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ITALIEN UND DAS VÖLKERRECHT / ITALY AND INTERNATIONAL LAW || Beschluß des Oberlandesgerichts...

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Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Januar 1987 Source: Archiv des Völkerrechts, 25. Bd., 4. H., ITALIEN UND DAS VÖLKERRECHT / ITALY AND INTERNATIONAL LAW (1987), pp. 484-492 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40798338 . Accessed: 12/06/2014 18:06 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Archiv des Völkerrechts. http://www.jstor.org This content downloaded from 194.29.185.109 on Thu, 12 Jun 2014 18:06:14 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions
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Page 1: ITALIEN UND DAS VÖLKERRECHT / ITALY AND INTERNATIONAL LAW || Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Januar 1987

Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Januar 1987Source: Archiv des Völkerrechts, 25. Bd., 4. H., ITALIEN UND DAS VÖLKERRECHT / ITALYAND INTERNATIONAL LAW (1987), pp. 484-492Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40798338 .

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ENTSCHEIDUNGEN

Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Januar 1987

zur Frage der Zulässigkeit der Auslieferung in die Niederlande zur Voll- streckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe, die in Abwesenheit des Verfolgten

verhängt worden ist.*

1. Die Auslieferung in die Niederlande zur Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe s die in Abwesenheit des Verfolgten verhängt worden ist, ist jeden- falls dann unzulässig, wenn der Verfolgte a) von der Einleitung und Durchführung des Verfahrens keine Kenntnis hatte,

insbesondere davon nicht durch amtliche Mitteilung benachrichtigt worden war, und

b) in jenem Verfahren nicht durch einen Verteidigung vertreten (verteidigt) wor- den ist.

2. Die niederländische Rechtsbehelf das „verzet" reicht zur Wahrung nachträg- lichen rechtlichen Gehörs und völliger Neuprüfung (wie etwa bei der „Opposition" des französischen Rechts) nicht aus, wenn dem Verfolgten nicht (spätestens bei Fristbeginn) ein vollständiges Urteil übergeben und eine Rechtsmittelbelehrung erteilt worden ist.

Entschei dungs formel:

1. Die Auslieferung des Verfolgten in die Niederlande zur Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe aus dem Urteil der 5. Kammer des Sondergerichts Amsterdam vom 22. April 1949 ist n i c h t zulässig.

2. Der Antrag auf Anordnung der Auslieferungshaft des Verfolgten wird ab- gelehnt.

Gr ün de :

I. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt,

1. die Auslieferung des in Düsseldorf wohnhaften Verfolgten in die Niederlande zur Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe für zulässig zu erklären, 2. die Auslieferungshaft des Verfolgten anzuordnen.

Der gem. § 14 Abs. 1 IRG örtlich zuständige Senat hält die Auslieferung des Verfolgten für unzulässig und vermag daher auch dem Antrag zu 2) nicht zu entsprechen.

* Text nach dem vom Oberlandesgericht Düsseldorf zur Verfügung gestellten Abdruck - A2: 4 Ausi (A) 5/80 - 47/87 III - Den Beschluß faßte der 3. Straf- senat.

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Entscheidungen 485

II. 1. Der Verfolgte ist - unter Freisprechung in nicht genau ersichtlichem Um-

fange im übrigen - am 22. 4. 1949 durch die 5. Kammer des niederländischen Sondergerichts Amsterdam zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden, weil er

,,a) während des Krieges, vor dem 15. 5. 1945, vorsätzlich andere Personen der Fahndung, Verfolgung, Freiheitsberaubung oder -beschränkung, der Bestrafung oder sonstigen Maßregelung durch den Feind (Deutsches Reich) oder seitens des Feindes, dessen Helfern oder Personen im Sinne von Art. 21 des „ Sonderstraf - rechtserlasses" ausgesetzt hat, woraus redlicherweise herzuleiten ist, daß dies den Tod der Betroffenen zur Folge hatte - mehrfach begangen - ,

b) während des Krieges, vor dem 15. 5. 1945, vorsätzlich andere der Fahndung, Verfolgung, Freiheitsberaubung oder -beschränkung, der Bestrafung oder sonstigen Maßregelung durch den Feind oder seitens des Feindes, dessen Helfern oder Per- sonen im Sinne von Art. 21 des „Sonderstraf rechtserlasses" ausgesetzt hat - mehr- fach begangen -

c) während des Krieges, vor dem 15. 5. 1945, vorsätzlich dem Feind Hilfe ge- leistet hat."

2. Das Urteil ist in Abwesenheit des Verfolgten ergangen. Dieser war zu jener Zeit in den Niederlanden nicht zu ermitteln, sondern flüchtig und unbekann- ten Aufenthalts, daher zu der Verhandlung vor dem Sondergericht nicht persön- lich geladen worden, und in der damaligen Hauptverhandlung vor dem Sonder- gericht auch nicht durch einen Verteidiger vertreten. Der Verfolgte hatte keinerlei Kenntnis von dem gegen ihn geführten niederländischen Strafverfahren.

3. Die Urteilsfeststellungen ergeben im wesentlichen: Der Ver- folgte war, jedenfalls im Jahre 1943, Mitarbeiter einer in den Niederlanden be- stehenden deutschen Dienststelle mit der Bezeichnung „Zentralstelle für jüdische Auswanderung" und gehörte in dieser Eigenschaft einer „Rechercheabteilung", benannt „Kolonne H", an. Als deren Angehöriger fahndete er (gemeinschaftlich mit anderen) in Amsterdam und an anderen Orten in den Niederlanden nach niederländischen Juden, nahm sie fest und überstellte sie „den Deutschen oder ihren Helfern". Die Opfer dieser Handlungsweise des Verfolgten, unter ihnen seine Landsleute D. J. W., P. K., B. v. E., A. S., J. S. v. d. H., S. L. und R. L.-A., wurden in Sammellager verbracht und von dort nach Deutschland deportiert. Sechs von ihnen (die Vorgenannten sämtlich, bis auf den Zeugen P. K., der in andere Konzentrationslager kam und nur zufällig überlebte) kamen dann in das Kon- zentrationslager Auschwitz, wo sie den Tod fanden. Den vorgelegten ausführlichen Auslieferungsunterlagen ist im übrigen zu entnehmen, daß der Verfolgte bei seiner vorbezeichneten Tätigkeit „Kopfgeldprämien" für jeden von ihm festgenommenen jüdischen Mitbürger erhielt.

4. Das Sondergericht verurteilte den Verfolgten in Anwendung der Art. 28, 31, 57 und 102 nied. StGB, und der Art. 1, 8, 9, 11, 22 und 26 des (vorstehend als „Sonderstrafrechtserlaß" bezeichneten) niederländischen „Besluit Buitengewoon Strafrecht" - BBS - . Letzterer enthält Gesetzesbestimmungen, die nicht durch das niederländische Parlament beschlossen worden, sondern durch die niederländi- sche Exilregierung in London am 22. 12. 1943 erlassen und am 4. 9. 1944 im nieder- ländischen Staatsblad Nr. D 61 verkündet worden sowie am gleichen Tage in Kraft getreten sind. Die Bestimmungen des BBS sind den vorliegenden Auslieferungs- unterlagen zufolge von den niederländischen Gerichten stets in ständiger Recht- sprechung als gültig (gesetzeswirksam erlassen) anerkannt worden.

Nach Art. 3 BBS wurde den dort getroffenen Gesetzesbestimmungen rückwir- kende Geltung für die gesamte Zeit des damaligen Krieges beigemessen unter Außerkraftsetzung des Art. 1 nied. StGB, der in seinem Abs. 1 bestimmte, daß

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486 Entscheidungen

eine Tat nur strafbar sei aufgrund einer vor ihrer Begehung bestehenden Ge- setzesbestimmung, und der in seinem Abs. 2 bei Änderungen in der Gesetzgebung nach der Tatbegehung die Anwendung der dem Beschuldigten günstigsten Gesetzes- bestimmungen vorschrieb. Auch die Rückwirkung erkannten die niederländischen Gerichte in ständiger Rechtsprechung als gültig und wirksam an.

a) Art. 28 und 31 nied. StGB betreffen Nebenfolgen einer strafrechtlichen Ver- urteilung (etwa die Wählbarkeit zu Ämtern) sowie deren Dauer.

Art. 57 nied. StGB betrifft die Strafzumessung bei Zusammentreffen mehrerer Taten, die als selbständige Handlungen angesehen werden müssen und mehrere Verbrechen darstellen, die mit gleichartigen Hauptstrafen bedroht sind.

Art. 102 nied. StGB stellt die vorsätzliche Unterstützung des Feindes in Kriegs- zeiten unter Strafe (heutige Strafandrohung: lebenslange oder zeitige Freiheits- strafe bis zu 20 Jahren; Strafandrohung zur Tatzeit: Freiheitsstrafe bis zu 15 Jah- ren für den Grundtatbestand, lebenslange oder zeitige Freiheitsstafe bis zu 20 Jah- ren für bestimmte qualifizierte Begehungsweisen, zu denen jedoch nicht die Ober- stellung von Landsleuten in die Gewalt des Feindes gehörte - es sei denn innerhalb der Betätigung des Täters als Spion, wie aus Abs. 2 lit. 4 der Vorschrift entnommen werden könnte).

b) Art. 8 und 9 BBS betreffen die Aberkennung von bürgerlichen Rechten, um die es hier nicht geht.

Art. 1 BBS betrifft die Anwendbarkeit der Bestimmungen des BBS insgesamt auf „während der Zeit des gegenwärtigen Krieges begangene Verbrechen" generell.

Art. 21 BBS enthält eine Gleichstellung von im feindlichen Dienst stehenden Personen mit bestimmten Amtsträgern.

Art. 22 BBS enthält eine (neue, vgl. Art. 102 nied. StGB) Definition der „Hilfe- leistung für den Feind", führt jedoch ebenfalls nicht die Oberstellung von Lands- leuten in die Gewalt des Feindes auf.

Art. 11 BBS enthält die Strafandrohung für Delikte, die gemäß den Bestim- mungen des BBS als Verbrechen gelten. Gem. Abs. 1 Nr. 1 kann die Strafe für ein Verbrechen, das nach dem nied. StGB mit Gefängnis von 15 Jahren oder mehr bedroht ist, auf Todesstrafe, lebenslange oder zeitige Gefängnisstrafe bis zu 20 Jahren lauten; gem. Abs. 1 Nr. 2 kann ein nach dem nied. StGB mit Gefängnis von weniger als 15 Jahren, jedoch von mehr als sieben Jahren und sechs Monaten bedrohtes Verbrechen mit lebenslanger oder mit zeitiger Gefängnisstrafe bis zu 20 Jahren bestraft werden. (Unter den Bestimmungen des nied. StGB, auf die diese Vorschrift zutreffen soll, sind in Art. 1 Nr. 2 BBS u.a. die Art. 281-283 nied. StGB aufgeführt, somit auch die Bestimmung des Art. 282 nied. StGB, die für Freiheitsberaubung mit Todesfolge Gefängnisstrafe bis zu zwölf Jahren und bei mehrfacher Tatbestandsverwirklichung (in Verbindung mit Art. 57 Abs. 2 nied. StGB/Gefängnisstrafe) bis zu 16 Jahren androht. Das niederländische Sonderge- richt hätte daher bereits in Anwendung dieser Vorschrift in Verbindung mit Art. 11 BBS wegen jeden Einzelfalls der dem Verfolgten zur Last gelegten Freiheits- beraubungen mit Todesfolge jeweils auf lebenslange Gefängnisstrafe gegen den Verfolgten erkennen können. Jedoch ist Art. 282 nied. StGB im Urteil des Sondergerichts vom 22. 4. 1949 nicht erwähnt. Vielmehr hat das Sondergericht insoweit Art. 26 BBS (wohl als die speziellere Gesetzesvorschrift) angewendet.

Art. 26 BBS lautet: „1. Wer während der Zeit des jetzigen Krieges vorsätzlich einen anderen der

Fahndung, Verfolgung, Freiheitsberaubung oder Freiheitsbeschränkung, einer Strafe oder Maßnahme durch oder seitens des Feindes, dessen Helfern oder einer Person im Sinne des Art. 21 aussetzt, wird mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft.

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Entscheidungen 487

2. Der Schuldige wird mit Gefängnis bis zu zehn Jahren bestraft, wenn die Handlung eine Freiheitsberaubung von mehr als einem Monat zur Folge hatte.

3. Der Schuldige wird mit lebenslanger oder zeitiger Gefängnisstrafe bis zu 20 Jahren bestraft, wenn die Handlung eine schwere Körperverletzung zur Folge hatte.

4. Der Schuldige wird mit dem Tode, lebenslanger oder zeitiger Gefängnisstrafe bis zu 20 Jahren bestraft, wenn die Handlung den Tod zur Folge hatte.

5. . . .". Das Sondergericht hat also auf die von dem Verfolgten verübten mehrfachen

Freiheitsberaubungen mit Todesfolge nicht die Bestimmung des Art. 282 nied. StGB, die in Verbindung mit Art. 11 Abs. 1 Nr. 2 BBS ebenfalls in jedem Einzel- fall die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe ermöglicht hätte, angewendet, sondern die speziellere Bestimmung des Art. 26 Abs. 4 BBS, und in deren An- wendung auf die lebenslange Freiheitsstrafe erkannt, zu deren Vollstreckung die Auslieferung des Verfolgten in die Niederlande hier für zulässig erklärt werden soll.

III. 1. Der Verfolgte, von dessen Verbleib die niederländischen Strafverfolgungs-

behörden zunächst keine Kenntnis hatten, wurde am 16. 6. 1949 in das nieder- ländische Fahndungsregister eingetragen. Die Fahndung nach ihm „entfiel" am 15.2.1964 (Bl. 33 a d. A.); er wurde jedoch am 2.3.1964 erneut zur Fahndung ausgeschrieben. Am 1. 10. 1979 wurde er in ein „Sonderfahndungsblatt" einge- tragen.

Am 31. 12. 1949 war gegen ihn ein Haftbefehl des Sondergerichts Amsterdam erlassen worden unter Hinweis darauf, daß das Urteil vom 22. 4. 1949 noch nicht rechtskräftig sei (Bl. 12 d. A.).

2. Im übrigen unternahmen die niederländischen Strafverfolgungsbehörden gegen den Verfolgten für lange Zeit nichts, obwohl sie spätestens im Jahre 1956 wußten, daß er in Düsseldorf wohnte und wo er sich aufhielt (Adresse). Denn am 28. 1. 1956 wurde dem Verfolgten durch das niederländische Generalkonsulat in Düsseldorf, nämlich den Vizekonsul S H, der Tenor des Urteils des Sondergerichts vom 22. 4. 1949 mündlich bekanntgemacht (Bl. 13 d. A.), was der Verfolgte durch Unterschrift bestätigte. Ihm wurde bei dieser Gelegenheit allerdings weder eine Urteilsausfertigung oder -abschrift ausgehändigt, noch irgendeine Rechtsmittelbe- lehrung erteilt.

Am 15. 9. 1969 erfolgte eine „Mitteilung eines Abwesenheitsurteils" durch öffent- lichen Anschlag eines Schreibens der Staatsanwaltschaft an den Verfolgten vom 11.9.1969, das den Urteilstenor vom 22.4.1949 wiedergab, bei dem Landgericht Amsterdam. (Aus welchen Gründen diese Mitteilung erfolgt ist, ist unklar geblieben; vergi. Verbalnote der niederländischen Botschaft in Bonn vom 30. 10. 1981 Bl. 53 Bd. II d.A.) .

3. Ein niederländisches Abwesenheitsurteil gegen einen Angeklagten, der zur tat- richterlichen Hauptverhandlung nicht persönlich geladen werden konnte, wird gem. Art. 399 Abs. 1 lit. b nied. StPO unanfechtbar „längstens nach Ablauf von vierzehn Tagen nach dem Zeitpunkt, an dem der Verurteilte Kenntnis von dem Urteil erlangt hat". Dabei ist die Art und Weise der Kenntniserlangung unmaß- geblich; es genügt dafür z.B. etwa auch die Kenntnisnahme durch eine Zeitungs- veröffentlichung über die Verurteilung. Nach ständiger niederländischer Recht- sprechung ist eine Verurteilung dem Angeklagten schlechthin stets bekannt, wenn (sobald) er „weiß, daß er verurteilt worden ist". Er braucht die Kenntnis seiner

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Verurteilung weder von einer speziellen Justizbehörde erlangt noch von den Ein- zelheiten hinsichtlich seiner Verurteilung Kenntnis zu haben (Verbalnote der niederländischen Botschaft in Bonn vom 21. 5. 1986 an das Auswärtige Amt in der Auslieferungssache Siert Bruins, vor dem OLG Hamm (Bl. 276-279 Bd. II d. A.).

Daher ist nach niederländischer Rechtsauffassung das Urteil des Sondergerichts vom 22. 4. 1949 spätestens am 15. Tage nach der vorerwähnten Unterrichtung des Verfolgten durch das niederländische Generalkonsulat in Düsseldorf vom 28. 1. 1956 unanfechtbar und damit rechtskräftig geworden. Denn der Verfolgte hat auch nach dem 28. 1. 1956 keinerlei Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt.

Ein niederländisches Abwesenheitsurteil wird vollstreckbar mit dem Eintritt seiner Unanfechtbarkeit (Rechtskraft), Art. 557 Abs. 1 nied. StPO.

Seine Vollstreckbarkeit kann aber auch gem. Art. 557 Abs. 2 nied. StPO ein- treten, nämlich dann, wenn eine Mitteilung des Urteils nach Art. 366 Abs. 1 nied. StPO vorgeschrieben ist und diese Mitteilung (an den noch nicht rechtskräftig Verurteilten) ergeht. In einem Fall wie dem vorliegenden ist eine solche Mitteilung durch Art. 366 Abs. 1 Satz 1 nied. StPO vorgeschrieben, und sie sollte vermutlich durch die am 15. 9. 1969 erfolgte öffentliche Mitteilung (durch öffentlichen An- schlag bei dem Landgericht Amsterdam) des Schreibens der Staatsanwaltschaft vom 11. 9. 1969 an den Verfolgten, das den Tenor des Urteils vom 22. 4. 1949 enthielt, erfolgen, obwohl nach niederländischer Rechtsauffassung das Urteil vom 22. 4. 1949 längst rechtskräftig geworden war.

Obwohl die niederländischen Behörden spätestens seit Januar 1956 die Düssel- dorfer Adresse des Verfolgten kannten, wurde ein förmliches Auslieferungsersu- chen zwecks Vollstreckung der im Urteil vom 22. 4. 1949 gegen den Verfolgten verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe durch die niederländische Regierung erst- mals durch Verbalnote ihrer Botschaft in Bonn vom 29. 2. 1980 (Bl. 76 d. A.) ge- stellt, nachdem zuvor über Interpol Den Haag am 29.1.1980 ein Antrag der Staatsanwaltschaft Amsterdam auf vorläufige Festnahme des Verfolgten zur Sicherung seiner Auslieferung übermittelt worden war. Warum die Auslieferung erst 24 Jahre nach der Kenntniserlangung vom Aufenthalt des Verfolgten in die Wege geleitet worden ist, ist aus den dem Senat vorgelegten Unterlagen nicht er- sichtlich.

V. Den Erlaß eines Haftbefehls hat der Senat durch Beschluß vom 7. 2. 1980

mangels Dringlichkeit abgelehnt, weil außerdem Bedenken gegen die Zulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten bestanden, hat er am 4. 6. 1980 (Bl. 59/60 Bd. II d. A.) nähere Aufklärung und dementsprechende Ergänzung der Auslieferungs- unterlagen gefordert. Diese erbetene Ergänzung erfolgte durch die Verbalnote der niederländischen Botschaft in Bonn vom 23. 10. 1980.

In seinem Beschluß vom 13. 2. 1981 hielt der Senat die Einholung dort näher bezeichneter Rechtsgutachten für erforderlich; auf den Beschluß wird verwiesen.

Auf diese ihr mitgeteilte Entscheidung antwortete die niederländische Botschaft in Bonn durch Verbalnote vom 30. 10. 1981.

Durch Beschluß vom 24. 3. 1982 legte der zuständige Senat des OLG Düsseldorf die vorliegende Auslieferungssache dem Bundesgerichtshof vor zwecks höchst- richterlicher Beantwortung der im Vorlagebeschluß gestellten Rechtsfragen. Der Bundesgerichtshof entschied daraufhin durch Beschluß vom 30. 3. 1983.

Mit Beschluß vom 4. 7. 1983 entschied der Senat abermals, daß kein Anlaß zur Anordnung der Auslieferungshaft des Verfolgten bestehe. Am 27. 10. 1983 wurde der Verfolgte, im Beisein seines bestellten Beistandes zu dem vorliegenden Ausliefe-

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rungsersudien der niederländischen Regierung richterlich durch das Amtsgericht Düsseldorf vernommen (Bd. II Bl. 156 d. A.). Dabei erklärte der Verfolgte sich mit der vereinfachten Auslieferung nicht einverstanden. Zugleich wies er darauf hin, daß er erstmals einige Tage zuvor über seinen Beistand eine Abschrift des gegen ihn ergangenen Urteils in nichtamtlicher Übersetzung erhalten habe; ihm sei dies zuvor niemals zugestellt worden.

Mit Schreiben vom 24. 11. 1983 wies der Beistand darauf hin, daß der Ver- folgte „schon vor einigen Monaten" einen Antrag auf Einbürgerung gestellt habe (Bd. II, 162 d. A.). Das Einbürgerungs verfahren zog sich über lange Zeit hin. Erst mit Schreiben vom 21.3.1986 (Bd. II, 199 d. A.) teilte der Beistand dem Senat mit, der Verfolgte werde sein Einbürgerungsbegehren aus Kostengründen nicht weiter verfolgen, da ihm die Ablehnung seines Antrages angekündigt wor- den sei.

In der Zwischenzeit hatte der Senat keinen begründeten Anlaß, unter Außer- achtlassung des Ergebnisses des Einbürgerungsantrages des Verfolgten bereits vorab über die Zulässigkeit von dessen Auslieferung zu entscheiden, nachdem in einem ähnlichen Auslieferungsverfahren (gleichfalls einen Niederländer betreffend, dem sogar Morde während der Kriegszeit zur Last gelegt worden waren) alle Ent- scheidungen des Auslieferungssenats durch Einbürgerung des Verfolgten hinfällig geworden waren (vergi, dazu auch Beschluß des 2. Strafsenats des OLG Düsseldorf vom 6. 9. 1982, JMBl. 82, 238).

Mit Schreiben vom 16. 5. 1986 und vom 18. 8. 1986 teilte der Senat der General- staatsanwaltschaft, die zwischenzeitlich Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten beantragt hatte, eine Anzahl rechtlicher Bedenken gegen die Zulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten mit.

Nach erneuter Überprüfung der Rechtslage hat die Generalstaatsanwaltschaft mit Zuschrift vom 3. 10. 1986 die oben angegebenen Anträge gestellt.

Der Senat hat es (auch im Hinblick auf § 42 IRG) für zweckmäßig gehalten, die Entscheidung des OLG Hamm vom 23. 12. 1986 in der Auslieferungssache gegen den niederländischen Staatsangehörigen S B, - (6) 4 Ausi 27/78 OLG Hamm-, abzuwarten, in der teils ähnliche oder gleiche Rechtsfragen zu klären waren.

VI. 1. Das vorliegende Auslieferungsersuchen der niederländischen Regierung ge-

nügt in förmlicher Hinsicht den Erfordernissen nach Art. 12 EuAlÜbk. Es richtet sich gegen einen ausländischen (niederländischen) Staatsangehörigen, der grund- sätzlich der Auslieferung aus Deutschland unterliegt. Es betrifft auslieferungsfähige Straftaten im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EuAlÜbk. Freiheitsberaubung mit Todesfolge ist auch nach deutschem Recht mit Freiheitsstrafe von im Höchstmaß mindestens einem Jahr bedroht (§ 239 Abs. 1, Abs. 3 StGB).

2. Die übrigen Bestimmungen des EuAlÜbk stehen der Zulässigkeit der Aus- lieferung des Verfolgten, dessen Auslieferung ausschließlich wegen krimineller Straftaten von der GStA beantragt wird, nicht entgegen. Die verhängte Strafe übersteigt das in Art. 2 Abs. 1 Satz 2 EuAlÜbk genannte Mindestmaß.

Strafvollstreckungsverjährung (Art. 10 EuAlÜbk) ist weder nach deutschem noch nach niederländischem Recht eingetreten (§ 79 Abs. 2 StGB, Art. 76 Abs. 2 nied, StGB). Nach deutschem Recht verjährt die Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe überhaupt nicht, nach niederländischem Recht ist die Strafvoll- streckungsverjährungsfrist in keinem Falle kürzer als die Dauer der verhängten Strafe.

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3. Der Verfolgte ist durdi ein niederländisches Sondergericht verurteilt worden. Dagegen sind aus deutscher Sicht rechtliche Bedenken nicht zu erheben (Art. 101 GG). Denn offenbar sind zur damaligen Zeit in den Niederlanden solche Sonder- gerichte für die Aburteilung aller unter die Bestimmungen des BBS fallenden Straftaten generell zuständig gewesen.

VII. Gleichwohl hält der Senat die Auslieferung des Verfolgten für unzulässig (§ 29

Abs. 1 IRG). 1. Das ergibt sich zwar nicht daraus, daß das in dem Urteil vom 22. 4. 1949

als „Hilfeleistung für den Feind" qualifizierte Verhalten des Verfolgten nach deutschem Recht nicht strafbar ist. Das in dem niederländischen Urteil insoweit bestrafte Verhalten des Verfolgten steht, soweit ersichtlich, mit den als selbständige Straftaten abgeurteilten Verbrechen der Freiheitsberaubung mit Todesfolge je- weils in Tateinheit (als Dauerstraftat). Daher bestünde kein Anlaß, die Ausliefe- rung nur zur Vollstreckung des Teils der Strafe für zulässig zu erklären, der auf die (auch) nach deutschem Recht strafbaren Taten entfällt (vergi. BGH St 27, 168).

2. Jedoch ergibt sich die Unzulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten zur Strafvollstreckung nach der Auffassung des Senats hier daraus, daß der Verfolgte in Abwesenheit verurteilt worden ist.

3. Allerdings schließen die Bestimmungen des EuAlÜbk die Auslieferung zur Vollstreckung einer Strafe, die durch ein Abwesenheitsurteil verhängt worden ist, nicht generell aus. Den deutschen Gerichten steht auch nicht die Befugnis zu, das Zustandekommen eines ausländischen Strafurteils nach Maßgabe des innerstaatlichen deutschen Ver- fahrensrechts zu überprüfen (BVerfG E 63, 332 ff.; OLG Karlsruhe JR 1984, 214 = NStZ 1983, 225). Die deutschen Gerichte haben vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, daß ein ausländisches Strafurteil auf rechtmäßige Verfahrens- weise zustandegekommen ist.

In Auslieferungsverfahren ist jedoch die Überprüfung geboten, ob die Ausliefe- rung selbst und die ihr seitens des ersuchenden Staates zugrundeliegenden Akte (somit auch das ausländische Urteil) mit unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland und mit dem völkerrechtlich verbindlichen Mindeststandard an elementarer Verfahrens- gerechtigkeit, der über Art. 25 GG Bestandteil des in der Bundesrepublik Deutsch- land geltenden innerstaatlichen Rechts ist, vereinbar sind (BVerfG aaO. und E 59, 280, 283; BGH St 20, 198, 202; OLG Karlsruhe aaO.; Vogler JR 1984, 216 sowie in Grützner/ Potz, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 2. Aufl., IRG- Kommentar, § 73 Rdn. 14-21).

Die Frage, ob und unter welchen Umständen eine Auslieferung zur Vollstreckung eines ausländischen Abwesenheitsurteils zulässig ist, ist im Anschluß an die Ent- scheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 59, 280 und 63, 332, (vgl. auch NJW 1984, 1293) in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, aber auch in der Literatur, immer einschränkender entschieden und behandelt worden (vgl. Seetzen in Festschrift für Faller, 1984, 385 ff.; Vogler aaO.l OLG Koblenz GA 1983, 525; OLG Karlsruhe aaO.; OLG Stuttgart, 3. Strafsenat, Beschluß vom 3. 2. 1986, Ausi (A) 56/85).

Danach hängt die Beantwortung der Frage, ob bzw. unter welchen Voraus- setzungen eine Auslieferung zur Vollstreckung eines ausländischen Abwesenheits- urteils zulässig ist, entscheidend davon ab, ob und inwieweit die Verurteilung in einem ausländischen Abwesenheitsverfahren gegen übergeordnete, von allen Rechts-

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Staaten anerkannte Grundsätze verstoßen könnte. Maßgebliche Anhaltspunkte da- für, ob die unverzichtbaren rechtlichen Mindesterfordernisse in diesem Sinne ge- wahrt worden sind, sind dem übergeordneten Rechtsgrundsatz des „fair trial" zu entnehmen, der insbesondere die Gewährleistung ausreichenden rechtlichen Gehörs und die Wahrung der Mindestrechte einer angemessenen Verteidigung beinhaltet (BVerfG aaO.; OLG Karlsruhe aaO.). Zum Grundsatz des „fair trial" gehört, daß der Verfolgte im Rahmen des nach den Bestimmungen der ausländischen Ver- fahrensordnung durchgeführten Strafverfahren die tatsächliche Möglichkeit haben muß - und sie auch tatsächlich nutzen kann - , auf das gegen ihn gerichtete Straf- verfahren einzuwirken, sich persönlich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu äußern und dabei entlastende Umstände vorzutragen sowie deren umfassende und erschöpfende Nachprüfung - und gegebenenfalls auch Berücksichtigung - durch das ausländische Gericht zu erreichen (BVerfG E 63, 332 ff.). Dies ist aber nur dann ausreichend gesichert, wenn der Verfolgte nachweislich von dem konkret gegen ihn durchgeführten Strafverfahren und von anstehenden oder zu erwarten- den Hauptverhandlungsterminen Kenntnis erhalten hat, und wenn diese Kenntnis auf amtlicher Mitteilung beruht (Vogler aaO.).

Wenn sich ergibt, daß diese Voraussetzungen erfüllt sind, steht der Auslieferung des Verfolgten zur Vollstreckung des in einem solchen ausländischen Verfahren ergangenen Abwesenheitsurteils nach der Auffassung des Senats kein rechtlich be- achtliches Hindernis entgegen. Ein Verfolgter, dem die Wahrung seiner Rechte in solchem Umfange garantiert war, der sich jedoch gleichwohl dann dem ausländi- schen Strafverfahren willentlich entzogen hat, und der insbesondere der dortigen Hauptverhandlung absichtlich ferngeblieben ist, hat im gerichtlichen Auslieferungs- verfahren des ersuchten Staates keinen Anspruch auf weitergehenden Rechtsschutz (OLG Karlsruhe aaO.; Vogler aaO.).

4. Im vorliegenden Falle kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß der Verfolgte von der förmlichen Einleitung des gegen ihn gerichteten niederländischen Strafverfahrens überhaupt in irgendeiner Weise (geschweige denn auf amtlichem Wege) etwas erfahren hat, erst recht also nicht von der anstehenden Hauptver- handlung vor dem Sondergericht Amsterdam. Im Gegenteil spricht alles für seine völlige Unkenntnis in beiderlei Hinsicht.

Der bloße Umstand aber, daß der Verfolgte sich einem Strafverfahren im Aus- land, dessen Einleitung und Durchführung er erwartete oder erwarten mußte, schon im Voraus durch Flucht entzogen hat, kann für sich allein nicht entscheidend zum Nachteil des Verfolgten ins Gewicht fallen.

5. Hiernach ist davon auszugehen, daß der Verfolgte im Jahre 1949 in einem Verfahren verurteilt worden ist, von dem er nichts wußte, in dem er sich nicht verteidigen konnte und auch nicht verteidigt wurde. Daß in einem solchen Fall eine Auslieferung unzulässig ist, dürfte auch die heutige niederländische Rechts- auffassung sein, wie dem zu Art. 1 EuAlUbk eingelegten niederländischen Vorbe- halt entnommen werden muß (ebenso, wie nach niederländischem Recht die Aus- lieferung eines inzwischen 82jährigen Täters unzulässig wäre; vergi, hierzu eben- falls den niederländischen Vorbehalt zu Artikel I EuAlÜbk).

Die den Verfolgten treffenden Folgen dieses Abwesenheitsverfahrens sind auch nicht mehr korrigierbar. Nach niederländischem Recht steht dem Verfolgten keiner- lei Rechtsmittel oder Rechtsbehelf gegen das Abwesenheitsurteil vom 22. 4. 1949 mehr zu.

6. Dementsprechend betont die niederländische Regierung im vorliegenden Aus- lieferungsverfahren den Umstand, daß dem Verfolgten durch die mündliche Mit- teilung seiner Verurteilung (durch das niederländische Generalkonsulat in Düssel- dorf am 28. 1. 1956) die Möglichkeit eröffnet worden sei, das Urteil vom 22. 4.

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1949 (damals) mit dem „verzet" anzufechten. Die niederländische Regierung ist der Auffassung, mit der Einräumung dieses Rechtsbehelfs (vgl. dazu die Rechts- mittelbelehrung in der Fußnote Bl. 14 d. A. in niederländischer Sprache) seien dem Verfolgten in ausreichender Weise alle erforderlichen Verteidigungsrechte, auch im Sinne des Art. 6 Abs. 3 lit. c MRK, garantiert worden.

7. Dieser Rechtsauffassung vermag der Senat nicht beizutreten. Zwar trifft es grundsätzlich zu, daß rechtsstaatlichen Verfahrenserfordernissen genügt ist, wenn dem in Abwesenheit verurteilten Verfolgten die tatsächliche Möglichkeit einer späteren gerichtlichen Überprüfung des Schuldvorwurfs nachträglich eröffnet wird (BVerfG E 63, 338; 49, 342; BGH St 20, 198, 202; OLG Karlsruhe, JR 1984, 214).

Im vorliegenden Einzelfall ist dem Verfolgten jedoch eine solche tatsächlich wirksame Möglichkeit der Urteilsanfechtung nicht eingeräumt worden.

Dazu wäre erforderlich gewesen, daß der Verfolgte vom gesamten Inhalt des Urteils vom 22. 4. 1949 Kenntnis erhielt, und zwar durch Aushändigung einer - vollständigen und lesbaren - Ausfertigung der Urteilsurkunde. Denn nur so wäre er in den Stand gesetzt worden zu erkennen, welche einzelnen Vorwürfe gegen ihn erhoben und als erwiesen erachtet waren, welche Vorwürfe und Beweismittel er also zu entkräftigen haben würde. Bekanntgemacht worden ist dem Verfolgten jedoch - insoweit ist der Inhalt der auf Bl. 13 d. A. wiederge- gebenen Urkunde des Generalkonsulats vom 28. 1. 1956 eindeutig - lediglich der Urteilstenor.

Das aber reicht nach der Rechtsauffassung des Senats nicht aus. Überdies ist dem Verfolgten weder bei dieser Gelegenheit noch sonst eine

Rechtsmittelbelehrung erteilt worden. Deren (rechtzeitige) Erteilung aber hält der Senat in Übereinstimmung mit dem Oberlandesgericht Bamberg (Beschluß vom 13. 12. 1984 - 3 AR 30/84 - ) im Falle einer Verurteilung in Abwesenheit für schlechthin unerläßlich. Da auch diesem Erfordernis nicht genügt worden ist, blieb dem Verfolgten zusätzlich unbekannt, in welcher Form und binnen welcher (Aus- schluß-) Frist er das Urteil - unbekannten Inhalts im einzelnen - als solches anfechten mußte, um eine rechtskräftige Verurteilung sowie die Gefahr einer Aus- lieferung zur Vollstreckung des dann rechtskräftigen Urteils möglichst zu ver- meiden.

Hiernach hält der Senat die Auslieferung des Verfolgten zur Vollstreckung der Strafe aus dem Abwesenheitsurteil vom 22. 4. 1949 für nicht zulässig.

VIII. Beiden Anträgen der Generalstaatsanwaltschaft ist daher nicht zu entsprechen.

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