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Interventionen bei ADHS - schulberatung.bayern.de · • häufig Konflikte mit dem Jugendlichen...

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Interventionen bei ADHS Vortrag Beratungslehrkräfte Dr. med. Gudrun Rogler 6.11.2013
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Interventionen bei ADHS

Vortrag Beratungslehrkräfte

Dr. med. Gudrun Rogler

6.11.2013

Übersicht

• Allgemeine Informationen zu ADHS

• Medizinische Interventionen

• Therapeutische Interventionen

• Pädagogische Interventionen

- nicht erkannte und nicht behandelte Teilleistungsstörungen und ADHS

- nicht adäquates schulisches und familiäres Umfeld → permanente Überforderungs-situation- zu spät eingeleitete Hilfen u.a.

Jugendalter: Störungen auf dem Boden bereits länger bestehender Probleme, z.B.

Auswirkungen von ADHS auf die betroffenen Schüler

• häufige Fehlzeiten in der Schule

• häufig schlechte Schulleistungen, Schulwechsel, kein Schulabschluss

• schwierige soziale Integration, sehr häufig Konflikte mit Lehrern und Mitschülern

• als Folge sehr häufig Konflikte in der Familie

• Entwicklung zusätzlicher Störungen

Konsequenzen für die Lehrer

• Beeinträchtigung des Klimas in der Klasse und des Unterrichts, Unterrichtsstörungen

Stoff kann nicht vermittelt werden

• zusätzliche zeitliche Belastung durch Gespräche mit allen Beteiligten

• Unsicherheit und Hilflosigkeit im Umgang mit dem betroffenen Schüler und dessen Eltern

• …

Auswirkungen auf die Familien

• häufig Konflikte mit dem Jugendlichen v.a. auch wegen schulischer Schwierigkeiten

• hohe emotionale Belastung durch die Probleme, Überlastung, Überforderung

• Belastung durch Gespräche mit den Lehrern, Sorge um die Schullaufbahn

• Unsicherheit, Hilflosigkeit, Schuldgefühle

Was also tun? Grundsätzliche Überlegungen

• Kinder lieben ihre Eltern

• kein Kind oder Jugendlicher ist einfach nur böse

• Kinder und Jugendliche möchten:

� ernst genommen und beachtet werden

� Erfahrungen machen, lernen

• sie brauchen:

� Vorbilder

� starke Bezugspersonen

� Freunde

� Orientierung/ Impulse/ Signale

� Zeit für Entwicklung (Hirnreife!)

• Schüler sind nicht schuld am System Schule

• Schule kommt den Bedürfnissen der Schüler häufig nicht entgegen

• Schüler können nichts für ihre Herkunft

• Kinder und Jugendliche leiden unter der Überforderung ihrer Bezugspersonen

• Es gibt Hilfe!

An wen wenden sich Lehrer bei Verdacht auf ADHS?

Gespräch mit den Eltern

Eltern können (freiwillig!) Kontakt aufnehmen zu:

� Kinder- und Jugendärzten

� Fachärzten für Kinder- und Jugendpsychiatrie

(Praxen, SPZs, Klinikambulanzen)

� Kinder- und Jugendlichen-Therapeuten

Je früher eine Diagnose gestellt und eine Behandlung beginnt, umso günstiger ist meist der Verlauf!

ADHS

Begriffe

• Aufmerksamkeitsdefizit – Hyperaktivitäts-Störung (ADHS)• Attention Defizit Hyperactivity Disorder (ADHD)• Hyperkinetische Störung, Hyperkinetisches Syndrom (HKS)• einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung

(ICD-10: F 90.0)• Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens

(ICD-10: F 90.1)• Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS)• Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität

(ICD-10: F 98.8)

Leitsymptome

• Unaufmerksamkeit

• Impulsivität

• Hyperaktivität

mindestens 6 Monate lang, situationsübergreifend,

nicht durch andere Störungen erklärbar,

Beginn vor dem Alter von 7 Jahren

Unaufmerksamkeit

• beachtet Einzelheiten nicht

• macht häufig Flüchtigkeitsfehler

• Schwierigkeiten, länger aufmerksam zu bleiben

• scheint oft nicht zuzuhören

• Probleme, sich zu organisieren

• verliert oft Dinge

• lässt sich schnell durch äußere Reize ablenken

• ist im Alltag übermäßig vergesslich

Impulsivität• platzt mit Antworten heraus, Schwierigkeiten zu warten• unterbricht häufig, stört oft • redet häufig extrem viel• handelt ohne zu überlegen• hat oft Wutanfälle, niedrige Frustrationstoleranz

Hyperaktivität

• zappelt mit Händen und Füßen

• rutscht unruhig auf dem Stuhl hin und her

• steht auf wenn Sitzenbleiben erwartet wird

• hat Schwierigkeiten, sich still zu beschäftigen

• Geräuschproduktion

• läuft und klettert permanent

• zeigt durchgängig extreme Unruhe

ADHS im Jugendalter

• „Null-Bock“, Leistungsverweigerung

• oppositionell – aggressives Verhalten

• stark vermindertes Selbstwertgefühl

• Ängste, Depressionen

• ( Verkehrs- ) Unfälle

• Kontakte zu sozialen Randgruppen

• Alkohol, Drogen, Delinquenz

Haben ADHS - Kinder auch positiveEigenschaften?

• reizoffen, begeisterungsfähig

• kontaktfreudig

• hilfsbereit

• sozial engagiert

• ausgeprägter Gerechtigkeitssinn

• ideenreich, kreativ

• naturverbunden, tierlieb

• künstlerische Begabung

Ursachen der ADHS

• primär Genetik- Verstärkung durch Umwelt

• Probleme vor, während oder nach der Geburt

Ungleichgewicht im Stoffwechsel chemischer Botenstoffe

Störung der Informationsleitung und –verarbeitung im Gehirn

medikamentöse Behandlung/ Verhaltenstraining/ Verhaltenstherapie

Häufigkeit der ADHS

• ca. 2 – 6 Prozent aller Kinder und Jugendlichen zwischen 6 und 18 Jahren

(statistisch pro Klasse/ Kindergartengruppe 1 Kind betroffen!)

• bezogen auf die Bevölkerungszahl in der BRD: bis zu 600 000 Kinder und Jugendliche im Schulalter leben mit ADHS ( Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung 12/2002 )

• weltweit die häufigste Störung von Verhalten und Psyche im Kindes- und Jugendalter

Wächst sich die Störung aus?

NEIN !• Krankheitsbild zieht sich durch das ganze Leben

• beeinträchtigt:

– die betroffenen Kinder und Jugendlichen

– deren Familien

– Erzieherinnen, Lehrer, Ausbilder

• Ausprägung der Symptome und Möglichkeiten des Umgangs damit ändern sich im Verlauf des Lebens

Was tun bei Schülern mitADHS-Symptomen?

Achtung!

• nicht jedes zappelige oder verträumte Kind hat ADHS !!!• Betroffene fallen spätestens in der Grundschule auf(Diagnose wird meist vor dem Übertritt gestellt!)• Symptome können vielfältige andere Ursachen haben• Umfeldeinflüsse entscheidend (gerade im Jugendalter!)• zusätzliche Probleme, z.B. Ängste, Teilleistungsstörungen

Diagnose ist Sache von Experten für ADHS: z.B. Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Kinderärzte mit Erfahrung in der ADHS-DiagnostikPädagogen und Eltern sind keine Therapeuten! Ihr Umgang mit dem Schüler ist aber entscheidend für den Verlauf.

Wie diagnostiziert man ADHS?

• Elterngespräch

• Verhaltensbeobachtung in verschiedenen Situationen

• Psychologische Untersuchung

• Körperlich-neurologische Untersuchung

• ADHS – Fragebögen (Eltern, Lehrer, Erzieherinnen)

• Informationen aus Zeugnissen und persönlich von Lehrern, Erzieherinnen u.a.

Prognose

Die Diagnose der ADHS ist Voraussetzung für die Behandlung.

ADHS ist nicht heilbar.

Was wird ohne Behandlung?

• unglückliche Kinder und Eltern

• ratlose bis verzweifelte Pädagogen

• ….

Was wird ohne Behandlung?

• Schule/ Beruf • schlechtere schulische Laufbahn, Verweise, Nachhilfe

• über 30 % wiederholen Schulklassen

• bis zu 35 % Schulabgang ohne Abschluss

• niedrigerer beruflicher Status

Wie kann ADHS behandelt werden?

• pädagogisch

• psychologisch

• medizinisch

Multimodales Konzept• Aufklärung und Beratung von Patienten, Eltern,

Pädagogen – wenn irgend möglich: Vernetzung !

Verbesserung der Umfeldbedingungen (Familie, Schule…)

• Förderung von Bewegung, (Selbst)-Wahrnehmung, Selbstkontrolle, Selbststeuerung der Patienten

• Elterntraining/ Eltern-Kind-Interaktionstraining

• Verhaltenstraining/ -therapie des Kindes/ Jugendlichen

• medikamentöse Therapie

(Methylphenidat, Atomoxetin, Lisdexamphetamin)

• Behandlung von Begleiterkrankungen

InterventionenGrundsätze

Achtung: erst gesicherte Diagnose, dann Therapie

Diagnosestellung ist eine Kunst

• nicht immer ist Richtlinien-Psychotherapie notwendig!

• ADHS nicht gleich Medikation!

• Familien brauchen Zeit, Diagnose zu akzeptieren

• vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Beteiligten im Sinne des betroffenen Schülers ist essentiell

Behandlungsziele

• wirkungsvolle Einflussnahme auf Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität, Impulsivität

• Durchbrechung des Kreislaufs negativer Folgen

• Unterstützung einer möglichst normalen sozialen und schulischen Entwicklung

Medikation I• gehört in die Hand von Fachärzten (Kinder- und

Jugendpsychiater) oder Ärzten mit Erfahrung in der ADHS-Behandlung

• immer in Kombination mit anderen Hilfen

• nicht lebenslang!

• unter regelmäßiger (fach)ärztlicher Kontrolle

• Wirkstoffe: Methylphenidat, Atomoxetin, Lisdexamphetamin

• keine Abhängigkeit!

• sehr gute Wirksamkeit bei guter Verträglichkeit

Medikation IIMittel der 1. Wahl: Methylphenidat

Mittel der 2. Wahl (bei Unverträglichkeit u./o. Unwirksamkeit von Methylphenidat):

Neu: Lisdexamphetamin (Elvanse)

Atomoxetin (Strattera)

kurzwirksam Länger wirksam (Retard-Präparate)

Wirkdauer (Stunden)

ca. 4 Ca. 8-12

Wirkeintritt (Minuten)

ca. 30 bis 120

Dosierung 2-3x/ Tag 1x/ Tag

Verhaltenstherapeutische Interventionen

Wer?

Nicht nur Therapeuten! Alle Beteiligten können helfen! Verhaltenstraining ist auch Pädagogik

Wie?

Information, Offenheit, Toleranz, Wertschätzung, Selbstfürsorge, interdisziplinäre Vernetzung

Methoden:

Verhaltenstraining, Selbstmanagement, Verstärkerprogramme…

Was können Lehrer tun?- I

• sich über ADHS informieren

• Bemühen um Zusammenarbeit mit den Eltern

• Schüler als Individuen sehen, ADHS als Krankheit

• Schüler nicht stigmatisieren!

• Austausch mit Kollegen

• eigenes Verhalten hinterfragen-

Warum regt mich dieses Kind so auf? Warum ist es gerade mit diesem Kind und mir so schwierig? Wo bekomme ich Unterstützung? Was kann und will ich leisten?

• etwas für sich selbst tun („Psychohygiene“)

Was können Lehrer tun?- II

• Vorbild sein

• Ruhe bewahren, Eskalationen vermeiden

• viel Loben und Wertschätzen was gut läuft

• das ADHS-Kind beschäftigen, Aufträge geben die gelingen können

• geeigneter Sitzplatz (wenig Ablenkung)

• mit dem ADHS-Kind eher weniger reden, mehr handeln

• klar und konsequent sein („klassische“ Strafen helfen oft nicht!)

Was können Lehrer tun?- III

• Arbeitsaufträge kurz und klar formulieren

• Arbeitsmaterialien klar gestalten

• Erwünschtes Verhalten belohnen

• Unerwünschtes Verhalten ahnden- Konsequenzen, die direkt mit Fehlverhalten zusammenhängen

• Transparenz für Konsequenzen

• ggf. Austausch mit Behandlern (Ärzte, Therapeuten), wenn Eltern dies wünschen

Was brauchen Schüler mit psychischen Problemen?

• Bezugspersonen (Eltern, Lehrer u.a.), die darum wissen und bereit sind, sich dem zu stellen

• Verständnis für ihre Not

• individuelle Behandlung

• Helfer an verschiedenen Stellen, die vernetzt sind

� Schulpsychologen / MSD u.ä.

� u.U. Schulbegleiter (Finanzierung!?, Beantragung!?)

� Kinder- und Jugendpsychiater/ Therapeuten/ andere Ärzte

Rahmenbedingungen für gelingende Inklusion

• Information all derer, die das System Schule gestalten

• Anerkennen was ist- psychisch auffällige Schüler sind eine Herausforderung für alle Beteiligten!

• Vernetzung der Helfer im System Schule –miteinander reden

• Klassenstärken, die Individualität ermöglichen

• Psychohygiene für Lehrer (Supervision!)

• Staatliche finanzielle und gesetzliche Hilfen

• …

Danke

Dr. Franz Lachner, Ruhpolding

meinen Lehrern und meinen Patienten

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Dr.med. Gudrun RoglerFachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –

psychotherapie

[email protected]: Volkartstraße 5, 80634 München,

Tel.: 089 - 16 78 919

www.praxis-dr-rogler.de


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