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Innovationen schützen – eine Frage der richtigen Strategie · 2016. 2. 27. · Innovative KMU...

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31 io new management Nr. 4 | 2007 Intellectual Property Management Management Innovationen schützen – eine Frage der richtigen Strategie Wenn Patentportfolios richtig gemanagt werden, steigt die Rendite von Innovationen. Eine Patentanmeldung allein macht aber nicht immer Sinn. _VON OLIVER GASSMANN UND MARTIN A. BADER E s ist wichtiger, Intellectual Pro- perty zu besitzen als Fabriken. Der Bedarf an gewerblichen Schutz- rechten ist während der vergangenen Jahre fast exponentiell angestiegen. Immer mehr Unternehmen erkennen die Chancen, die Schutzrechte bieten. Der Gesamtbedarf ist seit 2000 weltweit von 10,1 auf den historischen Höchst- stand von 23,5 Millionen (2004) gestie- gen. Dies entspricht einem jährlichen Anstieg von 24 Prozent. Gleichzeitig zwingt der steigende Kostendruck auch weniger technologieintensive Branchen dazu, Patente kritisch zu prüfen. Die Aufrechterhaltung nicht verwendeter Patente kostet Konzerne Millionenbe- träge. Unsere Benchmarkingstudien zei- gen, dass 75 Prozent aller Unternehmen juristische Schutzstrategien verfolgen und eine ausformulierte Patentstrategie haben. Diese ist auf die Unternehmens- strategie abgestimmt und flächen- deckend implementiert, wird regelmäs- sig überprüft und aktualisiert. Die Stoss- richtung der Patentstrategien richtet sich neben der traditionellen Hand- lungsfreiheit und dem Schutz vor Imi- tation zunehmend auch auf die Gene- rierung von Lizenzeinnahmen – und zwar durch externe Vermarktung der eigenen Technologie. Vorreiter IBM erwirtschaftet heute über 1 Milliarde US-Dollar und damit fast 1,5 Prozent des Umsatzes über Lizenzen. Bereits jedes zweite Unternehmen vermarktet Intel- lectual Property extern. Sollen Firmen demnach alles paten- tieren? Nein. Statt auf der Patentierungs- welle mitzureiten, empfiehlt sich ein differenziertes Vorgehen. Entschieden wird von Fall zu Fall. Wichtig ist, eine ganzheitliche Strategie anzuwenden. Unternehmensstrategie: Womit wer- den Werte geschaffen? Zum Beispiel mit einer Wachstumsstrategie, als Innovationsführer oder Fast Follo- wer, durch Kernkompetenzen oder Positionierung. Technologie- und Innovationsstrate- gie: Wie tragen neue Technologien und Innovationen zur Wertsteige- rung bei? Etwa durch ein Technolo- gieportfolio, offene oder geschlosse- ne Innovationsprozesse, Allianzen, Make-or-Buy-Entscheide, Standards und Dominante Designs, Plattform- konzepte oder die Rolle der User Innovationen. Branchenverhalten: Wie verhalten sich die Wettbewerber und mögli- che Neueinsteiger bezüglich der Patente? Werden beispielsweise Schutzrechte in der Industrie ange- fochten oder verteidigt? Clockspeed der Industrie: Hohe Dynamik wie zum Beispiel in der Modebranche oder Softwareindustrie, lange Pro- duktzyklen wie etwa im Maschinen- und Anlagenbau. Häufig werden Neueinsteiger und Cross-Industry- Innovationen vernachlässigt. Die aus der Unternehmensstrategie abzuleitende Patentstrategie dient dem Innovationen müssen ge- mäss einer definierten Patentstrategie geschützt werden. Ansons- ten drohen unerwünschte Folgen wie ein- geschränkter Handlungsfreiraum oder Imitation. Mit einem effizienten Intellec- tual Property Management lässt sich die Rendite von Innovationen verbessern. PROF. DR. OLIVER GASSMANN ist Professor für Technologie- und Innovationsma- nagement an der Universität St. Gallen und Direktor des Insti- tuts für Technologiemanagement. Er ist Gründungspartner des Intellectual Property und Innova- tions-Unternehmens BGW AG mit Sitz in St. Gallen und Wien und Mitglied in mehreren wirtschaftli- chen und akademischen Boards. Zuvor leitete er die Forschung & Vorentwicklung bei Schindler. [email protected] DR. MARTIN A. BADER ist europäischer und Schweizer Patentanwalt sowie Gründungs- partner und Geschäftsleitungsmit- glied der BGW AG. Zuvor leitete er als Vice President und Chief Intellectual Property Counsel die Hauptabteilung Intellectual Capi- tal bei Infineon Technologies, Mün- chen. Er promovierte an der Uni- versität St. Gallen und leitete meh- rere Benchmarking- und Bera- tungsprojekte zu IP-Management von international führenden Unter- nehmen. [email protected] In Kürze
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io new management Nr. 4 | 2007

Intellectual Property Management Management

Innovationen schützen – eineFrage der richtigen StrategieWenn Patentportfolios richtig gemanagt werden, steigt die Rendite von Innovationen. Eine Patentanmeldung allein macht aber nicht immer Sinn. _V O N O L I V E R G A S S M A N N U N D

M A R T I N A . B A D E R

Es ist wichtiger, Intellectual Pro-perty zu besitzen als Fabriken. DerBedarf an gewerblichen Schutz-

rechten ist während der vergangenenJahre fast exponentiell angestiegen.Immer mehr Unternehmen erkennendie Chancen, die Schutzrechte bieten.Der Gesamtbedarf ist seit 2000 weltweitvon 10,1 auf den historischen Höchst-stand von 23,5 Millionen (2004) gestie-gen. Dies entspricht einem jährlichenAnstieg von 24 Prozent. Gleichzeitigzwingt der steigende Kostendruck auchweniger technologieintensive Branchendazu, Patente kritisch zu prüfen. DieAufrechterhaltung nicht verwendeterPatente kostet Konzerne Millionenbe-träge.

Unsere Benchmarkingstudien zei-gen, dass 75 Prozent aller Unternehmenjuristische Schutzstrategien verfolgenund eine ausformulierte Patentstrategiehaben. Diese ist auf die Unternehmens-strategie abgestimmt und flächen-deckend implementiert, wird regelmäs-sig überprüft und aktualisiert. Die Stoss-richtung der Patentstrategien richtetsich neben der traditionellen Hand-lungsfreiheit und dem Schutz vor Imi-tation zunehmend auch auf die Gene-rierung von Lizenzeinnahmen – undzwar durch externe Vermarktung dereigenen Technologie. Vorreiter IBMerwirtschaftet heute über 1 MilliardeUS-Dollar und damit fast 1,5 Prozent desUmsatzes über Lizenzen. Bereits jedeszweite Unternehmen vermarktet Intel-lectual Property extern.

Sollen Firmen demnach alles paten-tieren? Nein. Statt auf der Patentierungs-welle mitzureiten, empfiehlt sich eindifferenziertes Vorgehen. Entschiedenwird von Fall zu Fall. Wichtig ist, eineganzheitliche Strategie anzuwenden.Ω Unternehmensstrategie: Womit wer-

den Werte geschaffen? Zum Beispielmit einer Wachstumsstrategie, alsInnovationsführer oder Fast Follo-wer, durch Kernkompetenzen oderPositionierung.

Ω Technologie- und Innovationsstrate-

gie: Wie tragen neue Technologienund Innovationen zur Wertsteige-rung bei? Etwa durch ein Technolo-gieportfolio, offene oder geschlosse-ne Innovationsprozesse, Allianzen,Make-or-Buy-Entscheide, Standardsund Dominante Designs, Plattform-konzepte oder die Rolle der UserInnovationen.

Ω Branchenverhalten: Wie verhaltensich die Wettbewerber und mögli-che Neueinsteiger bezüglich derPatente? Werden beispielsweiseSchutzrechte in der Industrie ange-fochten oder verteidigt? Clockspeedder Industrie: Hohe Dynamik wiezum Beispiel in der Modebrancheoder Softwareindustrie, lange Pro-duktzyklen wie etwa im Maschinen-und Anlagenbau. Häufig werdenNeueinsteiger und Cross-Industry-Innovationen vernachlässigt.

Die aus der Unternehmensstrategieabzuleitende Patentstrategie dient dem

Innovationen müssen ge-

mäss einer definierten

Patentstrategie geschützt werden. Ansons-

ten drohen unerwünschte Folgen wie ein-

geschränkter Handlungsfreiraum oder

Imitation. Mit einem effizienten Intellec-

tual Property Management lässt sich die

Rendite von Innovationen verbessern.

PROF. DR. OLIVERGASSMANN ist Professor fürTechnologie- und Innovationsma-nagement an der Universität St. Gallen und Direktor des Insti-tuts für Technologiemanagement.Er ist Gründungspartner desIntellectual Property und Innova-tions-Unternehmens BGW AG mitSitz in St. Gallen und Wien undMitglied in mehreren wirtschaftli-chen und akademischen Boards.Zuvor leitete er die Forschung &Vorentwicklung bei Schindler. [email protected]

DR. MARTIN A. BADERist europäischer und SchweizerPatentanwalt sowie Gründungs-partner und Geschäftsleitungsmit-glied der BGW AG. Zuvor leitete erals Vice President und ChiefIntellectual Property Counsel dieHauptabteilung Intellectual Capi-tal bei Infineon Technologies, Mün-chen. Er promovierte an der Uni-versität St. Gallen und leitete meh-rere Benchmarking- und Bera-tungsprojekte zu IP-Managementvon international führenden [email protected]

In Kürze

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Intellectual Property ManagementManagement

Aufbau von Geschäftspotenzialen undsichert bereits realisiertes Potenzial.Portfoliotechniken für Intellectual Pro-perty bieten sich an, um getätigte Inves-titionen zu managen.

Am Institut für Technologiemanage-ment der Universität St. Gallen wurde,damals unter Leitung von Prof. Boutellier,eine Portfolio-Methode zum Manage-ment neuer Technologien entwickeltund in zahlreichen europäischen Firmeneingeführt. Die Methode wurde für dasManagement von Patenten weiterent-wickelt (siehe Abbildung 1 auf der rech-ten Seite): Die strategische Bedeutungreflektiert die externe Perspektive (Kun-den/Wettbewerber/Substitutionstechno-logien); die Ressourcenstärke die internePerspektive (Fähigkeiten/Kompetenz).Patente strategisch zu managen, beinhal-tet folgende Dimensionen:1. Explorieren2. Aufbauen3. Sichern4. Optimieren

5. Abbauen

1. Explorieren

Liegt auf einem Gebiet eine geringe odernoch nicht erkennbare strategischeBedeutung vor, ist die Potenzialent-wicklung zu explorieren (Patent-Scan-ning). Roche Vitamines nutzt syste-matisch Patentrecherchen, um Trendsin Herstellungsprozesstechnologienaufzuspüren und rechtzeitig effizienteSubstitutionstechnologien zu erken-nen. Mit Forschern und Marketing-spezialisten werden Recherchesuch-profile auf Basis von Schlagworten defi-niert, um relevante Interessensgebieteeinzugrenzen. Ein Fokus der Trend-analysen liegt auf den Lebenszyklus-kurven. Der Zeithorizont liegt bei fünfbis zehn Jahren.

2. Aufbauen

Sobald Themen- und Kompetenzfelder

mit wachsender strategischer Bedeu-tung erkannt werden, sind gezieltePatentrecherchen durchzuführen (Pa-tent-Monitoring). Ziel ist es, die Wei-terentwicklungen auf bestimmtenTechnologiefeldern und gewisse Wett-bewerber durch Patentrecherchen zuüberwachen. Dabei ist zu berücksichti-gen, dass die meisten Patentdokumen-te erst 18 Monate nach der Prioritätsan-meldung veröffentlicht werden. ImUnternehmen empfiehlt es sich, Spe-zialisten für bestimmte Wettbewerberund Kompetenzgebiete zu definieren,welche diese Recherchen durchführenund gegebenenfalls schon verfügbarePrototypen analysieren.

Phonak nutzt Patentinformationenzur Unterstützung der internen Tech-nologiefrühaufklärung. Das Unterneh-men erfasst die Patentoffenlegungs-schriften aller einschlägigen Mitbewer-ber, wie etwa Siemens Audiology, ge-gliedert nach Technologie- und Kern-kompetenzfeldern und analysiert diese

Keine Patentanmeldung: Das Rezept des Softgetränks Coca-Cola wird geheim gehalten. Illustration: Lorenz Meier

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unter Verantwortung der Forschungs-abteilungsleiter. Der Zeithorizont fürdie Erkennung von Trends liegt zwi-schen drei und fünf Jahren.

3. Sichern

Dem Unternehmen ist es gelungen,eigene Ressourcen auf einem Kompe-tenzfeld mit hoher strategischer Bedeu-tung aufzubauen. Das Potenzial, breiteBasispatente anzumelden, geht zurück,da das öffentliche Wissen und der Standder Technik auf diesen Gebieten starkgewachsen ist. Der Fokus der Patentan-meldungen liegt zunehmend auf detail-lierteren Ausführungsformen. Die The-mengebiete sind systematisch auf Lö-sungs- und Ausführungsvarianten bzw.Umgehungslösungen abzuklopfen.

Im Rahmen der Patentportfolio-optimierung bemühen sich Firmen ver-stärkt um die Erstellung von Patent-Clustern bei strategisch wichtigen Tech-nologiefeldern. Zunächst werden breitabdeckende Patentportfolien aufgebaut(«Growing»). Diese werden später wie-der ausgedünnt, sobald sich abschätzenlässt, welche Ideen technisch und kom-merziell relevant sind («Pruning»). Vor-teilhaft ist es, bereits im laufendenPatentanmeldeverfahren kostenwirk-same Entscheidungen nach dem Nut-zenaspekt zu treffen. DaimlerChryslerforciert derzeit die Clusterentwicklung,welche nach Einschätzung des Techno-logiestrategieleiters noch zu wenig aus-gebildet ist. Auf dieser Basis lassen sichdann entsprechende Portfoliobereini-gungen vornehmen.

Der Konsumgüterhersteller Henkelnutzt diese Methode erfolgreich, ummöglichst viele Varianten frühzeitig zuschützen und später zu hohe Kosten fürdas Patentportfolio zu vermeiden.Recherchen bringen in diesem Stadiumhäufig nicht mehr die gewünschtenErkenntnisse. Aufgrund der 18-mo-natigen Veröffentlichungssperrfrist

wird nicht sichtbar, welche Variantendie Konkurrenz weiterentwickelt oderwelche technischen Lösungswege sieeingeschlagen hat. Insbesondere fürKompetenzen, die mit externen Koope-rationspartnern aufgebaut wurden, istzu überprüfen, inwiefern eine Aus-Lizenzierung auf andere Märkte mög-lich ist.

Für die Entwicklung des zentralen,multifunktionalen Bedienelements «i-Drives» kooperierte BMW mit dem klei-nen kalifornischen Softwareunterneh-men Immersion. Dieses hatte bereits ein-schlägiges Know-how im Bereich derForce-Feedback-Technologie, das bei Joy-sticks, Bedienungsgeräten im Konstruk-tionsbereich und der Medizintechnikeingesetzt wird. Man vereinbarte, dassBMW an den Entwicklungsergebnissenfür den Automobilbereich zeitlich be-schränkte, exklusive Rechte erhält, wäh-

rend Immersion eine eigenständige Nut-zung und Vermarktung ausserhalb desAutomobilsektors zusteht.

4. Optimieren

Das Unternehmen hat in strategischwichtigen Feldern hohe Kompetenzaufgebaut, deren Bedeutung aus Kun-den-, Markt-, Wettbewerbs- oder Tech-nologiesicht jedoch abnimmt. Spätes-tens ab diesem Zeitpunkt sind beste-hende Patentcluster nach Kosten-Nut-zen-Überlegungen zu überprüfen. Be-steht die Gefahr, dass Substitutionstech-nologien Kompetenzen ablösen, solltedas Unternehmen eigene, diese Gebietebetreffende Patente als Sperrschutz-rechte einsetzen. Dadurch lässt sich einfrühzeitiger, einseitiger Wertverfall derbestehenden Kerntechnologien verhin-dern.

Sinnvollerweise ist die Patentstrategie fester Bestandteil der Produkt- und Preispolitik.

Abb. 1: Patentmanagement

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Intellectual Property ManagementManagement

Der Sportwagenhersteller Porschenutzt Schutzrechte auf Substitutions-technologien gezielt, um den vorzeiti-gen Wertverfall und eine Verwässerungbestehender Technologien zu vermei-den. Gegebenenfalls werden dazu exklu-sive Lizenzen genommen und vorrätiggehalten.

Der dänische HörgeräteherstellerReSound konnte nach einer Patentaus-einandersetzung 3M ein starkes Patent-portfolio abkaufen, das ReSound und inden Hörgeräte-Patentpool HIMPP (Hea-ring Instrument Manufacturers PatentPartnership) einbrachte. Diesem Poolkönnen heute Firmen nach Entrichtungeiner Mitgliedsgebühr beitreten. Fak-tisch werden dabei Markteintrittsbar-rieren für potenzielle neue Wettbewer-ber aufgebaut.

5. Abbauen

Hat die strategische Bedeutung einerTechnologie oder Kompetenz stark ab-genommen, sind die Schutzrechte da-raufhin zu prüfen, ob die Patentan-spruchsfassungen eine Neubewertungmit einer Zuordnung zu anderen Kom-petenz- oder Wettbewerbsfeldern zulas-sen. Die Möglichkeit einer exklusivenAuslizenzierung ist in Erwägung zu zie-hen, soweit bestehende Lizenzvereinba-rungen dies erlauben. Sonst ist von einemgeringen Nutzen auszugehen, dem hoheKosten gegenüberstehen. Spricht nichtsdagegen, kann die Firma derartige Paten-te aufgeben, verkaufen, abgeben bzw.spenden.

Die in der industriellen Verfahrens-technik tätige Firma Endress+Hauser

sondert alle Patente aus oder verkauftsie, fliessen die betroffenen Themenge-biete nicht innerhalb eines Zeitraumsvon etwa sieben Jahren in eigene Pro-dukte oder Herstellprozesse ein.

Das Chemieunternehmen DowChemical überprüfte Anfang der Neun-zigerjahre seinen gesamten Schutz-rechtsbestand. Durch aufgegebene odergespendete Schutzrechte konnten dabeiEinsparungen in Form von wegfallen-den Jahresgebühren und Steuervorteilein Höhe von 50 Millionen US-Dollar rea-lisiert werden.

Nach Ableitung der Patentstrategiemüssen die Portfoliomassnahmen um-gesetzt werden. Dabei dominiert leider oftdas Motto «Paralyse durch Analyse». Umdie entwickelten Strategien in den häufigüberlasteten Patentabteilungen durch-zusetzen, muss zunächst die Stossrich-tung priorisiert werden. Die wichtigstenMassnahmen («vital few actions») sindim Detail mit den Geschäftsbereichenoder Entwicklern zu planen und umzu-setzen. Gerade aufgrund der häufig indi-rekten und erst später wirksamen Folge-wirkungen von Patentmassnahmen dro-hen diese zu versanden. Es braucht klareoperative Ziele, die das Managementregelmässig misst und überprüft. Nichtzu vernachlässigen sind die Kosten: DasErlangen und Aufrechterhalten einer Pa-tentfamilie in Europa kostet bei einembreiteren Länderportfolio über zehn Jah-re etwa 25 000 Euro.

Kein Patentrezept fürLänderwahl

Wo sollen Unternehmen patentieren?Patente verbieten die Imitation einerInnovation nur in denjenigen Ländern, indenen das Patent angemeldet und recht-mässig erteilt wurde (Territorialprinzip).Deshalb bestehen unterschiedliche Phi-losophien hinsichtlich der richtigen Län-derwahl. Zentrale Kriterien sind:

In der Praxis ergänzen sich juristische und faktische Schutzstrategien.

Abb. 2: Schutzstrategien

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Ω Märkte des Unternehmens und derWettbewerber.

Ω Produktionsstandorte des Unter-nehmens und der Wettbewerber.

Ω Länderspezifische Legislation, etwaDurchsetzbarkeit der Patente.

Ω Kostenaspekte, etwa auf Basis vonÜbersetzungserfordernissen.

Leica Geosystems, Hersteller vonVermessungsinstrumenten, und dessenKonkurrenten haben eine geringeräumliche Fertigungsflexibilität undrichten Patentanmeldestrategien starkan den Produktionstandorten aus. Ähn-liches gilt in der kapitalintensivenHalbleiterindustrie.

In der Pharmaindustrie beeinflus-sen nationale Regularien die Preisge-staltung der Produkte. Dabei hängt derPreis von der Innovativität ab; die An-zahl an Schutzrechten gilt als Indika-tor für den Innovationsgrad. Scheringplatziert deshalb Patentanmeldungengezielt in solchen Ländern, um besse-re Ausgangsbedingungen für die Preis-politik zu schaffen. Die Patentstrategiewird damit ein integraler Bestandteilder Produkt- und Preispolitik des Un-ternehmens.

Ein weiteres Kriterium für die Län-derauswahl ist die Durchsetzbarkeitder Schutzrechte und der Wille, dies zutun. Dazu gehört, im Ernstfall entspre-chende finanzielle Reserven zu habenund zur Verfügung zu stellen. In denUSA betragen Patentlitigationskostenbei Streitwerten zwischen 1 und 25Millionen US-Dollar im Durchschnitt2,6 Millionen US-Dollar. Die Unter-nehmen müssen die Kosten in derRegel selber tragen.

Innovative KMU müssen insbe-sondere die Folgekosten und Ressour-cenbindung für eine mögliche gericht-liche Auseinandersetzung bedenken.Dies gilt vor allem für die VereinigtenStaaten. Insofern müssen Firmen beijuristischen Schutzstrategien nichtnur rechtliche, sondern stets auchfinanzielle und politische Überlegun-gen anstellen. Empfehlenswert ist, nurdort zu patentieren, wo ein Rechts-system vorhanden und das eigeneRecht zumindest in absehbarer Zeitdurchsetzbar ist.

Aufgrund der hohen Kosten vonPatenten und deren Durchsetzung müs-sen Firmen Alternativen berücksichti-gen. Darunter fallen faktische Schutz-

strategien, zum Beispiel kurze Time-to-Market für Produkte mit hoher At-traktivität wie Designermode, dieGeheimhaltung von Prozessen bei Coca-Cola, der Software-Quellcode beim Auf-zughersteller Schindler, eine starkeKundenbindung durch Pole-Positionbei Straumann oder der Aufbau einesstarken Markenimages von Haribo (sie-he Abbildung 2 auf der linken Seite). Esgeht dabei nicht nur um Kostenein-sparungen, sondern um eine strategi-sche Positionierung, die weitreichendeKonsequenzen hat. Hätte Coca-Coladamals die Zusammensetzung seinerLimonade als Patent angemeldet, gäbees heute aufgrund der Veröffentlichungder Rezeptur sicherlich zahlreicheNachahmer.

AIPLA (2005): Report of the Economic Survey 2005.AIPLA American Intellectual Property Law Asso-ciation. Arlington, Virginia.

Bader, M.A. (2006): Intellectual Property Manage-ment in R&D Collaborations. The Case of the Ser-vice Industry Sector. Physica, Heidelberg.

Gassmann, O.; Bader, M.A. (2007): Patentmana-gement. Innovationen erfolgreich nutzen undschützen. 2. aktualisierte Auflage. Springer, Berlin.

Literatur


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