürmte er voller Angst über den Pfad davon. Der Mustang des Häuptlings ließ sich von seiner Panik anstecken und jagte ihm hinterher.

Lassiter und Lana-Wissasa schlugen am Rand des Pfads hart auf den Boden auf. Lassiter schob sich sofort schützend über die junge Frau. Mit der Rechten riss er seinen 38er Remington aus dem Holster.

Ein zweiter Schuss bellte auf. Sein Echo wurde von der gegenüberliegenden Wand der Schlucht zurückgeworfen.

Zwischen den Blättern des Busches war für einen kurzen Moment das Mündungsfeuer eines zweiten Gewehrs zu erkennen.

Lassiter erwiderte das Feuer, obwohl ihm klar war, dass er auf die weite Entfernung mit seinem Revolver nicht viel ausrichten konnte. Ihre Chancen standen nicht gut. Ganz im Gegenteil – der Pfad bot hier nur wenig Möglichkeiten, die sich als Deckung gebrauchen ließen. Es war eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis die Kerle, die sich dort oben verschanzt hatten, sie abknallen würden wie ein paar lausige Karnickel.

Eine Kugel ließ zwei Yards vor ihnen den Sand aufspritzen. Lassiter antwortete mit einer weiteren Portion heißen Bleis.

In das Knallen der Schüsse mischte sich plötzlich noch ein weiteres Geräusch.

Es war eine Art Rauschen, bloß, dass es nicht aus der Tiefe kam, wo der Fluss durch den Canyon strömte, sondern von einer Stelle weiter oben am Abhang.

Sand und kleine Gesteinsbrocken kullerten über den Pfad, auf dem sie gekommen waren.

Als Lassiter sich in die Richtung umwandte, aus der der Dreck gekommen war, bemerkte er, dass sich auf halber Höhe zwischen ihnen und den Angreifern ein kleiner Bergrutsch gebildet hatte. Der Lärm der Schüsse musste ihn ausgelöst haben.

Lassiter erkannte seine Chance sofort. Er feuerte in rascher Folge so lange auf die Stelle, bis nur

noch eine einzige Patrone in der Trommel seines Remingtons übrig war. Das Echo ließ die Schüsse zu einem wahren Trommelfeuer anschwellen.

Lassiters Rechnung ging auf. Immer größere Brocken lösten sich vom Untergrund und

begannen den Abhang hinunterzurutschen. Sie rissen weiteres Geröll mit sich. Es dauerte nicht lange, und aus dem Bergrutsch war eine regelrechte Drecklawine geworden. Der aufgewirbelte Staub hing wie ein dichter Nebelschleier in der Luft.

»Der Dreck nimmt den Mistkerlen die Sicht«, rief Lassiter der jungen Indianerin zu. »So eine Gelegenheit bekommen wir nicht wieder. Wir müssen abhauen. Jetzt!«

Er sprang auf und zog auch Lana-Wissasa mit sich auf die Füße. Ein Vorhang aus Staub und Schmutz hüllte sie fast vollständig ein. Tief geduckt rannten sie zu Lassiters Braunem, der nicht weit von ihnen stand, und ungeduldig von einem Bein aufs andere trat. Die Kugeln, die ihnen die versteckten Angreifer noch immer hinterherschickten, zischten an ihnen vorbei, ohne ihnen wirklich gefährlich nahe zu kommen.

Lassiter schob die Häuptlingstochter auf den Pferderücken. Dann sprang er hinter ihr in den Sattel. Um ihren Widersachern möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten, beugte er sich so weit nach vorn, dass ihre beiden Oberkörper flach am Hals des Tieres zu liegen kamen. Ein kurzer Ruck mit den Schenkeln genügte, und der Braune setzte sich in Bewegung.

Mit zwei Reitern auf seinem Rücken, jagte das Tier über den Pfad davon.

Die Schüsse hinter ihnen wurden weniger und hörten schließlich ganz auf.

Doch Lassiter trieb seinen Braunen noch immer an. Die junge Indianerin sagte nichts, aber Lassiter konnte ihren aufgeregten Atem deutlich unter sich hören. Lana-Wissasa hatte Todesangst, obwohl sie das ihm gegenüber wohl niemals zugegeben hätte.

Nach einer guten Meile erreichten sie eine Stelle, an der der schmale Weg noch einmal enger wurde. Genau dort, wo der Pfad eine scharfe Biegung machte, stand Lana-Wissasas Apfelschimmel und starrte auf einen Punkt in der Tiefe. Hin und wieder warf das Pferd den Kopf in den Nacken und stieß dabei aufgeregt die Luft durch die Nüstern. Vom Mustang des Häuptlings war nirgends eine Spur zu entdecken.

Lassiter brachte sein Pferd direkt neben dem Apfelschimmel zum Stehen. Schon als er aus dem Sattel sprang, bemerkte er die Spuren auf dem Boden. Die Abdrücke von Pferdehufen waren dort zu erkennen. Doch nicht alle führten um die Kurve herum weiter den Pfad entlang. Die Hufspuren eines Tieres verliefen weiter geradeaus – und endeten direkt am Abgrund.

Lassiter trat vorsichtig an den Rand der Schlucht heran und warf einen Blick in die Tiefe. Er fand seine Vermutungen sofort bestätigt. Etwa dreißig Yards unter ihm war das Pferd des Häuptlings zu erkennen. Das hölzerne Tragegestell auf seinem Rücken war ihm zum Verhängnis geworden. Der gerüstartige Aufbau war für ein gemächliches Tempo bestimmt

gewesen. Aber durch die panische Flucht des Tieres war er zu schwankendem Ballast geworden, der es dem Pferd beinahe unmöglich gemacht hatte, das Gleichgewicht zu halten. An der engen Biegung des Pfads hatte dann das Verhängnis seinen Lauf genommen. Dem stürmenden Mustang war es nicht gelungen, die Kurve zu nehmen. Das unförmige Gewicht auf seinem Rücken hatte ihn über den Rand des Abgrunds schleudern und in die Tiefe stürzen lassen.

»Was ist passiert?«, wollte Lana-Wissasa wissen. Auch sie sprang vom Pferd und kam langsam zu Lassiter heran.

Der deutete wortlos in die Schlucht. Die Häuptlingstochter stieß ein erschrockenes Keuchen aus,

als sie den Mustang ihres Vaters in der Tiefe entdeckte. Das Gestell auf seinem Rücken hatte sich in den Zweigen eines Busches verfangen, der an der Steilwand wuchs. Das Pferd hing etwa zehn Yards über dem Fluss, mit allen vier Beinen frei in der Luft. Lediglich von dem ledernen Gurt, der quer über seinen Bauch lief, wurde es vor dem endgültigen Absturz bewahrt.

»Vater...«, brach es aus dem Mund der jungen Frau verzweifelt hervor.

Doch Lassiter hatte bereits einen Entschluss gefasst. Er nahm seinen Remington und ließ die Trommel

aufschnappen. Nachdem er sie vollständig mit frischer Munition gefüllt hatte, schloss er sie wieder und reichte die Waffe an Lana-Wissasa weiter. »Nimm das«, sagte er. »Wenn einer von den Mistkerlen hier auftauchen sollte, schickst du ihn damit direkt in die Hölle.«

Die junge Indianerin starrte den Revolver in ihrer Hand verständnislos an. »Aber was ist mit dir?«, fragte sie unsicher. »Was hast du vor?«

»Ich werde dafür sorgen, dass deinem Vater die Ehre zuteil wird, die ihm zusteht.« Lassiter zog das Messer, das er am Gürtel bei sich getragen hatte, aus der ledernen Hülle, dann

nahm er die Klinge fest zwischen die Zähne. Mit entschlossenen Schritten näherte er sich dem Rand des Abgrunds.

»Bei allen Göttern! NICHT!!!« Doch bis Lana-Wissasa begriffen hatte, was ihr Begleiter im

Schilde führte, war es zu spät, noch etwas dagegen unternehmen zu können. Lassiter war bereits über die Felskante verschwunden und hatte mit dem Abstieg in die Schlucht begonnen.

Der Berghang war steil und schlüpfrig. Aber es gab genügend Vorsprünge und Nischen, in denen Stiefel und Hände Halt fanden. Mehrmals glitt er ab und musste sich an einer vorstehenden Felskante festklammern, um nicht in die Tiefe zu stürzen. Aber Lassiter gab nicht auf, sondern arbeitete sich Yard für Yard nach unten, bis er schließlich das Gestrüpp erreicht hatte, an dem das Pferd der Häuptlings hing.

Behutsam schob er sich neben das Gebüsch. Der Mustang wieherte, als er bemerkte, dass er nicht mehr

allein war. Sein Fell war schmutzig und an manchen Stellen mit Blut verschmiert, aber ansonsten schien das Tier nicht ernsthaft verletzt zu sein. Seine Beine schlugen ängstlich durch die Luft.

Lassiter wusste, dass er nicht viel für das panische Pferd tun konnte. Es nach oben auf den Pfad zurückzubringen, war unmöglich. Wenn es überhaupt die Spur einer Hoffnung für eine Rettung gab, dann lag sie in der anderen Richtung. Unten in der Schlucht.

Die verzweifelten Bewegungen des Tiers zerrten immer heftiger an dem Gebüsch. Lassiter glaubte, dass Knirschen zerbrechender Zweige zu hören. Ihm war klar, dass es nun keine Sekunde mehr zu verlieren galt.

Lassiter krallte sich mit der rechten Hand an dem Busch fest. Das Messer in der linken, beugte er sich so weit hinunter, bis er die Lederbeutel erreichte, die auf dem Tragegestell

festgezurrt waren. Er tastete vorsichtig über das Leder, bis er den Beutel gefunden hatte, nach dem er gesucht hatte. Es gelang ihm, die geflochtenen Seile durchzuschneiden und sich den Beutel über die Schulter zu werfen. Er band den Beutel mit den Überresten der Stricke an seinem Körper fest.

Dann beugte er sich ein weiteres Mal in die Tiefe hinab. »Tut mir Leid, alter Junge«, sagte er zu dem Pferd, dessen

Kräfte langsam weniger wurden. »Aber eine andere Möglichkeit gibt es nicht...«

Lassiter schob das Messer zwischen den Bauchgurt und den Leib des Tieres. Die Klinge war so scharf geschliffen, dass ein kurzes Rucken genügte, um den Gurt zu durchtrennen. Als der Körper des Mustangs nach unten wegsackte, schnellten die Riemen wie eine Peitsche auseinander. Lassiter ignorierte den brennenden Schmerz auf seinem Handrücken, als er von einem davon getroffen wurde. Unten im Fluss war ein dumpfes Platschen zu hören. Von ihrer zusätzlichen Last befreit, federten nun auch die Zweige des Buschs zurück in ihre ursprüngliche Position.

Lassiter verlor den Halt. Seine Stiefel traten plötzlich ins Nichts.

Er stürzte in die Tiefe. Von irgendwo über ihm drang ein entsetzter Aufschrei zu

ihm hinab. Geistesgegenwärtig gelang es ihm, sich nach wenigen Yards

an einem hervorstehenden Teil der Buschwurzeln festzuklammern.

Die Überreste des Tragegestells lösten sich durch seine Bewegungen aus den Zweigen. Stöcke, Beutel und Kleidungsstücke regneten auf ihn herab. Die Knöchel an Lassiters Handgelenken traten vor Anstrengung weiß hervor. Trotzdem krallten sich seine Finger wie Zangen in der Wurzel fest. Der Beutel auf seinem Rücken schien plötzlich ein Gewicht zu haben, als sei er bis unter den Rand mit purem Blei

gefüllt. Endlich gelang es Lassiter mit dem rechten Fuß erneut Halt am Berghang zu finden. Aus dieser sichereren Position heraus gelang es ihm, auch den linken in eine Felsspalte zu schieben. Lassiter wartete ab, bis sein angestrengter Atem wieder einen ruhigen Rhythmus angenommen hatte. Eine Minute später begann er mit dem Aufstieg.

Das Hinaufklettern gestaltete sich als einfacher als der Abstieg. Konzentriert und jeden einzelnen Schritt sorgfältig abwägend, schob sich Lassiter langsam nach oben. Schließlich erreichte er eine Stelle, an der sich ihm eine Frauenhand von oben entgegenreckte.

»Endlich!«, rief Lana-Wissasa. »Ich habe schon geglaubt, du schaffst es nicht mehr.«

Ihre Finger krallten sich in den Ärmeln seines Hemds fest und zogen ihn daran zurück auf den schmalen Bergpfad.

Lassiter kauerte sich erschöpft auf dem Boden zusammen. Die Anstrengungen der vergangenen Minuten standen ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.

»Bei allen Geistern meiner Vorfahren«, stieß die junge Indianerin aufgeregt hervor. »Warum hast du das getan?«

Lassiter hob den Kopf und sah sie an. »Das habe ich dir doch schon gesagt«, meinte er. Doch die Häuptlingstochter schien noch immer nichts begriffen zu haben. »Sieh es dir selbst an«, sagte er deshalb und gab ihr den Lederbeutel.

Lana-Wissasa riss die geflochtenen Riemen auseinander. Als sie den Verschluss öffnete, kamen drei Dinge in dem Beutel zum Vorschein: das Tongefäß mit der Asche des Häuptlings, sein zusammengerollter Federschmuck und ein Colt Peacemaker.

»Ich habe gedacht, dass du das gut gebrauchen kannst, wenn du deinem Vater ein anständiges Begräbnis besorgen willst«, meinte Lassiter. »Tut mir Leid, aber mehr konnte ich einfach nicht nach oben schaffen.«

Die Häuptlingstochter ließ den Beutel langsam sinken. Sie war so überwältigt, dass sie eine Minute keine einzige Silbe über die Lippen brachte. Doch dann warf sie sich auf die Knie und fiel Lassiter um den Hals. »Danke«, schluchzte sie. »Danke für alles, was du für mich getan hast! Ich wünschte, ich könnte dir zeigen, wie unendlich dankbar ich dir bin.«

Lassiter entgegnete nichts. Er erwiderte ihre Umarmung und war sich jetzt schon sicher, dass der Wunsch seiner hübschen Begleiterin schon bald in Erfüllung gehen würde.

* * *

»Verdammter Dreck!« Daniel Legan fuchtelte mit der Hand durch die Luft, als könne er damit den Staub, den der Erdrutsch aufgewirbelt hatte, vertreiben. »Kannst du noch was von ihnen erkennen?«

»Nicht die Bohne«, erwiderte Ben Shepherd. Er hielt seine Winchester noch immer im Anschlag. »In dieser elenden Suppe würde man keinen ausgewachsenen Büffel erkennen, selbst wenn er drei Yards vor einem steht.«

»Glaubst du, wir haben sie erwischt?« »Schwer zu sagen. Die erste Kugel hat auf jeden Fall nicht

gesessen, soviel ist klar.« »Was machen wir jetzt?« »Lass uns abwarten, bis sich der Staub wieder gelegt hat.

Wenn wir jetzt hier rumklettern, brechen wir uns höchstens den Hals.«

Es dauerte etwa zehn Minuten, bis sich der Dunst so weit gelichtet hatte, dass auch der Hang unterhalb des Verstecks, in das sich die beiden Halunken verkrochen hatten, wieder zu erkennen war. Legan und Shepherd stöhnten auf, als klar wurde, dass von Lassiter und der jungen Indianerin nirgends eine Spur zu sehen war. Auch der Pfad durch den Canyon war plötzlich unter Bergen von Schutt und Geröll verschwunden.

»Shit.« Daniel Legan spuckte verärgert aus. »Wie soll es nun weitergehen?«

»Vielleicht sind sie ja unter der Lawine begraben worden.« Ben Shepherd kratzte sich nachdenklich am Schädel. »Ich werde mir das mal genauer betrachten. Hol du die Pferde. Ich steige hinunter und werde nachsehen, ob ich sie irgendwo unter dem Dreck finde.«

»Was ist, wenn sie inzwischen abgehauen sind?« »Dann werden wir uns an ihre Fersen heften«, erklärte Ben

Shepherd. »Noch ist nichts verloren. Das rote Miststück muss zurück zu ihrem Stamm. Von dort aus geht es dann wieder nach Boise. ’ne ziemlich lange Strecke, wenn du mich fragst. Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir da nicht noch eine Gelegenheit bekommen sollten, sie ins Visier zu kriegen.«

»Du bist ein räudiger Kojote, Ben.« Daniel Legan grinste anerkennend. »Wenn du dich erst mal wo festgebissen hast, lässt du nicht wieder locker.« Er wollte sich zum Gehen wenden, blieb dann aber doch noch einmal stehen. »Sag mal, dieser Kerl, den die Kleine dabei hat, hast du eine Ahnung, wer das ist?«

»Absolut nicht.« Ben Shepherd schüttelte den Kopf. »Aber der Kerl hat Reflexe wie ein Raubtier. Wenn der nicht das rote Miststück vom Pferderücken gestoßen hätte, wäre die Kleine schon längst in ihren ewigen Jagdgründen.«

* * *

Die Nacht war kühl und klar. Der schier endlose Sternenhimmel glitzerte wie ein Gletscher im Licht des Vollmonds. Der Lagerplatz, den Lassiter für die Nacht ausgesucht hatte, lag so geschützt, dass sie bedenkenlos ein wärmendes Lagerfeuer entzünden konnten, ohne dass die

Gefahr bestand, dass die Flammen über viele Meilen hinweg zu sehen waren.

Lana-Wissasa hatte sich neben dem Feuer in einer Decke zum Schlafen zusammengerollt. Der Beutel mit dem Federschmuck und der Asche ihres Vaters stand neben ihrem Kopfende. Seit Lassiter ihn aus der Tiefe des Canyons gerettet hatte, hatte sie diesen Schatz nicht mehr aus den Augen gelassen. Die junge Frau bewegte sich nicht, doch ihre flachen, ungleichmäßigen Atemzüge verrieten, dass sie – wenn überhaupt – nur in einen sehr leichten Schlaf gefallen war.

Lassiter saß ein wenig abseits der Feuerstelle und hielt Wache. Die Anstrengungen des vergangenen Tages waren auch an ihm nicht spurlos vorübergegangen, aber er war in einer so guten körperlichen Form, dass ihm die Aussicht, sich in dieser Nacht wohl nicht aufs Ohr legen zu können, nichts ausmachte. Aus der Erfahrung seiner vielen Jahre im Sattel wusste er, dass er mühelos drei bis vier Nächte ohne Schlaf aushielt, ohne dass seine Aufmerksamkeit oder Reflexe darunter litten. Lassiter saß so regungslos da, dass seine dunkle Gestalt nahezu vollständig mit den Schatten am Rand des Feuerscheins verschmolz und dadurch beinahe unsichtbar war. Doch die scheinbare Ruhe, die er ausstrahlte, war trügerisch. Innerlich war der große Mann hellwach. Jeder seiner Sinne arbeitete auf Hochtouren. Seine Augen suchten immer wieder die Umgebung des Lagers ab, seine Ohren registrierten jedes einzelne Geräusch.

Lassiter schaute gerade nach oben, um am Stand der Sterne die Uhrzeit abzulesen, als ein leises Knirschen im Unterholz seine Aufmerksamkeit erregte. Lautlos zog er den 38er Remington aus dem Holster.

Ohne jedes Geräusch stand er auf und schlich in die Richtung davon, aus der das Knirschen gekommen war. Geschickt wie eine Schlange schlüpfte er in das Unterholz.

Plötzlich begann auch Lana-Wissasa sich zu regen. Der ihr angeborene Instinkt hatte sie aus dem Schlaf gerissen. Irgendetwas stimmte hier nicht, das konnte sie spüren. Aber was? Sie wandte sich langsam zu Lassiter um, aber der Stein, auf dem er gesessen hatte, war leer.

Die Häuptlingstochter war von einer Sekunde zur nächsten hellwach. Sie tastete nach dem Colt Peacemaker, den ihr Vater vor vielen Jahren bei einem Trapper gegen Felle eingetauscht hatte, und den sie nach dem Überfall im Long Shadow Canyon nun bei sich trug. Ihre Finger legten sich eng um den Griff der Waffe. Lana-Wissasa wusste, dass sie im Schein des Feuers ein leichtes Ziel für jeden in der Dunkelheit lauernden Angreifer abgab. Deshalb stand sie auf, um aus dem direkten Lichtkegel zu schleichen. Die Decke, in die sie sich eingehüllt hatte, glitt von ihren Schultern und fiel zu Boden. Dass sie darunter vollkommen nackt war, störte die junge Indianerin nicht.

Lassiter schob sich immer weiter durch das Dickicht hindurch, ständig darauf bedacht, sich nicht durch ein unvorsichtiges Rascheln oder das Knacken eines Astes zu verraten. Das Knirschen, das ihn alarmiert hatte, hatte sich wiederholt – diesmal an einer anderen Stelle. Es gab also wirklich etwas, das in der Dunkelheit um ihr Lager herumschlich. Aber wer konnte das sein? Dass es sich bei dem nächtlichen Besucher nicht um ein wildes Tier handelte, glaubte Lassiter fest. Die langen Aufenthalte in der freien Natur hatten ihm die Fähigkeit verliehen, tierische von menschlichen Lauten unterscheiden zu können. Waren ihnen die beiden Angreifer aus der Schlucht gefolgt? Planten sie nun einen weiteren feigen Anschlag auf ihr Leben? Das war möglich – obwohl Lassiter davon überzeugt war, dass nur eine Person durch das Unterholz schlich. Hatten sich die Halunken getrennt, oder gab es etwa noch einen weiteren Feind, der bis jetzt bloß noch nicht in Erscheinung getreten war?

Fernab des Lagerfeuers hatten sich Lassiters Augen inzwischen so an die Dunkelheit gewöhnt, dass sich immer mehr Konturen aus der Schwärze der Umgebung herausschälten. Tief geduckt pirschte er sich immer weiter an die Stelle heran, an der er den nächtlichen Beobachter vermutete.

Ein plötzliches Rascheln ließ Lassiter herumfahren. Es kam aus einem Busch, keine zwei Yards neben ihm. Etwas schnellte zwischen den Zweigen hervor. Lassiter kam nicht mehr dazu, seinen Remington

abzufeuern, denn ein gewaltiger Schlag traf ihn gegen die Brust und schleuderte ihn zu Boden.

Er wollte wieder auf die Beine springen, aber sein Gegner war sofort bei ihm. Eine schemenhafte Gestalt schob sich über ihn. Sekundenbruchteile später spürte er einen Hieb gegen das Kinn. Farbige Lichter explodierten vor Lassiters Augen. Hände legten sich wie Schraubstöcke um seine Kehle. Lassiter zwang sich dazu, den Schmerz zu ignorieren. Stattdessen schlug er mit aller Kraft mit seinem Revolver an die Stelle, an der er den Kopf seines Gegners vermutete.

Der Hieb traf so hart einen Körper, dass Lassiter die Waffe aus der Hand geschleudert wurde.

Die Finger lösten sich von Lassiters Hals. Das Gewicht auf seiner Brust kippte zur Seite weg.

Lassiter erkannte seine Chance sofort. Er richtete sich auf und ließ sich dann seinerseits schwer auf seinen Gegner fallen. Ein leises Keuchen war zu hören, als er ihm den Ellenbogen in die Magengrube rammte. Doch auch sein Gegenüber war ein zäher Brocken, der nicht ans Aufgeben dachte. Er wandte sich geschickt wie ein schlüpfriger Fisch aus Lassiters Griff. Der spürte, wie sein Gegner wieder auf die Beine kam. Es gelang ihm, in der Dunkelheit das Fußgelenk seines Widersachers zu fassen zu bekommen. Lassiter wollte ihn mit einer

Hebelbewegung zu Fall bringen. Da traf der Hieb mit einem Ast ihn mit voller Wucht am Schädel.

Ein Vorhang aus feuerrotem Licht breitete sich schlagartig vor Lassiters Gesicht aus.

Plötzlich schien jede Kraft seinen Körper verlassen zu haben.

Ohne etwas dagegen tun zu können, spürte Lassiter, wie er zu schwanken anfing und schließlich zu Boden sackte.

Dann verlor er das Bewusstsein. Sein Gegner ließ die Überreste des Astes, den er als Waffe

benutzt hatte, in das Unterholz fallen. Dann waren nur noch Schritte zu hören, die sich eilig von dem leblosen Körper entfernten.

* * *

Als Lassiter wieder zu sich kam, wusste er nicht, wie lange er zwischen den Sträuchern gelegen hatte. Aber es war tiefe Nacht und das Blut an seinem Kopf noch immer frisch. Es konnten also nur ein paar Minuten seit dem Kampf mit dem unsichtbaren Angreifer vergangen sein.

Als Lassiter sich aufrichtete, fuhr ihm ein Schmerz durch den Schädel, als habe ihm jemand einen Dolch in die Schläfen gerammt. Er schloss die Augen, bis Schwindel und Stechen so weit nachließen, dass er sich aufrichten konnte.

Ein prüfender Griff ans Holster brachte ihm ins Gedächtnis zurück, dass ihm sein Revolver während des Kampfs aus der Hand geschleudert worden war. Er bückte sich und begann suchend über den Boden zu tasten.

Seine Finger stießen an etwas Metallisches. Den Remington. Doch noch etwas anderes lag dort am Boden. Mehrere

längliche, scharfkantige Gegenstände von der Größe eines Kinderfingers, die durch eine Schnur miteinander verbunden waren. Zweifellos musste sein Gegner es dort verloren haben.

Lassiter ließ das merkwürdige Objekt in seiner Westentasche verschwinden. Dann steckte er den Remington zurück in das Holster und machte sich auf den Rückweg zum Lagerfeuer.

Als Lassiter auf die kleine Lichtung hinaustrat, auf der sie ihren Schlafplatz hatten, zog er besorgt die Stirn in Falten. Die Stelle neben dem Feuer, wo Lana-Wissasa gelegen hatte, war leer. Wo war die junge Indianerin? Hatte der nächtliche Angreifer Lassiters Ohnmacht dazu benutzt, über die Häuptlingstochter herzufallen? War sie verschleppt worden – oder vielleicht schon tot?

Noch bevor Lassiter sich darüber weitere Gedanken machen konnte, sah er neben sich eine schemenhafte Gestalt hinter einem Baum auftauchen. Aus den Augenwinkeln heraus erkannte er, dass der Schatten eine Waffe in der Hand hielt.

Lassiter fuhr herum. Ein gezielter Tritt genügte, um seinem Gegenüber den

Revolver aus den Fingern zu katapultieren. Reflexartig zog Lassiter seinen Remington aus dem Holster und richtete ihn auf die Gestalt neben dem Baum.

»Nimm die Flossen hoch!«, befahl er. »Es sei denn, du willst, dass ich dich in ein Sieb verwandele.«

Das Schemen im Schatten kam seiner Aufforderung nur zögernd nach.

»Was willst du?«, fragte eine weibliche Stimme. »Ihr habt meinen Vater umgebracht, dann habt ihr uns im Canyon eine Falle gestellt. Warum? Was haben wir euch getan?«

Lassiters Zeigefinger am Abzug entspannte sich, als er erkannte, wem er in der Dunkelheit gegenüber stand. »Lana-Wissasa?«, fragte er, um auch die letzten Zweifel auszuräumen. »Bist du das?«

»Ja«, kam die erleichterte Antwort. »Bei den Göttern meiner Ahnen, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie froh ich bin, dass du wieder hier bist.« Sie kam zu ihm gelaufen und fiel ihm um den Hals.

Lassiter steckte den Revolver ein. Als er ebenfalls die Arme um sie legte, spürte er, dass die junge Frau am ganzen Körper zitterte – und völlig nackt war.

»Was ist passiert?«, wollte er wissen. »Ich bin aufgewacht, und du warst verschwunden«, erklärte

Lana-Wissasa. »Dann habe ich Geräusche aus dem Wald gehört. Damit man mich nicht sofort sieht, bin ich vom Feuer weggegangen und habe mich hier bei dem Baum versteckt. Ich habe gewartet – bis plötzlich jemand aus dem Wald geschlichen kam. Ich habe an meinen Vater gedacht und an den Hinterhalt in der Schlucht. Ich war mir sicher, dass sich hier jemand rumtreibt, der mir ans Leben will. Deshalb wollte ich ihm zuvorkommen, bevor er... Ich habe doch nicht ahnen können, dass du... Ich darf mir überhaupt nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn du mir nicht die Waffe aus der Hand getreten hättest. Kannst du mir noch einmal verzeihen?« Sie schmiegte sich noch enger an ihn.

»Schon gut.« Lassiter strich ihr beruhigend übers Haar. »Es ist ja noch mal alles gut gegangen. Außerdem, so falsch hast du mit deinem Verdacht gar nicht gelegen. Hier hat sich tatsächlich einer rumgetrieben.«

»Wirklich?« Obwohl Lassiter nichts davon erkennen konnte, wusste er, dass Lana-Wissasa ihn überrascht ansah. »Wo ist er jetzt?«

»Abgehauen. Es ist zu einem Kampf zwischen uns gekommen. Er hat mich mit einem Knüppel niedergeschlagen und sich dann aus dem Staub gemacht.«

»Hast du eine Ahnung, wer der Kerl gewesen ist?« »Nicht die geringste«, erwiderte Lassiter. »Aber er hat etwas

verloren. Komm mit zum Feuer, dann können wir es uns naher ansehen.«

Er nahm Lana-Wissasa bei der Hand und führte sie zurück zum Lagerplatz. Dort zog er das Ding aus der Tasche, das er im Wald gefunden hatte. Es war eine Kette aus Wolfszähnen.

Lassiter musste sie seinem Gegner während des Kampfes vom Hals gezerrt haben.

»Zeig her!« Lana-Wissasa riss ihm die Kette förmlich aus der Hand.

»Kennst du die Kette? Weißt du, wem sie gehört?« »Es ist ein Schmuckstück meines Stammes«, erklärte die

junge Frau. »Späher tragen es, wenn sie die Umgebung auskundschaften. Es soll ihnen den Mut und Geschicklichkeit eines Wolfs verleihen.«

»Ein Späher? Soll das heißen, dass uns der Kerl überhaupt nicht ans Leder wollte?«

»Wahrscheinlich nicht.« Die hübsche Indianerin zuckte mit den Schultern. »Obwohl, ein bisschen merkwürdig ist das schon. Normalerweise werden die Auskundschafter nur losgeschickt, wenn Gefahr für die Siksika droht. Morgen werden wir mein Volk erreichen. Dann werden wir den genauen Grund erfahren.« Sie sah Lassiter an. »Oh, du blutest ja. Hast du dich bei dem Kampf verletzt?«

»Halb so schlimm«, wehrte der ab. »Ein Kratzer, mehr nicht.«

»Lass mich einen Blick darauf werfen.« Sie brachte ihn dazu, sich neben dem Feuer auf einen Stein zu setzen. »Ein Krieger aus meinem Stamm hat dich verwundet, deshalb ist es meine Pflicht, dir zu helfen.«

»Wenn du unbedingt darauf bestehst...« Ohne jede Spur von Scham trat Lana-Wissasa direkt vor ihn.

Sie hatte ihren makellosen Körper noch immer nicht verhüllt. Der flackernde Schein des Lagerfeuers verlieh ihrer Haut einen bernsteinfarbenen Schimmer. Lassiter konnte einfach nicht den Blick von ihr abwenden, während die junge Frau behutsam die Wunde an seinem Kopf untersuchte. »Es ist zum Glück nicht besonders tief«, erklärte sie nach einer Weile und strich ihm das Haar aus der Stirn. »Ich mache dir einfach einen Verband

mit den Blättern des Nolo-Strauchs auf die Wunde. Du wirst sehen, dann ist es...«

»Das ist nicht nötig«, unterbrach sie Lassiter. »Ich weiß nämlich etwas, dass mich viel schneller wieder auf die Beine bringt.« Er nahm ihre Hand und küsste sie auf der Innenfläche.

Lana-Wissasa lächelte ihn an, denn sie wusste ganz genau, wovon Lassiter sprach. »Bist du dir sicher?«

»Ganz sicher.« Lassiter beugte sich nach vorn. Seine Lippen berührten sanft

die samtweiche Haut um ihren Bauchnabel. Lana-Wissasa wehrte sich nicht. Ganz im Gegenteil, sie legte den Kopf weit in den Nacken und gab ein wohliges Seufzen von sich.

»Das ist gut«, schwärmte sie. »Sehr gut sogar. Hör bitte nicht damit auf.«

Doch das wäre Lassiter auch niemals in den Sinn gekommen. Seine Zunge liebkoste mehrmals die Mulde in ihrem flachen Bauch, dann begann sein Mund langsam nach unten zu wandern. Lana-Wissasa seufzte, als er den tiefschwarzen Flaum zwischen ihren Beinen erreichte. Als Lassiters Küsse drängender wurden, hob sie das linke Bein und legte es ihm über die Schulter. Lassiters Gesicht vergrub sich augenblicklich in der feuchten Hitze zwischen ihren Schenkeln. Seine Zunge drang tief in ihre Lusthöhle ein und begann sie mit kreisenden Bewegungen zu erforschen.

Lana-Wissasa gab Stoßseufzer von sich. Ihr Unterleib drängte seinen Liebkosungen sehnsuchtsvoll entgegen. »Mehr!«, flehte sie. »Gib mir mehr davon. Viel mehr!«

Ohne seine heißen Küsse auch nur eine Sekunde zu unterbrechen, öffnete Lassiter Gürtel und Hose. Seine Männlichkeit stand sofort bereit, um der schönen Frau ihren Wunsch zu erfüllen. Lassiters Hände legten sich um Lana-Wissasas schmale Taille. Mit sanftem Druck wies er ihr den weiteren Weg.

Lassiter hob die junge Frau an, dann pflanzte er sie sich auf den Schoß. Die Augen der Häuptlingstochter weiteten sich begeistert, als er tief in sie eindrang.

»Das ist einfach unglaublich!«, rief sie verzückt. Sie schlang die Arme um seinen Nacken.

Lassiter konnte deutlich ihre Brüste durch den Stoff seines Hemdes hindurch spüren – ein Gefühl, das jeden Mann um den Verstand bringen konnte. Er fing an zu pumpen. Jeden Stoß von ihm beantwortete Lana-Wissasa mit einem entzückten Gurren. Sie drängte sich immer näher an ihn heran. Sie umklammerte ihn mit Armen und Beinen, als wolle sie ihn niemals wieder gehen lassen. Ihr Leib erzitterte noch immer; doch diesmal war nicht die Kälte der Nacht der Grund dafür, sondern die heißen Wellen der Lust, die wie Lava durch ihre Adern strömten.

Dann legte die junge Indianerin ihr erhitztes Gesicht gegen sein rechtes Ohr.

»Gib mir alles von dir«, flüsterte sie. »Ich möchte deine Glut in mir spüren. JETZT!«

Lassiter hatte nichts dagegen, ihr auch diesen Wunsch zu erfüllen. Ein letzter Stoß mit dem Unterleib – dann ließ er die Quelle seiner Lust heiß hervorsprudeln.

Lana-Wissasa schrie entzückt auf. Ihr Kopf flog in den Nacken, während ihr Körper erbebte, als würde er von Krämpfen geschüttelt. Ein letztes Mal bäumte sie sich auf, dann sackte sie erschöpft – aber zufrieden – in Lassiters Armen zusammen.

»Hat es dir gefallen?«, wollte der wissen, als sie beide wieder zu Atem gekommen waren.

»Was ist das für eine Frage?« Lana-Wissasa lachte auf. »Das ist das, was wir bei unserem Volk der Pfeil des Glücks hat eine Seele getroffen nennen. Bloß, dass man in deinem Fall wohl eher von einem Speer sprechen müsste.«

»Meinst du?« Lassiter grinste. »Ich hoffe nur, dass ich dich damit nicht all zu sehr verblüfft habe.«

»Bestimmt nicht«, erklärte die Häuptlingstochter gutgelaunt. »Ganz im Gegenteil, nach dieser Überraschung kann es sich bei allem, was uns jetzt noch erwartet, eigentlich bloß noch um Kleinigkeiten handeln.«

* * *

Lana-Wissasa sollte mit ihrer Vermutung Recht behalten. Bei ihrer Ankunft in der Siedlung der Indianer wurden sie bereits erwartet. Fast der gesamte Stamm war zusammengelaufen, um die zwei Reiter zu empfangen, die sich dem Zeltdorf näherten.

Es herrschte eine angespannte Stille. Kaum ein Laut war zu hören, als Lana-Wissasa und Lassiter

die Siedlung erreichten. Die Menge teilte sich wortlos in zwei Teile. Als sie das Spalier durchritten, blieb Lassiter die Skepsis in den Augen der versammelten Indianer nicht verborgen. Sie musterten den Fremden misstrauisch, der anstelle des Häuptlings an der Seite von Lana-Wissasa zu den Siksika zurückkehrte. Die Gasse in der Menge endete vor einem gewaltigen Zelt in der Dorfmitte. Seine Stützstäbe waren mit Schnitzereien verziert, der Eingang mit Federn, Knochen und geflochtenen Bändern verziert. Zwei Männer hatten sich davor aufgebaut und erwarteten die beiden Ankömmlinge mit vor der Brust verschränkten Armen. Einer von ihnen trug einen Kopfputz, aus dem die Hörner eines Büffels hervorragten. Das Fell des erlegten Tieres hatte er sich wie eine Decke um die Schultern gelegt. Der Andere hatte schlohweißes Haar, das ihm beinahe bis zu den Hüften reichte. Sein wettergegerbtes Gesicht war über und über mit Falten überzogen.

»Das sind Pto-Honka und Sa-Na-Sa-Uru«, flüsterte Lana-Wissasa Lassiter zu. »Der Schamane unseres Volkes und der

Dorfälteste. Sie haben das Sagen, während der Häuptling unterwegs ist.« Sie senkte den Blick. »Oder bis über seinen Nachfolger entschieden ist«, fügte sie dann traurig hinzu.

Sie brachten ihre Pferde vor dem Ratszelt zum Stehen. Lana-Wissasa legte ihre rechte Hand auf ihr Herz, bevor sie

sie in den Himmel ausstreckte. Lassiter folgte ihrem Beispiel. Der Schamane und der Dorfälteste erwiderten den Gruß. »Ich grüße euch, Weise unseres Volkes«, erklärte die junge

Frau mit ehrfurchtsvoller Stimme. »Ich kehre zurück aus der Stadt der Weißen, mit einer Nachricht, die eure Herzen verdunkeln wird.«

In den Mienen der Männer war keine Reaktion abzulesen. »Ein Späher hat uns berichtet, dass Ran-No-Pitti nicht mehr

an der Seite seiner Tochter ist«, erwiderte der Schamane schließlich. »Was ist mit dem Häuptling der Siksika geschehen?«

»Er ist in das Land seiner Ahnen heimgekehrt« , erklärte die junge Frau. »Sein Leib wurde verbrannt, so wie die Riten es vorschreiben. Nun bringe ich seine Asche zurück zu seinem Volk.« Lana-Wissasa nahm den Lederbeutel, der an ihrem Sattel hing, und holte das verschlossene Tongefäß daraus hervor.

Ein Raunen ging durch die Reihen der Siksika, das jedoch durch eine energische Geste des Dorfältesten sofort wieder zum Schweigen gebracht wurde.

»Wie ist das geschehen?«, wollte er von Lana-Wissasa wissen. »Der Häuptling der Siksika war nicht krank. Der Häuptling der Siksika war stark wie der Hirsch, der die Wälder beherrscht. Warum sollen die Geister der Ahnen Ran-No-Pitti zu sich gerufen haben?«

»Mein Vater ist nicht an einer Krankheit gestorben.« Trotz der Trauer, die sie bei der Erinnerung an die Ereignisse erneut jäh erfasste, klang Lana-Wissasas Stimme erstaunlich fest. »Er wurde erschossen.«

Wieder setzte Raunen ein. Diesmal beruhigte es sich jedoch erst wieder, als der Schamane einen mit Federn verzierten Stab unter seinem Umhang hervorholte und mehrmals über die Köpfe der Umherstehenden schwang.

»Wer ist der Mörder von Ran-No-Pitti?« »Ich weiß es nicht.« Die junge Frau machte eine beinahe

entschuldigende Geste. »Es ist in der Stadt der Weißen passiert. Auf dem Weg zur Unterzeichnung des Vertrags.«

Die Wut, die sich nun unter den Indianern breit machte, war geradezu mit den Händen zu greifen. Die Schneise in der Menschenmenge schloss sich. Die Siksika drängten sich näher an Lassiter heran. Hasserfüllte Blicke wurden wie Geschosse in seine Richtung abgefeuert. Lassiter musste schwer an sich halten, um der Versuchung zu widerstehen, nach seinem Remington zu greifen und sich die Meute damit vom Leib zu halten.

»Lasst ihn in Frieden!« Lana-Wissasa wandte sich zu ihren Stammesbrüdern und -schwestern um. »Er hat nichts damit zu tun. Im Gegenteil. Ihm habe ich es zu verdanken, dass ich noch am Leben bin. Er hat mich aus einem Hinterhalt gerettet. Er ist ein Freund des Siksika. Das hat er mehr als einmal bewiesen.«

»Er kann kein Freund der Siksika sein!«, kam da eine Stimme vom Rand der Menge. »Er ist ein Weißer. Ein Weißer wird unserem Volk niemals helfen, wenn es nicht zu seinem eigenen Vorteil ist.« Ein Krieger trat aus den Reihen der anderen hervor und baute sich zwischen der Häuptlingstochter und den Stammesoberhäuptern auf.

»Oh, Kanga-Paso...«, meinte Lana-Wissasa bei seinem Anblick. »Ich habe es mir beinahe schon gedacht, dass du meinen Worten nicht glauben wirst.«

Der Krieger erwiderte nichts, sondern starrte Lassiter nur finster an.

»Kanga-Paso glaubt nicht an die Freundschaft zwischen unserem Volk und den Weißen«, raunte die Häuptlingstochter

Lassiter zu. »Er war auch immer gegen den Vertrag. Er hat regelrecht dagegen gekämpft, dass mein Vater ihn unterschreibt. Leider gibt es viele in unserem Volk, die genauso denken wie er.«

Lassiter nickte. »Ich habe schon viel gehört von eurem Volk«, meinte er dann an den Schamanen und den Dorfältesten gewandt. Dabei sprach er so laut, dass auch die anderen Umherstehenden ihn verstehen konnten. »Die Siksika sind bekannt für ihren Mut und ihre Tapferkeit. Auch wird immer wieder von ihrer Weisheit gesprochen. Ich hoffe, dass das Volk auch jetzt weise genug ist, um zu erkennen, wer sein Freund und wer sein Feind ist.«

Pto-Honka und Sa-Na-Sa-Uru entgegneten nichts. Die beiden Stammesvorsteher sahen Lana-Wissasa an, als erwarteten sie von ihr eine weitere Erklärung. Die kam der stummen Aufforderung sofort nach.

»Ihr könnt ihm wirklich vertrauen«, sagte sie und stieg von ihrem Pferd. »Seht selbst...« Sie nahm den Kopfschmuck des toten Häuptlings aus dem Beutel und hielt ihn in die Höhe. »Erkennt ihr ihn wieder? Das ist der Kopfputz von Ran-No-Pitti, eurem Häuptling und meinem Vater. Dieser Mann hat sein Leben riskiert, damit ich die heiligen Federn zurück zu unserem Volk bringen kann. Hätte er das getan, wenn er ein Feind der Siksika wäre? Sicher nicht.« Sie ging zu dem Schamanen und legte ihm den Kopfschmuck in die Arme. »Pto-Honka, bewahre ihn auf, bis ein Krieger bestimmt ist, der die heiligen Federn von nun an tragen soll. Aber vorher erlaube mir noch, unserem Volk die Worte mitzuteilen, die mein Vater gesprochen hat, bevor sich seine Seele in die ewigen Weiten des Himmels aufgeschwungen hat.«

Der Schamane berührte erst den Kopfputz, dann die Stirn der junge Indianerin mit seinem verzierten Stab. »Sprich, Lana-Wissasa, Tochter des ehrwürdigen Ran-No-Pitti.«

Die Häuptlingstochter winkte Lassiter, der ebenfalls aus dem Sattel gesprungen war, zu sich heran. Dann wandte sie sich ein weiteres Mal zu ihrem Volk um.

»Mein Vater hat mir eine Botschaft für euch mitgegeben!«, rief sie. »Er wollte, dass die Verträge auch nach seinem Tod noch unterschrieben werden. Bevor sich seine Seele zu den Ahnen erhob, habe ich ihm versprochen, dass ich mich darum kümmern werde. Darum bitte ich euch, Volk der Siksika, und auch euch, Pto-Honka und Sa-Na-Sa-Uru, ehrwürdige Stammesführer, gebt mir die Erlaubnis, zur Stadt der Weißen zurückzukehren und mein Zeichen unter das Papier zu setzen, damit das Volk der Siksika schon bald in seine neuen Jagdgründe übersiedeln kann.«

Der Schamane und der Stammesälteste wechselten einen nachdenklichen Blick. Unter den indianischen Zuhörern setzte Gemurmel ein. Es wurde von einem wütenden Aufschrei übertönt.

»Nein!«, schrie Kanga-Paso. »Gebt ihr diese Erlaubnis nicht! Böse Schatten hatten Ran-No-Pittis Geist verwirrt, als er zu seiner Tochter gesprochen hat.« Er riss ein Messer hervor und hielt es kampfbereit gen Himmel. »Die Weißen wollen uns einpferchen wie eine Herde von Ziegen. Eine solche Schmach wird sich das Volk der Siksika niemals gefallen lassen. Die Siksika sind ein freies Volk. Frei wie der Hirsch, der die Wälder durchstreift. Frei wie der Adler, der die Lüfte beherrscht. Würde der Hirsch sich dem Zaumzeug beugen? Würde der Adler sich in einen Käfig sperren lassen? Nein, sie würden um ihre Freiheit kämpfen. Genau, wie die Siksika es tun werden.«

Zustimmende Rufe wurden laut. Vereinzelt waren Pfeile, Speere und Messer zu erkennen, die aus der Menge heraus in die Höhe gereckt wurden.

»Nein, ihr dürft nicht auf ihn hören!«, rief Lana-Wissasa beinahe flehentlich ihren Stammesbrüdern und -schwestern zu.

»Das Gebiet, das uns der Vertrag zusagt, ist weit und fruchtbar. Erinnert ihr euch noch an die Dürre, damals, als unser Volk seine Zelte in der großen Ebene aufgeschlagen hatte? Viele sind an Hunger gestorben. Frauen, Alte, Kinder. Wollt ihr, dass das wieder passiert? Im Reservat gibt es fetten Boden, der immer eine gute Ernte verspricht. Und Wasser. Und Wild in den Wäldern. Unser Volk wird dort leben können, ohne Not leiden zu müssen.«

»Das Land ist kein gutes Land«, widersprach ihr Kanga-Paso mit dröhnender Stimme. »Weiße haben die Seele einer Schlange. Er würde unserem Volk das Land niemals überlassen, wenn es nicht zu seinem eigenen Vorteil wäre.«

»Das stimmt nicht!« Lana-Wissasa funkelte ihn böse an. »Oder hast du Beweise für deine Rede?«

»Ich werde dir zeigen, dass die die Seelen von Schlangen haben.« Kanga-Paso deutete auf einen Krieger, der inmitten der anderen Siksika stand. »No-Ra-Taluk, tritt heran. Zeige dich der Tochter des Häuptlings.«

Ein junger Krieger, beinahe noch ein Kind, schob sich durch die Menge nach vorn. Er hielt das Gesicht auf den Boden gerichtet, trotzdem war nicht zu übersehen, dass sein rechtes Auge so zugeschwollen war, dass davon kaum mehr als ein verquollener Schlitz übrig geblieben war. Sein Gang war langsam und ungleichmäßig. Als sich der junge Mann bis zur vordersten Reihe durchgearbeitet hatte und zum Ratszelt kam, erkannte Lassiter, dass er mit dem linken Bein hinkte. Beide Verletzungen schienen noch frisch zu sein.

»Seht euch an, was sie No-Ra-Taluk angetan haben!«, rief Kanga-Paso erst den zwei Stammesführern zu, bevor er sich wieder der Menge zuwandte. »Die Weißen, die Lana-Wissasa Freunde der Siksika nennt, sind über ihn hergefallen – heimtückisch wie Ratten und bösartig wie Dachse. Wenn No­Ra-Taluk nicht so ein tapferer Krieger wäre, der mit dem Mut eines Bären gekämpft hat, wäre seine Seele schon heute zu

seinen Ahnen aufgefahren. Nun ist es an dir, No-Ra-Taluk. Ich frage dich hier vor deinem Volk: Habe ich die Wahrheit gesprochen, oder war meine Rede angefüllt mit Lügen, wie das Zischen einer Schlange?«

Der junge Krieger zögerte. Offensichtlich war ihm nicht wohl in seiner Haut. Doch Kanga-Paso starrte ihn so lange an, bis ihm nichts anderes übrig blieb, als sein Schweigen zu brechen. »Kanga-Paso hat die Wahrheit gesprochen«, entgegnete er.

Entrüstetes Murren wurde laut. Wieder wurden Waffen feindselig in die Höhe gereckt.

Natürlich war Lassiter längst klar, um wen es sich bei dem jungen Krieger handelte. Zweifellos war er der indianische Späher, den er in der letzten Nacht erwischt und mit dem er gekämpft hatte. Offensichtlich war er also nicht der Einzige, der sich bei der Auseinandersetzung einige Blessuren geholt hatte. Natürlich war das Ganze ein bisschen anders abgelaufen, als das dieser Aufhetzer nun darstellte.

»He, Moment mal! Dazu möchte ich auch was sagen.« Lassiter hob den rechten Arm, um die Zuhörer auf sich aufmerksam zu machen. »Es stimmt, es hat einen Kampf zwischen diesem Krieger und mir gegeben. Aber ich habe ihn nicht feige überfallen. Er ist um unser Lager herum geschlichen. Als ich ihn dabei erwischt habe, hat er sich auf mich gestürzt. Ich habe mich bloß gegen ihn gewehrt. Ist das vielleicht böse wie eine Ratte und heimtückisch wie ein Dachs? Wohl nicht.«

Auch Lassiters Rede erhielt zustimmendes Gemurmel von den versammelten Zuhörern. Das schien Kanga-Paso überhaupt nicht in den Kram zu passen.

»Lasst euch euren Geist nicht durch seine Worte vernebeln. Die Weißen geben sich harmlos wie die Flussschildkröten, die von einem Stein nicht zu unterscheiden sind. Aber wenn die Beute ihr zu nahe kommt, schnappt sie zu – und ihr Biss ist für

ihre Opfer so tödlich wie der eines Wolfs«, rief er den vor ihm Versammelten zu. »Hört mir zu. Ich sage euch, die Geister unserer Vorväter haben es nicht gewollt, dass der Vertrag unterschrieben wird.«

Lana-Wissasa sah ihn verständnislos an. »Wie kommst du dazu, so etwas zu behaupten?«

»Ran-No-Pitti wurde auf dem Weg zur Unterzeichnung erschossen«, erwiderte Kanga-Paso kalt. »Hätten die Geister das zugelassen, wenn sie gewollt hätten, dass er seinen Namen unter den Vertrag setzt?« Er sah die Häuptlingstochter triumphierend an.

»Das kannst du doch so nicht sagen!«, rief Lana-Wissasa empört. Sie wandte sich Hilfe suchend zu dem Schamanen um. »Pto-Honka, erkläre ihm, dass er nicht behaupten kann, der Mord an meinem Vater sei der Wille der Geister unserer Ahnen gewesen.«

»Die Entscheidungen der Geister sind groß«, erwiderte der Schamane. »Und manchmal nur sehr schwer zu verstehen für das Volk der Lebenden.«

»Aber...« Die Häuptlingstochter machte eine hilflose Geste. »Soll das jetzt heißen, dass der Vertrag nicht unterschrieben wird? Obwohl es der letzte Wille von Ran-No-Pitti, dem Häuptling der Siksika, war?«

Der Stammesälteste trat ihr ein Stück entgegen. »Frag dein Volk, welchen Weg es gehen möchte«, forderte er sie mit seiner knarrenden Stimme auf. »Den Pfad von Ran-No-Pitti oder den von Kanga-Paso.«

Lana-Wissasa drehte sich wieder der versammelten Menge zu. »Ihr habt es gehört!«, rief sie. »Zeigt uns, wem ihr mehr vertraut. Kanga-Paso oder mir.«

Ein Murmeln setzte ein. Dann kam plötzlich Bewegung in die Reihen der indianischen Zuhörer. Die Gruppe spaltete sich in zwei Teile auf, die sich auf der einen Seite des Ratszeltes um

Lana-Wissasa und auf der anderen um ihren Widersacher herum scharrten.

Lassiter beobachtete das Wahlritual mit wachsender Besorgnis. Schon nach wenigen Minuten war klar, dass die Abstimmung kein eindeutiges Ergebnis bringen würde. Als sich die Menge endgültig verteilt hatte, war die Größe der Gruppen, die um Lana-Wissasa und Kanga-Paso herumstanden, kaum voneinander zu unterscheiden.

»Worauf wartet ihr noch? Beginnt mit dem Zählen«, forderte Kanga-Paso die beiden Stammesführer auf. »Sagt uns, wem das Volk der Siksika folgen soll.«

Doch der Schamane und der Dorfälteste beachteten ihn nicht. Sie standen dicht beieinander und waren in ein flüsterndes Gespräch vertieft. Offensichtlich hatten auch sie mit einer solchen Pattsituation nicht gerechnet. Endlich schienen sie zu einer Entscheidung gekommen zu sein. Der Schamane trat zwischen die beiden Parteien und schwenkte seinen Stab einmal in jede Himmelsrichtung. »Das Volk der Siksika ist gespalten.«, verkündete er dann. »Wie der Tag und die Nacht, die zusammengehören, aber niemals zusammenfinden werden. Deshalb werden sich Sa-Na-Sa-Uru und Pto-Honka zurückziehen, um die Geister des Tags und die Geister der Nacht um Rat anzuflehen. Wenn das Licht der Sonne wieder über den Hügeln erscheint, wird das Volk der Siksika sich hier wieder versammeln. Dann wird es erfahren, was die Geister gesprochen haben.«

Ohne eine Reaktion abzuwarten, wandte sich der Schamane um und verschwand im Ratszelt. Der Dorfälteste folgte ihm in kurzem Abstand und zog die lederne Plane an dessen Eingang hinter sich zu.

Nun begannen sich auch die restlichen Anwesenden in alle Richtungen zu verteilen. Männer, Frauen und Kinder strömten auseinander und verteilten sich zwischen den Zelten. Schon

wenige Minuten später erinnerte nichts mehr an die Versammlung, die noch kurz zuvor stattgefunden hatte.

Lediglich Lana-Wissasa war noch stehen geblieben. Sie schenkte Lassiter ein erschöpftes Lächeln, dann kam sie langsam zu ihm heran.

»Das ist wirklich eine verdammt schwierige Situation«, meinte Lassiter und rieb sich nachdenklich das Kinn. »Glaubst du, du weißt, wie sich eure beiden Anführer entscheiden werden?«

»Nein.« Die junge Indianerin schüttelte den Kopf. »Aber ich hoffe, dass die Geister ihnen die Kraft geben werden, den richtigen Weg für unser Volk zu erkennen.« Ihr war nicht verborgen geblieben, dass Kanga-Paso sie von einer Feuerstelle her feindselig anstarrte. Doch Lana-Wissasa ließ sich nicht von ihm einschüchtern, sondern hielt seinem Blick stand.

* * *

»Kannst du verstehen, was sie sagen?« Daniel Legan rammte Ben Shepherd den Ellenbogen in die

Seite. »Nicht, wenn du dauernd dazwischen quatschst«, knurrte

der. »Wir sollten näher ran, wenn wir genau wissen wollen, was da läuft.«

»Das kannst du gleich wieder vergessen.« Daniel Legan schüttelte entsetzt mit dem Kopf. »Ich möchte meinen Skalp nämlich gern noch ein Weilchen behalten.« Er warf einen besorgten Blick in Richtung des Indianerlagers. Sie hatten sich im Schutz der Bäume bis auf dreißig Yards an die Zelte herangepirscht. Das Grasland, das direkt am Waldrand begann, bot nur wenig Versteckmöglichkeiten. Auch wenn die Indianer offensichtlich mit einer Versammlung beschäftigt waren, bedeutete ein weiteres Heranschleichen ein Risiko, das Legan nur sehr ungern eingehen wollte.

»Um deine vollen Locken brauchst du dir keine Sorgen zu machen.« Ben Shepherd grinste ihn hämisch an. »Es sieht nicht so aus, als ob die Rothäute gerade auf dem Kriegspfad wären.«

»Trotzdem, ich möchte denen lieber nicht in die Finger laufen.« Legan schob sich den Hut mit dem Lauf seines S&W Schofield in den Nacken. »Wie sollten wir erklären, was wir hier zu suchen haben?«

»Genau so, wie ich es dir schon hundertmal gesagt habe.« Ben Shepherd stieß ungeduldig die Luft durch die Nase aus. »Wir sind Trapper, die Felle gegen ein bisschen Mehl eintauschen wollen.« Er wies mit dem Kinn auf die beiden toten Biber, die nicht weit von ihnen auf dem Boden lagen. Sie hatten die Tiere kurz zuvor am nahegelegenen Fluss erlegt.

»Aber was ist mit der Kleinen und dem Kerl, der nicht von ihrer Seite weicht? Werden die uns nicht sofort erkennen?«

»Wie denn? Sie haben uns doch noch nicht ein einziges Mal zu Gesicht bekommen.« Ben Shepherds Lippen verzogen sich zu einem zufriedenen Lächeln. »Das ist eine Jagd nach meinem Geschmack. Die Beute ist völlig ahnungslos. Sie hat keinen blassen Schimmer, dass ich sie bloß noch ins Visier nehmen müsste... Peng!, und schon wäre die Sache erledigt.« Er nahm seine Winchester und legte damit auf Lana-Wissasa an, die zwischen den anderen Indianern deutlich zu erkennen war.

»Bist du jetzt komplett verrückt geworden?« Daniel Legan packte den Gewehrlauf und riss ihn nach oben. »Willst du den ganzen verdammten Stamm auf uns hetzen? Was glaubst du, was sie mit uns anstellen werden, wenn wir eine von ihnen einfach abknallen? Zum Essen einladen?!«

»Warum nicht?« Ben Shepherd zuckte mit den Schultern. »Für mich sieht es auf alle Fälle so aus, als hätte die Kleine unter ihren roten Brüdern nicht nur Freunde. Sieh dir das an.« Er ließ das Gewehr sinken und zeigte zur Mitte der Siedlung.

Vor dem Ratszelt hatte offensichtlich eine aufgeregte Diskussion begonnen. Die Häuptlingstochter stand einem groß

gewachsenen Krieger gegenüber. An ihrer Körperhaltung war deutlich abzulesen, das sich beide stritten.

»Um was es da wohl geht?« Daniel Legan legte lauschend den Kopf zur Seite.

»Schätze, dem kleinen Miststück gelingt es doch nicht so schnell, seinen Kopf durchzusetzen, wie es sich das eingebildet hat. Besser könnte es für uns nicht laufen.«

»Was? Das kapier ich nicht.« »Hast du deinen Schädel bloß, damit es dir nicht in den Hals

regnet?« Ben Shepherd funkelte seinen Begleiter gereizt an. »Überleg doch mal: Wenn der Stamm der Kleinen einen Strich durch die Rechnung macht und den Vertrag gar nicht mehr unterzeichnet, sind wir fein raus. Dann brauchen wir einfach nur noch abzuwarten, den Claim auf uns eintragen lassen – und dann kannst du dir schon bald den Schwanz vergolden lassen.«

»Aber was ist, wenn sie die anderen Rothäute doch noch überzeugt?«

»Dann haben wir immer noch das hier.« Shepherd streichelte beinahe zärtlich über den Lauf seiner Winchester. »Übrigens, siehst du den Kerl, dem die Kleine am liebsten an die Kehle springen würde?«

»Klar.« Daniel Legan kniff die Augen zusammen. »Was ist mit ihm?«

»Den Kerl sollten wir uns merken.« Ben Shepherd zwinkerte seinem Komplizen verschlagen zu. »Schätze, den können wir für unsere Sache noch gut gebrauchen.«

* * *

Die Sonne war gerade als feuriger Streifen über dem Hügel aufgetaucht, als die Lederplane am Eingang des Ratszeltes beiseite geschoben wurde. Fast alle Mitglieder des Stammes hatten sich davor versammelt und erwarteten ungeduldig die Ankündigung, die die beiden Stammesführer ihnen nun zu

machen hatten. Sa-Na-Sa-Uru erschien als Erster. Auf seiner Miene war kein Anzeichen zu erkennen, das verraten hätte, wie die Entscheidung ausgefallen war. Er bedachte weder Lana-Wissasa, die gemeinsam mit Lassiter neben dem Eingang stand, noch ihren Widersacher, der sich ein paar Yards weiter aufgebaut hatte, mit einem einzigen Blick.

»Warum sagt er nichts?«, flüsterte Lassiter der Häuptlingstochter zu. »Glaubst du, das ist ein schlechtes Zeichen?«

»Nicht unbedingt.« Lana-Wissasa schüttelte den Kopf. »Wenn die Geister gesprochen haben, verlangt es die Tradition, dass der Schamane ihre Worte unserem Volk verkündet.«

In diesem Augenblick schob sich auch Pto-Honka ins Freie. Der Schamane trug noch immer die zeremonielle Kleidung, die er zur Anrufung der alten Geister angelegt hatte – ein Lendenschurz, Ketten aus Federn und Knochen, Lederbänder, die er um die Oberarme geschlungen und in sein Haar geflochten hatte. Außerdem war sein gesamter Körper mit rituellen Zeichen bemalt. Seine Haut schimmerte schweißfeucht.

Pto-Honka blieb direkt vor dem Zelteingang stehen. Die Augen fest verschlossen, murmelte er einen magischen

Singsang, um die Geister seiner Vorfahren ein letztes Mal um Kraft anzuflehen. Plötzlich öffnete er die Augenlider. Er nahm den federgeschmückten Stab, den er bei sich trug, und schlug damit dreimal auf den Boden. Dann stieß er ihn einmal gen Himmel und in alle vier Himmelsrichtungen. Anschließend breitete weit er die Arme aus.

»Volk der Siksika«, verkündete er mit einer Stimme, die von der nächtlichen Anrufung rau, aber immer noch kräftig war, »die allmächtigen Geister haben gesprochen. Hört, was sie euch zu verkünden haben.«

»Beeile dich, Schamane«, rief Kanga-Paso ungeduldig. »Sag ihnen endlich, dass die Geister nicht wollen, dass der Vertrag unterschrieben wird!«

Pto-Honka warf ihm einen tadelnden Blick zu, bevor er mit seiner Rede fortfuhr. »Die Geister sind bereit, dem Volk der Siksika eine Antwort zu geben«, verkündete er dann. »Doch die Antwort besteht nicht aus Worten, sondern aus Taten.«

Lassiter und Lana-Wissasa wechselten einen verständnislosen Blick. »Du sprichst in Rätseln«, meinte sie dann zu dem Schamanen. »Kannst du uns erklären, was das zu bedeuten hat?«

Pto-Honka blickte ihr unvermittelt ins Gesicht. Obwohl seine Augen direkt auf sie gerichtet waren, schienen sie doch durch sie hindurchzublicken – an eine Stelle, die irgendwo jenseits der Welt der Sterblichen lag. »Die allmächtigen Geister haben Lana-Wissasa und Kanga-Paso eine Prüfung auferlegt«, erklärte der Schamane. »Derjenige, der sie als Erster erfüllt, soll den Weg wählen, den das Volk der Siksika gehen wird.«

Die versammelten Zuhörer prallten überrascht zurück. Mit einer solchen Entscheidung hatte keiner gerechnet.

»Eine Prüfung?!« Auch Lassiter konnte sein Staunen nicht zurückhalten. »Und wie soll die aussehen?«

»Lana-Wissasa und Kanga-Paso werden aufbrechen zum Nomo-Bogul, dem Berg, an dem unsere weisen Vorväter ihre letzte Ruhestätte gefunden haben«, erklärte der Schamane. »Dort werden sie die Heilige Kammer betreten und den Iglatt aus seinem Grab nehmen. Derjenige, der den Iglatt als Erster zurück in das Dorf der Siksika bringt, ist von den Geistern dazu auserwählt, über das weitere Schicksal seines Volkes zu bestimmen.«

»Ein Wettrennen?« Kanga-Paso trat näher heran. »Die Geister haben weise gesprochen.« Er grinste zuversichtlich.

Offenbar ging er davon aus, den Sieg schon so gut wie in der Tasche zu haben. »Wann soll es losgehen?«

»Sobald die Sonne über der Steinernen Krähe steht«, erwiderte der Schamane. Er zeigte mit seinem Stab auf einen Berggipfel, der die Form eines Vogelkopfes hatte.

»Verlangen die Geister, dass wir das ganz allein schaffen?«, erkundigte sich Lana-Wissasa mit besorgter Miene. Offensichtlich schien sie die Zuversicht ihres Widersachers nicht zu teilen.

»Jedem von euch ist erlaubt, eine Person auszuwählen, die ihn bei der Prüfung begleiten soll.«

»Gut.« Die Erleichterung stand der Häuptlingstochter ins Gesicht geschrieben. »Ich wähle ihn.« Sie trat neben Lassiter. »Ich bin dafür, dass unser Volk den Vertrag mit den Weißen unterzeichnet. Dann ist es nur logisch, wenn ein Weißer mir dabei hilft, dass es so weit kommt.«

»So sei es.« Pto-Honka nickte. Dann wandte er sich Kanga-Paso zu und sah ihn fragend an.

»Ich wähle No-Ra-Taluk«, verkündete der. »Denn ich weiß, dass er sein Volk niemals an die Weißen verraten würde.«

Ein begeisterter Schrei war aus der Menge zu hören. Der junge Späher drängte sich nach vorn und baute sich mit Stolz geschwellter Brust neben Kanga-Paso auf.

»Die Gegner stehen fest.« Pto-Honka rammte die Spitze seines Pfahls in den Boden. »Mögen die allmächtigen Geister euren Seelen gnädig sein «

Die beiden Stammesführer kehrten in das Ratszelt zurück, und der Platz davor begann sich zu leeren. Lana-Wissasa griff nach Lassiters Hand. »Es tut mir Leid. Ich habe dich zu meinem Begleiter ernannt, ohne dich vorher überhaupt gefragt zu haben.« Sie sah ihn unsicher an. »Ist das sehr schlimm?«

»Schon in Ordnung«, beruhigte sie Lassiter. »Allerdings würde ich ganz gerne noch wissen, um was es dabei geht. Was

hat es mit diesem Nomo-Bogul auf sich? Und wer ist dieser Iglatt?«

»Der Nomo-Bogul ist ein Berg, in dem die Schamanen der Siksika beigesetzt sind«, erklärte die Häuptlingstochter. »Ich glaube, die Weißen nennen das Gebiet, in dem er liegt, die Beaverhead Mountains. In der Nähe seines Gipfels gibt es eine Höhle, in der die Überreste der weisen Alten liegen. Dort sind sie dem Reich der Geister am nächsten. Natürlich haben die Toten auch Dinge dabei, die ihnen den Übergang in die andere Welt erleichtern sollen. Auch den Iglatt – das Messer, das die Bänder durchtrennt, die ihre Seelen in dieser Welt festhalten.«

»Wenn ich das richtig verstehe, bedeutet das also, dass wir so schnell wie möglich zu dieser Höhle müssen, das Messer holen, um es hierher zurückzubringen!«

»Ganz genau.« »Das müsste doch zu schaffen sein. Allerdings...« Lassiter

warf Kanga-Paso, der gerade ein Gewehr aus einem der Zelte hervorholte, einen nachdenklichen Blick zu. »... müssen wir uns wohl auf eine Menge Ärger einrichten. Dein Konkurrent scheint zu allem entschlossen zu sein. Außerdem wissen wir nicht, was aus den Kerlen geworden ist, die uns in der Schlucht aufgelauert haben. Ein harmloser Spaziergang wird die Sache also ganz bestimmt nicht werden.«

* * *

Pto-Honka hatte das Rennen mit dem Abschuss eines schwarzen Pfeils eröffnet. Kanga-Paso und No-Ra-Taluk waren sofort losgaloppiert und hatten ihre Tiere mit wilden Schreien und Fersenhieben zu immer größerer Eile angetrieben. Auch Lassiter und Lana-Wissasa waren ihnen hinterhergejagt, aber schon nach einer guten Meile gab Lassiter seiner hübschen Begleiterin durch Handzeichen zu verstehen, das Tempo ihres Pferdes zu drosseln.

Lana-Wissasa sah ihn verwundert an, zog dann aber doch die Zügel ihres Apfelschimmels nach hinten. Lassiter folgte ihrem Beispiel.

»Warum langsamer?«, wollte die junge Indianerin von ihm wissen. »Wenn wir uns nicht beeilen, werden wir sie noch verlieren. Sie werden vor uns beim Nomo-Bogul sein.«

»Das glaube ich nicht.« Lassiter schüttelte den Kopf. »Es ist eine ziemlich lange Strecke bis zu den Beaverhead Mountains. Ihre Pferde werden das Tempo unmöglich durchhalten. Besser, wir schonen die Tiere am Anfang, dann haben sie mehr Kraft für den Endspurt. Gibt es denn nur diesen einen Weg zu eurem heiligen Berg? Oder fällt dir vielleicht eine Abkürzung ein?«

»Leider nicht.« Lana-Wissasa zuckte mit den Schultern. »Der Fluss führt zwar von dort bis zu der Stelle, wo mein Volk momentan seine Zelte aufgeschlagen hat. Aber dazwischen liegen Stromschnellen. Den Versuch, dort mit einem Kanu durchzukommen, hat bisher niemand überlebt. Uns wird also nichts anderes übrig bleiben, als denselben Weg wie Kanga-Paso und No-Ra-Taluk zu nehmen. Deshalb dürfen wir ihnen nicht zu viel Vorsprung lassen.«

»Glaub mir, übertriebene Eile kann uns Kopf und Kragen kosten.«

»Vielleicht hast du Recht.« Lana-Wissasa schien noch immer nicht ganz überzeugt zu sein. »Obwohl ich Kanga-Paso nur sehr ungern aus den Augen lasse. Ich traue ihm alles zu. Er will diesen Wettbewerb um jeden Preis gewinnen.«

»Du etwa nicht?« »Selbstverständlich will ich das.« Lana-Wissasas Rücken

spannte sich. »Aber ich möchte ihn ehrlich gewinnen. Das bin ich den Geistern unserer Ahnen schuldig. Ich will nicht ihren Zorn heraufbeschwören, weil ich mit schmutzigen Tricks arbeite.«

»Das ist wirklich sehr ehrenwert von dir«, wandte Lassiter ein, »aber ich glaube nicht, dass dein Gegner die gleichen

Skrupel hat. Deshalb sollten wir besonders vorsichtig sein. Auch wenn es uns ein bisschen Zeit kostet.«

»Einverstanden.« Die junge Indianerin lächelte ihn geheimnisvoll an. »Aber ganz so ehrenvoll, wie du denkst, bin ich vielleicht gar nicht. Es gibt da nämlich ein paar Dinge, die ich über den Nomo-Bogul weiß, von denen Kanga-Paso keine Ahnung hat.«

»Wie kommt das?« »Ich bin immerhin die Tochter des Häuptlings«, erwiderte

Lana-Wissasa beinahe entrüstet. »Mein Vater hat mir viele Dinge beigebracht. Besonders haben mich die Geschichten interessiert, die er mir von unseren Vorvätern erzählt hat. Der Nomo-Bogul kam auch immer wieder darin vor. Er birgt viele Geheimnisse, die eigentlich nur die Stammesführer wissen dürfen. Aber ich habe meinen Vater so lange gequält, bis er mir wenigstens ein paar davon verraten hat.«

»Um was geht es dabei?« »Das sage ich dir, wenn wir dort sind. Kanga-Paso kann sich

auf ein paar hübsche Überraschungen gefasst machen.« Sie nickte ihm auffordernd zu. »Komm mit. Ich möchte ihn dort oben trotzdem nicht so gern lange allein lassen.« Sie rammte ihrem Apfelschimmel die Fersen in die Seiten. Das Pferd setzte sofort wieder zum Spurt an. Lassiter blieb nichts anderes übrig, als ihr ebenfalls hinterher zu jagen.

* * *

Die Wälder, durch die sie kamen, wurden mit jeder Meile dichter. An beiden Seiten des Wegs stand das Unterholz mehr als hüfthoch. Büsche und dorniges Gestrüpp bildeten dort eine lückenlose Fläche, in die kein Pferd auch nur zwei Yards hätte vordringen können, ohne sich hoffnungslos darin zu verfangen. Also folgten Lassiter und Lana-Wissasa dem Pfad, der sich immer tiefer in das Gebirge hinein schlängelte; mal auf

Serpentinen den Berg hinauf, dann wieder steil abfallend in eines der unzähligen Täler. Der Fluss, von dem die junge Indianerin gesprochen hatte, war nur manchmal als silbriges Band zu erkennen, das in der Tiefe zwischen den Bäumen hindurch schimmerte. Nur auf Lassiters Drängen hin legten sie immer wieder kurze Stopps ein, um ihren abhetzten Pferden eine Ruhepause zu gönnen. Obwohl Lassiter während des gesamten Ritts aufmerksam das Gelände beobachtete, konnte er nirgendwo einen Hinweis darauf entdecken, dass ihre Gegner ebenfalls eine Rast eingelegt hatten. Wenn Kanga-Paso und sein junger Begleiter wirklich das Tempo durchgehalten hatten, das sie am Anfang vorgelegt hatten, mussten sie inzwischen einen gewaltigen Vorsprung vor ihren Verfolgern haben. Lassiter legte die Stirn in nachdenkliche Falten. Was sollte das für einen Sinn machen, die Tiere auf dem Hinweg durch das schwierige Gelände beinahe zu Tode zu hetzen und dabei zu riskieren, dass sie nicht mehr genug Kraft für den Weg zurück hatten? Ein solches Verhalten war bei einem Wettrennen ein sträflicher Leichtsinn – es sei denn, man war der Überzeugung, dass man auf dem Rückweg keinen Gegner mehr zu fürchten hatte...

Lana-Wissasas Stimme riss Lassiter aus seinen Gedanken. »Wo bleibst du denn?«, rief sie ihm zu. »Komm her! Ich

möchte dir etwas zeigen.« Sie hatte ihren Apfelschimmel am Rand einer Lichtung zum Stehen gebracht und winkte nun Lassiter ungeduldig zu sich her.

Als der näher kam, erkannte er, dass die Lichtung ein kleines Plateau bildete, von dem man eine weite Aussicht über die gesamte Umgebung hatte.

»Siehst du den Berg dort drüben?«, fragte Lana-Wissasa und zeigte auf das Gebirgsmassiv auf der anderen Seite des Tals. Sie musste ihre Stimme anheben, um das Rauschen zu übertönen, das aus der Tiefe bis zu ihnen herauf drang. »Das ist der Nomo-Bogul. Kurz unterhalb seines Gipfels ist die Höhle,

in der die Schamanen begraben liegen. Und dort unten sind die Stromschnellen, von denen ich dir erzählt habe. Du kannst sie hören, aber nicht sehen. Etwas weiter oberhalb gibt es eine Furt, an der wir den Fluss überqueren können. Dahinter ist das Wasser ruhiger. Früher sind wir manchmal hierher gekommen, um Fische für unser Volk zu fangen. Aber der Weg ist weit und beschwerlich.«

»Gehören die Beaverhead Mountains nicht zu dem Gebiet, das euch vertraglich zugesichert werden soll?«

»Doch. Ich würde gern in das Land zurückkehren, in dem unsere Ahnen gelebt haben. Die Siksika sind seitdem viel umhergezogen. Mein Vater hat mir am Lagerfeuer davon erzählt. Aber die Geschichten über den Nomo-Bogul haben mir immer am besten gefallen. Als kleines Mädchen habe ich mich sogar heimlich aus dem Lager davongeschlichen, nur um ihn einmal selbst aus der Nähe zu sehen.«

»Du hast das Gefühl, hierher zu gehören, nicht wahr?«, wollte Lassiter wissen. »Und du bist fest davon überzeugt, dass für dein Volk das Gleiche gilt.«

»Ja«, versicherte Lana-Wissasa, ohne zu zögern. »Aber bis es so weit ist, gibt es noch eine Menge für uns zu erledigen. Lass uns aufbrechen. Ich will so schnell wie möglich bei der Höhle sein.« Sie wendete ihr Pferd und galoppierte quer über das Plateau davon.

Lassiter wollte ihr schon folgen, als sein Blick noch einmal auf den gegenüberliegenden Berghang fiel. Hatte er sich getäuscht, oder war nicht weit oberhalb der Furt eine Bewegung zwischen den Bäumen zu erkennen? Er schirmte mit einer Hand die Augen gegen das grelle Sonnenlicht ab und fixierte den Punkt ein weiteres Mal. Er brauchte nicht lange zu warten, denn schon wenige Augenblicks später tauchten nicht weit daneben zwei Reiter aus dem Schatten des Waldes auf.

Kanga-Paso und No-Ra-Taluk. Lassiter richtete sich verwundert in seinem Sattel auf.

Warum waren ihre Gegner noch nicht weiter vorangekommen? Nach seinen Berechnungen hätte er sie viel weiter oben am Berghang vermutet. Bisher hatten sie keine Pausen eingelegt, so viel stand fest. Was konnte sie also jetzt aufgehalten haben?

Plötzlich sprangen sämtliche Instinkte Lassiters in Alarmbereitschaft.

Gefahr lag in der Luft, das konnte er förmlich riechen. Das war einer der Momente, in denen jede Sekunde zählte. Er riss die Zügel seines Braunen herum und gab ihm die

Sporen. Mit dem Riemen peitschte er gegen den Hals des Pferdes, um ihn zu noch höherem Tempo anzutreiben. Steine und Dreck spritzten auf, als er mit halsbrecherischer Geschwindigkeit Lana-Wissasa hinterher raste.

»Stop! Bleib stehen!«, brüllte er ihr zu. »Das ist eine Falle!« Die Häuptlingstochter meinte, durch das Rauschen der

Stromschnellen hindurch eine Stimme zu hören. Als sie sich umwandte, sah sie Lassiter in ihre Richtung galoppiert kommen. Aber von dem, was er ihr zurief, konnte sie kein einziges Wort verstehen. Er winkte ihr zu. Offensichtlich versuchte er ihr so mitteilen, dass er zu ihr aufschließen wollte. Mit jeder Sekunde schob er sich näher heran. Lana-Wissasa grinste. Ihr Begleiter hatte wirklich ein äußerst schnelles Pferd. Ob ihr eigener Mustang es mit ihm aufnehmen konnte? Die Häuptlingstochter entschied, die Antwort auf diese Frage nicht auf die lange Bank zu schieben. Sie beugte sich tief über den Hals des Tieres und feuerte es mit wilden Kriegsschreien an. Sie spürte, wie sich der Leib des Apfelschimmels zwischen ihren Beinen anspannte. Dann flogen seine Hufe so schnell dahin, dass sie kaum noch den Boden zu berühren schienen.

Die Umgebung an ihren Seiten verwischte zu einem undeutlichen Nebel.

Der Wald, der sich an das kleine Plateau anschloss, raste wie eine grüne Wand auf sie zu. In ihr gab es nur eine kleine

Lücke, durch die der Pfad zwischen den Bäumen verschwand. Lana-Wissasa jagte auf die Stelle zu, ohne das Tempo herunterzunehmen. Ihr fiel nicht auf, dass die Erde, dort, wo der Weg aus der Helligkeit des Plateaus in das Dunkel des Waldes eintauchte, nicht festgetrampelt war, wie auf dem Rest der Strecke, sondern weich wie ein frisch umgepflügter Acker.

»Lana-Wissasa! HALT!!!« Ein aggressives, metallisches Schnappen war zu hören, als

der Apfelschimmel die Waldgrenze passierte. Aus der Kehle des Mustangs drang ein Wiehern, das zu

einem gequälten Schrei anschwoll. Lana-Wissasa spürte, wie die Vorderläufe des Tieres unter

ihr einknickten. Sie wurde von seinem Rücken geschleudert und durch die Luft katapultiert. Noch im Flug meinte sie, das entsetzliche Geräusch brechender Knochen zu hören – dann schlug sie selbst auf den Boden auf. Ihr Körper überschlug sich mehrmals, bevor er schließlich wie leblos am Rand des Pfads liegen blieb.

Lassiter brachte sein Pferd am Waldrand zum Stehen und sprang aus dem Sattel. Als er zwischen die Bäume trat, achtete er sorgfältig darauf, die frisch aufgeschüttete Erde auf dem Weg nicht zu betreten. Eine gute Entscheidung, wie sich schon kurz darauf herausstellte. Wenige Yards hinter der Waldgrenze lag ein Wolfseisen in der Mitte des Pfads. Ein blutiger Pferdehuf steckte zwischen seinen rostigen Zähnen. Das mörderische Werkzeug hatte ihn Lana-Wissasas Mustang im vollen Lauf vom Bein getrennt.

Lassiter schob sich am noch warmen Kadaver des Apfelschimmels vorbei, der mit widernatürlich verdrehten Gliedern auf dem Weg lag. Da fiel sein Blick auf den leblosen Körper der Häuptlingstochter.

Lassiter war mit wenigen Schritten bei ihr. Er drehte sie auf den Rücken und legte seine rechte Hand

prüfend an die Seite ihres Halses.

Erleichtert stellte er fest, dass dort ein gleichmäßiger Pulsschlag zu spüren war.

»Lana-Wissasa...« Lassiter versetzte ihr mehrere sanfte Schläge gegen die Wangen. »Kannst du mich hören? Wach auf!«

Die Häuptlingstochter gab ein langgezogenes Stöhnen von sich, dann schlug sie die Augen auf.

»Kompliment, du scheinst ziemlich hart im Nehmen zu sein.« Lassiter grinste sie anerkennend an. »Oder dein Schädel besteht aus purem Granit. Die meisten wären nach einem solchen Sturz nicht mehr aufgewacht. Kannst du dich bewegen?«

»Ich glaube schon.« Lana-Wissasa sah ihn verständnislos an. »Was ist passiert?«, wollte sie dann wissen.

»Du bist in eine Falle geraten«, erklärte Lassiter. »Und diesmal meine ich es genauso, wie ich es sage. Schätze, dein feiner Stammesbruder hat ein paar ziemlich hässliche Geschenke für uns dagelassen.« Er zeigte mit dem Kopf zum Waldrand.

Die junge Indianerin gab einen gequälten Laut von sich, als sie den entstellten Kadaver ihre Pferdes entdeckte. »Bei allen Geistern«, stieß sie fassungslos hervor. »Wie hat Kanga-Paso das getan?«

»Mit Wolfseisen«, erwiderte Lassiter. »Er hat es so eilig gehabt, um sie in aller Ruhe hier vergraben zu können. Die Stelle ist ideal. Beim Übergang von der Sonne in den Schatten ist die aufgeschüttete Erde kaum zu erkennen. Jede Wette, wir finden hier noch mehr von den verdammten Dingern.« Er spuckte angewidert aus. »Kannst du aufstehen?«

»Irgendwie werde ich das schon schaffen.« Die Häuptlingstochter versuchte sich aufzurichten, aber als sich die Welt um sie herum zu drehen begann, kippte sie wieder auf den Waldboden zurück.

»Bleib noch einen Moment hier sitzen.« Lassiter lehnte die junge Frau behutsam mit dem Rücken gegen den Stamm einer alten Zeder. »Ich hole inzwischen mein Pferd. Dann sehen wir weiter.«

Er zog einen armdicken Ast aus dem Unterholz hervor. Anschließend packte er den Prügel mit beiden Händen und durchpflügte mit ihm den weichen Boden, während er sich langsam dem Waldrand näherte.

Noch dreimal war das metallische Schnappen zu hören. Erst als Lassiter völlig sicher war, dass sich keine weitere

der heimtückischen Fallen mehr in der weichen Erde befand, ging er zu seinem Braunen. Er nahm die Zügel und führte das Tier in den Wald. Der Braune schnaubte nervös, als sie seinen toten Artgenossen passierten. Aber das Vertrauen in seinen Reiter war groß genug, dass er ihm anstandslos folgte.

»Wie sieht es aus?«, fragte Lassiter, als sie schließlich vor Lana-Wissasa stehen blieben. »Fühlst du dich stark genug, um weiterzumachen, oder willst du dich geschlagen geben?«

»Aufgeben? Niemals!« Das Gesicht der jungen Indianerin nahm den Ausdruck einer wütenden Raubkatze an. »Kanga-Paso soll dafür büßen, was er mir angetan hat. Der Kerl soll bekommen, was er schon lange verdient hat. Selbst wenn das heißt, dass ich auf allen vieren zu ihm kriechen muss, um ihn in die Finger zu bekommen.«

»In Ordnung.« Lassiter schob sich den Hut in den Nacken. »Ehrlich gesagt, ich habe von dir auch keine andere Antwort erwartet...«

* * *

»Ob es schon passiert ist?« No-Ra-Taluk warf einen nachdenklichen Blick auf den Berghang auf der anderen Seite des Flusses.

»Ob was schon passiert ist?«

»Die Fallen«, erwiderte der junge Späher. »Ich überlege mir dauernd, ob Lana-Wissasa und der Weiße schon in die Fallen geraten sind.« Die Vorstellung davon ließ ihn schwer schlucken.

»Das hoffe ich«, erwiderte Kanga-Paso ungerührt. »Lana-Wissasa darf den Iglatt auf keinen Fall als Erste zurück ins Dorf bringen.«

»Aber was ist, wenn Lana-Wissasa verletzt ist?«, wandte No-Ra-Taluk ein. »Oder tot?«

»Egal. Wenn es um das Wohl der Siksika geht, darf man auf solche Kleinigkeiten keine Rücksicht nehmen. Jeder muss dann Opfer bringen.«

»Aber sie ist die Häuptlingstochter. Sie...« »Sie war die Häuptlingstochter«, unterbrach Kanga-Paso

seinen Begleiter barsch. »Jetzt ist Ran-No-Pitti tot. Das Volk der Siksika hat keinen Häuptling mehr. Aber wenn ich den Iglatt zurückgebracht habe, wird sich das bald ändern. Noch ist Lana-Wissasa voller Hochmut. Aber dann werde ich dafür sorgen, dass sie eine einfache Squaw wird – vorausgesetzt, sie hat das Wettrennen überlebt.«

»Du willst also unser neuer Häuptling werden?« Der junge Späher klang nicht wirklich überrascht.

»Das weiß ich noch nicht«, erwiderte Kanga-Paso. »Aber wenn die Geister der Alten mich dazu auserwählen, werde ich mich nicht dagegen wehren.« Dem zufriedenen Ausdruck auf seinem Gesicht nach zu urteilen, schien er davon überzeugt zu sein, dass die Wahl bereits entschieden war.

No-Ra-Taluk blickte noch einmal auf die gegenüberliegende Talseite, aber ein plötzliches Geräusch ließ ihn sofort wieder herumfahren.

Zwei weiße Reiter schoben sich vor ihnen aus dem Gebüsch hervor. Sie brachten ihre Pferde so zum Stehen, dass sie den gesamten Pfad versperrten. Einer der Weißen hielt eine

Winchester in den Händen, der andere hatte seinen Smith&Wesson Schofield gezogen.

Kanga-Paso wollte sofort nach seinem eigenen Gewehr greifen, das in einer Trageschlaufe neben der Satteldecke steckte. Doch als sich augenblicklich die Mündung der Winchester auf ihn richtete, ließ er das lieber bleiben.

»Pfoten weg!«, befahl Ben Shepherd. »Wenn ihr vernünftig bleibt, wird euch nichts passieren.«

»Könnt ihr uns verstehen?«, wollte Daniel Legan wissen. Kanga-Paso musterte ihn feindselig. »Wir sprechen die

Sprache des Weißen Mannes«, erwiderte er schließlich. »Was wollt ihr von uns?«

»Uns ein bisschen unterhalten«, erklärte Ben Shepherd. »Über jemanden, den wir alle kennen. Eine junge Lady, die ihre Nase in Sachen steckt, die sie absolut nichts angehen.«

Kanga-Paso erwiderte nichts. Aber sein Begleiter war nicht so schweigsam. »Er spricht von Lana-Wissasa«, stieß No-Ra-Taluk hervor.

»He, der Junge scheint ein helles Köpfchen zu haben.« Daniel Legan grinste zufrieden. »Genau die haben wir gemeint. Die kleine Schlange ist uns doch allen ein Dorn im Auge, nicht wahr?«

»Wer sagt das?«, wollte Kanga-Paso wissen. In seinen Augen funkelte das pure Misstrauen.

»He, das ist nun wirklich nicht besonders schwer zu erraten.« Daniel Legan winkte ab. »Erst bekommt ihr euch in eurem Dorf so in die Haare, dass aus eurem Streit ein Wettrennen entsteht.« Er grinste teuflisch. »Na ja, und die Sache mit den Wolfseisen würde ich auch nicht gerade als Liebesbeweis ansehen. Wir haben euch beobachtet, als ihr die Dinger versteckt habt. Du kannst es ruhig zugeben: Dir wäre es auch am liebsten, wenn die Kleine so schnell wie möglich in die ewigen Jagdgründe verschwindet.«

»Eines würde mich noch interessieren«, fügte Ben Shepherd hinzu. »Um was geht es bei diesem Wettrennen genau?«

Nun konnte sich No-Ra-Taluk, der der Unterhaltung bisher mit steigernder Aufregung zugehört hatte, nicht länger zurückhalten. »Um den Vertrag mit den Weißen«, brach es aus ihm hervor. »Lana-Wissasa will, dass er unterzeichnet wird. Kanga-Paso ist dagegen. Deshalb haben uns die Stammesführer zu den Gräbern der Alten geschickt. Wer dort den Iglatt findet und ihn zuerst zur Siedlung der Siksika zurückbringt, kann entscheiden, was mit dem Vertrag geschehen soll.«

»Na bitte, da haben wir doch wieder etwas gemeinsam«, meinte Daniel Legan gut gelaunt. »Wir wollen nämlich auch nicht, dass diese verdammten Verträge unterschrieben werden.«

»Stimmt«, pflichtete ihm Ben Shepherd bei. »Und deshalb wollen wir euch einen kleinen Deal vorschlagen. Lasst uns zusammenarbeiten. Mit unserer Hilfe könnt ihr gar nicht verlieren.«

»Wer sagt, dass wir die Hilfe der Weißen brauchen?«, fragte Kanga-Paso entrüstet.

»Man braucht bloß die Augen ein bisschen aufzuhalten.« Ben Shepherd zeigte hinunter ins Tal. Ein Pferd war dort zu erkennen, das gerade die Furt durch den Fluss überquerte. Zwei Personen saßen auf seinem Rücken – ein Mann und eine Frau.

»Scheint so, als sei euer Trick mit den Wolfseisen gründlich in die Hose gegangen.« Daniel Legan zuckte mit offensichtlicher Schadenfreude mit den Schultern. »Die Kleine und ihr neuer Freund sind wohl zäher, als ihr euch das gedacht habt.«

Kanga-Pasos Augen verengten sich voller Wut zu schmalen Schlitzen. »Wie soll der Handel aussehen?«, fragte er dann.

»Ganz einfach. Wir sorgen dafür, dass euch die beiden bei dem Wettbewerb nicht mehr in die Quere kommen«, erwiderte Ben Shepherd. »Als Gegenleistung erwarten wir, dass du dich

darum kümmerst, dass uns deine Stammesbrüder in Ruhe lassen, wenn wir hier in der Gegend ein bisschen rumbuddeln. Eine Hand wäscht die andere.«

»Das ist alles?« Kanga-Paso sah ihn ungläubig an. »Das ist alles«, bestätigte Ben Shepherd. »Was hältst du von

dem Vorschlag?« Der Indianerkrieger brauchte nicht lange, um zu einer

Entscheidung zu kommen. »Einverstanden«, verkündete er mit gesenkter Stimme. »Ich stimme dem Handel zu.«

»Wunderbar.« Ben Shepherd und Daniel Legan wechselten einen

zufriedenen Blick. »Kanga-Paso, wir müssen weiter«, meldete sich nun No-Ra-

Taluk wieder zu Wort. »Von Lana-Wissasa und dem großen Mann ist nichts mehr zu erkennen. Sie haben bestimmt schon mit dem Aufstieg auf den Nomo-Bogul begonnen. Wenn wir nicht gleich aufbrechen, verlieren wir noch unseren Vorsprung.«

»Hör auf den Jungen«, sagte Ben Shepherd zu Kanga-Paso. »Reitet weiter und schnappt euch dieses Ding. Um den Rest kümmern wir uns schon.«

Die beiden Halunken lenkten ihre Pferde auf die Seite, um den Indianern den Weg freizugeben.

Kanga-Paso blieb noch einen Moment zögernd stehen, als wolle er sich die Sache noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Doch dann versetzte er seinem Mustang einen Tritt mit der Ferse. Gemeinsam mit dem jungen Späher setzte er den Aufstieg zur Grabstätte der alten Schamanen fort.

Daniel Legan wartete ab, bis die Indianer außer Sichtweite verschwunden waren. »Das hat ja besser geklappt, als ich mir das vorgestellt habe«, meinte er zu seinem Begleiter. »Ich hätte nie gedacht, dass die Rothaut so schnell auf unseren Vorschlag eingeht. Was machen wir jetzt? Verschanzen wir uns hier und

knallen die Kleine und ihren Beschützer ab, sobald sie hier auftauchen?«

Ben Shepherd schüttelte abwesend den Kopf. Ein anderer Gedanken schien sich in seinem Schädel breitgemacht zu haben. Plötzlich wandte er Legan ruckartig das Gesicht zu. »Hast du gewusst, dass es da oben ein Indianergrab gibt?«

»Nie was davon gehört. Warum willst du das wissen?« »Weil es sich vielleicht lohnen könnte, sich die Sache mal

ein bisschen genauer anzusehen«, erklärte Shepherd. »Soviel ich weiß, stopfen diese Rothäute ihren Toten oft eine Menge Kram mit ins Grab. Wertvollen Kram. Wir wären doch bescheuert, wenn wir das Zeug dort oben vergammeln lassen würden.«

»Und wie sollen wir das Grab finden?« »Indem wir einfach der Kleinen nachschleichen. Jede Wette,

sie führt uns auf dem direktesten Weg dorthin.« »Willst du sie denn nicht aus dem Weg räumen?« »Das können wir später immer noch erledigen. Jetzt suchen

wir erst einmal ein Versteck, damit wir uns ihnen heimlich an die Fersen kleben können.« Ben Shepherd wendete sein Pferd. »Dan, alter Halunke, womit haben wir das verdient? Diese Gegend ist der reinste Glücksfall für uns. Erst die Mine, jetzt der Indianerschatz. Es wird nicht mehr lange dauern, und wir sind so reich, das wir jemanden dafür bezahlen müssen, dass er uns hilft, die ganze Kohle auszugeben.«

»Das könnte dir so passen!«, rief Daniel Legan. »Den Job erledige ich lieber selbst.« Er gab seinem Braunen die Sporen, um zu Shepherd aufzuschließen, der bereits mit dem Aufstieg begonnen hatte.

* * *

Der Eingang der Grabhöhle lag hinter der Krümmung einer Felsnase verborgen. Für Uneingeweihte wäre er kaum zu

entdecken gewesen, aber Kanga-Paso fand den Einschlupf ohne Mühe. Die Höhle war schon lange nicht mehr betreten worden; das Gestrüpp und die Flechten, die den Eingang fast vollständig zugewuchert hatten, waren der deutliche Beweis dafür. Während Kanga-Paso sofort damit begann, ein Loch in das Flechtwerk der Zweige zu schlagen, blieb sein Begleiter unschlüssig daneben stehen.

»Was ist los?«, knurrte Kanga-Paso. »Worauf wartest du? Hilf mir!«

Der junge Späher rührte sich noch immer nicht von der Stelle. »Was ist mit den Geistern der Alten?«, fragte er besorgt. »Werden wir nicht ihren Zorn auf uns ziehen, wenn wir ihre letzte Ruhestätte betreten?«

»Hast du etwa Angst?« Kanga-Paso drehte sich zu ihm um und musterte ihn voller Verachtung. »Ich habe gedacht, ich habe mir einen Mann als Begleiter gewählt – nicht ein feiges Wickelkind.«

»Es ist keine Angst«, erwiderte No-Ra-Taluk. »Es ist Respekt. Man hat mir beigebracht, dass man die ewigen Seelen der Alten respektieren muss.«

»Wir haben nicht genügend Zeit, um uns darüber Sorgen zu machen«, erklärte Kanga-Paso ungeduldig. »Außerdem hat uns Pto-Honka selbst hierher geschickt. Die Geister werden also von unserem Kommen wissen und uns bereits erwarten.«

Die Aussicht, im Innern der Höhle von den Geistern seiner Ahnen in Empfang genommen zu werden, ließ den Mut des jungen Spähers noch weiter sinken. Kanga-Paso kümmerte sich nicht weiter um ihn, sondern vergrößerte das Loch im Gestrüpp so weit, dass sie sich beide mühelos hindurchzwängen konnten. Dann schichtete er die trockensten Zweige zu einem Haufen zusammen. Mit der Hilfe von zwei Holzstöcken entzündete er ein kleines Feuer. Kanga-Paso packte einen Prügel und hielt ihn mit der Spitze in die Flammen. Es dauerte nicht lange, bis sich die behelfsmäßige Fackel entzündet hatte.

»Komm endlich!« Er machte eine ungeduldige Handbewegung in Richtung seines Begleiters. »Lass uns den Iglatt holen.«

Nur widerstrebend folgte ihm No-Ra-Taluk ins Innere der Höhle.

* * *

Hinter dem Eingang befand sich ein langgezogener Stollen, der, sanft nach oben steigend, tiefer in den Berg hineinführte. An den Wänden waren rituelle Zeichnungen zu erkennen, von denen die meisten aber im Laufe der Jahre verblasst oder vom Wasser, das in schmalen Rinnsalen über die Felsen sickerte, weggewaschen worden waren. Die vergilbten Knochen von Falken und Adlern ruhten auf Vorsprüngen des dunklen Gesteins. No-Ra-Taluk zuckte erschrocken zusammen, als ihm plötzlich der Schädelknochen eines Wolfs, mit feindselig aufgerissenem Maul, aus einer Felsspalte entgegenblickte – so, als hätte er dort Wache gehalten, um sich sofort auf jeden unerwünschten Eindringling zu stürzen.

Kanga-Paso schien die unheimliche Umgebung nicht das Geringste auszumachen. »Wir sind gleich da«, meinte er zu No-Ra-Taluk, der dicht hinter ihm ging. »Dort hinten muss die Stelle sein, in der die Gebeine der Alten ruhen.« Er folgte dem Stollen um eine Biegung herum.

Dann blieb er plötzlich so unvermittelt stehen, dass sein junger Begleiter nicht rechtzeitig bremsen konnte und ihm hart gegen den Rücken prallte.

»Was ist passiert?«, wollte No-Ra-Taluk wissen. »Haben wir den falschen Weg genommen?«

»Nein«, erwiderte Kanga-Paso mit finsterer Miene. »Schlimmer...« Er hielt die Fackel so, dass No-Ra-Taluk erkennen konnte, was sich vor ihnen im Stollen befand. Ein gewaltiges Felsenstück war aus der Decke des Gangs

herausgebrochen und hatte sich zwischen den beiden Wänden verkeilt. Es versperrte den größten Teil des Wegs, nur über dem Boden war ein schmaler Spalt frei geblieben.

»Was jetzt?« No-Ra-Taluk sah seinen Begleiter fragend an. »Der Durchgang ist zu eng für mich«, erwiderte Kanga-

Paso. Er musterte den Späher eingehend. »Aber nicht für dich«, stellte er fest. »Du wirst den Iglatt allein holen müssen.«

»Das ist... nein, das geht nicht.« Der junge Späher wich erschrocken einige Schritte zurück. Doch Kanga-Pasos Hand packte ihn augenblicklich an der Schulter und hielt sie wie zwischen einem Schraubstock fest.

»Denk daran, was auf dem Spiel steht«, sagte Kanga-Paso mit beschwörender Stimme. »Das Schicksal deines gesamten Volks hängt von dir ab. Willst du, dass dein Name an den Feuern der Nachkommen mit Ehrfurcht erwähnt wird? Oder ist es dir lieber, wenn man über ihn spottet oder seinen Hund nach dir benennt?«

No-Ra-Taluks Körper spannte sich. »Ich werde dir den Iglatt bringen«, erklärte er dann mit einer Stimme, in der das Zittern nicht zu überhören war.

»Gut.« Kanga-Paso trat beiseite, um ihm Platz zu machen. »Kriech durch den Spalt. Ich werde hier auf dich warten.«

No-Ra-Taluk nickte. Er nahm noch einmal seinen gesamten Mut zusammen, dann ließ er sich auf die Knie nieder. Den Kopf voran, begann er sich durch den Spalt zu schieben. Der Durchgang, den der Felsbrocken gelassen hatte, war so eng, dass der Späher, trotz seiner jugendlichen Statur, immer wieder stecken blieb. Die Haut auf seinem Rücken und an seinen Schultern war bereits nach kurzer Zeit übersät mit Schürfwunden. No-Ra-Taluk versuchte, nicht auf sie zu achten, sondern wand sich wie eine Schlange, bis er schließlich die andere Seite der Öffnung erreicht hatte.

»Bist du durch?«, wollte Kanga-Paso durch den Spalt hindurch wissen. »Hast du den Iglatt schon entdeckt?«

»Ich kann nichts erkennen«, erwiderte No-Ra-Taluk. »Es ist zu dunkel.«

Kanga-Paso reichte ihm die Fackel auf die andere Seite. Mit dem Licht in der Hand, wagte es der junge Späher zum ersten Mal, sich umzudrehen.

Die Höhle erweiterte sich hier zu einem kreisrunden Gewölbe von etwa zehn Yards Durchmesser. In seiner Mitte wurde es von einem kleinen Tümpel in zwei Hälften geteilt. Ein stegartiges Gebilde führte über das Wasser in den hinteren Teil der Kaverne. Am gegenüberliegenden Ufer war die Felswand wieder mit unzähligen Zeichen verziert. Schwere Tongefäße standen auf dem Boden. No-Ra-Taluk wagte einen vorsichtigen Schritt nach vorn und sah sich verwundert um. Er war bis in Grabhöhle vorgedrungen, aber von den Überresten der alten Schamanen war nirgends etwas zu entdecken. Hatten sie sich doch getäuscht? Hatte ihn Kanga-Paso etwa zu einer falschen Höhle geführt? Er wollte sich bereits wieder umwenden, als sein Blick zufällig nach oben fiel.

Der junge Späher prallte erschrocken zurück. Die gesamte Höhlendecke war mit einem netzartigen

Flechtwerk bespannt – wie das Nest einer riesigen Spinne. Körper hingen in den Seilen. Einige davon waren so zerfallen, dass sie kaum noch als menschliche Überreste zu erkennen waren. Bei anderen hatte sich die Haut in ein lederartiges Etwas verwandelt, das ihren Gesichtern ein seltsam maskenhaftes Aussehen verlieh. Von wieder anderen war lediglich das Skelett übrig geblieben, dem Überreste von Kleidung und Bandagen von den Knochen hingen. Ihre Schädel schienen No-Ra-Taluk aus leeren Augenhöhlen vorwurfsvoll anzustarren.

»Was ist?«, kam Kanga-Pasos Stimme von der anderen Seite des Felsbrockens. »Hast du das Messer schon gefunden?«

»Nein«, antwortete No-Ra-Taluk. »Hier ist kein Messer. Nur Tongefäße.«

»In einem davon muss der Iglatt liegen«, zischte Kanga-Paso ungeduldig. »Hol ihn.«

No-Ra-Taluk nickte. Er packte die Fackel fester, dann machte er sich langsam auf den Weg auf die andere Seite des Tümpels. Jede Faser seines Körper war angespannt. Sein Herz schlug wie ein Hammer in seiner Brust. Nervös wie er war, spürte er nicht, als er beim Überqueren des Stegs mit dem Fuß einen kleinen Hebel umlegte.

Der junge Späher kniete sich vor das erste Gefäß und schob vorsichtig den Deckel beiseite. Er merkte nicht, dass die Wasseroberfläche hinter ihm unruhig wurde. Wasser ergoss sich von unten in den Tümpel. No-Ra-Taluks Hand fuhr in das Gefäß, doch es waren lediglich ein paar Knochen, die er auf dessen Boden ertasten konnte. Hinter ihm begann inzwischen der Wasserspiegel anzusteigen. Es dauerte nicht lange, und er hatte den Steg erreicht. No-Ra-Taluk wandte sich dem nächsten Gefäß zu. Auch in dem fand er kein Messer, sondern nur vertrocknete Pflanzenreste. Mutiger geworden, hockte er sich vor das nächste krugförmige Gebilde und streckte den Arm hinein. Die Wolfszähne in dessen Innern gaben ein leises Klappern von sich. Das Wasser, das die Grenzen des Tümpels mittlerweile verlassen hatte, schwoll immer weiter an. Langsam, aber unaufhaltsam, kroch es den Gefäßen und dem Ausgang entgegen. No-Ra-Taluks Hand untersuchte inzwischen das letzte Behältnis. Seine Finger stießen an etwas Metallisches. Die Klinge eines Messers. Ein Laut der Erleichterung drang aus seiner Kehle, als sich seine Hand um den hölzernen Griff des Iglatt schloss. In diesem Moment berührte das Wasser seine Zehen.

No-Ra-Taluk fuhr herum. Entsetzt stellte er fest, dass sich der Tümpel in der gesamten

Höhle ausgebreitet hatte. Der Boden war vollständig unter der glitzernden Wasseroberfläche verschwunden. Und das Wasser schien noch immer zu steigen.

Endlich gelang es dem jungen Späher, sich aus seiner Erstarrung zu lösen. Er sprang auf und jagte – das Messer in der einen Hand, die Fackel in der anderen – dem Ausgang entgegen.

»Wo kommt das Wasser her?«, war Kanga-Pasos Stimme von der anderen Seite des Felsens zu hören. »Was ist bei dir passiert?«

No-Ra-Taluk antwortete nicht. Endlich hatte er sich durch das Wasser bis zu dem Felsen vorgekämpft. Die Brühe strömte durch die Lücke am Boden wie durch einen Abfluss. Einen sehr schmalen Abfluss. Der junge Indianer warf sich auf die Erde und versuchte, ebenfalls durch den Spalt zu schlüpfen. Dabei fiel ihm die Fackel aus der Hand. Sie verlosch mit einem gereizten Zischen und ließ ihn in völliger Dunkelheit zurück. No-Ra-Taluk tastete verzweifelt nach dem Durchschlupf. Endlich. Die rettende Lücke! Die Hände voran, zwängte sich der junge Späher in den Spalt. Doch das Wasser hatte mittlerweile Schmutz und Steine in den Durchlauf gespült. Die Lücke war enger als beim ersten Mal. Zu eng. No-Ra-Taluk spürte, wie sich seine Schultern zwischen den Felsen verhakten. Wasser strömte unablässig von hinten heran. Es reichte ihm schon über das Kinn und nahm ihm die Luft zum atmen. Der junge Indianer begann panisch um sich zu treten. Doch bei jeder seiner Bewegungen schien die Umklammerung des Gesteins nur noch enger zu werden. Feuerrote Kreise begannen vor seinen Augen zu tanzen.

»No-Ra-Taluk?«, fragte eine Stimme aus der Dunkelheit vor ihm. »Bist du da irgendwo?«

»Ja.« Die Antwort wurde durch ein Husten in kleine Stücke zerhackt. »Im Spalt... Stecke fest...«

»Hast du den Iglatt?« »Ja; das Wasser, es steigt immer höher. Hilf mir!« No-Ra-Taluk fühlte eine Hand, die sich ihm

entgegenstreckte. Mit einer letzten Kraftanstrengung reckte er

sich in ihre Richtung. Er wartete jeden Moment darauf, dass ein starker Griff ihn packen und aus der engen Lücke ziehen würde. Doch die fremde Hand umkreiste lediglich suchend seine eigene. Sie schien einen Moment zu lauern – dann schnappte sie zu wie eine Schlange. Sie nahm ihm das Messer aus den Fingern, dann zog sie sich blitzschnell zurück. Kurz darauf konnte No-Ra-Taluk Schritte hören, die sich rasch durch den Stollen entfernten. Er wollte schreien, aber das Wasser war schon überall. Es drang ihm in Nase und Mund und erstickte den Aufschrei, noch bevor er seine Kehle verlassen hatte.

* * *

»Da drüben ist es.« Lana-Wissasa zeigte auf eine Felsnase ein wenig oberhalb der Stelle, an der sie aus dem Wald gekommen waren. »Hinter der Biegung liegt der Eingang.« Sie sprang vom Pferderücken, und auch Lassiter stieg aus dem Sattel. »Komm mit. Vielleicht erwischen wir sie noch.« Sie wollte losrennen, aber schon nach ein paar Schritten merkte die junge Indianerin, dass Lassiter ihr nicht folgte. »Worauf wartest du noch? Lass uns endlich nach dem Iglatt suchen.«

Lassiter rührte sich noch immer nicht vom Fleck. »Hast du nicht etwas vergessen?«

»Vergessen? Ich weiß nicht, wovon du sprichst.« »Von den Überraschungen, die im Nomo-Bogul lauern«,

erwiderte Lassiter. »Von denen du von deinem Vater gehört hast und von denen Kanga-Paso aber keine Ahnung hat. Glaubst du nicht, du solltest mir etwas darüber erzählen? Es könnte vielleicht ganz nützlich sein, falls wir da drinnen auf unsere Gegner treffen.«

»Ach so. Natürlich hast du Recht.« Lana-Wissasa kam zu ihm zurück. »Dann hör zu: Die Schamanen, die in dieser Höhle beigesetzt sind, waren alle hochangesehene Mitglieder unseres Stammes. Ihnen gebührt die höchste Ehre – auch über den Tod

hinaus. Niemand sollte ihre letzte Ruhestätte betreten können, der nicht seine Seele in der heiligen Quelle gereinigt hat. So haben sich das die Erbauer des Grabes auf jeden Fall vorgestellt.«

»Die Seele reinigen?«, fragte Lassiter verwundert. »Wie soll denn das funktionieren?«

»Das ist nicht besonders schwer. Man muss dafür lediglich die Heilige Quelle durchqueren.«

»Und wo findet man die?« »Mitten in der Grabhöhle«, erklärte Lana-Wissasa. »Sie teilt

das Gewölbe in zwei Hälften. Man braucht nur den Tümpel zu durchwaten, dann passiert nichts. Aber wenn man die Brücke benutzt, die es dort auch gibt, hat man Pech gehabt. Denn damit löst man eine Mechanik aus, die das Wasser des Tümpels zum Ansteigen bringt. Es kommt aus einem See oberhalb der Höhle.«

Lassiter sah sie verwundert an. »Wird dadurch nicht die gesamte Grabstätte überflutet? Mitsamt den Überresten eurer Schamanen?«

»Nein.« Lana-Wissasa schüttelte den Kopf. »Das Wasser kann durch den Eingangsstollen abfließen. Die Überreste unserer Alten sind so bestattet, dass es sie nicht erreichen kann. Wenn der See leer ist, senkt sich der Wasserspiegel wieder. Du siehst, einem Eindringling kann eigentlich nicht viel mehr passieren, als dass er ein unfreiwilliges Bad nimmt.« Ein bitteres Lächeln erschien auf ihren Lippen. »Und ich hoffe sehr, das Kanga-Paso genau das passiert ist. Oder dass ihn das Wasser zumindest so lange aufgehalten hat, bis wir auch eine faire Chance haben, den Iglatt in die Hände zu bekommen.«

»Auf Fairness würde ich mich bei diesem Kerl nicht verlassen«, erwiderte Lassiter. »Dass er damit nicht viel am Hut hat, hat er uns mit den Fangeisen schon mehr als deutlich gezeigt.«

»Da hast du leider Recht.« Die Miene der Häuptlingstochter verfinsterte sich noch weiter. »Ich kann es kaum noch abwarten, diesen Mistkerl in die Finger zu bekommen. Kanga-Paso wird es noch bitter bereuen, sich mit mir angelegt zu haben.«

»Dann lass uns gehen.« Lassiter zog seinen Remington aus dem Holster. »Vielleicht gelingt es uns, die Kerle mit einem Überraschungscoup zu überrumpeln.«

Sie kletterten bis zur Felsnase hinauf. Lassiter entdeckte die kleine Feuerstelle vor dem Eingang sofort. »Sie sind hier gewesen«, meinte er zu seiner Begleiterin. »Vielleicht sind sie noch drin.«

Lana-Wissasa hatte sich schon bis zum Einstieg in den Stollen vorgewagt. »Wasser«, sagte sie und zeigte vor sich. »Sie müssen den Flutungsmechanismus ausgelöst haben. Aber wo sind sie?«

»Das werden wir uns gleich mal ansehen.« Lassiter nahm einen Holzprügel als provisorische Fackel. Er folgte damit der Häuptlingstochter, die schon ins Innere der Höhle geschlüpft war.

Die Fackel spendete nur flackerndes, rauchiges Licht, trotzdem kamen sie im Stollen gut voran. Das Plätschern von Wasser war zu hören. Mit jedem Schritt, den sie tiefer in den Berg drangen, wurde es lauter. Das Rinnsal auf dem Boden war inzwischen zu einem regelrechten Bach angeschwollen, der ihre Knöchel umspülte.

Schließlich erreichten sie die Biegung, hinter der die Grabkammer liegen sollte. Lana-Wissasa schob sich um die Kurve – und blieb verwundert stehen, als anstelle des Gewölbes lediglich eine graue Wand vor ihr zu sehen war. »Ein Felsen...«, meinte sie erstaunt zu Lassiter. »Davon hat mir mein Vater nichts erzählt. In der Höhle muss es einen Erdrutsch gegeben haben...«

»... der den Zugang versperrt hat«, fügte Lassiter hinzu. »Gibt es denn überhaupt keine Möglichkeit hier noch weiterzukommen?« Er fuhr mit der Fackel suchend über den Felsblock.

Lana-Wissasa schrie leise auf, als der Lichtschein die Stelle über dem Boden erfasste, aus der das Wasser strömte. Eine Hand ragte daraus hervor. Eine junge Hand, die sich ihnen wie Hilfe suchend entgegenreckte, obwohl schon kein Leben mehr in ihr war.

»No-Ra-Taluk...«, stieß die Häuptlingstochter hervor. »Er hat ihn hier zurückgelassen. Aber wo ist Kanga-Paso?«

Ihre Frage sollte sofort beantwortet werden. Denn in diesem Moment löste sich ein Schatten aus der Schwärze einer Felsspalte. Kanga-Paso hatte sich dorthin verkrochen, sofort nachdem er den Fackelschein seiner Gegner bemerkt hatte.

Lassiter wirbelte herum. Er wollte seinen Remington auf Kanga-Paso richten, aber der hatte Lana-Wissasa bereits gepackt und hielt sie wie einen Schutzschild vor sich. Der Mistkerl presste ihr die Spitze eines Messers gegen die Kehle.

»Runter mit der Knarre«, sagte er zu Lassiter. »Der Wettbewerb ist vorüber. Jetzt kannst du entscheiden, ob sie ihn überlebt.«

Lassiter blieb nichts anderes übrig, als zu tun, was der Indianer von ihm verlangte. Er ließ den Revolver sinken.

Kanga-Paso begann sich rückwärts in Richtung des Höhlenausgangs zu schieben. Seine Geisel zerrte er dabei mit sich. Lassiter folgte ihnen mit einigem Abstand.

»Du hast die Seele eines räudigen Kojoten, Kanga-Paso.« Kaum hatten sie das Freie erreicht, da versuchte Lana-Wissasa, sich aus dem Griff ihres Widersachers zu winden. Doch die Klinge legte sich sofort enger an ihre Kehle. »Die Geister der Alten werden sich mit Abscheu von dir abwenden.«

»Lass das ruhig meine Sorge sein«, erwiderte Kanga-Paso. »Wenn ich erst Häuptling der Siksika bin, werde ich...«

»Das ist es also, worum es dir geht.« Lana-Wissasa lachte bitter auf. »Du willst der Anführer unseres Stammes werden. Und dazu ist dir jedes Mittel recht. Aber noch hast du nicht gewonnen. Noch hast du den Iglatt nicht zu Pto-Honka gebracht.«

Bevor Kanga-Paso zu einer Antwort ansetzen konnte, wurde am Abhang unterhalb der Höhle Hufschlagen laut. Zwei Reiter tauchten aus dem Wald auf. Sie hielten direkt auf die Felsnase zu.

Kanga-Paso wandte sich zu ihnen um. »Ist das die Art, wie ihr euren Teil der Abmachung einhaltet?«, rief er ihnen entgegen. »Wo seid ihr gewesen? Die beiden sind völlig unbehelligt in die Höhle spaziert.«

Den kurzen Moment der Unaufmerksamkeit nutzte Lana-Wissasa sofort aus. Sie holte mit dem Arm aus, dann rammte sie ihrem Widersacher den Ellenbogen mit aller Kraft in die Magengrube. Kanga-Paso brach nicht zusammen, aber sein Griff um ihre Schulter lockerte sich für wenige Sekunden. Mehr hatte die Häuptlingstochter nicht gebraucht. Sie ließ sich zu Boden fallen. Kanga-Paso wollte sie erneut packen. Der Knall eines Schusses zerriss die Luft. Eine Kugel ließ direkt neben ihm ein Stück Dreck von der Felswand abspringen. Sie stammte von Lassiter, der den Indianer noch aus dem Stollen heraus ins Visier genommen hatte.

Kanga-Paso warf sich geistesgegenwärtig zur Seite. Er rollte sich geschickt ab, sprang wieder auf die Beine und war kurz darauf im Schutz der Felsnase verschwunden.

Lana-Wissasa lag noch immer am Boden. Auch die beiden Reiter hatten inzwischen ihre Waffen hervorgerissen. Ohne jedes Zeichen von Skrupel legten sie auf die wehrlose Frau an. Sie hätten die junge Indianerin kaltblütig abgeknallt, wenn Lassiter nicht gerade noch rechtzeitig eingegriffen hätte. Er stürmte aus dem Höhleneingang hervor und feuerte, was die Trommel seines Revolvers hergab. Der Schusswinkel war so

ungünstig, dass seine Kugeln nicht mit der üblichen Treffsicherheit ihr Ziel fanden. Aber es genügte, um die Halunken auf Distanz zu halten. Als Lassiter die Häuptlingstochter erreicht hatte, gab sein Remington nur noch ein scharfes Klicken von sich. Die Munition in der Trommel war aufgebraucht. Trotzdem ließ sich Lassiter nicht aus der Ruhe bringen. Er packte Lana-Wissasa am Oberarm, dann zog er die junge Frau zurück in die sichere Deckung der Höhle.

Sofort verstärkte sich wieder der Kugelhagel von draußen. »Das sieht nicht gut aus.« Lassiter lud eilig die Trommel

seines Remingtons nach. »Wir sitzen wie Kaninchen in der Falle.«

»Wer sind diese Kerle?«, fragte die Häuptlingstochter verwirrt.

»Keine Ahnung. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass der Überfall im Long Shadow Canyon auch auf ihr Konto geht.« Lassiter erwiderte das Feuer. »Noch kann ich sie uns vom Leib halten. Aber wie lange noch? Die Gauner brauchen nichts weiter zu tun, als es sich da draußen gemütlich zu machen, und abzuwarten, bis wir hier drinnen verschimmelt sind.«

Lana-Wissasa sah sich nachdenklich im rückwärtigen Teil der Höhle um. »Nicht unbedingt«, meinte sie dann.

»Was soll das heißen?«, erkundigte sich Lassiter. »Glaubst du vielleicht, dass uns die Kavallerie im letzten Augenblick zu Hilfe kommt?«

»Die nicht«, erwiderte die Häuptlingstochter. »Aber vielleicht die Geister meiner Ahnen.« Sie gab Lassiter ein Zeichen, ihr zu folgen, bevor sie in die Dunkelheit des Stollens verschwand.

* * *

Lassiter feuerte noch einmal eine Salve heißes Blei in Richtung ihrer Belagerer. Dann folgte er Lana-Wissasa zurück

in den Berg. Im Laufen zog er sein Sturmfeuerzeug aus der Westentasche. Die winzige Flamme erhellte lediglich einen kleinen Teil der Umgebung rund um sein Gesichtsfeld. »Wo willst du hin?«, rief er dem schemenhaften Schatten zu, der vor ihm lief. »Willst du mir eine weitere von deinen Überraschungen zeigen? Was ist es diesmal? Bricht dann vielleicht bei einer falschen Bewegung der ganze Berg zusammen?«

»Nein, es ist keine Falle der Erbauer«, kam Lana-Wissasas Stimme aus dem Dunkel. »Ich glaube, dass es noch einen zweiten Ausgang geben muss. Er ist bloß kleiner. Eher eine Öffnung.«

»Und wo soll die sein?« »In der Nähe des Grabgewölbes.« Die Häuptlingstochter

hatte den Felsbrocken erreicht, der den weiteren Durchgang versperrte. »Hilf mir suchen. Sie muss nach oben führen. Die Öffnung wurde angelegt, damit die Seelen der Toten in Richtung des Himmels aufsteigen können.« Sie begann die Stollendecke abzutasten.

Lassiter kam zu ihr. Er hielt das Feuerzeug in die Höhe, um ihr die Suche zu erleichtern. »Da...« Plötzlich begann die kleine Flamme zu zittern. Ein Luftstrom hatte sie erfasst. Lassiter folgte dem Hauch. Es dauerte nicht lange, und er hatte hinter einem herabhängenden Felsen eine Spalte entdeckt, die durch die Decke nach oben führte. Sie war schmal, aber groß genug, dass sich ein ausgewachsener Mann mit Mühe hindurchzwängen konnte. »Bequem wird das nicht«, meinte Lassiter beim Anblick der Öffnung. »Aber uns wird nichts anderes übrig bleiben, als es zu versuchen.«

»Ich gehe zuerst«, erklärte Lana-Wissasa. »Ich bin kleiner als du und kann dich warnen, falls es zu eng wird.«

Lassiter hatte nichts gegen den Vorschlag einzuwenden. Er hob die Häuptlingstochter hoch und half ihr beim Einstieg in den Felsspalt. Wenige Augenblicke später war Lana-Wissasa in

der Öffnung verschwunden. Lassiter beleuchtete die Umgebung ein letztes Mal mit dem Feuerzeug. Er prägte sich den Anblick genau ein – dann ließ er es zuschnappen und steckte es zurück in die Tasche. Obwohl ihn nun vollkommene Dunkelheit umgab, wusste Lassiter noch immer, wo sich der Einstieg in den Fluchtweg befand. Er sprang in die Höhe und bekam den Rand der Öffnung zu fassen. Mit einer gewaltigen Kraftanstrengung zog er sich nach oben und kroch in den Spalt. Es war eng. Verdammt eng sogar, aber es gab trotzdem genügend Platz, dass er weiter nach oben kriechen konnte. Irgendwo über sich hörte er ein Scharren. Lana-Wissasa schob sich immer weiter dem Ausgang entgegen. Lassiter folgte dem Geräusch.

Der Aufstieg war kräftezehrend und äußerst unangenehm. Mehrmals hatte Lassiter das Gefühl, im Innern des Bergs stecken zu bleiben. Doch dann gelang es ihm immer wieder, sich aus der steinernen Umklammerung loszureißen und weiterzukriechen. Sekunden begannen sich zu Ewigkeiten zu dehnen. Er wusste nicht mehr, wie lange er sich schon durch den schmalen Spalt schob, als er plötzlich über sich einen Lichtschein bemerkte. Der Ausgang. Lassiter mobilisierte noch einmal seine Kraftreserven und kroch dem Licht entgegen. Wenig später erreichte er inmitten eines Steinkreises die Oberfläche.

»Wir haben es geschafft«, hörte er Lana-Wissasas Stimme neben sich. Die junge Frau hockte auf einem Stein – schmutzig, aber erleichtert.

Auch Lassiter zog sich ins Freie. Als er sich vorsichtig umsah, erkannte er, dass sie sich an einer Stelle befanden, die sich etwa fünfzig Yards oberhalb des Höhleneingangs befand. Die beiden Halunken, die es auf sie abgesehen hatten, waren deutlich zu erkennen. Sie waren von ihren Pferden gestiegen und hatten sich unerreichbar hinter einer Felsengruppe

verschanzt. Ihre Waffen hielten sie auf den Stolleneingang gerichtet.

»Wir müssen versuchen, irgendwie an den Kerlen vorbeizukommen«, flüsterte Lassiter seiner Begleiterin zu. »Sonst können wir Kanga-Paso nicht mehr einholen.«

»Aber er hat schon einen riesigen Vorsprung«, wandte Lana-Wissasa ein. »Haben wir denn überhaupt eine Chance, ihn noch zu erwischen?«

»Nicht, wenn wir den üblichen Weg nehmen.« »Ich verstehe nicht, was du meinst.« »Der Fluss. Er ist die kürzere Strecke zu eurer Siedlung.« »Aber...« »Keine Widerrede. Er ist unsere letzte Möglichkeit. Du hast

gesagt, dass eure Leute manchmal zum Fischen hierher kommen. Haben sie hier irgendwo Boote zurückgelassen?«

»Ja, es gibt eine Stelle, an der Kanus, Decken und Jagdausrüstung lagern. Aber wie willst du...?«

Lassiter wusste, dass er keine Zeit mit langen Erklärungen verschwenden durfte. Tief geduckt begann er, den Berghang hinabzuschleichen. Er gab Lana-Wissasa mit der Hand ein Zeichen, ihm zu folgen. Also schloss sich die junge Häuptlingstochter ihm an. Es gelang ihnen, sich lautlos an Legan und Shepherd vorbeizuschleichen und unbemerkt die Stelle zu erreichen, an der Lassiters Brauner auf sie wartete.

* * *

»Was machen die da drinnen?«, fragte Daniel Legan. »Seit einer Viertelstunde ist kein Laut mehr zu hören. Ob wir sie doch erwischt haben?«

»Das kann ich dir auch nicht sagen«, erwiderte Ben Shepherd. »Warum stehst du nicht einfach auf und siehst nach?«

»Um mir eine Kugel in den Kopf abzuholen, falls sie doch noch am Leben sind?« Legan winkte ab. »Kein Bedarf.« Er blieb tief hinter den Felsbrocken geduckt hocken. »Was sollen wir jetzt machen?«

»Frag mich was Leichteres. Uns wird nichts anderes übrig bleiben, als abzuwarten.« Er spuckte aus. »Hoffentlich nimmt es uns die Rothaut nicht krumm, dass wir die Kleine noch nicht abserviert haben. Er war verdammt sauer. Der Kerl ist imstande, uns den gesamten Stamm auf den Hals zu hetzen, wenn wir ihm noch mal über den Weg laufen. Dann ist es Essig mit dem Gold in der Mine.«

»Können wir nichts dagegen tun?« Ben Shepherd zuckte mit den Schultern. »Wir müssen ihm den Kopf der kleinen Schlange auf dem Tablett servieren. Vielleicht verbessert das seine Laune wieder.«

»Und wie willst du das anstellen?« Daniel Legans Kopf flog herum. »Was ist das?« Irgendwo hinter ihnen war das Schlagen von Pferdehufen zu hören, das sich rasch entfernte.

Ben Shepherd sprang auf. »Shit!«, brüllte er, als er ein Pferd mit zwei Reitern auf dem Rücken zwischen den Bäumen des Waldes verschwinden sah. »Sie sind entwischt!«

»Was machen wir jetzt?« »Da fragst du noch? Hinterher!« Shepherd und Legan

rannten zu ihren Pferden. Sie sprangen aus vollem Lauf in die Sättel und nahmen Sekunden später die Verfolgung der Flüchtenden auf.

* * *

»Hier muss es sein.« Lana-Wissasa hatte Lassiter zu einer Stelle am Flussufer geführt, an denen die Äste einer Weide ein dichtes Dach bildeten, das bis hinunter zum Wasser reichte. Sie sprang vom Rücken des Pferdes und rannte ans Ufer. Lassiter folgte ihr. Die Häuptlingstochter hob eine Matte an, die mit

Zweigen so gut getarnt war, dass sie beinahe vollständig mit der restlichen Umgebung verschmolz. Drei Kanus kamen darunter zum Vorschein. Sie waren mit ledernen Planen bedeckt. Als Lana-Wissasa eine davon entfernte, konnte Lassiter sehen, dass das Kanu, außer mit Paddeln, mit Decken, indianischen Waffen und Werkzeugen beladen war. Die perfekte Ausrüstung, wenn man plante, auf Jagd oder zum Fischen zu gehen.

Lassiter half der jungen Frau, das Boot ins Wasser zu zerren. Als sie weit genug vom Ufer entfernt waren, sprangen sie in sein Inneres. Lassiter griff sich ein Paddel und begann das Kanu mit kräftigen Schlägen in Richtung der Furt voranzutreiben.

In diesem Moment brachen zwei Reiter am Ufer zwischen den Bäumen hervor. Als Shepherd und Legan das Boot auf dem Fluss bemerkten, eröffneten sie sofort das Feuer.

»Verdammt, die haben mitbekommen, dass wir abgehauen sind.« Lassiters Ruderschläge nahmen noch einmal an Stärke zu. »Duck dich! Ich versuche, uns außer Schussweite zu bringen.«

Lana-Wissasa ließ sich hinter die Bootswand fallen. Doch anstatt in Deckung zu bleiben, nahm sie ihren Peacemaker und erwiderte damit das Feuer. Doch die Feuerkraft des Revolvers war nicht stark genug, um den Banditen am Ufer wirklich gefährlich zu werden. Aber bei Shepherds Winchester sah das schon ganz anders aus. Er legte auf die Flüchtenden an und zog den Abzug durch.

Lana-Wissasa spürte einen gewaltigen Schlag gegen die Hand. Funken sprühten von ihrer Waffe auf, als die Gewehrkugel sie traf. Der Peacemaker wurde ihr aus der Hand geschleudert – und verschwand unerreichbar im Wasser des Flusses.

Die Banditen hatten inzwischen ebenfalls die versteckten Kanus entdeckt. Sie schafften eines davon ins Wasser und

begannen erneut die Verfolgung von Lassiter und der jungen Indianerin aufzunehmen. Jeder von ihnen nahm ein Paddel, und so wurde der Abstand zwischen den Booten bald kleiner und kleiner.

»Verdammte Mistkerle!« Lana-Wissasa war nicht gewillt, dem Näherkommen ihrer

Gegner tatenlos zuzusehen. Sie griff sich einen Bogen, der auf dem Boden des Kanus lag, und schickte ihren Verfolgern mehrere Pfeile entgegen. Doch die Geschosse blieben lediglich im Bootsrumpf stecken, ohne große Wirkung zu zeigen. Nun eröffneten auch die zwei Halunken wieder das Feuer. Legan war aufgesprungen und nahm das Boot vor sich mit seinem S&W Schofield ins Visier. Shepherd pumpte heißes Blei aus den Läufen seiner Winchester.

Als die Kugeln wie bösartige Insekten an seinem Kopf vorbeizischten, wusste Lassiter, dass es nun höchste Zeit war, selbst in das Gefecht einzugreifen. Er wandte sich um und warf Lana-Wissasa sein Paddel zu. »Halt die Richtung!«, rief er ihr zu. Er riss seinen Remington aus dem Holster. Das Schwanken des Kanus genau ausbalancierend, befasste er sich nun mit seinen Gegnern.

Der Remington bellte auf. Daniel Legan wurde nach hinten geschleudert, als habe ihn

eine unsichtbare Faust getroffen. Einige Sekunden versuchte er noch, das Gleichgewicht zu halten, dann kippte er aus dem Boot. Dort, wo er unter der Oberfläche verschwand, färbte sich das Wasser blutig rot. Lassiter wollte gerade auch den zweiten Halunken ins Visier nehmen, als Lana-Wissasa erschrocken aufschrie. »Vorsicht!«

Ein Ruck erschütterte das Boot. Das Kanu hatte sich auf einer Sandbank der Furt festgefahren. Lassiter sprang, ohne zu zögern, ins Wasser. Er packte mit beiden Händen die Bootswand und begann mit ganzer Kraft zu schieben. Inch für Inch löste sich das Boot aus dem Griff des schlammigen

Untergrunds. Lassiter konnte spüren, wie es wieder von der Strömung erfasst wurde.

In diesem Moment peitschte dicht neben ihm eine Gewehrkugel das Wasser auf. Lassiter gab dem Kanu einen letzten Stoß, dann wirbelte er herum, um seinen Gegner gebührend in Empfang zu nehmen. Er erkannte, dass Ben Shepherd ein weiteres Mal auf ihn angelegt hatte. Lassiter wusste, dass ihm jetzt nur noch eine Chance – und eine Kugel – blieben. Als die Winchester aufbellte, warf er sich zur Seite. Ein Zischen war zu hören, als das feindliche Geschoss dicht neben ihm die Luft durchschnitt. Noch im Flug krümmte sich Lassiters Zeigefinger am Abzug. Der Remington spuckte mit lautem Krachen eine Portion Blei auf ihren Weg, dann versank der große Mann mitsamt seiner Waffe im Fluss. Erst nach ein paar kräftigen Schwimmstößen tauchte er wieder auf. Als er sich umsah, erkannte er, dass Shepherd aus dem Boot verschwunden zu sein schien. Das Kanu trieb führerlos bis zur Furt, wo es sich an einem Fels verhakte. Das Boot kippte zur Seite. Auf seinem Boden war für wenige Sekunden Ben Shepherd zu erkennen. In seiner Stirn klaffte ein rotes Loch. Lassiters Kugel hatte mit tödlicher Präzision ihr Ziel gefunden. Doch Lassiter kümmerte sich nicht weiter um den toten Banditen. Er wandte sich zu Lana-Wissasa um. Das Kanu mit ihr hatte die Furt schon weit hinter sich gelassen. Längst hatten die ersten Ausläufer der Stromschnellen es in ihrer Gewalt und rissen es immer schneller mit sich. Lassiter hechtete erneut ins Wasser. Mit kräftigen Kraulstößen nahm er die Verfolgung auf.

Trotz der ständig zunehmenden Strömung gelang es ihm, das Kanu zu erreichen. Seine Hände krallten sich an seinem Heck fest. Doch die Strudel und Wirbel waren inzwischen so stark, dass es ihm nicht gelang, in das Innere zu klettern. Lana-Wissasa wollte ihm eine Hand reichen, doch Lassiter wehrte ab. »Nimm das Paddel«, rief er ihr durch das Tosen des Wassers zu. »Ich bleibe hier draußen!«

Lana-Wissasa blieb nichts anderes übrig, als zu tun, was er von ihr verlangte. Das Paddel fest gepackt, versuchte sie verzweifelt, das Boot, das wie ein Blatt über das Wasser tanzte, durch den wild schäumenden Fluss zu manövrieren.

Lassiter umklammerte noch immer mit eisernem Griff das Heck des Kanus, um ihm zusätzliche Stabilität zu verleihen. Die Strömung hatte das Boot inzwischen mit ganzer Wut gepackt. Die Umgebung um Lassiter verschwand hinter einer Wand aus sprühender Gischt. Die Wellen, die ihn an Gesicht und Oberkörper trafen, schienen sich in Stein verwandelt zu haben. Das Wasser war überall gleichzeitig. Mal wirbelte es ihn hoch aus dem Fluss hervor, dann schleuderte es ihn wieder so fest gegen einen Felsen, dass ihm die Luft aus den Lungen gepresst wurde. Die Strömung zerrte an jeder Faser seines Körpers, als habe sie vor, ihn in der Mitte auseinander zu reißen. Immer wieder wurde er unter Wasser gezogen.

Minuten vergingen, bevor er wieder die Gelegenheit hatte, Atem zu schöpfen. Lassiter hatte längst die Orientierung verloren. Er befand sich in einem Zustand, in dem der klare Verstand hinter einer grauen Wand versank und die reinen Instinkte die Kontrolle über den Körper übernommen hatten. Irgendwo am Rand seines Bewusstseins wusste Lassiter, dass seine hübsche Begleiterin und er verloren waren, wenn er den Halt verlieren würde. Seine Finger krallten sich wie im Krampf an das Heck, während er halb bewusstlos das Boot durch den kochenden Fluss lenkte. Ein letzter gewaltiger Schlag – dann versank alles um ihn herum in einem wirbelnden Strudel.

War es das Rauschen des Wassers oder das Rauschen in seinem Kopf, durch das plötzlich eine weit entfernte Stimme drang? »Kannst du mich hören?«, fragte sie flehentlich. »Bei allen Geistern unserer Ahnen, sag doch was. Bitte...«

Lassiter zwang sich, den Kopf zu heben. Wie durch einen Schleier hindurch, der langsam beiseite gezogen wurde,

begannen sich Lana-Wissasas Züge vor seinem Gesicht zu formen.

»Du lebst!« Die Häuptlingstochter strahlte ihn an. »Und ich habe schon geglaubt...« Sie sprach ihre schlimmsten Befürchtungen nicht aus, sondern half ihm, ins Kanu zu steigen. Das Wasser hatte sich inzwischen beruhigt, und so ließ sich Lassiter erschöpft auf den Boden des Boots fallen.

»Wir haben es geschafft!«, rief Lana-Wissasa begeistert. »Wir haben die Stromschnellen durchquert. Das ist bisher noch keinem gelungen!«

Lassiter brachte als Antwort lediglich ein schwaches Nicken zustande. Durch die Strapazen schwer gezeichnet, schlief er wenig später ein. Die Häuptlingstochter weckte ihn nicht, denn sie wusste, dass der Fluss von nun an ruhig und gleichmäßig durch sein Bett strömte und sie die restliche Strecke zurücklegen konnte, ohne auf weitere Hilfe angewiesen zu sein.

* * *

Der Morgen dämmerte bereits, als Lassiter endlich wieder erwachte. Lana-Wissasa hatte das Kanu zum Ufer gelenkt und festgebunden. Als Lassiter an Land kletterte, erkannte er, dass sie sich nicht weit entfernt von der Indianersiedlung befanden. Die Zelte der Siksika waren undeutlich am Horizont zu erkennen.

»Ist es vorbei?«, fragte Lassiter. »Haben wir das Rennen verloren?«

Die Häuptlingstochter lächelte, als sie sich zu ihm umwandte. »Noch nicht«, erwiderte sich. »Kanga-Paso hat unser Dorf noch nicht erreicht. Dort oben ist der Weg, den er entlangkommen muss.« Sie zeigte die Böschung hinauf. »Bisher ist er noch nicht aufgetaucht. Ich habe die ganze Nacht Wache gehalten.«

»Warum hast du mich nicht geweckt?« »Du hattest den Schlaf nötig. Schließlich haben wir es dir zu

verdanken, dass wir heil durch die Stromschnellen gekommen sind. Danke für alles, was du für mich getan hast.«

»Schon gut«, wehrte Lassiter ab. »Ich habe nur gemacht, was...« Er verstummte, als ein Laut an sein Ohr drang. Hufschlagen – und es kam rasch näher.

Lassiter war sofort hellwach. Er rannte die Uferböschung hinauf bis zum Pfad, um dort seinem Gegner den Weg abzuschneiden. Er wusste, dass das Versteckspiel nun vorbei war. Jetzt war eine endgültige Entscheidung fällig. Deshalb ging er nicht in Deckung, sondern baute sich kampfbereit mitten auf dem Weg auf.

Wenige Augenblicke später brach ein Reiter aus dem Wald hervor. Kanga-Paso. Das Pferd war nach dem mörderischen Ritt am Ende seiner Kraft. Trotzdem stieß ihm der Indianer immer wieder die Fersen in die Seiten und prügelte mit dem Zügel auf seinen Hals ein. Auch Kanga-Paso war erschöpft. Deshalb dauerte es mehrere Sekunden, bis er den Mann entdeckte, der vor ihm auf dem Pfad stand.

Ein Ruck ging durch den Körper des Indianers, als er erkannte, um wen es sich bei der Gestalt handelte. Er zog sein Gewehr aus der Halterung vor sich.

Auch Lassiter hatte seinen Remington hervorgerissen. Ohne das Tempo seines Pferdes herunterzunehmen, legte

Kanga-Paso auf seinen Gegner an. Sein Finger krümmte sich am Abzug.

Gleichzeitig mit dem Aufbellen des Gewehrschusses wollte auch Lassiter seinen Revolver abfeuern. Aber anstelle der erwarteten Explosion war nur ein Klicken zu hören. Der Munition war das Bad im Fluss nicht gut bekommen. Lassiter duckte sich. Das Geschoss seines Gegner zischte wenige Inches über ihn hinweg.

Lassiter beschloss, alles auf eine Karte zu setzen. Er warf den Remington beiseite. Mit einem wilden Aufschrei rannte er dem heranstürmenden Pferd entgegen. Bevor Kanga-Paso ein weiteres Mal durchladen konnte, hatte Lassiter den Mustang erreicht. Er stieß sich mit beiden Füßen vom Boden ab und schnellte nach vorn, um seinen Gegner vom Pferderücken zu werfen. Doch Kanga-Paso wich dem Angriff geschickt aus. Lassiter gelang es noch, den Griff des Gewehrs zu packen, dann wurde er wieder vom Pferd geschleudert. Ein Hinterhuf des Mustangs traf ihn genau zwischen den Schulterblättern. Lassiter stürzte schwer auf den Pfad und blieb regungslos im Dreck liegen.

Kanga-Paso brachte sein Pferd zum Stehen. Er betrachtete seinen leblosen Gegner mit einem hasserfüllten Blick. »Das wirst du mir büßen, du weiße Ratte«, stieß er hervor, während er den Mustang langsam zurück zu Lassiter dirigierte. »Du wirst keine Gelegenheit mehr haben, mir noch einmal in die Quere zu kommen.«

Er nahm das Messer, das in seinem Gürtel steckte. Mit einer kurzen Handbewegung schleuderte er es seinem wehrlosen Opfer entgegen.

»NEIN!« Eine Gestalt tauchte wie aus dem Nichts neben dem Pfad

auf und warf sich in die Flugbahn des Wurfgeschosses. Ein leises Keuchen drang aus Lana-Wissasas Kehle, als der

Iglatt ihr unterhalb des Brustbeins im Körper steckenblieb. Die junge Frau geriet ins Taumeln. Ihre Beine konnten ihr Gewicht nicht mehr halten, und sie sackte auf die Knie.

»Lana-Wissasa?!« Kanga-Paso starrte sie an, als sei ein Geist vor ihm erschienen. Doch es dauerte nicht lange, bis der erschrockene Ausdruck in seinem Gesicht hämischer Freude Platz machte. »Hast du nun endlich verstanden, dass du gegen mich nie eine Chance hattest? Es war von Anfang klar, wer der Sieger dieses Wettrennens sein würde.« Er sprang vom Rücken

seines Pferdes und kam zu ihr heran. »Jetzt brauche ich Pto-Honka nur noch den Iglatt zu bringen. Schade, dass du meinen Triumph nicht mehr miterleben wirst.« Er bückte sich, um das Messer aus der Brust der jungen Frau zu ziehen.

In diesem Moment zerriss das Knallen eines Schusses die morgendliche Stille. Kanga-Pasos Kehle sprang auseinander, als sei etwas darin explodiert. Ein Röcheln war zu hören, dann brach der Indianer für immer zusammen.

Lassiter kümmerte sich nicht um seinen toten Gegner. Er warf Kanga-Pasos Gewehr beiseite und rannte zu Lana-

Wissasa. Die junge Frau war schwer verletzt, aber noch immer bei Bewusstsein. Sie lächelte schwach, als Lassiter neben ihr in die Knie ging. »Der Wettbewerb...«, flüsterte sie leise. »Er ist noch nicht vorüber. Bring mich zu Pto-Honka...«

»Ist das dein Ernst?«, fragte Lassiter ungläubig. »Du willst wirklich, dass ich dich...«

»Bitte...« Lassiter nickte. Dann schob er die Arme unter die sterbende

Häuptlingstochter und hob sie vorsichtig hoch. Als er sich umwandte, sah er, dass sich mehrere Reiter von der Siedlung der Indianer her näherten. Das Knallen der Schüsse musste sie auf die Vorgänge am Flussufer aufmerksam gemacht haben. Der Schamane ritt an der Spitze des kleinen Trupps.

Lassiter ging ihnen langsam auf dem Pfad entgegen. Pto-Honka hielt seinen Mustang direkt vor ihm an. Lassiter

trug die Häuptlingstochter so dicht neben das Pferd, dass sie dem Schamanen direkt ins Gesicht blicken konnte.

Lana-Wissasa nahm noch einmal ihre gesamte Kraft zusammen. »Pto-Honka, ich bringe dir den Iglatt, so wie du es von mir verlangt hast«, sagte sie mit brechender Stimme. Ihre Finger fuhren über das Messer in ihrer Brust. »Versprich mir, dass du dafür sorgen wirst, dass mein Volk den Vertrag mit den Weißen unterzeichnet.«

»So wird es geschehen«, willigte der Schamane ein.

Erleichtert wandte sich Lana-Wissasa nun Lassiter zu. »Ich danke dir«, flüsterte sie. »Meine Seele muss nun gehen, aber mein Geist wird immer bei dir sein, um über dich zu wachen.«

Lassiter nickte. Die Häuptlingstochter schenkte ihm ein letztes Lächeln,

dann fiel ihr Kopf kraftlos nach hinten. »Ich danke dir auch«, murmelte Lassiter. Vorsichtig legte er

den toten Körper im Gras ab. Lana-Wissasas Augen blickten gebrochen in den Himmel, dorthin, wohin ihre Seele nun aufgestiegen war.

E N D E

LASSITER DER HÄRTESTE MANN SEINER ZEIT

In einer Woche erscheint als Band 1704 ein neuer Lassiter-Western von Jack Slade.

Nie hätte der Viehbaron Brown damit gerechnet, dass ihm die Pinkertons eine junge Agentin schicken würden. Eine Frau soll nach seiner Herde fahnden! Unvorstellbar! Dieses Weib hat zwar ein paar deutliche Vorzüge, doch er bleibt skeptisch. Genauso wie Lassiter, der zufällig auf sie im Longhorn-Saloon aufmerksam wird, als sie die Anwesenden nach dem Viehbaron ausquetscht. Ausgerechnet nach dem Kerl, auf den man Lassiter angesetzt hat. Einer Kooperation steht da doch nichts mehr im Wege. Und wie die beiden zusammenarbeiten! Hola!

Dynamit in dünner Seide Interessiert? Dann holen Sie sich den spritzigen Western!


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