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InitiativeRespekt! Arbeitsbericht 4 | SEP 2014

Date post: 06-Apr-2016
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BERICHT NR 04 | SEP 2014
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Page 1: InitiativeRespekt! Arbeitsbericht 4 | SEP 2014

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RIC

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NR 04 | SEP 2014

WWW.INITIATIVE - RESPEKT.ORG 

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LIEBE GEMEINDE

MITGLIEDER

VORWORT

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Europas Straßen und Plätzen aus „Free Gaza“, wofür ja demonstriert werden darf, „Tod den Juden“.Wir betrachten es als dringend notwendig, dass allen voran die Vertreter/innen der jüdischen Gemeinden, die vielen jüdischen Intellektuellen aber auch die europäischen Medien diese Unterscheidung immer wieder hervorheben.

Antisemitische Parolen und Akte der Gewalt und Zer-störung auf österreichischen Fußballplätzen, auf der Straße in Frankreich, Deutschland, Skandinavien, sogar in der Schweiz, müssen für uns alle, jüdisch oder nicht jüdisch, Alarmzeichen sein und wir müssen alle gemein-sam versuchen, das Bestmögliche zu tun, damit alle Menschen, egal welcher Herkunft und Religion, anneh-mend und respektvoll mit einander leben.

Die täglichen Ereignisse erforderten tägliches Engage-ment von allen gemeinsam und den ganzen Sommer über hat unsere Kultusrätin Sonia Feiger mit dem Präsidi-um eng zusammengearbeitet. Es standen also in unserer Gemeinde viel Zusammenarbeit und Zusammenhalt im Vordergrund und die Arbeit an den Strukturen der IKG musste ein wenig in den Hintergrund treten.

Wir hoffen, dass sich die Lage in Nahost bald zumin-dest so stabilisiert, dass nicht noch mehr Menschen ums Leben kommen und nicht noch mehr Familien trauern müssen.

Dann können wir uns auch wieder konstanter und konzentrierter unseren selbst gestellten Aufgaben wid-men: Organisation, Transparenz, Corporate Gover-nance, Einheitsgemeinde, Inklusion jener Juden, die der Gemeinde ferner sind.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen, liebe Gemeinde-mitglieder, ein friedliches, gesundes, glückliches und gutes Neues Jahr.

Ihr Initiative Respekt!-Team

VORWORT

DIE VERGANGENEN MONATE WAREN FÜR UNS ALLE EINE SCHWIERIGE ZEIT. DER BE-WAFFNETE KONFLIKT IN ISRAEL UND GAZA HAT AUF MEHREREN EBENEN AUSWIRKUNGEN WAHRSCHEINLICH AUF JEDE UND JEDEN VON UNS. Im ganz persönlichen Bereich haben viele Sorge um Fa-milienmitglieder, Freunde und ganz allgemein zumindest um alle jüdischen Israelis. Man wartet auf Nachrichten, hofft, dass niemand zu Schaden kommt und vor allem, dass der Spuk bald zu Ende sein möge.

Auf der nächsten Ebene geht es um Sorge und Angst um Israel, das in der Diaspora für verschiedene Men-schen durchaus verschiedene Werte hat – quer durch das religiöse (und nicht-religiöse jüdische) und politische Spektrum. So fern man sich fühlen mag, ist man doch betroffen, auch wenn zwischen Israelis und Juden un-terschieden wird, sind doch nicht alle Juden Israelis und nicht alle Israelis Juden. In diesem Arbeitsbericht werden diese Fragen weiter thematisiert werden.

Und dann geht es für uns jüdische Europäer/innen um die Folgen des wieder aufgeflammten Konflikts in un-seren täglichen Leben in unseren jeweiligen Ländern. Wir haben (ein)sehen müssen, dass dieser bewaffnete Konflikt, obwohl tausende Kilometer weit weg, ein Anlass/Auslöser für breite, verdeckt oder offen antise-mitische Manifestationen geworden ist. Teile der wach-senden islamischen Gemeinden in Europa haben Israel mit dem „Weltjudentum“ identifiziert und so wurde auf

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KULTURKOMMISSION

AM 9. NOVEMBER FINDET DIE „NACHT DER ER-HELLTEN SYNAGOGEN“ STATT. Bis zum 9. November 1938 befanden sich in Wien sechs architektonisch eindrucksvolle jüdische Tempel, 18 von Tempelvereinen gegründete Vereins-synagogen und 78 Bethäuser. Mit der Machtüber-nahme der Nationalsozialisten gerieten diese Einrichtungen in immer größere Gefahr. Die Aggres-sion gegen die jüdische Gemeinde in Wien gipfelte schließlich im Novemberpogrom von 1938. In der Nacht vom 9. auf den 10. November wurden Syna-gogen und das damit verbundene jüdische religiöse Leben durch brutale Gewalt und Brandlegung ver-nichtet. Insgesamt wurden 42 jüdische Einrichtun-gen zerstört. Die tragische Bilanz: 30 Todesopfer, 42 zerstörte Synagogen und über 4.000 nach Dachau deportierte Jüdinnen und Juden.

Wir können auch heute die Vergangenheit nicht ruhen lassen, wenn in Europa im Jahr 2014 wieder moralische Grenzen überschritten werden und das Wort „Saujud“ wieder auf Auslagen jüdischer Ge-schäfte geschmiert wird. Angelehnt an die schreck-lichen Ereignisse der Nacht des 9. November 1938 möchten wir an diesem Abend die in Brand gesetz-ten Synagogen durch Lichteffekte visualisieren.

BERICHTE AUS DEN KOMMISSIONEN

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CHANUKKAHMARKT-REVIVALAm Donnerstag, 18. Dezember 2014 (2. Tag Cha-nukkah, 3. Kerze) findet am Judenplatz nach vielen Jahren wieder ein Chanukkah-Markt statt. Eine weitere Gelegenheit, allen Interessierten Religion, Brauchtum und Tradition des Judentums nahe zu bringen – kleine Geschenke zu kaufen und kulinari-sche Spezialitäten zu genießen.

FESTIVAL DER JÜDISCHEN KULTUR 2015Die USA sind unser Gastland für das „Festival der Jüdischen Kultur Wien 2015“. Für diese 25-Jahr-Feier des Festivals (ehemals „Jüdische Kultur-wochen“) arbeiten wir in IKG.KULTUR gerade ein außergewöhnliches Kulturprogramm mit vielen High-lights und Gästen aus den USA aus. Ein ehrenamtli-ches Team, bestehend aus PR- und Fundraising-Experten und bekannten Musikern, kümmert sich um Logistik, künstlerische und organisatorische Leitung. Es wird ein intensives Arbeitsjahr werden!

-von IR: Sonie Feiger, Peter Weinberger, Francois Schall

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KULTURKOMMISSION

Das Literaturcafé brachte von Januar bis Anfang September 2014 die nachstehenden Veranstaltun-gen, die größtenteils sehr gut besucht waren. Mit Ausnahme von Lesungen und Konzerten ver-stehen sich diese Veranstaltungen als Gespräche mit einem eingeladenen, in der Öffentlichkeit sehr bekannten Gast.

5. Januar „Der Schriftsteller und Mathematiker Leo Perutz“Gast: Doron Rabinovici

23. Januar „Von Moskau bis Moskau“ Gast: Susanne Scholl

20. Februar „Case unclosable“Gast: Nancy Amendt-Lyon und Eugen Freund

26. März „kornGOLDmark“. CD-PräsentationGast: Michael Haas im Gespräch mit Gergely Sugar (Wr. Symphoniker), Musik: Orsolya Korcsolan, Vio-line und Emese Mali, Klavier

15. Mai „Kunstrestitution“Gast: Clemens Jabloner

17. Juni „Lenka Reinerova, die letzte Schriftstellerin des Prager Deutsch“Es lasen Christa Schwertsik und Peter Weinberger

15. September „Alltagsrassismus“Gast: Ruth Wodak

Das Literaturcafé versteht sich vor allem als Forum zur Öffnung der IKG. Die Tatsache, dass die über-wiegende Zahl der Besucher nicht-jüdisch bzw. keine Mitglieder der IKG waren, zeigt, dass dieses Konzept offensichtlich aufgegangen ist.

-von IR: Sonie Feiger, Peter Weinberger, Francois Schall

BERICHTE AUS DEN KOMMISSIONEN

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DR. SUSANNE SCHOLL

DONNERSTAG 23.1.201419.30 UHR

Susanne Scholl ist Tochter einer assimilierten österreichisch-jüdischen Medizinerfami-lie, mit deren tragischem Schicksal sie sich in ihrem Roman „Elsas Großväter“ ausei-nandersetzte. Ihr Vater stammte aus Pötzleinsdorf, ihre Mutter aus der Leopoldstadt.Kennen lernten sie sich im „Austrian Center“ in der Emigration in London. Sie kehrten1947 nach Wien zurück, um am Aufbau des Kommunismus in Österreich mitzuwirken.

Ihre journalistische Laufbahn begann sie als Assistentin des seinerzeitigen Mittel- undOsteuropa-Korrespondenten der französischen Zeitung „Le Monde“, Manuel Lucbert.Anschließend war sie für Radio Österreich International (ROI) und die APA tätig, vonwo sie von Paul Lendvai 1986 in das Pionierteam der neuen ORF-Osteuroparedaktiongeholt wurde. 1989 ging Scholl als Korrespondentin des ORF nach Bonn, 1991 wech-selte sie nach Moskau. 1997 bis 2000 leitete sie in der Wiener Zentrale das „Europa-journal“ im ORF-Radio, um dann nach Moskau zurückzukehren. Aufsehen erregte ihrevorübergehende Festnahme durch die russischen Behörden während der Berichter-stattung aus Tschetschenien.

Scholl wurde mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst undzahlreichen Preisen ausgezeichnet, wie dem Axel-Corti-Preis der österreichischenVolksbildung 2007 und dem Concordia-Preis des Presseclubs Concordia. Im Jahr 2012wurde sie mit dem Buchliebling Lifetime Award ausgezeichnet.

Im November 2012 erhielt sie das Goldene Ehrenzeichen der Stadt Wien.

Freier Eintritt mit Spende CAFÉVON

MOSK

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isMO

SKAU

Aus Sicherheitsgründen bitten wir Sie, einen amtlichen Lichtbildausweis mit sich zu führen.

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MAIMONIDES ZENTRUM

TURNAROUND EINGELEITET – GESCHÄFTSFÜHRERIN GEHTUnter mehr als schwierigen externen und auch vor allem IKG-internen Rahmenbedingungen hat die Geschäftsführerin des Maimonides Zentrum, Sabine Geringer Msc, nach einer Geschäftsführungstätig-keit von etwas mehr als einem Jahr per 30. 6. 2014 ein ausgeglichenes Ergebnis erreicht.

Im August hat sie um einvernehmliche Auflösung ihres Vertrags ersucht und wird das Haus mit Ende des Jahres verlassen. Wir bedauern das sehr, da wir Frau Geringer als sehr engagierte und hoch qualifi-zierte Geschäftsführerin erlebt haben. Wir wünschen ihr für ihren weiteren Berufsweg alles Gute.

Die Zeit für die Suche und Auswahl einer Nach-folge ist sehr knapp, da die Stelle mit 1.1.2015 besetzt sein sollte. Die Führung des Hauses hatte ursprünglich vorgehabt, nur in einer Tageszeitung zu inserieren und den weiteren Auswahl-Prozess IKG-intern abzuwickeln.

In der September-Kultusratssitzung wurde auf unsere Initiative hin der einstimmige Beschluss gefasst, wie beim letzten Mal eine professionelle Ausschreibung mit Begleitung durch einen Personal-berater durchzuführen, der mit der Findungsgruppe der IKG zusammenarbeiten wird.

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Wir haben gegenüber den Mitgliedern der IKG, deren Beiträge unter anderen Institutionen auch das Maimonides Zentrum finanzieren, die Verant-wortung, die beste Nachfolge zu finden, um die Sanierung des Haushalts des Maimonides Zentrums weiter voran zu treiben.

Einmalige Sonderkosten, die in den vergangenen Jahren immer wieder strukturelle Defizite verursacht haben, können und werden immer wieder anfallen; sie sind nicht vorhersehbar und daher nicht planbar. Dass die Erhöhung der Tagsätze des Fonds Sozia-les Wien unter der Steigerungsrate der Lohnkosten liegt und dass die eingenommenen Spenden durch die allgemeine Wirtschaftslage bisweilen geringer ausfallen, wird auch immer wieder vorkommen.

Daher ist es wichtig, Überschüsse zu erzielen und in Form von Rücklagen verfügbar zu halten.

Wir haben diesmal unser Vorstandsmitglied Michael Kalwil – der gemeinsam mit Arlette Leupold-Löwen-thal und Patricia Kahane Mitglied des Maimonides Zentrum-Beirats ist – in die Findungsgruppe ent-sandt.

-von IR: Michael Kalwil, Arlette Leupold- Löwenthal, Patricia Kahane

BERICHTE AUS DEN KOMMISSIONEN

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ISRAELI UND ISRAELITENUNGEWOLLTE UND GEWOLLTE VERWECHSLUNGEN

ERSCHIENEN IN DER “NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG” AM 20.08.2014 , MICHAEL BRENNER

THEMA : JÜDISCHE IDENTITÄT

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rael» – «Gottesstreiter» – war der Name, den einst der Patriarch Jakob erhalten hatte, als er mit dem «Mann Gottes» kämpfte und ihn niederrang.

ZION, JUDA, SIEBENSTUNDENLANDDie Nachkommen Jakobs waren auch als «Kinder Israels» oder «Volk Israel» geläufig. Das bekannteste jüdische Gebet, das «Schma Israel» («Höre, Israel»), bezieht sich nicht auf den Staat Israel, sondern auf die Nachkommen Jakobs, die die jüdische Religion prakti-zieren. Heisse der neue Staat weiterhin nur «Israel», so Rawidowicz damals, werde dies allerlei Irritationen zur Folge haben. Man könne dann nicht mehr zwischen Volk und Staat unterscheiden. Zudem ergebe es auch wenig Sinn, von muslimischen und christlichen Israeli zu sprechen, wenn «Israel» ein für Anhänger der jüdis-chen Religion geprägter Begriff sei. Ben Gurion liess sich auf einen längeren Schriftwechsel mit Rawidowicz ein, lehnte aber letztlich dessen Anliegen ab.In der Tat war vor 1948 lange Zeit nicht klar, wie der Judenstaat eigentlich heissen sollte. «Zion» oder «Juda» waren als Alternative im Gespräch. Der Be-gründer des politischen Zionismus, Theodor Herzl, sprach in seinen Schriften gerne vom «Sieben-stundenland». Er träumte von einem Modellstaat in so-zialer, technischer und politischer Hinsicht und malte sich eine Gesellschaft mit einem Arbeitstag von sieben Stunden aus: ein sensationeller Vorschlag am Ende des 19. Jahrhunderts. Die Idee war für ihn so wichtig, dass er sogar eine Fahne für den neuen Staat zeich-nete, die sieben Sterne, für die sieben Arbeitsstunden des Tages, trug. Übrigens war er durchaus bereit, al-ternative Länder zu Palästina in Erwägung zu ziehen, darunter Argentinien, Ostafrika und Zypern.Wichtiger als das Wo war für Herzl, dass den durch einen neuartigen Antisemitismus bedrohten Juden überhaupt eine sichere Alternative zu Europa gebo-ten wurde, denn für ihn galt bereits 1896: «Wir ha-ben überall ehrlich versucht, in der uns umgebenden Volksgemeinschaft unterzugehen und nur den Glau-ben unserer Väter zu bewahren . . . Man lässt es nicht zu. Vergebens sind wir treue und an manchen Orten sogar überschwängliche Patrioten, vergebens bringen wir dieselben Opfer an Gut und Blut wie unsere Mit-bürger, vergebens bemühen wir uns, den Ruhm unse-rer Vaterländer in Künsten und Wissenschaften, ihren Reichtum durch Handel und Verkehr zu erhöhen. In unseren Vaterländern, in denen wir ja auch schon seit

UNLÄNGST KAM ES AUF EUROPÄISCHEN STRASSEN ZU DEMONSTRATIONEN GEGEN DIE ISRAELISCHE POLITIK, BEI DENEN SICH EIN AGGRESSIVER ANTISEMITISMUS MANIFES-TIERTE. DABEI WURDEN DER STAAT ISRAEL UND DAS VOLK ISRAEL GLEICHGESETZT. – EINE HISTORISCHE ERINNERUNG AUS GEGE-BENEM ANLASS.

Kurz nachdem 1948 der Staat Israel ausgerufen worden war, wandte sich der in Boston lehrende jüdische Philosoph Simon Rawidowicz an den is-raelischen Ministerpräsidenten David Ben Gurion mit einer ungewöhnlichen Bitte. Er solle Israel doch um-benennen. Anstatt «Israel» schlug Rawidowicz einen Doppelnamen vor: «Eretz Israel», «Land Israel», oder «Medinat Israel», «Staat Israel». Der Grund: «Israel» kennzeichne seit Jahrtausenden auch das jüdische Volk bzw. die Anhänger der jüdischen Religion. «Is-

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THEMA : JÜDISCHE IDENTITÄT

Prof. Dr. Michael Brenner hat an der Ludwig-Maximilians-Universität in München die Profes-sur für jüdische Geschichte und Kultur inne; er ist zudem Direktor des Zentrums für Israel-Stu-dien der American University in Washington, DC.

Jahrhunderten wohnen, werden wir als Fremdlinge ausgeschrieen . . . Wenn man uns in Ruhe liesse . . . Aber ich glaube, man wird uns nicht in Ruhe lassen.»Herzl schockierte die deutschen und österreichischen und schweizerischen Staatsbürger jüdischen Glaubens, indem er bekannte: «Wir sind ein Volk. Ein Volk.» Sie fühlten sich überwiegend doch als Deutsche und Ös-terreicher und Schweizer, deren Judentum allein in ihrer Konfessionszugehörigkeit bestand. Dabei vermieden sie das Wort «Jude» so weit wie möglich, da es von den Antisemiten während des 19. Jahrhunderts allzu sehr missbraucht worden war. Stattdessen bezeichneten sie sich lieber als «Israeliten» und wollten damit die rein religiöse Definition ihrer Zugehörigkeit zum Judentum auch sprachlich unter Beweis stellen. Auch der Staat machte «Israeliten» zur offiziellen Bezeichnung. Die jü-dischen Gemeinden in Deutschland nannten sich fortan «Israelitische Kultusgemeinden», die österreichischen Juden gründeten eine «Österreich-Israelitische Union», die Schweizer Juden schufen den «Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund», und in Frankreich war schon unter Napoleon der «Consistoire central israélite» ins Leben gerufen worden.Viele dieser und ähnlicher Bezeichnungen haben sich auch nach der Gründung des Staates Israel erhalten. Nun allerdings führten sie, wie Rawidowicz vorher-sagte, zu Verwirrungen. Es gibt wohl keine israelitische Kultusgemeinde, die nicht auch schon «israelische» Kultusgemeinde genannt wurde. Ich erinnere mich, wie ich als Schüler hinter meinem Namen im Jahresbericht die Abkürzung «isr.» wiederfand und viele Mitschüler und Lehrer darin «israelisch» statt «israelitisch» lasen. Bedenklicher wurde es, als 1996 der damalige Vor-sitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, ausgerechnet vom Präsidenten der Bun-deszentrale für Politische Bildung zur gelungenen Rede «seines» Präsidenten beglückwünscht wurde – womit der israelische Staatspräsident Ezer Weizman gemeint war. Bubis erwiderte trocken: «Mein Präsident Herzog hält immer gute Reden.»Vielleicht hat Simon Rawidowicz recht gehabt: Der Name «Israel» gibt Anlass zu – ungewollten und ge-wollten – Verwechslungen. Das derzeitige Problem ist allerdings beileibe kein bloss semantisches. Wenn in Paris antiisraelische Demonstranten mit Steinen auf Synagogen werfen und in Zürich «ins Judenviertel ein-marschieren» wollen, in Wuppertal ein Brandanschlag auf die Synagoge verübt wird, in Frankfurt ein Rabbiner

Morddrohungen erhält und in Berlin antijüdische Hetze auf Demonstrationen von Politikern ausdrücklich ver-boten werden muss, geht es nicht um Fehlgriffe eines unschuldigen Missverständnisses.

DER DRUCK DER STRASSEIn Europa lebten vor dem Zweiten Weltkrieg knapp zehn Millionen Juden. Heute sind es noch etwa einein-halb Millionen, das sind 0,2 Prozent der europäischen Gesamtbevölkerung – Tendenz fallend. Sie sind Fran-zosen, Engländer, Russen, Schweizer und Deutsche. Sie sind Teil der Gesellschaften, in denen sie leben, und wollen dies auch bleiben. Im Unterschied zu den Isra-eliten von früher wissen sie aber, dass es einen Staat gibt, der sie aufnehmen würde, wenn Herzls Voraus-sage von 1896 zum zweiten Mal eintreffen würde. Im Europa von heute ist es kein staatlicher Machthaber, der die Juden nicht zur Ruhe kommen lässt, sondern der Druck der Strasse. Dass Kritik an Israels Politik geübt wird, ist in einem demokratischen Staat legitim. Doch vielen Juden fehlt vonseiten der Gesellschaft ein klares Bekenntnis zum Existenzrecht Israels und eine deutliche Abgrenzung gegenüber denjenigen, die dies verweigern. – Die europäischen Juden wissen nur allzu gut, dass ihre Eltern und Grosseltern vielleicht hätten gerettet werden können, wenn es den israelischen Staat vor siebzig oder achtzig Jahren gegeben hätte.Viele europäische Juden haben Familie und Freunde in Israel. Andere verbringen ihre Ferien dort. Deswegen sind sie aber noch lange keine Israeli. Und sie sind sich keineswegs einig, was die israelische Politik betrifft. Das Meinungsspektrum der Israeliten in der Diaspora ist ebenso breit wie das der Israeli im jüdischen Staat. Sollte Herzls Vorhersage sich aber tatsächlich noch-mals bewahrheiten, dann könnten auch aus den ver-bliebenen europäischen Israeliten eines Tages Israeli werden.

Mit freundlicher Genehmigung der Neuen Zürcher Zeitung

DER GEIST VON JERUSALEMFotografien von Ronnie Niedermeyer

ZWIEGESPRÄCH mit MMag. Markus St. Bugnyar, Rektor des österreichischen Hospiz in Jerusalem

→ Donnerstag, 9. Oktober 2014 um 19 Uhr

VERNISSAGE→ Sonntag, 5. Oktober 2014 um 16 Uhr

zur Eröffnung spricht DDDr. Peter Landesmann

Westbahnstraße 46 1070 Wien

ÖFFNUNGSZEITEN6. – 18. Oktober 2014Mo – Sa, 14 – 19 Uhr

Für die Serie Der Geist von Jerusalem foto grafierte Ronnie Niedermeyer Orte und Rituale in dieser Stadt, die für Judentum, Christen tum und Islam als heilig gelten. Damit ging er nicht nur einer anschau lichen und umfassenden Darstellung des geistlichen Lebens Jerusalems nach, sondern auch der Frage, was ›Geist‹ für die Menschen wirklich bedeutet. Ronnie Niedermeyer ist im Bereich der künstler i schen Dokumentar­fotografie tätig. Seine Arbeiten wurden im Leopold Museum und im Künstlerhaus ausgestellt sowie von Amnesty International preisgekrönt. Sein erstes Fotobuch, Zeit unD Wien, erschien 2008 bei Brandstätter und wurde für Die schönsten Bücher österreichs nominiert.

präsentiert :

ASAblanca

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DER GEIST VON JERUSALEMFotografien von Ronnie Niedermeyer

ZWIEGESPRÄCH mit MMag. Markus St. Bugnyar, Rektor des österreichischen Hospiz in Jerusalem

→ Donnerstag, 9. Oktober 2014 um 19 Uhr

VERNISSAGE→ Sonntag, 5. Oktober 2014 um 16 Uhr

zur Eröffnung spricht DDDr. Peter Landesmann

Westbahnstraße 46 1070 Wien

ÖFFNUNGSZEITEN6. – 18. Oktober 2014Mo – Sa, 14 – 19 Uhr

Für die Serie Der Geist von Jerusalem foto grafierte Ronnie Niedermeyer Orte und Rituale in dieser Stadt, die für Judentum, Christen tum und Islam als heilig gelten. Damit ging er nicht nur einer anschau lichen und umfassenden Darstellung des geistlichen Lebens Jerusalems nach, sondern auch der Frage, was ›Geist‹ für die Menschen wirklich bedeutet. Ronnie Niedermeyer ist im Bereich der künstler i schen Dokumentar­fotografie tätig. Seine Arbeiten wurden im Leopold Museum und im Künstlerhaus ausgestellt sowie von Amnesty International preisgekrönt. Sein erstes Fotobuch, Zeit unD Wien, erschien 2008 bei Brandstätter und wurde für Die schönsten Bücher österreichs nominiert.

präsentiert :

ASAblanca

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DAS DILEMMA LIBERALER JUDEN UND ZIONISTEN

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THEMA : JÜDISCHE IDENTITÄT

LIBERALE JUDEN UND LIBERALE ZIONISTEN HA-BEN ES BESONDERS SCHWER, WENN IN ISRAEL GEKÄMPFT WIRD – SEI ES IM RAHMEN EINES KRIEGES ODER BEI DER BEKÄMPFUNG VON TERRORISTEN- ODER GUERILLA-ANGRIFFEN.

Sie sitzen zwischen mindestens zwei Stühlen: der Überzeugung, dass es den Staat Israel geben muss und der Überzeugung, dass es auch für die heutigen Palästinenser eine zufriedenstellende Lösung geben muss. Dazu kommt der Wunsch nach einem gerech-ten, dauerhaften Frieden für alle Menschen in der Re-gion.

Sie wissen, dass die großen aktuellen Krisen, die weltwirtschaftliche wie auch die Krise, die zur Zeit durch die Verstärkung der radikalen islamischen Be-wegung im arabischen Raum aber auch in Europa im Entstehen begriffen ist, weder mittelbar noch unmit-telbar mit dem „Nahost-Konflikt“ in Zusammenhang

stehen. Und dass, im Umkehrschluss, ein gerechter, dauerhafter Friede zwischen Israel und allen seinen aktuellen und zukünftigen Nachbarländern weder die Weltwirtschaft ankurbeln noch Lösungen u.a. in Syrien, Irak, Iran, Türkei herbeiführen wird.

Der englische Journalist, Buchautor und Kolumnist des Jahres 2002 Jonathan Freedland, schrieb dazu in der New York Review of Books:

„Schon im Zuge der schrecklichen Abfolge von Ereignis-sen die schließlich zum kürzlichen Waffengang in Gaza führten, fühlten sich liberale Zionisten zerrissen. Ihre Po-sitionen änderten sich von Tag zu Tag, manchmal von Stunde zu Stunde. Natürlich verurteilten sie die brutale Entführung der drei israelischen Jugendlichen im Juni in der Westbank, die sofort der Hamas-Führung zu-geschrieben wurde (fälschlicherweise, wie sich später herausstellte: verantwortlich war eine lokale Zelle ohne Genehmigung). Manche fühlten sich während der mehrwöchigen is-raelischen Militäroperation, die dazu dienen sollte, militante Akteure der Hamas zu eliminieren („den Ra-sen mähen“) unwohl, nicht zuletzt weil in ihrem Verlauf zahlreiche Zivilisten getötet wurden. Und doch war es schwer, sie lautstark zu kritisieren, weil die Operation mit der Suche nach den vermissten Jugendlichen begon-nen hatte. Zusätzlich waren die drei Opfer in der ge-samten jüdischen Diaspora zu diesem Zeitpunkt bereits Gegenstand der Kampagne „Bring Back our Boys“.

Selbstverständlich standen jüdische Israelis und Juden in aller Welt trauernd und solidarisch zusammen, als die sterblichen Überreste der drei Jugendlichen gefunden wurden. Mit der Ermordung eines palästi-nensischen Jugendlichen durch jüdische Extremisten wurde alles noch schwieriger. Die Ambivalenz wurde noch tiefer: einerseits die Überzeugung, es müsse einen Staat Israel in gesicherten Grenzen geben, und andererseits tiefe Ratlosigkeit über die Verletzung indi-vidueller liberaler Überzeugungen.

Die Zwei-Staaten-Lösung ist für liberale Juden und Zionisten ein gangbarer Weg: Juden haben ihren ei-genen Staat, ohne die Palästinenser ihrer legitimen nationalen Aspirationen zu berauben. Auch wenn eine

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THEMA : JÜDISCHE IDENTITÄT

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solche Lösung wahrscheinlich in weiter Ferne scheint, ist das ein Standpunkt, der sowohl zionistische als auch liberale Positionen vereint.

Wenn die Konflikte immer heftiger und blutiger werden, wenn alle möglichen Friedens-Initiativen im Scheitern begriffen sind, kann das für den liberalen Zionismus zu einer wirklichen Krise führen. Ohne Zwei-Staaten-Lösung wird es zu einer Entscheidung kommen müs-sen: Welche politische Position wähle ich? Zionistisch oder liberal?

Für uns jüdische EuropäerInnen kommt eine zusätzli-che Dimension dazu: Israel zu verteidigen, während hunderte Zivilisten unter Luftangriffen sterben, ist eine Herausforderung, denn in vielen europäischen Städ-ten schwappen Proteste gegen den Gaza-Krieg in anti-jüdische Gewalt über, auch bei uns in Österreich.Der offene Antisemitismus auf Europas Plätzen und Straßen macht den Fortbestand Israels als letzten sicheren Zufluchtsort zum Imperativ. Andererseits haben etliche liberal Denkende unter uns schon eine geraume Weile Schwierigkeiten mit der israelischen Politik, mit dem Bau zusätzlicher Siedlungen, mit der Macht der ultra-religiösen Fraktionen, mit Fragen zur Meinungsfreiheit, zur Rechtssicherheit aller Staats-bürger/innen.

Manchen von uns geben die offiziellen öffentlichen Erklärungen der VertreterInnen der jüdischen Gemein-den zu denken. Sie wirken oft vor allem nach außen so, als gäbe es keinen Unterschied zwischen „Israe-lis“ (BürgerInnen des Staates Israel) und „Juden“, Mitgliedern der jüdischen Gemeinschaft in aller Welt. Israelische Soldaten hier in Europa öffentlich als „un-sere Soldaten“ zu bezeichnen, verstärkt die Begriffs-verwirrung und somit auch die Bereitschaft, Kritik an israelischer Politik auf jüdische Bürger/innen anderer Länder auszuweiten. Persönliche solidarische Gefühle sind eines, Identifikation aller Juden mit Israel ist etwas anderes. Israel ist nicht gleich Judentum.

Die Kritik von europäischen Spitzenpolitikern, den Me-dien und den Menschen, die auf die Straße gegangen sind, bezieht sich oft auf die inzwischen so genannte „Verhältnismäßigkeit“ der in Gaza angewandten mili-

tärischen Mittel, auf die vielen unschuldigen zivilen Opfer. Dieser Begriff ist zumindest so lange katego-risch abzulehnen, als er in nur diesem speziellen Fall angewandt wird, so lange nicht ein ähnlicher Aufschrei durch die Medien geht und bei Demonstrationen in eu-ropäischen Städten ertönt, wenn es um die tausenden Morde der IS geht, um die hunderttausenden Opfer der Bürgerkriege in Syrien und im Irak, der Konflikte in Afrika und in anderen Regionen der Welt. Auch hat man kaum Proteste gegen die Raketenangriffe auf Is-rael und auf die Strategie der Hamas gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung im Konflikt gehört.

Israel darf hier keine „Sonderstellung“ verliehen werden. Wird Israel besonders lautstark verurteilt, werden die jüdischen Bürger/innen anderer Staaten mit in die Ver-antwortung gezogen, und die anderen Konflikte ge-rade mal unter ferner liefen in den Nachrichten erwähnt, dann ist das ganz eindeutig Antisemitismus.Was zu wünschen bleibt: dass beide Seiten Maßnah-men unterlassen, die Konfrontationen provozieren. Auf die Seite der radikalen Palästinenser haben wir keinen Einfluss. Zu Israel haben (nicht nur) wir liberale Juden das Recht und die Pflicht, auch kritische Positionen zu vertreten – auch das ist ein wichtiges und demo-kratisches Element der Unterstützung zur Entwicklung einer stabilen Lage! Schließlich gibt es auch in Israel durchaus unterschiedliche Positionen, auch was die-sen Konflikt anlangt; und das zeichnet das Land ja als Demokratie aus.

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THEMA : VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT

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 Es nützt uns nichts, die Komplexität des Nahostkon-fliktes immer und immer wieder kommunizieren zu wol-len und die in der Vergangenheit wie auch aktuell und verstärkt angewendeten Doppelstandards gegenüber Israel nachzuweisen, wenn auf der anderen, europäi-schen und insbesondere österreichischen Seite – aus welchen Gründen auch immer - die Bereitschaft nicht vorhanden ist, das Kommunizierte auch zu rezipie-ren. Darum zurück zu den banalen Zahlenvergleichen. Gemessen an den Einwohnerzahlen, war die aktive Beteiligung  von Österreichern an den Naziverbrechen der Shoah wie deren  passive Befürwortung durch Österreicher ebenfalls unverhältnismäßig  hoch, eine bedauerliche und bedrückende Imparität, für die  ver-schiedenste Erklärungsmuster die historischen Archive füllen. Auch an diesen Zahlen kommt niemand vorbei und auch diese Wahrheit ist jedem zumutbar. Es steht daher gerade einem österreichischen Staats-oberhaupt nicht sonderlich gut an, die besondere his-torische Verantwortung gegenüber dem Staat Israel nur mit Kranzniederlegungen an Gedenktagen und Sonn-tagsreden wahrzunehmen, in der aktuellen Politik aber zwischendurch und eindeutig Doppelstandards  auf diesen Staat anzuwenden, der im gesamten Verlauf seiner Geschichte stets von Juden und Jüdinnen besie-delt war. Israel hat den vor dem europäischen Antisem-itismus Flüchtenden und den verhältnismäßig wenigen Überlebenden der Shoah, sowie den nach seiner Neu-gründung aus arabischen Staaten vertriebenen,  hun-derttausenden Juden und Jüdinnen eine neue reale

BRIEF AN BUNDESPRÄSIDENTDR. HEINZ FISCHER

Sehr geehrter Herr Bundespräsident Dr. Fischer! Ich beziehe mich auf Ihre Verteidigung Ihrer Israelkritik in Ihrer Rede vor dem Forum Alpbach am 28. August 2014. Obwohl ich die Standpunkte des Vizepräsidenten des Europäischen Jüdischen  Kongresses Herrn Dr. Ariel Muzicant und vieler anderer, prominenter Jüdinnen und Juden vollinhaltlich teile, steht es mir weder zu noch ist es notwendig, diese noch zu untermauern. Das können alle sehr gut selbst tun. Da Sie jedoch bevorzugen, für die moralische Bewer-tung einer Kriegsschuld bzw. einer „unangemessenen“ Verteidigungsstrategie  ausschließlich einen Vergleich der Opferzahlen heranzuziehen – ohne Berücksichtigung der als „zivile Opfer“ getarnten und unter diese gereih-ten, militanten Hamas-Kämpfer, also Täter  (auch dazu gibt es jedem zugängliches Zahlenmaterial) und  leider unter unverständlicher Auslassung einer glaubhaften und direkten Verurteilung des Hamas-Terrors – darf ich Ihnen als Historikerin zur Erinnerung auch einmal einen anderen Zahlenvergleich nahe legen.

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THEMA : VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT

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Heimat geboten und ist und bleibt geistige Heimat aller Juden und Jüdinnen der Welt.Auch an dieser Wahrheit kommt niemand dadurch vor-bei, dass er  seine persönliche und ideologisch moti-vierte Parteinahme in sich „neutral“ gebende Israelkritik verpackt, die sich allerdings nur als Kritik an der jeweils aktuellen, israelischen Regierung entblößt, wenn diese gerade nicht mit seiner eigenen Ideologie kongruiert. Einer der größten Vorzüge unserer modernen, westli-chen Demokratien ist dagegen, dass man aufgrund ihres verfassungsmäßig verankerten Wahlrechtes in ab-sehbarer Zeit an jedem gewählten Staatsoberhaupt, an jeder gewählten Regierung und an jeder einmal irrtüm-lich gewählten Partei „vorbei kommt“. 

Mit besten Grüßen, Mag. Eva Chava Mühlhofer-GurionHistorikerin GeneralsekretärinClub der Freunde Israels

-Auszüge aus der Rede Präs. Dr. Fischer im Forum Alpbach 2014

Noch viel älter und noch schwieriger zu lösen, als das soeben beschriebene Thema, sind die Probleme zwischen Israel und den Palästinensern. In diesem Konflikt gibt es die Logik der Israelis und die Logik der Palästinenser, die jeweils in sich geschlossene Betrachtungssysteme sind und einander bisher unvereinbar gegenüber stehen.  Die Logik der Israelis sagt, dass jeder Staat das Recht und sogar die Pflicht hat seine Bürgerin-nen und Bürger gegen Angriffe von außen – konkret von Seiten der Hamas - so effizient wie möglich zu schützen und zu verteidigen. Das tut Israel mit großer technologischer und mil-itärischer Überlegenheit und - auf diese Über-legenheit gestützt - mit so großer Härte, dass die Opferbilanz bei den Israelis einerseits und den Palästinensern andererseits eine extreme Unverhältnismäßigkeit zu Lasten der Palästin-enser aufweist.  Die Logik der Palästinenser wiederum lautet – und wir sprechen in diesem Zusammenhang vor allem von der Hamas – dass ihre Raketenangriffe aus Gaza Notwehr eines vertriebenen, unterdrückten und ohne Zukun-ftschancen lebenden Volkes gegen einen Aggressor sind, der einen militärischen Blockadering rund um Gaza gelegt hat, Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen nicht beachtet, außerhalb des eigenen Territoriums fortgesetzt völkerrechtswidrig Siedlungen baut und somit für die Palästinenser eine klassische Notwehrsituation geschaffen hat. 

Was Europa betrifft, müssen wir – und diese Vorbe-merkung ist mir wichtig – jeder Form von Antisem-itismus mit aller Entschiedenheit entgegentreten. Für das verwerfliche Pauschalurteil des Antisemitismus gibt es keine Rechtfertigung und kein Pardon.Es ist aber nicht zu akzeptieren, wenn man versucht, jede Kritik an der Politik Israels und der Opferzahlen dieser Politik pauschal in die Ecke des Antisemitis-mus zu schieben. Darüber hinaus sollte man berück-sichtigen, dass jedes getötete Kind, jedes zerbombte Haus und die derzeitigen Lebensbedingungen im Gaza Streifen nicht nur individuelles Leid, sondern auch gefährlichen Hass erzeugen und die Zahl fa-natischer Gegner Israels innerhalb und außerhalb des Gaza Streifens vergrößern.

Quelle: http://www.bundespraesident.at/newsdetail/artikel/eroeffnung-der-politischen-gespraeche-beim-europaeischen-forum-alpbach/

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LÜGEN UND RECHTSRUCK IN ZEITEN GROSSER KONFLIKTE

VON SUSANNE SCHOLL

THEMA : KONFLIKT

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SOBALD MENSCHEN GLAUBEN, IHRE INTER-ESSEN MIT WAFFENGEWALT VERTEIDIGEN ODER DURCHSETZEN ZU MÜSSEN, BEGIN-NEN SIE AUCH ZU LÜGEN. IN JEDEM KONFLIKT DER VERGANGENEN JAHRZEHNTE WAR DAS DEUTLICH ZU BEOBACHTEN.

Auch in den aktuellen blutigen und gefährlichen Kon-flikten. Russland zum Beispiel rechtfertigt seine durch nichts zu rechtfertigende Vorgangsweise in der Ukraine mit dem Argument, die russischsprachigen Ukrainer seien in Gefahr. Was diese allerdings erst tatsächlich sind, seit Russland bei ihnen zu Hause Krieg führt.

Ähnliches lässt sich auf alle Konflikte anwenden, die zurzeit diese Erde mit Blut überziehen. Man lügt, um sich zu rechtfertigen, man lügt, um den Gegner zu verleumden und man lügt, um sich die Sympathie der Welt zu sichern. Und findet sich dann manchmal in sehr sehr unheiligen Allianzen wieder.Und wieder ist der Konflikt in und um die Ukraine leider wieder ein gutes Beispiel dafür.

Es gibt den unsäglichen Terminus „Putin-Versteher“. Tatsächlich ist es natürlich falsch jemandem vorzuw-erfen, dass er etwas versteht. Ironisch verwendet be-deutet der Ausdruck aber vor allem, dass Menschen, die nicht nur Putin nicht kennen, sondern auch keine Ahnung von Russland und der Ukraine haben, plötzlich genau zu wissen meinen, wer Schuld an dem allge-meinen Schlamassel trägt: Europa und die USA näm-lich. Und in der Gruppe der „Putin-Versteher“ finden sich plötzlich sowohl Menschen aus dem ganz linken Eck als auch Rechtsradikale fröhlich vereint.

Für die Linken mag man als Erklärung ins Feld führen können sie seien Sowjet-nostalgisch. Allerdings müssten sie dann nicht begriffen haben, dass Putin mit Kom-munismus oder Sowjetideen rein gar nichts zu tun hat.

Was sich sehr deutlich zeigt, wenn man sich anschaut, wer da plötzlich noch zu den Verstehern gehört. Die gesamte eu-ropäische Rechtsextreme nämlich.

Wenn ein gewisser Herr Gudenus in Moskau auftritt, dort das russische Vorgehen gut heißt, die europäischen Sanktionen verurteilt und im Übrigen von einer „Homosexuellen-Lobby“ spricht, die die Welt regiere und gegen Rußland hetze, dann muss man sich allerdings fragen, wie die Linken unter den Verstehern das bewerten.

Im Konflikt um Gaza ist die Linke auch auf dem gleichen Holz-weg. Und auch hier macht sie gemeinsame Sache mit der extremen Rechten.

Bleiben die Demokraten, die Liberalen, die Humanisten und Nachdenker, die offenbar nicht in der Lage sind, den oben erwähnten Verstehern etwas entgegenzusetzen. Dabei ist es höchst an der Zeit das zu tun. Denn der auch durch die Konflikte im Nahen Osten und in der Ukraine vorangetriebene Rechtsruck in Europa ist real und gefährlich. Und von Lügen getragen. Dagegen muss etwas geschehen, dagegen müs-sen wir alle versuchen anzureden.

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THEMA: MITEINANDER REDEN

LIMMUD IN WIEN

„Anlässlich einer von IKG.KULTUR organisierten Veran-staltung mit György Konrad lernte ich Judit kennen. Judit ist eine der verantwortlichen Personen für die Limmud-Veranstaltungen in Budapest. Judit stellte mir dann Jon vor. Jon wiederum hat in den vergangenen 2 Jahren Limmud-Konferenzen in China organisiert.Wie nicht anders zu erwarten: ich war Feuer und Flamme für eine Limmud-Wien-Konferenz! Der nächste Schritt er-folgte umgehend: Termin mit Präsident Deutsch und sein Einverständnis einer IKG-Kooperation. Das wiederum bedeutet, dass IKG.KULTUR mit an Bord des Limmud-Teams ist.“ - Sonia Feiger

“Limmud” kommt aus dem hebräischen Wort „Lernen“; der Name soll die Ziele der Organisation ausdrücken. Über 30 Jahre ist es nun her, dass eine Gruppe von enthusiastischen Menschen in England sich zusam-menfand. Sie wollten ein Veranstaltungsformat entwer-fen, das neue Wege des Lernens ermöglicht und ein Forum für alle jene bildet, die sich mit ihrem Jüdisch-sein auseinandersetzen wollen – in welcher Form auch immer. In England wurden die Veranstaltungen jedes Jahr größer. Zusätzlich zu vielen kleineren Events geht die Hauptveranstaltung des Jahres inzwischen über 6 Tage, bietet hunderte Programmpunkte (Vorträge und Workshops) und zieht über 2500 Teilnehmer/innen an.

Der Erfolg von Limmud in England hat weltweit über 60 Gemeinden inspiriert, das Modell auch bei sich

anzubieten. Aktivisten aus 6 Kontinenten haben festgestellt, dass Limmud das ideale Vehikel ist, um Juden und Jüdinnen aus verschiedensten religiösen und politischen Richtungen zu erreichen und über die Vielseitigkeit ihrer eigenen Gemeinden zu reflektieren, und ihre gemeinsamen Erfahrungen quer durch ver-schiedene Gemeinden und Generationen zu teilen.

DIE GRUNDWERTE VON LIMMUDLernen – jeder Jude sollte ein Lernender sein und jeder Jude kann Lehrer sein. Limmud ist für individuelle Teilneh-mer offen, nicht nur als Mitglieder von Organisationen.

Jüdische Horizonte erweitern – Teilnehmer/innen präsentieren oder lernen neue Aspekte und Interpre-tationen des Judentums, womit ihre jüdische Identität gestärkt wird.

Gemeinsame Verantwortung – Limmud strebt die Schaffung einer Gemeinschaft auf der Grundlage von gegenseitiger Verantwortung und ernst gemeintem In-teresse an verschiedenen Aspekten des Judentums an.

Engagement für Respekt – Teilnehmer/innen und Frei-willige sind verpflichtet, zu jeder Zeit respektvoll mit einander umzugehen. Niemand ist wichtiger als je-mand anderer.

Limmud-Veranstaltungen werden ausschließlich von Freiwilligen organisiert und realisiert. Vortragende be-kommen keine Honorare, manchmal werden Reise-kosten ersetzt. Alle Kosten werden durch Sponsoren, Spenden und Eintrittskarten gedeckt.In den vergangenen fünf Jahren haben in Österreich einige Limmud-Events stattgefunden. Jetzt gibt es ein Team von Freiwilligen, das jedes Jahr eine Veran-staltung verwirklichen soll. Die letzte fand am 25. Mai 2014 im Jüdischen Institut für Erwachsenenbildung statt mit über 13 Vorträgen und 70 Teilnehmer/innen. Die Themen: vom jüdischen Scheidungsrecht bis zu jüdischen Hollywood-Komponisten im frühen bis mit-tleren 20.Jh. Die nächste Veranstaltung soll im kommenden Januar stattfinden und eineinhalb Tage dauern.” - Jon Goldberg

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WIR WOLLENEIN LEBENOHNE HASS

VON ILJA SICHROVSKY

THEMA : MITEINANDER REDEN

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über Generationen aufgebaute Vorurteile aufzulösen.Aus allen Ecken dieser Welt kamen Teilnehmer/innen zur fünften Konferenz nach Wien und arbeiteten ge-meinsam an Projekten und diskutierten Themen wie Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus, Konflikt-Transformation oder kollektive Erinnerung. Und hörten zu. In verschiedenen Arbeitsgruppen ent-wickelten wir gemeinsame Projekte, die nach der Kon-ferenz weitergeführt werden.

Wir besuchten gemeinsam eine Moschee und den Stadttempel und sprachen darüber, was Glaube für uns bedeutet. Eine Fahrt nach Mauthausen endete mit einem gemeinsamen Gebet für die Seelen der Ermor-deten. Auch der Genozid in Srebrenica wurde erörtert.

Nicht zuletzt war es ein ganz besonders bedeutsames Erlebnis als uns Helga Pollack-Kinsky , eine der letzten Überlebenden der Shoah, ihre persönliche Geschichte erzählte.

Wir tun nichts Außergewöhnliches, weder zaubern wir, noch erfinden wir das Rad neu. Aber wir sind entschlos-sen, miteinander statt übereinander zu sprechen, und wollen erreichen, einen Gedanken zu unterhalten, ohne ihn unbedingt akzeptieren zu müssen; eine Emotion zu respektieren, ohne sie unbedingt teilen zu müssen. Wir glauben daran, dass die Religion oder die Farbe des Passes nichts über einen Menschen aussagen.

2010 fand die erste Muslim Jewish Conference in Wien statt. Zum allerersten Mal kamen 65 Teilnehmer/in-nen aus mehr als 20 Ländern in einem solchen Rah-men zusammen. Damals haben wir eine gemeinsame Deklaration verfasst. Eine Idee war geboren und wird seither realisiert.

ZUM FÜNFTEN MAL TRAFEN EINANDER DIESES JAHR MUSLIMISCHE UND JÜDISCHE STUDIERENDE, AKTIVISTEN UND FÜHRUNGS-PERSÖNLICHKEITEN VON MORGEN IN WIEN, UM MITEINANDER AN VERSÖHNUNG UND VERSTÄNDNIS ZU ARBEITEN.

Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus sind keine Randprobleme kleiner radikaler Gruppen, sondern in der Gesellschaft tief verankert - und das seit Jahrhunderten.

Die Organisator/innen und Teilnehmer/innen der Mus-lim Jewish Conference (MJC), wollen das nicht akzep-tieren. Deshalb versuchen wir das angeblich “Unmögli-che”: durch Interaktion und Dialog Vorurteile abbauen.Die Muslim Jewish Conference arbeitet kontinuierlich seit fünf Jahren an einem Zukunftsbild. Wir wollen nicht weiter mit Hass leben. Wir weigern uns, die Umstände hinzunehmen, und versuchen, Widersprüche zu the-matisieren. Und so bringen wir seit fünf Jahren junge Juden und Muslime zusammen und arbeiten daran,

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THEMA : MITEINANDER REDEN

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Ein Jahr später trafen wir uns in Kiew in der Ukraine, um mit 75 Teilnehmer/innen aus 28 Ländern einen Schritt weiter zu gehen. Aus der Deklaration wurden gemein-same Projekte. Im Zuge der Konferenz fuhren wir ge-meinsam zur Holocaustgedenkstätte nach Babi Yar. Als Muslime dort spontan das Totengebet sprachen, weinten Juden aus Freude und Trauer zugleich.

Diese Erfahrung machten wir wieder, als wir 2013, während unserer bereits vierten MJC in Sarajevo, Bos-nien und Herzegovina, die Gedenkstätte in Srebrenica besuchten. Dieses Mal beteten wir gemeinsam, zuerst nach muslimischer, dann nach jüdischer Tradition.Die Veränderung, die solche Momente in uns bewirk-en, lässt uns an dieses Projekt glauben. Hochrangige Unterstützer tun es auch: der ehemalige US-Präsident Bill Clinton ebenso wie die Präsidenten Heinz Fischer oder Bakir Izetbegovic, die Minister Sebastian Kurz und Josef Ostermayer, wie André Azoulay, Berater des marokkanischen Königs, oder David Rosen, ehema-liger Oberrabbiner von Irland.

Heuer feierten wir unser Fünf-Jahres-Jubiläum - mit 100 Teilnehmer/innen aus 38 Ländern und 40 Freiwil-ligen aus der ganzen Welt.

Ja, auch Israelis und Palästinenser kamen zur Muslim Jewish Conference nach Wien.

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INITIATIVE : NEVER/FORGET/WHY?

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So individuell und unterschiedlich Erinnerungen sind, so vielfältig sind auch die Karten der Erinnerung, die von vielen Menschen weltweit gestaltet werden.

Die Karten werden mit persönlichen oder theoretischen Texten, mit Gedanken, mit Zeichnungen, Fotos oder an-deren kreativen Ausdrucksformen gestaltet und wieder an die Organisatorin zurückgegeben. Jeder Mensch kann so viele Karten gestalten, wie er möchte.

Wenn alle 15.000 Karten fertig gestaltet sein werden, werden diese im Rahmen verschiedener Veranstaltun-gen präsentiert. Ein digitaler Datenträger, auf dem das gesamte Projekt dokumentiert ist, soll in Theresienstadt beerdigt werden.

Auf der Homepage werden laufend alle Karten, sowie Veranstaltungen und Informationen zu NEVER/FORGET/WHY veröffentlicht. Kooperationen mit Schulen und Uni-versitäten sind in Planung, eine universitäre Koopera-tion in Japan hat bereits begonnen. In Wien findet ein regelmäßiger Jour-fixe statt, zu dem alle Interessierten eingeladen sind, um Karten zu holen, Karten zu bringen, sich zu vernetzen, eigene Ideen einzubringen und um-zusetzen. Die Projektentwicklung wird fotografisch do-kumentiert und bildet damit eine der Grundlagen für ein Buchprojekt.

KONTAKT [email protected] NEVER/FORGET/WHYWEB neverforgetwhy15000.at (derzeit noch in Arbeit)

NEVER/FORGET/WHY?DAS ERINNERUNGS PROJEKTVON ANNA WEXBERG-KUBESCH, MSC

NEVER/FORGET/WHY? IST EIN ERINNERUNGS-PROJEKT, IN DESSEN MITTELPUNKT 15.000 JÜ-DISCHE KINDER STEHEN, DIE ZWISCHEN 1942 UND 1945 IN THERESIENSTADT INTERNIERT WAREN.

Fast alle Kinder wurden von dort nach Auschwitz depor-tiert und ermordet. Nur etwa 150 von ihnen haben über-lebt.

Erinnern ist ein gegenwärtiger Prozess, eine aktive Hand-lung, die eine Verbindung zwischen der uns prägenden Vergangenheit, unserer Gegenwart und der Gestaltung unserer Zukunft herstellt.

Die Organisatorin hat für dieses Projekt 15.000 gleich aussehende Karten produziert - wobei jede der Karten symbolisch für eines der ermordeten Kinder steht - um einerseits auf das gemeinsame Leid und andererseits auf die besondere Geschichte jedes Kindes hinzuweisen.

COPYRIGHT / BRIGITTA HÖPLER

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COPYRIGHT / BRIGITTA HÖPLER

INITIATIVE : IKG-WAHLRECHTSREFORM

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striktiven Standards nicht. Auch der Wiener Gemein-dewahlordnung sind seit einigen Jahren derartige Kriterien fremd. Nicht nur dort, mit sechzehn Jahren ist man ohne vorgegebene Meldedauer zu EU, National-rats- und Gemeinderatswahlen zugelassen. Offenbar traut man einer sechzehn- oder siebzehnjährigen Per-son zwar genug Verantwortung zu, an diesen bedeu-tenden Urnengängen teilzunehmen, nicht jedoch an jenen der Kultusgemeinde.

Ähnlich verhält es sich mit den nach Staatsbürgerschaft gestaffelten Wartezeiten. Zumindest innerhalb der EU herrscht hinsichtlich der Freiheit des Personenverkehrs weitgehend Einigkeit. Soweit ein Europäer sich in Wien niederlässt und an einer Gemeinderats- und EU-Wahl teilnehmen kann, erscheint es unangemessen ihm bei der Teilnahme am Leben in der Kultusgemeinde Steine in den Weg zu legen. Besonders unverständlich ist eine Diskriminierung nach Staatsbürgerschaft auch an-gesichts der Tatsache, dass man sonst sehr bemüht ist neue Mitglieder aus dem Ausland, etwa Ungarn, zu gewinnen.

Die Initiative Respekt fordert daher ein Ende der unzeitgemäßen Staatsbürgerschafts- und Altersdiskri-minierung in unserem Wahlrecht. Für den Fortbestand der Wiener Gemeinde ist die Integration neuer Mitglie-der unerlässlich. Ob es sich dabei um die Einbindung der jüngeren Generation oder Hinzugezogener handelt, veraltete Barrieren kann sich unsere Gemeinde nicht leisten.

VERALTETE STAATSBÜRGER SCHAFTS UNDALTERS DISKRIMINIERUNG IN UNSEREM WAHLRECHTVON MICHAEL MOFFAT

Einige Jahre nachdem sich das österreichische Wahl-recht auf den Stand der Zeit gebracht hat, hinkt jenes der IKG noch etwas hinterher. Um an der Wahl des Kul-tusvorstands teilzunehmen ist es nach derzeitiger Lage Voraussetzung das 18. Lebensjahr vollendet zu haben, und seit mindestens sechs Monaten einen Wohnsitz in Wien sowie eine Mitgliedschaft bei der Kultusgemeinde vorweisen zu können. Dies gilt allerdings nur für ös-terreichische Staatsbürger. EU-Bürger müssen zwei, Mitglieder aus Drittländern gar vier Jahre warten bevor sie zur Wahl zugelassen werden. Wodurch sind diese strengen Maßstäbe und Unterscheidungen zu erklären?

Wirft man etwa einen Blick in die Statuten der islami-schen Glaubensgemeinschaft, findet man solche re-

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INITIATIVE : RECHTSEXTREMISMUSBERICHT

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UNZUREICHENDE ERKLÄRUNGVor diesem Hintergrund muss man sich also fragen, ob der ehemalige Rechtsextremismusbericht auch tatsäch-lich, wie einst versichert, im Verfassungsschutzbericht „aufgegangen“ ist. Jedenfalls wurde im Jahr 2001 der ehemalige „Staatsschutzbericht“ schlicht in „Verfas-sungsschutzbericht“ umbenannt und der Abschnitt „Re-chtsextremismus“ fortan in diesem Rahmen mit deutlich knapperen und allgemeineren Feststellungen abgehan-delt.Denn mit der Konsolidierung wurde aus einer Materie, die 2001 noch einen umfangreichen Bericht erforderte, ein Abschnitt, der im diesjährigen Verfassungsschutz-bericht auf acht Seiten abgehandelt werden kann. Auch die einstigen Kapitel „Organisationen“ und „internationale Vernetzung“ wurden entfernt. Wo einst konkret Parteien, Vereinsnamen, und Personen genannt wurden, wird seit der Überleitung in das neue Format, etwa im aktuellen Bericht, keine Organisation namentlich genannt. Begrün-det wurde dies in einer Anfragebeantwortung der Innen-ministerin vergangenes Jahr mit „datenschutzrechtlichen Gründen“. Bedenklich ist diese Begründung, da offenbar dem da-tenschutzrechtlichen Interesse an der Geheimhaltung der Vereinsnamen rechtsextremer Organisationen ein höherer Stellenwert eingeräumt wird, als dem öffentli-chen Interesse an einer Kenntnis derselben. Dabei ist es keineswegs nur so, dass nicht ausreichend dokumen-tiert wird, mit dieser Entwicklung sind auch wesentliche Träger des Rechtsextremismus in Österreich aus der polizeilichen Beobachtung gefallen.

Obwohl die gesonderte Berichterstattung über die vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Wider-stands als rechtsextrem eingestuften Burschenschaften

WIEDEREINFÜHRUNG DES RECHTSEXTREMISMUSBERICHTSVON MIKE MOFFAT

Als unter der schwarzblauen Koalition 2002 der alljährli-che Rechtsextremismusbericht fällig wurde, hat man den bereits erstellten Bericht zuerst unterdrückt, statt ihn an das Parlament weiterzuleiten, und anschließend die Pub-likation kurzerhand zur Gänze abgeschafft. Der Sicher-heitssprecher der ÖVP begründete diesen Schritt damals lapidar damit, die alljährliche Bestandsaufnahme sei im „umfassenden Verfassungsschutzbericht aufgegangen“.Dem aktuellen Verfassungsschutzbericht zufolge hat die Zahl der rechtsextrem motivierten Delikte im Vergleich zu letztem Jahr zugenommen, und jene der eingegangenen Anzeigen hat sich verdoppelt. Dieser Anstieg wird aber vom Innenministerium lediglich auf ein „verbessertes Er-fassungssystem“ und die „zunehmende Sensibilisierung“ zurückgeführt. Von den erfassten 449 angezeigten Per-sonen, werden lediglich 13 einer rechtsextremen Szene zugeordnet.

Dies, obwohl die Behörden heuer etwa im Zusammen-hang mit dem neonazistischen oberösterreichischen Netzwerk „Objekt 21“, der einschlägigen rechten Web-seite alpen-donau.info, dem rechtsextrem motivierten Angriff auf das Ernst Kirchweger Haus, oder der gehäuf-ten Vandalisierung von Denkmälern, beschäftigt waren.

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INITIATIVE : RECHTSEXTREMISMUSBERICHT

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bereits im Jahr 2000 eingestellt wurde, beschäftigen sie den deutschen Verfassungsschutz bis heute. Auch die Vernetzung der FPÖ in rechtsextremen Kreisen, welche in den jüngeren österreichischen Verfassungsschutz-berichten keine Erwähnung findet, wird im deutschen Pendant als „Gefahr für Europa“ bewertet.

Es muss daher festgestellt werden, dass der Rechtsex-tremismusbericht nur unzureichend in den Verfassungs-schutzbericht übernommen wurde. SPÖ, Grüne und die Zeitschrift Format orteten den Anlass für die Abschaffung bei den Interventionen der FPÖ. Zur Untermauerung führte man die erfolgte Säuberung der Vorjahresberichte von Hinweisen auf die FPÖ, und die ihnen nahestehen-de Wochenzeitung Zur Zeit ins Treffen, sowie die Unter-schlagung des bereits erstellten Berichts aufgrund der namentlichen Erwähnung der Burschenschaft Olympia, und der enthaltenen Passage, dass bei deutschnatio-nalen Burschenschaften „die Volksgemeinschaftsideolo-gie des geschichtlichen Nationalsozialismus“ zum Aus-druck komme.

MANGEL AN UNTERSCHEIDUNGSKRAFTWirft man heute einen Blick in den „integrierten“ Rechts-extremismusbericht, gibt es für derartige Interventionen keinen Anlass. In der jüngsten Stellungnahme aus dem Innenministerium zu dem Thema heißt es, dass mit kei-ner eigenen Definition von Rechts- bzw. Linksextremismus gearbeitet werde, sondern dem Überbegriff „Extremis-mus“, ob rechts- oder links hänge vom Einzelfall ab. Die fehlende qualitative Unterscheidung zwischen links-, und rechtsextremen Straftaten bzw. jener militanter Tier-schützer, liegt in der Natur des gemeinsamen Berichts.

Als die SPÖ zuletzt auch aus diesem Grund die Wiedereinführung des Rechtsextremismusberichts forderte, wurde dies vom zuständigen Sprecher des In-nenministeriums mit der Begründung abgelehnt, dass zwischen einer „gesellschaftspolitischen Betrachtung“ und einem „strafrechtsrelevanten Extremismus“ unter-schieden werden müsse. Letzterer sei in einem eigenen Teil des neuen Berichts „ausreichend behandelt“. An-gesichts der Einzigartigkeit des österreichischen (bzw. deutschen) Strafrechts im Hinblick auf das Verbotsge-setz, wäre aber eine gesonderte Auseinandersetzung mit rechtsextremen Straftaten in einem eigens heraus-gegeben Bericht geboten. In der derzeitigen Form wird im Bericht „Extremismus“ über einen Kamm geschoren, neben radikalen Antifaschisten und Tierrechtsaktivisten,

obwohl rechtsextreme Straftaten – wie ein Blick auf das Strafmaß verrät - gezielt mit besonders strengen Folgen bedroht werden. Daher bedarf es auch bei rein „straf-rechtsrelevanter“ Betrachtung unter Außerachtlassung jeglicher „gesellschaftspolitischer“ Erwägungsgründe einer separaten Auseinandersetzung.

UNSERE FORDERUNGAngesichts des Anstiegs von einschlägigen Delikten scheint es unumgänglich, bei der alljährlichen Bestands-aufnahme der verfassungsfeindlichen Aktivitäten den Rechtsextremismus in einem eigenen Bericht hervor-zuheben, welcher der Problematik auch gerecht wird. In Anlehnung an die ursprüngliche Form des Berichts, sollten dabei auch in angemessenem Umfang die Struk-turen, Vereine, internationale Kontakte und Akteure der Szene untersucht werden, ohne dabei vor deren Nen-nung zurückzuschrecken. Geht es nach dem deutschen Verfassungsschutz, sind auch eigene Rubriken zu deutschnationalen Burschenschaften und dem entspre-chenden Umfeld der FPÖ zu empfehlen. Eine genauere Analyse dient zudem nicht nur dem besonderen gesetz-lichen Interesse an der Strafverfolgung rechtsextremis-tisch motivierter Delikte, sondern auch der Informations-pflicht gegenüber der Öffentlichkeit, die dazu berechtigt ist, über gefährliche Tendenzen aufgeklärt zu werden.Rechtsextremismus ist kein parteipolitisches Thema, er wird lagerübergreifend verurteilt. Es ist an der Zeit, dass alle Kräfte an einem Strang ziehen und der Dokumenta-tion rechtsextremer Straftaten die nötige Aufmerksamkeit zugemessen wird. Die Arbeit des DÖW und anderer Or-ganisationen ist zwar gut und wichtig, jedoch gehört es zum Selbstverständnis des heutigen Österreich dass im Sinne der Vergangenheitsbewältigung auch seitens der Sicherheitsbehörden einschlägige Aufzeichnungen geführt und der Öffentlichkeit adäquat präsentiert werden.

PETITION FÜR DIE WIEDEREINFÜHRUNGZwar haben diverse Nationalratsabgeordnete ver-schiedener Couleurs sich im Laufe der Jahre um die Wiedereinführung bemüht, diese Bestrebungen sind je-doch stets im Sande verlaufen. Im Sinne eines neuerli-chen Anlaufs wird daher zurzeit seitens der Initiative Res-pekt! eine entsprechende Petition vorbereitet, um eine breit getragene, und basisdemokratische Kampagne einzuleiten. Damit die Forderung auch öffentlichkeitswirk-sam gehört wird, sind wir um eine rege Teilnahme be-müht, und freuen uns zu diesem Zwecke um Unterstüt-zungserklärungen an [email protected]

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AUFRUF

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ZUM ABSCHLUSSEINE BITTE AN SIE

Schicken sie uns bitte Ihre

GEDANKEN KOMMENTARE ANREGUNGEN KRITISCHEN

ANMERKUNGEN

V

www.initiative-respekt.org [email protected] Billrothstr.1/1, 1190 Wien

DANKE

Ihre

INITIATIVE RESPEKT !

Medieninhaber, Herausgeber:

Initiative RESPEKT!-Adresse: Billrothstr.1/1, 1190 WienRedaktion: Patricia KahaneCoverfoto: NEVER/FORGET/WHY?Bildrechte: MJC 2014 - Daniel Shaked Graphik: Benjamin MenedetterDruck: Angerer & Göschl, Wien-www.initiative-respekt.org www.facebook.com/IKG.Respekt [email protected] 

Der Nationalfonds unterstützt als Koordinierungsstelle der neuen österreichischen Länderausstellung in Auschwitz-Birkenau folgenden Objektaufruf:

Objekte für neue Dauerausstellung gesucht „Entfernung. Österreich in Auschwitz“

2015 jährt sich zum 70. Mal die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Die Republik Österreich hat für den Block 17 in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau eine neue Dauerausstellung in Auftrag gegeben. Diese neue Ausstellung spürt den Schicksalen österrei-chischer Verfolgter in Auschwitz nach. Zu den vom NS-Regime Verfolgten zählen Jüdinnen und Juden, Roma und Sinti, politisch Verfolgte, Zeugen Jehovas, Homosexuelle und damals als „Asoziale“ oder „Kriminelle“ eingestufte Personen. Ihre unterschiedlich erlebten Verfol-gungen in Österreich, ihre Deportationen und vor allem ihre unterschiedlichen Schicksale in Auschwitz stehen im Mittelpunkt der Erzählung. Ebenso zeigt die Ausstellung die Geschichte der Mitglieder der österreichischen Widerstandsgruppe im Stammlager Auschwitz. Österrei-cher waren aber auch als Täter in Auschwitz – auch davon wird die Ausstellung erzählen. Für diese neue Ausstellung sucht das kuratorische Team Objekte, die mit dem Konzentrati-onslager Auschwitz Birkenau in Verbindung stehen und die von Österreicherinnen und Ös-terreichern im KZ Auschwitz / Auschwitz II-Birkenau erzählen können. Dies können etwa per-sönliche Gegenstände sein, die ins KZ Auschwitz mitgenommen oder geschickt wurden (Brie-fe, Postkarten, Fotografien, Kleidungsstücke etc.), Gegenstände, die vom KZ Auschwitz mit-genommen oder geschickt wurden (Briefe, Fundstücke etc.), Werkzeuge oder sonstige Ge-genstände, die in Auschwitz hergestellt, geschenkt/getauscht oder erworben wurden etc. Das kuratorische Team ist für jeden Hinweis dankbar. Vielleicht wissen Sie von so einem Ge-genstand oder besitzen einen Gegenstand und wollen ihn als Leihgabe der Ausstellung zur Verfügung stellen? Sie würden dadurch wesentlich mithelfen, die Geschichte von Österrei-cherinnen und Österreichern in Auschwitz zu dokumentieren. Kontaktieren Sie bitte Mag. Hannes Sulzenbacher (Kurator – Projektleitung) [email protected]

Wien, im Juli 2014

COPYRIGHT / NEVER/FORGET/WHY?

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