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ISSN 1613-3889 Jesuiten · 2016. 8. 2. · und langes Leben, die in sich wertvolle Le-bensgüter...

Date post: 26-Jan-2021
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2008/4 ISSN 1613-3889 Gott vertrauen Jesuiten
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  • 2008/4ISSN 1613-3889

    Gott vertrauen

    Jesuiten

  • Jesuiten1 Editorial

    Schwerpunkt2 Märtyrer des Gottvertrauens5 So vertrauen8 Maher – Zuflucht und Heimat für Frauen

    und Kinder10 Nada te turbe12 Hoffnung in Krankheit und Sterben13 Das Bittgebet14 Entscheiden aus dem Vertrauen16 Dem Leben und Gott vertrauen18 Vertrauen – trotzdem20 Gott vertrauen im Widerstand

    Geistlicher Impuls22 Mit den Psalmen beten

    Nachrichten24 Neues aus dem Jesuitenorden

    Nachrufe 200827 Unsere Verstorbenen

    Vorgestellt30 Sozialprojekte am Aloisiuskolleg

    Medien32 Baumert: Sorgen des Seelsorgers

    Personalien32 Jubilare

    33 Autoren dieser Ausgabe

    34 Freunde der Gesellschaft Jesu e.V.Spenden

    37 Standorte der Jesuiten in Deutschland

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    2008/4

  • Dezember 2008/4 Jesuiten 1

    Editorial

    Liebe Leserinnen und Leser,

    „Gott vertrauen“ – ein anspruchsvolles The-ma: Denn Leben und Handeln aus Gottver-trauen ist nicht nur für uns Jesuiten, sondernfür alle Christen zentraler Ausdruck unseresGlaubens.Wer dazu Heiter-Besinnliches erwar-tet, wird vielleicht enttäuscht werden: DenRedakteuren Johann Spermann SJ, JohannesMaria Steinke SJ und Ansgar WucherpfennigSJ ist es gelungen, Beiträge von Autoren zu-sammen zu tragen, die eher nachdenklichstimmen, ja erschüttern. Aber „Gott vertrau-en“ heißt ja, gerade in Krisen und Not dieHoffnung nicht aufzugeben, dass Gott es ist,der uns trägt und nicht verlassen wird.

    Dass Gottvertrauen sich seit jeher mit Leidund Tod konfrontieren und sich darin bewäh-ren muss, zeigt die Auseinandersetzung mitder Bildgewalt des Isenheimer Altars. Wie realElend und Schmerz aber auch heute sind, do-kumentieren die Berichte, die uns aus Indienerreichen. Dass Menschen für ihren Glaubenden Tod riskieren und dass ihr Gottvertrauensie auch im Martyrium trägt, ist dramatischeRealität in einem Land, nur wenige Flugstun-den von uns entfernt. Es ist gut, wenn wir, diewir nach wie vor ein Leben mit großen Si-cherheiten und Rückversicherungen führenkönnen, uns von den Glaubenserfahrungender Christen in Indien, aber auch im Irak, inAfrika und in den vielen anderen vergessenenKrisenregionen dieser Welt aufrütteln lassen.

    Was aus existentiellen Grenzerfahrungenwächst, bewährt sich und trägt freilich auchim Alltag: „Gott vertrauen“ spricht aus denZeugnissen einer jungen Mutter, aus den Er-fahrungen in der Berufungs- und Beglei-tungsarbeit und aus der Konfrontation mitKrankheit. Gottvertrauen vermittelt sich unsnicht zuletzt im Zeugnis derjenigen, die sich

    im Widerstand gegen Ungerechtigkeit undUnterdrückung bewähren mussten.

    „Gott vertrauen“ beinhaltet eine Spannungaus Vertrauen und Dynamik, die auch in ei-nem bekannten Wort des hl. Ignatius zumAusdruck kommt. Solches Gottvertrauen hatuns Jesuiten in diesem Jahr besonders getra-gen, als unsere Generalkongregation einenneuen Generaloberen gewählt und sich er-neut auf den Kern unserer Sendung in dieserWelt besonnen hat. Mit großer Dankbarkeithaben wir dabei die besondere Wertschätzungdurch den Heiligen Vater gespürt. Diese Er-fahrungen haben auch mir als Provinzial er-neut vor Augen geführt, dass Gottvertrauenletztlich nichts ist, was wir aus eigener Kraftleisten können, sondern dass es ein GeschenkGottes selbst an uns ist.

    Ich hoffe, dass auch Sie immer wieder dieseErfahrung machen dürfen, und wünsche Ih-nen eine besinnliche Adventszeit und einefrohe und gesegnete Weihnacht!

    Stefan Dartmann SJProvinzial

  • 2 Jesuiten Schwerpunkt: Märtyrer

    Schwerpunkt

    Märtyrer des GottvertrauensCicero schrieb einmal: „Traue niemandem,wenn du nicht viel Salz mit ihm gegessenhast.“ Viele katholische Christen in Indien ausdem Bezirk Kandhamal in Orissa und ausMangalore in Karnataka können die Erfah-rungen, unter Morddrohungen zum Hinduis-mus konvertieren zu müssen, nicht mehr be-wältigen. „Wir haben alles verloren, aber dieerniedrigenden Umstände, unter denen wirunseren christlichen Glauben verleugnen sol-len, gehen mir einfach nicht aus dem Kopf“,sagt Suresh Nayak, eines der Opfer. „Sie habenmir die Haare geschoren und mich dann ge-zwungen als Reinigungsritual Ausscheidun-gen von Kühen zu trinken. Weiter wurdenwir gezwungen, eine Erklärung zu unter-schreiben, dass wir aus freien Stücken unserenchristlichen Glauben ablegen und Hinduswerden wollen,“ so Nayak weiter. Am 24. Au-gust floh er mit seiner und 20 weiteren christ-lichen Familien aus Pirigurg, einem Dorf imBezirk Kandhamal, in den nahe gelegenenDschungel. Vorher waren sie gewarnt worden,dass hinduistische Extremisten planen, ihrDorf ins Visier zu nehmen. „Sie plündertenunsere Häuser und brannten danach alles nie-der“, berichtet er.

    Bereits am 9. September berichtete Kamal, einKatholik der UCA (United Catholic NewsAgency), wie sein Schwager Rajesh von einemwütenden Hindu-Mob lebendig begrabenworden sei. Als die Angreifer ihr Opfer zurGrube schleppten, fragte dieser sie noch, wa-rum sie ihn begraben wollten, wo er doch amLeben sei. Sie entgegneten: „Bete doch zudeinem Jesus. Er wird dich schon retten.“

    Anschließend fesselten sie ihn, warfen ihn indas Loch und bedeckten es mit Schlamm.

    Eine Ordensschwester wurde von einer Bandebrutal vergewaltigt, während bewaffnete Poli-zisten bei der Tat zuschauten, ohne einzugrei-fen. Ein um Hilfe rufender Priester wurdedarauf von dem Mob brutal zusammenge-schlagen. Die Polizei weigerte sich, den Fall inihre Akten aufzunehmen. Die Geschichten dergrausamen Verfolgungen ließen sich beliebiglang fortsetzen: Kirchen brannten und wurdenzerstört, Christen wurden ermordet und ver-trieben. Ihre Häuser wurden geplündert undniedergebrannt. Und das alles meist vor denAugen der Polizei.

    Die Bezirksregierung behauptet dagegen, dassdie Lage nun unter Kontrolle sei.Aus Sicht derRegierung, die von der radikal-hinduistischenGruppe BJP (Bharatiya Janatha Party) und vonderen Untergruppierungen dominiert wird,gibt es keinen Grund zur Unruhe. Denn derTerror gegen die Christen geht am Ende auf siezurück, und dies alles geschieht unter ihrerAufsicht. Der Terror greift bereits auf andereGebiete Indiens über, wo die BJP teilweisebzw. vollends die Kontrolle hat.

    Den Kasten, welche die Führung der BJP undihres Netzes beherrschen, geht es darum, denStatus Quo des Kastenwesens beizubehaltenund die im Bildungssektor und anderen gesell-schaftlichen Sektoren aktiven christlichenGruppen nicht zu stark zu werden zu lassen.Falls die oberen Kasten bedroht werden, sindsie bereit, ihre Gegner auch mit Hilfe von Ge-walt zu eliminieren. Mahatma Gandhi undviele andere sind Opfer solcher Gewalt gewe-sen.Hier liegt die Wurzel der Gewalt gegen dieChristen. Christen sind freilich schon immerdie verwundbarste Gruppe gewesen, da ihrverzeihender Glaube sich im liebenden Dienst

  • Dezember 2008/4 Jesuiten 3

    am Nächsten bis zum Äußersten aufopfert.

    Wie viel Salz dieses Landes haben die Christenim Vertrauen auf Gott bereits gegessen? Nein,im Angesicht der Bedrohungen haben sie sichnicht um ihr eigenes Leben gesorgt, auch nichtum ihr leibliches Wohl. Die Bedeutung desVertrauens auf Gott, das tief in der Seele dieserMenschen ruht, begegnet uns hier in einernicht erklärbaren und unfassbaren Antwort: zulieben. In der Bergpredigt sagt Jesus: „Euchaber muss es zuerst um das Reich und die Ge-rechtigkeit gehen; dann wird euch alles anderedazugegeben.“ (Mt 6,33) Bemerkenswerter-weise ist hier nicht die Sorge, sondern Vertrau-en die Antwort, die wir auf Bedrängnisse ge-

    ben müssen. Jesus schildert die Notwendigkeit,Gott zu vertrauen, mit den kürzesten Gleich-nissen der Evangelien. Er spricht über die Vö-gel des Himmels und die Blumen der Felder.Im Unterschied zu den übrigen menschlichenBedürfnissen wie Essen, Trinken, Kleidungund langes Leben, die in sich wertvolle Le-bensgüter sind, hebt Jesus den Ruf, Gott zuvertrauen, sehr klar und deutlich hervor. DieAntwort, sich nicht zu sorgen, ist daher keineblauäugige Naivität, sondern ist tieferes Ver-trauen auf Gott durch eine kindliche Liebe zuGottes väterlicher Fürsorge. Die offensichtli-che Antwort legt sich in rhetorischen Fragennahe: „Seid ihr nicht viel mehr wert als sie?“(Mt 6,26) Und: „Wie viel mehr wird er euch

    Ordensschwestern demonstrieren im August 2008 in Kalkutta gegen die antichristlichen Ausschreitungen in Orissa.

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  • 4 Jesuiten Schwerpunkt: Märtyrer

    kleiden, ihr Kleingläubigen?“ (6,30) Die Jün-ger müssen nicht nutzlos ihren Bedürfnissennachhängen, da Gott ihnen, wie auch den Vö-geln und den Blumen, seine Fürsorge zusi-chert. Jesu Lehre stellt hier das Vertrauen aufGottes umfassende Fürsorge der Sinnlosigkeitübermäßiger Angst um das künftige Wohler-gehen gegenüber. „Wirf deine Sorge auf denHerrn, er hält dich aufrecht!“ (Ps 55,23).

    Der Ruf, Gott zu vertrauen, ist in einer Situa-tion von scheinbarer Gewissheit für die zu-künftigen Wege keine große Herausforde-rung. Dann verlangt uns solch ein Vertrauenkeinen besonders liebenden Glauben an denfürsorglichen Gott ab. Gewogen in der Sicher-heit der eigenen vier Wände scheint derSpruch Jesu „Sorge dich nicht“ beinahe über-flüssig. Im Angesicht der außergewöhnlich ge-fährlichen Situation in Indien, beim Anblickentweihter und zerstörter Kirchen, bei demunerträglichen Geruch verbrannter Körperund auf blutgetränktem Boden ist der Aufrufzum Vertrauen auf Gottes Fürsorge schwerfassbar. Das angstvolle Herzklopfen dieserChristen hallt stärker in unseren Ohren als dieWorte Jesu in der Bergpredigt. Ihr Vertrauenauf Gott scheint sie selbst zu widerlegen. Sievertrauen im Angesicht dieser Widerwärtig-keiten. Vertrauen wird zu einer echten Tugend,wenn seine Lichtstrahlen nur schwer durch diedicken und düsteren Wolken der menschli-chen Unzulänglichkeiten und existenziellenBedrohungen dringen. Echtes Vertrauen aufGott zeigt sich immer dann, wenn es aus demMutterleib der düstersten Lage heraus geborenwird.

    Am Ende der Bergpredigt schreibt Matthäus,dass Jesus wie einer lehrte, der göttliche Voll-macht hat (vgl. Mt 7,29).Die didaktische KraftJesu ist offensichtlich. Der Hörer antwortet Je-sus, wenn er auf Gottes Vorsehung und weise

    Fürsorge vertraut. Dann werden ihm alle an-deren Dinge dazu gegeben. Die Bitten des„Vater unser“, das uns Tag für Tag als Gebet zurVerfügung steht, bekommen in diesem Ver-trauen eine lebendige Bedeutung. Darauf zuvertrauen ist wie die Hingabe eines Kindes.

    Haben die Opfer in Indien wirklich vertraut?Könnten sie die Tiefe ihres Vertrauens auf Gottartikulieren? Nein, wirklich tiefe menschlicheErfahrungen können nicht allein in Wortenwiedergegeben werden. Sie haben Zeugnisabgelegt für ihr Vertrauen. In ihrem Auflebendurch das Vertrauen drückt es sich von selbstaus. Sie hatten allen Grund, sich zu sorgen,doch ihr Glaube hat ihre weltlichen Sorgenüberlebt bis zu ihrem letzten Atemzug. Unddie betroffenen Christen an diesen Orten be-zeugen auch weiter laut ihr Vertrauen auf denfürsorglichen und liebenden Gott. In mensch-licher Abhängigkeit und Verletzbarkeit wirddas Vertrauen auf Gott besonders sichtbar. Aufdie Fürsorge Gottes zu vertrauen ist, wie in derdunkelsten Dezembernacht ein Glühwürm-chen am Horizont zu finden und sich von ihmden Weg weisen zu lassen. Vertrauen auf Gottist wie das zarte Streicheln einer Mutter fürein verängstigtes Baby. Es ist wie die Wärmedurch den Blutstrom eines belebenden Glau-bens. Diese heutigen Märtyrer sind in der TatMärtyrer eines unermüdlichen Vertrauens, daszuerst nach dem Reich Gottes und seinerGerechtigkeit sucht. ■

    Thomas Kattathara SJÜbersetzung: Marco Rocco

  • Dezember 2008/4 Jesuiten 5

    Schwerpunkt

    So vertrauen …„Dies sei die erste Regel für das, was zutun ist: Vertraue so auf Gott, als hinge dergesamte Erfolg der Dinge von dir, nichtsvon Gott ab; wende ihnen jedoch alle Mühe so zu, als werdest du nichts, Gottallein alles tun.“ (Ignatius von Loyola)

    Auf Gott vertrauen, als ob alles von mirabhinge? Und mich anstrengen, als oballes von Gott abhinge? Ist da nicht et-was durcheinander gekommen? Musses nicht so lauten: Vertraue so auf Gott,als hinge der gesamte Erfolg der Dingevon Gott und nicht von dir ab? Und:Wende den Dingen alle Mühe so zu,als werde Gott nichts, du alles tun? Wä-re denn nicht das perfekte Vertrauenauf Gott so, dass man ihm alles zutrau-te? Und wäre nicht mein Einsatz fürdie „Dinge“ dann am engagiertesten,wenn ich nicht damit rechnete, dassGott mir im Notfall die Kartoffeln aus demFeuer holte?

    Aber beim hl. Ignatius ist nichts durcheinan-der gekommen. Liest man den kurzen Textaufmerksam, dann merkt man, dass er sich nurvon dem kleinen Wort „so” her verstehenlässt. „Vertraue so“ kann man leicht als eineMaßeinheit verstehen. Dann könnte es auchheißen: strenge Dich an sosehr Du kannst.Und: vertraue auf Gott sosehr du kannst.

    Aber in diesem kurzen, etwas verschachteltformulierten Rat des Ignatius geht es garnicht um das rechte Maß. Es geht um dierechte Weise. Es geht nicht darum, sich zugrößeren Taten und zu größerem Gottver-trauen anzutreiben. Wie so oft bei Ignatius ist

    er mehr an Qualität als an Quantität inter-essiert. Er will nicht, dass wir mehr auf Gottvertrauen, sondern dass wir anders auf ihnvertrauen. Er will nicht, dass wir mehr arbei-ten, sondern dass wir anders arbeiten. Dasignatianische „magis“ bedeutet auch hier:Qualität, nicht Quantität!

    Wie verändert sich denn die Qualität meinesGottvertrauens, wenn ich davon ausgehe, dassalles an mir hängt? Sicherlich so, dass ich meinGottvertrauen nicht als Entschuldigung fürmeine Faulheit benutzen kann. Gottvertrauenohne meinen eigenen Beitrag gibt es genausowenig wie Zinsen ohne Kapital. Wenn ich inso einer Weise auf Gott vertraue, dass ich da-mit rechne, dass Gott durch meinen Einsatz indieser Welt handeln will, dann gibt es keine

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    Ignatius von Loyola

  • 6 Jesuiten Schwerpunkt: So vertrauen ...

    Versuchung, die Hände in den Schoß zu le-gen. Auf Gott vertrauen ist keine Entschuldi-gung, eine ruhige Kugel zu schieben. Viel-mehr heißt es wahrzunehmen, wie Gott michin seine Nachfolge ruft und zu verstehen, woich Werkzeug in seiner Hand sein darf. Ernst-haft damit zu rechnen, dass Gott mich zumMitarbeiter seiner Sendung macht, fordertein enormes Gottesvertrauen. Sich selbst alsWerkzeug zu sehen, mit dessen Hilfe Gottin dieser Welt etwas ausrichtet, geht nicht oh-ne ein gewisses Sendungsbewusstsein. Dies istnicht allen Menschen mit in die Wiege gelegtund ist dennoch der Kern der christlichenBerufung.

    Ein Vertrauen, das mich nichts kostet, fällt inder Regel nicht schwer. Wir haben ein spon-tanes Vertrauen, dass schon jemand anders dieSpülmaschine leeren wird, wenn ich es nurlang genug nicht selbst tue. So ist es auch nichtallzu schwer, in schweren Zeiten alle Proble-me und ungelösten Fragen in einem Akt derHoffnung – aber vielleicht auch der Resigna-tion – in Gottes Hände zu legen. Schwierigerwird es, wenn diese ungelösten Probleme undFragen für mich zum Auftrag werden. GottesBerufung besteht nicht nur im tiefen Glau-ben, dass Gott schon alles richten wird. Viel-mehr heißt Berufung, dass Gott mich zu sei-nem Werkzeug macht. „Gebt ihr den Men-schen zu essen!“, sagt Jesus seinen Jüngern, diein ihrer Verzweiflung über eine akute Lebens-mittelverknappung einen tatkräftigen Einsatzihres Herrn erwarten. Von Gott berufen zusein, heißt verstehen, dass ich einen Platz inseiner Sendung habe und zu erfassen, wasmein persönlicher Platz darin ist.

    Und wie ist es nun mit meiner Anstrengung,die so sein soll, als ob alles von Gott abhinge?Ist das jetzt nicht doch eine Aufforderung, sichzurückzulehnen und darauf zu vertrauen, dass

    Gott es schon richten wird? Keineswegs.Denn auch hier gilt, dass meine eigene An-strengung und Gottes Hilfe gar keine Gegen-sätze darstellen. Vielmehr sind alle „Dinge“unseres Lebens so von Gott getragen, umfan-gen und erhellt, dass all unser Tun durch Gotterst möglich und sinnvoll wird. Das Brot, dasdie Jünger an die hungrige Menge austeilen,ist das Brot vom Himmel, sind die Gaben derSchöpfung, die wir uns nicht selber gegebenhaben. Es sind die Gaben des Geistes, die wirimmer wieder vom Herrn empfangen. Alles,was wir tun, hängt von Gott ab. In ihm „lebenwir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg17,28). Dieser Tatsache nicht Rechnung zutragen, wäre überheblich und unklug. Richtigzu handeln heißt, sich bewusst zu bleiben, wasund wer uns in unseren Handlungen trägt,aber auch bindet.

    Es wird gesagt, dass der französische AutorMarcel Proust von der Erfindung des Flug-zeugs tief beeindruckt war. Er war ein Zeit-zeuge dieses großen technischen Durch-bruchs. Proust war nicht nur davon fasziniert,dass man mit dem Flugzeug eine Geschwin-digkeit erreichen konnte, die für ein Auto un-denkbar war. Was den größten Eindruck aufihn machte, war der Trick, mit dem die hoheGeschwindigkeit erreicht werden konnte. Eswar so einfach. Man hatte einfach das Medi-um geändert, das das Fahrzeug trug. Was aufder Straße auch mit großem Aufwand an Kraftnicht möglich gewesen wäre, war leicht in derLuft. Die Erfinder des Flugzeugs hatten er-kannt, dass ein bloßes „mehr“ an erdgebunde-ner Geschwindigkeit nicht ausreichte, um dengewünschten Effekt zu erreichen. Es brauchteetwas ganz Anderes, nämlich die tragendeKraft der Luft. Für das Auto war die Luft nurein zusätzlicher Widerstand gewesen. Für dasneu erfundene Flugzeug war es die Vorausset-zung, sich überhaupt voranzubewegen – und

  • das mit großer Geschwindigkeit! Marcel Proustlässt in seinen Gedanken über die Erfindungdes Flugzeugs etwas sehr Wichtiges über dieignatianische Spiritualität und über denchristlichen Glauben zum Ausdruck kom-men: Was Gott tut und was wir tun, sind keineGegensätze, so wie die Kraft des Flugzeugesund die tragende Kraft der Luft sich nicht ge-genseitig aufheben oder miteinander konkur-rieren. Fliegen ist überhaupt nur möglich, weildie Luft trägt. Ein Leben im Glauben, ein Ein-satz für das Reich Gottes, ist ebenfalls nurmöglich, weil Gottes Reich schon geheimnis-voll unter uns gegenwärtig ist, uns gleicher-maßen trägt und gerade durch seine geheinis-volle Gegenwart unseren Einsatz fordert.

    Die kurze Regel des Ignatius mag ein Wort-spiel sein, das uns immer wieder verdutzt unduns wie ein logischer Widerspruch vor-kommt. Aber das ist wohl so beabsichtigt, weilauch das Reich Gottes sich nur in wider-sprüchlichen Beschreibungen begreifen lässt:Es ist ein Geschenk Gottes, und dennochmüssen wir es erjagen (Phil 3,14). Es ist dasLicht, das verkündet werden muss, und das,obwohl es von Anfang an war (Joh 1,1-5 und1 Joh 1,1-3). ■

    Philip Geister SJ

    Dezember 2008/4 Jesuiten 7

    Gott vertrauen heißt wahrnehmen, wie Gott mich in seine Nachfolge ruft: Jugendliche auf dem Pilgerweg nach Santiago

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  • 8 Jesuiten Schwerpunkt: Zuflucht

    Schwerpunkt

    MaherEin Ort der Zuflucht und Heimatfür Frauen und Kinder

    Eine Mischung aus Bildungsurlaub, Eintau-chen in eine andere Kultur mit ihren Farben,Gerüchen, Geschmäcken und der Konfrontati-on mit Armut und Leid war es, was fünfzehnStudierende der Katholischen Hochschulge-meinde Würzburg in Indien erlebten. Maher,ein Frauen- und Kinderprojekt war unser Ziel.

    Nichts anderes als das nackte Leben besitzenviele Frauen und Kinder, die Schwester Lucyund ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeitervon den Straßen holen. Zusammen mit P.Francis D´Sa hat sie vor gut zehn Jahren denVerein Maher ins Leben gerufen. Dieser bringtHoffnung und Zuversicht in das Leben derBewohner.

    Armut ist uns täglich auf unserer Reise begeg-net. Mit beengten Wohnverhältnissen, betteln-den Kindern bis hin zu übel riechenden Slumswurden wir ständig konfrontiert. Hilflos stan-den wir da und mussten mit den Tränen kämp-fen. Doch trotz dieser erschlagenden Eindrü-cke gab es immer wieder Zeichen derHoffnung.

    Maher möchte den Menschen Familie sein, diekeine mehr haben. Egal, welcher Herkunft,Kaste oder Religion Menschen angehören –alle sind mit ihren Bedürfnissen willkommen.„Jede Frau kann zu uns kommen, ganz gleich,welcher Religion sie angehört“, lacht Schwes-ter Lucy. Es leben Hindus, Moslems, Christenund Buddhisten friedlich in Maher zusammen.Die großen Feste aller Religionen werden ge-

    meinsam gefeiert. Niemand wird gezwungen,eine andere Religion anzunehmen, aber manlernt sich kennen.Die Leute in Maher erfahrenso, dass die Religion keine Mauern und Zäunezwischen den Menschen errichten muss. AlsZeichen hierfür findet man in jedem Haus desProjekts ein Bild im Eingangsbereich. Hieraufsind Symbole aller Religionsrichtungen in In-dien dargestellt. Sie sind im Kreis um ein Lichtangeordnet, das alle Religionen verbindet.

    Soweit möglich werden die Regeln und Fest-tage im Alltag von Maher berücksichtigt. JedenMorgen beten und meditieren die Mitarbeitergemeinsam mit den Kindern.

    Die Geschichte eines Jungen zeigt uns, dassjede und jeder Einzelne Selbstvertrauen ge-schenkt bekommt und individuell gefördertwird bis hin zu einem Studium.

    Einen fröhlichen jungen Mann nahmen wirauf dem Weg zum Haupthaus von Maher inunserem Bus mit. Unser Fahrer sah ihn auf denSchulbus warten. Er ist im kommenden Jahrmit der Schule fertig und fängt in Pune an,„BB“, eine Art Wirtschaftswissenschaften, zustudieren. Seit zehn Jahren lebt er in Maherund strahlt die Hoffnung aus, die in ihn ge-pflanzt wurde.

    Er war auch einer der 30 Jugendlichen, die imMai dieses Jahres mit Schwester Lucy nachEngland reisten. Bildung ist ihr sehr wichtig,denn ohne Bildung sieht sie keine Zukunft fürdie Menschen, die ihr anvertraut sind.

    Am 15. August feiert Indien seine Unabhän-gigkeit von der britischen Kolonialherrschaft.Gandhi hat diese vor sechzig Jahren gewaltlosherbeigeführt und sich sein Leben lang für dieGleichberechtigung aller Menschen einge-setzt. Die ganze Maher-Familie trifft sich mitüber 900 Frauen, Kindern und Mitarbeitern inVatsalyadham, dem größten Haus des Projekts.Jugendliche führen Tanzstücke über GandhisLeben und ihre eigene Geschichte auf. Der

  • Leben und ihre eigene Geschichte auf. Derjunge Mann war einer der Hauptdarsteller.

    Hierbei werden die extrem unterschiedlichenWelten deutlich, in denen auch schon die jun-gen Mitglieder der „Familie Maher“ leben:

    Einerseits werden bis an die Schmerzgrenzeplastisch die wahren Geschichten von zweiFrauen nachgestellt. Ein Mädchen wird verge-waltigt und anschließend als unrein von der ei-genen Familie verstoßen. Sie hat keine Chancemehr in der Gesellschaft. Dieses Mädchen lebtnun in einem Haus von Maher. Im nächstenStück wird gezeigt, wie ein Kind zusehenmuss, wie sein betrunkener Vater die Muttermit Benzin übergießt, anzündet und sie bei le-bendigem Leib verbrennt. Das sind Begeben-heiten, die nicht selten vorkommen in Indienund die viele im Raum kennen.

    Und dann treten andererseits die gleichen Ju-gendlichen in ihren in den schönsten Farbenschimmernden Kostümen mit einem moder-nen Tanz auf. Sie sprühen nur so vor Begeiste-rung!

    Sr. Lucy hat mir durch ihr Beispiel sehr vielKraft gegeben. Sie gibt keinen Menschen auf,sei die Situation auch noch so aussichtslos. Fürjeden findet sie die beste Lösung. Und sie wei-gert sich, den Spielregeln der korrupten Ge-sellschaft zu folgen. Mit Schmiergeldern könn-te sie manches Problem schneller lösen. Dochsie beharrt darauf, ihr Gottvertrauen und ihrechristlichen Werte nicht zu „verkaufen“.

    Diese Spannung auszuhalten zwischen Armut,Hilfe suchenden Menschen, menschlichenGrundbedürfnissen und den Rahmenbedin-gungen, die sie vorfindet, ist ihre Lebensaufga-be. Das schafft sie, indem sie Gott jeden Morgendarum bittet, ein weiches Herz zu bewahren.Nur so kann das Schicksal der Menschen sieimmer wieder auf´s Neue berühren. Das istGottvertrauen, das Hoffnung macht. ■

    Lioba Grewe

    Dezember 2008/4 Jesuiten 9

    Indischer Unabhängigkeitstag in Maher: Ehemalige Straßenkinder spielen das Leben Mahatma Gandhis nach.

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  • 10 Jesuiten Schwerpunkt: Nada te turbe

    Schwerpunkt

    Nada te turbe*Vertrauen bei der Erziehung vonKindern

    Wir fahren gemeinsam im Auto, als das Ge-spräch auf das Thema Vertrauen kommt. MeinMann denkt dabei zunächst an Vertrauen inPersonen. Ich denke an Vertrauen auf glückli-che Abläufe: der eigenen Vita, der Entwick-lung der Familie, der ganzen Welt. Unser acht-monatiger Sohn sitzt im Fond und übtÖ-Laute, der ältere ist seit zehn Minuten imKindergarten. Vertrauen ist ein ganz wichtigerBaustein zum Glücklichwerden, soviel ist klar.Aber woher kommt es und was bedeutet es fürEltern?

    Wir finden beide, dass Vertrauen das Wich-tigste für die Gründung einer eigenen Familieist. Wir entscheiden uns für Kinder, wenn wirdarauf vertrauen, dass sie in den nächstenachtzig Jahren eine lebenswerte Welt vorfin-den. Wenn wir Vertrauen in unseren Partnerhaben, mit dem wir die Kinder gemeinsam er-ziehen wollen. Und wenn wir Vertrauen inunsere Fähigkeit haben, ihnen geistig und ma-teriell dauerhaft ein gutes Zuhause schaffen zukönnen. Dieses Vertrauen hatten Eltern zu al-len Zeiten, selbst in den schlimmsten Kriegs-und Krisenzeiten wurden Kinder geboren.Der Glaube an einen zum Guten lenkendenund beschützenden Gott ist für GläubigeFundament einer Entscheidung für die El-ternschaft. Außerdem vertrauen wir als Chris-ten auf den besonderen Schutz Gottes für dieKinder. Schließlich ist Gott als Kind zu unsgekommen und hat während seines Wirkens

    auf Erden immer wieder Kinder in den Mit-telpunkt gestellt.

    Aber was heißt das konkret? Wenn wir Elternwerden wollen, müssen wir uns ganz daraufeinlassen. Wir wissen nicht, was uns erwartet,und wir können nicht mehr zurück. Es stelltuns vor neue Herausforderungen, die wir imInteresse unserer Kinder zu meistern haben.Diese Notwendigkeit der Offenheit und desGottvertrauens durchzieht bereits die gesamteSchwangerschaft und stellt uns immer wiederauf die Probe. Jeder, der in der Situation war,weiß sicher noch, wie Phasen euphorischerZuversicht und nagender Unsicherheit sichabwechseln.

    Ängste sind auch während des Aufwachsensder Kinder immer wieder da und sicher auchnormal. Sie sind begründet, denn immer wie-der sind unsere beiden Kinder Krankheiten,Gefahren und Schwierigkeiten ausgesetzt.Der Hinweis, dass wir diesen Ängsten mitVertrauen in Gott und in unsere Kinder be-gegnen, klingt auftragsgemäß, aber nicht un-bedingt authentisch. Wichtig ist, die bereitsbewältigte Krise, der Halt durch Freunde undFamilie, die Gewissheit, alles Erdenkliche ge-tan zu haben. Und dennoch: Vertrauen bleibtdas wichtigste Bollwerk besonders gegen dieständig lauernden diffusen Ängste. „LassenSie los“, sagte mir mein Frauenarzt auf mei-nen Hinweis, dass ich viel über möglicheKrankheiten und Missbildungen des Embry-os nachdenken muss, „sonst können Sie diekommenden 18 Jahre nicht mehr schlafen“.Der Hinweis hat mir in der Situation gehol-fen. Ich würde ihn dennoch gerne umformu-lieren in „lassen Sie sich ein“, denn dann wirddas passive Akzeptieren zu einer bewusstenZustimmung.

    *Nichts soll dich ängstigen

  • Dezember 2008/4 Jesuiten 11

    Vertrauen in unsere Kinder ist wesentlich, umunsere konkreten Elternängste zu begrenzen,denn ganz ausschalten lassen sich auch dieseleider nicht. Besonders wichtig stelle ich mirdas in der Pubertät vor, wenn die Kinder ihreeigenen Erfahrungen machen wollen, diemöglichst gegensätzlich zum bisher Erlebtensein sollen. Dies erfordert Vertrauen in die Ur-teilsfähigkeit der Kinder und Gottvertrauen,dass falsche Entscheidungen keine gravieren-den Folgen haben.

    Dieses Vertrauen in die Person, das immer aufWertschätzung des anderen und einem Werte-konsens beruht, ist bei den eigenen Kindernbesonders tief fundiert: Das Kind ist ja das vonden Eltern am meisten geliebte Wesen auf derWelt. Hinzu kommt die Gegenseitigkeit, dassalso die Kinder auch ihren Eltern – vorbehalt-los – vertrauen. Unsere kleinen Kinder sindbeispielsweise überzeugt, dass wir als Eltern

    alle Probleme sofort lösen können. Vertrauensollte daher die Basis der Beziehung von El-tern zu ihren Kindern sein, ist es jedoch nur,wenn ich mein Kind als eigenständige Personachte und ihm Raum zum Atmen lasse. Hierwird deutlich, dass die beiden Aspekte desVertrauens nicht voneinander zu trennen sind.Gottvertrauen ist Bedingung für das Vertrau-en in andere.

    Das bekannte Gebet der Theresa von Avila„Nada te turbe, nada te espante“ ist für michdas schönste Gebet im Vertrauen auf Gott. Ichmuss gestehen, dass ich die Melodie manch-mal summe, wenn mir im Alltag die Dingeüber den Kopf zu wachsen drohen. Als Elternbeten wir statt „solo Dios“ allerdings „nurGott und unsere Kinder“. ■

    Christiane Cruschwitz

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    Familie heißt Vertrauen auf Gegenseitigkeit

  • 12 Jesuiten Schwerpunkt: Hoffnung

    Schwerpunkt

    Hoffnung in Krank-heit und SterbenDer Tod stellt menschengemachten Sinn zu-tiefst in Frage. Dennoch spricht der religiöseMensch ein emphatisches „Ja“ als Antwort aufdie Frage, ob sein endliches Leben einen tiefe-ren, die Zeit überdauernden Sinn hat. Wiekann das sein? Ein Schwerkranker oder Ster-bender sieht die Lebensmöglichkeiten, dieSinn und Erfüllung stiften, in einem „schwar-zen Loch“ verschwinden.Krankheit ist immerein Verlust an Lebensmöglichkeiten und daher ein Stück vorweggenommenes Sterben.

    Die Spiritualität angesichts des Krankseinswächst in der Hoffnung, dass der Würgegriffder sich immer mehr verringernden Lebens-möglichkeiten, dass der Abgrund des Todesnicht das letzte Wort ist. Zunächst einmal gilt:Der Zusammenbruch der äußeren Möglich-keiten ist nicht zugleich auch das Ende der in-neren, geistigen Möglichkeiten. Fast jederkennt die Erfahrung, dass eine äußere Nieder-lage, eine verpasste Möglichkeit, ein zerplatz-ter Traum, sogar eine lange Krankheit dieKeimzelle sein kann, aus der ganz unerwartetetwas Neues, etwas Gutes wächst: Das bibli-sche Bild vom Samen, der sterben muss, umLeben hervorzubringen. Das passiert nicht au-tomatisch, manchmal wächst nichts, manch-mal reden wir uns die Sache nur schön. Wasorganisch wächst, braucht Zeit, und der Keim-ling bleibt vielleicht lange, unerträglich langein der dunklen Erde, bevor er ans Lichtkommt. Oft genug sehen wir nichts, was in derKrankheit Anlass zur Hoffnung gäbe. Unddennoch: Diese geduldige Hoffnung ist eineGnade, um die wir als Christen vertrauensvollbeten können.

    Aber man kann auch selbst etwas tun: Nichtwie ein Kaninchen vor der Schlange auf dieLebensmöglichkeiten schauen, die einem gera-de verschlossen sind, sondern vielmehr auf die-jenigen schauen, die mir noch gegeben sind. Sowie ein guter Koch den Kühlschrank öffnetund aus dem, was er gerade vorfindet, einschmackhaftes Mahl zaubert. Es nützt nichts zujammern: „Hätte ich doch dies oder das imKühlschrank, dann könnte ich mein Lieblings-gericht kochen!“ Noch etwas ist wichtig: DieAugen nicht verschließen für den neuenReichtum, der mir geschenkt wird, vielleichtin Gestalt eines mitfühlenden, feinsinnigenHerzens, das aus dem Leiden erwuchs. DerVolksmund sagt: An den dünnsten Ästen hän-gen die dicksten Äpfel. Wo wachsen bei mirselber neue Früchte, obwohl meine Gliederschwächer werden? Wenn man nur unvorein-genommen sucht, wird man überrascht sein,was man da alles findet.

    Aber letztlich soll uns das nicht darüber hin-wegtäuschen, dass über kurz oder lang das Ge-bäude unseres Körpers zerfällt. Und mit ihmvergehen durch Krankheit oder Alter auch vie-le unserer geistigen Möglichkeiten. Es scheint,dass wir am Ende wieder so werden, wie wirganz am Anfang als Säugling waren: Ein armse-liges Bündel Mensch, ein Bündel, das aber Lie-be spüren kann. Und wie kann ein Leben sinn-los sein, dass noch Zuneigung spüren undZuneigung schenken kann? Und sollten wirnicht unser Leben jetzt anders führen, wenn esdiese Fähigkeit zu lieben ist, die ganz am Endeunten auf der Schlussbilanz steht?

    Wir Christen glauben, dass uns vor dem letztenAbgrund eine helfende Hand entgegenstrecktwird, dass unser ängstliches Herz einmal eineletzte Ruhe findet. Der Tod hat nicht das letz-te Wort, weil der,nach dem wir uns „Christen“nennen, durch sein Sterben uns unwiderruflichund für immer Zukunftsmöglichkeiten eröff-net hat. ■

    Godehard Brüntrup SJ

  • Dezember 2008/4 Jesuiten 13

    Schwerpunkt

    Das BittgebetFangen wir mit einer grundlegenden Feststel-lung an: Ein Gläubiger ruft Gott ganz spontanan, wann immer er in Not ist.Er bittet um Ge-sundheit, wenn er, einer seiner Angehörigenoder ein Freund krank ist. Er bittet um Arbeit,falls er keine hat, er betet im Hinblick auf eineschwierige Prüfung usw.Und dennoch wurdeund wird gegen diese spontane Reaktion oftgenug folgender Einwand erhoben: Gott weißdoch schon, wessen wir bedürfen. Er weiß vielbesser als wir, was wir brauchen. Man sollte dasBittgebet aufgeben, da es Gott unseren Wün-schen dienstbar machen will. Und bibelkun-dige Menschen werden auch auf einen Satz desEvangeliums hinweisen, der da lautet: „EuerVater weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr ihnbittet.“ (Mt 6,8) Sind diese Einwände wirklichstichhaltig?

    Werfen wir zuerst einen Blick auf die Evange-lien. Darin finden wir einen Jesus, der sich im-mer wieder mit Bittgebeten an seinen himm-lischen Vater wendet. Er bittet für sich: „Vater,alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch vonmir!“ (Mk 14,36) Und er bittet für seine Jün-ger: „Simon, ich habe für dich gebetet, dassdein Glaube nicht erlischt.“ (Lk 22,31-32)Aber auch an vielen anderen Stellen ermahntJesus seine Jünger, den Vater im Himmel um alldas zu bitten, was sie brauchen. Bezeichnen-derweise lehrt er sie das „Vater unser“, ausge-rechnet nachdem er ihnen gesagt hat, dass derhimmlische Vater ihre Bedürfnisse kennt. Da-her bitten wir jeden Tag Gott um „unser täg-liches Brot“, obwohl Gott doch weiß, dass wires Tag für Tag brauchen. Auch können wir dieGleichnisse vom zudringlichen Freund undvom ungerechten Richter (Lk 11,5-8; 18,1-8)genauso wenig vergessen wie Jesu Aufforde-

    rung: „Bittet, dann wird euch gegeben.“ (Lk11,9) Und das Johannes-Evangelium sagt uns:„Der Vater wird euch alles geben, um was ihrihn in meinem Namen bittet.“ (Joh 15,16)

    Das Bittgebet entspringt der Erfahrung, KindGottes zu sein – eine Erfahrung, die an ersterStelle Jesus Christus gemacht hat und die derHeilige Geist nun in uns wirkt. Wenn wir anGott als unseren Vater glauben, und dies nichtnur ein leichtfertig daher gesagtes Wort ist,dann ist es selbstverständlich, dass wir uns inunseren Nöten und Sorgen an ihn wenden.Genau das tun alle Kinder. Und weil wir unsvoll Vertrauen an Gott wenden, werden wirnicht versucht sein, ihn für unsere Zwecke zu„missbrauchen“. Gott weiß besser als wir, wes-sen wir bedürfen, und genau darum endet je-des Bittgebet mit den vertrauensvollen WortenJesu: „Aber nicht was ich will, sondern was duwillst, soll geschehen.“ (Mk 14,36) Oder mitden Worten des „Vater unser“: „Dein Willegeschehe!“ Falls also das Bittgebet dem kindli-chen Vertrauen des Menschen Gott gegenüberentspringt, welch größeres Vertrauen kann esgeben, als alle unsere Nöte und Sorgen, Hoff-nungen und Ängste Gott vorzulegen und an-schließend uns selber seiner liebenden Handanzuvertrauen? ■

    Luis Ladaria SJ

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  • 14 Jesuiten Schwerpunkt: Entscheiden

    Schwerpunkt

    Entscheiden ausdem Vertrauen„Tu in deinem Leben immer etwas, wovor du einbisschen Angst hast.“

    Einer der profiliertesten Berufungsbegleiterwar der 1996 verstorbene Pater Georg Müh-lenbrock SJ, dem ich für meinen eigenenpriesterlichen Weg viel verdanke. In geistli-chen Gesprächen hat er uns öfter (mit ver-schmitztem Lächeln) den Satz gesagt: „Tu indeinem Leben immer etwas, wovor du einbisschen Angst hast.“ Das klingt zwar unge-wöhnlich, aber ich meine, dass sich von daherunsere Berufung zum Glauben ganz gut deu-ten lässt.

    1. „Tu in deinem Leben immer etwas, wovordu ein bisschen Angst hast“ – das klingt beimersten Hören sperrig und seltsam. Kennen wirnicht das Sprichwort: „Angst ist ein schlechterRatgeber“? Kennen wir nicht auch Men-schen, die vor lauter Angst, etwas falsch zu ma-chen, blockiert sind und gar nichts tun? In derTat, oft genug können Ängste innerlich so läh-men, dass sie uns auch äußerlich handlungsun-fähig machen. Es ist wichtig, genau hinzuhö-ren: „Tu in deinem Leben immer etwas, wovordu ein bisschen Angst hast“ – auf dieses biss-chen, auf die richtige Dosierung kommt es an.Genauso problematisch wie zu viel Angst wä-re nämlich eine falsche Selbstsicherheit, dieSchwächen verdrängt und Risiken überspielt.„Ein bisschen Angst“, das heißt: NüchterneSelbsterkenntnis und das Wissen um die eige-nen Grenzen machen offen und frei dafür,Hilfen anzunehmen. Die Offenheit für Gottschafft einen neuen Freiraum, in dem Mut undZuversicht wachsen können.

    2. „Tu in deinem Leben immer etwas, wovordu ein bisschen Angst hast“ – genauso wich-tig ist es aber, dass dieser Satz keine Selbstver-tröstung darstellt, sondern dass er mir vonanderen gesagt wird. Dahinter steht dieErfahrung, dass Ängste aus eigener Kraft meistnicht zu überwinden sind – es braucht dazudie Erfahrung geschenkten Vertrauens und dasWissen, dass jemand mir etwas zutraut. Beru-fung, egal in welcher Form, gelingt nichtdurch bloße Selbstreflexion, sondern wird nurdurch den Vertrauensvorschuss Gottes mög-lich. Von unseren eigenen Voraussetzungenher wirkt das zunächst als Überforderung undZumutung. Aber vom Glauben her ist es ge-nau umgekehrt: Gott spricht uns Mut zu, die-sen Weg zu wagen, wenn wir uns von ihmangenommen und gehalten wissen. Diese Er-fahrung können wir uns nicht selbst vermit-teln. Was wir in der Kirche brauchen, sind imGrunde Menschen, welche diese Aufgabe derErmutigung übernehmen und andere moti-vieren, ihren Weg mit Gott zu entdecken undihn konsequent zu gehen. Nur wenn wir zuÜbersetzungshelfern für den Vertrauensvor-schuss Gottes werden, können Berufungenwahrgenommen und weitergeführt werden.

    3. „Tu in deinem Leben immer etwas, wovordu ein bisschen Angst hast“ – das „tu etwas“ist schließlich wichtig. Es gibt oft die Auffas-sung, man könne eine Lebensentscheidungerst dann treffen, wenn alle Bedenken ausge-räumt und sämtliche Risiken abgeklärt sind.Wer so denkt, blockiert sich in seiner Über-vorsicht wieder selbst. Natürlich gibt es einengeistlichen Entscheidungsprozess, der das Ge-genteil von Leichtfertigkeit ist und in demProbleme nicht verdrängt werden. Es gibt abereine Zeit des Abwägens und eine Zeit desHandelns. Jede Entscheidung, die sich überlange Zeit in unserem Innern vorbereitet undheranreift, hat auch unwiederholbare, präzise

  • Zeitpunkte für ihre Verwirklichung. Es gibtauch im Glauben verpasste Gelegenheitenund verspielte Chancen. Keine Entscheidungist auch eine Entscheidung, nämlich eine Ent-scheidung gegen Gottes Führung und letzt-lich ein Misstrauen gegenüber seiner lieben-den Nähe. Auf dem Weg des Glaubens stehenwir immer wieder vor Entscheidungen, beidenen Risiken zwar gesehen, aber nie ver-mieden oder ganz beseitigt werden können.Sehr wohl möglich ist aber ein Grad an Ge-wissheit, der mit Hilfe einer „Unterscheidungder Geister“ Zweifel, Bedenken und Gegen-argumente zulässt, aber sie in einem Grund-gefühl gläubigen Gehaltenseins Gott anver-traut. Auch wenn wir im einzelnen nichtwissen, was auf uns zukommt, wissen wirdoch, wer auf uns zukommt: Gott selbst, derunser bruchstückhaftes Leben in das Ganzeseines Planes mit der Welt einfügt. Daraufdürfen wir vertrauen.

    Unser Leben wird immer wieder von Fragenund Unsicherheiten begleitet sein, die uns ausdem Gleichgewicht bringen. Es wäre falsch zumeinen, dass sich christliche Berufung da-durch verwirklicht, indem aus AngsthasenDraufgänger und aus Vorsichtigen Entschlos-sene werden. Seelische Ausgeglichenheit istanders: Wir können unser Verhalten nur ver-ändern, wenn wir zuvor immer wieder unserLeben von Gott verwandeln lassen. Dannwerden nämlich unsere Hemmungen zur„begnadeten Angst“, die Gottes WirkenRaum gibt und gerade so auch den MenschenMut macht. ■

    Dr. Karl Hillenbrand

    Dezember 2008/4 Jesuiten 15

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    Vertrauen beim Bungee-Sprung: Sich fallen lassen können

  • 16 Jesuiten Schwerpunkt: Dem Leben und Gott vertrauen

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    Dem Leben undGott vertrauen Vertrauen wächst aus Erfahrung und kannbrechen. So bei meiner Kollegin Claudia, de-ren Nase ausgerechnet bei einer Vertrauens-übung brach. „Lass dich von der Tischkanterückwärts in die Arme der anderen Kursteil-nehmer fallen!“, verlangte der Ausbildungs-leiter kurz vor dem lauten Knacks.

    Erstaunlich, worauf wir uns einlassen können– weil wir vertrauen. Bemerkenswert, mitwelch großem Vertrauensvorschuss an unsereUmwelt wir so ganz selbstverständlich leben.Wir erwarten, dass morgen wieder ein neuerTag kommt und wir vertrauen ganz selbstver-ständlich auf das verkehrsgerechte Verhaltender anderen Autofahrer.

    Gestützt auf positive Erfahrungen der Ver-gangenheit erwarten wir intuitiv, dass allerleiVorgänge in der Zukunft zu einem positivenAbschluss kommen. Die grundlegende, posi-tive Einstellung dem Leben gegenüber wirdin der Psychologie „Urvertrauen“ genannt.Dies tief sitzende Vertrauen verdanken wirunseren Eltern. Anfangs hilflos, erfahren wirnach unserer Geburt, dass es Menschen gibt,die sich unser annehmen und uns am Lebenerhalten.

    Wir lernen vertrauen, erwerben uns im güns-tigsten Fall ein gutes Selbstwertgefühl, einhohes Selbstvertrauen sowie ein – hoffentlichselten enttäuschtes – Vertrauen in unsere Mit-menschen und das Leben. Erst lernen wir zuvertrauen. Das Misstrauen kommt später.Wobei wir beides brauchen – gesundes Miss-trauen und gesundes Vertrauen.

    Vertrauen wächst aus der Erfahrung. Aberkann man Gott vertrauen, den man nicht sieht?Ja, weil auch das Gottvertrauen im Rückblickauf Erfahrungen im Leben wächst, in denenich eine Fügung und eine Führung Gottes er-kennen kann.

    Wie sieht dann Gottvertrauen aus? In der Er-fahrung, dass Gott gegenwärtig ist und ich da-rum gelassen im Jetzt leben darf? Vielleicht istes das Vertrauen darauf, dass Gott aus unseremfragmentarischen Erleben und Handeln einGanzes macht. Oder es drückt sich in der Hoff-nung darauf aus, dass das, worauf wir bauen,nicht mit dem Tod zerfällt.

    Gottvertrauen ist keine Selbstverständlichkeit.Für mich ist klar, dass mir mein Gottvertrauenschon oft geholfen hat, die richtigen Entschei-dungen zu treffen und in schweren Situationenbuchstäblich zu überleben. Aber genauso erle-be ich bei mir und in der Seelsorge auch bei an-deren, dass dieses Gottvertrauen brechen kann.Dann schleicht sich dort, wo das Gottvertrauenwohnen sollte, Angst, Misstrauen, Zorn oderVerzweiflung ein. „Ich könnte das Kreuz vonder Wand reißen!“, klagte letzte Woche einevergrämte Frau im Gespräch.

    In wünsche mir von mir als Seelsorger im Mit-spüren immer mehr, den Druck halten zukönnen und ein verlässliches Gegenüber zubleiben. Mir ist es wichtig, in solcher Not mitmeinem eigenen Vertrauen und Beten präsentzu bleiben und zuzuhören. Und ich möchteklarstellen, dass Vertrauen keine Sache der Mo-ral ist. Selbstverständlich darf mein Gegenüberauf Gott zornig sein! Die Beziehung zu Gottverlangt Ehrlichkeit!

    Wo finde ich aber in Notsituationen das Gott-vertrauen wieder, das den Kopf frei macht unddas Herz mit Zuversicht füllt?

    Der Verstand findet vielleicht Halt im Nach-denken über das Evangelium.Mir ist in solchenMomenten die Erzählung vom Seegang des

  • Sich aufeinander verlassen können: Partnerübung bei einem Seminar in Meschede.

    Dezember 2008/4 Jesuiten 17

    Petrus sehr nahe. Wie so viele Menschen nachihm ist auch der „Fels in der Brandung“ ge-scheitert. Er ist nicht perfekt, noch nicht fertig.Er kann sein Vertrauen nicht ganz und vorbe-haltlos auf Gott setzen und bleibt doch in undnach dieser Erfahrung auf dem Weg mit Jesus.Darüber hinaus erinnern mich diese Verse da-ran, dass es vielleicht doch so ist, dass Gott mirhilft, auch wenn mir gerade der feste Bodenunter den Füßen fehlt.

    Über die Betrachtung der Zusagen Jesu imNeuen Testament kann viel wachsen. Mit derneu gefundenen Ahnung von Gottes Gegen-wart entsteht und wächst das Gefühl der Zu-versicht, des Geborgenseins in Gott, das Gott-vertrauen eben. Dann ist der Schritt nichtmehr weit, das Schwere, das Leid, mein Ge-schick und das anderer in Gottes Hand zu ge-ben – im Gebet oder mit einer Kerze vor demAltar.

    Am Ende braucht es aber noch eine zusätzlicheDimension: Ich glaube, das Gott-vertrauen-Können ist zu einem großen Teil GeschenkGottes. Es stellt sich manchmal in der Stille,manchmal in menschlicher Begegnung ein. Eswirkt anfangs noch ganz unbemerkt in denmühsamen ersten Schritten des Weitergehensin und aus der Krise. So kann das Gottvertrau-en wieder wachsen, auch aus den Erfahrungen,die mir vielleicht ursprünglich nicht einsichtigwaren und mir und meinen Wünschen even-tuell sogar quer kamen. Erst im Rückblickkann ich dann vielleicht wie Jesus sagen:„Nicht mein, sondern Dein Wille geschehe.”■

    Johann Spermann SJ

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  • 18 Jesuiten Schwerpunkt: Vertrauen – trotzdem

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    Vertrauen –trotzdem

    Übergroß weist der Zeigefinger von Johannesdem Täufer auf das Kreuz. Meister Mathis,auch Meister Grünewald genannt, schuf 1506-1515 dieses Meisterwerk für das Antoniter-Spital in Isenheim bei Colmar. Was wir hiersehen, war der geschlossene Zustand des Flü-gelaltars. In der Mitte – übergroß – ist Jesus amKreuz zu sehen. Daneben steht Johannes derTäufer, ein Lamm zu Füßen, die Schrift inHänden. Zur Rechten Jesu sehen wir Johan-nes, der Maria, die Mutter Jesu, stützt. Darun-ter, noch etwas kleiner dargestellt, sieht mandie händeringende Maria Magdalena.

    Die Antoniter waren ein Orden, der sich in sei-nen Spitälern um unheilbar Kranke kümmer-te. Wer zu ihnen kam, litt an Antoniusfeuer, ander Pest, der Cholera oder den tödlichen Fol-gen der Syphilis. Wegen der Ansteckungsge-fahr wurden die Kranken außerhalb der Städteisoliert. Die Antoniter waren berühmt für ihrePflege und ihre ärztliche Kunst. Das Spitaldürften vermutlich dennoch nur wenige derKranken lebend verlassen haben. Das Altarbildwar für die Kranken gemalt. Gleich nach ihrerAnkunft brachte man sie in die Kirche. Wiemag dieses Altarbild wohl im Dämmer einesnur durch bunte Scheiben erhellten Kirchen-schiffs auf sie gewirkt haben? Der monumen-tale Leichnam Jesu muss aus dieser Dunkelheitherausgeleuchtet haben. Denn an diesemKreuz hängt ein Toter. Sein ganzer Leib istnoch gezeichnet von Martyrium und Todes-kampf, monumental dargestellt vor einer leb-losen, dunklen Landschaft. Die Wunden sindkeine Striemen von der Auspeitschung. Es sind

    Wunden wie aus aufgeplatzten Geschwüren –die Spuren der Pest zeichnen diesen Jesus.

    Und was macht Johannes der Täufer unter demKreuz, diese adventliche Gestalt in der Passion?Er war beim Tode Jesu lange schon enthauptet.Und der Satz „Illum oportet crescere, me au-tem minui“, „Er muss wachsen, ich aber musskleiner werden“, ursprünglich am Anfang dersteilen Karriere Jesu den Johannesjüngern ge-sagt, damit sie ihm folgen, könnte einem hierunter dem Kreuz fast wie eine Parodie erschei-nen. Gegenüber ringt Maria von Magdala undscheint vom Leid fast zerrissen zu werden –man schaue nur auf ihre Hände! Aus Maria, derMutter Jesu, scheint dagegen selbst alles Lebengewichen zu sein: Sie ist blass wie der Tod. Wirbekommen hier zwei Weisen vor Augen ge-führt, wie Menschen trauern: Hier verzweifel-te Auflehnung, die einen fast zerreißt, dort stil-le Resignation und Selbstaufgabe.

    Das Mittelalter hat eine für uns schwer zugäng-liche Einstellung zur Krankheit. Oft wird siedort – ganz unjesuanisch – als Strafe Gottes ge-sehen. Löst aber die Krankheit Einsicht in dieeigenen Fehler aus, dann ist dies der Weg zurtieferen Heilung: Bevor man vor den Richter-stuhl Gottes treten muss, erhält man die Chan-ce zur Bekehrung. Der plötzliche Tod, und seies sanft im Schlaf, wird dagegen als schreck-lich betrachtet, hat der Sterbende doch keineChance zur Umkehr. So fremd uns dies er-scheinen mag: Ist nicht die Auseinanderset-zung mit der eigenen Krankheit, mit demeigenen Leiden und Sterben tatsächlich eineVoraussetzung für Annahme und Versöhnungmit Leben und Tod? Wo Kranke sich nicht ab-wenden, wo sie reden, statt über ihre Krankheitzu schweigen, da eröffnen sie sich und andereneine Chance zu Erfahrungen von Solidarität,Trost und vielleicht zur ersten Ahnung einerneuen Perspektive.

  • Dezember 2008/4 Jesuiten 19

    Johannes der Täufer weist auf das Kreuz: Schauhin, dieser hat sich freiwillig geopfert! Betrach-tet man die Hände Jesu, dann entdeckt man –neben Todeskampf und Schmerz, dass sie eineSchale bilden, in die der Nagel wie hineinge-legt erscheint. Schau hin, Du bist nicht alleinin Deinem Schicksal! Du hast es mit einemGott zu tun, der weiß, wie Du leiden musst,weil er selbst gelitten hat.

    Ist dies nun ein Passions- oder ein Adventsbild?Öffnet man den Flügel, auf dem Johannes derTäufer abgebildet ist, dann erscheint die far-benprächtig und leuchtend dargestellte Auf-erstehung Jesu Christi. Und der Leichnam Jesuin der Predella, der durch Johannes aufgerich-tet wird, scheint nun seinerseits geradewegsauf die Passion hinzudeuten.Man muss – unter

    Tränen vielleicht – den Mut haben, auf Kreuzund Leid zu schauen, um eine Ahnung zu

    bekommen, dass der Tod sich im Kreuz Jesuselbst verschlungen hat. Karl Rahner hat diemenschliche Situation einmal als Adventssitua-tion beschrieben: Die Ketten des Todes sindschon abgefallen, die Tür des Kerkers stehtschon offen. Wir haben uns schon erhoben –wie im Traum und ohne es schon ganz zu be-greifen. Das ist, was uns Meister Grünewald inMaria vorführt: Sie hat – obwohl noch ganz imSchmerz gefangen – die Hände zur Andachtgefaltet. Es ist Advent: Die Türe des Kerkers istschon geöffnet und der große Zeigefinger desTäufers weist uns den Weg. ■

    Tobias Zimmermann SJ

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    Der Isenheimer Altar von Matthias Grünewald

  • 20 Jesuiten Schwerpunkt: Gott vertrauen

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    Gott vertrauen imWiderstandAlfred Delp SJ und HelmuthJames Graf von Moltke

    Vertrauen und Widerstehen – zwei Grundhal-tungen im menschlichen Leben, die einanderfordern und doch einander entgegenstehenwie das Ja dem Nein. Es ist zweifellos wichtigzu wissen, wann im Leben und gegenüberwem ein Ja dran ist und wann ein Nein. Glau-ben und Vertrauen sind bedeutungsverwandt.Alfred Delp schreibt im Gefängnis: „Das Ver-trauen ist die Vollendung des Glaubens.“ (Janu-ar 1945). Am Anfang des Glaubensweges einesChristen, im Ritus der Taufe, stellt die Kirchedie grundlegenden Fragen nach dem Ja unddem Nein: Glaubst du an Gott? Widersagst dudem Satan? Dass diese beiden Fragen zusam-menhängen, ist nicht nur in Unrechtssystemenzu erleben.

    Zwei Namen stehen an dieser Stelle für einGottvertrauen im Widerstand, bis in den Tod:Alfred Delp, geb. 1907, Jesuit, in Plötzenseehingerichtet am 2. Februar 1945. Und: Hel-muth James von Moltke, geb. 1907, verheira-tet, zwei Kinder, Gutsbesitzer und Jurist, inPlötzensee hingerichtet am 23. Januar 1945.Die beiden fanden sich über ihre gemeinsa-men christlichen Grundanschauungen, ihregemeinsame Ablehnung des NS-Staates undihre Entschlossenheit zum Widerstand.

    Vermittelt durch den Provinzial P. Rösch fandP. Delp Aufnahme in den Kreisauer Kreis umden Grafen Moltke. Dort ging es um Fragen

    der Neuordnung Deutschlands und Europasnach dem als sicher angesehenen Zusammen-bruch. Zwischen Delp und Moltke wuchs ei-ne persönliche Freundschaft. Nach dem miss-glückten Attentat vom 20. Juli wurde Delpverhaftet. Moltke war bereits seit Anfang 1944in Haft. Im Gefängnis Tegel waren sie Zellen-nachbarn und fanden Wege zum „gemeinsa-men“ Bibellesen. Am 31. Dezember notiertDelp in seiner Zelle: „In einer stillen Stundeheute Nacht will ich das Jahr überdenken undmeine persönlichen Ereignisse einsammeln inein Gebet der Reue, des Dankes, der Hingabe,in ein Wort des Vertrauens und der Liebe.“Sein Gottvertrauen ist ganz konkret: Gott hatdie Macht, ihn zu retten, auch wenn alles da-gegen spricht. Aber er lässt Gott frei und ge-winnt dadurch selbst die Freiheit.

    In einer Meditation zum Fest der Erscheinung1945 schreibt er: „Das allgemeine Schicksal,meine persönliche Lage, die Botschaft des Fes-tes: alles sammelt sich in das Eine: Mensch, lassdich los zu deinem Gott hin und du wirst dichselbst wieder haben. Jetzt haben dich andere,sie quälen dich und erschrecken dich und ja-gen dich von einer Not in die andere. Das istdann die Freiheit, die singt: – uns kann keinTod nicht töten. Das ist dann das Leben, das daausfährt in die grenzenlose Weite: Adoro undSuscipe (‘Ich bete an’ und: ’Nimm mich an’):ihr Urworte des Lebens, ihr geraden und stei-len Wege zu Gott, ihr Tore in die Fülle, ihrWege des Menschen zu sich.“ Man spürt inden Texten Alfred Delps immer wieder diesenDurchbruch in die Fülle Gottes.

    Die Gerichtsverhandlung am 10./11. Januar1945 endet mit dem Todesurteil für die Freun-de. Moltke schreibt seiner Frau: „Wie gnädigist der Herr mit mir gewesen! Selbst auf dieGefahr hin, dass das hysterisch klingt: Ich binso voll Dank, eigentlich ist für nichts anderes

  • Dezember 2008/4 Jesuiten 21

    mehr Platz. Ich sollte wohl von Dir Abschiednehmen – ich vermag’s nicht. Ich sollte wohlder Lasten gedenken, die jetzt auf dich fallen –ich vermag’s nicht. Ich kann Dir nur einessagen: Wenn Du das Gefühl absoluter Gebor-genheit erhältst, wenn der Herr es Dir schenkt,was Du ohne diese Zeit und ihren Abschlussnicht hättest, so hinterlasse ich Dir einen nichtkonfiszierbaren Schatz, dem gegenüber selbstmein Leben nicht wiegt.“

    Am Ende des Briefes taucht noch einmal dasThema der „absoluten Geborgenheit“ auf:„Uns ist es nicht gegeben, ihn von Angesichtzu Angesicht zu sehen, aber wir müssen sehrerschüttert sein, wenn wir plötzlich erkennen,dass er ein ganzes Leben hindurch am Tage alsWolke und bei Nacht als Feuersäule vor unshergezogen ist, und dass er uns erlaubt hat,

    das plötzlich in einem Augenblick zu sehen.Nun kann nichts mehr geschehen.“

    Geborgenheit in Gott angesichts des nahengewaltsamen Todes, das ist wie eine Vorweg-nahme des verheißenen Zieles. Die Zeit desWiderstehens im Vertrauen auf Gott ist vorü-ber, und auch das Vertrauen selbst scheint vonGott her eingeholt zu sein. „Nun kann nichtsmehr geschehen.“ ■

    Sr. Maria-Theresia Smith OCarm

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    Alfred Delp SJ und Helmuth James Graf von Moltke (rechts hinter ihm) vor dem Volksgerichtshof in Berlin am 9. Januar 1945

  • 22 Jesuiten Geistlicher Impuls

    Geistlicher Impuls

    Mit den PsalmenbetenDer Mensch vor Gott – mit allem,was er ist

    Das Buch der 150 Psalmen (der „Psalter“) ist bisheute Gebetbuch von Juden und Christen. Inihm sind Lobpreis und Klage vereint. Vertrau-ensvolles Bekenntnis und Flehen aus tiefsterNot, zorniger Aufschrei vor Gott und hoffendesBitten folgen oft unvermittelt auf-einander. Esfinden sich Worte ergreifender Glaubenszuver-sicht neben dem Schrei der Gottverlassenheit. Esgibt im Psalter Gebete eines Einzelnen und Ge-bete der Gemeinschaft. Dabei weiß sich derEinzelne immer in der Gemeinschaft (Israels)verankert. Die Worte der Psalmen – auch dieWorte des Aufbegehrens – leben von der Zu-wendung zu Gott. Sie sind Worte gläubiger Is-raeliten, sie sind Worte des Gebetes. Und wiegläubige Juden aller Jahrhunderte in den Psal-men ihr konkretes Leben vor den Gott Israelsbrachten, so können wir Christen heute mitdiesen Worten unser konkretes Leben vor denGott Jesu Christi bringen. Psalmen sind immer Vertrauenstexte. Denn derPsalmbeter lebt vor Gott und wendet sich ihmzu. Natürlich wenn er lobt und dankt, aber auch,wenn er klagt. „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zudir!“ hören wir in Ps 130,1-2a. Derselbe Beterbekennt kurz danach: „Ich hoffe auf den Herrn,es hofft meine Seele, ich warte voll Vertrauen aufsein Wort.“ (Ps 130,5). In Psalm 115,9-11 heißtes: „Israel, vertrau auf den Herrn! Er ist für euchHelfer und Schild. Haus Aaron, vertrau auf denHerrn! Er ist für euch Helfer und Schild. Alle,die ihr den Herrn fürchtet, vertraut auf denHerrn! Er ist für euch Helfer und Schild.“ Zudiesen „allen“ gehören auch wir.

    Psalmen hören

    Wenn wir einen Psalm persönlich beten, soll-ten wir ihn zunächst einfach HÖREN, ihnruhig lesen, wirklich vernehmen, was da einGläubiger Israels sagt. Wenn etwas fremdklingt, ja anstößig, sollten wir die Worte den-noch aufmerksam zulassen. Ein Fremderspricht zu uns und wir lassen ihn zu Wortkommen und ausreden...

    Psalmen bedenken

    • Hören und bedenken, wer hier spricht. Einfrommer Wallfahrer? Ein Beter im Tempel?Ein Weisheitslehrer? Einer, der sich von Gottverlassen fühlt? Ein Jude im Exil? Oder gar einKönig? Ein leiderfüllter Mensch? Ein Verfolg-ter, Kranker, oder ein von tiefem Dank erfüll-ter Gläubiger? Zuweilen werden wir daraufkaum eine Antwort geben können. Dochmanchmal verrät der Beter zumindest, „wie esihm zumute ist“.• Hören und bedenken, zu wem er spricht. Zueiner Pilgergruppe? Zu Gläubigen im Tem-pel? Zu Juden im Exil? Zum König? Oder zusich selbst? Spricht er seine Feinde an? Ruft erdirekt zu seinem Gott? Zum Gott des Bundes,zum Gott, der ihm „Burg“ ist und „Schild“und „Rettung“?• Hören und bedenken, was er sagt. Erzählt ervom geschichtlichen Weg seines Volkes (umdas Vertrauen auf Jahwe in seiner Zeit zu stär-ken)? Bezeugt er die Hilfe Gottes im eigenenLeben (um den Glauben anderer zu wecken)?– Bittet er? Worum bittet er? – Dankt er? Wo-für dankt er? – Klagt er? Schreit er?

    Psalmen beten

    • Wenn wir einen Psalm beten, hören wir ihnnicht nur, bedenken ihn nicht nur, wir neh-men ihn in unser eigenes Leben hinein. DieWorte des Psalmisten werden zu unseren eige-nen Worten. Wir bringen unsere Freuden und

  • Dezember 2008/4 Jesuiten 23

    Nöte ein, tragen unser Leben vor den GottIsraels, vor den „Gott unseres Herrn JesusChristus“. Die Worte der Psalmen sind weitgenug, um unserer Lebenssituation Raum zugeben. Das haben Psalmenbeter aller Jahrhun-derte erfahren.

    • Es gibt in den Psalmen Aussagen, die unsfremd sind, die wir nur schwer zu Wortenunseres Betens machen können. Lassen wir sieeinfach stehen, gehen weiter und nehmenjene Psalmverse auf, die unser Leben berüh-ren. Manche jetzt dunklen, unverständlichenPsalmverse können sich zu anderer Zeit er-hellen, sie können „Licht für unsere Pfade“werden (Ps 119,105).

    • Oft mag es ein einzelner Psalmvers sein, deruns besonders anspricht. Bleiben wir dabei, sa-gen die Worte immer wieder, laut – vielleichtim Rhythmus des Atems. Das ist kein Plap-pern, gegen das Jesus Einwände hat. Solchwiederholendes Beten führt zu innerer Fülle,zum „Gebet der Ruhe“, zum kontemplativenBeten.

    • Es gibt viele Psalmverse, die zum „Stoßge-bet“ gemacht werden können. Zum Beispiel:„Der Herr ist mein Licht und mein Heil!“(Ps 27,1), „Zeig mir den Weg, den ich gehensoll“ (Ps 143,8b), „Erhöre mich bald, dennmein Geist wird müde“ (Ps 143,7a), „MeinGott macht meine Finsternis hell!“ (Ps 18,29),„In deine Hände lege ich voll Vertrauen mei-nen

    Geist!“ (Ps 31,6a), „Gott, sei mir gnädig nachdeiner Huld!“ (Ps 51,3a), „Mein Herz ist be-reit, o Gott, mein Herz ist bereit“ (Ps 57,8a).

    Das sind wirklich nur Beispiele. Eine eigeneEntdeckungsreise lohnt sich. ■

    Bruno Pfeifer SJ

  • 24 Jesuiten Nachrichten

    Nachrichten

    Neues aus dem Jesuitenorden

    Noviziat der Jesuiten: Kontinuität aufgutem Niveau

    Am 21. September sind, wie der Novizen-meister der deutschsprachigen Jesuiten, PaterJosef Maureder SJ, bestätigt, fünf junge Män-ner aus Deutschland sowie zwei Österreicherund ein Südtiroler in das gemeinsame Novizi-at der deutschsprachigen Provinzen in Nürn-berg eingetreten. Zusammen mit den im ver-gangenen Jahr eingetretenen Novizen berei-ten sich derzeit insgesamt 15 Novizen auf dieersten Gelübde vor. Für den neuen Jahrgangsind neben dem nach wie vor hohen Durch-schnittsalter von 29 Jahren auch der breit ge-fächerte berufliche Hintergrund mit entspre-chenden akademischen Abschlüssen bemerks-wert. Damit bestätige sich die Entwicklungaus den vergangenen Jahren. Josef Maureder:„Die Entscheidung für den Eintritt in denOrden ist gewöhnlich das Ergebnis eines in-tensiven persönlichen Klärungsprozesses undmeist gut fundiert. Wir freuen uns, dass wirdamit in den letzten Jahren zu einer Konti-nuität auf gutem Niveau gekommen sind.“Dies zeige sich nicht zuletzt am Ende deszweijährigen Noviziats: In diesem Herbst wa-ren es sieben junge Männer aus dem Novizi-atsjahrgang 2006, die am 14. September in derNürnberger Kirche St. Klara im Beisein desProvinzials der Deutschen Provinz, StefanDartmann SJ, ihre Gelübde ablegten. Sie set-zen jetzt ihre Ordensausbildung in ganz un-terschiedlichen Stationen fort: als Präfekt imJesuiteninternat St. Blasien, in der Jugendar-beit in Wien-Lainz, in der Glaubensorientie-

    rung oder beim Philosophiestudium in Mün-chen, bei Studenten in Zürich sowie beiSprachstudien in Frankreich. Damit, so PaterMaureder, werde deutlich, wie flexibel derOrden auf die inzwischen so heterogenenVoraussetzungen in den Biographien desOrdensnachwuchses reagiert.

    Kontinuität und Wechsel in SanktGeorgen

    Eine Reihe von Personalentscheidungen ha-ben in Sankt Georgen die Weichen für diekommenden Jahre neu gestellt: Ulrich RhodeSJ wurde nach seiner Wahl durch die Hoch-schulkonferenz vom Generaloberen des Or-dens für eine weitere Amtszeit vom 01.10.2008bis zum 30.09.2010 zum Rektor der Hoch-schule Sankt Georgen in Frankfurt ernannt.Neu im Amt ist Heinrich Watzka SJ, der inNachfolge von Medard Kehl SJ zum Prorektorgewählt wurde. Bereits in der letzten Ausgabeder JESUITEN wurde gemeldet, dass Wende-lin Köster SJ am 25. Januar das Amt des Rek-tors von Sankt Georgen antritt. Er löst damitThomas Gertler SJ ab, der im August 2009 dieAufgaben des Kirchlichen Assistenten und Na-tionalpromotors für die GCL (GemeinschaftChristlichen Lebens) in Augsburg überneh-men wird.

    Begegnungswochenende Ludwigshafen

    „Seelsorge der Jesuiten in einer säkularisier-ten Umgebung“ lautet das spannende undnicht nur im Osten unseres Landes aktuelleThema des Begegnungswochenendes, zudem Verwandte, Freunde und Förderer desOrdens traditionsgemäß in der Woche vorOstern eingeladen werden. Zu den Referen-ten des Treffens, das vom 27. bis 29. März 2009

  • Dezember 2008/4 Jesuiten 25

    in Ludwigshafen stattfinden wird, zählen diePatres Karl Kern SJ (Nürnberg), Bernd Knü-fer SJ (Leipzig) und Peter Waibel SJ (Hof). AlsTeilnehmer wird auch Provinzial StefanDartmann SJ erwartet, der die Eucharistiefei-er am Sonntag zelebrieren wird. Einladungund Programm zu diesem Wochenendekönnen angefordert werden bei P. EugenHillengass SJ: Tel 089 38185-230 bzw. unter:

    Auflösung des Standorts Würzburg

    Am 2. Oktober wurde im Beisein von Provin-zial Stefan Dartmann SJ die KommunitätWürzburg offiziell aufgehoben. Vorausgegan-gen war im vergangenen Jahr die Entschei-dung der Provinzleitung, dass das Engagementdes Ordens in der Studentenseelsorge und inder Jugendarbeit in Würzburg nach dem Aus-schieden der Patres Holger Adler SJ und Jo-hann Spermann SJ im Herbst 2008 nicht mehrfortgesetzt werden kann. Francis D’Sa SJ, derebenfalls zur Würzburger Kommunität zählte,

    ist bereits im Frühjahr 2008 nach Indien zu-rückgekehrt. Einzig Fritz Schwaiger SJ wirddem Bistum auch künftig für die Betreuungder Priester zur Verfügung stehen.

    Zwei Jesuiten in Moskau ermordet

    In Moskau sind am 28. Oktober zwei Jesuitenmit tödlichen Kopfverletzungen in ihrer Woh-nung gefunden worden. Bei den Opfern handeltes sich um den Oberen der Russischen Regionder Jesuiten, den Russlanddeutschen Otto Mess-mer SJ (47) und den aus Südamerika stammen-den Victor Betancourt-Ruiz SJ (42), Professoram Institut für Theologie, Philosophie und Ge-schichte der Jesuiten in Moskau. Ein Bruder vonPater Messmer, Hieronymus Messmer SJ, ist inder Deutschen Provinz in der Seelsorge tätig. Pa-ter Betancourt hat einen Teil seiner Ordensaus-bildung in Sankt Georgen absolviert.Am 1. November wurde in St. Klara in Nürn-berg im Beisein von Erzbischof Ludwig Schick(Bamberg) und Provinzial Stefan Dartman SJ einRequiem für die ermordeten Mitbrüder gefei-

    Novizen und Patres im Rupert-Mayer-Haus Nürnberg

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  • 26 Jesuiten Nachrichten

    ert. Am 6. November haben Berliner Jesuiten ge-meinsam mit Kardinal Georg Sterzinsky undweiteren namhaften Vertretern der KatholischenKirche eine Mahnwache vor der russischen Bot-schaft gehalten und die Regierung in Moskauaufgefordert, sich für eine lückenlose Aufklärungeinzusetzen, gegen eine verleumderische Be-richterstattung einzuschreiten und ein klaresZeichen für die Akzeptanz auch von katholi-schen Christen in Russland zu setzen. Ebenfallsam 6. November wurde in russischen Mediengemeldet, dass die Polizei einen tatverdächtigenGewaltverbrecher festgenommen habe, der denMord an den beiden Jesuitenpatres gestandenhaben soll. Dennoch gibt es weiterhin offeneFragen.Pater Otto Messmer wurde beigesetzt am 8. No-vember auf dem Ordensfriedhof in Pullach beiMünchen.

    Eine neue Statue von Pater EusebioKino SJ

    Am 27. Juli 2008 hat der Erzbischof von Trient,Mons. Luigi Bressan in Segno das neue Denkmaldes großen Missionars und Entdeckers PaterEusebio Kino SJ (siehe dazu das Schwerpunkt-thema „Der reitende Pater“ in „An unsereFreunde“ 2002) eingeweiht. Geschaffen wurdedie Bronzeskulptur von den italienischen Künst-lern Livio und Giorgio Conta. (Christof Wolf SJ)

    Personalnachrichten

    • P. Holger Adler hat im Oktober in Hamburgdie Leitung der KSJ von P. Bernd Hagenkordübernommen, der im Januar sein Tertiat beginnt.

    • P. Jörg Alt hat seine Arbeit in Belize beendetund übernimmt von Januar bis September 2009vertretungsweise die Leitung der Studentenge-meinde in Basel.

    • P. Alexander Eck betreut seit Herbst neben derStudentengemeinde in Leipzig auch die dortigeJEV-Gruppe.

    • P. Eckhard Frick ist zum 01.10.2008 zumAußerordentlichen Professor für „Anthropolo-gische Psychologie“ an der Hochschule für Phi-losophie, München, ernannt worden.

    • P. Felix Körner hat im August Ankara verlassen unddoziert seit Oktober an der Gregoriana in Rom.

    • P. Hans Langendörfer wurde im Juli 2008 inden Stiftungsrat der Katholischen UniversitätEichstätt-Ingolstadt gewählt.

    • P. Benedikt Lautenbacher hat die Arbeit vonP. Stephan Lipke in der KHG Göttingen über-nommen.

    • P. Otto Schabowicz ist Ende Oktober nachGöttingen gewechselt und unterstützt dortP. Lautenbacher in der Männerseelsorge.

    • P. Klemens Stock gehört zum Kreis der 41 inter-nationalen Experten, die von Papst BenediktXVI. zu Teilnehmern an der Weltbischofssynodeüber die Rolle der Bibel ernannt worden sind.

    • P. Ansgar Wucherpfennig ist von P. Generalzum Professor für Neues Testament an der Phi-losophisch-Theologischen Hochschule SanktGeorgen berufen worden. ■

    Zusammengestellt von Thomas Busch

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    : Wol

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  • Nachrufe 2008

    Unsere Verstorbenen

    „Wir danken dir Herr, guter Gott, für diesenMenschen, der uns so nahe und kostbar war“.Dies Dankgebet wird oft gesprochen bei derBeisetzung unserer Mitbrüder. Zum Dankgehört das Gedenken, dass wir das Leben un-serer Verstorbenen nochmals Revue passierenlassen, um uns daran zu erinnern, welche We-ge Gott die Menschen geführt hat, die sichmit ihren Kräften und Fähigkeiten, in einemkurzen oder langen Leben, in seinen Dienstgestellt haben, seinem Ruf gefolgt sind in derGesellschaft Jesu.

    Neue Kräfte wollte Br. Werner Brand in derHeimat schöpfen, um zurückzukehren nachIndien, wo er 54 Jahre seines Ordenslebensverbracht hatte. Doch nach kurzer todbrin-gender Krankheit war sein irdisches Leben im79. Lebensjahr vollendet. Eine Volksmissionhatte den Bäckergesellen bewegt, Jesuit undIndienmissionar zu werden. Nach kurzer Vor-bereitung sollte für 10 Jahre sein Einsatzortdie Leitung der Großküche im Kolleg inPoona sein. Da Br. Brand vielseitig und flexi-bel war, setzten die Obern ihn als Farmer inBelgaum ein, wo er 33 Jahre lang einen he-runtergewirtschafteten Betrieb zur Blütebrachte. Die letzten 10 Jahre war er Ministerim Noviziat. Nicht nur sein Können, sondernauch seine Treue, seine Freundlichkeit, seinVerständnis und seine liebevolle Sorge um dieMenschen kennzeichneten ihn als einenMann, der im Gebet verankert war. Als der„sonnengebräunte Bruder“, wie man ihnnannte, wird er allen in dankbarer Erinne-rung bleiben.

    Als der 72-jährige P. Heinz Gündhart aus derMission in die Heimat nach Nürnberg zu-

    rückkehrte, war der Kreis geschlossen, dennin St. Kunigund bei den Jesuiten ist der echteNürnberger aufgewachsen, was ihn zum Ein-tritt in den Orden veranlasst hat. 1957 war P.Gündhart nach Indonesien aufgebrochen, woer nach dem Erlernen der Sprache Theologiestudierte. Seine erste Stelle war am Gymnasi-um in Jakarta als Lehrer, bevor er in einer po-litisch brisanten Zeit Studentenpfarrer in Ja-karta wurde. Sein eigentliches Seelsorgsfeldhat er 1977-1987 als Exerzitienleiter gefun-den. Bei seinen Kursen konnte er aus demSchatz der ignatianischen Frömmigkeit schöp-fen, die er mit seinem fröhlichen Temperamentnahe brachte. Ab 1988 war er Seelsorger inmehreren Pfarreien und Spiritual im Priester-seminar. Mit seiner Kontaktfreude, seinem seel-sorgerlichen Eifer, seiner tiefen Frömmigkeitund seinem munteren Naturell bleibt er in le-bendiger Erinnerung. P. Gündhart hat der Todvon schwerem Leiden erlöst.

    Als Seelsorger, Minister und Ökonom wirdP. Roman Kormann, der im 94. Lebensjahrverstorben ist, in Erinnerung bleiben. Inmehreren Residenzen der Provinz war ereingesetzt. Seinen praktischen Sinn, seineHilfs- bereitschaft und seine tiefe Frömmig-keit brachte er, von einem Bauernhof und ei-ner Mühle stammend, als Mitgift ein. ImKrieg und in den schweren Nachkriegsjahrenhat er sich als Helfer in der Not bewährt. Sohat er auch den Freundebund lange Jahre ge-leitet, der bis heute die Arbeit des Ordens un-terstützt. Ausgleich fand er mit Freunden imGebirge, in der Kormannhütte, sogar eineGebirgsspitze trägt seinen Namen: die Kor-mannnadel. Neben seinem Dienst in denKommunitäten war er Seelsorger, der sich derMenschen freundschaftlich annahm, vor al-lem hatten es ihm 20 Jahre lang die Schwes-tern und die Kinder der Lachnerklinik ange-tan. Mit 88 Jahren siedelte P. Kormann insBerchmanskolleg um. Seine Bescheidenheit,Freundlichkeit und sein Humor, seine Gott-verbundenheit haben ihn liebenswert ge-macht.

    Dezember 2008/4 Jesuiten 27

  • 28 Jesuiten Nachrufe

    „Meine Berufung verdanke ich meinem Eltern-haus und der Begegnung mit P. Delp, demFreund der Familie“, so urteilt P. Karl-AdolfKreuser. Nach der Ordensausbildung entdecktendie Obern seinen praktischen Sinn und vertrau-ten ihm das Amt des Provinzökonomen an, das er32 Jahre lang innehatte. Große Umstrukturie-rungen in der Oberdeutschen Provinz erforder-ten seine ganze Kraft und sein Können. Dochsein inneres Bedürfnis drängte ihn, „nebenher“Seelsorger zu sein. Aushilfen nahm er gerne an,zelebrierte 30 Jahre um 6 Uhr bei den Barmher-zigen Schwestern, begleitete Familiengruppenund engagierte sich mit Enthusiasmus für diepolnische Partnerprovinz. Nach dem Ausschei-den aus dem Amt konnte er bis kurz vor seinemTod diese Aufgaben treu erfüllen. Im Vertrauenauf Gott hat er bewusst dem Tod entgegengese-hen. Er bleibt lebendig als der gute und getreueKnecht, dem die Provinz viel zu verdanken hat.

    Kurz vor seiner Emeritierung erlag P. Lothar Liesin Innsbruck einem unheilbaren Krebsleiden, fürdie Trauergemeinde unfassbar, da mit seiner Per-son Lebensfreude, Energie, Optimismus verbun-den waren. 1960 trat Lothar in den Orden ein.Während seiner Ausbildung zeigte sich sein Inte-resse für dogmatische Fragen. So wurde er nachder Promotion und Habilitation auf den Lehr-stuhl für Dogmatik und Ökumene in Innsbruckberufen. Die Studien über Origenes führten ihnzu ökumenischen Kontakten und in die Tiefender Sakramentenlehre. Er leistete hervorragendewissenschaftliche Arbeit, war ein überzeugender,verständlicher Lehrer. Auch mehrere Leitungs-ämter waren ihm anvertraut. Bei allem stand dieSorge um die Menschen im Vordergrund, dieMitbrüder, Studenten und die Landgemeinden,in denen er gerne in der Seelsorge aushalf. P. Lieshat bei allen, denen er begegnete, Spuren derZuneigung und der Lebensfreude geweckt.

    „P. Ulrich Niemann vereinigte viele Kompeten-zen in sich: auf dem Gebiet der medizinischenEthik, in der Moraltheologie, er war Facharzt fürPsychotherapie und Dozent für Anthropologie.Er hat einen großen Bogen umspannt, der ihn zu

    einem besonders kompetenten Ratgeber mach-te“, so urteilt Kardinal Lehmann. Vorwiegendgalt sein Einsatz bis zu seinem plötzlichen Herz-tod psychisch belasteten oder kranken Men-schen. Sein Kalender war bis zum Rand gefüllt:Termine in den Praxen in Frankfurt und Essen,Dozentur in Frankfurt und Innsbruck. Sein rast-loser Einsatz entsprang einem hohen Berufs-ethos. Was die Menschen schätzten, war Hilfsbe-reitschaft, Diskretion und Menschlichkeit. Ermöge nun die Ruhe finden, die er aus Sorge umdie Menschen nicht finden konnte.

    Die Erfahrung von Krieg und Gefangenschaftließen in dem 1925 in den Niederlanden gebo-renen P. George Platzbecker den Wunsch zumOrdensberuf reifen. Als 16 Mitbrüder der Ost-provinz verunglückten, entschied er sich, in dieOstdeutsche Provinz zu wechseln. In diesemEntschluss zeigt sich, was sein ganzes Leben präg-te: Güte, Mitleid, ignatianischer Geist, Aufge-schlossenheit. Diese menschlichen Qualitätenließen ihn als Seelsorger ein hilfreicher Ratgebersein, als Kaplan in Gießen, Leiter der OffenenTür in Hannover und Berlin und als Exerzitien-begleiter. Mit großer Geduld ertrug er schweregesundheitliche Einbrüche im Pflegeheim Köln-Mülheim, bis zuletzt interessiert an seiner Um-gebung, an Kunst und Natur. Er durfte – wie ergelebt hat – in Frieden dem Herrn sein Lebenzurückgeben.

    Kurz vor seinem 80. Geburtstag verstarb in Ber-lin P. Gerhard Poppe. Herkunft und Kriegserfah-rungen ließen in ihm die Entscheidung reifen, Je-suit zu werden. Nach der Ordensausbildung galtsein Interesse den Medien und der Technik und

  • Dezember 2008/4 Jesuiten 29

    so führte ihn der Weg in die kirchliche Medien-arbeit in Frankfurt und Berlin. Seine kontakt-freudige Art machte ihm den Zugang zu denMenschen leicht, sie fühlten sich von ihm ange-sprochen und verstanden. Das zeigte sich beson-ders, als er nach dem Fall der Mauer in seineralten Heimat als Seelsorger wirkte. Gesund-heitlich angeschlagen bedurfte er in den letztenJahren der Pflege zunächst in Köln, dann inBerlin, bis seine Kräfte versagten. Gott mögeihm die Erfüllung seines Lebens schenken undwas an seinen Plänen unerfüllt blieb, vollenden.

    Im Osnabrücker Land wuchs P. Alois Redekerauf. Kriegsbedingt kam er nach Trier, wo er in derkatholischen Jugend Kontakt zu den Jesuitenhatte. Schlimmste Kriegserfahrungen musste derJugendliche machen: er wurde verschüttet undgeriet ins berüchtigte Gefangenenlager in Re-magen. 1948 trat er in den Jesuitenorden ein.Nach seiner Ausbildung wirkte er als Seelsorgerund Minister in Göttingen, Trier und Saarlouis.Die längste Zeit verbrachte er als hoch ge-schätzter Religionslehrer in Frankfurt, immerbereit, in Pfarrgemeinden auszuhelfen. Mit 53Jahren übernahm er die Blindenseelsorge desBistums Limburg. „Diese Zeit hat mich sehr be-reichert und sensibel gemacht“, schreibt P. Re-deker. Nach der Pensionierung gab er vor allemals Exerzitienleiter seinen tief verwurzeltenGlauben weiter. Durch Liebenswürdigkeit undHilfsbereitschaft war er bis zu seinem raschenTod bereichernd für das Zusammenleben derMitbrüder.

    Kurz vor dem 82. Geburtstag wurde P. BrunoSchüller von seinen Leiden erlöst. Er wuchs inRhens auf und trat nach kurzer Kriegsgefangen-schaft 1946 in die Gesellschaft Jesu ein. Da er sichin den Studien als hochbegabt erwies, folgten derOrdensausbildung Promotion und Habilitationin Moraltheologie. Er lehrte in St. Georgen undder Theol. Fakultät der Universität Frankfurt,in Bochum, Rom, bis er 1974 dem Ruf nachMünster folgte, wo er bis zu seiner Emeritierungdozierte. Zahlreiche Veröffentlichungen erwie-sen ihn als einen bedeutenden Moraltheologen.

    „Dass der Mensch menschlich werde, seinerRolle als Ebenbild Gottes genüge“, diesemLeitsatz galt sein wissenschaftliches Werk.Hochgeachtet verbrachte er seinen Lebens-abend in Münster – aktiv, solange es die Ge-sundheit erlaubte. Eine große Trauergemeindenahm in Dankbarkeit von ihm Abschied.

    Hochbetagt starb in Berlin P. Johannes Zawackiin der Stadt, in der er 1919 geboren wurde und38 Jahre als Lehrer für Mathematik/Physik undals Schulleiter des Canisius-Kollegs gearbeitethat. P. Zawacki hatte Führungsqualitäten: Er ver-band Güte und Konsequenz, war um Ausgleichbemüht und gewann so die Zuneigung vonSchülern und Kollegen. Die Verehrung und Lie-be, die ihm entgegengebracht wurde, zeigt etwasvon der Frucht seines Lebens. Nach dem Aus-scheiden aus dem Schuldienst arbeitete er alsSeelsorger in St. Peter in Köln und als Kranken-hausseelsorger in Bonn. Er war unermüdlich undtreu in seinem Dienst bis zu seinem 84. Lebens-jahr. Die letzten Jahre lebte er im Pflegeheimdes Ordens in ruhiger, frommer Bescheidenheit.

    Im Alter von 76 Jahren verstarb nach langerKrankheit P. Hans Zwiefelhofer. Gebürtig imSudetenland, aufgewachsen in München, trater nach dem Abitur in den Orden ein. Nachden Ordensstudien promovierte er in Sozial-wissenschaften, war zunächst Direktor desHeinrich-Pesch-Hauses in Mannheim, dannin gleicher Funktion am Institut für Gesell-schaftspolitik in München: ein hervorragenderKenner der Entwicklungs- und Gesellschafts-politik. Eine zweite Begabung kam im Ordenzum Tragen: seine Führungsqualität. So war erRektor der Hochschule für Philosophie, Pro-vinzial der Oberdeutschen Provinz, Assistentdes Ordensgenerals für die ZentraleuropäischeAssistenz und 9 Jahre lang Sekretär des Ordens.Mit großer Souveränität und Einsatz seinerganzen Kraft, zugänglich und offen, hat er dieihm übertragenen Aufgaben erfüllt. Der Herrschenke ihm den Lohn seiner Mühen. ■

    Wolfgang Bauer SJ

  • 30 Jesuiten Vorgestellt

    Vorgestellt

    Hunger nachGerechtigkeitweckenSozialprojekte im Aloisiuskollegin Bonn – Bad Godesberg

    Wenn ein Kind im Alter von 10 Jahren in einJesuitenkolleg kommt, ist es schon sehr ge-prägt. Das gilt besonders für das „Erlernen“von Mitmenschlichkeit. Ignatianische Pädago-gik widmet sich im Unterricht dem Wissens-erwerb auf einem möglichst guten akademi-schen Niveau. Genauso wichtig ist das Fragennach dem „Wofür“,nach dem Sinn dieses Wis-sens und seiner gewissenhaften Anwendung.Aber das genügt nicht! Wir müssen Erfah-rungsräume schaffen, in denen die emotionaleIntelligenz gefördert wird. Dummheit ist janicht eine Sache des Verstandes, die größteDummheit ist die Starre und Trägheit des Her-zens, der verstockte Mangel an Empathie, dieUnfähigkeit, Mitleid für andere zu spüren.

    Unter dieser Rücksicht hätte das Aloisiuskol-leg keine Existenzberechtigung ohne Lernfel-der, die über die Schule hinausgehen. Im Le-ben der Internatsgemeinschaft, im Alltagunserer Jugendgruppen und in der Hausauf-gabenbetreuung ist „Geschwisterlichkeit“ inbesonderer Weise erfahrbar. Dort üben dieJungen und Mädchen am Nachmittag, amWochenende und auf Ferienfahrten verant-wortliches Miteinander ein, und sie erlebendas Getragensein einer religiösen Gemein-schaft. Hier soll ihre soziale Intelligenz geför-dert werden, das sind Orte und Zeiten, die sich

    in besonders dichter Weise der Übernahmevon Verantwortung für Andere (Jüngere) wid-men. Ob im Orchester, beim Theaterspiel, imeinfachen Leben in der Natur, im Zelt und amLagerfeuer schärft sich ihr soziales Gewissenebenso wie bei Betteltouren oder im Einsatzzugunsten ärmerer Menschen.

    Wie ein Beweis dafür, dass alles schulische Ler-nen und Wissen für uns sinnlos ist ohne mit-fühlendes Engagement für andere, ersetzt dasAloisiuskolleg seit 25 Jahren den Unterrichtfünf Wochen lang durch ein Sozialpraktikum.An der Schwelle zum Erwachsenwerden, mit17 Jahren etwa, verrichten unsere Schüler ei-nen harten Pflegedienst in Krankenhäusern, inAltenheimen, psychiatrischen Anstalten, inBehindertendörfern oder im Dasein für sozialstark benachteiligte Kinder. Dort vollzieht sichein für uns Pädagogen spürbarer Reifeschub;

    Lucas Weimer, Schüler aus dem Aloisiuskolleg,bei seinem Einsatz in Indien

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    : Priv

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  • Dezember 2008/4 Jesuiten 31

    Statussymbole und Rollen relativieren sich.Der unmittelbaren Konfrontation mit demTod und der Teilhabe an der schmerzlichenoder gar aussichtslosen Existenzweise andererkann kein Schüler sich entziehen. Ihre Tage-ücher enthalten intime Geständnisse neu ent-deckter Dankbarkeit, auch der eigenen Be-dürftigkeit und Armut. Sie enthalten ehrlicheScham und Traurigkeit über ihr begrenztesVermögen, Ekel zu überwinden, aber auch ei-ne ganz neue Wertschätzung für ein Lächelnnach mehrwöchigem Dienst. Kaum ein Tage-buch, das nach diesen existentiellen Erfahrun-gen nicht Vergleichbares verrät: „Im Unter-richt gibt es Wirklichkeit aus zweiter Hand.Was ich im Sozialpraktikum erlebte, werde ichnie vergessen. Seitdem danke ich Gott dafür,dass ich gesund bin. Und seitdem weiß ich, un-sere Leistungsgesellschaft braucht mehr Leis-tung: unbezahlte, unbezahlbare!“ Die wach-sende Zahl der Jungen und Mädchen, die inFreiwilligendiensten „weitermachen“ – wieLucas (s. Foto) während der Sommerferien inKalkutta – und einen Teil ihres Lebens in denSlums dieser Welt verschenken, zeigt, dass derHunger nach Gerechtigkeit sich wecken unddie eigene Liebesfähigkeit sich entdecken lässt;dass die Sehnsucht nach der Gegenwart Gottesspürbar ist, und dass Gott sich selbst an einem– scheinbar – gottverlassenen Ort suchen undfinden lässt. Ignatius wusste das aus eigener Le-benserfahrung. Deshalb forderte er zuallererst3 Monate harten Sozialdienst von den Novi-zen. Manchen seiner Söhne hat das mehr zurBesinnung gebracht als jahrelanges Studieren.

    Theo Schneider SJ

    Liebe Leserinnenund Leser,

    Sie haben in diesem Beitrag erfahren, dassSchule für uns Jesuiten weit mehr bedeu-tet als die Vermittlung von Wissen. ImZentrum „ignatianischer Pädagogik“ stehtdie Entwicklung des jungen Menschen zueiner ganzheitlichen Persönlichkeit. NichtElitebildung, sondern „soziale Kompe-tenz“ wird dabei angezielt. Wir wollenhelfen, damit aus den Schülerinnen undSchülern „Menschen für andere“ werden.

    Diese Vision verfolgen wir nicht nur inunseren Gymnasien in Bad Godesberg,Berlin und St. Blasien, sondern auch inder geistlichen Begleitung katholischerJugendarbeit sowie in den Angeboten,mit denen wir über die Schulzeit hinausjungen Menschen nahe sind: in Katholi-schen Hochschulgemeinden, vielleichtauch in einer unserer Hochschulen inMünchen oder Frankfurt.

    Die Generalkongregation in diesem Jahrhat deutlich gemacht, welch hohen Stel-lenwert die Arbeit unseres Ordens für dieJugend in den kommenden Jahren habenmuss. Mit Ihrer Unterstützung helfen Sie,damit wir auch in Zukunft diese wichtigeHerausforderung im Dienst an der Kircheund mit Blick auf eine wertorientierteGesellschaft bestehen können. Dafürmeinen herzlichen Dank!

    Eugen Hillengass SJLeiter Projektförderung

  • Medien

    Norbert Baumert:Sorgen des Seelsorger

    Übersetzung und Auslegung des erstenKorintherbriefs, 448 Seiten, Würzburg 2008,ISBN 978-3-429-02893-0

    Der emeritierte Frankfurter Paulusexeget Nor-bert Baumert SJ hat mit der Übersetzung undAuslegung des ersten Korintherbriefes begon-nen, die Ernte seiner langjährigen Studien, ge-meinsam mit dem Frankfurter Pauluskreis, ein-zubringen. Inzwischen liegt auch der zweiteBand der Reihe „Paulus neu gelesen“ vor. DieArbeiten von Baumert waren bisher nur in Insi-derkreisen bekannt. Es handelt sich um eineNeuübersetzung der Paulusbriefe, in der einkomplett neues Verständnis der Texte zum Aus-druck kommt, manchmal gegen die gesamte Re-zeptionsgeschichte und sicherlich sehr häufig imGegensatz zur herrschenden Meinung der gän-gigen Paulus-Exegese. Man darf hoffen, dass inrelativ kurzen Zeitabständen Baumerts Überset-zungen und Auslegungen der anderen Paulus-Briefe folgen, damit ein Blick auf die sich neudarstellende Landschaft Paulinischen Denkensund Schreibens möglich wird. (Klaus Mertes SJ)

    32 Jesuiten Medien · Personalien

    Jubilare 2009

    12. JanuarP. Ludwig Gleißner 75. GeburtstagP. Hermann Josef Sieben75. Geburtstag

    23. JanuarP. Alfons Klein80. Geburtstag

    31. JanuarP. Werner Schwind85. Geburtstag

    16. FebruarP. Karl HeinzNeufeld70. Geburtstag

    18. FebruarP. Robert Gelberg80. Geburtstag

    20. FebruarP. Eckhard Bieger70. Geburtstag

    08. NovemberBr. Armin Cieslik70. Geburtstag

    22. FebruarP. Heinrich Pfeiffer70. Geburtstag

    05. MärzP. Bernhard Ehlen70. Geburtstag

    12. MärzP. Erhard Kunz70. Geburtstag

    15. MärzBr. Ernst Heurich50. Ordensjubiläum

    19. MärzP. Josef Kirtzel85. Geburtstag

    22. MärzP. Theo Beirle80. Geburtstag

    23. MärzBr. Johann Fuster80. Geburtstag

    26. MärzP. Josef Macha50. Priesterjubiläum

    Verstorbene

    P. Georg Rimke SJReligionslehrer inDortmund* 03.10.1929+ 20.10.2008

    P. Otto Syré SJSeelsorger undSuperior in der Nord-deutschen Provinz* 09.03.1913+ 29.10.2008

    Wir gedenken im Gebet auch der Verstorbenen aus dem Kreis unserer Leserinnen und Leser.R. I. P.

    Personalien

  • Dezember 2008/4 Jesuiten 33

    Wolfgang Bauer SJMünchen. Senioren-delegat des Provinzials

    Lioba GreweNürnberg. Bildungsrefe-rentin im ErzbischöflichenJugendamt Bamberg

    Richard Müller SJMünchen. BildredaktionJESUITEN

    Johannes MariaSteinke SJLudwigshafen. Mitarbeiterim Heinrich Pesch Haus

    Godehard Brüntrup SJMünchen. Professor fürMetaphysik an der Hoch-schule für Philosophie

    Karl HillenbrandWürzburg. Generalvikarder Diözese Würzburg

    Bruno Pfeifer SJLudwigshafen. Exerzitien-begleiter

    Ansgar Wucherpfennig SJFrankfurt. Professor ander Phil.-Theol. Hoch-schule Sankt Georgen

    Thomas BuschMünchen. Öffentlichkeits-referent im Provinzialatder Jesuiten

    Thomas Kattathara SJFrankfurt. Promotionsstu-dium in Sankt Georgen

    Theo Schneider SJBad Godesberg. Rektordes Aloisiuskollegs

    Tobias Zimmermann SJBerlin. Schulseelsorger.Religions- und Kunstlehrerim Canisius-Kolleg

    Christiane CruschwitzFrankfurt. Diplom-Volks-wirtin und Mutter vonzwei Kindern

    Erzbischof Luis Ladaria SJRom. Sekretär der Glau-benskongregation

    Sr. Maria-TheresiaSmith OCarmBerlin. Karmel ReginaMartyrum. Gesprächsbe-gleitung und Führungenin der Gedenkkirche

    Philip Geister SJUppsala. Leiter desNewmaninstituts

    Klaus Mertes SJBerlin. Rektor CK undChefredakteur JESUITEN

    Johann Spermann SJAustralien. Terziat

    Autoren dieser Ausgabe

  • 34 Jesuiten Freunde der Gesellschaft Jesu

    Freunde der Gesellschaft Jesu e.V.

    :Freunde der Gesellschaft Jesu e. V.Seestraße 1480802 München

    Tel 089 38185 - 213Fax 089 38185 - 252

    Spendenkonto: 2 121 441LIGA Bank BLZ 750 903 00IBAN: DE31 7509 0300 0002 1214 41BIC: GENODEF 1M05

    Menschen aus allen Berufen und Altersschichten unterstützendurch Gebet und Finanzmittel die Anliegen der Jesuiten. Oh-ne diese Hilfe können w


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