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Krisen bewäl tigen 2/2011 Krisen bewältigen Chris Care Magazin für Christen im Gesundheitswesen Krisen bewältigen ChrisCare Mai 2011 // (D) € 5,80 // (A) € 6,00 // (CH) SFr 10.30 // www.chriscare.info // ISSN 1869-9944 // ZKZ 18 381 WIE EIN SCHMETTERLING IM KÄFIG DER LIEBE GOTT KRISE HEILUNG WENN DIE SEELE NICHT MEHR WILL PATIENTENGOTTESDIENSTE MIT EINER VISION IN DIE ANDEN KRISE ALS CHANCE AKUPUNKTUR NOTFALLSEELSORGE SPIRITUALITÄT AM LEBENSENDE LIEBER FREI ALS GESUND CHRISTLICHES MENSCHENBILD ROSENKRANZ
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Krisen bewäl tigen

2/2011

Krisen bewältigen

ChrisCareM a g a z i n f ü r C h r i s t e n i m G e s u n d h e i t s w e s e n

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Mai 2011 // (D) € 5,80 // (A) € 6,00 // (CH) SFr 10.30 // www.chriscare.info // ISSN 1869-9944 // ZKZ 18 381

WIE EIN SCHMETTERLING IM KÄFIG DER LIEBE GOTT KRISE

HEILUNG WENN DIE SEELE NICHT MEHR WILL PATIENTENGOTTESDIENSTE

MIT EINER VISION IN DIE ANDEN KRISE ALS CHANCE AKUPUNKTUR NOTFALLSEELSORGE SPIRITUALITÄT AM LEBENSENDE

LIEBER FREI ALS GESUND CHRISTLICHES MENSCHENBILD ROSENKRANZ

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Leserbriefe

Zeichen der Hoffnung – Albrecht Dürers „Hiob auf dem Mist“

Krisenintervention aus christlicher Perspektive

Wenn die Seele nicht mehr will...

Maßstab für das humane Gesicht unserer Gesellschaft

Wenn Ärzte für ihre Patienten beten

Das Rosenkranzgebet

Christliches Menschenbild und ethische Fragen in Medizin und Pflege

Demente haben manches voraus

Solange ich Kraft geschenkt bekomme

Notfallseelsorge: Wer hilft, wenn es zu spät ist?

Überleben im Käfig

Gesundheit heißt Gleichgewicht

Akupunktur und Christliche Heilkunde

Mit einer Vision in die Anden

20 Jahre nach der Wende: Vom Gegen- zum Miteinander

Krisen – Früherkennung und Intervention

Christen im Gesundheitswesen (CiG)

Nachrichten

Chancen und Möglichkeiten christlicher Spiritualität

Impressum / Glosse

Tagungen, Seminare & Konferenzen

Lieber frei als gesund

Literatur: Buchtipp

Herausgeberkreis

Dr. theol. Astrid Giebel (Berlin), Pastorin und Krankenschwester, Referentin Diakonie Bundesverband; Pastor Frank Fornaçon (Ahnatal), Redaktion

ChrisCare; Bettina Gundlach (Aumühle), Ärztin im Sozialpsychiatrischen Dienst, Vorstand Christen im Gesundheitswesen (CiG); Günther Gundlach

(Aumühle), Geschäftsführer CiG; Sr. Patricia Baumann (Untermarchtal), Pflegeheimleiterin; Annette Meussling-Sentpali (München), Dipl.-

Pflegewirtin, MScN, Referentin Caritasverband (München), Fortbildung Caritas; Dr. med. Georg Schiffner (Aumühle), Internist, Vorsitzender CiG;

Hans-Arved Willberg (Karlsruhe), Theologe und Pastoraltherapeut; Dr. med. Monika Windsor (Berlin), Anästhesistin, palliative care

Fachbeirat

Dr. theol. Peter Bartmann (Berlin), Gesundheitsökonom, Diakonie Bundesverband; Reinhild Bohlmann (Hofgeismar), Bund freiberuflicher Hebammen

Deutschlands BfHD e.V.; Prof. Dr. med. Andreas Broocks (Schwerin), Ärztl. Direktor Carl-Friedrich-Flemming-Klinik HELIOS-Kliniken; Ulrike Döring

(Wiesbaden), Vorsitzende Arbeitsgemeinschaft christlicher Schwesternverbände und Pflegeorganisationen in Deutschland e.V.; Paul Donders

(Niederlande), Leitung xpand international; Prof. Dr. theol. Ralf Dziewas (Bernau), Theologisches Seminar (Fachhochschule) Elstal; Heribert Elfgen

(Aachen), Physiotherapeut, Dipl. Musiktherapeut; Clauda Elwert (Karlsruhe), Physiotherapeutin, Leiterin Zentrum für Gesundheit, Therapie, Heilung;

Sr. Hildegard Faupel (Travenbrück), Theologin, Pädagogin; Dr. med. Martin Grabe (Oberursel), Chefarzt Psychosomatik Klinik Hohe Mark, Vorsitzender

Akademie für Psychotherapie und Seelsorge e.V.; Dr. med. René Hefti (Langenthal), Chefarzt SGM Klinik Langenthal, Ltg. Forschungsinstitut

Spiritualität & Gesundheit; Sr. M. Basina Kloos (Waldbreitbach), Franziskanerin, Generaloberin; Sr. Anna Luisa Kotz (Untermarchtal), Vorstand

Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern vom Hl. Vinzenz von Paul; Reinhard Köller (Hamburg), Arzt für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren;

Pfarrer Ulrich Laepple (Berlin), Referent Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste; Dipl.-Kfm. Cord Meyer (Reinbek), Hauptgeschäftsführer

Albertinen-Diakoniewerk e.V.; Dr. med. Gabriele Müller (Frankfurt a. M.), Anästhesistin am Schmerz- und Palliativzentrum Rhein-Main; Rolf

Nussbaumer (Herisau), Schule für christlich ganzheitliche Heilverfahren; Weihbischof Thomas Maria Renz (Rottenburg), Diözese Rottenburg-

Stuttgart; Dr. theol. Heinrich-Christian Rust (Braunschweig), Pastor der Evangelisch Freikirchlichen Gemeinde Braunschweig, Friedenskirche;

Dr. med. Claudia Schark (Tübingen), Internistin, Geriatrie, Oberärztin Reha-Klinik Böblingen; Oberin Andrea Trenner (Berlin), Oberin Johanniter

Schwesternschaft; Dr. phil Michael Utsch (Berlin), Psychotherapeut, Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen

EDITORIAL

Liebe Leserin, lieber Leser,

eine Krise folgt der anderen. Das Gesundheitswesen wird von Finanzierungs-sorgen, von Versorgungsproblemen und politischen Krisen gebeutelt. Dabei stammt der Begriff der Krise aus der Medizin, wo seit dem 16. Jahrhundert die Krise die Wende zum Besseren oder die weitere Verschlechterung des Zustands eines Kranken bedeutet. Heute wird der Begriff allgemeiner für eine problematische Lage verwendet. Und Probleme kennen wir Mitarbei-tenden im Gesundheitswesen zuhauf. Die unserer Patienten und auch die von Pflegenden, Medizinern, Therapeuten und Seelsorgern. Wie reagieren wir auf den plötzlichen Notfall? Welche spirituellen Möglichkeiten stehen uns zur Verfügung? Können wir aktiv zur Bewältigung von Krisen beitragen? Das vorliegende Heft bietet dazu vielfältige Anregungen. Und wir freuen uns über Ihre Stellungnahme, die wir gerne als Leserbrief veröffentlichen.

Außer dem Schwerpunkt befassen wir uns mit dem immer wieder umstritte-nen Thema alternativer Heilmethoden. Sie lesen außerdem einen interessan-ten Forschungsbericht über den Vergleich von Demenz und Spiritualität, auch wenn der Begriff Spiritualität hier sehr weit gefasst ist und auch nichtchristli-che Aspekte mit einschließt.

ChrisCare ist Medienpartner des 3. Christlichen Gesundheitskongresses in Kassel vom 22. – 24. März 2012. Sie finden den Prospekt als Beilage in dieser Ausgabe. Beim Kongress können Sie viele Autoren von ChrisCare und die Herausgeber persönlich kennen lernen. Planen Sie schon jetzt den Termin fest in Ihr Jahresprogramm ein und ermutigen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen, nach Kassel zu kommen.

2012 wird der Kongress neue Akzente setzen: Heilen und Begleiten – Auftrag und Wirklichkeit. Das Thema deutet an, dass es nicht nur um die Wiederher-stellung eines gesunden Menschen geht, sondern auch um die Begleitung von chronisch Kranken, behinderten und sterbenden Menschen. Gerade in diesen Situationen muss sich der christliche Glaube bewähren.

Sie haben es in der Hand, den Heilungsauftrag Jesu in Ihrem beruflichen All-tag umzusetzen. Wir wollen gemeinsam mit ChrisCare und dem Christlichen Gesundheitskongress dazu hilfreiche Impulse geben und die Diskussion auf allen Ebenen, der Theorie wie der Praxis, im Gesundheitswesen und in der Kirche fördern.

Hans-Arved

Willberg, Theologe

und Pastoralthera-

peut, Mitglied im

Herausgeberkreis

Bettina Gundlach,

Ärztin im Sozialpsy-

chiatrischen Dienst,

Mitglied im Vorstand

von CiG e.V.

ChrisCare

Wir sind Partner:

&

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2/2011 CHRISCARE 54 Hoffnung

HintergründeVertrauen

WunderLeserbriefe

KUNST

geprägt von enormem Zeitdruck der Pflegekräfte, starren Hierarchien und Abläufen im Krankenhaussystem, langer Abwesenheit mir bekannter Pflegender durch z.B. Teilzeitarbeit, Krankheit oder Urlaub. Durch diese hin-derlichen Umstände fand ich es immer sehr schwer, wirkliches Vertrauen auf-zubauen oder zu erhalten. Auch fand ich es sehr schwer, in diesen Zeiten, in denen es mir natürlich körperlich und seelisch ziemlich mies ging, Hoffnung und Zuversicht von relativ unvertrauten Pflegekräften überhaupt annehmen zu können, denn dies hängt für mich ganz stark mit den persönlichen Beziehun-gen zu diesen Personen zusammen. All dies führte dazu, dass ich mit aller Kraft dafür gekämpft habe, jegliche Behandlung nur noch ambulant in Anspruch zu nehmen.

Nach dieser Entscheidung war ich ziemlich allein damit, aber dann fand ich Mitstreiter in der Ambulanz einer großen Hamburger Klinik. Der leitende Arzt und die Pflegekräfte ermutigten ihre Patienten dazu, vollkommen selbstbestimmt medikamentöse Therapien in Anspruch zu nehmen, vorausgesetzt, man hatte eine mehr-wöchige Schulung dazu in der Klinik in Anspruch genommen. Seitdem „hüte“ ich meine Cortisontabletten, mit denen ich eine hochdosierte Stoßtherapie selbstständig durchführen könnte. Ich könnte also täglich eine Tablette mit 1000 mg (!) Cortison über 5 Tage selb-ständig einnehmen. Dies habe ich aber noch nicht in Anspruch genommen, da ich dadurch völlig aus dem bestehen-den Versorgungssystem herausfallen

würde und mir kein niedergelassener Arzt dabei helfen würde, leider. Ich habe aber den Kompromiss einer Stoßtherapie in der Praxis mit heimi-schem Aufenthalt gefunden.

All dies hätte ich ohne meinen Glau-ben, mein Vertrauen an und in Gott wohl nicht bewältigt und deshalb würde ich gern ergänzend zu Ihrem Artikel Pflegekräfte ermutigen, mit den Patienten ins Gespräch zu kom-men über das Vertrauen in Gott und darüber, wo dieses Vertrauen Risse bekommen hat. Vielleicht könnte man ja mithilfe einer Konkordanz oder in einem Gesprächskreis einmal darüber sprechen, welche Aussagen die Bibel zu „Vertrauen“ macht, z.B. heißt es in Psalm 18,31: „Er ist ein Schild allen, die ihm vertrauen“.

Anne-Katrin Rathje, Sittensen

Zu CC 1 2011: KontroversDanke für Ihre gute Zeitschrift, sie füllt eine Lücke. Weil die Traditionelle Chi-nesische Medizin auf der „Esoterik-welle“ nach Deutschland kam, ist es verständlich, dass Christen zunächst sehr skeptisch waren und dieses Thema kontrovers diskutiert wird. Deshalb finde ich es ganz wichtig, dass man zu diesem Thema gläubige Mediziner aus Asien, die die Metho-den der TM und die Hintergründe bes-ser als Westler kennen und einordnen können, zu Wort kommen lässt.

Carola Keil

Zu CC 1 2011 allgemein: Vielen Dank für die immer wieder interessanten Beiträge und Anstöße. Seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit den Themen Wunder, Heilung und Gebet. Es stimmt, wir Christen sollten wieder anfangen, mit dem Eingreifen Gottes in unserem Leben zu rechnen. Wunder sind heute genau so möglich wie zu den Zeiten Jesu. Ich arbeite als Stationsleitung auf einer Unfallchirurgie und kann aus meinem Alltag nur posi-tiv berichten, wie Gebet mit Patienten Heilung beschleunigt und das Wohl-befinden steigert. Gott möchte sicher nicht, dass sich jemand bereichert an guten Gaben, die Er gerne kostenlos austeilt. Ich finde es als Christ normal, für Kranke zu beten und genau so nor-mal, zu erwarten, dass Gott eingreift und ein Wunder wirkt.

Claudia Pioch, Berlin

Zu CC 1 2011: Auf Vertrauen bauenDen Artikel habe ich mit großem Interesse gelesen. Herzlichen Dank dafür! Als langjährig chronisch Kranke habe ich so ziemlich alle Varianten von Behandlungen erlebt: vollstationär, teilstationär, ambulant bei meinem Hausarzt in der Praxis oder in einer Ambulanz eines Krankenhauses und die häusliche Pflege durch meine Angehörigen. Wenn ich darauf zurück-blicke, stelle ich große Unterschiede in Bezug auf „Vertrauen aufbauen, Hoffnung und Zuversicht durch Pfle-gekräfte“ fest. Die vielen Male meiner stationären Aufenthalte waren immer

Zeichen der Hoffnung

Nicola Bourdon M.A., Kaufungen

Eng zusammengedrängt, den Bildraum ausfüllend erscheinen Hiob und seine Frau auf der Außenseite eines Altarre-tabels (Aufsatzes).

Hiob wird im Alten Testament als ein wohlhabender Mann beschrieben, der ein Vorbild an Rechtschaffenheit war, an Gott glaubte und sich vom Bösen fernhielt. Es wird erzählt, wie der Satan bei Gott anzweifelt, dass

Hiob sitzt eingesunken mit halb-geschlossenen Augenlidern und in der Haltung der Melancholie, mit aufgestütztem Arm, auf dem Stroh des Misthaufens. Herbeieilend und hochaufgereckt gießt seine kostbar gekleidete Frau Wasser aus einem Eimer über seinen Nacken. Wie die Freunde lässt sie ihn in der Krise nicht allein. Im Hintergrund erstreckt sich eine Berglandschaft mit einer

Ebene und einer Feuersbrunst. In der Ebene scheint eine Figur mit ausgestreckten Armen vor Entsetzen zu fliehen. In der Erzählung melden Boten Hiob von der Vernichtung der Herden sowie der Hirten durch vom Himmel herabfallendes Feuer.

Dürer visualisiert die Bedrän-gung und Einschränkung einer Lebenskrise und Krankheit durch die Einengung seiner Figuren vom Bildrand. Hiobs Körper ist groß im Vordergrund ganz dem Schmerz aus-geliefert. Von seinem Gesicht sieht der Betrachter nur eine Hälfte. Die Finger seiner Hand bedecken das Gesicht, er rauft sich mit dem klei-nen Finger den angegrauten Bart.

Das Bild ist längs geteilt: Hinter Hiob züngelt das Feuer, das sein Hab und Gut zerstört hat und auch für seine brennenden Geschwüre steht. Gelblicher Qualm steigt hinter ihm zum Himmel, bis hin zu der dunklen Wolke. Der Hinter-grund bildet den inneren Zustand der Figuren ab: bei Hiob die Hoff-nungslosigkeit und die Schmerzen. Hinter seiner Frau ist die Luft noch klar. Sie versucht noch, aktiv das Übel zu bekämpfen. Sie scheint mit dem Eimer Wasser einerseits Hiobs brennende Geschwüre heilen, andererseits auch das Feuer im Hintergrund löschen zu wollen. Sie

Um 1505, Städelsches Kunstinstitut Frankfurt a. M.

Hiob trotz eines erlittenen Unglücks an Gott festhalten würde. So wird Hiob hart auf die Probe gestellt, bis hin zum Tod seiner Kinder. Heute wird statt Misthaufen Asche- oder Schutthaufen übersetzt. Denn Kranke lebten oft isoliert im Schutt vor den Städten.

ist nicht von Resignation gepackt wie der Dulderheld Hiob. Außerdem gibt es zwei Zeitebe-nen in dem Bild. Der Hintergrund erzählt vom Leid Hiobs, das zu seiner gegenwärtigen Situation im Vordergrund geführt hat. Die Wolke symbolisiert den als bedrohlich erscheinenden, strafenden und all-mächtigen Gott, den Hiob erfahren muss. Er steht über allem in dieser Dreieckskomposition der Figuren. Er schwebt aber auch über Hiob. Denn Gott verlässt Hiob nicht und Hiob hält trotz allem Leid an Gott fest. Gott antwortet auf Hiobs Fragen nach der Ursache seines Leidens. „Rufst du den Wolken Befehle zu, damit sie Regen auf dich strö-men lassen? (38,34) Mit mir, dem Mächtigen, willst du dich streiten?“ (40,2). Hiobs Glück kehrt zurück, als er seine Überheblichkeit einge-steht: „Ich weiß jetzt, dass dir nichts unmöglich ist. In meinem Unver-stand hab ich geredet von Dingen, die mein Denken übersteigen. Jetzt aber hat mein Auge dich geschaut. Ich schäme mich für alles, was ich sagte“ (42,2-6).

Hiobs Leiden galt im Mittelalter als trostreiche Parabel, da Hiob später von allem Leiden befreit wurde und noch größeres Glück von Gott empfing.

Die Erzählung von Hiob steht dafür, nicht Gott bei einer Lebenskrise oder schweren Krankheit überheb-lich anzuklagen: Warum ich? Warum muss ich leiden? Sondern sich von Gott begleiten zu lassen, in jedem Augenblick an ihm festzuhalten und sich selbst nicht so wichtig zu nehmen. Gott wünscht sich, dass Menschen mit ihm im Gespräch bleiben, und wenn manchmal nur die (An-)Klage bleibt. Dann kann er Menschen begegnen. Sei es in Zei-ten der Krise oder des Glücks.

Albrecht Dürers „Hiob auf dem Mist“

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2/2011 CHRISCARE 76 HINTERGRUND

aus christlicher Perspektive

Krisenintervention

frontiert, welche Betroffene an den Rand ihrer Kräfte bringen: Der Partner, welcher eine Fremd-beziehung eingeht, die Nachricht der Diagnose einer lebensbe-drohlichen Krankheit oder der Tod eines nahe stehenden Menschen. Situationen, in denen Hoffnun-gen und Visionen in die Brüche gehen und als wertvoll Erachtetes verloren geht oder bedroht wird. In solchen Krisensituationen sind Begleiterinnen und Begleiter gefragt. Doch von welchem Gott soll man angesichts des vielen Leids – mit dem Betroffene in solchen Situationen konfrontiert werden – erzählen? Und wie sol-len Begleiterinnen und Begleiter Menschen in Not und Bedrängnis beistehen, d.h. auf welches Kon-zept können sie zurückgreifen? Diesen Fragen soll im Folgenden nachgegangen werden.

Die Fragmenthaftigkeit des Lebens: Kreuz und Auferstehung Jesu Christi – neutestamentliche Überlegungen

Krisen, Leiden und Schmerzen gehö-ren konstitutiv zum menschlichen Leben, es sind Grunddimensionen des menschlichen Lebens. Diese Erkennt-nis zeigt sich im wohl zentralsten Geheimnis des Neuen Testamentes: der Kreuzigung und Auferstehung Jesu aus Nazareth. So wie Weihnachten vom unfertigen und hilfsbedürftigen Gott und Menschen erzählt, erzählt

Ostern vom zerbrochenen, gekreuzig-ten und zu neuem Leben erwachten Menschen. Erlösung und Auferste-hung – so könnte man dieses Bild interpretieren – ist unmittelbar mit dem Schmerz und dem Leid verbunden. Und auch wenn christliche Krisenseel-sorge auf die Vision von Befreiung, Hoffnung, respektive Auferstehung setzt und sie sich von ihr tragen lässt, so darf sie dabei nicht verschweigen, dass es Situationen gibt, in welchen man nichts mehr verändern oder „machen“, sondern nur noch hinneh-men kann. Solche Situationen sind oft weit weg von den Vorstellungen und Wünschen der betroffenen Menschen. Es ist Aufgabe der Seelsorge, sich dem damit verbundenen unausweichli-chen Leid zu stellen, die vermeintliche Sinnlosigkeit auszuhalten und mit zu tragen. Christliche Begleiterinnen und Begleiter sind gefordert, in den dunklen Momenten des Lebens Beistand zu leisten und bedrängte Menschen nicht in ihrer Einsamkeit allein zu lassen. Sie sind aufgefordert, Kontakt zu suchen und nach Bedürf-nissen zu fragen. Dass dies manchmal ein Kampf auf Leben und Tod sein kann, dass mitunter alle Beteiligten an ihre Grenzen stoßen, liegt auf der Hand. Doch eine christliche Begleitung angesichts von Krisen wird gleichzeitig von einer Vision getragen, sie kann neben dem unausweichlichen Leid auf eine Hoffnung setzen: die Hoff-nung auf Erlösung und Auferstehung. Christliche Seelsorge glaubt, dass es neben dem Schmerz und dem Leid auch Momente der Auferstehung gibt und Er-Lösung erfahren werden kann. Schmerzen können abklingen und Leid bewältigt werden. Wie die Jünger in der Emmauserzählung in ihrer Krise durch das Mitsein und die Begegnung mit dem Auferstandenen wieder Kraft und Zuversicht finden, so können auch

bedrängte Menschen in unserer Zeit Trost und Beistand erfahren. Und sie können erleben, dass Gott sie durch den Tod hindurch trägt und bewahrt. Denn was immer Auferstehung gemäß dem Theologen Jürgen Zippert noch bedeuten mag, verweist sie auf die Möglichkeit eines Neubeginns, auf eine Hoffnung, welche auch aus tiefster Not und Leid erwachsen kann. Auferstehung erzählt davon, dass in jedem menschlichen Leid, jeder noch so großen Trauer oder Finsternis ein Lichtfunke sitzt und sei dies auch erst in einer anderen Wirklichkeit.

Es gehört ohne Zweifel zum christli-chen Heilungsverständnis, Krankhei-ten und Leiden so weit wie irgend-wie möglich zu überwinden oder zu lindern. Dies ist die Realisierung der Absicht Gottes, der ein „Freund des Lebens“ (Weisheit 11,26) ist. Insbe-sondere in Jesus von Nazareth, dem Heiland, ist diese Absicht deutlich geworden. Christliche Heilung darf jedoch nicht auf eine Wiederherstel-lung körperlicher oder seelischer Funktionsfähigkeit reduziert werden. Viel mehr bedeutet ein christliches Heilungsverständnis darüber hinaus: „Geheilt im christlichen Sinn ist nicht der, der seine körperliche Gesundheit wiedererlangt – so sehr dies in der Option christlichen Heilens liegt –, sondern wer die ‚Kraft zum Mensch-sein‘ aufbringt“, so der Theologe Jürgen Moltmann.

Das BELLA-KonzeptIn der Vergangenheit sind Kriseninter-ventionsmodelle entstanden, welche das Vorgehen einer Krisenintervention strukturieren. Die Mehrzahl der Kon-zepte basieren auf denselben Grund-lagen und Schritten. Im Folgenden soll exemplarisch das Konzept des öster-reichischen Arztes und Psychothera-

Dr. Urs Winter-Pfändler (MA, MSc),

Pastoralpsychologe, Schweizerisches

Pastoralsoziologisches Institut (SPI),

St. Gallen, www.spi-stgallen.ch

Verwendete und weiterführende Literatur

Aguilera, D. C. (2000). Krisenintervention: Grund-lagen – Methoden – Anwendung. Bern: Huber.

Baumgartner, I. (1990). Pastoralpsychologie. Einführung in die Praxis heilender Seelsorge. Düsseldorf: Patmos.

Dross, M. (2001). Krisenintervention. Göttingen: Hogrefe.

Griffith, J. L. & Griffith, M. E. (2002). Encoun-tering the sacred in psychotherapy: how to talk with people about their spiritual lives. New York: The Guilford Press.

Karrer, L. (2000). Was die Seele nährt. Spiritualität im Prozess der Menschwerdung. In: Weber, F., Böhm, Th., Findl-Ludescher, A. & Findl, H. (Hrsg). Im Glauben Mensch werden: Impulse für eine Pastoral, die zur Welt kommt. Festschrift für Her-mann Stenger zum 80. Geburtstag (S. 233-242). Münster: Lit Verlag.

Kunz, S., Scheuermann, U., & Schürmann, I. (2004). Krisenintervention. Ein fallorientiertes Arbeitsbuch für Praxis und Weiterbildung. Wein-heim: Juventa Verlag.

Luther, H. (1992). Religion und Alltag. Bausteine zu einer praktischen Theologie des Subjekts. Stuttgart: Radius Verlag.

Lyall, D. (1999). Pastoral counselling in a postmo-dern context. In: Lynch, G. (Ed.). Clinical counselling in pastoral settings (pp. 7-21). London: Routledge.

Roberts, A. R. (2000). Crisis intervention hand-book. Assessment, Treatment, and Research. New York: Oxford University Press.

Rogers, C. R. (1998). Die notwendigen und hinreichenden Bedingungen für Persönlichkeits-entwicklung durch Psychotherapie. In: Rogers, C. & Schmid, P.. Person-zentriert. Grundlagen von Theorie und Praxis (S. 165-184). Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag.

Sonneck, G. (1995) (Hrsg.). Krisenintervention und Suizidverhütung: ein Leitfaden für den Umgang mit Menschen in Krisen. Wien: Facultas-Universitätsverlag. Stein, C. (2009). Spannungsfelder der Krisenin-tervention. Ein Handbuch für die psychosoziale Praxis. Stuttgart: Kohlhammer.

Stone, H. W. (1993). Crisis Counselling. Caring for People in Emotional Shock. Revised Edition. London: Augsburg Fortress.

Zippert, Th. (2000). „Die Sinnfrage in Notfall-situationen – Existenzielle Fragestellungen in Krisen im Horizont von Spiritualität und Religion“. Vortrag auf der 3. Fachtagung Notfallseelsorge und Krisenintervention am 11.3.2000 in Weilburg. URL: http://www.notfallseelsorge.de/Materialien/zeitung22.htm (Stand März 2011).

Zippert, Th. (2001). Zur Theologie der Notfall-seelsorge. In: Müller-Lang, J. (Hrsg.). Hand-buch Notfallseelsorge (S. 25-56). Wien: Stumpf und Kossendey.

Menschen aus psychosozialen, seelsorglichen und gesundheitsbezoge-nen Berufen wer-den in ihrer Arbeit immer wieder mit Schicksalen und Ereignissen kon-

Bella-Konzeptpeuten Gernot Sonneck dargestellt werden. „Bella“ nennt Sonneck sein Konzept, wobei jeweils ein Buchstabe für eine Maßnahme steht:

• Beziehung aufbauen Der Aufbau einer tragfähigen Bezie-hung gehört zum ersten Schritt jedes seelsorglichen Gespräches, denn die Beziehung ist Dreh- und Angelpunkt aller weiteren Schritte. Diese Beziehung sollte getragen sein von Echtheit, Wertschätzung und Empathie. Selbstverständlich hat sich die Begleiterin / der Begleiter bei Kontaktaufnahme vorzustellen und es gilt einen ruhigen und geschützten Ort für das Gespräch zu wählen.

• Erfassen der Situation Was hat sich ereignet? Warum spitzt sich die Situation gerade jetzt zu? Welche subjektive Bedeutung misst der Betroffene dem Ereignis zu? Im zweiten Schritt des Bella-Konzeptes gilt es zuzuhören. Die Begleiterin / der Begleiter soll sich ein Bild der Krise verschaffen. Es gilt die Krise zu würdi-gen und sich vom Klienten und seinen Worten, Emotionen sowie Bildern leiten zu lassen. Gefühle dürfen Raum und Platz einnehmen.

• Linderung von Symptomen Durch das Erzählen beginnen sich allenfalls die Ereignisse zu ordnen. Da das primäre Ziel der Kriseninterven-tion in der Sicherung des Lebens des Gegenübers sowie desjenigen Dritter besteht, gilt es auf Suizid-respektive Fremdgefährdungsimpulse besonders aufmerksam hinzuhören. Allenfalls muss auch weitere Hilfe (z.B. Arzt) beigezogen werden.

• Leute einbeziehen, die unter-stützen Krisen finden nicht im luftleeren Raum statt. Meistens ist das soziale Umfeld des Betroffenen durch die Krise mit betroffen. Das soziale Stützsystem des bedrängten Menschen gilt es in

einer Krise zu aktivieren (z.B. in Form emotionaler, instrumenteller oder informeller Unterstützung).

• Ansatz zur Problembewältigung finden Schließlich können erste Schritte in der Problembewältigung unternom-men werden. Es gilt das Problem zu definieren und einzugrenzen, Bewälti-gungsressourcen festzustellen und zu mobilisieren, Widersprüche aufzude-cken etc. Dies geschieht zumeist im Gespräch. Doch auch die Arbeit mit kreativen Mitteln (z.B. das Schreiben eines Krisentagebuchs) können Hilfen darstellen. Neben den erwähnten Strategien können auch religiöse Ressourcen eine wichtige Hilfe bei der Bewältigung der Krise darstellen. Entscheidend dürfte sein, dass die religiösen Ressourcen in die Bezie-hung zwischen krisengeschüttelten Menschen und der Begleitperson gut eingebettet sind und an das Wert- und Sinnsystem des Betroffenen anknüp-fen. So vermögen biblische Texte zu trösten und stellen stellvertretend Worte zur Verfügung, in welchen die Ohnmacht und das Leid dem Gegenüber die Stimme verschlagen (z.B. Klagelieder, Hiob). Mit biblischen Geschichten kann ebenfalls kreativ gearbeitet werden, z.B. in Form fikti-ver Briefe an eine biblische Gestalt.

Das Modell soll helfen, dass Beglei-terinnen und Begleiter zu verhei-ßungsvollen Hoffnungsträgern in Zei-ten der Not und des Leides werden – damit betroffene Menschen wieder Ruhe in ihrer Seele finden können (Matth 11,29) und Bedrängte nach schmerzhaften Erfahrungen wieder beginnen, kleine Auferstehungs-schritte zu wagen.

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2/2011 CHRISCARE8 HINTERGRUND

Erfahrungen aus dem Berufsalltag

Wenn die Seele nicht mehr will…

Wenn die Seele nicht mehr will, gibt es grundsätzlich verschie-dene Reaktionen in unserem Umgang damit: Entweder ver-leugnen wir unsere Gefühle, so dass es zum Stillstand oder gar zur Rückentwicklung unserer Reaktions- und Verhaltensweisen kommt. Wir „funktionieren“ dann einfach weiter wie bisher und meist gelingt dies leider auch noch über eine sehr lange Zeit ganz gut. Langsam verschwin-det im Verlauf die Freude aus unserem Leben und es entwi-ckeln sich psychische Störungen und Erkrankungen wie Ängste, Depressionen, vielleicht kommen auch zusätzliche körperliche Sym-ptome hinzu (psychosomatische Erkrankungen). Oder: Wir neh-men unser „Nicht-mehr-können“ wahr, das bedeutet, die Regungen unserer Seele (Gefühle) ernst und wichtig zu nehmen, unsere Situation anzuerkennen (z.B. Kapitulation), als Voraussetzung dafür, dass wir etwas verändern können. Als Folge erkennen wir Möglichkeiten zu handeln, indem wir uns ggf. auch Hilfe von ande-ren suchen, und zu gesunden.

Meist neigen wir Menschen eher zu der zuerst beschriebenen Reak-tion, Unangenehmes erst einmal zu

verleugnen und zu verdrängen, wenn es uns stören will bzw. wir keine „Lösung“ dafür parat haben. Die Gefahren, die dabei entstehen, wenn wir unsere Gefühle ignorieren und somit vom Bewussten ins Unbe-wusste verdrängen, können enorm sein. Auch hier gibt es v.a. zwei weit verbreitete Verhaltensweisen: Entwe-der fliehen wir in die Sucht (Konsum von legalen und illegalen Suchtmit-teln, Tabletten, Aktivität, Arbeit) mit evtl. Entwicklung einer Abhängigkeit. Oder es kommt zur Entwicklung von Ärger und Aggressivität als eigentlich sehr gesunde Reaktion und Antrieb-senergie für Veränderungen jeglicher Art. Die Gefahr hierbei besteht im ungesunden Richten der Aggressi-vität nach außen oder nach innen (sozialer Rückzug, Depression) mit der Entstehung neuer Probleme…

Entstehung und Behandlung von Depressionen

Depressive Verstimmungen kennt jeder gesunde Mensch. Von einer Depression als Krankheit spricht man erst, wenn diese Stimmung über einen ungewöhnlich langen Zeitraum und mit einer großen Stärke auftritt.

Depressionen …überfallen uns Men-schen nicht überfallsartig wie z.B. Räuber, die uns auf der Straße von hinten plötzlich mit einem Messer

verletzen wollen, sondern brauchen viele Jahre Vor-Arbeit, bis sie sich bemerkbar machen. Depressionen …sind das Ergebnis eines jahrelang unausgeglichenen Kontostands zwischen dem „Geben“- und dem „Nehmen“-Konto, z.B. in Beziehun-gen, aber auch im Beruf oder ande-

ren Lebensbezügen. Depressionen …sind wie ein ungebetener Gast, den wir durch unser Leben, Reagie-ren, Denken, Reden und Handeln immer wieder in unsere „Lebens-wohnung“ einladen. Ein möglicher Behandlungsansatz ergibt sich beim Nachdenken über die Frage: Wie können wir es diesem Gast mög-lichst so unbequem bei uns machen, dass er sich nicht mehr wohl bei uns fühlt, nicht mehr zu seinem Ziel, uns unsere Lust zum Leben zu nehmen, kommt und uns schlussendlich verlässt? Depressionen …erfordern einen längeren seelsorgerischen und oft auch psychotherapeutischen Pro-zess, da die Entstehungszeit meist einen Zeitraum von mehreren Jahren und Jahrzehnten umfasst. Und zuletzt eine wichtige entlastende Nachricht für jeden, der durch eine Depression geht: Wir dürfen depres-siv sein. Und: Depressionen …sind wie fast jede psychische Erkrankung gut behandelbar und haben ein Ende.

Suizidalität gehört leider dazuEine Suizidalität wird zwar oft lange vorbereitet (s.o.), entsteht aber meist als Folge und auf Anlass einer akuten Krise hin, z.B. Verlust eines nahestehenden Menschen, Veränderungen am Arbeitsplatz, Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung o.ä.. Ein Mensch, der akut suizidal ist, braucht dringend einen Menschen, der diese Entwick-lung wahr- und ernst nimmt und auch professionelle Hilfe einschaltet. Er oder sie braucht akute Hilfe und Abschätzung von akuter Eigenge-fährdung und Absprachefähigkeit (Unterbringung nach PsychKG? Suzidvertrag ausreichend?). Suizida-lität ist ebenfalls gut behandelbar, auch wenn die Suizidrate nach kon-kreter Ankündigung hoch ist.

Zusammenfassend kann man eine Depression durchaus als eine „gesunde“ Reaktion unserer Seele

betrachten auf ungesunde, vielleicht schon in der Kindheit erlernte Denk- und Verhaltensmuster. So, als ob wir irgendwann unbewusst einen „unbequemen Hausgast“ in unser Leben hinein gelassen haben, an den wir uns gewöhnt haben. Im Laufe einer Therapie gilt es darum heraus-zufinden, wodurch wir diesen Gast immer wieder einladen, sein Unwe-sen weiter zu treiben: Was hilft ihm, Einlass zu bekommen, wann fühlt er sich wohl? Was stärkt ihn, uns das Leben zu „vermiesen“? Wie tut er das? Und umgekehrt: Wie kann ich mich anders verhalten, dass es ihm ungemütlich wird, er nicht mehr bei mir „landen“ kann und mich endlich entmutigt verlässt?

Verlaufen Depressionen bei Christen anders?

Können und dürfen wir Christen über-haupt an Depressionen erkranken? Je nach Gottesbild und Glaubensstil scheint bei einer großen Anzahl von Christen ein ungeschriebenes und in der Bibel nicht zu findendes Gesetz zu gelten: „Ein Christ ist immer glücklich, fröhlich und steckt andere mit seiner Hoffnung an.“ Traurigkeit, Aggressionen und gar Depressionen als diagnostizierte und behandlungs-bedürftige psychische Erkrankungen scheinen demnach mit gelebtem Christsein fast unvereinbar, vor einer „weltlichen“ Psychotherapie wird manchmal sogar als glaubensfeindlich und antichristlich gewarnt. Hilfen über Gebet und Seelsorge sollen ausrei-chen, „sonst ist der Kranke wohl glau-bensschwach oder gilt gar als unge-horsam…“. Halten wir es bei anderen Lebensproblemen und Erkrankungen genau so, z.B. wenn unser Auto oder die Waschmaschine defekt ist oder wir durch einen Autounfall schwere körperliche Verletzungen erleiden? Gebet und Seelsorge sind wichtige Elemente und Hilfen unseres christli-chen Glaubens, aber nicht immer sind sie allein ausreichend. >>

5 Säulen der Behandlung einer psy-chischen Erkrankung / Depression:

• Einzel- und Gruppengespräche (Psycho-therapie, Seelsorge)

• Evtl. unterstützende Medikamente: Antidepressiva (machen nicht abhängig), möglichst keine Sedativa und Hypnotika über längere Zeit (Beruhigungs- und Schlafmittel nur kurz, können schnell abhängig machen)

• Soziales Netz stärken oder aufbauen (Fami-lie, Freunde, Kollegen, Freizeitbekannte)

• Bewegung und Sport: wirken antide-pressiv (antidepressive Hormone werden ausgeschüttet)

• Beschäftigung und Arbeit: sinnstiftend, selbstwertsteigernd (cave: es gibt auch Arbeit, die krank macht und aufgegeben oder verlassen werden muss!)

ChrisCare und cpsbieten Ihnen eine Auswahl

an offenen Stellen im Gesundheitswesen an:

www.cps-online.org

Gesundheits- und Krankenpfl eger/-in/Altenpfl eger/-in (Teilzeit)DiakoniestationAufgaben: Grund- und Behandlungspfl ege in der ambulanten Pfl ege. Anforderungen: Abgeschlos-sene dreijährige Ausbildung zum/zur Gesundheits- und Krankenpfl eger/-in oder abgeschlossene drei-jährige Ausbildung zum/zur Altenpfl eger/-in Be-rufserfahrung von Vorteil, jedoch nicht zwingend erforderlich.

Arbeitsort: Baden-Württemberg, ab sofort

Examinierte/-r Kranken- undGesundheitspfl eger/-in/Kranken-schwester/-pfl eger (Voll- und Teilzeit)Ambulanter Pfl egedienstAufgaben: Zur Ergänzung des ambulanten Pfl e-geteams und darüber hinaus suchen wir eine/-n Examinierte/-n Kranken- und Gesundheitspfl eger/-in bzw. examinierte/-n Krankenschwester/-pfl eger. Anforderungen: Eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus und der Wunsch, speziell mit HIV-Patienten zu arbeiten.

Arbeitsort: Hessen, ab 01.07.2011

Psychologische/-r Psychotherapeut/-inSchmerztherapeutische EinrichtungAufgaben: Psychologische Schmerztherapie (Ein-zel- und Gruppentherapie) für stationäre Patienten mit chronischen Schmerzzuständen (multimodale Schmerztherapie), Durchführung eines Gruppen-trainings in PMR, Psychodiagnostik und Dokumen-tation. Voraussetzungen: eine abgeschlossene Wei-terbildung in Verhaltenstherapie, Erfahrung in der psychotherapeutischen Arbeit mit chronischen Schmerzpatienten u./od. Psychiatrieerfahrung, Fä-higkeit und Bereitschaft zur Teamarbeit und zur Zu-sammenarbeit mit verschiedenen Berufsgruppen, Teilnahme an Schmerzkonferenzen.

Arbeitsort: Niedersachsen, ab sofort

Lehrkraft für Gesundheitswissen-schaft/Pfl egemanagement (m/w)Berufsbildende SchuleAufgaben: Unterricht im Fach Gesundheit und Pfl e-ge entsprechend den Curriculumvorgaben fach-praktische Übungen und Begleitung in den ver-schiedenen Praktika. Anforderungen: Lehramt für Berufskollegs oder Sekundarstufe II oder Universi-tätsabschluss (Diplom / Master) in Gesundheits-wissenschaften/Pfl ege(management) oder Medi-zin. Gerne auch Seiteneinsteiger/in Dipl. mit Uni-versitätsabschluss (ggf. auch FH).

Arbeitsort: Nordrhein-Westfalen, ab 2.9.2011

Facharzt/-ärztin für Allgemeinme-dizin/Arzt/Ärztin in WeiterbildungPraxis für Allgemeinmedizin Aufgaben: Hausärztliche Grundversorgung (Be-handlung akuter und chronischer Erkrankungen, sowohl internistisch, als auch chirurgisch, pädiat-risch, dermatologisch und neurologisch/psychia-trisch), Hausbesuche, Betreuung von Heimbe-wohnern. Anforderungen: Fachliche Qualifi kation, Teamfähigkeit, Flexibilität.

Arbeitsort: Sachsen, ab sofort

Ergotherapeut/-in Fachklinik für AbhängigkeitskrankeAufgaben: Leitung Arbeitstherapie, Planung und Durchführung von klientbezogenen Maßnahmen unter Anwendung aktueller Therapiemethoden, Einführung des Profi lvergleichsverfahrens MELBA, Weiterentwicklung des Aufgabenbereiches der be-rufl ich orientierten Rehabilitation, Planung von Pro-jekten. Anforderungen: Leitungserfahrung in der Rehabilitation von Abhängigkeitskranken, prakti-sche und handwerkliche Begabung, Arbeiten mit MELBA, Führerschein.

Arbeitsort: Schleswig-Holstein, ab 1.4.2011

Facharzt/-ärztin einer klinischen Fachrichtung (nicht Bedingung)KrankenhausAufgaben: nach intensiver Einarbeitung Leiter/-in einer geriatrischen Station (Station werden derzeit durch zwei Ärzte geführt). Anforderungen: Interes-se am Fachgebiet Geriatrie, Patientenorientierung, Souveränität und Aufgeschlossenheit, Interesse an interdisziplinärer, integrativer und teamorientier-ter Arbeit, Mitarbeit in Projekten zur Weiterentwick-lung der Einrichtung, Identifi kation mit den Zielset-zungen eines katholischen Krankenhauses.

Arbeitsort: Thüringen, ab sofort

Nähere Informationen zu den Stellen sowie weitere Angebote erhalten Sie bei:

Fon (05 61) 9 38 75-12 Fax -26

[email protected]

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2/2011 CHRISCARE 1110 depressive KriseHINTERGRUND

(Einen hilfreichen Artikel hierzu, in dem eine Pastorenfrau ihre Erfahrun-gen mit einer „weltlichen Psychothe-rapie“ beschreibt, finden Sie in P&S 1 2011, der Zeitschrift der Akademie für Psychotherapie und Seelsorge.)

BeispieleFrau A. ist Lehrerin und kommt mit der Diagnose eines Burnout. Sie ist seelisch erschöpft, körperlich am Boden und leidet an psychosoma-tischen Symptomen. Ihr Selbstbild liegt danieder, sie beschreibt sich als „kaputt“, sie fühlt sich minderwertig, als Versager. Ihr Freundeskreis ist stark reduziert, existiert quasi nicht mehr, eine sinnvolle Freizeitgestal-tung scheint nicht mehr möglich: „Meine Arbeit hat alles andere aufgefressen“. Frau A.´s Identität lag bisher in ihrer beruflichen Leistung, im Erfolg, in der Arbeit, sie hat sich „über alle Maßen“ engagiert, ganz mit ihr identifiziert. Die „Schuld“ an der jetzigen Situation wird abgewälzt auf das System, das ja auch mit zur jetzigen verzweifelten Situation beigetragen hat. Was hat Frau A. geholfen? Eine multiplurale Therapie mit dem vorrangigen Ziel ihrer Erho-

lung: eine Kur, Unterstützung durch Antidepressiva, eine ambulante Psychotherapie. Frau A. gelang es, ehrlich zu werden, mit dem Verleug-nen aufzuhören. Dafür musste sie ganz neu sich selbst wahrnehmen lernen (Körper, Gefühle). „Alles darf sein, ich darf so sein, wie ich mich gerade fühle.“ Weitere Hilfen waren die genaue Betrachtung und kleine schrittweise Veränderungen in ihrer Freizeitgestaltung (Hobbys, Bewe-gung & Sport, Genießen lernen). Ein wichtiges Ziel war für sie, mit der Selbstüberforderung aufzuhören, sich von zu hohen Ansprüchen an sich und andere zu verabschieden. Frau A. musste bisherige Ziele korri-gieren und anpassen, sie konnte im Verlauf in allen Bereichen neue, für sie auch erreichbare und attraktive, lockende Ziele formulieren, eins nach dem anderen („Step by Step“), und kleine sichere Erfolge planen.

Herr B. kommt in einer depressiven Krise aufgrund von Trennung und Ehescheidung, seine Frau habe ihn wegen eines neuen Partners verlas-sen, ihre Kinder sind hin- und herge-rissen, leben zeitweise bei ihm und zeitweise bei ihr. Herrn B. sind die Enttäuschung („Das ist ungerecht, habe ich nicht verdient“) und eine große Wut („Den bringe ich um“, selt-samerweise sagt er nicht: „Ich bringe sie um“) sofort anzusehen in seinem Auftreten, seiner erregten Stimme und seinen körperlichen Gesten. Herr B. berichtet in den Gesprächen immer wieder von seinen finan-ziellen Existenzängsten durch die Streitigkeiten um den Unterhalt über Rechtsanwalt und Gericht. Herr B. erkennt mit Schrecken den Verlust seiner gesamten bisherigen Lebens-inhalte und seines Lebenssinns, seine Identität muss neu von ihm gefunden werden. Seine bisherigen Ziele liegen in Scherben, er wird immer depressiver, sieht sich als gescheitert, es „hat alles keinen Sinn

DOKUMENTATION Maßstab für das humane Gesicht unserer Gesellschaft

Unsere Gesellschaft sieht sich zahlreichen Herausforderungen für die Zukunft der Pflege im Alter gegenüber. Die höhere Lebenserwartung der Menschen ist in erster Linie ein Gewinn. Aber mit zunehmendem Alter wachsen oftmals die persönlichen Einschränkungen. Das Bild unserer Gesellschaft wird in den kom-menden Jahren immer mehr von älteren Menschen geprägt sein, die Hilfe und Unterstützung benötigen. Bei der Bewältigung dieser Aufgabe sind nicht nur die politisch Verantwortlichen, die Träger von Pflegeeinrichtungen und die Pflegenden selbst gefordert. Jede und jeder steht vor der Frage, wie eine solche Lebenslage bewältigt werden kann. Pflege geht uns alle an! Die Wertschätzung pflegebe-dürftiger Menschen drückt sich nicht nur in Geld aus. Aber ohne den Einsatz von zusätzlichen Geldmitteln können gute und angemessene Lebensverhältnisse im Alter nicht erhalten werden. Eine quantitativ wachsende ältere Generation wird unabdingbar mehr Mitteleinsatz benötigen. Die Sorge um die ältere Generation ist auch ein Maßstab für das humane Gesicht unserer Gesellschaft. Wir sind den alten Menschen zu Respekt, Dankbarkeit und Solidarität verpflichtet. Für die Zukunft der Pflege möchten wir als Eckpunkte festhalten:

1. Der demographische Wandel ist Herausforderung und zugleich Chance für neue Altersbilder und für eine konstruktive Veränderung unserer Gesellschaft.

2. Es ist wichtig, Krankheit, Leiden und Sterben als Teil des Lebens und nicht als Scheitern aller Bemühungen um den Kranken und Pflegebedürftigen zu begreifen.

3. In Gleichheit vor Gott hat jeder Mensch in allen Lebensphasen – auch bei Pfle-gebedürftigkeit – ungeachtet seiner gesellschaftlichen Stellung und Verdienste den gleichen Achtungsanspruch. Jedes menschliche Leben ist ein Geschenk Gottes.

4. Der Staat hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass alte Menschen auch bei Pflegebedürftigkeit möglichst selbstbestimmt und selbstständig leben können. Dazu gehören Strukturentwicklungen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene sowie sozialrechtliche Weiterentwicklungen, insbesondere des Gesetzes zur Sozi-alen Pflegeversicherung.

5. Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff sollte zügig gesetzlich verankert und in die Praxis umgesetzt werden.

6. Es ist eine gemeinschaftliche Aufgabe von Bund, Land, Kommunen und den Sozialversicherungssystemen, aber auch jedes Einzelnen, dem Eintritt von Pflege-bedürftigkeit vorzubeugen.

7. Zur Achtung der Würde im Alter ist es notwendig, dass auch in Pflegeheimen alles getan wird, um die Privatsphäre und die Intimität des Einzelnen zu wahren. Dazu gehört nach Möglichkeit auch die Unterbringung in einem Einzelzimmer.

8. Der Ausbau der Pflegedienste und neuer Formen der Betreuung gehört zu den vordringlichsten gesellschaftlichen Aufgaben. Gleichzeitig müssen soziale Netzwerke von der Familie über Nachbarschaftshilfen bis zu Selbsthilfegruppen in ihrem Engagement für die Pflege gestärkt und unterstützt werden.

9. Die Einbeziehung von Seelsorge ist eine Hilfe und Bereicherung für eine gelingende Pflege.

10. Alle Menschen haben das unverfügbare Recht auf ein menschenwürdiges Sterben, ohne alleingelassen zu werden und vermeidbare Schmerzen zu erleiden.

Auszug aus Die Zukunft der Pflege im Alter, Ein Beitrag der katholischen Kirche, 2011 hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. – Bonn 2011. – 43 S. – (Die deutschen Bischöfe; 92), im Internet unter: www.dbk.de

Suizidvertrag

Ich, (Name), verspreche hiermit, dass ich mich (bis zum…) nicht umbringe. Wenn der Drang zum Selbstmord zu groß wird, melde ich mich bei (Name) persönlich per Telefon oder Angesicht, bevor ich konkrete Vorbereitungen treffe und Handlungen tätige – Sprechen auf Anrufbeantworter oder Mailbox sowie Email gelten hierfür nicht.

Ort, Datum

2 Unterschriften (Ratsuchender/Patient und Helfer)

mehr“. In den Gesprächen, die sich über Monate hinziehen, beginnt Herr B. eine Art Trauerarbeit, er schafft es, Gefühle wahrzunehmen, Bedürf-nisse zu verbalisieren, auch eigene Anteile (Schuld) zu sehen, sich von seinem bisherigen Leben mit den alten Zielen und teilweise auch für ihn hinderlichen Einstellungen zu verabschieden. Herr B. erkennt und ergreift die Krise als eine neue Chance für seine Zukunft. Herr B. ist nach 5 Jahren neu verliebt und voller Zuversicht – ab und zu kommt er zu Gesprächen über den Sinn des Lebens und hält Rückschau… neben dem Stolz und der Freude über das Überwinden (und Überleben) der Krise von damals ist er nicht mehr so selbstsicher, dass er alles richtig mache und gemacht habe, neues Vertrauen wächst.

Frau C. ist eine junge Erwachsene, die nach einer schwierigen Kindheit und Jugend nun am Übergang von Schule in Ausbildung/Studium/Beruf an einer Art Perspektivlosigkeit und an übergroßen Zukunftsängsten zu scheitern droht. Sie habe Angst, etwas falsch zu machen oder sich falsch zu entscheiden. Frau C. berich-tet von vielen Streits in ihrer Familie, zwischen den Eltern sei es teils auch zu Gewalthandlungen gekommen. Trennungen zwischen den Eltern und mehrfache Wechsel ihrer Bezugsper-sonen seien aufgetreten. Sie scheint in sensiblen Lebensphasen (z.B. Pubertät) keine haltgebende Umge-bung erfahren zu haben, die Eltern seien zu sehr mit sich selbst beschäf-tigt gewesen. Auf der anderen Seite scheint Frau C. bis jetzt eher über-versorgt und auch verwöhnt worden zu sein, nun nach Vollendung des 18. Lebensjahrs ist sie auf einmal erwachsen und für alles selbst verantwortlich. Sie hat nicht gelernt, für sich selbst zu sorgen, auch keine praktischen Grund-Lebensfertigkeiten (Life Skills) erlernt (Umgang mit

Geld, mit Beziehungen/Konflikten, Kochen, Putzen, Waschen etc.), so dass sie die eigene Lebensführung mit fehlenden Zielen im beruflichen und privaten Bereich überfordert und massiv ängstigt. In dieser sehr frühen, schwer depressiven und auch akut suizidalen Lebenskrise ist das Wichtigste in den Gesprächen der Beziehungsaufbau, das „Ernst-neh-men“ und Zuhören. Wichtig ist es, die Suizidankündigung ernst zuneh-men und in einer Art „Suizidvertrag“ schriftlich konkrete Absprachen mit Frau C. zu vereinbaren. In der Therapie werden Themen und Fragen wie z.B. „Wer bin ich, wo komme ich her, wo will ich hin?“, „An welcher Stelle habe ich das ‚Ja zum Leben‘ verloren?“, „Wer hat mich wann und wodurch verletzt?“ bearbeitet. Da Frau C. bereits seit längerem depres-siv ist und sich innerlich zurück gezo-gen hat, sozusagen „verstummt“ ist, gelingt es ihr nur ganz schwer und langsam, wieder Zugang zu ihren eigenen Gefühlen zu bekommen. Sie kann klären, „wer aus ihrem Umfeld ihrer Ansicht nach Schuld an ihrem Seelenzustand hat und wie sie damit umgehen will“. Besonders schwer ist es für Frau C., neue Ziele konkret zu formulieren, um auch kleine Verände-rungen objektiv messen zu können. Frau C. ist noch auf einem langen Weg, aber erste Schritte sind gegan-gen, sie kann wieder einen Weg erkennen, der nicht mit Suizid endet, sondern offen vor ihr liegt.

Bettina Gundlach, Ärztin im Sozial-

psychiatrischen Dienst, Aumühle,

Mitglied im Vorstand von Christen

im Gesundheitswesen

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2/2011 CHRISCARE 1312 HINTERGRUND

Das Rosenkranzgebet – Beruhigende Wirkung bei demenziell erkrankten Menschen

Wer nimmt sich heutzutage noch Zeit für ein komplettes Rosenkranzgebet? Eine halbe Stunde aus dem Alltag abzweigen für dieses doch scheinbar veraltete Ritual scheint kaum denkbar.

In einem Seniorenheim im Kreis Steinfurt wird täglich um 17 Uhr eine Rosenkranzandacht angeboten. Und auch verschiedene Bewohner der Demenzstation werden persönlich dazu eingeladen und zur hauseigenen Kapelle begleitet.

Drei mit Alzheimer lebende Damen, deren Tagesablauf durch große innere Unruhe und ständiges Lauf- und Sprechbedürfnis gekennzeichnet ist, betreten als letztes die Kapelle. Nachdem sie ihren Platz eingenommen haben, beginnt eine Ordensschwester die Andacht mit dem Kreuzzeichen und spricht dann das Glaubensbekenntnis. Dieses Bekenntnis unseres Glaubens an Gott wird von zwei Frauen im fort-geschrittenen Zustand der Demenz voll tönend mitgesprochen. Eine tiefe Wahr-heit und innere Kraft wird erlebbar.

Nach der weiteren Einleitung aus dem „Vater unser“ und den folgenden drei „Gegrüßest seist Du Maria“ werden an diesem Dienstag die schmerzhaften Geheimnisse des Rosenkranzes gebetet. Bereits nach wenigen Zeilen hat sich die Klangqualität geändert. Aus den kraftvol-len deutlichen Worten des Glaubensbe-kenntnisses und „Vater unsers“ wechselt die Stimme in ein Gleichmaß. Als Kind habe ich dies als „Geleier“ abgetan. Hier aber erlebe ich eine ganz besondere Entfaltung und tiefe Bedeutung.

Diese drei Frauen, die normalerweise selbst beim Essen nichts auf ihren Stühlen hält, sitzen total gelassen. Zwei von ihnen sprechen mal deutlicher, mal laut und mal leise mit. Selbst Frau B., die Dame aus Sibirien mit dem noch fast schwarzen Haar, die in den letzten Mona-ten den Zugang zur deutschen Sprache Er

fahrun

gen

vollständig verloren hat, sitzt während des kompletten Rosenkranzgebetes ganz ruhig - allerdings ohne mitzusprechen. Wie mag es für sie, die jetzt nur noch russisch versteht, sein, dieses Rosen-kranzgebet zu hören? Es scheint jenseits des gesprochenen Wortes eine Energie frei gesetzt zu werden, die unbewusste Anteile des Menschen anspricht.

Hier wird erlebbar, dass das meditierende Beten des Rosenkranzes tatsächlich ein Ruhigwerden, Innehalten und Stillwerden mit sich bringt. Die Not des Herzens erfährt Linderung. Die monotonen Wie-derholungen beschäftigen den aktiven Teil des Gehirns und scheinen die unruhigen, nicht mehr greifbaren Alltagsgedanken zu überdecken. Auch wenn die intellektuel-len Fähigkeiten ein verstandesmäßiges Ergreifen der Inhalte nicht mehr ermögli-chen, so scheinen Aussage und Sinn tief im Herzen verstanden zu werden.

Die alltägliche Wirrnis der Gefühle aus Angst, Unruhe und Not scheint in dieser kurzen Gebetszeitspanne durch heilsame Gefühle ersetzt zu sein. Ruhe, Gelassenheit, Freude, Liebe und Ver-söhnung spiegeln sich auf den Gesich-tern dieser Frauen wider. Die Not des Herzens erfährt Linderung. Die Bedeu-tung von Ritualen für Menschen mit Demenz wird in dieser kleinen Kapelle erlebbar. Dieses zunächst so monoton erscheinende Rosenkranzgebet ent-faltet eine wundersame energetische Wirkung im Raum. Wiederholung gibt Sicherheit; auch wenn das Bewusst-sein die Inhalte nicht mehr erken-nend ergreifen kann, so scheint eine besondere innewohnende Kraft der Geheimnisse und Glaubenswahrheiten des Rosenkranzgebetes die demenziell betroffenen Menschen zu ergreifen. Und nicht nur diese.

Wie wäre es mit einer kleinen meditati-ven Insel im Alltag? Die nächste Rosen-kranzandacht wird von mir als persönliche Einladung verstanden. Eine knappe halbe Stunde, die mir die Möglichkeit bietet, zu tiefer Ruhe und Gelassenheit zu finden.

Dorothea Wolf-Stiegemeyer

Wenn Ärzte für ihre Patienten beten

In Hamburg ist es für Kranke kein Widerspruch, entweder zu beten oder zum Arzt zu gehen. Sie können mit ihrem Arzt beten. Die Patienten-gottesdienste, die seit 2005 in der Hansestadt angeboten werden, sind beliebt. Die Zahl der Gottesdienstbe-sucher steigt und das Beispiel könnte Schule machen.

Entwickelt wurde das Konzept der Pati-entengottesdienste von Medizinern, die ihren Patienten Hoffnung schenken wollten. Gerade chronisch Kranken und Menschen, deren Krankheit weitrei-chend psychosoziale Folgen hat, sollte ein Angebot gemacht werden. Aber nicht nur die Kranken sind eingeladen. Der Gottesdienst ist auch für Medizi-ner und Therapeuten, Pflegende und Angehörige eine Chance, aufzuatmen. Wer im Gottesdienst um Segen bittet, der macht sich bewusst: Es kommt im Letzten nicht auf meine Fähigkeiten und Möglichkeiten an, sondern auf Gottes Eingreifen.

barschaft ihrer Praxen umgesehen und Kontakte zu den Kirchengemeinden geknüpft. Katholische, lutherische und freikirchliche Gemeinden sind seitdem abwechselnd Gastgeber und Mitveran-stalter. Ihre Geistlichen sind aktiv betei-ligt. Die Ärzte gestalten den Rahmen, machen selbst Musik, berichten aus ihrem eigenen geistlichen Leben und sie ermutigen die Anwesenden, von Gott Hilfe zu erwarten. Zu jedem Got-tesdienst gehören auch Berichte von Patienten, die im Gebet Gutes erfah-ren haben, die geheilt wurden oder die inzwischen besser mit ihren gesund-heitlichen Einschränkungen umgehen können. Brandes, der gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Rüdiger Preuße schon vorher Patientenseminare in den Praxisräumen durchgeführt hatte: „Kirchennahe und kirchenferne Patienten werden durch diese Gottes-dienste gleichermaßen angesprochen. Bei einigen Patienten ist der Glaube der Kindheit verschüttet worden und bricht in der Krise ihres Lebens wieder hervor, bei anderen werden Glaubens-fragen erstmalig jetzt im Alter relevant, wieder anderen tut das Segensgebet

und die herzliche Atmo-sphäre der Patienten-gottesdiente gut.“ Der Pastor einer der gast-gebenden Gemeinden, Gerhard Bothe, bestä-tigt das: „Ich bin sicher, dass viele Menschen aus diesen besonderen Gottesdiensten gestärkt herausgehen und neue, wichtige Impulse für ihren eigenen Glaubens-weg mitnehmen.“

Im Gottesdienst erleben die Patienten ihren behandelnden Arzt in einer anderen Rolle. Auch er ist auf Hilfe angewiesen. Wenn der Arzt für jemanden betet, dann tritt er nicht als Schamane auf, der besondere Fähig-keiten hat, schon gar nicht als „Halb-gott in Weiß“, sondern als Bruder. Auf einer Ebene mit dem Hilfesuchenden. Dr. Johannes Imdahl, der in einem Got-tesdienst zu den Segnenden gehörte, berichtet „von der Gewissheit, dass ich nicht anders dastand als jeder von den Anwesenden: vor Gott und damit von ihm geliebt und gehalten.“ Der Facharzt für Allgemeinmedizin in Glinde meint: „Ich verstand da erst richtig, dass Segnen auch den Segen-Vermittelnden reicher macht.“

Die Patienten, die in den Gottesdiens-ten Hilfe suchen, machen gute Erfah-rungen. So Walter Dümmel, der erklärt: „Wenn auch mein Körper nicht voll-ständig geheilt wurde, so wurde doch meine Seele heil. Das gab mir Kraft und somit kann ich heute mit mei-nen Krankheiten leben und anderen Menschen helfen, schwere Krankhei-ten besser zu bewältigen.“ Während

die einen besser mit ihrer Krankheit zu leben lernen, hat die 58-jährige Wera Krause, die über Jahrzehnte an unerklärlichen starken Unterleib-schmerzen litt, anderes erlebt: „Schon während der Segnung spürte ich eine große Erleichterung, in der Hinsicht überhaupt den Mut gefasst zu haben, zur Segnung nach vorne zu gehen. Es war eine wunderbare Gebetserfah-rung, sie war voller Ruhe. Gestärkt und erfüllt ging ich an diesem Abend nach Hause. Am nächsten Morgen wachte ich auf und spürte sofort eine wohlige, angenehme Wärme. Ich stellte voller Freude und Dankbarkeit fest, dass die Schmerzen, die mich jahrelang gequält hatten, verschwunden waren. Nun ist schon ein Jahr vergangen. Die Schmer-zen sind nicht wiedergekommen.“

Die Patientengottesdienste in Ham-burg werden von Christen im Gesund-heitswesen organisiert, deren Vorsit-zender, Dr. Georg Schiffner, selbst zu den veranstaltenden Ärzten gehört. Er ordnet die Gottesdienste in ein umfassendes Angebot ein, das aus der Christlichen Heilkunde erwachsen ist: „Heilung geht über Linderung und Behebung von Krankheitssymptonen hinaus um das Hineinfinden des Men-schen in die Lebensentfaltung in allen menschlichen Beziehungsebenen – zu den Mitmenschen, zu sich selbst, zur Umwelt und zu Gott. Es geht darum“, so der evangelische Oberarzt in einem katholischen Krankenhaus, „dem von Gott ursprünglich gemein-ten Menschsein nahe zu kommen, in ein erfülltes Leben in der Fürsorge Gottes hineinzufinden.“

Mehr wissen? Die Zitate sind der Broschüre „Patientengottesdienste in Hamburg“ entnommen, heraus-gegeben von Volker Brandes. Die 2010 erschienene Broschüre mit 72 Seiten ist über die Geschäftsstelle von Christen im Gesundheitswesen, Bergstraße 25, D-21521 Aumühle, [email protected], zu beziehen.

Frank Fornaçon (53),

Pastor der Evange-

lisch-Freikirchlichen

Gemeinde Kassel-West

und Redakteur von

ChrisCare

Die Ärzte um den Urolo-gen Dr. Volker Brandes haben sich in der Nach-

Patientengottesdienste

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2/2011 CHRISCARE 1514

Pflege als BeziehungsarbeitFolgt man der Definition „Pflege ist Kopfarbeit, Handwerk und Bezie-hungsarbeit“, dann reichen Fachwis-sen und Fachkönnen für sich allein genommen also nicht aus, um Pflege als Beruf ausüben zu können. Der Patient wird die ihm angebotene Pflege nicht einfach passiv hinneh-men, sondern darauf individuell reagieren. Diese Reaktionen wiede-rum rufen Reaktionen der Pflegeper-son hervor. Es entsteht eine Bezie-hung. Und diese Beziehung zwischen Schwester beziehungsweise Pfleger und Patient kann durch unterschied-liche Aspekte gekennzeichnet sein, von denen ich im Folgenden lediglich fünf herausarbeite, es gibt sicherlich noch mehrere, und aus ethischer Perspektive reflektiere.

1. Aspekt: Routiniert, aber keine Routine

Der erste Aspekt, der in der Bezie-hung zwischen Pflegenden und Kranken eine wichtige Rolle spielt, ist das personale Engagement der Krankenschwester beziehungsweise des Krankenpflegers.

Ursprünglich meint Routine „durch Übung erlangte Fertigkeit oder Gewandtheit“. Dementsprechend ist ein „Routinier“ ein in seinem Fach geübter Mensch. In der Umgangs-sprache hat das Wort aber auch einen negativen Beigeschmack, besonders im Zusammenhang mit sozialen Berufen: Routiniert etwas tun kann hier bedeuten, es geschäftsmäßig, ohne innere Beteiligung tun. Für den Kranken ist es wichtig zu erfahren, wie gekonnt er von der Schwester oder dem Pfleger betreut wird. Das gibt ihm das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Allerdings darf die Routine nicht routinemäßig verlau-

fen. Gemeint ist mit diesem Wort-spiel, dass die beste Fertigkeit und Gewandtheit im Beruf ohne die innere Beteiligung, menschliche Aufmerk-samkeit und Zuwendung nichts nützt. Was gefordert ist, ist die Haltung des Engagements; es ist das personale Element in der Pflege, bei der der Hel-fende als ganzer Mensch aufgerufen und sich zur Hilfe verpflichtet weiß. Der Pflegende geht mit dem Kranken ein Stück seines Weges, wobei er den Kranken nicht als Objekt seiner Tätigkeit, sondern als eigenständiges Subjekt, als menschliches Gegenüber, in gewissem Sinn als Partner ansieht. Die Haltung des Engagements kann jedoch keine volle Identifizierung mit dem Geschick des kranken Men-schen bedeuten, sondern nur eine partielle. Eine volle Identifikation ist in dieser Beziehung aus verschiede-nen Gründen nicht möglich. So kann beispielsweise ein Helfer nicht mehr helfen, wenn er mit dem, der Hilfe braucht, in einem Meer des Leids und der Traurigkeit versinkt. Personales Engagement für den Kranken heißt also nicht in jedem Fall, dem Kranken zu helfen, wie er es will, sondern so, wie er es braucht.

2. Aspekt: Keine Überbefürsorgung

Einen weiteren Aspekt, der in der Beziehung zwischen Pflegekraft und Patient eine Rolle spielt, möchte ich mit den Stichworten Bemutterung und Bevormundung charakterisieren, also das, was man auch mit dem Begriff „Paternalismus“ bezeichnet. Es ist ganz natürlich, dass ein kranker Mensch je nach dem Grad seiner Hilfsbedürftigkeit Kräfte der Hilfe und des Schutzes bei seinen Mitmen-schen wachruft, besonders bei den-jenigen, denen er unmittelbar anver-traut ist. Für die Schwester und den

Pfleger dürfte es auch erlebnismäßig eine Befriedigung und Erfüllung sein, anderen Menschen beizustehen. Hierbei kann es allerdings, trotz der bekannten Zeitknappheit, zu einer Überbefürsorgung kommen, bei der der Kranke sich an den Zustand der Abhängigkeit von anderen gewöhnt und Gefallen daran findet, dass vieles für ihn getan wird, was er eigentlich selbst tun könnte. Dies kann bei Kran-ken bis hin zur Regression, also zum Zurückziehen auf frühere Entwick-lungsstufen führen. Der Bemutterung entspricht die Bevormundung. Solche Bevormundung kann sich beispiels-weise darin äußern, dass man mit dem Patienten die Umstände seiner Krankheit und Therapie nicht oder nicht ausreichend bespricht. Verliert der Patient jedoch seine Selbständig-keit und Eigeninitiative, dann schadet dies dem Genesungsprozess. Auch der Kranke ist als Mensch ein Wesen mit Selbstbestimmung. Entscheidun-gen, die er treffen kann, dürfen ihm also nicht abgenommen werden.

3. Aspekt: Das helfende Gespräch

Die Sprache ist wohl die mensch-lichste aller menschlichen Fähigkeiten. Weit über das hinaus, was Tieren durch ihre Lautäußerungen möglich ist, vermag die Sprache den perso-nalen und sozialen Kontakt zu einem menschlichen Du herzustellen. Durch die Sprache sagen wir uns selbst aus und erfahren damit, wer wir sind. Die Sprache kann grundsätzlich zweifach verwendet werden, zum einen in der Form der Rede, des Vortrags, des Monologs, in dem nur einer etwas zu sagen hat, wie ich jetzt, und zum anderen in der Form des Gesprächs, das seinem Wesen nach gegenseitigen Austausch beinhaltet. In unserem Zusammenhang geht es um die Sprache als Therapiemittel. Als solches wird sie vor allem von Psychologen und Psychotherapeu-ten eingesetzt. Aber auch Ärzte

Christliches Menschenbildund ethische Fragen in Medizin und Pflege

routiniert

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und Pflegepersonen führen solche Gespräche mit ihren Patienten, und zwar im Sinne des helfenden und heilenden Gesprächs. In ihrer Wichtig-keit sind solche Gespräche kaum zu überschätzen und gehören zweifellos zu den elementaren Aufgaben der Schwester und des Pflegers im Sinne einer ganzheitlichen Betreuung ihres Patienten. Damit ein solches Gespräch gelingt, bedarf es einiger Regeln. Das helfende Gespräch setzt voraus, dass man grundsätzlich bereit ist, den Gesprächspartner anzuhören. Das hel-fende Gespräch dient ausschließlich den Bedürfnissen dessen, dem gehol-fen werden soll. Das beinhaltet, dass man bereit ist, den anderen so anzu-nehmen, wie er ist. Es geht darum, die Gefühle des Patienten mitzufühlen und sie gegebenenfalls in Worte zu fassen. Entscheidend bei dem helfenden Gespräch ist das Eingehen auf die Bedürfnisse des Patienten. Die Bedürfnisse sind jedoch nicht immer identisch mit dem, was der Patient aktuell will und sich wünscht. Man sollte sich daher als Schwester oder Pfleger nicht von dem Wunsch leiten lassen, den Patienten im helfenden Gespräch immer zufrieden zu stellen, weil dies halt eben nicht immer mög-lich ist. In der Beziehung zwischen Pflegenden und Patienten wird man auch die religiösen Bedürfnisse nicht ausklammern können. Es wird dabei in vielen Fällen auch um die Bezeugung der eigenen religiösen Haltung gehen.

Das kann für den Patienten eine große Hilfe sein. In anderen Fällen wird die Betreuung darin bestehen, die religiöse Überzeugung eines Anders-gläubigen oder Ungläubigen – falls es diesen überhaupt gibt – zu respektie-ren, beziehungsweise dem Patien-ten zu helfen, dass seine religiösen Bedürfnisse erfüllt werden können. Dazu gehören auch bestimmte Ver-haltensweisen und Speisevorschrif-ten. Religiöse Toleranz verlangt, dass jede religiöse Überzeugung geachtet wird. Oft sind es die Schwester und der Pfleger, die den Kontakt zu dem Seelsorger der betreffenden Glaubensgemeinschaft des Kranken knüpfen. Wenn Kranke es wünschen und Pflegekräfte es noch können, wird man vielleicht auch gemeinsam beten. Vor dem Hintergrund einer gläubigen Lebensinterpretation kann das Gebet im Krankheitsverlauf einen wichtigen Platz einnehmen. Über eine positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufs durch Glauben und Gebet gibt es inzwischen eine Reihe von wissen-schaftlichen Untersuchungen.

4. Aspekt: Die Intimsphäre und das Geheimnis achten

In der Beziehung zwischen der Pfle-geperson und dem Patienten müssen sowohl die Intimsphäre als auch das Geheimnis respektiert werden. Jeder Mensch hat einen Bereich seiner Exis-tenz, der für ihn besonders schutzwür-dig ist. „Intim“ – aus dem Lateinischen

abgeleitet – bedeutet „Innerlichstes“. Gemeint ist also jener Bereich des Menschseins, den der Mensch für gewöhnlich nicht vor jedem offen-bart. Dabei kann man unterscheiden zwischen einer körperlichen, einer geistigen und einer personalen Intim-sphäre. Das Eindringen in seine Intim-sphäre empfindet der Mensch stets als Bedrohung seiner Persönlichkeit. Die Erfordernisse der Krankenpflege führen meist zwangsläufig dazu, dass sich die Pflegenden auch mit der kör-perlichen und seelischen Intimsphäre ihrer Patienten beschäftigen müssen. Um den Patienten nicht in seiner Würde zu verletzen, muss das sehr taktvoll und so zurückhaltend wie mög-lich geschehen. Ein Patient darf nie mehr „bloß-gestellt“ werden als dies unumgänglich nötig ist. Neben dem körperlichen Bloß-Stellen gibt es auch ein geistiges Bloß-Stellen, das meist noch unangenehmer empfunden wird als das körperliche, auf beides reagiert der betroffene Mensch mit Scham. Zur geistigen Intimsphäre des Menschen gehört auch das Geheimnis, dessen Schutz für jeden Menschen sehr wich-tig ist. Der vertrauliche Umgang mit dem Geheimnis des anderen schafft zwischenmenschliches Vertrauen, das es dem Patienten ermöglicht, sich dem Arzt und den Pflegenden anzuvertrauen. Aus diesem Grund ist die absolute Wahrung des ärztlichen und pflegerischen Berufsgeheimni-ses so sehr wichtig.

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2/2011 CHRISCARE 1716

neuer Sinnhorizont

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Professor Dr. Johannes

Reiter, Johannes-Guten-

berg-Universität in Mainz.

Der Autor ist Mitglied der

Internationalen Theologen-

kommmission des Vatikan.

Auszug aus dem Festvortrag anlässlich des 65. Geburtstags von Prof. Dr. Heribert Nie-derschla am 20. Mai 2009 in Vallendar. Der Vortragsstil wurde beibehalten. Zitation und Literaturhinweise beim Verfasser.

5. Aspekt: Aufklärung und Wahr-heit am Krankenbett

Dieser Aspekt in der Beziehung zwi-schen Schwester beziehungsweise Pfleger und Patient ist eng mit dem zuvor behandelten verwandt. Sobald die Diagnose feststeht, ist der Pati-ent über seinen Krankheitszustand wahrheitsgemäß aufzuklären. Aus der Diagnose ergeben sich Folgerun-gen für die Prognose über den weite-ren Krankheitsverlauf. Die Aufklärung des Patienten ist prinzipiell immer Pflicht des Arztes. Er darf diese Aufgabe nicht an Pflegende delegie-ren, kann diese aber zum Gespräch hinzuziehen, falls ihm dies sinnvoll erscheint. Da Pflegende zu den Kran-ken meist ein intensiveres Verhältnis als Ärzte haben, werden sie eher zu Partnern in der Auseinandersetzung mit der Wahrheit, zumal dann, wenn die Wahrheit in der Mitteilung einer tödlichen Krankheit besteht. Damit der Kranke nicht durch widersprüch-liche Informationen verwirrt und belastet wird (Der Arzt sagt: „Man kann diese Krankheit nicht heilen.“ – Die Pflegekraft sagt: „Oh, es wird schon wieder werden! Geben Sie die Hoffnung nicht auf.“), sollten sich die Aussagen des Arztes und des Pflegeteams ausnahmslos decken. Hierfür ist eine gute Kommunikation innerhalb des therapeutischen Teams wichtig. Der Patient darf also mit dem Wissen über seinen Zustand nicht allein gelassen werden. Gerade bei der Verarbeitung ernster Wahrheit braucht er jemanden, der ihm dabei hilft. Wer aufklärt und Wahrheiten vermittelt, muss auch bereit sein, bei deren Verarbeitung zu helfen, bis hin zur Sterbebegleitung.

Bevor ich nun zum letzten Punkt „Pflege und christliches Menschen-bild“ komme, fasse ich das bisher Gesagte zusammen: Aus dem großen Bereich der Pflege habe ich hier nur ein Element herausgegriffen, nämlich das der Beziehung zwischen

dem Pflegenden und dem Patienten. In diesem Beziehungsgeflecht habe ich sodann fünf Aspekte – es gibt noch etliche weitere, die ich außer Acht gelassen habe – thematisiert. Ich bin dabei von einem ganzheitli-chen Pflegeverständnis ausgegan-gen. Ganzheitliche Pflege umfasst Körper, Psyche und soziales Umfeld eines Menschen und achtet auf deren wechselseitige Beziehungen. Es geht um die Erfassung und Einbe-ziehung von individuellen Problemen und Bedürfnissen des Patienten und gegebenenfalls seiner Angehörigen, sowie um Begleitung, Betreuung, Beratung und Motivation von Pati-enten, um eine Neuorientierung im Alltag wieder zu ermöglichen, und gegebenenfalls um die humanitäre Sterbebegleitung als Teil des Lebens.

Unter dem Aspekt der ganzheitlichen Pflege verstehe ich den Pflegeberuf als Anruf zu qualifizierter Mitmensch-lichkeit durch berufliches Können und die Bereitschaft, dem Kranken Mitmensch zu sein. Im Rückblick auf die eingangs vorgestellte Definitions-vielfalt von Pflege könnte man Pflege dann knapp, sozusagen in eine Kurz-formel oder Kurzdefinition gebracht, verstehen als soziale Dienstleistung von Menschen für Menschen.

Christliches Menschenbild und Pflege

Was ist nun das Spezifische einer christlichen Pflege und christlichen Pflegeethik? Christliche Pflege entspricht genau dem, was die Fachwissenschaft mit „guter Pflege“ umschreibt. Dazu habe ich zwei infor-mative und gelungene Beiträge der Kollegen Brandenburg und Weidner gelesen. Demnach ist gute Pflege theoriegeleitet, organisiert, an der subjektiven Perspektive, der Umwelt und am Wohl des zu Pflegenden orientiert. Auch christliche Pflege und Pflegeethik entspricht genau dem. Sie überbietet keine humanen

Normen durch christliche Normen. Sie ist vielmehr das Bemühen, dem Menschen ein wahres menschliches Leben im Angesicht Gottes mög-lich zu machen. Das Proprium einer christlich verstandenen Pflege und Pflegeethik liegt, um mit Alfons Auer zu sprechen, in einem „neuen Sinn-horizont“ bzw. in einer besonderen Motivation des pflegerischen Han-delns. Die Umschreibung des neuen Sinnhorizontes bzw. der Motivation des pflegerisch Handelnden darf nicht zu eng ansetzen, sondern muss die gesamte Heilsbotschaft heranzie-hen. Demnach ist Pflege aus christ-lichem Verständnis heraus erstens: Im Glauben erkannte Partnerschaft mit dem Gott der Schöpfung: Die Welt, in der wir leben, verdankt ihren Ursprung der schöpferischen Liebe Gottes. Das bedeutet auch, dass Gott in ihren Anfang hinein die Potenz der Fülle geschaffen hat, die sie nunmehr selbst entfalten muss, dass Gott den Menschen in Freiheit walten lässt und nichts tut, um ihn zur Marionette zu erniedrigen. Wenn christlich verstan-dene Pflege im Glauben erkannte Partnerschaft mit dem Gott der Schöpfung ist, heißt das, sich selbst und die Welt in ihrer vorgefundenen Gestalt als Geschenk und als Auftrag des Schöpfers entgegenzunehmen, die der Wirklichkeit eingestifteten Möglichkeiten auszukundschaften und in dem geschichtlich möglichen Umfang durchzusetzen. Pflege aus christlichem Verständnis heraus ist zweitens: im Glauben erkannte Part-nerschaft mit dem Gott des Heils (der Erlösung). Gott hat in Jesus Christus Menschheit und Welt endgültig in Liebe angenommen. Diese Annahme geschieht durch die Selbstvergegen-wärtigung Gottes in der Geschichte und seine rückhaltlose Solidarisierung mit den Menschen. Durch Mensch-werdung, Tod und Auferstehung hat Gott den Menschen der heilvollen Gemeinschaft mit sich selbst teilhaft gemacht und ihm dadurch eine neue

Seinswürde geschenkt. Das bedeutet aber, dass der letzte Sinn menschli-cher Existenz nicht im Innerweltlichen gefunden werden kann, sondern nur in jener Bewegung zum Vater, die Jesus als der Christus in Gang gesetzt hat. Die gläubige Überzeugung, dass Gott in Jesus Christus alle Menschen in Liebe angenommen hat, bedeutet im Hinblick auf christliche Pflege einen radikalen Einsatz für eine menschen-würdigere Welt, in der gerade Kran-ken, Schwachen und jenen, die keine Stimme haben, besondere Aufmerk-samkeit zukommen muss. Pflege aus christlichem Sinn heraus ist drittens: im Glauben erkannte Partnerschaft mit dem Gott der Endvollendung. Die Aussage, dass Gott in Jesus Christus die Welt endgültig angenommen hat, erfährt im eschatologischen Kerygma

eine konstitutive Explikation: Die Welt befindet sich auf dem Weg in eine endgültige und erfüllte Zukunft. In einer noch ausstehenden Heils-tat wird der zur Rechten des Vaters Erhöhte das Werk, das er während seiner geschichtlichen Existenz eröff-net hat, vollenden und die jetzige Welt zur Erfüllung bringen. Was jetzt also im Verborgenen heranreift, wird vom wiederkommenden Herrn zur Erfül-lung gebracht. Der Christ stellt sich in den Dienst jenes inneren evolutiven Gefälles, durch das Gott die Welt auf ihre Erfüllung hin vorantreibt. Weil der aus christlichem Verständnis heraus Pflegende die Gewissheit hat, dass diese Geschichte nach allen Irrungen und Verstrickungen schließlich doch in der Liebe Gottes ihre endgültige „Heimat“ findet, überwindet er in

stets neuen Ansätzen Verzagtheit und Enttäuschung, mit denen er in seinem Beruf, in seiner Um- und Mitwelt täglich konfrontiert wird. Unter dieser Perspektive ist „christliche Pfle-geethik“ Prinzip einer professionellen Arbeit und hat nicht, wie manche meinen, deren moralische Überlas-tung zur Folge.

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2/2011 CHRISCARE 1918 DENKANSTOSS INTERVIEW

Demente haben manches vorausAufforderung zum Perspektivenwechsel

Die Begriffe „religiös“ und „spirituell“ werden heutzutage – ungeachtet ihrer historischen Überschneidungen – mit unterschiedlichen Akzenten verwen-det. Als Religiosität versteht man dabei meist gelebte Rituale im Kontext traditioneller Glaubensgemeinschaften mit konkretem Gottesglauben. Als Spiritualität werden intensive, eher individuelle Erfahrungen von Verbun-denheit und Transzendenz auch zu Natur, Menschen und anderen Kraft-quellen verstanden, die dem Leben Richtung geben. Wenn man Spiritua-lität mit Begriffen wie „Bewusstheit“ oder „Achtsamkeit“ gleichsetzt, dann wird es schwierig, auch Menschen mit Demenz Möglichkeiten spiritueller Erfahrungen zuzugestehen. Sieht man in Spiritualität eher die Konzentration auf den „Wesenskern“ eines Men-schen, seine „Seele“, das, was ihn als Person bewegt, so kann man durchaus von „seelenvollen“ Dimensionen, von spirituellen Aspekten bei Demenz sprechen, die auch in vielfältiger Weise gefördert werden können.

Im Nachfolgenden wird als Denkan-stoß zu dieser Kontroverse versucht, der in der medizinisch orientierten Literatur verwendeten Symptoma-tologie von „Verlusten“ bei fort-schreitender Demenzerkrankung die

Perspektive von inhaltlich ähnlichen, in der Literatur zur Spiritualität aber als „Gewinne“ beschriebenen Begleiter-scheinungen beim Erleben spiritueller Erfahrungen gegenüberzustellen:

1. Bei Demenzerkrankungen wird der „kognitive Abbau“ üblicherweise als Verlust beklagt und das Überwiegen von „Emotionsgesteuertheit“ als eher störend gesehen. In der Lite-ratur zur Spiritualität hingegen wird das Vertiefen kognitiver Emotion und Intuition als gelungene Einbeziehung des „Bauchgefühls“ begrüßt.

2. Zeitliche, räumliche, personelle Desorientierung gelten als Leitsymp-tome demenzbedingter Verluste. Die Fähigkeit zur „Bewusstseinserwei-terung“ durch meditative Techniken, die zu einer zunehmenden Auflösung von Zeit-, Raum- und Personengren-zen und dem „Einswerden“ mit dem Umfeld führen, gelten jedoch als höchste Kunst „spiritueller Meister“.

3. Das Nachlassen korrekter Gedächt-nisleistungen ist eines der frühen Symptome dementieller Erkrankun-gen, wobei Begegnungen auch mit vertrauten Menschen und Gegenstän-den immer wieder neu sind und wei-tere Abschiede und Loslassen nach

sich ziehen. Eine solche „abschiedli-che“ Haltung im Umgang mit welt-lichen Dingen wird häufig als Ziel spiritueller Entwicklungen angestrebt.

4. Der zunehmende Verlust von Autonomie und das Angewiesensein auf die Unterstützung anderer machen Menschen mit Demenz letztlich zu Pfle-gebedürftigen. Doch ist die behauptete Autonomie der „Noch-Gesunden“ nicht lediglich eine Illusion? Wir alle können nur überleben durch die zumindest zeitweilige praktische und emotionale Unterstützung anderer Menschen. In der Literatur zur Spiritualität wird dieses Gefühl einer „Verbundenheit“ mit anderen Menschen, mit der Umwelt und dem göttlichen Kosmos als beglü-ckende Erfahrung beschrieben.

5. Alltagskontrolle und zielgerichtetes, produktives Handeln sind für Demenz-kranke kaum noch oder gar nicht mehr möglich. Dass gerade auch spirituelle Erfahrungen letztlich nicht immer unserer Kontrolle unterliegen, sondern „sich ereignen“, zeigt die partielle Gemeinsamkeit der „Unverfügbarkeit“ zwischen spirituellen Erfahrungen und der Lebenswelt Demenzerkrankter.

Manche der obigen Aspekte können übrigens durchaus auch für die beglei-tenden Lernfelder spiritueller Wei-terentwicklung von Bedeutung sein: Kreative Emotionalität, Spontanität, Verbundenheit und Neugierde sowie laufendes Weitergehen und Loslassen.

Prof. Dr. phil. Dipl.-Psy-

chologin Karin Wilkening,

FH Braunschweig/Wol-

fenbüttel Ostfalia, Fach-

Frau Gertrud Carstens, Jahr-gang 1918, hat 2 Söhne und 5 Enkelkinder. Sie ist verwit-wet und lebt in Timmendorfer Strand an der Ostsee.

Frau Carstens, mit Ihren 93 Jah-ren wirken Sie sehr rüstig. Wie erklären Sie sich das?

Auf jeden Fall nicht durch ein einfa-ches Leben!

Wie verlief denn Ihre Kindheit und Jugend?

Zunächst einmal war ich ein unge-wolltes Kind, der Satz meiner Mutter „Aus dir wird nichts“ verfolgte und prägte mich. Bereits in der ersten Klasse blieb ich sitzen und schaffte erstmal „nur“ die Mittlere Reife. Erst mein Vater, ein Schullei-ter, motivierte mich, das Abitur zu machen. Schon in dieser Zeit hatte ich Todessehnsucht und wollte nicht mehr leben. Auch die Flucht 1945 von Ostpreußen über Celle, Lübeck und bis Hamburg hinterließ Spuren in meinem Leben.

Sie haben ein Studium absol-viert, absolut nicht selbstver-ständlich in Ihrer Generation...

Ja, ich wurde Gewerbelehrerin und Oberstudienrätin und arbeitete in Hamburg. Aber auch viele Krank-heiten gehörten und gehören zu meinem Leben.

Erinnern Sie sich an ein beson-ders einschneidendes Erlebnis?

Mit 48 Jahren erkrankte ich an Krebs und bekam zusätzlich noch eine Lun-genembolie, was aber die Ärzte nicht

Solange ich Kraft geschenkt bekomme

sofort erkannten. Als es mir deswe-gen immer schlechter ging, stand ich aus dem Krankenbett auf, um Hilfe zu holen und betete auch zu Gott um Hilfe. Dieses Gebet erhörte Gott und ich wollte fortan von dieser Hilfe den Menschen erzählen.

Konnten Sie weiterhin berufs-tätig sein?

Nicht mehr sehr lange. Mit 50 Jahren erkrankte ich an einer Depression und wurde vorzeitig in den Ruhe-stand versetzt. In dieser Zeit jedoch lernte ich in Hamburg einen bekann-ten Arzt kennen, der sich auf psycho-somatische Krankheiten spezialisiert hatte. Bei diesem Professor Jores habe ich viel Zeit verbracht und viel gelernt. Er befreite mich innerlich von

zahlreichen psychiatrischen Diagno-sen, indem er meine Probleme mit den Erlebnissen meiner Kindheit in Verbindung brachte. Dies hat mir nachhaltig sehr geholfen.

Konnten Sie all diese Erfahrungen irgendwie einsetzen und erleben Sie Gottes Handschrift darin?

In der Nähe meines jetzigen Wohn-ortes in Schleswig-Holstein wurde eine Rehaklinik eröffnet. Der Chef-arzt wurde auf mich aufmerksam gemacht und ich war dort eine Zeit lang „Mädchen für alles“. Das hat der Chefarzt nie vergessen und ich durfte in einer zweiten Rehaklinik mit Stunden des autogenen Trai-nings für die Patienten beginnen. Ich dränge bis heute niemandem etwas auf, aber die Patienten fra-gen oft, wo denn meine Kraftquelle ist und dann bekenne ich meinen Glauben an Gott.

Sie gehen also bis heute in die Rehaklinik, um autogenes Trai-ning zu lehren?

Ja, das tue ich, auch wenn ich mittler-weile selbst am Herzen erkrankt bin und vor drei Jahren einen Herzinfarkt hatte. Aber das größte Geschenk in meinem Leben ist mein Glaube an Gott und ich bin in eine katholische Kirche eingebunden. Ich möchte die mir anvertrauten Gaben zum Austra-gen bringen, solange ich dafür Kraft geschenkt bekomme.

Was können Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?

Es wird alles weniger, die Kräfte las-sen nach. Aber ich muss abnehmen, Er muss wachsen. Ich bin oft an meine Grenzen gestoßen in meinem Leben, da konnte mir kein Mensch helfen, da hat Gott mir geholfen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Anne-Katrin Rahtje

Mit 93 Jahren noch im Dienst für Patienten

bereich Sozialwesen; Lehrauftrag an

der Universität Zürich für Praxisfel-

der der Gerontopsychologie

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2/2011 CHRISCARE 2120 REPORTAGE20

NotfallseelsorgeWer hilft, wenn es zu spät ist?

Wir sitzen abends am Rande einer Tagung in einer Runde von Pastoren bei einem Glas Wein zusammen und erzählen aus unserem Alltag. Einer wirft das Stichwort Notfallseel-sorge in die Runde und alle merken auf. Sechs der sieben Gesprächs-teilnehmer sind in der einen oder anderen Weise in die Arbeit der Notfallseelsorge eingebunden. Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin, die zu der Runde gehört, ist ebenfalls Teil eines Notfallseelsorgeteams in ihrer Heimatstadt. Einer ist nach Norddeutschland umgezogen und ist zunächst froh, nicht sofort wieder im Notfallseelsorgeeinsatz zu stehen. „Die zehn Jahre waren ganz schön anstrengend“, berichtet er und erzählt dann von den Herausforde-rungen: Wenn das Telefon klingelt und die Polizei bittet, er möge die Familie eines Unfallopfers besuchen. Dann ist der Weg zu der angege-benen Adresse voller Unsicherheit: Wie werden die Angehörigen die Nachricht auffassen? In welcher Lage ist die Familie? Hatten die Kin-der und der Ehepartner des Opfers ein versöhntes Verhältnis? Oder

waren das Spannungen, die nun ihre Wirkung entfalten? Wenn es beson-ders schlimm zu werden droht, dann könnte er einen Kollegen anfordern, der Hintergrundbereitschaft hat. Aber weiß man, was kommen wird?

Die ehrenamtliche Gemeindemit-arbeiterin ist darum froh, dass in ihrer Stadt in Sachsen-Anhalt eine intensive Schulung und Supervi-sion die Mitarbeiter begleitet. „Die enge Zusammenarbeit gibt Kraft“, weiß sie. Dass die Seelsorger in der Regel auf Menschen treffen, die kei-nerlei christliche Orientierung haben, ist für diesen Landstrich in der ehe-maligen DDR normal. Umso größer sei die Herausforderung, als Christ weder farblos noch besserwisse-risch daher zu kommen. Begleitung hätte ein weiterer Pastor am Tisch dringend nötig. Er ist erst seit einem guten Jahr im Gemeindedienst und wurde gleich in die Dienstplanung der ökumenischen Notfallseelsorge der Kleinstadt im Rheinland einge-bunden. Ohne Ausbildung, ohne intensive Einweisung, ohne Super-vision. Er fühlt sich ins kalte Wasser

geworfen und muss allein schwim-men. „Ein Unding“, kommentiert ein weiterer Seelsorger, der dankbar ist, in der Notfallseelsorge viel für seinen normalen Seelsorgealltag gelernt zu haben.

Die Notfallseelsorge ist in Deutsch-land eigentlich gut organisiert und das Schicksal des alleingelassenen Berufsanfängers ist nicht die Regel. Aber diese Form seelsorgerlichen Handelns hat noch keine lange Tradition. Erst in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts entstanden, oft aufgrund von tragischen Unglücksfällen, Einzelini-tiativen, die seit Ende des Jahrhun-derts in immer besser organisierte Formen mündeten. Auf evangeli-scher Seite entstand die „Konfe-renz Evangelische Notfallseelsorge (KEN)“, die Arbeit der katholischen Seelsorger wird von der „Zusam-menkunft der Diözesanbeauftragten für die Notfallseelsorge“ begleitet. Seit 1998 findet regelmäßig ein Bundeskongress Notfallseelsorge und Krisenintervention statt.

Über die Art der Arbeit gibt die Not-fallseelsorge Baden-Württemberg auf ihrer Internetseite Auskunft (www.nfs-bw.de). So finden 75 % der Einsätze im häuslichen Bereich statt, die übri-gen an anderen Orten, zum Beispiel bei Verkehrsunfällen. Das sind zum Beispiel 14,8% der Einsätze, während das Überbringen einer Todesnachricht Anlass von 25% und ein Suizid von 16% der Einsätze ist. 2008, als diese Daten in 17 Landkreisen ermittelt wurden, gab es 1011 Anforderungen. Diese kamen zu 47% durch die Ret-tungsleitstellen oder den Notarztwa-gen, zu 14% durch die Feuerwehr und 33% durch die Polizei.

Ähnlich sind die Anforderungen auch in Österreich. Dort ist die Notfallseel-sorge ökumenisch organisiert. „Man muss sehr genau erspüren, was für die Betroffenen in der Situation wich-tig ist. Oft geht es nur darum, prä-sent zu sein, zuzuhören oder einfach schweigend dabeizusitzen“, betont der Sprecher der evangelischen Notfallseelsorger in Österreich, Mag. Martin Vogel. Es „gehe in erster Linie darum, den Menschen im Schock zu helfen, „Schritt für Schritt ihr Leben selbst wieder in die Hand zu neh-men“, betont Matthias Theil, Notfall-seelsorger in Wien.

Wie ein Einsatz aussehen kann und wie Mitarbeiter zu Notfallseelsor-gern werden, schildert der SÜDKU-RIER anlässlich der Notfallseelsor-gerkonferenz Baden-Württembergs im April 2011 in Konstanz: „Der Handwerker und Feuerwehrmann Oßwald gehört zu den Pionieren beim Aufbau der Notfallseelsorge im Landkreis. Ein Schlüsselerlebnis trieb ihn an. Oßwald berichtet von einem Ehepaar, das joggen ging und den Horror erlebte. Es entdeckte zwischen Eigeltingen und Aach ein Unfallauto, in dem die Fahrerin auf grausame Weise tödlich verunglückt war. Ihre beiden Kinder saßen wei-nend auf der Wiese. Das Ehepaar habe die Rettungskräfte und die Polizei informiert und sich der Kinder angenommen, bis die Spezialisten eingetroffen waren. Das Auto sei abgeschleppt, die Leiche geborgen und die Kinder seien in die Klinik gebracht worden. Nur um die beiden Jogger, die eben entsetzliches erlebt hatten, habe sich niemand geküm-mert, sagt Oßwald, der damals als Feuerwehrmann im Einsatz war. Dies sei für ihn Anlass gewesen, sich für den Aufbau der Notfall-seelsorge einzusetzen und selbst darin fortzubilden. Der Handwerker Oßwald gehört zu den wenigen Nichtpfarrern im Dienst. Er sagt, die

Seelsorge bei Notfällen sei für ihn Berufung. Schon mehrfach stand er unter extremen Bedingungen Menschen zur Seite. Unter anderem kümmerte er sich um den Vater aus Russland, der im Jahr 2002 beim Flugzeugunglück in Überlingen seine Frau und seine beiden Kinder verloren hatte und plötzlich vor Ort auftauchte. „So ein Einsatz prägt. Das wird man nicht mehr los.“

Auf Großereignisse wie Flugzeug-abstürze ist man zum Beispiel am Flughafen Zürich vorbereitet. Die Flughafenseelsorger Walter Meier (reformiert) und der katholische Diakon Claudio sind Koordinatoren eines 100köpfigen Teams von Fach-personen aus Psychiatrie und Seel-sorge aus dem Großraum um den Flughafen. Bei größeren Ereignissen kommt zunächst ein 10köpfiges Kernteam zum Einsatz, um rasch helfen zu können. Aber nicht immer sind so viele Notfallseelsorger sofort zur Stelle wie bei der Massenpanik bei der Duisburger Love-Parade. Damals waren zahlreiche Seelsor-ger im Rahmen einer Übung bei der Katastrophe dabei. Insgesamt hatten 50 Notfallseelsorger bei der Betreuung von Opfern und Angehö-rigen mitgewirkt.

Am Ende des Abends ist man sich in der Pastorenrunde einig, dass Krisen-intervention durch Notfallseelsorge eine zentrale Aufgabe der Kirche ist, in der die Mitarbeiter zwar gefordert werden, jedoch auch Wesentliches einzubringen haben. Einer der Pas-toren meinte: „Für meine Gemeinde ist es eine Selbstverständlichkeit, mich als ihren Seelsorger für diese Aufgabe frei zu stellen.“

Frank Fornaçon

„Hamburger Thesen“

Menschen in Notfallsituationen beizu-stehen, ist unverzichtbarer Bestandteil christlichen Glaubens. Notfallseelsorge ist eine Form dieses Beistands. Sie ist damit ein Grundbestandteil des Seelsor-geauftrages der Kirchen und ist in ihrem Grundsatz ökumenisch ausgerichtet. Notfallseelsorge richtet sich an alle Men-schen und achtet das Recht auf Selbstbe-stimmung und die religiöse und weltan-schauliche Orientierung der Betroffenen.

Notfallseelsorge ist Zuspruch der Zuwen-dung Gottes an den Menschen in Not. Sie wird konkret in der Präsenz des Seel-sorgers, der Seelsorgerin vor Ort und dem Angebot einer helfenden Begleitung in der Akutphase.

Anlässe

• Tod im häuslichen Bereich • Überbringen von Todesnachrichten • Tod und schwere Verletzungen von Kindern • Unfälle • Brände • Suizid • Gewaltverbrechen

Bei größeren Schadenslagen bis hin zu Katastrophen im In- und Ausland kann sich Notfallseelsorge an der Begleitung Betroffener beteiligen und lässt sich dabei in die örtlichen Konzepte zur Bewäl-tigung der Schadenslage einbinden.

Aus der seelsorglichen Begleitung bei Notfällen ergibt sich auch die seelsorg-liche Begleitung der Einsatzkräfte in Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastro-phenschutz.

Grundlage notfallseelsorglichen Handelns ist eine kirchlich verantwortete Seelsor-geausbildung, die durch fachbezogene Fortbildungen ergänzt wird. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Notfallseel-sorge sind gehalten, sich nach erwor-bener Qualifikation in diesem Arbeits-bereich ständig weiterzubilden und supervisorische Begleitung der eigenen Tätigkeit wahrzunehmen.

Quelle: www.notfallseelsorge-ekvw.de/Downloads PDF/Hamburger Thesen Endfas-sung12092007.pdf

www.notfallseelsorge.at www.notfallseelsorge.de www.notfallseelsorge.ch

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2/2011 CHRISCARE 23ERFAHRUNGEN22

Überleben im KäfigFrauke Bielefeldt leidet seit 15 Jahren am chronischen Erschöpfungssyndrom

Ich fühle mich oft wie ein Schmetterling in einem Käfig. Der Käfig heißt „CFS“: chroni-sches Erschöpfungssyndrom. Bis zu meinem siebzehnten Lebensjahr war alles ganz normal. Dann kam Ostern 1990. Ich bekam eine heftige Grippe. Wochenlang ging es auf und ab; immer, wenn ich meinte, bald auskuriert zu sein, kam eine neue Welle von leichtem Fieber, geschwollenen Lymph-knoten, Halsschmerzen und bleierner Erschöpfung. Ver-schiedene Verdachte wurden nicht bestätigt und so blieb nur die vage Aussage, dass mit meinem Immunsystem etwas nicht in Ordnung sei. Die ver-bleibenden anderthalb Schul-jahre überstand ich, indem ich nachmittags und am Wochen-ende komplett im Bett lag. So

konnte ich meine Fehlzeiten an den Vormittagen gerade so in Grenzen halten, dass ich mein Abitur machen durfte.

Ich lernte mit meinem einge-schränkten Rhythmus halbwegs zurechtzukommen und begann ein Studium. Doch am Ende des ersten Studienjahres passierte die zweite Katastrophe: Bei einem Urlaub in der Tschechei holte ich mir Insek-tenstiche, die sich böse entzün-deten. Es sah ganz nach einer Borreliose aus. Doch weil der Arzt die entsprechenden Werte im Blut damals nicht nachweisen konnte, bekam ich keine Behandlung.

Eingeschränktes Leben In den Wochen danach wurde meine Erschöpfung deutlich schlim-mer. Ich wandte mich an einen Spe-zialisten und nach etlichen kostspie-ligen Blutuntersuchungen war ich endlich einen Schritt weiter: Mein Immunsystem bestand aus einem Durcheinander von zu hohen und zu niedrigen Werten. Dazu hatte ich doch eine Borreliose und man fand ein gefährliches Holzschutzmittel, das meine Eltern vor Jahren bei der Renovierung unseres Hauses verwendet hatten und das mich vergiftet hatte (PCP = Pentachlor-phenol, in Deutschland inzwischen verboten). Ich bekam über Monate hinweg verschiedene Infusionen und Medikamente verabreicht und man versicherte mir, dass es mir in einem halben Jahr wieder gut gehen würde. Und so stellte ich meine Urlaubs- und Studienpläne darauf ein.

Seitdem sind über zwanzig Jahre vergangen, aber es geht mir kein bisschen besser. Stattdessen sind

verschiedene Folgeprobleme dazu gekommen. Ich habe zwar auf teilweise geradezu wundersame Weise mein Theologiestudium abschließen können, aber ich kann nur ein paar Stunden in der Woche arbeiten. Jeden Tag brauche ich sehr viel mehr Schlaf als andere und dazu weitere Ruhephasen. Ich muss einen Rollstuhl benutzen, um länger als ein paar Minuten auf den Beinen sein zu können. Außerdem habe ich unzählige grippale Infekte im Jahr und auch meine Schleim-häute und Sehnen entzünden sich häufig. Es vergeht kaum eine Woche ohne ein Zusatzproblem. Das ist alles nicht einfach.

Zwischen Fragen und HoffenAls das CFS bei mir ausbrach, war ich erst vor kurzem Christin gewor-den. Manche Menschen sagen, dass sie nicht an Gott glauben können, seit sie einen besonders schweren Schicksalsschlag ver-kraften mussten. Ich kenne diese Zeiten, wo ich an Gott verzwei-feln könnte. Es gibt Momente, da erscheint mir der Glaube nicht als Hilfe, sondern als eine zusätzliche Last. Da wäre es mir fast lieber, ich wüsste nichts von diesem Gott, der mächtig sein soll und mich liebt – und trotzdem nicht eingreift in meine gesundheitliche Situation. Jedenfalls bis jetzt. Und doch ist Gott immer mehr für mich gewesen als der Ausputzer meines Lebens. Mehr und mehr lässt er mich das „Leben in Fülle“ erleben, das er jedem versprochen hat (Johannes 10,10). Ihn zu kennen wiegt vieles auf. Ihn aufzugeben hieße für mich, den Ast abzusägen, auf dem ich sitze. Krankheit kann uns vieles nehmen. Aber sie kann uns nicht unserer Chance berau-

ben, mit Gott zu leben. Sein Kind bin und bleibe ich! Ein Schmetter-ling, der in einen Käfig gesperrt wird, ist von vielem abgeschnitten. Aber der Käfig kann ihm auch zur Klosterzelle werden – zu einem Ort, an dem der Herr des Himmels ihm auf besondere Weise begeg-net. Das habe ich selbst oft erlebt.

In der Bibel entdecke ich immer wieder, wie offen „große“ Got-tesmänner und -frauen mit Gott umgegangen sind. Gerade in den Psalmen finden sich alle Formen von Klagen und Gefühlsausbrü-chen. Ich staune darüber, was sich diese Menschen herausnahmen gegenüber dem allmächtigen Gott, dem sie oft auf so atemberau-bende Weise begegnet waren. Und immer wenn ich Zweifel hege, ob Gott wirklich zu Mitleid fähig ist, denke ich an den, in dem sich der verborgene Gott sich am deutlichs-ten gezeigt hat: in der Person von Jesus Christus. Ihn bezeichnet die Bibel nämlich nicht nur als „Gott“ und „Herrn“, sondern auch als Mann „voller Schmerzen und Krankheit“ (Jesaja 53,3).

Warten auf HeilungWarte ich auf Heilung? Natürlich. Schon zu Beginn meiner Krankheit rechnete ich fest damit. Obwohl ich damals noch nichts von göttlichen Heilungen gehört hatte, ging ich wie selbstverständlich davon aus, dass Gott meine Gebete erhören und mich gesund machen würde. Ich habe im Laufe der Jahre die ver-schiedensten Formen von Heilungs-gebet erlebt. Meine Gemeinde bietet regelmäßig das Gebet für Kranke an und wir erleben es immer wieder, dass Leute direkt oder nach einem anschließenden

Prozess gesund werden. Ich habe schon oft davon Gebrauch gemacht. Dennoch bin ich weiterhin krank und muss mit diesem Spannungs-feld leben lernen.

Gottes guter PlanIch bin überzeugt, dass Heilung eine der unmittelbarsten Arten ist, den Himmel heute schon erleben zu können. Was aber, wenn wir krank sind und Gott nicht heilt? Haben wir dann „Pech gehabt“? Nein, Gott hat noch unendlich viel mehr Möglichkeiten, uns zu seg-nen. Er hat immer auch noch einen guten Plan B in petto. Das, was wir ihn anfassen lassen, verwandelt er immer in irgendeiner Form zu Gold. Er öffnet immer neue Türen und führt uns in neue Räume, auch wenn wir in der Enge eines Krank-heitskäfigs leben. Wenn wir also nicht wie gewünscht gesund wer-den, können wir auf diesen Plan B gespannt sein. Vielleicht ist dieser Plan sogar der größere?

Was meine Zukunft auch bringen mag – eins weiß ich ganz sicher: Der Schmetterling wird eines Tages wieder fliegen! Dann wird es kein Leid und keine Schmerzen mehr geben. Auch für mich nicht. Der Apostel Paulus drückt es so aus: „Was wir jetzt leiden müssen, dauert nicht lange und ist leicht zu ertragen, wenn wir bedenken, welch unendliche, unvorstellbare Herrlichkeit uns erwartet. Deshalb lassen wir uns von dem, was uns zurzeit so sichtbar bedrängt, nicht ablenken, sondern wir richten unseren Blick auf Gottes neue Welt, auch wenn sie noch unsichtbar ist. Denn das Sichtbare vergeht, doch das Unsichtbare bleibt ewig“ (2. Korinther 4,17 u.18).

Ich bin krank

Ich arbeite nur

ungefähr eine Viertel

Stelle

Im Studium habe ich meist

etwa die Hälfte

vom normalen Programm gemacht

Ich schlafe

dreißig bis fünfzig Prozent mehr

als die meisten Menschen

Ich unternehme

vielleicht ein Sechstel

von dem, was ich früher gemacht habe

In letzter Zeit esse ich auch nur noch

halb so viel

wie früher

Trotzdem lebe ich

Ein ganzes

Leben

Frauke Bielefeldt

Frauke Bielefeldt hat Theologie stu-

diert und lebt in Berlin. Im Rahmen

ihrer gesundheitlichen Möglichkeiten

arbeitet sie als freie Autorin, Lekto-

rin und Übersetzerin. Mehr über ihr

Leben mit der chronischen Krankheit

„CFS“ erfahren Sie in ihrem aktuel-

len Ratgeber „Wie ein Schmetterling

im Käfig – Perspektiven für ein Leben

mit Krankheit“ (Gerth, Asslar).

leiden müssen

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2/2011 CHRISCARE 25ALTERNATIVE HEILVERFAHREN 24 DISKUSSION

Die Thematik der „Alternativen Heil-verfahren“ erhitzt immer wieder die Gemüter – sowohl in der Diskussion zwischen Anhängern der „abend-ländischen Schulmedizin“ und der „Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM)“ wie auch unter engagierten Christen mit unterschiedlichen Erfah-rungs- und Glaubensprägungen. Als berufs- und konfessionsverbindende Bewegung CHRISTEN IM GESUND-HEITSWESEN haben wir seit 1996 in zahlreichen Seminaren unter der Überschrift „Alternative Heilverfahren aus christlicher Sicht“ versucht, uns dieser Herausforderung zu stellen. Dabei haben wir mit inzwischen über 2.000 Mitarbeitern im Gesundheits-wesen intensiv wissenschaftliche und weltanschauliche Grundlagen bearbeitet, offene Fragen und persön-liche Erfahrungen diskutiert und nach Wegen einer ausgewogenen Hand-habung aus christlicher Sicht gesucht. Hierin hat uns die Perspektive einer Christlichen Heilkunde (CHK) beson-ders geholfen. CHK verbindet Berufe aus Pflege, Therapie und Medizin mit seelsorgerlich-heilenden Diens-ten aus christlichen Gemeinden und Gemeinschaften. Sie basiert auf dem biblisch-christlichen Menschen- und Gottesbild. Dabei ist sie grundsätz-lich Methoden-plural, also offen für alle Heil- und Pflegemethoden, die mit dem christlichen Menschenbild vereinbar sind (Christliche Heilkunde, CiG-Denkanstoß Nr. 1).

Und genau hier beginnt manche Dis-kussion. Lässt sich die in einem nicht-christlichen Medizinsystem – nämlich der TCM – entstandene Akupunktur in eine CHK integrieren? Oder über-nehmen wir mit der Methodik auch automatisch die ursprünglich vorherr-schende Weltanschauung?

Anhand der Akupunktur kann man gut aufzeigen, dass die Metho-

dik – also die technisch–manuellen Aspekte des „Nadelstechens“ (lat.: acus = Nadel, pungere = stechen) – sich weitgehend unterscheiden lässt von der heilkundlichen Interpretation deren Wirkweise. Ein Heilverfahren setzt sich grundsätzlich zusammen aus methodischen Anteilen (Heilme-thodik), die objektivierbar und natur-wissenschaftlich untersuchbar sind, sowie weltanschaulichen Anteilen (Heillehre, Lehre vom „Heilwerden“ des Menschen), die geisteswissen-schaftlich zu bewerten sind und sub-jektiv durch Therapeuten und Patien-ten eingebracht werden (Alternative Heilverfahren aus christlicher Sicht, CiG-Denkanstoß Nr. 5).

Akupunktur ist somit nicht gleich Akupunktur. Für die einen ist sie eingebunden in die Heillehre der TCM, deren religiöses Fundament der Daoismus ist. Hier wird Krankheit verstanden im Zusammenhang mit energetischen Blockaden zwischen den polaren Kräften Ying und Yang mit ganz eigenen Krankheitsbegriffen (z.B. „Leberwind“ mit den allgemei-nen klinischen Zeichen Tremor, Tics, Parästhesien, Schwindelgefühl, Kon-vulsionen oder Paresen, wiederum

unterteilt in drei Arten und Ursachen) und Diagnoseverfahren (z.B. „Zun-gen-“ und „Pulsdiagnostik“). Aku-punktur soll bei energetischem Stau oder Leere an den Organsystemen bzw. Funktionskreisläufen zu einem Ausgleich helfen, indem das „Qi“, die „universelle Lebensenergie“, die alles Seiende durchströme, wieder ungehindert auf den Energiebahnen, den „Meridianen“ fließen könne.

Ganz anders Akupunktur im westlich-rationalistischen Verständnis: Nach schulmedizinischen Kriterien dia-gnostizierte Krankheiten werden nach dem „Reiz-Regulationsprinzip“ behandelt und dabei werden unter-schiedliche lokale, segmentale, neuro-humorale sowie zentralner-vöse Reaktionen zur Beschwerdelin-derung angenommen (u.a. Freiset-zung von Endorphinen, cuti-viszerale und Triggerpunkt-Phänomene, Akti-vierung deszendierender Schmerz-hemmung, neuronale Aktivierung im limbischen System). Hier gibt es Parallelen zu vielen anderen in den „abendländischen Naturheilverfah-ren“ entwickelten Regulationsthera-pien. Akupunktur gehört inzwischen zu den naturwissenschaftlich am bes-

Gesundheit heißt GleichgewichtAkupunktur behandelt nicht die Krankheit

Akupunktur ist als Teilgebiet der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) vor über 5000 Jahren entwi-ckelt worden. Die TCM wendet sich den Fragen von Krankheit und Heilen auf ganz andere Weise zu als unsere westliche Schulmedizin. Sie ist eine Erfahrungsheilkunde, im Gegensatz zur westlichen Medizin, wo jede The-rapie wissenschaftlich und experimen-tell erforscht und untersucht wird. In der TCM haben viele Heilkundige im Lauf von mehreren tausend Jahren Erfahrungen darüber gesammelt, was dem Kranken hilft.

Akupunkturbehandlung gehört zu den Konstitutionstherapien, bei denen nicht die Krankheit, son-dern der kranke Mensch in seinen gestörten Regulationsmechanismen behandelt wird. Ein Ungleichge-wicht zwischen den Gegenpolen der Lebensenergie (Ying und Yang) führt auf Dauer zur Krankheit. Bei der Akupunktur wird die Energie von Orten hoher Energie („Fülle“) zu Orten niedriger Energie („Leere“) umgeleitet. Dadurch werden Blo-ckaden im Energiefluss gelöst, die Energie im Körper wieder harmoni-siert und die Selbstheilungskräfte aktiviert. Der Wirkmechanismus beruht unter anderem auf Aus-schüttung von Endorphinen und Neurotransmittern, die neben einer Schmerzlinderung auch ausglei-chend auf das vegetative Nerven-system wirken.

Akupunkturbehandlung ist in Deutsch-land seit Jahren ein Baustein in der Schmerztherapie. Sie ist besonders geeignet, wenn funktionelle Beschwer-den der Erkrankung zugrunde liegen. Weitere Indikationsgebiete sind Heu-schnupfen, Schlafstörungen, Atem-wegserkrankungen etc.

Akupunktur ist eine Erfahrungs-Heilkunde

• Wir sind eingeladen, unsere Erfahrung damit zu machen. Im Westen besteht die Gefahr, mit den westlichen Metho-den der Messbarkeit die Akupunktur zu zerstückeln und ihre Wirklosigkeit beweisen zu wollen.

• Akupunktur ist in der fernöstlichen Philosophie entstanden. Es liegt an uns – Therapeut und Patient –, Akupunktur als Heilmethode in unser Lebensum-feld, in unser Menschen- und Gottes-bild zu integrieren.

• Akupunkturbehandlung hat in Europa eine eigenständige Entwicklung genommen. So gibt es eine franzö-sische Variante der Ohrakupunktur. Deutsche Akupunkteure haben neue Mikrosysteme für Akupunktur entdeckt.

• Als Konstitutionstherapie behan-delt Akupunktur nicht die Krankheit, sondern den kranken Menschen. Dies kann sehr gut die westliche Schulmedi-zin ergänzen, in der die Gefahr besteht, dass kranke Organe, Laborparameter oder bildgebende Befunde behandelt werden – und der kranke Mensch zu wenig in den Blick genommen wird.

• Akupunktur ist ein sehr ganzheitlicher Ansatz, der die psycho-soziale und spirituelle Dimension des Kranken mit in den Blick nimmt.

• Mitunter liegt Akupunktur dem christlichen ganzheitlichen Bild vom Menschen näher als die westliche Schulmedizin, die auf den Lehren der Naturwissenschaften entstanden ist und häufig die spirituelle Dimension des Menschen ausklammert.

• Gesundheit heißt Gleichgewicht – dieser Ansatz kann wertvolle Impulse

Sie gehört zur Fokolare-Bewegung und

zum Fachbeirat von ChrisCare.

Dr. med. Gabriele

Müller, Frankfurt am

Main. Anästhesistin am

Schmerz- und Palliativ-

zentrum Rhein-Main.

Akupunktur und Christliche Heilkunde

Gegensatz oder Ergänzung?

für das Arzt-Patienten-Gespräch geben und einen Weg zur Eigenver-antwortung und Eigenkompetenz des Patienten eröffnen.

Meine persönliche Sicht:Akupunkturbehandlung als Heilme-thode widerspricht nicht unserem christlichen Menschenbild. Als Chris-ten sind wir nicht auf die westliche Heilkunde festgeschrieben. Als Christin möchte ich nicht an Methoden festhal-ten, sondern am Licht und an der Kraft Christi. Seine Kraft wird nicht durch Ausüben von Akupunktur geschwächt oder ausgelöscht. Sein Licht hat in sich die Strahlkraft, die verschiedenen Lebenswirklichkeiten (z.B. die Situation eines kranken Menschen) zu erhellen.

Akupunktur ist in der fernöstlichen Philosophie entstanden. Zur Ausübung der Akupunktur als Heilkunde ist für viele Therapeuten die Meditation ein wesentlicher Bestandteil. Meditation bewirkt die Loslösung von sich selbst und stärkt die therapeutische Energie. Dies kann ich auch mit christlicher Meditation erreichen: Sie hilft mir, innerlich leer (um voll von Gott) zu sein, schärft die Sinne (den Patienten, seine Nöte und Bedürfnisse aufzunehmen), bringt größere Klarheit und mobilisiert meine eigene Energie – um sie auf den Punkt zu bringen – hier: auf den Akupunkturpunkt J. Als Christen sind wir aufgefordert, die Wahrheiten und Hilfestellungen, die wir in anderen Heilmethoden finden, herauszuschälen und sie in unser Lebens- und Gottes-bild zu integrieren.

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2/2011 CHRISCARE 27DISKUSSION

ten untersuchten Schmerztherapien. Die weltweit größten Studien zur Wirkung der Akupunktur im westlich-rationalistischen Verständnis wurden in den letzten Jahren in Deutsch-land durchgeführt (u.a. die GERAC-Studie 2007). Auftraggeber war der Gemeinsame Bundesausschuss von Krankenkassen und Leistungs-erbringern im Gesundheitswesen. Aufgrund eines über der bisherigen (medikamentösen) Standardtherapie liegenden Wirknachweises von Aku-punktur bei chronischen Schmerzen der Lendenwirbelsäule und Arthro-seschmerz des Kniegelenkes wurde die indikationsbezogene Aufnahme in die Regelleistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung herbeigeführt.

Überraschend fand sich jedoch in der Gruppe der Scheinakupunktur – also der nicht an den lehrmäßig vorgegebenen Akupunkturpunkten genadelten Patienten – ein fast genauso großer Therapieerfolg, der übrigens auch bei Migräne und chro-nischen Spannungskopfschmerzen der schulmedizinisch-pharmakolo-

gischen Standardtherapie immerhin insgesamt gleichwertig war – und das bei nur geringem Nebenwir-kungsrisiko. Diesbezüglich gibt es nun wiederum unterschiedliche Interpretationen – die von „Alles nur Placebo!“ bis „Akupunktur ist wis-senschaftlich erwiesen wirksam!“ reichen. Weiterführen könnte ein Erklärungsmodell, das Akupunktur im Zusammenwirken von vier Effek-ten versteht (s. Grasmüller, LMU München, 2007):

• unspezifische Behandlungs-effekte (Arzt-Patienten-Beziehung, Suggestibilität)

• Nadel-unabhängige Akupunktur-effekte (TCM-Anamnese, Akupunk-tursetting)

• Punkt-unspezifische Effekte (Deszendierende und segmentale Hemmung, Endorphine, Aktivierung zentraler Neuronen)

• Punkt-spezifische Effekte (Aktivie-rung zentraler Neuronen).

Zurück zu den engagierten Dis-kussionen um die Akupunktur bei unseren Seminaren „Alternative Heilverfahren aus christlicher Sicht“. Nachdem zu Beginn der Seminare vor 15 Jahren ein Großteil der Seminarteilnehmer sich Akupunktur gegenüber skeptisch äußerte, haben sich inzwischen die Verhältnisse ver-schoben zu deutlich mehr Akzeptanz – auch für Menschen mit bewusst christlichem Selbstverständnis. Sicher spielen hierbei die in der „abendländischen Schulmedizin“ stärker verbreitete Erforschung und Einsatz der Akupunktur eine wesent-liche Rolle. Aber von Bedeutung ist auch eine größere Freiheit, andere Medizinsysteme und Heillehren – wie TCM, Ayurveda, Anthroposophi-sche Medizin, esoterische Heillehre – zu analysieren und sich demge-genüber die wesentlichen Aspekte der CHK bewusst zu machen.

Zur Entstehungszeit des Neuen Testamentes beschäftigte Christen in Korinth angesichts der jüdischen Gebote und des „Aposteldekre-

tes“ von 48/49 n.Chr., wodurch der Verzehr von Götzenopferfleisch verboten war, die Frage nach der praktischen Umsetzung im Alltag mit dem sogenannten „Götzenop-ferfleisch“ („Ist es erlaubt, Fleisch auf dem Markt zum Verzehr zu kau-fen, auch wenn es sein kann, dass dieses von Opfertieren stammt, die im heidnischen Tempel Götzen geopfert wurden?“). Es zeigte sich als theologisch und kirchenge-schichtlich bedeutsamer Fortschritt, dass Paulus unter Berufung auf Jesu Lehre erklärte: Nicht, was von außen in den Körper hinein kommt, macht den Menschen unrein, son-dern nur was von innen, aus dem Herzen des Menschen kommt (1. Kor. 8,1-13; Röm. 14,1-6 u. 13-23; Mt. 15,11 u. 17-18).

Heutzutage ist die Frage des „Göt-zenopferfleisches“ nicht mehr aktu-ell. Aber die „Freiheit“, in die Leben und Lehre Jesu uns führen möchte, ermöglicht auch ein „freies“ Umgehen mit Heilmethoden, die – obwohl in nicht-christlichen

Religionen und deren Heil-Lehren entwickelt – doch nur „von außen“ den Körper beeinflussen. Was „von innen“ unser Leben geistlich prägt, entscheiden wesentlich wir selber – woran wir glauben, wel-chen Menschen oder welchem Gott wir vertrauen. So nutzen wir auch zahlreiche naturwissenschaftliche Erkenntnisse von Begründern der „abendländischen Schulmedizin“, wie z.B. Rudolf Virchow, dem Begründer der modernen „Zel-lularpathologie“, auch wenn ihre Glaubensüberzeugungen deutlich dem christlichen Menschen- und Gottesbild widersprechen („Ich scheue mich nicht zu sagen, es ist die Wissenschaft für uns Religion geworden“, Virchow 1865).

Nun sollte aber auch nicht überse-hen werden, dass eine Ausbildung in Akupunktur - wie sie z.B. für die Führung der ärztlichen Zusatzbe-zeichnung von den Ärztekammern vorgeschrieben wird – immer die intensivere Beschäftigung mit der TCM als historisch gewachsenem Ursprung der Akupunktur fordert. Hier bedarf es also der bewussten weltanschaulichen Auseinanderset-zung mit der (keineswegs in sich geschlossenen) Heillehre der TCM – und in der praktischen Anwendung am Patienten dann auch der sensib-len, aber klaren Darstellung, welche Art von Akupunktur eingesetzt wird – TCM-Akupunktur oder westlich-naturwissenschaftliche Akupunktur.

Sind Diagnostik, Krankheitsver-ständnis und Therapiewege der TCM einsetzbar, auch ohne Übernahme des religiösen Fundamentes des Daoismus? Oder dürfte die Defini-tion einer TCM ohne die Grundlage des Daoismus nicht ein Widerspruch in sich sein – so wie es auch ein Widerspruch wäre, Anthroposophi-sche Medizin unter Ausschluss der Anthroposophie betreiben zu wollen

oder CHK unter Ausschluss des christlichen Glaubens? Für Christen, die in der TCM arbeiten wollen, tut sich ein besonderes Spannungsfeld auf, das wesentlich nicht metho-disch, sondern weltanschaulich begründet ist. Mir persönlich scheint eine transparente Auflösung dieser Spannung in letzter Konsequenz nicht möglich zu sein.

Zur TCM gehören neben der Aku-punktur weitere Heilverfahren: Kräu-tertherapie, Diätetik, Tuina-Massage, Akupressur, Taichi, Qigong, Feng shui…Der Einfluss des religiösen Grundverständnisses auf Einsatz und Verständnis der Heilmethoden springt hierbei unterschiedlich stark ins Auge. Im Westen gibt es darü-ber hinaus nicht selten eine Vermi-schung mit esoterischen Anschau-ungen. Hier ist die Dominanz der nicht-christlichen Weltanschauung so stark, dass viele Christen sich entschieden distanzieren.

Ein persönliches Verständnis bibli-scher Grundlagen und eine große Bereitschaft zum Dialog mit Ver-tretern anderer Glaubenssysteme sind wichtige Aspekte christlichen Engagements im Gesundheitswe-sen – aber ebenso das Eintreten für eine CHK, die professionelle Pflege, Therapie und Medizin mit seelsorgerlich-heilenden Diensten christlicher Gemeinden und Gemein-schaften verbindet. Für viele Chris-ten wird in einer CHK auch Raum sein für Akupunktur – insbesondere als „Reiz-Regulationsverfahren“ der modernen Schmerztherapie.

Alles nur Placebo?

Dr. med Georg Schiff-

ner, Vorsitzender Chris-

ten im Gesundheits-

wesen e.V., Internist,

Naturheilverfahren,

Geriatrie und Palliativ-

medizin, Hamburg

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2/2011 CHRISCARE 2928 REPORTAGE

„Verrückt“ ist noch ein harmloser, fast schon liebevoller Ausdruck für die Vision, die Klaus und Martina John schon seit ihrer Schulzeit mit sich herumtragen. Größenwahn-sinnig oder schlichtweg unmöglich wäre eine andere Bezeichnung. Die Freunde und Verwandten, denen die Johns kurz vor dem neuen Jahrtausend von ihrer Vision erzählten, winkten mitlei-dig lächelnd ab. Ein Krankenhaus wollte das Ärzteehepaar bauen – irgendwo in den Anden –, um die Quechua-Indianer, die ärmsten Einwohner Perus und Nachfahren der Inkas, medizinisch zu versor-gen. Und um ihnen Gottes Liebe weiterzugeben. So richtig glauben konnte kaum jemand an diese Idee. An einem trüben Tag im Sep-tember 2000, als die Johns bereits als Missionsärzte in Ecuador arbeiteten, haderte sogar Klaus John selbst mit Gott und nannte seinen Traum eine „Lebenslüge“, eine „Fata Morgana“.

Spätestens jetzt war der Zeitpunkt gekommen, an dem John hätte ver-nünftig werden können und einsehen müssen, dass seine Vision etwas zu

hoch gegriffen war. Er hätte es sich auf dem harten Boden der Realität gemütlich machen und als Missions-arzt weiter seinen Dienst tun können. Doch der Chirurg weigerte sich, seinen Traum aufzugeben. Stattdessen hob er den Kopf und griff nach der Hand des himmlischen Vaters, die sich dem entgegenstreckt, der das Unmögliche wagt, um Gott zu ehren. John schlug die Bibel auf. Bei Psalm 32, Vers 8 blieb der Arzt hängen: „Gott sagt: Meine Augen sind auf dich gerichtet. Ich werde dir Anleitungen und Rat-schläge geben und dir den Weg zei-gen, den du gehen sollst!“ Dieser 27. September 2000, so erzählt es Klaus John, war die Geburtsstunde von Diospi Suyana, dem Krankenhaus in Peru. „Ein unglaubliches Hochgefühl“ löste die schleichende Resignation ab. Denn wenn Gott so existiert, wie es die Bibel erzählt, dann gibt es keine Zufälle, ist sich John sicher. Dann war auch dieser Vers in diesem Augenblick mit dieser Durchschlagskraft kein Zufall. Und so konnte John etwas tun, was unglaublich befreiend wirkt: Er gab die Verantwortung für sein unmög-liches Mammutprojekt an Gott ab. Ab diesem Tag wurde Gott der Bauleiter, John nur ein einfacher Arbeiter. Und

nie wieder zweifelte der Arzt daran, dass Diospi Suyana einmal wirklich existieren würde.

Sieben Jahre später leuchtet ein wei-ßes Gebäude mit knallroten Dächern in die braune Andenlandschaft hinaus. Es ist eines der modernsten Krankenhäu-ser Perus, so gut ausgestattet wie ein deutsches Kreiskrankenhaus. Täglich stehen bis zu 300 Menschen – arme Bergbauern, aber auch wohlhabende Stadtbewohner – vor dem Eingang des Spitals. Wer durch die großen Glastü-ren tritt, blickt direkt auf den Eingang der Kirche, die den Mittelpunkt des Krankenhauses ausmacht. Die Johns wissen, wem sie zu Dank verpflichtet sind. Denn ohne Gott wäre ihr Traum nie Wirklichkeit geworden. Einfach war der Weg zu einem modernen Spital für die ärmsten Bewohner der Anden nicht, erst recht nicht, da die Johns weder Schulden machen noch Kredite aufnehmen wollten. 1365 Mal war Klaus John deshalb in den letzten fünf Jahren unterwegs, um poten-tielle Spender zu überzeugen und einflussreiche Politiker für sein Projekt zu begeistern. Unnachgiebig und stur kann er sein, um sein Ziel zu erreichen. Dabei wirkt Klaus John auf den ersten

Blick nur freundlich und nett – harmlos eben. Nicht wie jemand, der hochran-gigen Firmenchefs millionenschwere Spenden und einflussreichen Politi-kern lange Audienzen abringt. Seine Stimme ist etwas zu hoch für einen Mann seiner Größe und wenn er beim Sprechen in Fahrt kommt, dann kippt sie manchmal. Aber wenn Klaus John beim Sprechen über das „Wunder von Curahuasi“, wie es die peruanischen Medien nennen, in Fahrt kommt, dann zieht er das Publikum in seinen Bann. Dann strahlt sein Gesicht, dann brennt ein Feuer in seinen Augen, dann strömt Begeisterung aus jeder seiner ausladenden Gesten, wenn er von dem erzählt, was kaum einer für mög-lich gehalten hätte. Wenn John wieder einmal vor einem vollbesetzten Raum die Geschichte Diospi Suyanas erzählt und Bilder aus Peru auf der Leinwand leuchten, dann laufen dem Zuhörer kalte Schauer über den Rücken und manch Hartgesottener muss sich verschämte Tränen abwischen. Und langsam wird klar, dass nicht Klaus John, zwar ein zielstrebiger und selbstbewusster Mensch, aber doch ein Mann wie viele andere, dieses Wunder vollbracht hat, sondern Gott selbst durch ihn.

Weltwirtschaftskrise, steigende Arbeitslosigkeit und Zukunftsängste belasteten in den letzten Jahren nicht

nur Deutschlands Unternehmen und Arbeitnehmer. Auch die größten wohl-tätigen Organisationen klagten über Spendenrückgang. Eine ungünstige Gelegenheit, rund zehn Millionen Euro für irgendein Krankenhaus irgendwo in Südamerika sammeln zu wollen. „Menschlich hätten wir scheitern müs-sen“, erinnert sich John. Und dennoch flossen nach und nach rund 8,5 Milli-onen Euro auf das Konto von Diospi Suyana, über 4,5 Millionen Dollar in Sachspenden steuerten zahlreiche Fir-men bei. Denn wer auf Gottes Wegen geht, dem stellt Er geeignete Reise-begleiter an die Seite. So wie die First Lady Perus, Pilar Nores García, oder den deutschen Botschafter, zahlreiche Unternehmer und Firmenchefs und natürlich über 40.000 private Spender. Andererseits: Wer um sich schaut und sich allein fühlt auf dem Weg, den er beschritten hat, muss noch lange nicht falsch gegangen sein. Viele Wege zu einem göttlichen Ziel führen durch Dor-nen und Einöden. Auch Israel setzte sich nicht in den Flieger ins gelobte Land. Vierzig Jahre Wüste lehrten das Volk, Gott zu vertrauen. Viele Durst-strecken lehrten die Johns genau das Gleiche. Doch wem Gott einen Traum gibt, den befähigt er auch, diese Vision umzusetzen. Wichtig ist, davon ist John überzeugt, „dass die Vision mich erfüllt und Gott ehrt“.

Wenn die Johns auch keinen Zweifel daran haben, dass der Traum von einem Krankenhaus ihnen von Gott selbst ins Herz gepflanzt worden ist, wenn sie sich selbst auch nur als einfa-ches Werkzeug sehen, so lag es doch in der Hand dieser beiden Menschen, ob das Hospital ein Hirngespinst blei-ben oder ob die Vision jemals greifbar werden würde. Ob doch einmal Men-schen darin gesund werden dürften. Auf den Friedhöfen dieser Welt liegen ungezählte Träume begraben, Pläne und Visionen, die niemals umgesetzt wurden. Vielleicht, weil die, die nun für immer ruhen, sich deren Umset-zung nie zutrauten. Vielleicht, weil der Mensch, dem ein Traum gegeben

wurde, sich selbst für zu unbedeutend hielt, um ihn zu verwirklichen. Oder weil er meinte, Zeit und Geld würde ihm fehlen, die nötigen Kontakte oder die rechte Bildung. Allerdings ist auch Klaus John kein Übermensch: „Ich bin ständig am Kämpfen und ich hab ständig Angst“, gibt er zu. Doch „meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“, ermutigt die Bibel. Und John ist über-zeugt: „Gott kann mit jedem etwas machen, der zu Ihm sagt: Gebrauche mich!“ So liegt es letztlich nur in unse-rer Hand, ob wir einen Traum, den Gott uns ins Herz gelegt hat, lieber verhun-gern lassen oder ihn so lange nähren, bis er Gestalt annimmt. Hätte Martina John damals in Ecuador, wo sich die fünfköpfige Familie eingelebt hatte, ihrem Mann nicht gesagt: „Wir sind schon über 40 Jahre alt, entweder wir packen das Projekt jetzt an oder nie!“, vielleicht wäre die Familie dann noch immer in Ecuador, würde auch dort am Reich Gottes arbeiten und Menschen helfen. Aber die Bauern im Armenhaus Perus würden womöglich noch immer an Banalitäten wie Lungenentzündung und Parasiten sterben. Die Kinder in Curahuasi säßen noch immer auf der Straße und würden nicht wenigstens einmal in der Woche bei zahlreichen Kinder-Clubs, beim Basteln und Spielen erfahren, wie wertvoll sie tatsächlich sind. Und so viele Quechua hätten noch immer nicht erfahren, dass auch sie Respekt und Achtung verdienen, in einer Gesellschaft, die ihnen all das vorenthält.

Mit einer Vision in die Anden

Dres. John werden am 3. Christlichen Gesundheits-kongress vom 22. - 24.3.12 in Kassel mitwirken. Mehr über ihr Projekt auch in ihrem neuen Buch: „,Ich habe Gott gesehen´. Diospi Suyana – Hospital der Hoffnung“.

Anja Reumschüssel,

Mainz, freie Journalistin,

schwerpunktmäßig über

lokalpolitische Themen.

weltzeitblog.wordpress.com

Dios te Ama

Wunder von CurahuasiDas Krankenhaus Diospi Suyana

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2/2011 CHRISCARE 3130 INTERVIEW ERFAHRUNGEN

Weil ich leide, habe ich keine heile Stelle mehr an mir (Psalm 38, 4)

Ich war am Ende, da schrie ich zum Herrn, und er hörte mich. Als ich den Herrn um Hilfe bat, antwortete er mir und befreite mich von mei-nen Ängsten (Psalm 43, 7/4)

Früherkennung von Krisen bei Mitarbeitenden

Pflegende haben oft hohe Erwartun-gen an sich und ihre Arbeitsqualität, verbunden mit einer großen Fürsorge und Hingabe. Diese Kombination eig-net sich sehr gut, Menschen zu helfen, ihnen in einer Krise beizustehen. Es birgt aber auch Gefahrenpotenzial, sich aufzuopfern und „auszubrennen“. Es gilt eine sich anbahnende Krise von Mitarbeitenden frühzeitig zu erkennen. Die Führungsperson muss ihre Mitar-beitenden sehr gut kennen, ein Bezie-hungsband zu ihnen haben sowie über eine geschärfte Wahrnehmung verfü-gen. So erkennt der Vorgesetzte rasch Veränderungen in der Befindlichkeit der Mitarbeitenden. Wann ich einen Mit-arbeitenden wie anspreche, erfordert viel Gespür und kann auch anfangs auf Widerstand stoßen. Jedoch entwickelt sich in einem offenen, transparenten Umgang miteinander eine Aufgeschlos-senheit, wo auch über Schwächen, Mängel oder eben Befindlichkeitsver-änderungen gesprochen werden kann. Diese Basis ermöglicht es, Krisen früh-zeitig zu erkennen, in geeigneter Weise die Mitarbeitenden anzusprechen und angemessene Maßnahmen zur Entlas-tung einzuleiten. Je besser die Mitar-beitenden von einander wissen, wie es ihnen geht, desto effektiver können sie ihre Arbeiten abstimmen und sich ergänzend einsetzen. Die Aufgabenori-entierung soll trotzdem hoch sein und darf nicht vernachlässigt werden.

Dieser Führungsansatz setzt große soziale und persönliche Kompetenzen voraus. Nur dadurch gelingt eine solch

nahe und individuelle Führung. Wenn Mitarbeitende sich gegenüber ihrem Vorgesetzten öffnen, entwickelt sich nicht nur eine große Vertrauensbasis in der Zusammenarbeit, sondern auch eine äußerst positive Fehlerkultur. Dies gelingt, weil Mitarbeitende lernen, dass mit Schwächen und Mängeln konstruktiv umgegangen wird und diese nicht denunzierend und missbilligend eingesetzt werden, um sie unter Druck zu setzen.

Die erkannten Probleme lege ich stets unserem Vater im Himmel dar und frage ihn um Weisheit und Leitung. Das Gebet ermöglicht mir, mit einer inneren Ruhe an die Probleme heranzutreten und die weiteren Schritte unter Gottes Schutz zu stellen.

Mit dieser Art der Führung ist es mir in der Vergangenheit gelungen, bei fünf Personen ein sich anbahnendes Burnout frühzeitig zu erkennen und mit kombinierten Entlastungsmaßnahmen (Umteilung der Arbeitsinhalte, Frei, Ferien, Dienstwechsel, Prozentverän-derungen) abzuwenden.

Mein Interventionsraster im Umgang mit Krisen bei Patienten und Patientinnen

Auch bei Patienten und Patientinnen empfinde ich die Früherkennung einer Krise als einen äußerst wichtigen Bestandteil. Rasche Interventionen verhindern oft, dass sich die Krise aus-weitet oder vertieft.

Folgendes Interventionsraster habe ich in Krisensituationen erfolgreich angewendet:

1. Beziehungsband durch Kontakt/Beziehungsaufbau herstellen.

2. Gefahren einschätzen – Schaden verhindern durch angepasste Interven-tionen, wenn nötig auch Sicherheits-maßnahmen.

Urs Ellenbergergeb. 1967, verheiratet, 3 Kinder, Wichtrach, Schweiz, Pflegefach-mann Psychiatrie mit höherer Fachausbildung Pflege, Pflege-dienstleiter in der Klinik SGM

Langenthal. Abschluss mit Eidg. Fachausweis Führungsfachmann in 2010. Abschluss Diploma of Advanced Studies Psychische Gesundheit an der Fachhochschule Bern in 2011. MAS mental health in Ausbildung.

Krisen – Früherkennung und Intervention

Burnout

verhi

ndern

3. Einfühlen in den Menschen, die Situ-ation aus seinen Augen betrachten und die möglichen Gefühle aufnehmen.

4. Verständnis für seine schwierige Situation entgegenbringen, damit er sich ernstgenommen und verstanden von mir fühlt.

5. Den Betroffenen unterstützen, seine Emotionen zuzulassen und auch zu benennen.

6. Hoffnung vermitteln / positiver Zuspruch. Aufzeigen, dass jede Krise auch ein Ende hat. Einen möglichen positiven Ausgang aus der problemati-schen Situation erarbeiten.

7. Eine innere Distanz zur Problemsitu-ation versuchen zu erreichen und auf sich besinnen. Eigene Motive in den Vordergrund stellen und sich derer bewusst werden.

8. Krisenbedeutung und die Sinnfrage in den Fokus stellen. Mit meditativen Anteilen in sich gehen, in die Ruhe gehen, zur Ruhe kommen. Die eigene Mitte versuchen wieder zu erlangen.

9. Förderung der christlich spirituellen Ausrichtung, um im Glauben Hoffnung, Kraft und Sicherheit zu finden (Gemein-schaft, Gebet, Loblieder, Bibel lesen, Austausch usw.).

Bei Gott finden wir Zuflucht, Geborgenheit und Schutz, durch den Schutz finden wir Ruhe, durch die Ruhe finden wir zu unserer Mitte. Aus der Mitte entspringt die Kraft. Urs Ellenberger

20 Jahre nach der WendeVom Gegen- zum Miteinander

Frage: 20 Jahre nach dem poli-tischen Neuanfang in der ehe-maligen DDR sind Sie 2010 als Geschäftsführer des Evangeli-schen Krankenhauses Wolters-dorf in den Ruhestand verab-schiedet worden, bleiben aber auch 2011 für die Bauprojekte des Hauses zuständig. Sie hatten 1993 diese Aufgabe übernom-men, nachdem Sie vorher im Textilgeschäft der Eltern und als MTA gearbeitet hatten sowie als EC-Vorstandsmitglied an Sitzun-gen in Woltersdorf teilnahmen. Was waren die größten Heraus-forderungen dieser Zeit?

Antwort: Verstehen, dass das Krankenhaus auch in der DDR-Zeit gut geführt wurde – nicht so tun, als ob man alles besser wüsste. Das Haus, so wie es war, als mein Haus anzunehmen und den Mitarbeitern zu zeigen, dass wir gemeinsam

Veränderungen schaffen können. Ich war mir sicher, Gott hat das Haus in der DDR-Zeit beschützt und das wird er auch nach der Wende tun. Persön-lich musste ich mich am neuen Ort zuhause fühlen, integrieren und im Umfeld mitarbeiten, Kontakte knüp-fen, Aufgaben in Politik und in den Verbänden übernehmen.

Frage: Große Umbrüche verlan-gen den Verantwortlichen viel Spannkraft ab. Es sind manch-mal sehr unbequeme Entschei-dungen zu treffen. Hilft da der Glaube weiter?

Antwort: Ja, denn die notwendige Kraft kommt aus dem Glauben. Es ist vor allem wichtig zu wissen, dass mich Gott selbst zu dieser Aufgabe berufen hat durch die Geschwister im Aufsichtsrat. Die Stille Zeit und daraus erwachsende Kraft ist das Geheimnis. Dazu gehört, was man oft nur rück-blickend erkennt – unlogisch erschei-nende Lebensführungen waren Vorbereitungen für den Geschäftsfüh-rer. Bei schwierigen Entscheidungen, gerade im Personalbereich, war es mir immer wichtig, jeden Mitarbeiter als von Gott geliebten Menschen zu sehen. Zu meinen wichtigen Anliegen gehörten, „eine Autorität gibt Freiheit“, Mitarbeiter müssen nicht ständig zum Arbeiten angetrieben, sondern zur eigenen Entscheidungsfähigkeit und anknüpfend zur Freude an der eigenen und der gemeinsamen Arbeit befähigt werden. Das bedeutet: Vertrauen, nicht Misstrauen. Noch wichtiger ist, Glauben leben. Vorbild sein, besser, „glaub“-würdig leben. Reden und Handeln müssen überein-stimmen. Auch muss ich eingebun-den sein in meine Kirche und/oder Gemeinschaft. Nur so lassen sich Krisen vermeiden oder bewältigen!

Frage: Das Krankenhaus ist Teil eines Diakoniezentrums, das der Deutsche Jugendverband „Ent-schieden für Christus” einge-richtet hat. Neben medizinisch-pflegerischen Einrichtungen, wie dem Krankenhaus oder der Tagespflege, sind auch seel-sorgerliche und pädagogische Projekte Teil des Zentrums. Wie werden die Chancen dieses Mit-einanders genutzt?

Antwort: Unterschiedlich. Manches ging zunächst eher gegen- denn miteinander. Bau, Gelände, Sanierun-gen, die unterschiedlichen Aufgaben, was hat Vorrang, wer ist für was zuständig? Es war ein Prozess, der sich aber gelohnt hat. So können z. B. Ausbildung, Fortbildung, Übernach-tung von Angehörigen, die Kranken-haus-Seelsorge…, immer stärker genutzt werden und schließlich das Miteinander festigen. Oft haben wir uns überfordert, aber letztlich sind Niederlagen gerade die Stärken, so dass im Umfeld Arbeiten entstanden sind, die uns nur staunen lassen: eine christliche Kita, ein offener Jugend-club, Akademie, Vernetzungen…

Frage: Der Erfolg eines christli-chen Krankenhauses lässt sich an den Zahlen der Bilanz able-sen, aber nicht nur dort. Welchen Mehrwert wünschen Sie sich für die Patienten eines Hauses, wie dem in Woltersdorf?

Antwort: Geborgenheit. Dass das Leben der Patienten wieder lebens-werter wird, dass aber andererseits die Grenzen der Heilung und der Tod dazu gehören und entsprechend auch in Seelsorge, in der ärztlichen Behandlung, Patientenwille akzep-tiert wird und dass Begleiten in Würde und mit Seelsorge auf dem letzten Lebensabschnitt möglich sind.

Vielen Dank.

Die Fragen stellte Frank Fornaçon

Herr Heinemann, ehemaliger Geschäftsführer des evangelischen Krankenhauses Woltersdorf

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2/2011 CHRISCARE 3332 CHRISTEN IM GESUNDHEITSWESEN CHRISTEN IM GESUNDHEITSWESEN

CHRISTEN IM GESUNDHEITSWESEN

Das Rückgrat unserer Arbeit sind die CiG-Regionalgruppen, die von Mitarbei-tern vor Ort geleitet und verantwortet werden und die sich in unterschied-lichen, z.B. monatlichen Abständen treffen. Beruflicher Austausch, biblischer Impuls und Gebet sind wiederkehrende Bestandteile der Treffen. Einige Grup-pen bieten Regionalveranstaltungen an, zu denen öffentlich eingeladen wird.

Kontakt zu den Regionalgruppen vermittelt die Geschäftsstelle.

Die bundesweit ausgerichtete Arbeit von Christen im Gesund-heitswesen wird von Mitarbeitern aus unterschiedlichen Gesundheits-berufen verantwortet und geleitet.

In der Geschäftsstelle in Aumühle bei Hamburg wird die Arbeit koor-diniert. Hauptamtliche, geringfügig Beschäftigte und rund 130 Ehrenamt-liche sorgen für die Umsetzung von Projekten und unterstützen die Arbeit des bundesweiten Vorstandes.

Die Arbeit von CiG finanziert sich wesentlich aus Spenden. Ein Kreis von z.Zt. 500 Förderern bildet hierfür die Grundlage, indem sie den gemeinnüt-zigen Verein jeweils mit einem Min-destbeitrag von 60 € im Jahr finanziell unterstützen. Förderer können an den Fortbildungsseminaren der CiG-Akademie für den ermäßigten Beitrag teilnehmen und erhalten das ChrisCare-Abo kostenfrei. Wir laden Sie herzlich ein, dem Förderkreis beizutreten!

CHRISTEN IM

GESUNDHEITSWESEN e.V. Bergstraße 25, D-21521 Aumühle Tel. (+49) (0) 41 04 49 82, Fax (+49) (0) 41 04 72 69 Email: [email protected], Internet: www.cig-online.de

Wo treffen Sie Christen, die vom Fach sind? Die Arbeit von CHRISTEN IM GESUNDHEITSWESEN stellt sich vor

Günther Gundlach, Geschäftsführer Christen im Gesundheitswesen

(CiG) e.V. ist eine bundesweite kon-fessionsverbin-dende Initiative von Mitarbeitern unterschiedlicher Berufsgruppen im Gesund-heitswesen: Pflegende, Ärzte, Therapeuten,

Mitarbeiter aus Management und Verwaltung, Seelsorger, Sozialarbei-ter und weitere Berufsgruppen des Gesundheitswesens.

Basis der Zusammenarbeit sind die Bibel, das apostolische Glau-bensbekenntnis sowie die Achtung des Einzelnen in seiner jeweiligen Konfessionszugehörigkeit.

Wir CHRISTEN IM GESUNDHEITS-

WESEN wollen

• einander fördern, unseren Glau- ben im Berufsalltag zu leben, • zur Neubelebung an der Bibel orientierter Werte im Gesund- heitswesen beitragen, • Patienten und Kollegen die heilende Liebe Jesu Christi erfahrbar machen, • in Einheit mit Kirchen und Gemeinden den biblischen Auftrag von Diakonie, Caritas und Hei- lungsdienst in unserem Land wahrnehmen.

Die ökumenische Arbeit von CHRISTEN IM GESUNDHEITS-

WESEN verbindet seit über 20 Jahren Christen im Umfeld des Gesundheitswesens – inzwischen rund 10.000 in regionaler sowie in bundesweiter Vernetzung.

Termine

Die Veranstaltungen der Akademie werden dezentral meist in Zusam-menarbeit mit den CiG-Regional-gruppen angeboten. Wenn Sie in Ihrer Region ein Seminar initiieren wollen, nehmen Sie gern mit uns Kontakt auf. Weitere Infos: www.cig-online.de.

Heilung – Verheißung und Geheimnis Gottes

Wir alle stehen in vielfältigen Diensten, um Menschen auf dem Weg umfassender Heilung zu begleiten. Dabei erleben wir als Christen die ganze Spannung zwi-schen menschlicher Hoffnung und Enttäuschung einerseits – zwischen Gottes Verheißung und Geheim-nis andererseits. Auf diesem Weg können wir vieles mit- und vonein-ander lernen.

Dies gilt auch für die „Heilung“ von Mitarbeiterteams und Institutionen. Als Christen spüren wir häufig das Anliegen, „in einem Geist“ in unse-ren Einrichtungen im Gesundheits-wesen arbeiten zu können. Wie ist dies möglich?

Die Jahrestagung von CHRISTEN IM

GESUNDHEITSWESEN beschäftigt sich mit genau diesen Themen. Sie findet vom 26. – 29. Mai 2011 in der CVJM - Familienferien- und Tagungsstätte „Haus Solling“ in Dassel nord-westlich von Kassel statt. Wir freuen uns, dass wir Referenten mit Kompetenz und spannenden Erfahrungshintergrün-den gewinnen konnten:

Themen und Referenten spiegeln etwas wider von der Vielfältigkeit unserer Arbeit. Sowohl bundesweite Tagungen als auch regionale Veranstaltungen sind geprägt von biblischen Impulsen und Erfahrungsberichten, persönlichem Aus-tausch, geistlichen Prozessen, seelsorgerlicher Begleitung, heilsamer Anbe-tung Gottes und fröhlichem Zusammensein. Vielleicht begegnen wir Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, bei einem der nächsten Treffen, zu denen wir immer wieder interessierte Mitchristen aus Gesundheitswesen und Gemein-den herzlich einladen!

Dr. med. Frank Naumann, Internist, Altersmediziner, Palliativmedizin, Chefarzt und Ärzt-

licher Leiter im Krankenhaus „Gottes-friede“ sowie Sprecher der AG Chef-ärzte der Geriatrien in Brandenburg.

Gabriela Koep-sell, evangelische Theologin, Pas-torin der Anskar-Kirche Hamburg-

Mitte, einer ev. freien Gemeinde. Sie engagiert sich besonders für kirchenferne Menschen und hält Vorträge auf Esoterik-Messen über Heilung in der Kraft Jesu.

Andreas Heine-mann, bis Ende 2010 Geschäftsfüh-rer des evangeli-schen Krankenhau-

ses „Gottesfriede“ in Woltersdorf, Brandenburg, welches auch zur DDR-Zeit und nach der „Wende“ sein christliches Profil bewahren konnte. Andreas Heinemann ist Träger des Bundesverdienstkreuzes und weiter-hin in Kirche und diversen Diakonie-einrichtungen tätig.

Volker Bertleff, langjährige Erfah-rung als Körper- und Bewegungs-therapeut in der

Psychosomatik, dort Entwicklung des Konzeptes „Das bewegte Kreuz“, welches auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes Körper-wahrnehmung, Gleichgewicht und Kraft fördert. Aktuell arbeitet Volker Bertleff im Bereich der Gesundheits-bildung und Arbeitssicherheit.

8.6.2011 Hamburg, 14.30–17.00 Uhr, CiG-Akademie, Kolloquium Pflege „Hilfreicher Umgang mit MS-Patienten“ (CiG in Zusammenarbeit mit Albertinen-Akademie)

18.6.2011 Hamm, CiG-Akademie, Als Christen Demenzkranke begleiten

30.6. – 3.7.2011 Maihingen, CiG-Akademie, Seminar für erkrankte Menschen und pflegende Angehörige (CiG in Zusammenarbeit mit Lumen Christi)

10.9.2011 Woltersdorf b. Berlin, CiG-Akademie, Alternative Heilverfahren aus christlicher Sicht

17.9.2011 Freiberg (Sachsen), CiG-Akademie, Treffen für Mitarbeiter aus Gesundheitsberufen

24.9.2011 Roth, CiG-Akademie, Gesundheit in der Lebensmitte – Veränderung und Weichenstellungen

25. – 30.9.2011 Cuxhaven, CiG-Akademie, Gott begegnen in Bewegung und Tanz (CiG in Zusammenarbeit mit Dünenhof)

21. – 23.10.2011 Kloster Nütschau, CiG-Akademie, Gesunder Umgang mit Krankheit – Schritte der Versöhnung und Heilung gehen. Wochenende für Kranke und Angehörige.

28. – 30.10.2011 Rotenburg a. d. Fulda, Hebammen-Workshop

Okt. 2011 – Feb. 2012 Ravensburg, CiG-Akademie, Trainingskurs Christliche Heilkunde

12.11.2011 Peine, CiG-Akademie, Christliche Heilkunde – eine „Not-wendende“ Erweiterung für Medizin und Krankenbegleitung?

Besuchen Sie uns auf unserer Home-page www.cig-online.de, hier finden Sie weitere Termine und Informationen!

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2/2011 CHRISCARE 3534 NACHRICHTEN

Glaube am Arbeitsplatz

Schwäbisch Gmünd: Der Glaube sollte auch am Arbeitsplatz gelebt wer-den. Davon ist einer der ranghöchsten Vertreter des katholischen Malte-serordens, Rechtsanwalt Johannes Freiherr Heereman von Zuydtwick (Köln), überzeugt. Er sprach beim Gesundheitskongress „mediora“ im März in Schwäbisch Gmünd. Wie Heereman sagte, dürfe die Verbindung zu Gott nicht nur im Gottesdienst oder in der Familie gelebt werden. Die meisten Menschen verbrächten einen Großteil ihrer Lebenszeit am Arbeitsplatz; deshalb müsse auch dort Spiritualität ihren Platz haben. Der Rechtsanwalt schilderte, wie er in der Kölner Zentrale der Malteser ange-fangen habe, sich mittags mit einem Kollegen zum Gebet zu treffen. Dies sei anderen Mitarbeitern aufgefallen. Auf Nachfrage habe man von dem Gebetstreffen erzählt. Schließlich hät-ten 15 Prozent aller Mitarbeiter daran teilgenommen. Dass zur Spiritualität auch unbequeme Entscheidungen gehören könnten, schilderte er in einem die Zuhörer stark bewegenden Beispiel der Schwangerschaft einer Nichte. Als Christin hätte sich die Frau für das Austragen eines schwerkran-ken Kindes entschieden, obwohl die Ärzte zur Abtreibung geraten hätten. In einem Blog im Internet habe die Frau eine Art Schwangerschaftsta-gebuch geführt. Sie sei überzeugt gewesen, dass auch ein behindertes Kind ein von Gott geliebtes Geschöpf und damit wertvoll sei. Die Tochter Jasmin habe nur drei Tage gelebt. Wie Heereman sagte, seien die Mutter, ihr Ehemann und auch die Ärzte durch diese Erfahrung geistlich gereift. Auch der Frauenarzt, der zunächst zur Abtreibung geraten habe, habe eingeräumt, dass er seine Haltung zum Schwangerschaftsabbruch noch einmal grundsätzlich überdacht habe. In einer Abtreibung sehe er heute keine Lösung mehr.

Bibelbox im Klinikum

Gaildorf: Seit Ende 2010 steht im Eingangsbereich des Diakonie-Klinikums am Standort Gaildorf eine Bibelbox. Die offizielle Übergabe erfolgte am 15. Februar durch Dora und Christian Wolf von der Männel-Wolf Stiftung. Dem Stiftungsvorstand ist es wichtig, kranken Menschen Hoffnung zu geben. „Alle Bevöl-kerungsgruppen haben Anspruch darauf, eine Bibel zu haben und die guten Nachrichten von Gott lesen zu dürfen“, betont Wolf. „In der Bibel-box gibt es daher auch polnische, russische und türkische Bibeln.“ Die Bibelbox wird, wie auch an zwei anderen Standorten des Klinikums, rege genutzt. Der klinische Direktor Thomas Grumann: „Für die Patien-ten ist die Bibelbox eine Stärkung und gibt inneren Halt in schwierigen Krankheitstagen“.

Master in freikirchlicher Diakonie

Wustermark: Am Theologischen Seminar Elstal (Fachhochschule) des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden wird es ab dem Win-tersemester 2011/12 einen neuen Studiengang geben. Der Master-studiengang „Freikirchliche Diako-nie“ soll Studierende, die bereits über einen berufsqualifizierenden Bachelor-Abschluss im sozialwissen-schaftlichen Bereich verfügen, auf den diakonischen Dienst in freikirch-

lichen Gemeinden vorbereiten. „Im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden gibt es zwar bereits seit einiger Zeit den ordinierten Dienst der Diakonin oder des Diakons, aber es gab bisher noch keine eigene Ausbildung für dieses zunehmend wichtiger werdende Berufsfeld. Diese Lücke ist nun geschlossen“, so Prof. Dr. Ralf Dziewas (Foto), der in Elstal Diakonik lehrt. Der Studien-gang bietet eine theologische Quali-fikationsmöglichkeit für Studierende, die nach einem Bachelor-Abschluss in Sozialer Arbeit, Sozialpädagogik, Gesundheits- bzw. Pflegewissen-schaft oder einem vergleichbaren sozialwissenschaftlichen Studium die notwendige Doppelqualifikation für den Diakonendienst erwerben möchten. Es ist ein Präsenzstudien-gang und dauert zwei Jahre. Bewer-bungsfrist ist der 30. Juni.

Ökumenischer Zusammenschluss

Trier: Als ein wichtiges Zeichen öku-menischer Zusammenarbeit gilt das im März besiegelte Ökumenische Ver-bundkrankenhaus in Trier. Das bisher evangelische Elisabethkrankenhaus und das bisher katholische Marien-krankenhaus gehören nun zusammen. Bei der Unterzeichnung zeigten sich die Verantwortlichen davon überzeugt, dass das Verbundkrankenhaus ein Erfolgsmodell werden wird: Georg-Friedrich Lütticken, der Vorsitzende des Presbyteriums der Evangeli-schen Kirchengemeinde Trier, Bernd Weber, der Vorstandsvorsitzende der Agaplesion gAG, die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Malu Dreyer, Christa Garvert, die Sprecherin der Geschäftsführung der Na

chric

hten

NACHRICHTEN

Marienhaus GmbH, Michael Osypka, der Geschäftsführer der Marien-haus GmbH, und Rainer Kropp, der Geschäftsführer des Ökumenischen Verbundkrankenhauses Trier (auf unserem Bild von links nach rechts).

Nicht automatisch unglücklich

Lüttich: Körperlich schwerstbehin-derte Menschen sind nicht automa-tisch unglücklich - selbst dann nicht, wenn sie sich nur noch mit Augenbe-wegungen verständigen können. Das ergab eine Studie mit sogenannten Locked-In-Patienten, die bewegungs- und sprechunfähig sind. Bei der Stu-die von Wissenschaftlern aus Belgien und Frankreich gab die große Mehr-heit der Befragten an, glücklich zu sein. Lediglich 28 Prozent erklärten sich als unzufrieden mit ihrem Leben. 4 der 65 Befragten äußerten den Wunsch nach Sterbehilfe, schreiben die Forscher in dem Online-Journal »BMJ Open«. Ursache des Locked-In-Syndroms kann beispielsweise die Nervenkrankheit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) oder ein Infarkt des Stammhirns sein. In die Studie hatten die Wissenschaftler um Marie-Aurélie Bruno von der Universität Lüt-tich allerdings nur eine Auswahl von Patienten aufgenommen. Sie hatten sich zunächst an 168 Menschen mit dem Locked-in-Syndrom gewandt. 91 von ihnen beteiligten sich an der Untersuchung und 65 antworteten so umfassend, dass sie in die Auswer-tung miteinbezogen wurden.

Krebs hat man zweimal

Iserlohn: Frauen, die an „Krebs“ erkranken, werden gleich „mit zwei Erkrankungen konfrontiert, einer somatischen und einer psychosozi-alen“. Darauf weist in der Märzaus-gabe von Die Schwester/Der Pfleger die Diplom-Pflegepädagogin Renate

Wiedenbruch, Iserlohn, hin. Sie befasst sich in einem Beitrag mit den Chancen einer psychoonkologischen Therapie, die sowohl die Lebens-qualität als auch den Erfolg ärztlicher Therapien günstig beeinflussen könnten. Dabei spielt die soziale Unterstützung durch Familie, Kolle-gen oder Nachbarn eine wesentliche Rolle. Deren Betreuung muss daher ebenfalls im Blick sein. Für einen guten Krankheitsverlauf stellen, so der Beitrag, ein „kämpferischer Geist“ und aktive Reaktionen auf die Krebserkrankung eine wichtige Voraussetzung dar, verbunden mit Optimismus, Selbstsicherheit und Entschiedenheit. Das Pflegepersonal kann – so ist die Pflegepädagogin überzeugt – aufgrund seiner größe-ren Nähe zur Patientin psychoonko-logische Therapien besonders gut unterstützen. Diese Therapien seien sinnvoll und gewinnbringend: „Wirt-schaftlich lassen sich Verweildauer und Kosten für Behandlung und Therapie reduzieren, die betroffenen Frauen profitieren durch eine Verbes-serung der Lebensqualität.“

Zukunftsorientiert studieren

Remagen/Waldbreitbach: Als gemeinsames Projekt des RheinAhr-Campus, der Marienhaus GmbH und des Bonner Gemeinschaftskranken-hauses startete der Studiengang Betriebswirtschaft Pflege. Zum Wintersemester 2011/2012 sollen nun die ersten Studenten ihr Stu-dium aufnehmen. Die Marienhaus GmbH und das Bonner Gemein-schaftskrankenhaus haben mit der Fachhochschule diesen neuen Studi-engang, der mit einem Bachelor of

Arts und der staatlich anerkannten Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger abschließt, entwi-ckelt. Sie tragen damit dem Trend Rechnung, Studium und Beruf von Anfang an miteinander zu verbinden.

Spiritualität ist Beziehungsarbeit

Stuttgart: Für die spirituellen Bedürf-nisse von Patienten in der Palliativ-situation und am Lebensende seien Beziehungen von besonderer Bedeu-tung, fasst Friederike Klein einen Beitrag in der Dezemberausgabe der Zeitschrift Palliativmedizin zusammen. „Patienten wollen keine Ratschläge oder religiöse Bekehrung, sie möch-ten Pflegekräfte und Ärzte als Teil ihrer Familie sehen, als Menschen, die eine tragfähige Beziehung zu ihnen eingehen.“ Bei der Auswertung von Publikationen zu Spiritualität und Pal-liativpflege kommen die Autoren zum Schluss, dass Spiritualiät keine primär zu erlernende Technik sei, sondern von der zugewandten Haltung der Betreuer getragene Beziehungsarbeit. Mehr: Palliativmedizin 2011, 12 DOI: 10.1055/s-0030-1270775

Spezialisten für Spiritual Care

München: Seelsorgerliche Kontakte kommen etwa zu gleichen Teilen auf Initiative des Seelsorgers (32,3%) und des Behandlungsteams (29,2%) sowie der Angehörigen oder Patien-ten (38,5%) hin zustande. Das ergab eine wissenschaftliche Studie eines Teams um den Münchener Professor Traugott Roser, deren Ergebnisse in Palliativmedizin 11-2010 veröffentlicht wurden. Die Forscher untersuchten die Inhalte der Gespräche (63,2% betrafen die Klärung der akuten Situation, je 28,4% die Situation des Lebenspartners oder Glaubensfra-gen, 8,4% Krisenintervention und 26,1% ethische, organisatorische

Professor Dr. Dziewas hat den neuen Studien-gang konzipiert

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2/2011 CHRISCARE 3736Nachrichten

NACHRICHTEN

und systemische Fragen). Die Unter-suchung, die im südlichen Bayern mit einer vor allem katholischen Bevöl-kerung durchgeführt wurde, zeigte, dass rituelle Handlungen in ihrer ganzen Bandbreite (einschließlich der Krankensalbung) ausschließlich von katholischen Patienten genutzt wur-den, während evangelische Patienten lediglich Gebet, Segen und Beichte in Anspruch nahmen. Die Untersuchung zeige, so die Autoren, dass sich die Kompetenz der Seelsorge sowohl ,,auf kommunikative Fähigkeiten zur Führung vielgestaltiger Gespräche" als auch auf rituelle Kompetenz der Seelsorger beziehe. DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-oo29-1223539 Z Palliativmedizin 2010,11, 130-132

Onkologie und Seelsorge

Bad Kreuznach: Die Einbeziehung von Religiosität in den Behand-lungsprozess im Hinblick auf den individuellen Unterstützungs-bedarf bei Patienten mit einer Darmkrebserkrankung spielt für die Krankheitsbewältigung eine wichtige Rolle. Zu diesem Schluss kommt eine Untersuchung der Arbeitsgruppe Religionspsycholo-gie des Forschungszentrums für Psychobiologie und Psychosomatik der Universität Trier und der Reha-bilitationsklinik Nahetal. In der Studie zeigen die Wissenschaftler, dass die Befunde nahe legen, „dass Geschlechtsunterschiede und Religiosität für die Behand-lung relevant sein können, in ihrer Bedeutung aber nicht überbewertet werden dürfen“. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe um Professor Dr. Sebastian Murken wurden Ende 2010 in der Zeitschrift Rehabilitation veröffentlicht. Untersucht wurde die Frage, ob Frauen und Männer unterschiedliche Bewältigungsmög-lichkeiten, sowohl im religiösen wie

auch im nicht religiösen Bereich haben. In der Zusammenfassung heißt es: „In Übereinstimmung mit der höheren Religiosität von Frauen weisen die Daten auf einen stärke-ren Zusammenhang von religiösem Coping (Bewältigungsstrategie) und Anpassung bei Frauen als bei Männern hin.“ Eine Überblicksstu-die verweist als Beispiel für die praktische Relevanz, die Religiosität für die Behandlung haben kann, auf Studien, „die zeigen, dass sehr religiöse Krebspatienten in fort-geschrittenem Krankheitsstadium häufiger intensive lebensverlän-gernde Therapien wünschen oder erhalten als Patienten, für die Religiosität weniger bedeutsam ist“. Die Autoren warnen davor, Religiosität an sich als Ressource zu sehen. Vor allem eine von einem negativen Gottesbild geprägte Form könne sich als Belastungsfaktor erweisen. Die Autoren sehen noch erheblichen Forschungsbedarf in dem von ihnen untersuchten Feld. Im Einzelnen förderte die Untersuchung interessante Details zutage: So veränderte sich Religi-osität durch die Erkrankung (20% der Frauen und 13% der Männer berichteten eine Verstärkung ihres Glaubens). In ihrem Fazit meinen

die Autoren, dass „religiöse und spirituelle Angebote sowie auch eine Zusammenarbeit mit der Seelsorge in der onkologischen Rehabilitation eine wertvolle Erwei-terung des Behandlungsprogramms darstellen“. Die Aufnahme von „wenigen kurzen Screening-Fragen zur Bedeutung von Religiosität oder Spiritualität im Umgang mit der Erkrankung und zum individu-ellen Wunsch nach Einbezug des Themas in den Rehabilitations-prozess in Patientenfragebogen“ sei sinnvoll. Mehr: Rehabilitation 2010: 49: 95-104, DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0030-1249029 Ein Spital ist keine Firma

Zürich: Wenn 2012 in der Schweiz in Spitälern nach Fallpauschalen (DRG) abgerechnet werden wird, droht eine wichtige Funktion des Krankenhauses auf der Stecke zu bleiben: die umfassende Sorge für den Patienten, die auch soziale Faktoren einbezieht. Darauf weist Dr. theol Ruth Baumann-Hölzle, die Leiterin des Interdisziplinären Ins-tituts für Ethik im Gesundheitswe-sen in Zürich hin. In der Zeitschrift PrimaryCare 10/2010 fordert sie:

„Die Qualität der Behandlung kann nur dann aufrecht erhalten werden, wenn die Fallpauschen nicht nur Ressourcen für die Wiederherstel-lung von Körperfunktionen umfas-sen.“ Sie müssten den ganzen Behandlungs- und Betreuungsbo-gen der Patienten mit allen Schnitt-stellen umfassen, verbindliche Qualitätsstandards festlegen und soziale Aspekte berücksichtigen.

Hoffnung anbieten

Rotenburg/Fulda: Mit „Spiritualität im therapeutischen Team“ befasste sich die Arbeitsgemeinschaft der Heim- und Krankenhausseelsorger im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden auf ihrer Jahrestagung vom 17. bis 19. Februar in Rotenburg/Fulda. Pastor Hans-Jürgen Schrumpf (Hamburg) berichtet, es gehe dabei um mehr als Frömmigkeit und religi-öse Bedürfnisse. Spiritualität in der Krankenhaus- und Heimseelsorge wolle Belastungen und Haltungen im therapeutischen Team erkennen, benennen und Ressourcen freisetzen. Es gehe dabei um seelsorgerliche Impulse, die einen entlastenden Perspektivwechsel ermöglichen. Unabhängig von Herkunft, Religion und Lebensüberzeugung müsse dabei die Sehnsucht nach Leben ernst genommen und den Patienten Mut zur Hoffnung gemacht werden. Christliche Spiritualität werde dabei an die Gegenwart und Hilfe Gottes erinnern und dazu einladen, sein Ver-trauen auf ihn zu setzen, so Schrumpf. Hauptreferent war der Theologe und therapeutische Seelsorger Dr. Gábor Hézser (Bielefeld). Wie begegnet man einem therapeutischen Aktivismus, der die Begrenzung des Lebens schwer akzeptiert und die Bedürfnisse von Schwerstkranken und Sterben-den leicht übersieht? Wie können Seelsorger stellvertretende Hoffnung anbieten, wo Verzweiflung herrscht?

Wie widerstehen sie der Versuchung, Spiritualität machen zu wollen? Wie kann es gelingen, darauf zu warten und zu vertrauen, dass Gott zu seiner Zeit das Nötige tut? Besonders die letzte Frage ist für das therapeutische Team eine Herausforderung. Kran-kenhausseelsorge ist dem Schwei-gegebot verpflichtet. Sie darf deshalb seelsorgerliche Inhalte nicht doku-mentieren wie therapeutische und pflegerische Maßnahmen. Trotzdem müssten Seelsorgende im Behand-lungsteam eingebunden sein. Sonst werde es nicht gelingen, gemeinsam eine lebendige Spiritualität im thera-peutischen Team zu entwickeln.

Spirituelle Anamnese

Langenthal: Für eine spirituelle Anamnese bei der stationären Auf-nahme von Patienten wirbt in der jüngsten Ausgabe von Primary Care, der Schweizer Zeitschrift für Hausärzte, Dr. René Hefti. Der Arzt, der auch zum Fachbeirat von ChrisCare gehört, beschreibt sein eigenes Schema: Einstiegsfrage: „Wie bewältigen Sie ihre Krankheitssituation?“ Wenn der Patient nicht spontan religiöse Aspekte nennt: „Spielt dabei für Sie auch Reli-giosität oder Spiritualität eine Rolle?“ Wenn der Patient dies verneint, ist hier die spirituelle Anamnese beendet, wenn er die Frage bejaht: „Ist die religi-öse Einstellung für Sie hilfreich oder belastend?“, „Gehören Sie einer religi-ösen Gemeinschaft an?“, „Erhalten Sie von dieser Unterstützung?“ Abschluss-frage: „Möchten Sie, dass ihr religiöser Hintergrund in die Behandlung mitein-bezogen wird?“, „Wenn ja, in welcher Weise?“. Der Chefarzt der Klinik Langenthal plädiert für eine stärkere Berücksichtigung spiritueller Aspekte auch in der Ausbildung künftiger Ärzte. In den USA werde das bereits von der Hälfte der Medizinischen Fakultäten berücksichtigt. Mehr unter: www.primary-care.ch/archiv

Brandschutzübung

Hamburg: Im Albertinen-Kranken-haus wurde Anfang 2011 erstmalig in Hamburg eine Brandschutzübung einschließlich der Räumung einer intensivmedizinischen Einheit durch-geführt. Simuliert wurde ein Feuer auf einer Station mit „Liegendpati-enten“, das binnen weniger Minuten auf die Intensiveinheit mit zum Teil beatmeten „Patienten“ überschlug. Insgesamt waren 20 „Patienten“ betroffen, davon acht intensivpflich-tig und hiervon wiederum vier beat-met. Geübt wurde unter beängsti-gend realistischen Bedingungen mit Theaterrauch in einem leer stehen-den Trakt des Krankenhauses.

Grundsteinlegung in Berlin-Mitte

Berlin: Das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutsch-land und der Evangelische Entwick-lungsdienst haben Anfang Mai den Grundstein für ihr neues gemeinsa-mes Werk in Berlin-Mitte in der Nähe des Nordbahnhofes gelegt. Beide Werke fusionieren 2012 und werden ihre Arbeit ab Herbst 2012 in Berlin unter dem Dach des neuen „Evange-lischen Werkes für Entwicklung und Diakonie“ weiterführen. „Brot für die Welt“ und Diakonie Katastrophen-hilfe, die bisher zum Diakonischen Werk der EKD gehören, bilden nach ihrer Fusion mit dem Evangelischen Entwicklungsdienst das neue „Brot für die Welt – Der evangelische Entwicklungsdienst“. Das Diakoni-sche Werk führt seine Arbeit zukünf-tig unter dem Namen „Diakonie Deutschland – Der evangelische Bundesverband“ fort.

NACHRICHTEN

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2/2011 CHRISCARE 3938

Segn

en

STANDPUNKT

Spiritualität ist kein spezifisch christ-liches Phänomen, aber der Begriff hat einen christlichen Ursprung. Er leitet sich vom Spiritus Sanctus, dem Heiligen Geist, her. Wo der Heilige Geist Fühlen, Denken und Handeln eines Menschen bestimmt, ist das Leben spirituell.1 Damit eröffnet sich ein großer Raum voller Chancen und Möglichkeiten. Der Heilige Geist trennt nicht zwi-schen weltlichem und geistlichem Leben. Er lässt sich in jede Situation einladen, um sie zu „beleben“. Damit erhalten viele Alltagshandlungen eine neue Bedeutung und Wirkung. Ich möchte es am Beispiel des biblischen Segens veranschaulichen. Der Segen hat seinen Ursprung in den familiären und freundschaftlichen Beziehungen. Im griechischen heißt Segen „eulo-gie“ = gut reden und loben. Wir haben täglich viele Gelegenheiten, Menschen durch unsere Worte zu segnen. Gerade in Krisensituationen haben Worte eine große Bedeutung. Nicht zu unterschätzen ist auch der Ton, die Sprachmelodie, mit der wir sprechen. Worte und Gesten haben eine Kraft, dies wird in der hebräischen Bedeutung von Segen „Barakh“ deutlich. Die Schöpfungs-geschichte erzählt sehr anschaulich davon: „Gott sprach und es geschah“. Noch heute steht am Anfang einer „Neuschöpfung“, z.B. einer Erfindung, häufig ein Gedanke, der sich konkre-

tisiert und Gestalt annimmt, je mehr darüber gesprochen wird. Worte schaffen immer noch neue Wirklich-keiten und verändern die Welt. Das dritte lateinische Wort für Segen „signare“ führt uns in den Bereich der Berührung. Segenszeichen, wie Hand auflegen, sich umarmen und küssen haben nachweislich einen körperlichen „Belebungseffekt“. Es wurde wiederholt festgestellt, dass sich während des Handauflegens der Hämoglobinspiegel im Blut erhöhte2. Die Zunahme der Sauerstoffversor-gung führt einem Menschen mehr Energie zu. Es wird auch vermehrt das Hormon Oxytocin ausgeschüt-tet, welches das soziale Vertrauen steigert.3 Gottes Geist ist für mich ein sehr kreativer Geist. Im Segnen hat er uns viele Chancen gegeben, durch uns zu wirken. Wir haben die Möglich-keit, die Menschen, die uns begeg-nen, durch vielfältige Worte, Gesten und Berührungen zu segnen. Für viele ist es auch hilfreich, den Segen Got-tes hörbar und fühlbar zu erleben. Auf die Frage „Darf ich Sie segnen“ sagt kaum ein Mensch nein. Es bedarf nicht immer vieler Worte. „Im Namen des Vater, des Sohnes und des Heiligen Geistes segne ich Dich (Name des Gesegneten) mit K raft und Frieden“. In seinem Namen ist Gott gegenwär-tig und handelt, das entlastet. Gottes Segen fließt durch mich durch zum Anderen, ich darf loslassen und getrost hoffen, dass Gott SEIN Werk tut.

Es ist gut, beim Segnen den Namen des Gesegneten zu nennen, denn wir sind bei Gott mit Namen bekannt. Das alleine kann schon ein uner-messlich großer Trost sein. Oft haben sich hier für mich hilfreiche Gesprä-che entwickelt. „Meinen Sie wirklich, Gott kennt mich?“

Ich wünsche uns, dass der Segen wieder einen ganz natürlichen Platz im Leben hat, unaufdringlich und heilsam.

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1 Wolfgang Huber, Festvortrag Stift Urach 22.10.2005 2Samlley, G. & Trent, J. (1986). Bitte segne mich, auf der Suche nach dem verlorenen Segen, 2. Auflage 2006 S. 52 3Penaten- Infothek Dialog und Service Förderpreis 2000 Kap. 12. 6.1. Petter-son, M.; Alster, P.; Lundeberg, T.; Uvnäs-Moberg, K. „Oxytocin increases nocicep-tive thresholds in logterm perspective in female and male rates“ Neuroscience Letters 1996; 212 S. 87-90

Page 21: Inhalt - verlagff.deverlagff.de/fileadmin/user_upload/chriscare-ausgaben/2011-2_chris... · 2/2011 CHRISCARE 3 Inhalt Inhalt S. 4 S. 5 S. 6 S. 8 S. 11 S. 12 S. 13 S. 14 S. 18 vorliegende

2/2011 CHRISCARE 4140 ImpressumIMPRESSUM / GLOSSE

Glosse

Spruches: Krisen sind Chancen. So. Denn wenn ich die Krise kriege oder sie mich, dann will ich sie bloß wieder loswerden – und sei es auf Kosten der Chancenverwer-tung. Ich möchte die Krise nicht bewältigen, sondern „entweltigen“, also aus der Welt schaffen. Ich will wie beim Monopoly-Spiel zurück auf Los. Egal, ob ich einen Bonus bekomme. Rückblickend sehe ich doch am Anfang des Tunnels noch Licht, das mögliche Licht an seinem Ende interessiert mich nicht. Ich will durch Rückzug aus der Klemme kommen und meine Ruhe haben. Da sagt mir jemand, Krise bedeute ursprünglich nicht Klemme, sondern „entscheidende Wendung einer gefährli-chen Entwicklung“! Das heißt, ich erziele eine Veränderung meiner Ausgangssitu-ation (die offenbar verbesserungswürdig ist) und sogar meiner selbst, wenn ich jetzt keinen Rückzieher mache, sondern vorausschaue und handle. In der Medi-zin bedeutet Krise: „Höhepunkt einer Krankheit – und ihr Wendepunkt“. Was bedeutet: zur Gesundheit! Und diese ist nicht zu verstehen als unkranke, sondern als nachkranke, reifere Ebene. Entziehe ich mich der Reifung, bleibe ich im Rohzu-stand. Dann bekomme ich oft zu hören: „Du bist ganz der Alte.“ – „Du hast dich überhaupt nicht verändert.“ Tolles Lob. Wenn ich nicht ausweiche, erlebe ich, wie Krisen bewältigen helfen! Nämlich meine Unreife. Deshalb sollten sie mich nicht nur dann interessieren, wenn es die Krisen anderer sind, die ich entspannt aus der Distanz betrachten kann… Wie ich nun mit Krisen umgehe? Auf keinen Fall, indem ich sie umgehe. Am besten danke ich schon, bevor das Licht am Ausgang erscheint. Gott fühlt sich dadurch geehrt. Und die Erfahrung wird folgen: Gott kommt mir von vorn entgegen. Die Mitte der Nacht ist der Anfang des Tages. Sind Krisen also doch Chancen? Meinetwegen. Dr. med. Günther Riedl,

Kinder- und Jugendarzt, Uelzen

Wenn ich beim Thema „Wie Krisen bewälti-gen?“ irgendetwas vermeiden möchte, dann ist es die Erwäh-nung des altklugen

WIE KRISEN BEWÄLTIGEN ?!

Herausgeber und Verlag: ChrisCare erscheint im Verlag Frank For-naçon, Ahnatal, und wird von Christen im Gesundheitswesen e.V. herausgegeben. Chefredaktion: Frank Fornaçon (FF) (V.i.S.d.P.), Korrektorat Julia Fornaçon. Die Beiträge wurden sorgfältig ausgewählt, dennoch übernimmt die Redaktion keine Haftung für die Inhalte. Verantwortlich ist der jeweilige Autor. Zur leichteren Lesbar-keit wird bei Begriffen, die männlich und weiblich gemeint sind, eine gemeinsame Form verwendet, z.B. „Patienten“. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos übernimmt der Verlag keine Haftung. Copyright: Christen im Gesundheitswesen e.V., ChrisCare wird im ChrisLit gelistet: www.chrislit.de Redaktionsanschrift: Verlag Frank For-naçon, Am Gewende 34, 34292 Ahnatal, Deutschland, Tel.: (+49) (0) 56 09 806 26, [email protected], www.verlagff.de Gestaltung: Frank.Communication., Alemannenstr. 2, 78224 Singen, Deutsch-land, www.frank-com.de Druck: Graphische Werkstatt von 1980 GmbH, Yorkstraße 48, 34123 Kassel, Deutschland Anzeigenverwaltung Deutschland und Österreich: Verantwortlich: Günther Gund-lach, Christen im Gesundheitswesen e.V., Aumühle, Bergstraße 25, 21521 Aumühle, Tel.: (+49) (0) 917 09 30, [email protected], www.cig-online.de. Anzeigenverwaltung Schweiz: Verant-wortlich: Niklaus Mosimann, bvMedia Christliche Medien, Witzbergstrasse 7, PF 384, CH-8330 Pfäffikon ZH, Tel.: (+41) (0) 43 288 80 15 [email protected], www.bvmedia.ch. Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 1/2010. Trotz sorgfältiger Prüfung kann der Verlag keine Verantwortung für die veröffentlichten Anzeigen, Beilagen und Beihefter überneh-men. ChrisCare erscheint jeweils in der Mitte eines Quartals. Preise: Einzelheft € (D) 5,80, € (A) 6,00, SFr (CH) 10.30. Jahresabonnement (4 Ausgaben) € (D) 19,20, € (A) 19,80, SFr (CH) 31.30 jeweils zuzüglich Versand-kosten, Anschriftenänderungen sind recht-zeitig vor Erscheinen des nächsten Heftes dem ChrisCare-Aboservice in Deutsch-land, der BMK Wartburg Buchhandlung in Österreich oder bvMedia in der Schweiz mitzuteilen. Die Post liefert Zeitschriften nicht automatisch an die neue Anschrift. Bestellungen aus Deutschland: ChrisCare-Aboservice, Bergstraße 25, 21521 Aumühle, [email protected], Tel.: (+49) (0) 917 09 30, Fax: (+49) (0) 917 09 39, Vertrieb auch über die J.G.Oncken Versand-buchhandlung, Postfach 20 01 52, 34080

Kassel, Tel.: (+49) (0) 561 5 20 05-0, [email protected] Bestellungen aus der Schweiz: bvMedia Christliche Medien, Witzbergstr. 7, Postfach 384, CH-8330 Päffikon ZH, [email protected], www.bvmedia.ch, Tel.: (+41) (0) 43 288 80 10, Fax: (+41) (0) 43 288 80 11 Bestellungen aus Österreich: BMK WARTBURG, Vertriebsges.m.b.H., Trautsongasse 8, A 1082 Wien, Tel.: (+43-1) 405 93 71, Fax: (+43-1) 408 99 05, E-Mail: [email protected] Konto Deutschland: Christen im Gesundheitswesen, Evangelische Darlehnsgenossenschaft Kiel, BLZ 210 602 37, Konto 126217 Konto Schweiz: Postkonto 85-622703-0, IBAN CH90 0000 8562 2703 0, BIC: POFICHBEXXX Konto Österreich: Kontonummer für Abonnenten: 7477326 BLZ 32000,RLB NÖ-Wien ISSN 1869-9944 Heft 2 2011: Fotonachweis: S.1: istock-photo.com/ImagineGolf; S.2: istockphoto.com/jonhortondesign; S.3: privat; S.4: foto-lia.com/Jesús Arias; S.5: © artothek, Städle Frankfurt a.M.; S.6: privat; S.8: photocase.com/3format; S.11: privat; S.12: privat; S.13: privat, istockphoto.com/jaroon; S.15: istockphoto.com/thelinke; S.17: privat; S.18: istockphoto.com/druvo, privat; S.19: istock-photo.com/Angelika; S.20: www.medi-learn.de, Notfallseelsorge; S.23: istockphoto.com/contour99, privat; S.24: privat; S.26: istock-photo.com/xxapril; S.27: privat; S.28: privat; S.29: privat; S.30: privat; S.31: privat; S.32: privat; S.33: privat; S.34: Heribert Frieling, privat; S.35: privat; S.36: Thomas Plaßmann; S.37: privat; S.38: privat; S.39: fotolia.com/Denis Germain, privat; S.41: privat; S.44: istockphoto.com/hidesy; S.46: privat; S.47: privat; alle anderen Bilddaten: FRANK.COMMUNICATION. Textnachweis: S. 13 aus: Alzheimer Info, Nachrichten der Deutschen Alzhei-mer Gesellschaft 1/2010 Beilage: Einladungsprospekt 3. Christ-licher Gesundheitskongress, Bibel-TV, Werbepostkarte und Begleitbrief ChrisCare

Heft 3/2011 erscheint im August 2011.

ANZEIGEN Perspektiven schaffen.

Hier und jetzt.Auch dort, wo die Not am grössten ist, können Sie Leben verändern. Helfen Sie verstossenen Kindern in Osteuropa.

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Bitte setzen Sie sich für weitere Informationen mit der Pflegedienstleiterin Frau Petra Habeck in Verbindung.

Christlicher AIDS-Hilfsdienst e.V. Postfach 600125 – 60331 Frankfurt Tel. 069/490139 Fax 069/490159 E-mail: [email protected] Homepage: www.cahev.de

Christusträger-Schwestern Hergershof, 74542 Braunsbach

www.christustraeger-schwestern.de

Für die medizinische Arbeit in Rawalpindi/Pakistan suchen wir

eine Krankenschwester/einen Krankenpfleger

mit der Bereitschaft, langfristig (mind. fünf Jahre) die Pflegedienstleitung im Rawalpindi Leprosy Hospital (97 Betten) zu übernehmen.

Die Bewerberin/ der Bewerber sollte …

E Erfahrung in Stationsleitung und in Mitarbeiterführung haben

E Über gute Englischkenntnisse verfügen

E Motiviert sein, als Christ in einer islamisch geprägten Kultur zu arbeiten

Das Rawalpindi Leprosy Hospital ist das Referenzzentrum für Lepra im Norden Pakistans und ein staatlich anerkanntes Behandlungszentrum für Tuberkulose (einschliesslich MDR TB).

Daneben besteht eine grosse dermatologische Ambulanz und eine Krankengymnastikabteilung.

Es hat ca. 70 Mitarbeiter. Die ärztliche Leitung liegt in den Händen der Christusträger-Schwestern.

Bitte melden Sie sich bei: Christusträger-Schwesternschaft Hergershof, 74245 Braunsbach Tel: 07906 – 8671, (Fax 8670) e-mail: [email protected] Wir senden Ihnen gern weitere Informationen

74542

Page 22: Inhalt - verlagff.deverlagff.de/fileadmin/user_upload/chriscare-ausgaben/2011-2_chris... · 2/2011 CHRISCARE 3 Inhalt Inhalt S. 4 S. 5 S. 6 S. 8 S. 11 S. 12 S. 13 S. 14 S. 18 vorliegende

2/2011 CHRISCARE 4342 ANZEIGEN

22.–24.3.2012: Kassel, 3. Christlicher Gesundheitskon-gress, www.christlicher-gesundheitskongress.de

Mit dabei: Jürgen Moltmann, Nikolaus Schneider, Lea Ackermann, Horst von der Hardt, Martin Grabe, Michael Utsch, Hubert Hüppe, Cornelia Coenen-Marx, Klaus Dörner, Astrid Giebel, Klaus-Dieter John, Paul Donders, Georg Schiffner, Heinrich-Christian Rust, Henning Dobers sowie weitere 100 Referenten

24.–25.5.: Bad Boll, Strategische Her-

ausforderungen in der Diakonie,

www.ev-akademie-boll.de

26.–29.5.: Dassel/Solling, „Heilung –

Verheißung und Geheimnis Gottes“,

www.cig-online.de

30.–31.5.: Freiburg im Breisgau,

Spiritualität des Konflikts,

www.caritas-akademie.de

2.6.: Königswinter, Heilung und

Gebet, ein Auftrag von Jesus,

www.zentrum-fuer-erneuerung.de

1.–5.6.: Kirchheim/Hessen,

Adventistischer Gesundheitskongress,

www.dvg-online.de

8.6.: Hamburg, Kolloquium Pflege

„Hilfreicher Umgang mit MS-Patienten“,

www.cig-online.de

8.6.: Berlin, Wie kann es heute noch

christliche Krankenhäuser geben? Dia-

konie zwischen Anspruch und Realität,

www.eaberlin.de

18.6.: Hamm, „Als Christen Demenz-

kranke begleiten“, www.cig-online.de

20.–22.6.: Loccum, Migration und

Gesundheit, www.loccum.de

23.6.: Thun, Hoffnung trotz Leid und

Schmerz im Leben, Fachtagung,

www.seminare.gub.ch

27.6.: Düsseldorf, Transkulturelle Kom-

petenz – Pflege bei Migrationshinter-

grund, www.kaiserswertherseminare.de

27.–28.6.: Düsseldorf,

Sterben und Tod in anderen Religionen,

www.kaiserswertherseminare.de

30.6.–3.7.: Maihingen, „Seminar für

erkrankte Menschen und pflegende

Angehörige“, www.cig-online.de

5.–6.7.: Bad Waldsee, „Die paar Jahre

schaffe ich noch...“ Innehalten und Wei-

chen stellen für die letzte Berufsphase,

www.tabor-reute.de

9.7.: Baden-Württemberg, Unverkrampft

in der Diakonie über den Glauben spre-

chen, www.diakoniewerk-bw.de

1.–12.7.: Bad Waldsee, Gottes Sehn-

sucht und Markt, Tabor-Forum für

Führungskräfte, www.tabor-reute.de

19.–23.7.: Der Weg entsteht im Gehen,

Eine spirituelle Wanderung auf der Via

Spluga von Thusis nach Chiavenna,

www.tabor-reute.de

25.8.: Vallendar, Kollegiale Beratung

für Moderation ethischer Fallbespre-

chungen, www.bb-trier.de

29.–30.8.: Oberägeri, Schwerkranke

und sterbende Menschen begleiten,

www.zentrum-laendli.ch

24.9.: Linz (Österreich), Gemeinsam

über den Jordan gehen, Sterbebeglei-

tung, www.cls-austria.at

26.–29.9.: Schwerte,

Trost, Ökumenisch-interdisziplinäres

Symposium, Institut für Spiritualität,

www.pth-muenster.de

29.9.–1.10.: Göttingen, Die Selbst-

bestimmung des Patienten und die

Medizin der Zukunft, Jahrestagung

Ihre

Termi

ne

der Akademie für Ethik in der Medizin,

www.aem-online.de

18.–19.10.: Bad Waldsee, Einfach mal

leben, Oasentage für Verwaltungs-

kräfte, www.tabor-reute.de

22.–23.10.: Salzburg, Internationaler

katholischer Pflegekongress,

www.salzburger-pflegekongress.de

25.10.: Riehen, 25. Riehener Seminar:

Suizid – zwischen Todessehnsucht und

Lebenshoffnung, www.sonnenhalde.ch

31.10.–1.11.: Zeillern (Österreich),

Führungspotenziale entdecken und

einsetzen, www.cls-austria.at

7.–11.11.: München,

Fachfortbildung Seelsorge auf der

Intensivstation 2011/12,

www.theologischefortbildung.de

16.11.: Oberägeri, Schwerkranke und

sterbende Menschen begleiten,

www.zentrum-laendli.ch

19.11.: Berlin, Zeitkrankheit Burnout,

[email protected]

21.–22.11.: Mainz, Spezifische

Beratungskompetenz in der Pflege,

Abschnitt 1, www.kfh-mainz.de/ifw

28.–30.11.: Bad Waldsee, Den Träumen

trauen, spirituelle Tage im Advent,

www.tabor-reute.de

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1/2010

Macht und Ohnmacht

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2/2010

Macht und Ohnmacht Leid und Schmerz

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3/2010

Leid und Schmerz Heilen in einer mul tikul turellen Gesellschaf t

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4/2010

Heilen in einer multikulturellen Gesellschaft

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Besser mi teinander

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2/2011 CHRISCARE 4544 BIBEL

„Hauptsache gesund!“, hören Eltern nach der Geburt eines Kindes mehr als jeden anderen Satz. Es ist nicht so schlimm, wenn das Kind nicht in allem den Vorstellungen der Eltern entspricht, zum Beispiel ein Mädchen ist, denn: „Hauptsache gesund!“ Zu Beginn eines neuen Jahres hören wir das auch, wenn wir unseren Nachbarn oder Arbeitskolle-gen ein gutes neues Jahr wünschen. „Die Gesundheit ist die Haupt-sache!“ Schließlich, so sind die meisten Menschen überzeugt: „Die Gesundheit ist das höchste Gut!“, auch wenn der Volksmund weiß: „Gesundheit ist nicht alles. Aber ohne Gesundheit ist alles nichts“.

Aber was ist eigentlich Gesundheit? „Gesundheit ist ein Zustand voll-kommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen." So hat es 1946 die Weltgesundheitsorganisation beschrieben. Seitdem lernen Ärzte und Pflegende diese Definition aus-wendig. Klingt ja auch gut: „Vollkom-menes körperliches, geistiges und soziales Wohlbefinden.“ Aber gibt es das wirklich? Beschreibt diese Defi-

nition nicht den Wunsch nach dem perfekten Menschen? Ist einer, der nur mit Brille gut lesen kann, nicht gesund? Und kann einer, der einen Finger verloren hat, nie mehr ganz gesund sein? Wie perfekt muss einer sein, um als gesund zu gelten?

Die Frage ist wichtig. Wenn zurzeit im Bundestag leidenschaftlich über die Präimplantationsdebatte gestritten wird, dann kommt es auf die Antwort an: Wann ist ein Mensch gesund? Wie viel Einschränkung macht das Leben lebensunwert? Steuern wir den perfekten Menschen an, wenn wir ausschließen, dass ein mög-licherweise behinderter Mensch überhaupt zur Welt kommt? Es hat ja längst angefangen, indem wir mit Krankenkassengeldern vorgeburtliche Untersuchungen durchführen. Die meisten Risiken, die dabei abgefragt werden, können allerdings gar nicht im Mutterleib behandelt werden. Ihre Entdeckung stürzt vielmehr die Mutter in ein Dilemma: behalten oder abtreiben? Wird abgetrieben, bleibt die Frau, vielleicht auch ihr Mann mit dem schlechten Gewissen allein. Es weiß ja kaum einer davon. Wird ein behindertes Kind geboren, wird das

Handicap öffentlich. Die Mutter wird gefragt: „Musste das denn sein? Bei den medizinischen Möglichkeiten, die wir haben?“ Am Ende stehen wir also immer vor der Frage: Wie perfekt muss einer sein, um leben zu dürfen? Und am anderen Ende des Lebens wird dann die Frage gestellt, wie man einen leidenden Menschen loswird. Das nennt man dann Sterbehilfe, die aber keine Hilfe zum Leben ist, son-dern zum Tod.

Diese Fragen sind einfach zu stellen, aber nicht einfach zu beantworten. Wer als Arzt oder Pflegender arbeitet, steht oft vor Fragen, auf die es keine leichten Antworten gibt. Es ist nicht immer leicht, Partei für das Leben zu ergrei-fen. Leiden kann man häufig nicht abstellen, sondern oft nur lindern. Und manchmal muss man zusehen, ohne wirklich helfen zu können.

Wenn die Ärzte keinen Rat mehr wis-sen, fragen Menschen nach göttlicher Hilfe. Sie fragen nicht nur den Gott der Christen, sie suchen hier und da. „Wer heilt hat Recht!“, heißt es dann und es ist völlig egal, ob man bei einem Schamanen aus Sibirien, einer Kräuterfrau aus Südtirol oder

einem Gesundbeter in der Lünebur-ger Heide Hilfe findet. „Hauptsache gesund!“ ist ein verführerisches Mittel. Dann betet der Hilflose um Besserung. „Lieber Gott – lass mich doch bloß rasch gesund werden!“ Ein oberflächlicher Blick in die Bibel scheint dem sogar recht zu geben: „Glaube und du wirst geheilt!“, heißt dann die Glücksformel. Gläubigkeit wird dann zum Machtmittel, um die Krankheit los zu werden.

In der Apostelgeschichte lesen wir von einem Mann, der vierzig Jahre lang gelähmt war, seit seiner Geburt, und durch ein Wunder laufen konnte. Der Name Jesu hat eine solche Kraft entfaltet, dass sein Leben auf eine ganz neue Grundlage gestellt wurde. In dem Namen steckt ein Bekennt-nis: „Gott hilft!“ Petrus kommentiert: „Durch den Glauben an den Namen Jesus ist diesem die Gesundheit gegeben worden vor aller Augen!“ Kein Wunder, dass die Heiden und Christen staunten. Die Machthaber wollten die Nachricht unterdrücken und versuchten, den Geheilten zum Schweigen zu bringen. Von der Reak-tion der Christen lesen wir in Apos-telgeschichte 4; 24, 29-31:

Das erste, worauf es der Gemeinde ankommt, scheint die schöpferische Macht Gottes zu sein. Wer Himmel und Erde gemacht hat, der kann auch in die Kausalitäten der Welt eingrei-fen. Es gibt vieles zwischen Himmel

und Erde, das wir nicht verstehen. Darum gibt es auch reichlich Grund zu Hoffen, selbst da, wo wir eigent-lich keine Hoffnung haben.

Die Christen damals brachten Heilun-gen und den Freimut in einen unmit-telbaren Zusammenhang. Freimut ist eine „Charaktereigenschaft, deren Träger seine Meinung und Gesinnung offen zu erkennen gibt und sie nicht mit Rücksicht auf möglichen Wider-spruch oder gesellschaftliche Konven-tionen unterdrückt oder verstellt.“ So umschreibt Wikipedia die Bedeutung von Freimut. Diese Offenheit ist das Ziel. Dem sollen die Zeichen und Wunder dienen, um die gebeten wird.

Für mich war eine persönliche Erfahrung ein Schlüssel, um das zu verstehen: Mein Vater hatte einen lebensbedrohlichen Infarkt erlitten. Vor fast dreißig Jahren war das eine höchst gefährliche Sache. Ich fuhr ins Krankenhaus, ein paar hundert Kilo-meter von meinem neuen Zuhause entfernt und fand meinen Vater in großer Unruhe. Zwei Nächte hatte er schon nicht schlafen können. Ich betete für ihn und bat Gott, er möge ihm Ruhe geben. Als wenig später

Lieber frei als gesund

Als sie das hörten, erhoben sie ihre Stimme einmütig zu Gott und spra-chen: Herr, du hast Himmel und Erde und das Meer und alles, was darin ist, gemacht. … Und nun, Herr, sieh an ihr Drohen und gib deinen Knech-ten, mit aller Freimut zu reden dein Wort; strecke deine Hand aus, dass Heilungen und Zeichen und Wunder geschehen durch den Namen deines heiligen Knechtes Jesus. Und als sie gebetet hatten, erbebte die Stätte, wo sie versammelt waren; und sie wurden alle vom heiligen Geist erfüllt und redeten das Wort Gottes mit Freimut.

der Arzt kam, um meinem Vater ein Schlafmittel anzubieten, lehnte der ab: „Nicht nötig“, meinte er, „mein Sohn hat für mich gebetet!“. Am anderen Morgen staunte der junge Arzt nicht schlecht, als er hörte, dass Herr For-

naçon die ganze Nacht tief und fest geschlafen hatte. Das ganze führte dann zu einigen intensiven Gesprä-chen über den Glauben. Noch heute, wenn meine Mutter den Arzt in der Stadt trifft, erinnert er sich an diese Begegnung, die ihn auf eine Spur zu eigenem Glauben geführt hatte.

Mein Vater musste weiter mit einem kranken Herzen leben. Er ist gestor-ben, so wie der Gelähmte von Jeru-salem irgendwann einmal gestorben ist, an einer Lungenentzündung oder einem Blinddarmdurchbruch oder an Altersschwäche. Der Geheilte hat Schnupfen bekommen und die Gicht, er wurde kurzsichtig und hatte vielleicht einen empfindlichen Magen. Aber er hatte etwas erfah-ren, was körperliches Wohlbefinden weit übersteigt: Er hatte die Macht Jesu erlebt, der mehr bringt als einen perfekten Körper.

Mit Jesus bekommt das Leben eine andere Qualität. Diese hat mit der Freiheit zu tun, die in Freimut steckt. Freiheit ist hier ein Kennzeichen des Heiligen Geistes. Und diese Freiheit ist möglicherweise weit mehr als vollkommene Gesundheit. Der Satz ist falsch, mit dem ich begonnen hatte: „Hauptsache gesund!“ stimmt nicht. „Hauptsache frei!“ könnte man viel eher sagen. Frei von vielem, das unser Leben einschränkt, frei von Zwängen und Ängsten. Nicht zuletzt frei von dem Zwang, gesund sein zu müssen.

Das Evangelium ist mehr als ein Heil-mittel gegen körperliche Gebrechen. Das Evangelium gibt einen Horizont, der weit über die Krankheit oder Behin-derung hinausweist und frei macht, zu einem erfüllten Leben mit Gott.

Frank Fornaçon, Pastor in Kassel.

Die Predigt wurde bei einem Gebets-

abend der Evangelischen Allianz für

Mitarbeitende im Gesundheitswesen

im Januar in Kassel gehalten.

„ “Fr

eimut

Apostelgeschichte 4; 24, 29-31

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2/2011 CHRISCARE 4746

Buchtipp46 LITERATUR / ANZEIGEN ANZEIGEN

Forschungseinsichten

Büssing, Arndt; Kohls, Niko (Hrsg.) (2011), Spiritualität transdisziplinär, Wissenschaftliche Grundlagen im Zusammenhang mit Gesundheit und Krankheit, Berlin: Springer. 234 Seiten, € (D) 49,95, SFr 70.90

Der Sammelband bietet einen Einblick in den Forschungs-stand, wie er bei zwei Tagungen in Bad Tölz präsentiert wurde. Dabei beschäftigen sich die Beiträge mit einem Spektrum, von den Neurowissenschaften über Religiöses Coping bis zu Spiritualität und Alter. Was mir beim Lesen aufgefallen ist: Die Theologie kommt als Gesprächspartner nicht vor. Die Frage des Wunders ist in der rein innerwelt-lichen Sicht der Forscher nicht vorhanden. Dadurch bleibt der Spiritualitätsbegriff auf einer religionspsychologischen Ebene und wird als Phänomen wahrgenommen, dessen Inhalte keine Rolle zu spielen scheinen. Hier wären pasto-ralpsychologische Untersuchungen hilfreich. Aber der Band stellt ja kein abschließendes Werk, sondern einen Werk-stattbericht dar. Als solcher dürfte er auch für Praktiker inte-ressant sein, die sich mit dem gegenwärtigen Forschungs-stand in Mitteleuropa beschäftigen wollen. FF

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