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Interpretation epischer Texte

Von den Elementen epischer Texte zur Interpretation

Charakterisierung

Subjektive Wahrnehmung

Interpretationsbeispiele bearbeiten

Elemente epischer TexteErzählperspektiven

Zeitstrukturen

Motive

Personen

Figurenrede

Interpretation von ProsatextenAufbau

Übergänge

Satzmuster

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Was ist „Epik“?

Epische Texte sind die erzählenden Texte der Literatur: Eine Reihe unterschiedlicher Textarten – zum Beispiel Romane, Novellen, Fabeln, Erzählungen und Kurzgeschichten – fällt darunter. Da diese Texte meist nicht wie Gedichte durch Metrum, Rhythmus und Vers an eine Form gebunden sind, spricht man oft auch von literarischer „Prosa“, also formal „ungebundenen“ dichterischen Texten.

Sie haben im letzten Kapitel bereits gelernt, Inhaltsangaben von epischen oder Prosatexten zu schreiben. Der nächste Schritt ist, die Elemente des Erzählens zu kennen mit dem Ziel, die Interpretation epischer Texte zu erlernen.

Elemente erzählender Texte

I ERZähLPERSPEKTIVE

1 AlfredstandfröstelndaufderStraßeundbeobachtetebesorgtdasgegenüberliegendeHotel.IneinemZimmerdeszehntenStockswälztesichHelmutunterdessen,vonentsetzlichenAlbträumengeplagt,inseinemBettunruhighinundher.Plötzlichsprangerauf,vonpanischerAngstgejagt,rissdasFensteraufundstürztesich,ohnezuwissen,wasertat,indieTiefe.

2 IchstandfröstelndaufderStraßeundbeobachtetebesorgtdasgegenüberliegendeHotel.PlötzlichöffnetsicheinFensterimzehntenStockundeinMannstürztsichhinunter.Helmut!,istmeinersterGedanke.MiteinemgellendenSchrei,wiemanmirspätersagte,renneichüberdieStraße.

3 Ihmwarkalt.ErstandaufderStraßeundbeobachtetebesorgtdasgegenüberliegendeHotel.PlötzlichöffnetesicheinFensterimzehntenStockundeinMannstürztesichhinunter.Helmut!Errannte,soschnellerkonnte,überdieStraße.

1 EinEreignis–dreiTexte:Wodurchunterscheidensiesich?

2 WodurchunterscheidensichspeziellText2undText3?

Grundsätzlich lassen sich drei Erzählhaltungen oder Erzählperspektiven unterscheiden:

▶Erzählt wird aus der Sicht eines Erzählers, er ist der Urheber (lat. auctor) dessen, was er erzählt – es liegt also eine auktoriale Erzählung vor.

▶Erzählt wird aus der Sicht eines erlebenden und erzählenden Ichs – es liegt also eine Ich-Erzählung vor.

▶Erzählt wird aus der Sicht einer das Geschehen erlebenden Person, es liegt also ein personales Erzählen vor.

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Interpretation epischer Texte

Auktoriale Erzählperspektive

ErstandaufderStraßeundbeobachtetedasgegenüberliegendeHotel.PlötzlichöffnetesicheinFensterimzehntenStockundeinMannstürztesichhinunter.DerBeobachterliefüberdieStraßeundblickteaufdenleblosenKörper.EineiligstherbeigerufenerArzterklärte:„DerMannmussaufderStelletotgewesensein.“

AlfredstandfröstelndaufderStraßeundbeobachtetebesorgtdasgegenüberliegendeHotel.ErhätteHelmutnichtalleinlassendürfen.UndinderTat:InseinemZimmerimzehntenStockwälztesichHelmutunterdessen,vonentsetzlichenAlbträumengeplagt,inseinemBettunruhighinundher.Erträumtevoneinemriesengroßen,käferartigenUngeheuer,daslangsamaufihnzukroch.InpanischerAngstsprangerausdemBett,rissdasFensteraufundstürztesich,ohnezuwissen,wasertat,indieTiefe.ErwaraufderStelletot.FürAlfred,derdiesvondemeiligstherbeigerufenenArzterfuhr,konntedaskeinTrostsein.SeineGewissensbissekamenzuspät.DasSchicksalsolltejedochnochhärterePrüfungenfürdiesennochsounreifen,nochsoleichtsinnigenjungenMannbereithalten.

Ich-Erzählperspektive

IchstandfröstelndaufderStraßeundbeobachtetebesorgtdasgegenüberliegendeHotel.PlötzlichöffnetsicheinFensterimzehntenStock,undeinMannstürztherunter.Helmut!,istmeinersterGedanke.Soschnellichkann,renneichüberdieStraße.InderTat:EsistHelmut!VollerVerzweiflung,dasEntsetzlichenichtverhindertzuhaben,blickeichaufdenleblosenKörper.IchhätteihnheuteAbendnichtalleinlassendürfen!DieErklärungdeseiligstherbeigerufenenArztes,ermüsseaufderStelletotgewesensein,warmirkeinTrost.

IchstandfröstelndaufderStraßeundbeobachtetebesorgtdasgegenüberliegendeHotel.WarumnurhatteichHelmutalleingelassen?Erhattemichbeleidigt,gewiss,aber…PlötzlichöffnetesicheinFensterimzehntenStock,undeinMannstürzteherunter.Helmut!,warmeinersterGedanke.Soschnellichkonnte,rannteichüberdieStraße.Erwartot.JahrespäternochmachteichmirVorwürfe.Damalshatteichgeglaubt,etwasEntsetzlichereskönnemirnichtwiderfahren.WelcheinTorwarichdochgewesen–un­erfahren,unreif,ungefestigt.OffenbarmussteichdurchharteSchicksalsschlägegestähltwerden.ZurückzuHelmut:WieichbeiseinemBegräbnisvonseinerSchwestererfuhr,wollteermitihrzusammenEuropaverlassen.

Personale Erzählperspektive

Ihmwarkalt.ErstandaufderStraßeundbeobachtetebesorgtdasgegenüberliegendeHotel.PlötzlichöffnetesicheinFensterimzehntenStockundeinMannstürztesichhinunter.Helmut!Errannte,soschnellerkonnte,überdieStraße.

Ihmwarkalt.ErstandaufderStraßeundbeobachtetebesorgtdasgegenüberliegendeHotel.WarumnurhatteerHelmutalleingelassen?Helmuthatteihnbeleidigt,gewiss,aber…PlötzlichöffnetesicheinFensterimzehntenStockundeinMannstürztesichhinunter.Helmut!Errannte,soschnellerkonnte,überdieStraße.EswarHelmut.VollerVerzweiflung,dasEntsetzlichenichtverhindertzuhaben,blickteeraufdenleblosenKörper.EineiligstherbeigerufenerArzterklärte,HelmutmüsseaufderStelletotgewesensein.DaskonnteihmkeinTrostsein.

1 EinEreignis–sechsTexte!WorinunterscheidensichjeweilsdiebeidenVarianten?(NutzenSiedieInfoboxauf ▶▶▶S.186)

2 UnterstreichenSiedieErweiterungeninjeder„Maximalform“aufeinerKopie.

3 BeschreibenSiedieBandbreitejederErzählperspektiveinihrerMinimal-undMaximalform.

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Die folgenden Texte sind die Anfänge bekannter Romane oder Erzählungen:

1 Eduard – so nennen wir einen reichen Baron im besten Mannesalter – Eduard hatte in sei-nerBaumschuledieschönsteStundeeinesAprilnachmittagszugebracht,umfrischerhaltenePfropfreiseraufjungeStämmezubringen.SeinGeschäftwarebenvollendet;erlegtedieGerät-schaftenindasFutteralzusammenundbetrachteteseineArbeitmitVergnügen,alsderGärtnerhinzutratundsichandemteilnehmendenFleißedesHerrnergötzte.

(Johann Wolfgang von Goethe: Die Wahlverwandtschaften)

2 AndenUfernderHavel lebte,umdieMittedessechzehntenJahrhunderts,einRosshändler,namensMichaelKohlhaas,SohneinesSchulmeisters,einerderrechtschaffenstenzugleichundentsetzlichstenMenschenseinerZeit.

(heinrich von Kleist: Michael Kohlhaas)

3 ObichmichindiesemBuchezumHeldenmeinereignenLeidensgeschichteentwickelnwer-deoderobjemandandersdieseStelleausfüllensoll,wirdsichzeigen.–UmmitdemBeginnmeinesLebensanzufangen,bemerkeich,dassich,wiemanmirmitgeteilthatundwieichauchglaube,aneinemFreitagumMitternachtzurWeltkam.

(Charles Dickens: David Copperfield)

4 AlleglücklichenFamiliensindeinanderähnlich, jedeunglücklicheistunglücklichaufeigeneArt.–AllesimHausederOblonskijswardurcheinandergeraten.DieFrauhatteerfahren,dassihrMannmitderfranzösischenGouvernante,dievordeminihremHausegewesenwar,einVer-hältnisunterhielt,undihremMannerklärt,dasssiemitihmnichtmehrineinemHauselebenkönne.

(Leo Tolstoj: Anna Karenina)

5 JemandmussteJosefK.verleumdethaben,dennohnedasseretwasBösesgetanhatte,wurdeereinesMorgensverhaftet.DieKöchinderFrauGrubach,seinerZimmervermieterin,dieihmjedenTaggegenachtUhrfrühdasFrühstückbrachte,kamdiesmalnicht.Daswarnochniemalsgeschehen.K.wartetenocheinWeilchen,sahvonseinemKopfkissenausdiealteFrau,dieihmgegenüberwohnteunddieihnmiteineranihrganzungewöhnlichenNeugierdebeobachtete,dannaber,gleichzeitigbefremdetundhungrig,läuteteer.

(Franz Kafka: Der Prozess)

6 DieGeschichteHansCastorps,diewirerzählenwollen–nichtumseinetwillen(dennderLeserwirdeineneinfachen,wennauchansprechendenjungenMenscheninihmkennenlernen),son-dernumderGeschichtewillen,dieunsinhohemGradeerzählenswerterscheint(…)

(Thomas Mann: Der Zauberberg)

7 Zugegeben:IchbinInsasseeinerHeil-undPflegeanstalt,meinPflegerbeobachtetmich,lässtmichkaumausdemAuge;denninderTüristeinGuckloch,undmeinesPflegersAugeistvonjenemBraun,welchesmich,denBlauäugigen,nichtdurchschauenkann.

(Günter Grass: Die Blechtrommel)

1 WelcheErzählperspektiveliegtbeidiesenAnfängenjeweilsvor?BegründenSieIhrUrteil.

2 VonwelchenMöglichkeitendergewähltenPerspektivemachtderAutorjeweilsGebrauch?UnterstreichenSieIhreBelegstellenaufeinerKopie.

3 DerAutorundderErzähler–istdasdasselbe?BegründenSieIhreMeinung.

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Interpretation epischer Texte

In der S-Bahn

InderS­BahnderLinie3,zurHauptverkehrszeit.EinjungerManngerätinStreitmitseinemNachbarn:Erwirftdiesemvor,ihnjedesMal,wennjemandvorbeikommt,anzurempeln.AlsereinenfreigewordenenPlatzentdeckt,stürztersichdarauf.(Nach Raymond Queneau: Stilübungen)

Subjektive Wahrnehmung: Ich-Erzählungen

1 LesenSiediefolgendenTexte:WasnimmtderjeweiligeIch-Erzählerwahr?

2 WasfüreinMenschister?CharakterisierenSieihnbzw.sie:

IHätteichdocheinTaxigenommen,alsichmeinenWagenzurInspektiongab!IchhasseeszuwartenundichhasseüberfüllteS­Bahnen.UndinderTat:totalüberfüllt.BeijederHaltestelleeinGedränge!UndwasfürLeute!Schweißgeruchüberall,furchtbar!Ichweiß,warumichöffentlicheVerkehrsmittelsonstniebe­nutze.HoffentlichbleibtnichtsimAnzughängen–dieMüllerausdemVorzimmerdesChefshateinefeineNase.Sollichanrufen,dassichfünfMInutenspäteralssonstkomme?Egal,ichwerdejustintimedasein,undohnemichgehtdasMeetingehnichtlos.IchzähleschließlichzudenBestleistern,wiemirderHauckvondenPersonalerngesteckthat.Abermanmussjanichtunangenehmauffallen.EinpaarMetervormireinjungerMann,ganzinschwarzesLedergekleidet,überallNieten–undüberallTattoos,dieHändeunddasganzeGesichtvoll.Absolutgrotesk!Wiekannmansichnursoverunstalten!Ernsthaftarbeitenkannderjanicht,sowieeraussieht.UndjetztlegtsichdiesesHandtuchnochmitdemvierschrötigenGlatzkopfnebenihman:Erwirftihmdochglatteinwenigweinerlichvor,ihmjedesMal,wennsichjemandvorbeischiebt,aufdieFüßezutreten.Junge,dasistnichtdeineGewichtsklasse!SovielDummheit!HatderKleinenochnichtkapiert,dassderOberdenUntersticht?Deranderescheintverbalnichtsonderlichfitzusein,jedenfallssagtergarnichts,bekommtnureinenrotenKopf.MichhättedieserlächerlicheStreitzweierSchwachköpfejaamüsiert,aberderJungeziehtesdanndochvor,soschnellwiemöglichaufeinenfreigewordenenSitzplatzzudrängen.GottseiDank,beieinerSchlägereiwäreichviel­leichtwirklichnochzuspätgekommen.

IIHeuteMorgen,wieüblich,dieS­Bahnüberfüllt,undkeiner,dermirseinenPlatzanbot–früherwardasselbstverständlich,sagtmeineOma.„EinKavalierderaltenSchule“,sagtsieimmer,wennihreinManndieTüraufhält.EigentlichwäresoeinRitterdochganzangenehm…andererseitsmusstemeineOmaauchdaraufwarten,dasssieeineranspricht.Nee,ichsuchmirmeineTypenlieberselberaus.EingeilerTypineinemheißenOutfitstandinderS­Bahngleichnebenmir:ganzinSchwarz,LedermitNietenundTattoosbiszurHaarspitze,beeindru­ckendirgendwie,gutgeschnittenesGesicht–echtinteressanterTyp.Geheimnisvoll.IchsehjanunauchnichtgeradedurchschnittlichausmitmeinerFigurundmeinenKlamotten,ichbrauchjedenfallskeinenSchönheitschirurgenundlaufnichtrumwiediemeisten–wieaufeinerBad­Taste­Party.

AlsoversuchteichhinundwiedereinenBlickkon­taktundwargespannt,oberundwieerreagiert.Blöderweisereagierteergarnicht.ErbeklagtesichbeieinemälterenbulligenMannnebenihm,diesertreteihmständigabsichtlichaufdieFüße.Wow!DeranderewardocheinziemlichesKaliber.IchalsFrauhättedemDickenjanochganzandersdenMarschblasenkönnen,aberer…daswarnichtganzrisikofrei.WahrscheinlichwollteereinfachEindruckschindenbeimir.Naja,warvielleichtdochbesser,dasser,ehederStreitrichtiglosging,aufeinenfreienPlatzausgewichenist.MitdemBlickfolgteichihm,dasmusserdochgemerkthaben,abererhatüberhauptnichtdarangedacht,michan­zusprechenundmirdenPlatzanzubieten.Komisch!Vielleichtwarerjaeinfachschwul?

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IIIOkay,ichwarnichtgutdrauf,esgingauchallesschief:kaumgeschlafen,zuspätaufgestanden,ÄrgermitGabywegenderpaarBiergesternAbend.DannhatauchnochdieScheiß­S­BahnwegenderScheiß­Bauar­beitenwegenStuttgart21Verspätung!Knallvollistsiedannnatürlichauchnoch.Ichzwängemichrein,unddannstehtdanebenmirsoeinkleinesArschloch,wieichsieüberhauptnichtleidenkann:soeinschwarzangezogenerWichser,Leder,NietenundbiszumHaaransatzvollerTattoos.EinervondieserSorteLeute,dieirgendwieleben–ohneJob,dennwerwürdedennsoeineneinstellen–alsowiedereinervondenen,dieaufmeineKostenleben!MeinenganzenFrusthätteichamliebstenanihmabgelassenundihmdieFressepoliert.Abergut–ichhabGabyversprochen,dassichjedemZoffausdemWeggeh.Wennwiederwasvorfällt,machtsieErnst.SieistderBoss.Okay,ichgebzu,ichhabeihmjedesMal,wennsicheinerandenHaltestellenvorbeidrängte,einbisschenaufdieFüßegetreten.UndwasmachtdasBürschchen?FängtnacheinerZeitanzukrähenundbeschwertsich.Ichhabegarnichtsgesagt,habeihnnurange­guckt:NocheinWort…!Undsieheda–genausohabeichihneingeschätzt:ErziehtdenSchwanzeinundverziehtsich.Okay,GottseiDankeigentlich…wiehätteichdassonstGabyerklärensollen.

IVEinTagwieimmer,dasheißtnichtganz:AlsoS­BahnStuttgart,Hauptverkehrszeit(warumnurhabenwirinunseremTeameinensofrühenArbeitsbeginnverabredet,wirsindschließlichalleFreelancerundkönntenauchum9UhranfangenwiedieBanker–unddieverdienenalsAngestelltemindestensfünf­malsovielwiewirmitunsererkleinenWerbeagen­tur!UnddasnachdiesemabsolutstressigenWochenendemitdemEvent…naja,selbstständigseinheißtbekanntlich:Manmachtallesselbst,undzwarständig!:)Also,Montagfrüh–derKunderuft–wiederdiesesmorgendlicheGedränge.NebenmirstandeinechtätzenderNeandertaler:Alkoholfahne,prollig,Amphetamin­Muskeln,Glatze.Wahrscheinlichhartzter–vonmeinerKnete.UndnacheinigerZeitmerkeich,daswarkeinZufall:JedesMal,wennsicheinFahrgastaneinerHaltestellehinein­oderherausdrängte,trittmirdieserTypdochaufdieFüße!Mussichmirnichtbie­tenlassen.Ichhabihnfertiggemacht,keinenTonkonntedermehrsagen.UndnatürlichhabeichmirdanneinenSitzplatzgesucht.DerhatteseinFettweg!Wosindwirdenn?WassinddasüberhauptfürPeopleinderBahn?

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Noch einige Übungen zur Erzählperspektive:

1 VierSichtweisendesselbenGeschehens:Washabensiegemeinsam,wasunterscheidetsie,wielassensichdieUnterschiedeerklären?

2 SuchenSiesicheinedervierIch-ErzählungenausundformenSiesieumineinepersonaleErzählung.

3 VersuchenSie,siealleineinerauktorialenErzählungeinzubeziehen;derauktorialeErzählerselbst(▶▶▶S.186)hatebenfallseineganzbestimmtesUrteilvondenbeidenHauptpersonen(unddenbeobachtendenFahrgästen)

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Interpretation epischer Texte

Erzählperspektiven

Drei grundsätzliche Erzählhaltungen oder -perspektiven lassen sich unterscheiden: die aukto-riale, die Ich- und die personale Erzählung. Jede dieser Erzählperspektiven weist eine Band-breite an Möglichkeiten (von a bis b) auf, die unterschiedlich ausgeschöpft werden können:

Auktoriale Erzählperspektive:Erzählt wird aus der Perspektive des Urhebers (lat. auctor) des Erzählens. Er kann als Erzähler in Erscheinung treten (ich, wir) oder auch nicht.a) Der auktoriale Erzähler kann einerseits als „allwissender“ Erzähler auftreten: ▶ Er weiß, was gleichzeitig an verschiedenen Schauplätzen geschieht. ▶ Er kennt das Innenleben, das heißt die Gefühle und Gedanken aller Figuren. ▶ Er kennt den Fortgang des Geschehens. ▶ Er kommentiert und beurteilt das Geschehen und seine Figuren. ▶ Er reflektiert das Geschehen oder über alles Mögliche.b) Der auktoriale Erzähler kann sich aber auch völlig zurücknehmen auf die reine Außenbeob-

achtung des Geschehens, auf ein völlig reduziertes, neutrales Erzählen.

Ich-Erzählperspektive:In der Ich-Erzählung tritt uns ein erzählendes Ich als Teilnehmender am Geschehen ausdrück-lich entgegen.a) Der Ich-Erzähler kann einerseits die Differenz zwischen dem das Geschehen erlebenden,

erzählten Ich und dem (aus späterer Sicht) erzählenden Ich bewusst ausschöpfen: ▶ durch die Einbeziehung von Sichtweisen und Informationen, die dem erzählenden Ich

erst später zugänglich geworden sind, ▶ durch Beurteilungen des erzählten Geschehens und der Figuren aus der distanzierten

Sicht des Erzählers.b) Der Ich-Erzähler kann sich andererseits ganz auf das Erleben der erzählten Situation, auf

die Sicht und den Standpunkt des erlebenden, erzählten Ichs zurückziehen.

Personale Erzählperspektive:In der personalen Erzählung erleben wir das Geschehen aus der Sicht einer der Personen:a) Das personale Erzählen bietet einerseits die Möglichkeit, Erinnerungen, Gedanken und Ge-

fühle der Person oder Figur, aus deren Perspektive erzählt wird, breit ins Spiel zu bringen,b) andererseits kann es sich zurückziehen auf die reine Darstellung des Geschehens aus der

Sicht dieser Figur.

Vom allwissenden Erzähler über die beiden Zeitebenen des erlebenden und später erzählen-den Ich-Erzählers hin zum personalen Erzähler, der auf die Ebene des Geschehens fixiert ist, ▶ wird die Perspektive immer enger ▶ und nimmt die subjektive Sicht zu.

Leerstellen:Es ist nicht nur interessant zu erfahren, was erzählt wird, sondern man sollte auch danach forschen, was nicht erzählt wird, was ausgeblendet wird und warum. Solche Ausblendungen nennt man „Leerstellen“. Das neutrale Erzählen zum Beispiel blendet die Erklärung für das Verhalten der Personen aus, wir erfahren nicht, was die Personen denken und empfinden, was sie motiviert. Die Ich-Erzählung und die personale Erzählung können ebenfalls für den Leser wichtige hintergrundinformationen oder Erklärungen weglassen; die Frage, warum das geschieht, gibt Auskunft über die Person, die das Geschehen erzählt.

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Fakten:IndemschwedischenKupferbergwerkvonFalunverunglückte1677einjungerBergmann,MatsIsraelsson.1719wurdeseineLeiche,von(Eisen­)Kupfervitrioldurchtränkt,ineinemwiedergeöffnetenStollengefunden,sounverändert,dassihneinemwissenschaftlichenArtikelvon1722zufolgemehrerePersonen,nacheinemBerichteinerKopenhagenerZeitschriftvon1720nurseineehemaligeBrautwiedererkannten.DieLeichewurdevonihrfür500TalerandieMedizinischeFakultätderUniversitätUppsalaverkauft.DortwurdesieunterGlasgelegt,zerfieljedochundwurde1749beerdigt.

1 GehenSiearbeitsteiligvor:SieschreibenentwedereinenZeitungsberichtzurEntdeckungderLeicheodergestaltenausdiesemStoffeinekurzeErzählung.

2 WodurchunterscheidensichbeideTexte?

Johann Peter hebel hat aus diesem Stoff eine Kalendergeschichte geschaffen:

3 WerwarJohannPeterHebel?

4 WasisteineKalendergeschichte?

I ZEITSTRUKTUREN

Johann Peter hebel

(1760–1826).

Der Text wurde 1811

veröffentlicht.

JohannPeterHebel

Unverhofftes Wiedersehen

InFaluninSchwedenküsstevorgutenfünfzigJahrenundmehreinjungerBergmannseinejunge hübsche Braut und sagte zu ihr: „AufSanktLuciäwirdunsereLiebevondesPries-tersHandgesegnet.DannsindwirMannundWeibundbauenunseineigenesNestlein.“–„Und Friede und Liebe soll darin wohnen“,sagte die schöne Braut mit holdem Lächeln,„denn du bist mein einziges und alles, undohnedichmöchteichlieberimGrabseinalsaneinemandernOrt.“AlssieabervorSt.Lu-ciäderPfarrerzumzweitenMalinderKircheausgerufenhatte:„SonunjemandHinderniswüsste anzuzeigen, warum diese Personennichtmöchtenehelichzusammenkommen“–dameldetesichderTod.DennalsderJünglingdenandernMorgeninseinerschwarzenBerg-

mannskleidung an ihrem Haus vorbeiging,derBergmannhatseinTotenkleidimmeran,daklopfteerzwarnocheinmalanihremFens-terundsagte ihrgutenMorgen,aberkeinengutenAbendmehr.ErkamnimmerausdemBergwerk zurück, und sie saumte vergeblichselbigenMorgeneinschwarzesHalstuchmitrotemRandfürihnzumHochzeittag,sondernalsernimmerkam,legtesieeswegundwein-te um ihn und vergaß ihn nie. Unterdessenwurde die Stadt Lissabon in Portugal durchein Erdbeben zerstört, und der Siebenjähri-ge Krieg ging vorüber, und Kaiser Franz derErstestarb,undderJesuitenordenwurdeauf-gehoben und Polen geteilt, und die KaiserinMariaTheresiastarb,undderStruenseewur-dehingerichtet,Amerikawurde frei,unddie

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Interpretation epischer Texte

vereinigte französischeund spanischeMachtkonnte Gibraltar nicht erobern. Die TürkenschlossendenGeneralSteininderVeteranerHöhle inUngarnein,undderKaiser Josephstarb auch.DerKönigGustav vonSchwedeneroberte russisch Finnland, und die Franzö-sische Revolution und der lange Krieg fingan, und der Kaiser Leopold der Zweite gingauch ins Grab. Napoleon eroberte Preußen,und die Engländer bombardierten Kopenha-gen,unddieAckerleutesäetenundschnitten.Der Müller mahlte, und die Schmiede häm-merten, und die Bergleute gruben nach denMetalladerninihrerunterirdischenWerkstatt.AlsaberdieBergleuteinFalunimJahr1809etwas vor oder nach Johannis zwischen zweiSchachteneineÖffnungdurchgrabenwollten,gutedreihundertEllentiefunterdemBoden,grubensieausdemSchuttundVitriolwasserden Leichnam eines Jünglings heraus, derganz mit Eisenvitriol durchdrungen, sonstaberunverwestundunverändertwar;alsodassmanseineGesichtszügeundseinAlternochvöllig erkennen konnte, als wenn er erst voreinerStundegestorbenodereinwenigeinge-schlafenwäreanderArbeit.Alsmanihnaberzu Tag ausgefördert hatte, Vater und Mutter,Gefreunde und Bekannte waren schon langetot,keinMenschwolltedenschlafendenJüng-lingkennenoderetwasvonseinemUnglückwissen, bis die ehemalige Verlobte des Berg-manns kam, der eines Tages auf die Schichtgegangen war und nimmer zurückkehrte.Grau und zusammengeschrumpft kam siean einer Krücke an den Platz und erkannteihren Bräutigam; und mehr mit freudigemEntzücken als mit Schmerz sank sie auf diegeliebteLeichenieder,understalssiesichvoneiner langenheftigenBewegungdesGemütserholthatte,„esistmeinVerlobter“,sagtesieendlich, „um den ich fünfzig Jahre lang ge-trauerthatteunddenmichGottnocheinmalsehen lässt vormeinemEnde.AchtTagevorder Hochzeit ist er unter die Erde gegangenund nimmer heraufgekommen.“ Da wurdendieGemüterallerUmstehendenvonWehmutundTränenergriffen,alssiesahendieehema-ligeBrautjetztinderGestaltdeshingewelktenkraftlosenAltersunddenBräutigamnochin

seinerjugendlichenSchöne,undwieinihrerBrustnachfünfzigJahrendieFlammederju-gendlichenLiebenocheinmalerwachte;aberer öffnete den Mund nimmer zum Lächelnoder die Augen zum Wiedererkennen; undwiesieihnendlichvondenBergleuteninihrStüblein tragen ließ, alsdie einzige,die ihmangehöreundeinRechtanihnhabe,bisseinGrabgerüstetseiaufdemKirchhof.Denan-dernTag, alsdasGrabgerüstetwar aufdemKirchhofundihndieBergleuteholten,schlosssie ein Kästlein auf, legte ihm das schwarz-seideneHalstuchmit rotenStreifenumundbegleitete ihn alsdann in ihrem Sonntagsge-wand,alswennesihrHochzeittagundnichtderTagseinerBeerdigungwäre.DennalsmanihnaufdemKirchhofinsGrablegte,sagtesie:„Schlafenunwohl,nocheinenTagoderzehenimkühlenHochzeitbett,undlassdirdieZeitnicht langwerden. Ichhabenurnochwenigzutunundkommebald,undbaldwird’swie-der Tag. – Was die Erde einmal wiedergege-benhat,wirdsiezumzweitenmalauchnichtbehalten“,sagtesie,alssiefortgingundnocheinmalumschaute.

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1 VergleichenSieHebelsKalendergeschichtemitseinerQuelle.

2 FormulierenSieeinenerstenDeutungsansatz:WaskönntedieAussage(=Textintention)sein?GehenSieausvondenBegriffenLiebe,ZeitundTod.

3 BestimmenSiedenAufbauderGeschichte.

4 SiehabendamitzugleichdasZeitgerüstderGeschichteinseinendreiPhasenbestimmt;beschreibenSieesgenauer.DarüberhinauslassensichdiedreiPhasenselbstwiederunterteilenunddurchSchlüsselbegriffeoderÜberschriftenbenennen.

5 IndendreiPhasenverändertsichwiebeieinerFilmkameraderAbstand,diePerspektive.BeschreibenSiegleichsamdieZoombewegungder„Kamera“.

6 ManunterscheidetinepischenTextengrundsätzlichdie„erzählteZeit“unddie„Erzählzeit“(▶▶▶S.191).–UntersuchenSiedasVerhältnisvon„erzählterZeit“und„Erzählzeit“indeneinzelnenAbschnittenderGeschichte.

7 BeschreibenSiedieRaffungstechniken,dieHebelindeneinzelnenAbschnittenverwendet.

8 NebenRaffungstechnikenfindenwirimTextRückwendungenundVorausdeutungen.ZeigenSieauf,anwelchenStellensieverwendetwurden.

Noch einmal zur Übung ein Arbeitsauftrag zur Erzählperspektive; gehen Sie arbeitsteilig vor:

9 ErzählenSieHebelsGeschichteausderSichtderaltenFrau,dieihrenehemaligenVerlobtenwiedererkannte:

▶WelcheerzählerischenoderperspektivischenMöglichkeitenhabenSiebeidieserAufgabe?▶MitwelchemZeitabstandlassenSiediealteFrauerzählen?▶AufwelcheWeiselassenSiedieFrauvomLeichenfunderfahren?▶WasändertsichgegenüberHebelsText?

10 ErzählenSieHebelsGeschichtealsIch-ErzählungausderPerspektiveeinesGrubenarbeiters,derbeiderEntdeckungundBergungdesTotenmitgeholfenhat:

▶WelcheperspektivischenMöglichkeitenhabenSie?▶WaskannderBergarbeiterwissen,waskannernur

gehörthaben,waskannerunterUmständennurvermuten?

▶WasändertsichgegenüberHebelsText?

11 „WiejedenNachmittagsaßdiealteFrauamFensterundschauteaufdieStraße,hingihrenGedankennach.PlötzlichhörtesieeinaufgeregtesRufen.Waswardabloßlos?DieStraßewarvollerMenschen,alleliefeninRichtungBergwerk.“

ErzählenSieweiter:inderpersonalenErzählhaltungausderPerspektivederaltenFrau,alsoinderdrittenPerson,reduziertaufdieWahrnehmungen,Empfindungen,GedankenundErinnerungen,diesieindieserErlebnissituationhat.

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Interpretation epischer Texte

PeterHandke

Augenzeugenbericht

Nach dem Bericht des Augenzeugen habesich das Geschehen folgendermaßen abge-spielt: Zunächst sei der geistig zurückgeblie-beneHalbwüchsigemithängendemKopfausdem Anwesen getrottet, dann sei er, in sichhineinmurmelnd,zuderimHofbefindlichenRübenhackmaschine gegangen, dann sei derVormunddesSchwachkopfsausdemAnbaugekommen,dannhabederVormunddieMa-schine mit Rüben angehäuft, dann habe erdemdanebenstehendenNarren,mitdereinenHanddasFallbeilderMaschineanhebend,mitderandereneineRübenachschiebend,zuletztmitdemFallbeilzuhackend,denMechanismusderMaschinegewiesen,dannhabederSchwach-sinnigegenickt,dannhabeihmderVormunddenGriffdesBeilsindieFingergedrücktundeineRübebiszumKrautunterdieSchneidegeschoben,dannhabederIdiotdasFallbeilhöherge-hobenundmiteinemHiebdasKrautvonderRübegetrennt,dannhabeermitderRechtendenNackenseinesErziehungsberechtigtenumklammert,dannhabeermiteinemRuckdenSchädeldiesesnachvornegerissen,dannhabeerdenKörperdesVormundswaagerechtaufdieRübengelegt,dann,beipassenderLage,habeerdieFaustvomNackendesVormundsgelöst,dannhabederGeistesschwachemiteinemkurzenSchlagausdemGelenkderLinkendemVormund,ebendadieser,vondenFingernbefreit,sichherumwälzt,dieSchneidedesBeilsindieKehlegeschla-gen,dannhabeerdasBeilvonneuemgehobenundvonneuemgeschlagen,dann,alsAntwortaufdieWuchtdesSchlags,seiendieArmedesVormundsaufwärtsgeschnellt,dannhabederJugendlichedieSchneideneuerlichzuschnappenlassen,dannseiendieArmedesVormundsneuerlichaufwärtsgesprungen,dannhabedasMündelzerstreutdieHandgewechseltundmitderrechtengeschlagen,dannhabederBurschewiederdieHandgewechseltundmitderlinkengeschlagenunddann,nachderAussagedesAugenzeugenallmählich inseinenBewegungenzudemTempoeinesZeitlupenfilmserschlaffend,handwechselndundwiederhandwechselnd,rechterhandundlinkerhand,untergeistesabwesendemMurmeln,KichernundKopfschütteln,zuzeitensogarzurGänzeaussetzendundsichdieAugenreibend,solangedieSchneideindieGurgeldesVormundsgeschlagen,biser,nachlängeremHinundHer,mitAchundKrachdemletzterendenKopfvomRumpfgetrennthatte,woraufderAugenzeuge,daderNarrimmernochfortfuhr,dasBeilzubewegen,ihmendlichindenArmfielundentrüstetEinhaltgebot.

Peter handke (geb.

1942) im Jahr 1973.

Der Text wurde 1969

veröffentlicht.

1 EinirritierenderText:WelcheFragenlegternahe?

2 Dieser„Augenzeugenbericht“istnichtnurinhaltlichvonunmenschlicherGewalt,mankannhiervoneiner„UnmenschlichkeitalsRede-oderSchreibform“sprechen–inwiefern?AchtenSieaufdieSprache.

3 LesenSiedenTextlaut:WoraufmüssenSieinIhremSprechtempoachten,wennSiedasGeschehenverdeutlichenwollen?

4 GliedernSiedenText.

5 LesenSiedenTextnocheinmallaut:WieverhaltensicherzählteZeitundErzählzeit(▶▶▶S.191)indenvonIhnenunterteiltenAbschnitten?

6 Wirnehmeneinmalan,PeterHandkehabedasvorliegendeVerhältnisvonerzählterundErzählzeitbewusstgeplant:WaserreichterdadurchimMittelteil?

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Zeitstrukturen

Erzählte Zeit und Erzählzeit:

Man unterscheidet in epischen Texten grundsätzlich die erzählte Zeit und die Erzählzeit:

▶ Die erzählte Zeit ist die Zeit, die beschrieben wird (Jahre, Tage oder Stunden zum Beispiel); ▶ die Erzählzeit ist die Zeit, die der Leser braucht, bei kurzen Texten üblicherweise gemessen

in Zeilen.

Aus dem Verhältnis zwischen erzählter und Erzählzeit folgen drei Möglichkeiten:

▶ Die erzählte Zeit ist deutlich länger als die Erzählzeit: Dies ist zeitraffendes Erzählen. Raffungstechniken sind zum Beispiel Aussparungen oder

Zeitsprünge, Zusammenfassungen, Aufzählungen von Ereignissen oder Fakten, die nacheinander (= sukzessiv) erfolgen, und die nur einmalige Erzählung von Ereignissen, die sich regelmäßig wiederholen, also iterativ erfolgen.

▶ Die erzählte Zeit ist genau so lang wie die Erzählzeit: Man nennt dies zeitdeckendes Erzählen. Es liegt zum Beispiel mehr oder weniger vor in

der Wiedergabe von Dialogen oder Gesprächen.

▶ Die erzählte Zeit ist kürzer als die Erzählzeit: Dies ist ein zeitdehnendes Erzählen. Es liegt vor, wenn Gefühle, Empfindungen und

Gedanken genau dargestellt werden.

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass mit der Auswahl aus diesen drei Möglichkeiten der erzählte Inhalt unterschiedlich gewichtet wird – er ist dann vermutlich auch unterschiedlich wichtig aus der Sicht des Autors.

Zeitebenen:

In epischen Texten lassen sich drei oder unter Umständen vier Zeitebenen unterscheiden:

▶ Die Handlungsebene ist das erzählte Geschehen oder Erleben; diese Ebene begegnet uns üblicherweise in der Zeitform des Präteritums, als „episches Präteritum“.

Beispiel: „In Falun in Schweden küsste vor guten fünfzig Jahren und mehr ein junger Bergmann seine junge hübsche Braut (…).“

▶ Die Vergangenheitsebene ist der Rückblick auf Ereignisse oder Phasen, die vor dem erzählten Geschehen liegen; diese Ebene begegnet uns in der Zeitform des Plusquamperfekts.

Beispiel: „(…) die ehemalige Verlobte des Bergmannes kam, der eines Tages auf Schicht gegangen war (…)“

▶ Die Zukunftsebene findet sich als Vorausdeutung oder Vorwegnahme; sie begegnet uns innerhalb des erzählenden Textes in der Zeitform des Präteritums.

Beispiel: „Als sie aber (…) der Pfarrer (…) in der Kirche ausgerufen hatte (…), da meldete sich der Tod.“

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Interpretation epischer Texte

Nicht immer, aber gelegentlich tauchen in erzählenden Texten bestimmte Motive oder Leit-motive auf: Es sind dies wiederkehrende Bilder, Gestalten, Gegenstände, Begriffe, Redewen-dungen oder Wortfolgen, die einen deutlichen Bezug zum Gesamtthema und zur Aussage des Textes haben.

1 WirgreifenzurückaufHebelsKalendergeschichte„UnverhofftesWiedersehen“(▶▶▶S.XX):GehenSiedenTextnocheinmalunterdemAspektderMotivedurch.WasfälltIhnenauf?

2 DiezentralenMotiveinHebelsKalendergeschichtesindLiebeundTod:

▶SiehattendenTextsorgfältiggegliedert:ArbeitenSieinjedemAbschnittdieseMotiveheraus.UnterstreichenSiejeweilsdieStellen.WieofttauchendieseMotiveauf?

▶DiebeidenMotivesindgelegentlichunmittelbarmiteinanderverbunden.BenennenSiedieentsprechendenTextstellen.HatdaseineBedeutungfürdieAussagedieserKalendergeschichte?

▶WieoftundanwelchenStellentauchtdasHalstuchauf?VersuchenSieesalsLeitmotivzuverstehen:WelcheBedeutunghatesfürdieAussagedesTextes?

▶DasHalstuchistmehralseinLeitmotiv:EsisteinSymbol(▶▶▶s.unten).

3 LesenSiedenText„Dorscht“vonElisabethKabatek(▶▶▶S.245):ZweiWeltenbegegnensich,nehmensiesichwahr?

4 DasLeitmotivindieserKurzgeschichteisteinSatzodereinWort.Wasbedeutetes?

I MOTIVE

Motive in literarischen Texten

▶ Ein Motiv innerhalb eines epischen oder auch lyrischen Textes ist ein Ereignis, ein Gegen-stand, ein Bild, eine Farbe oder ein Begriff, der sich wiederholt, der also mehrfach auf-taucht und dadurch dem Text schon rein formal Geschlossenheit und Dichte vermitteln kann.

▶ Das Leitmotiv ist zentral, hängt mit der Aussage des Textes eng zusammen, es hat häufig eine inhaltliche Bedeutung, lässt sich interpretieren.

▶ Das Symbol hat immer eine allgemeine Bedeutung, ist ein Zeichen für etwas anderes, All-gemeines. So ist das herz häufig und daher auch schon fast verbraucht ein Sinn-Bild – das meint Symbol – für die Liebe; Schwarz zum Beispiel steht für Trauer und Tod.


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