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Jagdbericht Spanien - · PDF fileAbbildung 8: Ochosi, der afrokubanische Schutzpatron der...

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Jagdbericht Spanien © 2014 Christian Heinz, MBA Seite 1 Jagdbericht Spanien oder wie bunt eine Strecke unerwartet ausfallen kann
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Jagdbericht Spanien

© 2014 Christian Heinz, MBA

Seite 1

Jagdbericht Spanien

oder wie bunt eine Strecke unerwartet ausfallen kann

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MONTERO ...................................................................................................................................... 4

ERSTE HÄRTEPROBE .................................................................................................................... 8

MÄHNENSCHAF BEINAHE ZUM ANFASSEN ......................................................................... 11

ENDLICH ERFOLG! ABER WIE? ................................................................................................. 17

SHOW DOWN MIT MACKY MESSER ...................................................................................... 22

ZU STARKER WIND FÜR DIE SAU ........................................................................................... 25

WENN DAS SCHAF NICHT WILL DANN EBEN MIT MEINER FRAU! ................................. 27

AUSGETRICKST, VON SCHAFEN! ............................................................................................. 28

WETTBEWERB IM STINKEN ...................................................................................................... 30

FAKTOR 10 ................................................................................................................................... 33

Abbildung 1: Salva von "Cazar con arco" ........................................................................................................................ 4

Abbildung 2: Max, erfolgreicher Jäger und kompetenter Dealer ......................................................................... 5

Abbildung 3: Der Abstieg in den Canyon ....................................................................................................................... 6

Abbildung 4: Meine Frau Denia, ich und die spanischen Jäger............................................................................ 7

Abbildung 5: Morgendämmerung in der Sierra ........................................................................................................... 8

Abbildung 6: Cristobal, der Mann ohne Schweißdrüsen .......................................................................................... 9

Abbildung 7: Heute kein "Schwein" gehabt ................................................................................................................ 10

Abbildung 8: Ochosi, der afrokubanische Schutzpatron der Jäger und Gefängnisinsassen ................ 11

Abbildung 9: Mähnenschafe, zumindest mit dem Fotoapparat geschossen ............................................... 12

Abbildung 10: Blick von der Sierra in das 40km entfernte Mittelmeer .......................................................... 13

Abbildung 11: Nach dem Abstieg in den Canyon ................................................................................................... 14

Abbildung 12: Vielleicht nicht die von Max erwartete Trophäe mit seinem Bogen, aber ein genialer

Schuss! ........................................................................................................................................................................................... 16

Abbildung 13: Mein Mähnenschaf ................................................................................................................................... 18

Abbildung 14: Cristobal beim Bergen des Arrui ....................................................................................................... 19

Abbildung 15: Erschöpft, erlöst und glücklich! .......................................................................................................... 20

Abbildung 16: Abtransport des zerlegten Tieres ins Tal ....................................................................................... 21

Abbildung 17: Cristobal mit den Hunden .................................................................................................................... 22

Abbildung 18: Wildschwein mit Saufänger .................................................................................................................. 24

Abbildung 19: Das Jagdhaus .............................................................................................................................................. 25

Abbildung 20: Trophäensaal des Jagdhauses ............................................................................................................. 25

Abbildung 21: Jasinto, der stille Indianer ..................................................................................................................... 27

Abbildung 22: Der Hafen von Alicante von der Burg aus gesehen ................................................................. 28

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Jagdbericht Spanien

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Abbildung 23: Blick von unserem Aussichtsberg in den Canyon ..................................................................... 28

Abbildung 24: und nun umgekehrt; Blick vom Canyon auf unseren Aussichtsberg................................ 29

Abbildung 26: Sonnenuntergang im Regen von der Coto Salvas aus gesehen ........................................ 31

Abbildung 25: Selbstfotografie beim Ansitz am Treestand ................................................................................. 32

Abbildung 27: Die atemberaubende Landschaft der Sierra de la madera ................................................... 33

Abbildung 28: Typischer Bewuchs in der Sierra de la madera ........................................................................... 34

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Montero

Ende Jänner 2014; meine Frau Denia und ich waren vor drei Tagen aus Österreich mit dem

Flugzeug in Alicante, Spanien angekommen. Die ersten Tage wurden zur Akklimatisation und zum

gegenseitigen Beschnuppern mit Salva und seiner „banda1“ genutzt. Mit Ihm hatte ich die letzten

Monate per E-Mail einen regen Gedankenaustausch gepflegt und auf diese Art eine Freundschaft

mit ihm aufgebaut. Salvador Ramirez ist in Spanien und darüber hinaus ein bekanntes Gesicht da

er eine eigene Fernsehsendung über die Bogenjagd gestaltet und ebenfalls in den einschlägigen

Fachzeitschriften Artikel veröffentlicht. Er jagt seit vielen Jahren auf allen Kontinenten mit dem

Bogen und bringt es oft auf bis zu 150 Jagdtage mit dem Bogen im Jahr.

Ebenso hatte ich noch etwas

mit meinem „Leihbogen“

trainiert um mehr Sicherheit am

‚Gerät zu bekommen. Ich hatte

im November des Vorjahres

extra den neuesten Bogen aus

dem Hause Hoyt bei meinem

¨Dealer¨ für die Jagd geordert.

Leider hatte dieser

offensichtlich einen

Produktionsfehler und wir

mussten ihn nach einem

missglückten Einschießen

wieder einschicken. Nachdem

keine Zeit mehr war um auf einen neuen Bogen zu warten war mein Händler Max Fuchs so

selbstlos mir seinen eigenen Jagdbogen für die Jagdreise auszuleihen! Im Scherz habe ich ihm

gesagt dass er ja nur seinen Bogen auf meinen Trophäenfotos sehen wolle. Wahrscheinlich gibt es

nicht viele Händler, die einen solchen Service anbieten. Der Bogen, den ich nun in Händen hielt,

ist ein Elite Hunter den Max extra für mich auf 74 Pfund runter drehte und mit anderen Cams für

meinen kürzeren Auszug versah. Ich hatte das mattschwarze Stück noch in Österreich auf 50m mit

meinen schweren 500gr Pfeilen eingeschossen aber das Verhalten des Bogens ist ein anderes als

ich es von meinen bisherigen Hoyts gewohnt war.

Salva hatte mir den Tipp gegeben statt der feststehenden Klingen Mechanics2 und einen leichten

Schaft für diese Jagd zu verwenden. Mähnenschafe, das erklärte Ziel meiner Jagdreise, sind nicht

1 Spanisch: Bande, Gang, Horde 2 Jagdspitzen bei denen die Klingen während des Flugs einem Teil der Spitze verborgen sind und beim Auftreffen auf ein

Ziel mechanisch geöffnet werden

Abbildung 1: Salva von "Cazar con arco"

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sehr schusshart, es ist aber meist nicht möglich näher als 40m an sie heranzukommen. Ich hatte

mich dann für die 125gr Spitzen von Rage entschieden, bin aber bei meinen schweren Easton Axis

N`fused Schäften geblieben.

An diesem Tag sollte ich an einer Art Riegeljagd mit Hunden auf ¨las jabalis¨, die Wildschweine,

teilnehmen. In der Region wird diese Art zu jagen als „montero“ bezeichnet. Das Wort hat

mehrere Bedeutungen. Mit „montero“ bezeichnet der Spanier sowohl gemeinhin einen Jäger wie

auch die oben beschriebene Jagdart. Das Wort stammt von „el monte“ ab, das sowohl eine

Anhöhe, einen Berg oder auch ein dicht bewaldetes Gelände bezeichnet. In spanischsprachigen

Ländern wird auch das geländegängige Fahrzeugmodel Pajero von Mitsubishi unter Montero

geführt. Grund ist die umgangssprachliche Bedeutung von Pajero das zwar korrekt übersetzt „der

Strohmacher“ heißt, im Volke aber einen sich selbst sexuell Befriedigenden bezeichnet. Wer will

schon einen Wagen fahren auf dem „Wichser“ steht?

Da wir ¨aufgestellt¨ werden sollten war

es eine gute Gelegenheit für meine

Frau auch einmal an einer Jagd

teilzunehmen. Bei dieser Art der Jagd

werden die Jäger üblicherweise rund

um den Einstand der zu bejagenden

Tiere postiert. Mit speziell dafür

ausgebildeten Hunden und deren

Führern, die langsam vorgehen,

werden die Tiere dann in Richtung der

Jäger ¨gedrückt¨. Durch das langsame

Vorgehen fliehen die Tiere nicht in

Panik sondern weichen langsam von

den Treibern und Hunden weg. So ist

es einfacher diese zu erlegen. Wird aber ein Wildschwein von den Hunden lokalisiert so hetzen

diese den Schwarzkittel.

Salva holte Denia und mich um Neun von unserem kleinen Hotel direkt an der Plaza Mayor ab.

Wir fuhren etwa 10 km Richtung Benilloba, einer kleinen Ansiedlung in der ¨ Sierra¨. Bei

strahlendem Sonnenschein und Temperaturen um die 18°C waren schon etwa 20 Jäger

verschiedenen Alters, in lebhafte Gespräche verwickelt, in einem kleinen Gasthaus auf einem

Hügel versammelt. Salva stellte mich und meine Frau vor. Da ich der einzige Bogenjäger in der

Runde der Gewehrschützen war, wurde mir ein Platz ¨unten¨ zugeteilt. Noch verstand ich nicht

was es damit auf sich hatte und widmete mich dem ausgiebigen Frühstück, das nun gemeinsam

eingenommen wurde. Egal bei welcher Mahlzeit, die immer in mehreren Gängen serviert wird, es

fehlen niemals Mandeln, Erdnüsse, Oliven sowie Weißbrot welches mit Olivenöl getränkt wird.

Abbildung 2: Max, erfolgreicher Jäger und kompetenter Dealer

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Nach dieser Stärkung fuhren wir noch

etwa einen Kilometer bis zum

Jagdgebiet. Die Jäger und Treiber

hatten sich schon in Gruppen

aufgeteilt. Salva führte unsere Gruppe

von 6 Mann, meine Frau hatte sich im

letzten Moment entschlossen lieber

beim Wagen zu warten, zu den

Aufstellungspositionen. Spätestens

jetzt wäre in unseren Gefilden eine

Sicherheitsbelehrung mit Überprüfung

der gültigen Jagdkarten fällig gewesen,

da sich alle gut kannten und die

Sache eher locker nahmen, kümmerte

sich niemand darum. Jetzt dämmerte mir langsam was vorher mit ¨unten¨ gemeint war. Die Jagd

ging entlang eines tiefen Grabens, eher eines Canyons mit guten 70m Tiefe, alle Gewehrjäger

legten sich gemütlich an den Rand des teilweise senkrecht abfallenden Randes und ich durfte am

Ende der Kette als Einziger in den Graben hinunterklettern. Im unteren Bereich war der nicht mehr

als 20m breite Graben bewaldet und mit dichtem Unterholz versehen. Ein kleines Rinnsal grub

sich seinen Weg durch diesen. Ich rutschte an einem Wildsteig entlang in den kühlen Graben und

fand mich unversehens gefangen in den dichten Dornenbüschen, die dort wucherten. Nur mit

äußerster Mühe schaffte ich es mich auf meinen Platz hinunter zu kämpfen. An dieser Stelle teilte

sich der Graben und ich kletterte in dessen Mitte auf den Fuß des Mittelkeils, der die Gabelung

einleitete. Mit dem Messer schlug ich links und rechts jeweils einen Schusskanal frei und plättete

den Hang etwas an meinem Stand. Schweißtriefend war ich nach etwa 10 Minuten damit fertig

und begann mir die Entfernungen mit dem Rangefinder3 auszumessen. Ich hatte in den beiden

Schusskanälen nach links und rechts jeweils zwischen 15 und 18m effektive Schussdistanz. Nach

vorne konnte ich etwa 35m sehen aber nicht schießen da das Unterholz sehr dicht war. Im

Zeitraum von etwa 45 Minuten geschah nichts bis ich die ersten Schüsse vor mir hörte. Ich war in

Alarmbereitschaft, hatte den Bogen in der Hand und den Pfeil bereits aufgelegt. Angespannt

spähte ich in das Dickicht vor mir und versuchte mit allen Sinnen die Schweine so früh wie

möglich wahrzunehmen. Sollten diese auf ihrer Flucht an meinem Stand vorbeikommen so würde

ich nur wenige Sekunden Zeit haben den Bogen aufzuziehen und zu zielen. Für den Schuss selbst

hatte ich aber nur einen Bruchteil von Sekunden da das Schussfenster nicht mehr als einen bis

zwei Meter breit war. Ich war freudig erregt und versuchte mit ¨ Röntgenaugen¨ das Unterholz zu

3 Entfernungsmesser der mithilfe eines Laserstrahls die Distanz zum angewählten Ziel im Bruchteil von Sekunden ermittelt

Abbildung 3: Der Abstieg in den Canyon

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durchdringen. Aus dem Augenwinkel nahm ich plötzlich eine Bewegung war. 18m vor mir, genau

im linken Schusskanal, kam ein Fuchs aus seinem Bau, den ich vorher nicht als solchen

wahrgenommen hatte und schnürte aus meinem Blickfeld. Es war zu kurz um auf ihn anzulegen.

Nun hörte ich auch schräg hinter mir Schüsse. Es

kam aber kein weiteres Tier an meinem Stand vorbei.

Als die Jagd abgebrochen wurde, ohne Hornsignal

sondern per Handy, mühte ich mich wieder durch die

Dornenhecken den steilen Hang hinauf. Die Jäger mit

der Büchse vor mir hatten mehr Glück und drei

Überläufer 4 sowie eine Bache, keine 100m von

meinem Stand entfernt, erlegt. Ich legte also meine

Ausrüstung ab und rutschte den Steilhang wieder

hinunter. Die rote Arbeit 5 fiel mir zu da die

glücklichen Schützen jagdliche Novizen waren. Einen

Jagdkurs kennt man hier nicht und ich habe auch

noch nicht herausgefunden ob es eine Jagdprüfung

gibt, ich bezweifle das aber. Wie ich später erfahren

sollte ist die Jagd für Alle da, die Interesse daran

haben. Die Einwohner der Gemeinden können für

sehr günstiges Geld ganzjährig an Jagden teilnehmen. Es war echte Knochenarbeit die vier Tiere

nach oben zu zerren und das gelang auch nur mit vereinten Kräften und Seilen. Durch meine

selbstlose Hilfe hatte ich mir den Respekt und die Freundschaft der Gruppe erarbeitet, was für

mich mindestens ebenso wichtig wie ein Jagderfolg ist. Dass ich als einziger Bogenjäger inmitten

der Büchsenjäger stand und mit Ihnen gemeinsam jagte wurde als völlig normal angesehen. Das

einmal in Österreich zu erleben wäre mein Traum!

Nach der Jagd ist es aber in Spanien genauso wie bei uns. Na ja, fast genau so. Schützenbrüche,

Inbesitznahmebrüche oder Abblasen und Streckenlegen gibt es hier nicht. Die Schweine, neun an

der Zahl, wurden vor dem Basketballplatz aufgelegt damit die Gasthausbelegschaft einen Blick

darauf werfen konnten. Das war´s! Den Schüsseltrieb 6 gibt es aber schon, das scheint

internationaler Brauch zu sein. Sehr entspannt und formlos wurde in der hiesigen Manier, mit

4 Schwarzwild (Wildschwein) im zweiten Lebensjahr 5 Mit der „roten Arbeit“ wird das Aufbrechen, Aufschneiden, des erlegten Stückes und die Entfernung der inneren Organe

sowie des Verdauungstraktes bezeichnet. In Spanien wird diese Arbeit „destripar“ genannt. 6 Laut Lehrprinz, dem Ausbildungsbehelf der Jungjäger in Österreich, versteht man unter Schüsseltrieb „das gesellige

Beisammensein nach beendeter erlebnisreicher Gesellschaftsjagd. Wird dem Jagdherrn oder den Schützen ein

Weidmannsheil entboten, geschieht das Zutrinken mit dem Glas in der linken Hand“. In Spanien konzentriert man sich

eher auf das Trinken, egal mit welcher Hand! Meinen Schilderungen der althergebrachten Traditionen der österreichischen

Jäger inklusive der eigens dafür entwickelten und in der normalen Bevölkerung kaum verständlichen Sprache lauschen

meine Jagdkollegen ungläubig mit teilweise offenen Mündern.

Abbildung 4: Meine Frau Denia, ich und die

spanischen Jäger

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verschiedenen Gängen, drauf los gegessen und getrunken. Eine sehr fröhliche und herzliche

Gesellschaft, in die ich ohne eine Frage oder finanzielles Interesse selbstlos aufgenommen worden

war. Spanien befindet sich zwar in einer schweren, wirtschaftlichen Krise die besonders diesem

Landstrich arg zugesetzt hat. Der Gastfreundlichkeit und Herzlichkeit dieser Menschen hat das

aber in keinster Weise einen Abbruch getan.

Erste Härteprobe

Dieser Tag sollte der bisher härteste für mich werden. Ich konnte vor Aufregung und Vorfreude

nicht schlafen. Gegen drei Uhr war ich bereits wach und vertrieb mir die Zeit mit einem Buch von

Howard Hill. Wenn alles stimmt was er so in seinem Buch ¨Hunting the hard way¨ 7schreibt dann

hat er wohl den echten Bogenjägertraum gelebt und ist ein wahrer Ausnahmekönner gewesen.

Mit seinem 110 Pfund starken Langbogen hat er Jaguare, Krokodile, Bisons, Bären und andere

Tiere der hohen Jagd auf unglaubliche Entfernungen erlegt. Als ihm das alles zu langweilig wurde

nahm er sich Schwertfische auf hoher

See von der Yacht seines Freundes

Errol Flynn und Haifische unter Wasser

vor Florida mit dem Langbogen vor.

Mit der geschichtlichen Recherche zu

seinem Buch hat er es zumindest nicht

so genau genommen da er

beispielsweise Kaiser Maximilian von

Österreich zu einem Deutschen

gemacht hat. Ich möchte an dieser

Stelle keinesfalls eine Legende

demontieren, die Zeiten damals waren

aber andere und so manches von Mr.

Hill Geschriebene würde heute die

Vertreter von Greenpeace und Vier Pfoten wutentbrannt aufheulen lassen. Sicherlich hatte man

damals auch noch ein anderes Selbstverständnis. Zumindest sind die erzählten Geschichten sehr

spannend und es gibt dabei viel über Eigenheiten der Tiere sowie Jagdtricks zu lernen.

Nachdem es endlich kurz vor sieben Uhr war schwang ich mich in den Leihwagen und kurvte in

die Ponderosa,8 ein Lokal kurz vor Benilloba. Dort traf ich mich mit Cristobal, dem Veranstalter der

Riegeljagd vom Vortag. Wir luden meine Ausrüstung in seinen Geländewagen und fuhren in die

7 Hunting the hard way, 1953, by Howard Hill, erschienen bei Derrydale Press in englischer Sprache 8 Die Ponderosa ist eine Gelbkiefer (Pinus Ponderosa). Bekannt ist der Name aber eher aus der Westernserie Bonanza, in

der die Ranch der Hauptakteure diesen Namen trug

Abbildung 5: Morgendämmerung in der Sierra

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Dunkelheit der Sierra9, die Bergwüste. Die Berge in dieser Zone erreichen mehr als 1000m, sind

aber nur 20 bis 40km von der Küste entfernt. Beim ersten Büchsenlicht, gegen acht Uhr,

begannen wir mit unserer Pirsch die, nur von einer kurzen Jause unterbrochen, bis drei Uhr

nachmittags dauern sollte. Dabei haben wir geschätzte 700 bis 800 Höhenmeter hinter uns

gebracht und das alles völlig abseits von Wegen. Der Untergrund ist mit stacheligen Büschen, die

bis zu den Knien reichen bewachsen und lose herumliegende Steinblöcke und scharfkantige

Klippen erschweren das Vorankommen immens. Es gibt kaum Baumbewuchs und der Sturm fegte

den ganzen Tag mit ohrenbetäubendem Gebrüll über die schutzlosen Kuppen hinweg. Trotz der

maximal 15 Grad Temperatur war es durch den Wind schneidend kalt. Wo wir dem Sturm

schutzlos ausgeliefert waren musste ich mich festhalten um nicht von den Beinen geweht zu

werden. Da wir oft an mehrere hundert Meter steil abfallenden Klippen entlangmarschierten und

das ganze Gelände mit spitzen Felsen übersäht war, hätte das ziemlich böse enden können. Wir

durchstiegen atemberaubenden Schluchten, querten steil abfallende Hänge und erkletterten

Schultern und Bergkuppen. Es gab eine wirklich spektakuläre Sicht in die umliegenden Täler und

sogar das Meer war zu sehen. Eine unwirtliche aber sehr beeindruckende Landschaft.

Mein Jagdführer Cristobal ist

kleinwüchsig und überragt gerade mal

ein sitzendes Pony. Ich schätze seine

Köpergröße auf 150 cm und ich gehe

jede Wette ein dass er nicht mehr als

50kg wiegt! Er ist starker Raucher und

einer guten Flasche Whiskey niemals

abgeneigt. Dieser Mann ist aber eine

Laufmaschine! Nicht ein Gramm Fett ist

an ihm zu finden. Ich musste mich oft

mit beiden Händen abstützen und

stolperte wie ein Betrunkener durch

die Steinwüste, mehrfach bin ich

hingefallen. Er hat alle Steigungen und

Felsblöcke, ohne eine Tropfen Schweiß zu vergießen, mit beiden Händen in der Jackentasche,

spielerisch absolviert. Seine Hände hat er nur ausgepackt um mit dem Fernglas nach Wildtieren in

den Hängen zu suchen oder sich eine kubanische Popular anzuzünden. Während ich keuchend

hinter ihm her stolperte und dabei mehrere Liter Schweiß vergoss tänzelte die Miniaturausgabe

eines spanischen Machos behänd leichtfüßig von Stein zu Stein. Ich bin ja beinahe überzeugt dass

er sich die Schweißdrüsen operativ entfernen hat lassen da niemals der Schimmer eines Tropfens

9 Mit Sierra wird sowohl eine Bergkette wie auch eine Säge bezeichnet. Wahrscheinlich hat die Bergkette ihren Namen

wegen dem einem umgedrehten Sägeband ähnlichem Aussehen.

Abbildung 6: Cristobal, der Mann ohne Schweißdrüsen

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dieser salzigen Körperflüssigkeit auf seinem Antlitz zu entdecken war während ich förmlich

ausgeronnen bin. Cristobal ist aber ein angenehmer und freundlicher Vertreter der menschlichen

Rasse. Der in Malaga Geborene lebt für die Jagd, was aber in seinem Fall heißt das er gerne das

Wild mit seinen geliebten Hunden oder eben, so wie in meinem Fall, auf der Pirsch aufstöbert und

überlistet. Das Schießen überlässt er gerne den Anderen. Hilfsbereitschaft, Ehrlichkeit und

Verlässlichkeit sind ebenfalls Eigenschaften, die ich diesem drahtigen Mann zuschreiben kann.

So waren wir nun den ganzen Tag über unterwegs. Manchmal gingen wir, nachdem wir das

Umfeld abgesucht hatten, wieder zurück zum Wagen um an einen anderen Spot zu fahren. Dort

angekommen stiegen wir sofort aus und es ging abermals zu Fuß weiter.

Gegen 10 Uhr machten wir auf einem Berghang, etwa 50m voraus, ein Wildschwein aus. Gerade

mal die Teller, der Name für die Ohren in der traditionellen Jägersprache Österreichs, und ein Teil

des Hauptes ragte aus dem, den ganzen Hang bedeckenden, Buschwerk heraus. Ich machte mich

sofort fertig, duckte mich und begann mich in Richtung des Überläufers anzuschleichen. Aus dem

Augenwinkel sah ich einen weiteren, größeren Schädel aus den Büschen auftauchen. Nur einen

Moment lang beäugte mich das Tier und tauchte dann ab. Im wilden ¨Schweinsgalopp¨ flüchtete

die Rotte den Hang hinunter und wir konnten die Tiere beobachten wie sie den Gegenhang

hinaufhasteten. Mit dem Gewehr wäre das ein ¨Fressen¨ gewesen, mit Pfeil und Bogen aber ein

völlig unmögliches Unterfangen.

Außer einem neugierigen Fuchs mit wunderschönem, langem, dunklem Pelz, der uns beim

Aufstieg aus der Schlucht von seinem Aussichtsfelsen aus neugierig taxierte, sollten wir an diesem

Tag kein anderes Säugetier mehr in den Anblick bekommen.

Gegen Nachmittag wurde der Wind so

stark, das ich die Schutzhülle mit

Tragegurt vom Bogen entfernen

musste. Der Wind trieb mich mit

diesem Minisegel so durch die Gegend

das ich mich nur schwer auf den Beinen

halten konnte. Wenn ich nun schießen

wollte so hätte ich mich auf mindestens

15m an meine Beute heranarbeiten

müssen. Der Wind hätte einerseits den

Bogen so stark bewegt das ich nur mit

Glück im richtigen Moment auf meinen

mechanischen Auslöser am Release

drücken hätte können während die

Visiervorrichtung durch das Ziel gesegelt wäre, anderseits hätte der Wind den abgeschossenen

Abbildung 7: Heute kein "Schwein" gehabt

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Pfeil ebenfalls aus der gewünschten Flugbahn getragen. So entschlossen wir uns ins Tal zu fahren

und nach einem stärkenden Mittagessen, dem ¨almuerzo¨ auf die Kaninchenjagd zu gehen.

Direkt am Fuß einer Straße, in der sich die Kaninchen

ihren Bau gegraben hatten, bezog ich nach der

kulinarischen Pause meine Stellung. Bewaffnet war ich

mit den Übungsspitzen meiner mechanischen

Jagdspitzen von Rage da eine Jagdspitze ohne

Widerstand durch das Kaninchen rauschen würde um

dahinter in mehre Stücke zu zerschellen. An diesem

Tag meinte es aber Ochosi10 nicht so gut mit mir. Die

äußerst wachsamen Kaninchen konnte ich beobachten,

aber nur auf dem gegenüberliegenden Teil des Feldes,

mit 65m deutlich außer Reichweite. Selbst wenn ich auf

diese Entfernung einen Glückstreffer auf den Kopf einer

der kleinen Kreaturen platziert hätte, wäre es äußerst

wahrscheinlich dass der Nager doch noch in den Bau

eingefahren wäre, vor dessen Eingang sie sich sonnten.

Nach etwa zwei Stunden Ansitz ließ ich es nun auf sich

beruhen und hoffte auf mehr Jagdglück am nächsten

Tag.

Am Abend hatte ich dann noch meine Frau, die sich

den Tag mit lesen, fernsehen und spazieren gehen vertrieben hatte, zu einem üppigen

Abendessen eingeladen. Für mehr war ich dann aber nicht mehr zu gebrauchen und sank, sobald

ich im Hotelzimmer angekommen war, in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

Mähnenschaf beinahe zum anfassen

Härter geht´s nicht? Doch, es geht härter! Wie immer war ich auch an diesem Tag lange vor der

offiziellen ¨Tagwache¨ aufgewacht. Bereits um halbsechs morgens saß ich in meiner Jagdmontur

in der Bar, hatte meine obligatorischen zwei Kaffee und ein getoastetes Weißbrot mit Olivenöl zu

mir genommen. Um sieben wieder präsent in der Ponderosa, in der sich die wahrscheinlich

längste Theke der Welt befindet. Das Monstrum erstreckt sich über mindestens 25m, was auf die

Trinkgewohnheiten der Besucher schließen lässt. Bereits frühmorgens findet sich die

„Stammbelegschaft“ ein um verschiedenste, bis oben hin gefüllte Gläser undefinierbarer

10 Ochosi, Gott der Jagd in der afroamerikanischen Religion der Yoruba. Besondere Verehrung auf Kuba. Schutzpatron der

Jäger und Gefängnisinsassen, jagt mit Pfeil und Bogen.

Abbildung 8: Ochosi, der afrokubanische

Schutzpatron der Jäger und Gefängnisinsassen

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Flüssigkeiten in sich hinein zu schütten. Dabei wird das aktuelle Tagesgeschehen kommentiert und

heimlich eine Zigarette geraucht. Das Rauchen ist in allen Lokalen Spaniens verboten. Cristobal

kam zur gleichen Zeit wie ich in der Bar an und nach einem kurzen Kaffee waren wir schon auf

der Piste. Diesmal fuhren wir in ein anderes Jagdgebiet. Cristobal ist der Obmann des hiesigen

Jagdvereins und verfügt über einen ¨Coto de caza¨, ein gepachtetes Jagdgebiet von

unglaublichen 6000ha! Dabei handelst es sich um ein eher kleineres Gebiet für spanische

Verhältnisse. Nachdem auf den Höhen immer noch ein äußerst starker Wind wehte versuchten wir

nun in den bodennahen Schluchten,

den „barrancos“ die Mähnenschafe zu

entdecken. Wir bewegten uns auf

einem Höhenrücken in ca. 500m

Seehöhe voran als wir am

gegenüberliegenden Hang des tief in

den Kalkboden eingegrabenen

Flussbettes einen kapitalen Vertreter

der Gattung Mähnenspringer, auch

Mähnenschaf oder Berberschaf

genannt, entdeckten. Diese Tiere, die

genetisch zwischen Ziegen und

Schafen stehen und ursprünglich aus

den Bergen des nördlichen Afrikas

stammen, sind mit sehr

leistungsfähigen Sinnen ausgestattet.

Natürlich hatte dieser alte Bock uns schon gesehen! Wir beschlossen ihn weiter zu beobachten

und dann später, sobald er aus seinem Stand abziehen würde, zu umgehen. Nachdem sich das

kapitale, männliche Tier erhoben hatte versuchten wir es schnellen Schritt über links zu umfassen

und in das Flussbett hinunter zu kommen. Dabei schreckten wir eine weitere Herde von vier Stück

Arrui, so wird das Mähnenschaf in Spanien genannt, auf. Geführt von einem kapitalen, männlichen

Stück folgten noch zwei weitere, gute männliche Stücke und ein etwas kleineres Männchen. Sie

entkamen in wenigen Sätzen und spurteten den Gegenhang in einer unglaublichen

Geschwindigkeit empor. Oben angekommen sicherten sie kurz und zogen weiter den Berg hinan.

Als auch sie unserem Blickfeld entschwunden waren machten wir uns auf den Weg den

Bergrücken hinauf in die Richtung, in der wir die Gruppe vermuteten. Auch dieser Berg war mit

losen Steinbrocken und kniehohen Büschen übersäht. Cristobal hatte die Führung und rannte den

Hang förmlich hinan. Es fiel mir schwer ihm zu folgen. Als wir etwa 300 Höhenmeter gewonnen

hatten sicherten wir auf den gegenüberliegenden Hang. „Wir“ entspricht dabei nicht der ganzen

Wahrheit. Cristobal sicherte und ich keuchte immer noch, vollkommen außer Atem und

schwankend nach oben. Bei ihm angekommen plumpste ich wie ein nasser Sack, glücklich noch

am Leben zu sein, einfach hin. Cristobal hatte schon einen Arrui entdeckt, der sich direkt neben

Abbildung 9: Mähnenschafe, zumindest mit dem Fotoapparat

geschossen

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einer Felsenstufe auf einem parallel laufenden Bergrücken niedergetan hatte. Wir schmiedeten

einen Angriffsplan und schlichen gebückt aus dem Blickfeld des Schafes11 den Hang hinunter. Der

andere Bergrücken war durch einen tiefen Graben von unserem getrennt. Geschätzte 150

Höhenmeter bergab und am Gegenhang nochmals 200 Höhenmeter Direttissima nach oben

Richtung Felsstufe, hinter der sich der bärtige Hauptdarsteller meiner jagdlichen Phantasien

verbarg. Ich konnte Cristobal nicht mehr in diesem Tempo folgen und wir legten eine kurze Pause

etwa 50m Luftlinie vor der Felsstufe ein. Als ich meinen Atem wieder halbwegs unter Kontrolle

gebracht hatte schlichen wir im schnellen Schritt direkt auf die Felsstufe zu. Im Zeitlupentempo

erklommen wir beide die sieben Meter nach oben und schoben den Kopf zentimeterweise

Richtung Felskante. Fünf Meter vor unseren ungläubigen Gesichtern, zum Greifen nah, lag da

nicht nur ein zotteliges Arrui sondern

die zuvor gesehenen vier! Ich ging

sofort wieder in die Knie, versuchte

meinen Atem zu beruhigen, die

Gedanken zu ordnen und spannte

den Bogen mit dem eingenockten

Pfeil. Auf dem schmalen Sims, auf

dem ich balancierte, war das gar

nicht so einfach. Der orkanartige

Wind versuchte mich aus dem Stand

zu blasen, der Bogen wackelte durch

die Windstöße in meiner Hand und

mein Atem ging, vor Aufregung und

Anstrengung beschleunigt, nur

keuchend. Der mich aufgeregt in die Seiten stoßende und zum Schuss aufmunternde Cristobal

senkte meinen Stresslevel auch nicht unbedingt. Ganz langsam, den gespannten Bogen in der

Hand, schob ich mich in Zeitlupe nach oben, darauf gefasst sofort zu schießen. Ich blickte mit bis

zum Halse klopfenden Herzen über die Felskante. Die Mähnenschafe waren nicht mehr da! Aus

dem Augenwinkel sah ich sie in hoher Flucht auf der anderen Seite der Felsstufe nach schräg

unten dem Gipfel zueilen, von dessen Rücken wir gerade gekommen waren. Sie hatten bereits

etwa 40m gewonnen und ich wollte keinen Schuss mit dem Bogen auf die flüchtenden Tiere

abgeben. Verdammt!!! Die Arrui waren zum Greifen nahe und ich habe es nicht ¨gebacken¨

bekommen! Nach so einer Aktion denke ich immer alle Varianten durch. Was wäre gewesen

wenn? Wären wir nur drei Meter höher über die Felsstufe gegangen; ich hätte die Flucht sofort

bemerkt und einen Pfeil auf die abgehenden Tier, auf maximal 10 bis 15m setzen können! Hätte

11 Ich bleibe bei der Bezeichnung Schaf trotz der vorher kundgetanen wissenschaftlichen Erkenntnis dass es weder das eine

noch das andere ist weil mir Scha-ge oder Zie-af nicht über die Lippen kommen will. Seit ich erfahren habe dass der

Moschusochse zur Familie der Ziegen (caprinae) gehört bin ich generell sehr vorsichtig mit der Vergabe von Namen!

Abbildung 10: Blick von der Sierra in das 40km entfernte Mittelmeer

Page 14: Jagdbericht Spanien -  · PDF fileAbbildung 8: Ochosi, der afrokubanische Schutzpatron der Jäger und Gefängnisinsassen ..... 11 Abbildung 9: Mähnenschafe, zumindest mit

Jagdbericht Spanien

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ich doch den Bogen nicht vorher gespannt sondern wäre gleich aufgestanden, das Selbe wäre der

Fall. Vielleicht haben die wachsamen Tiere uns doch gesehen oder „la polea“, die obere

Spannrolle meines Compoundbogens beim aufziehen wahrgenommen? Aber es war nun mal so

und nicht mehr zu ändern!

Wir begannen die Tiere zu verfolgen sobald sie, an einer Felsnadel vorbei auf ein Hochplateau

außer Sichtweite kamen. Auf dieser völlig ungeschützten Fläche wehte der Sturm noch

unbarmherziger und es kostete mich wirklich einiges an Kraft um nicht von den Beinen geweht zu

werden12. Die kleine Herde würde hier wegen der unwirtlichen Bedingungen sicher nicht zu finden

sein und wir machten uns daran die darunter liegenden Hänge zu durchsuchen. Da hatten wir sie

wieder! Auf 80m waren zwei Tiere der Gruppe in einer brusthoch bewachsenen Senke, mit dem

Ziemer zu uns gerichtet, erkennbar. Mit dem Bogen unter diesen Bedingungen keine sicher

schießbare Distanz, noch dazu bei diesen Windverhältnissen. Ein Anschleichen war auch nicht

möglich da sie am Hang unter uns standen und es zur Annäherung absolut keine Deckung gab.

Wir robbten also wieder zurück über die Kuppe und umfassten über rechts. Als wir sie wieder in

den Anblick kamen hatten sie sich am Gegenhang, auf 154m versammelt, das Leittier hatte sich

niedergetan. Die Vier sicherten in alle Richtungen. Wie ein Trupp der Spezialkräfte hatte jedes der

Tiere seinen Verantwortungsbereich

und blickte aufmerksam in die

zugewiesene Zone. Keine Chance

auch nur eine Bewegung zu machen.

Hätten wir nun ein Gewehr gehabt so

wäre das ein relativ leichtes Spiel, mit

dem Bogen aber überhaupt nicht zu

machen. Zumindest mit dem

Fotoapparat habe ich sie

„geschossen“, was mir zu diesem

Zeitpunkt aber nur eine äußerst

schwache Ersatzbefriedigung war! Als

wir uns wieder rückwärts robbend aus

dem Blickfeld herausbewegten, was

bei dem steinigen Untergrund und den stacheligen Büschen wahrlich kein Vergnügen ist, hatten

sie uns abermals wahrgenommen und trabten über den nächsten Bergrücken aus unserem

Sichtfeld. Nicht locker lassen! Wir verfolgten sie aber nun wäre es nur mehr ein äußerst glücklicher

Zufall, die kleine Gruppe zu erwischen da sie nun definitiv wussten das wir ihnen auf den Fersen

waren. Wir durchsuchten die tief zerfurchten Schluchten auf der anderen Seite des Hanges aber

12 Dazu muss gesagt werden dass ich nicht sehr zart gebaut bin. Momentan bringe ich 85kg bei einer Körpergröße von

173cm auf die Wage. Ich arbeite seit Jahren erfolglos daran meinen Schwerpunkt eher nach oben, in den Brustbereich zu

verlagern, die gute Küche meiner Frau und fehlende Bewegung unter der Woche verhindern das aber.

Abbildung 11: Nach dem Abstieg in den Canyon

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Jagdbericht Spanien

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scheinbar hatten sie sich nach der Kuppe wieder nach rechts gewendet und waren dort, ich

vermute hämisch grinsend und Witze über die dummen, menschlichen Jäger machend,

verschwunden.

Wir entschieden uns zum Abstieg in den Canyon, was eine wirkliche Herausforderung war. Die

Hänge waren mit latschenähnlichen Büschen bewachsen und mit riesigen Felsnadeln und losen

Brocken durchsetzt. Über den ganzen Abstieg musste ich immer wieder dem schmalen Windhund

Cristobal den Bogen nach unten reichen um beide Hände zum Klettern nutzen zu können. Ich bin

nicht sicher ob ich mehr Angst hatte über die Klippen abzustürzen oder den heiligen Bogen von

Max bei einem Fall zu beschädigen. Am Grund des Canyons angelangt erwartete uns eine

archaische Landschaft. Das Flussbett bestand aus massivem Kalkstein der von den Wassermassen

über Jahrtausende hinweg in bizarren Formen ausgewaschen worden war. Überall waren

„Badewannen“ zu finden in denen das kostbare Nass ohne Abflussmöglichkeit stand. Riesige

Findlinge versperrten uns den Weg, wir mussten darüber hinwegklettern. Links und rechts des

stückweise nur einen Meter breiten Canyons erhoben sich senkrechte Felswände in schwindelnde

Höhen. Dort wo der Canyon breit genug war brannte die Sonne nun unerbittlich auf uns nieder,

bei mir machte sich nun Durst bemerkbar. Der in den Höhen so schneidende Wind war hier unten

überhaupt nicht zu spüren. Um schneller voranzukommen hatten wir auf jegliches Gepäck

verzichtet, somit auch auf eine Wasserflasche. So genehmigte ich mir ein paar Schlucke,

schöpfend13 wie ein Tier auf allen Vieren kauernd, aus einer der Badewannen. Nach einer weiteren

halben Stunde wieder oben beim Auto angekommen machten wir eine Mittagspause mit

selbstgemachter Wildschweinwurst, Speck und Brot. Welche Wohltat! Erst jetzt fiel mir auf das es

bereits drei Uhr nachmittags war!

Nach der Jause, an er auch der gerade dazu gestoßene Salva und Jasinto teilnahm, fuhren wir mit

dem Wagen eine Bergstraße nach oben. Eine Herde von vier Muffeln14 kam uns in den Anblick.

Wir verfolgten sie etwa 20 Minuten im dichten Kiefernwald, konnten ihnen aber auf keine

schießbare Distanz mit dem Bogen näher kommen. Nach einer weiteren Runde über ein paar

umliegende Berggipfel im Wagen kehrten wir nach Benilloba zurück. Ich wollte nun doch ein

wenig Jagdglück genießen und machte mich daran Kaninchen, die in diesem Landstrich eine echte

Plage sind, zu jagen. Erst legte ich mich in einem Olivengarten auf die Lauer, keiner der braunen

Nager wollte sich zeigen obwohl wir vorher, aus dem Wagen heraus, einigen Individuen in diesem

Garten lokalisiert hatten. Ebenfalls waren die Hänge der in Stufen angelegten Gärten voller Baue.

Nach einer Stunde zeigte sich endlich ein Exemplar auf exakt 45,0m Entfernung. Normalerweise

würde ich auf diese Entfernung niemals auf so ein kleines Ziel schießen. Nun war ich aber wirklich

hungrig nach einem, wenn auch noch so kleinen Jagderfolg und mein vorletzter Pin stand genau

auf diese Distanz. So griff ich also, immer noch etwas zweifelnd, nach meinem Bogen. Diese

13 Jägersprache: trinken

14 Mufflon

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Bewegung hatte der kleine Hoppler aber wahrscheinlich gesehen und verschwand aus meinem

Blickfeld. Nach etwa zwei Minuten kehrte er aber wieder an den soeben erst verlassenen Platz

zurück. Nachdem ich weder Blunts15 und auch keine Spinnen16 auf meinen Pfeilen montiert hatte,

musste ich also auf den Kopf des Tieres zielen. Auf 45m den Kopf eines Kaninchens zu treffen ist

ein äußerst ambitionierter Plan der mir, mit einigem Glück, auch gelang. Der Hoppler überschlug

sich und verschwand im hohen Gras. Der Pfeil traf in einer Staubwolke hinter dem Nager auf dem

Boden auf. Ich legte schnell den Bogen zur Seite und rannte mit Höchstgeschwindigkeit an den

Platz des Überfalls. Das Kaninchen hatte eine Wunde am Kopf, ein Auge war blutunterlaufen und

der Nager drehte sich im Kreis. Ich

versuchte das orientierungslose Tier

zu greifen, dieser hüpfte aber mit

weiten Sätzen, hackenschlagende, aus

meiner Reichweite. Mit einem

Hechtsprung versuchte ich nun des

Flüchtigen habhaft zu werden, riss ihm

aber nur ein paar Haare aus dem

Rücken. Was ich auch an körperlichem

Einsatz brachte, im letzten Moment

entzog er sich meinem Zugriff. Welch

lächerliches Bild das wohl abgegeben

haben muss. Ein erwachsener Mann

mit grau meliertem Vollbart und dem

Knabenalter klar entwachsen, gehüllt

in Tarnkleidung und mit einem Tarnschleicher auf dem Kopf wirft sich im Hechtsprung längs auf

den Boden, erhebt sich schwerfällig, läuft ein paar Schritte nur um sich mit grotesken

Verrenkungen wieder hinter einem kleinen Nagetier in den Staub zu werfen. Ich hoffte inbrünstig

das mich niemand in bei dieser „Performance alá Jerry Lewis“ beobachtete. Nachdem mich tags

darauf aber einige Einwohner mit einem süffisanten Lächeln begrüßten bin ich mir in diesem

Punkt nicht sehr sicher.

Nach einer mir endlos erscheinenden Zeitspanne, die in Wirklichkeit nicht mehr als eine Minute

betragen haben kann, schlüpfte nun mein Kaninchen unter das lange, niedergedrückte Gras und

spielte toter Hase, was es in wenigen Sekunden auch war. Es gelang mir den Flüchtling mit beiden

Händen zu greifen. Mit dem Knauf des Taschenmessers beendete ich, durch einem Schlag auf den

Schädel, das irdische Dasein dieser Kreatur. Welche Ironie! Auf eines der größten Wildschafe der

Welt konnte ich auf fünf Meter keinen Schuss anbringen und dieses winzige Kaninchen habe ich

15 stumpfe Spitzen die das Tier „ausknocken“ 16 Klauen aus Draht die am Pfeilschaft befestigt werden um ein Durchschießen der Beute zu verhindern. Das Tier kann mit

dem in ihm steckenden Pfeil nicht mehr in den Bau zurück

Abbildung 12: Vielleicht nicht die von Max erwartete Trophäe mit

seinem Bogen, aber ein genialer Schuss!

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auf 45m in Scharfschützenmanier mit einem Kopfschuss ausgeschalten! Das war definitiv mein

persönlicher Präzisionsrekord bei der Jagd mit Pfeil und Bogen! Auch hatte ich vorher noch nie

ein Tier mit einer Übungsspitze erlegt.

Nachdem ich noch ein wenig auf Kaninchen gepirscht war und zwei davon auf je 41 und 36m

knapp verfehlte beendete ich meinen Jagdtag und kehrte in mein Hotel zurück. Die warme

Dusche und einen Hierbero hatte ich mir an diesem Tag mehr als redlich verdient. Ich schätze die

an diesem Tag gemachten Höhenmeter17 auf etwa 800.

Endlich Erfolg! Aber wie?

Leise, jedes Geräusch vermeidend, vorsichtig Fuß vor Fuß setzend, schlichen Cristobal und ich

einen steinigen Hang hinauf. Wir hielten uns knapp unter dem Kamm des schräg verlaufenden

Rückens um die Herde Arrui, die auf der anderen Hangseite unter uns im Lee eines ¨ piñes¨, eines

Felsabbruches Schutz gesucht hatten, nicht zu alarmieren. Cristobal, der wie immer im

affenartigen Tempo, scheinbar schwerelos zwischen den Felsbrocken durch manövrierte, hielt kurz

an um mit mir die Angriffstaktik zu besprechen und mir etwas Zeit zu geben wieder zu Atem zu

kommen. Die Tiere waren von Jasinto, einem stillen, bescheidenem Wildhüter entdeckt worden

und dieser hatte uns die Position per Funk durchgegeben. So hatten wir die Möglichkeit mit dem

Wagen auf einen höherliegenden Gipfel zu fahren und unseren Überfall von oben herab zu

starten. Die Tiere in der Gegend waren, aufgrund des Jagddrucks in der letzten Woche der

Jagdsaison, nun in permanenter Alarmbereitschaft. Es war nun mehr eine Sache von sehr viel

Glück und unglaublicher Kondition, gepaart mit jahrelanger Erfahrung der Jagd auf diese Spezies

in den Bergen um auf Bogendistanz an diese edlen Tiere heranzukommen. Einen sauberen Schuss

zu setzen war beinahe ausgeschlossen da der Wind oft in Orkanstärke über die Hänge brüllte.

Den Bogen sicher ins Ziel zu halten war nicht möglich und der abgeschossene Pfeil würde nach

wenigen Metern völlig aus der Flugbahn getrieben werden.

So eine Herde hat sehr viele, extrem leistungsfähige Augen. Aus diesen Gründen und dem

Umstand, dass die Jagdsaison für diese Spezies am folgenden Tage zu Ende gehen würde, hatte

ich mich entschieden diesen Tag mit dem Gewehr zu jagen. Cristobal hat mir seine Waffe

überlassen. Ein System K98 mit einem Voere-Lauf aus Österreich! Dazu ein variables Zielfernrohr

mir unbekannter Produktion. Cristobal ließ es sich nicht nehmen den Patronengurt aus Leder, in

dem in bester Cowboymanier die Patronen einzeln eingeschoben waren, selbst zu tragen.

Eigentlich wollte ich zumindest einen Übungsschuss aus der Waffe abgeben, diesen guten Vorsatz

17 gezählt nur in eine Richtung, nämlich nach oben!

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entkräftete der dem Jagdfieber anheim gefallene Cristobal mit den Worten „el rifle tira bien, no te

preocupes!“18

Wir berieten nun den letzten Zug an die nächste Geländekante, die noch gute 100m von uns

entfernt war. Wir mussten dabei noch auf einem Hang hinunterqueren um auf der

gegenüberliegenden Seite direkt an der Kante Stellung zu nehmen. Cristobal riet mir die Waffe

gleich hier zu entsichern da er befürchtete die Tiere könnten das Klicken der Sicherung

wahrnehmen. Widerwillig folgte ich seinem Rat und weiter ging es. Plötzlich wurde Cristobal sehr

nervös und begann, wild gestikulierend, auf den Gegenhang zuzulaufen. Ich versuchte ihm zu

folgen und kam dabei deutlich in die anaerobe Phase. Mein Jagdführer hatte sich bereits bei

einem Felsvorsprung niedergelassen und winkte mir aufgeregt zu ohne seinen Blick vom

Gegenhang zu lassen. Dort angekommen brachte ich mich in Stellung und sah durch das

Zielfernrohr acht Stück ihren Weg den extrem steilen, schuttbedeckten Hang nach oben bahnen.

Die Entfernung betrug irgendwo zwischen 180 und 220m. Genau konnte ich das nicht sagen und

ich hatte auch keine Zeit mit dem Entfernungsmesser meine Schätzung zu bestätigen Die Tiere

hatten uns bemerkt und versuchten so schnell wie irgend möglich den ungeschützten Gegenhang

zu verlassen. Ich stützte meinen linken Ellbogen auf einem Felsen, kauerte mich auf dem

abfallenden, losen Untergrund so gut wie möglich hinter die Waffe und nahm eines der stärkeren

Tiere ins Visier. Just in dem Moment, in dem ich den Abzug durchzog, fuhr eine Windböe in

meine Seite und drückte meinen Arm mit der aufgelegten Waffen nach rechts. Der Schuss ging

etwa einen halben Meter neben das

Tier. Eine Staubwolke zeugte von

meinem Unvermögen. Eine Mischung

aus Wut, Scham und Verzweiflung

durchflutete meinen Kopf und die

Arme wurden mir schwach. Schnell

repetierte ich die leere Patronenhülse

aus der Kammer und schob mit dem

Verschluss eine neue hinein. Cristobal

flehte mich an die Waffe auf den

Felsen aufzulegen aber es war aber

keine Zeit meine Schussposition zu

ändern. So nahm ich nun das letzte

Tier der Herde ins Visier und drückte, bevor es den anderen über die Geländekante folgen konnte,

ab. Hinter dem Tier stob abermals eine Staubwolke auf. Dieses zeichnete19 in keiner Weise und

entschwand über die Kante des Gegenhanges. Beschämt und verärgert repetierte ich die nächste

18 „Das Gewehr schießt gut, mach dir keine Sorgen!“ 19 Damit wird in der Jägersprache die Reaktion des Wildes bei Beschuss beschrieben

Abbildung 13: Mein Mähnenschaf

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Patrone ins Lager und sicherte die Waffe. Cristobal war schon aufgesprungen und rannte der

Kante entlang in die Richtung, in die unsere Beute verschwunden war. Mich selbst geißelnd raffte

ich mich auf und folgte ihm. Etwa 150m weiter hatte er sich an einer Felskannte hingekauert und

winkte mich aufgeregt zu ihm hin. Völlig außer Atem kam ich bei ihm an und erblickte ein gutes

Stück auf einem langgezogenen, mit Sträuchern und losen Felsbrocken durchsetztem und nicht

sehr steilem Hang verhoffend20. Das Tier stand in perfekter Position direkt vor einem mannshohen

Felsbrocken und äugte zu uns zurück. Ich suchte nach einer guten Schussposition, fand auch die

Möglichkeit das Gewehr auf einem Felsen aufzulegen, brachte meinen Atem unter Kontrolle und

erfasste meinen Haltepunkt durch das 4-fache Zielfernrohr. Cristobal wies mich noch an etwas

höher anzuhalten da er die Entfernung auf 170m schätzte. Ich zog in voller Konzentration durch.

Alles was mir die Waffe für meine meisterhafte

Bedienung gab war ein verächtliches Klicken. Ich

konnte es nicht glauben! Vorsichtig öffnete ich,

ohne eine Sicherheitszeit zu beachten, die Kammer

gerade so weit, dass die Patrone nicht ausgeworfen

wurde. Das Projektil steckte in der Hülse. Die

Patrone schien in Ordnung zu sein. Ich wollte keine

Zeit verlieren und durch das Klingeln der am Boden

aufschlagenden Patrone das Tier nicht aufschrecken.

So lud ich sie noch einmal leise in die Kammer und

wiederholte meine Schussvorbereitung. Das

Mähnenschaf hatte seine Position nicht verändert

und blickte immer noch zu uns herüber. Zu diesem

Zeitpunkt versuchte ich nicht zu ergründen warum

sich das Tier nicht in Sicherheit brachte. Ich war nur

dankbar dass sich nun doch noch eine Möglichkeit

für mich ergab nicht ganz als ausländischer Vollidiot

mit großer Klappe dazustehen. Hatte ich doch damit geprahlt mit dem Gewehr, durch meine

Ausbildung zum Scharfschützenlehrer beim österreichischen Bundesheer, mindestens so firm in

Punkto Bedienung und Treffsicherheit sei wie mit dem Bogen. Während mir diese Gedanken

durch den Kopf schossen kontrollierte ich wie im Trance meinen Atem, beachtete die Verkantung

des Zielfernrohres, zielte hoch etwas über das Blatt 21 und konzentrierte mich darauf den

Zeigefinger der rechten Hand kontinuierlich und bestimmt nach hinten zu ziehen.

20 Bezeichnung für das Stehenbleiben eines ziehenden oder äsenden Wildes um verdächtige Bewegungen oder Geräusche

in der Umgebung zu orten 21 Teil am Wildkörper in der Region der Schulter auf den der Jäger zielt um die vitale Zone zu treffen.

Abbildung 14: Cristobal beim Bergen des Arrui

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Der Schuss brach mit donnerndem Hall. Das Mähnenschaf brach im selben Moment zusammen

und blieb ohne eine weitere Bewegung am Fuß des Felsens liegen. Ich konnte meine Erleichterung

nicht unterdrücken und umarmte Cristobal dessen Gesicht durch das breiteste Grinsen, das ich je

bei ihm gesehen habe, in zwei Hälften geteilt war. Wir blieben noch fünf Minuten in unserer

Position und ich hatte Gelegenheit die Entfernung zu messen. Genau 123m auf einer Höhe von

865m über dem Meer. Nun machten wir uns auf den Weg zu meiner Beute. Das Stück war ein

kapitales Weibchen und sie hatte je zwei

Einschuss- und zwei Ausschusslöcher! Der erste

Schuss war von schräg unten in der linken

Flanke eingetreten und hatte auf der Gegenseite,

etwas höher, einen Teil des kleinen Gescheides22

nach außen gedrängt. Dieses stammte von

meinem insgesamt zweiten abgegebenen Schuss

auf das letzte Tier der Herde. Der andere Schuss

war auf der rechten Seite knapp über dem Blatt

eingedrungen und auf der gegenüberliegenden

Seite genau aus dem Blatt ausgetreten. Exakt der

Punkt, den ich anvisiert hatte da ich meinte das

Projektil würde aufgrund der falsch geschätzten

Entfernung noch weiter fallen. Beide Projektile,

Teilmantelgeschosse, haben äußerlich kaum

einen Schaden hinterlassen. Kein Knochen war

getroffen worden und die vier Löcher waren

nicht größer als der Durchmesser eines kleinen

Fingers, eben genau 8mm. Überglücklich

begannen wir nun zu fachsimpeln, welcher

Schuss wann wie und wodurch beeinflusst,

wohin gegangen war. Im Grunde sind alle Jäger

echte Wissenschaftler oder Kriminologen, die

jedes jagdliche Erlebnis bis in Detail sezieren.

Cristobal erzählte mir nun auch das Jasinto ihn

über Funk verständigt hatte, weil die Tiere einen von uns bei der Annäherung gesehen haben

mussten. Das Leittier war plötzlich nervös hochgeworden, nachdem es angestrengt in unsere

Richtung gesichert hatte. Es ist absolut faszinierend mit welch scharfen Sinnen, ich bin beinahe

versucht zu sagen Vorahnungen, Wildtiere ausgestattet sind.

22 In der Jägersprache der Verdauungstrakt ohne Magen, der als großes Gescheide bezeichnet wird.

Abbildung 15: Erschöpft, erlöst und glücklich!

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Schnell ein paar Fotos gemacht und ich begann das Tier auszuweiden. Nach getaner Arbeit

schleppten wir das Schaf den Berghang hinab.

Wir schleiften den schwere Boviden 23 an den

Hörnern über Felsen und Büsche. Diese

respektlose Behandlung, genauso wie der

Umstand dass es kein richtiges Schaf war, störte

diese Kreatur nun nicht mehr im Geringsten.

Nachdem wir es auf diese Weise nicht mehr als

300m weit gebracht hatten entschieden wir uns

es an Ort und Stelle zu zerteilen und nur die

Keulen und Blätter 24 sowie die besten

Fleischstücke und das Haupt mit der Trophäe ins

Tal zu tragen. Wir riefen Salva und Jasinto, die

mit einem Rucksack und Plastiksäcken zu uns

aufstiegen. Salva hatte auch seinen jungen

Schweißhund mitgebracht und ließ ihn auf der

Schleiffährte vom Anschuss bis zum toten Körper

der Kreatur suchen. Der kleine Jagdhund war

ganz aus dem Häuschen als er das Tier erreichte.

Nach ein paar weiteren Fotos zerteilten wir den

Körper und lösten die brauchbaren Stücke aus,

verpackten sie in die mitgebrachten Säcke und

machten uns auf den steinigen Weg ins Tal. Dort

angekommen wurde sofort das Maß der

Hornlänge genommen. Salva war ganz aufgeregt

und Cristobal klopfte mir wieder anerkennend

auf die Schulter. Mit 49cm war es dass größte weibliche Stück, dass in den letzten 20 Jahren in

diesem Gebiet erlegt wurde. So manches Männchen kommt nicht auf diese Maße!

Bei einem typischen Mittagessen in einem kleinen Dorf wurde nun der Jagderfolg gefeiert und ich

freute mich auf den folgenden Tag, an dem ich frei hatte um mit meiner Frau eine

Erkundungsfahrt in die Region zu machen.

23 Bovidae sind Hornträger oder Rinderartige aus der Familie der wiederkäuenden Paarhufer. Zu dieser gehören neben

den Schafen und Ziegen auch die Rinder und Antilopen. Im Gegensatz zu den Cerviden werfen die Vertreter dieser Familie

ihre Hörner (bei den Cerviden sind es Geweihe aus Knochenmasse) nicht im Jahreszyklus ab. 24 Hintere und vordere Beine mit Schultern

Abbildung 16: Abtransport des zerlegten Tieres ins Tal

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Show Down mit Macky Messer

¨Heute ist Schweinetag!¨ So, oder ähnlich, begrüßte ich diesen Morgen. Für den heutigen Sonntag

war der übliche „montero“ mit Hunden auf Wildschweine angesagt. Wie schon gewohnt traf ich

mich mit etwa 25 anderen Jägern in einem Gasthaus in ¨Muro¨. So wird Muro de Alcoi kurz

gerufen. Alles hier wird aus praktischen Gründen möglichst abgekürzt. Bei einem deftigen

Frühstück wurde die Aufstellung der Jäger besprochen. Die Älteren bekamen die Möglichkeit

weiter unten am Berg, natürlich war es wieder ein Berg, Aufstellung zu nehmen und die Jüngeren

bekamen ihre Positionen per Los zugeteilt. Cristobal hatte mich eingeladen mit ihm und den

Hunden zu gehen. Bei unseren Gebirgsjagden auf Arrui in den Tagen davor meinte er das ich die

Kondition und Schnelligkeit hätte mit den Hunden zu

gehen. Ich willigte ein ohne zu wissen was ¨mit den

Hunden gehen¨ überhaupt bedeutet. Kurz vor Beginn

meinte Cristobal noch das ich besser meinen Bogen

im Auto lassen sollte da er mich sicher nur stören

würde. Völlig verdattert willigte ich ein und war dann

ganz schweigsam als mir Cristobal einen Saufänger,

selbst aus LKW Blattfedern und Hirschhorn gefertigt,

stolz überreichte. Seine Frau, die ebenfalls mit

gekommen war, meinte nur ich sollte auf meine

Beine und alles was dazwischen hängt aufpassen da

die Schweine genau in dieser Gegend mit Ihren

Waffen fuhrwerken wenn sie gehetzt oder in die

Enge getrieben werden. Wir beide stellten uns in

diesem Moment detailreich die gleich Szene vor aber

ihr lustvolles Lächeln war absolut konträr zu meinem

gequältem! Der sicher ernst gemeinte Rat mich

einem, von den Hunden fixiertem Schwein nur von

hinten zu nähern und mich rittlings auf dieses zu setzen wenn ich den tödlichen Stoß mit dem

Saufänger anbringen sollte, machte mich dann endgültig zum schweigsamen Mönch. Rund um

mich strahlten mich die Jagdkollegen an und nickten mir aufmunternd zu.

Ich folgte also in meinem kleinen Skoda Cristobals Isuzu und einem weiteren Zugfahrzeug die

jeweils einen grün gestrichenen Anhänger mit der Aufschrift ¨animales vivos¨ hinter sich herzogen,

vom Gasthaus zum Jagdgebiet. Am Fuße eines einzelnstehenden, mit Sträuchern bewachsenen

und stark zerklüfteten Berges hielten wir an und die Hundemeute wurde aus den Anhängern

gelassen. Die meisten der Hunde sind weiß oder zumindest sehr hell. Die Größe variiert zwischen

einem Cockerspaniel und einem großen Labrador. Cristobal setzte sich also an der Spitze und mit

Abbildung 17: Cristobal mit den Hunden

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lauten Pfiffen und Schreien setzte er sich in Bewegung. Die Hundemeute folgte ihm aufgeregt. Ich

schnappte mir einen zufällig daliegenden Bambusstock als Gehhilfe und eilte hinter der Meute

den Berg hinan. Natürlich gab es auch dort keine Wege. Meine ganze Ausrüstung, allem voran

meine sündhaft teuren Stiefel der Marke Adidas, die für Sondereinsatzkräfte der Polizei und von

Antiterroreinheiten konzipiert wurden, hatten in diesem gnadenlosen Gelände sehr gelitten. Teile

der Sohle hatten sich bereits abgelöst und ich hegte die Sorge nur mehr mit Fetzen an den Füßen

wieder im Tal anzukommen. Eigentlich wollte ich die Stiefel der Sondereinsatzkräfte nutzen um

mich möglichst lautlos an meine Beutetiere heranzuschleichen. Um einer möglichen

Aufschlagszahlung wegen Übergepäck beim Fliegen zu entgehen ließ ich meine geliebten

Bergschuhe, die zwar sehr robust aber wegen der steifen Vibramsohle auch sehr laut sind, zu

Hause. Aufgrund des enormen Tempos waren diese Gedanken aber sehr schnell verflogen, meine

gesamte Aufmerksamkeit richtete sich nun darauf einerseits halbwegs unverletzt durch die

scharfkantigen Steinböden mit dem üblichen, stacheligen Bewuchs voranzukommen und

anderseits den Anschluss an die Meute nicht zu verlieren. Immer wieder machten wir kurze

Beobachtungshalte von nicht mehr als 20 Sekunden. Unterhalb des Gipfelgrates und entlang von

steilen Felsabbrüchen weit über uns waren die Jäger aufgereiht, die ich in ihren Signalwesten als

kleine Punkte ausmachen konnte. Wir waren gegen 11 Uhr gestartet. Nachdem wir mehrere

Stunden die Berghänge rauf und runter gestolpert waren bekamen die Hunde nun gegen 14 Uhr

etwas in den Wind. Wir befanden uns auf einer sogenannten „senda“, einem Wildsteig der entlang

einer schmalen Stufe am Berg verlief. Zu unserer Linken befand sich dichtes, mannshohes,

undurchdringliches Dickicht und zu unserer Rechten war eine Felsstufe die ein wenig mehr als drei

Meter abfiel um dann ebenfalls wieder im stacheligen Unterholz zu verschwinden. Ungefähr 50m

vor uns befand sich eine Kuppe mit einer darauffolgenden Senke, die wir von unserem

Standpunkt aus nicht einsehen konnten. Ich lauschte angespannt dem ¨Geläut der Meute.25¨. Es

entfernte sich von uns und kam plötzlich wieder auf uns zu. Ich bemerkte die Hundemeute über

die Kuppe vor uns direkt auf uns zukommen. In Bruchteilen von Sekunden begann mein Körper

Adrenalin in meine Adern zu pumpen. Meinem Mund entfuhr ein heiseres ¨ vienen por aqua!¨

¨Sie kommen hierher¨. Vor uns stand, mitten auf dem schmalen, maximal einen Meter breiten

Steig, ein winzig kleines Bäumchen dessen Stamm nicht mehr als 5cm im Durchmesser an seiner

dicksten Stelle maß. Wir drapierten uns dahinter wobei Cristobal rechts von mir seine ¨garotte¨,

den Wanderstock mit dickem Knauf in Schlagstellung brachte und ich den gut 40cm langen

Saufänger in die linke Hand nahm. In angespannter Stellung erwarteten wir was uns die Hunde

zutrieben. Wir hatten noch nicht gesehen welches Tier und wie groß es war, jedenfalls wurde es

von gut und gerne 15 Hunden verfolgt. Plötzlich tauchte, keine 10m vor uns, ein kleines Schwein

aus der Senke auf und raste im sprichwörtlichen Schweinsgalopp auf uns zu. Mein Blick verengte

sich, ich nahm um mich herum nichts mehr wahr und fokussierte nur noch das Schwein. Mit

einem Höllentempo jagte der Halbwüchsige nun direkt auf uns beide zu. Die Hunde waren dem

25 der winselnde Belllaut den ausgebildete Jagdhunde abgeben wenn sie auf Sicht hinter einer Beute herjagen.

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Tier eng auf den Fersen. Im letzten Moment schwenkte der ¨guarro26¨ nach rechts und versuchte

so an meiner linken Seite vorbeizukommen. Ich stieß meinen Saufänger nach vorne und spürte

den Widerstand des Fleisches. Das Schwein wurde etwas von seiner Bahn abgedrängt. Durch den

Schwung wurde mir der Saufänger beinahe aus der Hand gerissen und da war der Schwarzkittel

auch schon an mir vorbeigeprescht. Nun hetzten die Hunde links und rechts an uns vorbei. Ich

blickte auf das Blatt meiner Stichwaffe und bemerkte frisches Blut. Die Blankwaffe war, von der

Spitze an, etwa 10cm mit Schweiß27

bedeckt. Wir wirbelten beide herum

und sahen wie die Hunde das

stolpernde Schwein in einer Dickung,

knapp hinter uns, zu Fall brachten

und nun im Kreis an ihm zerrten. Ich

eilte die 20m zu dem Ort, schob die

Hunde vorsichtig zur Seite und

beendete das Leiden des Tieres mit

einem beherzten Stich in die

Kammer 28 . Völlig aufgeregt und

zitternd brauchte ich eine Minute um

mich wieder zu sammeln. Cristobal

kam um mich zu beglückwünschen. Er

klopfte mir anerkennend auf die Schulter und zündete sich eine Zigarette an.

Weiter ging es, die unwirtlichen und schroffen Hänge entlang, unter dornigem Gestrüpp hindurch.

Etwa 20 Wildschweine entkamen durch einen engen ¨barranko¨, eine Schlucht nach oben hin und

zwei wurden angeschweißt, waren aber ebenfalls nicht mehr aufzufinden. Gegen drei Uhr

nachmittags versammelten wir uns alle bei den Fahrzeugen. Ich war erschöpft, schweißgebadet

und voller Kratzer auf Händen und Armen; aber glücklich! Als Einziger hatte ich eine Beute

vorzuweisen, und auf welch spektakuläre Art und Weise!

26 Eigentlich die Bezeichnung für ein Hausschwein, in der Region wird damit aber auch das Wildschwein, das eigentlich

Jabalí heißt, benannt. Natürlich ist es, wie international üblich auch die Bezeichnung für einen Dreckfinken, eine

schmuddelige Person. 27 Mit Schweiß bezeichnet der Jäger das Blut der von ihm bejagten Wildtiere 28 Jagdliche Bezeichnung des Brustraumes, der die vitalen Organe wie Herz, Lunge und Leber beinhaltet.

Abbildung 18: Wildschwein mit Saufänger

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Zu starker Wind für die Sau

Montag, Für diesen Tag hatten wir uns mit Cristobal zu einer Führung in der ¨finca¨, einem

Anwesen in den Bergen von Penágila, verabredet. Nach etwa 20 Minuten Fahrzeit trafen meine

Frau und ich sowie Cristobal am Steuer vor dem riesigen, massiven Eisentor an. Per Zahlencode

kam das schwere Tor, das mich stark

an Jurrasic Park erinnerte, in

Bewegung und gab uns den Weg in

das Innere frei. Das Anwesen hat ein

Ausmaß von 1060ha auf dem es

unterteilte Bereiche für Hochwild und

Niederwild gibt. Weiters mehrere

künstlich angelegte Seen und Teiche

für Enten. Durch ein ausgeklügeltes

System mit Zäunen, Korridoren,

Gitterrosten und Toren mit

herabhängenden Gummistreifen kann

man bequem die gesamte Ranch

befahren ohne einmal aus dem

Wagen steigen zu müssen um ein Tor

zu öffnen. Den in der Ranch gefangenen Tieren sind so aber die anderen Sektoren verwehrt. Bei

Bedarf wird die erforderliche Anzahl der tierischen Bewohner der Finca durch diese Korridore dem

zahlenden Jagdgast vor die Flinte oder Büchse getrieben und so ein Jagderfolg auf kapitales Wild

sehr wahrscheinlich gemacht.

Erst fuhren wir zum Herrenhaus, das

im Herzen des Anwesens gelegen ist.

Jede Menge Wild zeigte sich uns auf

dem Weg dorthin. Natürlich darf auf

so einem Anwesen ein Reitstall nicht

fehlen. Das Gebäude ist absolut

beeindruckend und so wie alles auf

dem Anwesen erst vor kurzem neu

renoviert worden. Weiter ging es ans

andere Ende des Areals zum Jagdhaus,

einem sehr geschmackvoll renovierten

Langhaus mit Kaminsaal und Trophäen.

Das Gebäude ist äußerst

Abbildung 20: Trophäensaal des Jagdhauses

Abbildung 19: Das Jagdhaus

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geschmackvoll, mit alten, originalen Teilen, restauriert und bietet eine sensationelle Umgebung für

jagdliche Veranstaltungen. Laut Cristobal hat dem begüterten Besitzer der finca der Kauf um die

20 Millionen Euro und die Restauration nochmals den gleichen Betrag gekostet. Auch ohne die

Bücher zu prüfen glaubte ich ihm diese unglaubliche Summe im Anblick dieser Superlativen. Ich

beschloss dafür den Eigner aus tief empfundenen Mitleid in eines meiner Abendgebete mit

einzuschließen. Wir waren völlig beeindruckt von diesem sensationellen Anwesen, das sich über

mehrere Täler und Bergrücken in einer wirklich filmreifen Umgebung erstreckt. Nachdem wir einen

weiteren, kleinen Teil des Besitzes abgefahren hatten und noch so einiges an Wild beobachten

konnten, fuhren wir gegen Mittag wieder beim großen Eingangstor hinaus um uns in der

nächstgelegenen Dorfschenke einen ¨bocadillo¨ zu gönnen.

Pünktlich wie ein Uhrmacher holte mich Salva um 15:30 Uhr aus unserem Häuschen ab um mit

mir einen Abendansitz in seinem ¨coto29¨ in der Gegend zwischen Benimarful und Planes zu

machen. An eisernen Absperrtoren vorbei ging es nun einen Schotterweg steil hinauf auf einen

Bergrücken, von dem aus wir eine beinahe schon kitschige Aussicht auf das darunterliegende Tal

mit Sonnenuntergang hatten. Salva wies mich in den Treestand 30 ein, auf dem ich dann

dreieinhalb Stunden ansaß. An diesem Stand kann man sehr gut erkennen welch ein ausgebuffter

Profi Salva ist. Es passte einfach alles perfekt. Der Stand hat Deckung wo er sie braucht und

Schussfeld wo es nötig ist. Der Mond ist im Rücken und man muss nicht über den Kirrplatz an

den Stand herantreten. Es ist möglich über viele Steine an diesen ¨heranzuschweben¨ um so

wenig wie möglich Duftmarken zu hinterlassen. Trotz der kurzen Schussdistanz von nur 10m ist

man trotzdem gut gedeckt. Es gibt mehrere Wildwechsel zur Kirrstelle in der Baumgruppe, in der

sich das Wild durch genügend Deckung auch sicher fühlt. Leider zeigte sich auch die

Prophezeiung von Salva als richtig, das Wild bei den vorherrschenden Windverhältnissen nicht

kommen würde. Seiner Erfahrung nach nähert sich das Wild bei starkem Wind nicht an da es

immer erst eine komplette Runde um den Futterplatz macht und so den ansitzenden Jäger

mindestens einmal in den Wind bekommt. Von Wind zu sprechen war übrigens etwas

untertrieben, Es peitschten wieder starke Böen über die ¨Sierra¨ und schüttelten mich ordentlich

auf meinem verknorpelten Baum durch. Der kalte, schneidende Wind bei diesmal nicht mehr als

sechs Grad Celsius machte mir den Aufenthalt auf dem Baum nicht besonders angenehm. Nach

unverrichteten Dingen fuhren wir dann gegen 20:30 Uhr in dunkler Nacht wieder gegen Benilloba.

29 Spanisch: Das Jagdrevier 30 Eine, meist nur temporäre, Jagdeinrichtung in Form eines spartanischen Sitzes am Stamm eines Baumes in einer Höhe

von fünf bis zehn Metern

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Wenn das Schaf nicht will dann eben mit meiner Frau!

Wieder ging es, wie schon einige Male vorher, in die Gegend von Beniaia. Bei Anbruch des

Morgens gelangte ich mit Jasinto, dem naturverbundenen ¨ Indianer¨ dort an. Der schweigsame

etwa Mitfünfziger mit grauem Haar bekam diesen Namen wegen seiner Detailverliebtheit bei der

Spurensuche. Er konnte niemals widerstehen gefundene Kotklümpchen, die Losung, zwischen

Zeigefinger und Daumen genüsslich zu zerrollen um auf diese Weise das Alter des Kots zu

bestimmen. Manchmal, wenn er sich unbeobachtet fühlte, streifte er die zerquetschte Masse dann

auf seinen Ärmel um, wie er sagte, eine perfekte Geruchstarnung zu haben. Ich hege aber den

Verdacht dass er einfach großen

Gefallen am Duft der kleinen

Kotbohnen hat. So stiegen wir also

auf seinen bevorzugten Aussichtsberg

und glasten 31 die Umgebung

sorgfältig in Rastern ab. Weit oben,

am Ende eines Tales, knapp unter

einem Kamm, entdeckten wir vier

Mufflons, diese zu erreichen war uns

aber zu anstrengend da die Gehzeit

dorthin mindestens zwei Stunden

betragen hätte und wir nicht sicher

sein konnten dass die Tiere dann

immer noch auf dem Standort wären.

Außerdem sahen wir keine

vernünftige Möglichkeit uns in dem völlig offenen, mit losem Geröll bedeckten Gelände, an die

Tiere heranzukommen. So durchsuchten wir, von den Rändern herab, die Schluchten des Gebietes.

Leider ohne den gewünschten Erfolg.

Ich packte also die Gelegenheit beim Schopf in unser schönes Miethaus nach Benilloba

zurückzukehren um mit meiner Frau eine touristische Fahrt nach Alicante zu machen.

Alicante oder Alacant, wie es in der Landessprache Valencian genannt wird, ist eine Stadt mit etwa

350.000 Einwohnern. An der Costa Blanca gelegen ist dieser historische, früher stark umkämpfte

Ort, klimatisch sehr begünstigt. Wir ersparten uns, nachdem wir die ¨wienerische Fahrweise¨ der

Einheimischen schonungslos erfahren hatten, eine Besichtigung mit dem Auto und suchten uns

ehest möglich einen Parkplatz. Zu Fuß erreichten wir den Lift der uns in Windeseile auf 100m über

den Meeresspiegel, in das Herz der Festungsanlage Santa Barbara katapultierte. Eine

31 Das Absuchen des Jagdgebietes mit einem Fernglas, auch Feldstecher oder Binokular genannt.

Abbildung 21: Jasinto, der stille Indianer

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atemberaubende Aussicht über die

ganze Stadt, das Umland, den Hafen

mit seinen Yachten und die weißen

Badestrände bei völliger Ruhe, es

waren kaum Touristen anwesend,

entschädigte uns für die

durchgestandenen Ängste im

selbstmörderischen Verkehr. Wir

ließen unsere Seelen baumeln. Nach

mehren Stunden trabten wir, ständig

die fremde, exotische Umgebung mit

den Augen verzehrend, in die Stadt

hinunter zu unserem Vehikel mit

tschechischem Ursprung, das die

Geschichte des Automobils wesentlich mit bestimmt hatte. Wir fuhren dann nach Alcoi um

Einkäufe in einem ¨Centro Comercial¨32 zu erledigen.

Ausgetrickst, von Schafen!

Ziemlich erschlagen und mit schweren Gliedern fand ich mich gegen halbsieben Uhr morgens vor

der Ponderosa ein um Jasinto für den morgendlichen Pirschgang zu treffen. Ohne

lebensrettenden Kaffee, die Bar

öffnete an diesem Tag später,

schleppte ich mich bei starkem Wind

eine halbe Stunde später auf unseren

Aussichtsberg um die Bewegungen

des Wildes an diesem Morgen

auszuspähen. Nichts! Auch unser

kräftezehrender Pirschgang am Fuße

des Canyons brachte kein anderes

Ergebnis. Völlig kaputt schleppte ich

mich zum Wagen hoch. Jasinto wollte

aber noch nicht aufgeben und den

Canyon von einer anderen, erhöhten

Position weiter oben nochmals

überblicken. Ich ließ mich

32 International eher als „Shopping Center“ bekannt.

Abbildung 22: Der Hafen von Alicante von der Burg aus gesehen

Abbildung 23: Blick von unserem Aussichtsberg in den Canyon

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breitschlagen und wenige Minuten darauf rumpelten wir im Land Rover auf die erhöhte Stelle. Ich

übte mich im ¨powernapping33¨ während Jasinto die Gegend ausspähte. Gerade als ich in meinen

Träumen auf Schaumwolken durch die Prärie ritt rüttelte Jasinto aufgeregt an der Wagentür. Er

hatte die Herde der Mufflons ausgemacht! Ich folgte ihm, tief geduckt, an die Vorderseite des

höchsten Hanges. Auf 400m

Entfernung, tief unter uns im Canyon,

just dort wo wir noch vor einer

Stunde unseren Rundgang gemacht

hatten, grasten friedlich vier weibliche

Tiere mit einem Jungen. Nachdem wir

über eine halbe Stunde die

Möglichkeiten zur Annäherung

ausgeglast hatten begannen wir mit

dem Rückzug vom Vorderhang um

über links, verdeckt durch einen

Kamm, den Abstieg zu beginnen.

Äußerst vorsichtig näherten wir uns

dem kleinen Wäldchen von hinten,

den Wind im Gesicht, in dem wir die

Tiere noch vor unserem Abstieg gesehen hatten. Kein Lebenszeichen! Wir bewegten uns völlig

lautlos, einen Fuß vorsichtig vor den anderen setzend, auf das kleine Wäldchen am Grund des

Canyons an um enttäuscht festzustellen, dass sich die Tiere bereits sprichwörtlich ¨über alle

Berge¨ gemacht hatten. Verflucht! Da stand ich nun vor dem steilen, zerklüfteten Hang und

blickte hinauf wo 150 Höhenmeter über mir unser Wagen wartete. Die schlauen Tiere mussten

uns bemerkt haben als wir uns eine Stunde davor vom Vorderhang unserer Beobachtungsstellung

zurückgezogen hatten und waren wahrscheinlich in die Gegenrichtung entwichen. Völlig erledigt

erreichten wir also eine Ewigkeit später den Wagen. Ich fiel sogleich in einen kurzen, oft

unterbrochenen Schlaf auf dem Beifahrersitz, den ich dann vor dem Kamin in unserem Haus

fortsetzte.

Am Abend raffte ich mich auf in den Olivenhain hinter dem Dorf Benilloba zu gehen um noch ein

wenig der ¨Sau¨ zu passen. Das Unterfangen gab ich aber nach Einbruch der Dunkelheit wegen

starken Windes auf.

33 Im modernen Leben vor allem in den USA und Japan etablierter Form des Kurzschlafes außerhalb der eigenen vier

Wände um Kraft für die Herausforderungen des Arbeitslebens zu tanken.

Abbildung 24: und nun umgekehrt; Blick vom Canyon auf unseren

Aussichtsberg

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Wettbewerb im Stinken

¨Same time, same station!¨ Wieder fanden wir uns auf der Spitze unseres Beobachtungsberges,

diesmal aber sehr zuversichtlich. Der starke, tosende und schneidende Wind war einem lauen

Lüftchen gewichen und die Temperaturen waren bereits sehr angenehm. In mir war ich ziemlich

sicher heute Jagdglück zu haben. Gleich nach Ankunft auf dem Berggipfel machte Jasinto die

kleine Herde der weiblichen Tiere 300m Luftlinie und 100m unter unserer Höhenschichtlinie auf

dem Gegenhang des Canyons mit seinen teilweise senkrecht abfallenden Schluchten aus. Wir

warteten bis sie sich niedergetan hatten. Jasinto blieb, verdeckt durch einen vom Wind arg

gebeutelten Busch auf der Bergkuppe zurück während ich mich über den Rückhang in

Gegenrichtung zu einer Stelle am Canyon bewegte, an der ein Abstieg möglich war. Es ist schon

ein ziemlich anstrengender Balanceakt mit dem schweren Bogen in einer Hand, die andere im Fels

nach Griffen suchend, den Abstieg ohne Lärm zu bewerkstelligen. Jede Menge losen Gerölls,

spitze, scharfkantige Kalksteine und dornige, laut knackende Büsche versuchten das zu verhindern.

Schon bald ran mir der Schweiß in Strömen von der Stirn. Endlich, am Talgrund angekommen,

pirschte ich langsam den Verlauf des ¨lechos¨, dem Bachgrund aus Kies und Geröll, tief unten in

der Schlucht entlang bis zu dem vorher eingeprägten Punkt an dem ich am Gegenhang

hinaufsteigen musste um sichtgedeckt auf Höhe der Mufflons zu kommen. Von dort waren es

noch etwa 100m horizontal bis zum Ruheplatz der Tiere. Wie ein Indianer, jeden Schritt genau

abwägend und immer wieder das Vorfeld prüfend, stieg ich den steilen Hang nach oben. Ebenso

versuchte ich mit Jasinto auf der Bergspitze Sichtkontakt aufzunehmen, dieser sah mich aber

nicht. Auf der richtigen Höhe, mein Orientierungspunkt war ein zuvor ausgespähter Baum mit

schrägen Stamm, bewegte ich mich nun geduckt, alle Sinne aufs Äußerste geschärft, auf die noch

unsichtbaren Tiere zu. Nach nur wenigen Schritten erstarrte ich jedes Mal um mit meinen Blicken

die Gegend wie ein Radar zu scannen. Als ich mich etwa 20m nach vorne bewegt hatte bemerkte

ich auf dem Geröllfeld vor mir, das sich auf einem stark zu mir abgewinkelten Hang in meiner

Blickrichtung befand, das Leittier der Herde genau in meine Richtung sichernd. Das Tier wusste

wahrscheinlich nicht genau was sich dort, 80m vor ihm, auf die tierische Gemeinschaft zubewegte,

wollte das aber ziemlich sicher auch nicht bis ins letzte Detail wissen. Der Vertreter der

wiederkäuenden Wildschafe blieb dort stehen bis sich der Rest der kleinen Herde hinter ihm das

Geröllfeld hinauf aus dem Gefahrenbereich heraus gebracht hatte um dann, mir einen letzten,

schadenfrohen und mitleidigen Blick zuwerfend, behände ebenfalls den steilen Hang hinauf über

den Kamm meinem Blickfeld zu entschwinden. Mehr als eine Stunde schweißtreibender und

gefährlicher, mit akrobatischen Balanceakten gewürzter, Annäherung auf Art der Indianer umsonst!

Ich hatte in diesem Moment wieder einmal größte Hochachtung vor den Sinnesleistungen und

sicher auch der Intuition dieser schlauen Tiere. Mit einem Gewehr wäre ich höchstwahrscheinlich

jeden Tag mehrfach zum Erfolg gekommen, mit dem Bogen ist das aber in freier Wildbahn eine

ganz andere Sache! Auch wenn das die Jagdbehörden in Österreich nicht gerne hören. Ein

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Funkgerät zur Verständigung zwischen einem Beobachtungsposten und dem Jäger, der das Wild

anpirscht, ist besonders bei der Bergjagd von unschätzbarem Wert. An diesem Tag hatten wir

leider keine dabei, meine Chancen die Herde erfolgreich anzupirschen wäre aber sicher um

einiges höher gewesen d Jasinto von seiner gedeckten Stellung auf der Bergkuppe die Herde die

ganze Zeit im Anblick hatte, mich aber scheinbar nicht sehen konnte und sich daher Sorgen

machte. Er stand auch einige male aus seiner Deckung auf um über die Felsklippen nach unten

nach mir zu sehen. Möglicherweise hat auch diese Bewegung zur Beunruhigung beigetragen.

Geistig war ich bereits wieder beim anstrengenden, höhenmeterintensiven Rückweg, winkte kurz

Jasinto und stolperte durch das Bachbett zurück in Richtung Traverse, auf der ich in den Canyon

gestiegen war. Ich versuchte die Stelle im Bachbett wieder zu finden, an der ich den zuvor beim

Pirschen gefundenen Schädel eines Arrui zurückgelassen hatte, meine Konzentration galt also

mehr dem Bachbett als meiner Umgebung über mir. Ich bin nicht sicher ob es einfach Zufall oder

eben jener oft beschworene sechste Sinn war, der mich nach hinten auf den Hang über mir

blicken ließ.

Dort stand auf einer

Schussentfernung von guten 40m ein

imposanter Arruiwidder mit langem,

wallenden, orangefarbenen

Vorschlaghaar und einer mächtigen

Auslage. Das stolze Berberschaf

betrachtete mich von oben herab.

Sicher hatte es mich schon über

geraumen Zeitraum beobachtet. Kurz

trafen sich unsere Blicke. Innerlich

wurde ich beinahe zerrissen da sich

das Tier wunderbar präsentierte, die

Saison nun aber vorbei war und ein

Abschuss dadurch illegal. Der

„Macho“ drehte sich um und

entschwand ohne große Eile meinem Blickfeld. Wahrscheinlich war er von der Schonzeit in

Kenntnis gesetzt worden. Ich stand noch eine Weile mit offenem Mund dort unten und ließ den

Anblick auf mich wirken. Dieses Bild habe ich jetzt, diese Zeilen schreibend, immer noch plastisch

vor mir und werde es wohl noch einige Zeit so in meinen Erinnerungen behalten.

Nach dem schweißtreibenden Aufstieg über die imposante Wand traf ich Jasinto beim Auto

wartend. Nun hatte ich wirklich keine Lust mehr und wir fuhren wieder nach Hause.

Abbildung 25: Sonnenuntergang im Regen von der Coto Salvas aus

gesehen

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Am Abend traf ich mich mit Salva in Benimarful, einem weiteren dieser kleinen, sich auf

Berghängen oder Anhöhen schmiegenden, eng aneinander gebauten Dörfer um in seinem Coto

wieder auf Wildschwein anzusitzen. Auch dieser Abend war leider nicht von Erfolg gekrönt. Ein

Tier verhoffte einige Zeit außerhalb der kleinen Waldinsel, in der ich auf dem Treestand ansaß,

ging dann aber mit einem Blasen ab. Ich schreibe das dem Gestank zu, den ich zu diesem

Zeitpunkt unbestritten verströmt haben muss. Ich hatte die gleiche Kleidung wie bei der Pirsch,

die gleichen Lederschuhe und vor allem dasselbe Release an meinem Handgelenk. Den Duft des

letztgenannten konnte sogar ich intensiv in mein Riechorgan aufsteigen spüren. Zumindest diesen

Wettstreit hatte ich für mich entschieden. Das Tier konnte nicht gegen mich ¨ anstinken¨ und ich

war unbestritten der größte ¨guarro¨ am Platz. Ob ich darauf stolz sein kann muss ich aber erst

noch entscheiden! Bei zukünftigen Jagden werde ich streng zwischen der Kleidung für die

schweißtreibende Pirsch und der Kleidung für den Ansitz unterscheiden. Wahrscheinlich sind für

den Ansitz auch Gummistiefel zweckmäßiger als Lederschuhe, die sicher nach deren Besitzer

riechen. Beim Bogenjagdkurs hatte ich einen erfahrenen Jäger aus der Umgebung von Wien in

der Gruppe, der sicher das eine oder andere Stück auf unkonventionelle Weise zur Strecke

gebracht hatte. Dieser „alte“ Jäger riet mir meine Kleidung für den Ansitz drei Tage zuvor in einen

Plastiksack,.gemeinsam mit Erde und Blättern aus der Region, luftdicht zu verschließen und ich bin

mehr als geneigt nun diesem Rat zu folgen!

Abbildung 26: Selbstfotografie beim Ansitz am

Treestand

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Faktor 10

Szenenwechsel. Ein kleines Bistro, verschneite Landschaft, kleines Dorf an einer Landstraße im

Nirgendwo. Vor dem schmucklosen Lokal stehen verschmutzte und schon etwas mitgenommene

Geländefahrzeuge. Etwa 15 Jäger beim Frühstück. Es wird gefeixt, die neu Eintreffenden werden

überschwänglich begrüßt und es wird bei einem herzhaften Frühstück über Ausrüstung und Jagd

gefachsimpelt. Das könnte sich ebenso irgendwo in Österreich so abspielen. Aber halt, nein, nicht

genau so. Unter den traditionellen Büchsenjägern befinden sich ebenso viele Bogenjäger in

Camokleidung und es gibt absolut keinen Klassendünkel. Beide Gruppen befinden sich auf der

gleichen Ebene, jeder akzeptiert den Anderen egal welches Jagdgerät er verwendet. Bis zu diesem

Zeitpunkt wird es wohl leider noch einige Jahre in meiner, an Traditionen so reichen Heimat

dauern!

Wir befanden uns kurz

vor der ¨Sierra de la

Madera¨, einem

wunderbaren,

naturbelassenem

Jagdgebiet mit mehren

tausend Hektar in der es

Zonen für Bogenjäger

und auch solche für

Büchsenjäger gibt. Ich

war absolut beeindruckt

von der Schönheit dieser

wunderbaren Landschaft

und mir blieb schier die

Spucke weg als ich mich,

ein paar Stunden später,

auf der Pirsch auf einem Hang in etwa 1400 Höhenmetern befand. Immer wieder schafft es unsere

liebe Mutter Erde mir diesen Zauber ins Herz und in die Lunge zu pflanzen wenn ich mich in einer

phantastischen Landschaft, wie eben dieser, bewege. Der Boden war übersäht mit Fährten und

Losungen verschiedenster Wildtiere, allen voran Schalenwild der Gattung ¨gamo¨, dem Dammwild,

und ¨ciervo¨ dem Rotwild. Dazwischen immer wieder die unverkennbaren Abdrücke von Mufflons.

Langsam bewegte ich mich auf diesem Hang voran, bekomme aber trotzdem kein Tier in den

Anblick. Das hatte sicher mit der Tageszeit wie auch mit dem besonderen klimatischen Umstand

des immer wieder aufkommenden Eisregens zu tun.

Abbildung 27: Die atemberaubende Landschaft der Sierra de la madera

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Eine kurze Aufwärmphase in der Hütte am offenen Feuer bereitete mich für den Ansitz auf dem

Treestand in einem anderen Teil des Waldes vor. Mit dem Wagen wurde ich dort hin gebracht

und konnte dabei einige Gruppen weiblicher Damkahltiere in ihrem dunklen Winterkleid

beobachten. Gerade als wir zum Treestand an der Salzlecke aufstiegen, schrecken wir einen

kleinen Sprung von fünf Tieren davon auf. Der Ansitz befand sich auf einer Kiefer in etwa zehn

Metern Höhe. Von dort konnte ich auf den Hang in einer Schussentfernung von 16 bis 28 Metern

die Salzlecke einsehen. Einen Harness34 hatte ich nicht dabei. Dafür aber trage ich immer einen

Kletterkarabiner mit mir. Mit diesem sichere ich mich an dem Kletterseil, das zum Aufziehen des

Bogens und der Ausrüstung fix an diesem Baum montiert ist. Es war Punkt 16:00 Uhr und ich saß

völlig bewegungslos, den Bogen mit dem Pfeil schussbereit auf meinem Schoß liegend und ein

Buch35 lesend auf dem Stand. 20:38 Uhr! Gleiche Stellung. Das Buch hatte ich bereits gegen 18:30

Uhr weggepackt und ich zitterte nun am ganzen Leib. Es war seit beinahe eineinhalb Stunden

dunkel und es hatte sich kein Lebewesen in meinem Schußbereich gezeigt. Trotz des vorher klar

festgestellten Wildreichtums und der Schüsse aus Büchsen, die ich über einen geraumen Zeitraum

von den anderen Jägern gehört hatte, hat sich keines dieser scheuen und intelligenten Waldtiere

zu mir verirrt. Ob verirrt der richtige Ausdruck ist? Ich weiß es nicht. Ich bin beinahe versucht zu

glauben dass die Beobachtung des einen Kahltierrudels, das ich von der Salzlecke aufgeschreckt

hatte, in irgendeiner Art und Weise auch an andere weiter gegeben wurde.

Der Fahrer des Wagens, Juancho, einer

der Pächter dieses ¨coto¨, international

erfolgreicher Wettkampfschütze und

erfolgreicher Bogenjäger, holte mich

steifgefroren und schlotternd von

meinem Sitzplatz in luftigen Höhen

um mich in die Bar im Tal zu fahren

wo die anderen schon seit geraumer

Zeit ihre Jagderfolge mit der Büchse

feierten. Ich war in keiner Weise sauer

oder neidisch auf den Erfolg der

anderen. Ich dachte in diesem

Moment an die Worte von Ernst Blajs,

erfahrener Büchsen- und Bogenjäger

aus Kärnten und zudem der Präsident der Bogenjägervereinigung BFA in Österreich. Laut Ernst ist

der Faktor Büchse zu Bogen die Zahl 10. Zehn mal langsamer ist das Geschoss, zehn mal schwerer

das Geschoss. Zehn mal kürzer die Schussdistanz, zehn mal schwieriger die Art zu jagen und

34 Englische Bezeichnung für eine Körpergurt, der den Jäger bei einem Fall von seinem Stand auffängt 35 Beim Ansitz ist ein gutes Buch nur durch einen guten Anblick zu ersetzen!

Abbildung 28: Typischer Bewuchs in der Sierra de la madera

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daher zehnmal größer die Chance als ¨Schneider36¨ nach hause zu gehen. Nachdem der Faktor

Bogen zu Büchse 10 beträgt sollte logischerweise die Vorbereitung auf die Bogenjagd ebenfalls

um ein vielfaches ernster genommen werden als bei der Jagd mit der Feuerwaffe. Das beginnt

bereits beim intensiven Training mit dem Jagdgerät und dem Studium der Beutetiere. Trotzdem

war ich glücklich über die tollen Jagderlebnisse, die ich hier beschreiben konnte und noch

glücklicher über das Wissen, in den letzten Tagen sehr viel gelernt zu haben. Zu gerne wäre ich

noch bei der lustigen, spanischen ¨manada 37¨ geblieben. Meine Frau wartete aber im 44km

entfernten Hotel auf mich und der darauffolgende Tag sollte bereits sehr früh mit der Heimfahrt

beginnen, Schweren Herzens verabschiedete ich mich von den wunderbaren Menschen, die mich

so selbstverständlich in ihre Mitte aufgenommen hatten und trat die Heimreise im Schneeregen

an.

36 Als Schneider wird ein Jäger bezeichnet der ohne Beute nach hause (oder ins Wirtshaus) kommt. Daher hat sich die

Kunst der Ausrede warum man nicht erfolgreich bei der Jagd war, extrem gesteigert! 37 Spanisch: die Herde, der Haufen Leute, das Rudel


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