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III. Spezialtatbestände und Beispiele unlauteren Wettbewerbs€¦ · Die UGP-RL nennt 31 Fälle....

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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 31 III. Spezialtatbestände und Beispiele unlauteren Wettbewerbs Übersicht
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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN UWG (OHLY) SEITE 31

III. Spezialtatbestände und Beispiele unlauteren Wettbewerbs

Übersicht

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1. Schutz von Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern

a) Irreführende geschäftliche Handlungen (§ 5 UWG)

Lit.: Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 16; Peifer, WRP 2008, 556 ff.; Hofmann, Jura 2014, 926 ff. (Klausurfall)

Übungsfall (nach BGH GRUR 2013, 401 – Bio-Mineralwasser)

Die Altmarkter Schafsbräu GmbH, die sich mit der Herstellung ökologischer Biere einen Na-men gemacht hat, beschließt, natürliches Mineralwasser unter der Bezeichnung „Bio-Mineralwasser“ zu verbreiten. Das Wasser genügt nicht nur den gesetzlichen Kriterien und den Grenzwerten für natürliches Mineralwasser nach der Mineral- und Tafelwasserverord-nung, sondern unterschreitet die Grenzwerte für Nitrat und Schwermetalle stärker als die meisten anderen Mineralwässer. Außerdem gründet die GmbH eine Interessengemeinschaft Bio-Mineralwasser, die unter einem eigenen Siegel auftritt (Abbildung unten).

Die Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs erhebt nach erfolgloser Abmah-nung Klage gegen die GmbH mit dem Antrag, die Verwendung des Begriffs „Bio-Mineralwasser“ und des abgebildeten Siegels zu unterlassen. Erstens sei selbstverständlich, dass Mineralwasser den gesetzlichen Anforderungen genüge. Zweitens verweise die Silbe „Bio-“ auf landwirtschaftliche Erzeugnisse, während sie bei Wasser zu Unrecht eine besondere Qualität suggeriere. Drittens dürfe für landwirtschaftliche Erzeugnisse nach der EU-Öko-Basisverordnung 834/2007 nur mit staatlicher Genehmigung geworben werden. Die Verord-nung sei zwar auf Mineralwässer nicht anwendbar, doch der Verbraucher erwarte eine solche Genehmigung. Viertens verbiete 2 II ÖkoKennzVO die Verwendung einer dem Ökokennzei-chen nachgemachten Kennzeichnung, die zur Irreführung über die Art der Erzeugung, die Zusammensetzung oder andere verkehrswesentliche Eigenschaften des gekennzeichneten Erzeugnisses oder Gegenstandes geeignet ist. Das Öko-Kennzeichen ist Produkten vorbehal-ten, die unter die EU-Ökoverordnung fallen.

Öko-Kennzeichen Bio-Mineralwasser-Siegel

Hat die Klage der Wettbewerbszentrale Aussicht auf Erfolg?

aa) Grundlagen

Bedeutung

Der Schutz vor Irreführung (Wahrheitsgebot) gehört zu den Grundanliegen des Lauter-

keitsrechts.

- Verbraucher- bzw. Abnehmerschutz: Der Verbraucher (oder gewerbliche Abnehmer)

soll seine Nachfrageentscheidung auf der Grundlage zutreffender Informationen tref-

fen. Fehlinformationen beeinträchtigen seine Entscheidungsgrundlage.

- Mitbewerberschutz (historische Wurzel des § 5!): Wer irreführend wirbt, verschafft

sich vor seinen Konkurrenten einen unlauteren Vorsprung.

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- Allgemeinheit: Der Markt funktioniert nur, wenn der Verbraucher seine Schiedsrich-

terfunktion sachgerecht wahrnehmen kann. Täuschungen führen zur Fehlallokation

von Ressourcen. Würde das Recht nicht gegen Irreführungen schützen, dann würden

sich Investitionen in Qualität nicht mehr lohnen, weil der Verbraucher sie nicht mehr

zuverlässig erkennen könnte.

Irreführungsschutz daher als „Pionier“ des Lauterkeitsrechts:

- Irreführungsverbot bereits im UWG von 1896

- Richtlinie über irreführende Werbung als erste EG-RL im Lauterkeitsrecht (1984), al-

lerdings geringe Auswirkungen, da nur vage Definition und lediglich Mindeststandard

Grundfragen des Irreführungsschutzes:

- Rechtliches Instrumentarium: Privatrecht oder Strafrecht/Ö-Recht? In D rein privat-

rechtlicher Ansatz, in vielen anderen europäischen Ländern Kontrolle durch Verwal-

tungsbehörde (z.B. F, I, H, teilweise GB) oder Selbstkontrolle (GB).

- Verbindung zwischen Unterlassungsklage im Allgemeininteresse und individuellen

Rechtsbehelfen des Verbrauchers: In D keine individuelle Klagemöglichkeit (nach

h.M. auch kein Anspruch aus § 823 II BGB) in anderen Ländern doch (z.B. A).

- Maßstab: strenger Maßstab mit Minderheitenschutz oder Maßstab des durchschnittli-

chen Verbrauchers? Strenger Ansatz des früheren deutschen Rechts, anders jetzt das

europäische Verbraucherleitbild.

- Feststellung im Prozess: empirischer Ansatz (Meinungsumfrage) oder normativer An-

satz (richterliche Feststellung)? Praktisch weitgehend richterliche Feststellung, aus-

nahmsweise sind Meinungsumfragen aber möglich.

1909 – 2004: § 3 UWG

- Frühere Rechtsprechung zu § 3 UWG a.F.: strenge Irrführungskontrolle, Irreführung

(+) bei Irreführung von über 10-15 %, strenge Vorgaben des BGH und prozessrechtli-

che Begleitumstände führten dazu, dass Gerichte häufig nach irgendwie irreführen-

den Bestandteilen der Werbung gesucht haben.

- EuGH hielt diese Rspr teilweise für mit Art. 34 AEUV unvereinbar, Beispiele: EuGH

Rs. 16/83 = GRUR Int. 1984, 291 – Prantl (Bocksbeutel); EuGH Rs. C 220/98 = GRUR

Int 2000, 354 – Lifting-Crème

- Liberalisierung durch Übernahme des gemeinschaftsrechtlichen Verbraucherleitbilds

seit BGH GRUR 2000, 619 – Orient-Teppichmuster

§ 5 erhielt weitgehend seine jetzige Form durch die UWG-Reform 2004

2008 wurde § 5 zur Umsetzung des Art. 6 UGP-RL geändert. Die Kommission hat die Um-

setzung als unzureichend beanstandet

Im Referentenentwurf 2014 vorgesehene Änderung: Einführung einer eigenen

Relevanzklausel (Veranlassung des Verbrauchers zu einem Geschäft, dass er ansonsten

nicht getätigt hätte) und nur noch Verweis auf § 3 I.

Systematik der Irreführungstatbestände unter dem UWG 2008

Per-se-Verbote in Ziff. 1-24 der Schwarzen Liste (Anh. zu § 3 III)

§ 5 UWG als zentraler IrreführungsTB:

- I 1: allgemeiner Grundsatz („kleine Generalklausel“)

- I 2: Kriterien für Feststellung der Irreführung (in Anlehnung an UGP-RL), dabei Diffe-

renzierung zwischen unwahren und sonstigen zur Täuschung geeigneten Angaben

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- II: Erstreckung auf vergleichende Werbung und bildliche Darstellungen

- IV: Vermutung der Irreführung bei Werbung mit Preissenkungen, wenn der alte Preis

nur für eine unangemessen kurze Zeit gefordert wurde

Die Irreführung durch Unterlassen wurde früher durch § 5 erfasst, jetzt besteht mit § 5a

ein Sondertatbestand

Auch einigen Beispielen des § 4 liegt der Wahrheitsgrundsatz zugrunde, insb. § 4 Nr. 3-5,

9a

Straftatbestand des § 16 UWG.

§ 5 UWG wird durch zahlreiche Sondervorschriften ergänzt, insb. durch die

Preisangabenverordnung (PAngV, dazu unten) und durch Vorschriften des Lebensmittel-

rechts (LFGB) und des Heilmittelwerberechts (HWG) – anwendbar über § 4 Nr. 11 oder §

5a II, IV

Daneben auf Unionsebene zahlreiche Verordnungen über Produktkennzeichnungen, insb.

im Lebensmittel- und Arzneimittelbereich, z.B. die Health-Claims-Verordnung 1294/2006

über gesundheitsbezogene Angaben auf Lebensmitteln.

Verbraucherleitbild

Unionsrechtliches Verbraucherleitbild, das auch für § 5 UWG gilt: Leitbild des angemes-

sen gut unterrichteten, angemessen aufmerksamen und kritischen Verbrauchers (Egrd.

18 UGP-RL) bzw. des Durchschnittsverbrauchers (§ 3 II 2 UWG)

Dieser Durchschnittsverbraucher ist nicht allwissend, sondern situationsbedingt aufmerk-

sam. Dabei kommt es auf die Umstände des Kaufs (holt der Verbraucher vorher Informati-

onen ein oder kauft er flüchtig?) und die Art der Waren an.

Stufenleiter des § 3 II 2, 3 (s. dazu oben, II 2)

- Durchschnittsverbraucher (§ 3 II 2, 1. Alt.)

- Bei Verhalten, das sich an bestimmte Gruppe richtet, durchschnittliches Mitglied dieser

Gruppe (§ 3 II 2, 2. Alt.)

- Bei Verhalten, das nur eine besonders schutzwürdige Gruppe betrifft, Mitglied dieser

Gruppe (und damit strengere Standards) (§ 3 II 3)

Prüfungsschema (einzubauen in das allgemeine Prüfungsschema s. oben II 1)

1. Geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 1)

2. Bei B2C-Handlungen: § 3 III i.V.m. Anh. Nr. 1-24 der „schwarzen Liste“

3. Unlauterkeit gem. §§ 3 I, II, 5 (B2C) bzw. §§ 3 I, 5 (B2B)

a) Angabe

b) Irreführung

aa) Feststellung der maßgeblichen Verkehrskreise

bb) Verständnis des durchschnittlich informierten und angemessen aufmerksa-

men und verständigen durchschnittlichen Mitglieds dieser Verkehrskreise

cc) Vergleich dieses Verständnisses mit der Realität

4. Relevanz (§ 3 II bzw. § 3 I), nach h.M. unter 3 b dd zu prüfen

5. Interessenabwägung (§ 3 I, II), nur bei besonderen Anhaltspunkten im Sachverhalt

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bb) Fälle der „schwarzen Liste“

Bedeutung

Sind unter allen Umständen unzulässig, wenn sie gegenüber Verbrauchern vorgenommen

werden (§ 3 III UWG, Art. 5 V UGP-RL). Gemeinsamkeiten mit und Abweichungen von § 3

I, II:

- Es müssen geschäftliche Handlungen sein.

- Die Unlauterkeit darf nicht gesondert geprüft werden, sie ergibt sich aus Nr. 1-30.

- Spürbarkeit oder Relevanz (§ 3 II) sind nicht zu prüfen. Lösung extremer Fälle ggf.

über den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Die UGP-RL nennt 31 Fälle. Der deutsche Gesetzgeber hat Nr. 26 Anh. I UGP-RL in § 7

umgesetzt und aus Nr. 31 Anh. I UGP-RL Nr. 17 gemacht. Nr. 1-24 betreffen unwahre, Nr.

25-30 aggressive Handlungen

Einige dieser Fälle sind praktisch nicht sehr relevant (vgl. etwa den „schrägen“ in Nr. 8

geregelten Fall), relativ eng begrenzt.

Tipp 1 (wie immer im Verbraucherrecht): Text genau lesen, jedes Wort zählt!

Tipp 2: eng auslegen, im Zweifel lieber über die allgemeineren Vorschriften §§ 5, 5a (bei

Irreführung) und § 4 Nr. 1, 2 (bei aggressiven Praktiken) gehen.

Die Fälle im Einzelnen

Nr. 1, 3: Falsche Angaben zur Unterzeichnung oder Billigung von Verhaltenskodices (De-

finition in § 2 I Nr. 5, z.B. Corporate Responsibility Codes, sofern verbindlich vereinbart)

Nr. 2: Verwendung von Gütezeichen ohne Genehmigung

Nr. 4: Vortäuschen einer Billigung oder Genehmigung für Waren oder Dienstleistungen

Nr. 5: Lockangebote = Werbung für ein Produkt ohne Hinweis auf zu niedrigere Vorrats-

menge – es geht nur um die Täuschung, nicht um das Vorhalten einer zu geringen Menge

selbst

Nr. 6: Bait-and-switch-Taktik (praktisch eher selten)

Nr. 7: Fehlerhaftes Hervorrufen von Zeitdruck

Nr. 8: Kundendienstleistungen in anderer als der Vertragssprache (nicht sehr relevant)

Nr. 9: unwahre Angabe oder unzutreffender Eindruck der Verkehrsfähigkeit, z.B. Wer-

bung für ein nicht zugelassenes Arzneimittel – auch hier geht es nur um die Täuschung,

nicht um den Vertrieb des nicht verkehrsfähigen Produktes selbst

Nr. 10: Herausstellen gesetzlicher Rechte als Besonderheit des Angebots, allerdings (-),

wenn der Verkäufer erklärt, dass die Rechte gesetzlich vorgesehen sind (BGH GRUR 2014,

1007 – Geld-Zurück-Garantie III)

Nr. 11: Schleichwerbung, allerdings eingeschränkt darauf, dass ein Unternehmer redak-

tionelle Inhalte finanziert. Adressat ist nur der Unternehmer, nicht die Zeitung (EuGH

GRUR 2013, 1575 – GOOD NEWS)

Nr. 12: unwahre Werbung mit bestimmten Fällen der Angst

Nr. 13: Absichtliche (!) Täuschung über betriebliche Herkunft durch Werbung für Pla-

giate

Nr. 14: Schneeballsysteme, der EuGH (C-515/12, GRUR 2014, 680 – 4finance) setzt vo-

raus, dass der Verbraucher einen finanziellen Beitrag erbringen muss, daraufhin soll Nr.

14 im Referentenentwurf geändert werden

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Nr. 15: unwahre Ankündigung eines Räumungsverkaufs

Nr. 16: unwahre Angabe, eine Ware oder Dienstleistung könne Gewinnchancen erhöhen

Falsche Gewinnmitteilung oder Irreführung über Kosten (Nr. 17), dazu EuGH, Rs. C-

428/11 – Purely Creative et al./ OFT: Es handelt sich um einen Tatbestand der aggressiven

Praxis (daher war die „Korrektur“ des deutschen Gesetzgebers, der aus Nr. 31 der EU-

Liste Nr. 17 der deutschen gemacht hat, ein Fehler), es dürfen keinerlei Kosten entstehen.

Nr. 18: falsche Informationen über Heilungschancen bei Medikamenten, daneben greifen

Sondervorschriften des Heilmittelwerberechts ein

Nr. 19: unwahre Angaben über Marktbedingungen oder Bezugsquellen

Nr. 20: Angebot eines Wettbewerbs oder Preisausschreibens, wenn gar keine Preise ver-

geben werden

Nr. 21: falsche Behauptung, ein Produkt sei gratis

Nr. 22: Zahlungsaufforderung bei nicht bestellten Waren oder Dienstleistungen, greift

neben § 7 I (der die Zusendung selbst verbietet) und § 241a BGB ein

Nr. 23: falsche Vorspieglung privaten Handelns

cc) Allgemeine Voraussetzungen

§ 5 I: Vorüberlegungen

Die Prüfung des § 5 steht und fällt mit der genauen Benennung der möglicherweise irre-

führenden Angabe.

- Oft enthält der Sachverhalt mehrere irreführende Angaben (so im Übungsfall), dann

gilt: differenzieren, differenzieren, differenzieren!

- Tipp: Schon im Obersatz die Angabe(n) benennen, sie auf die Liste des § 5 I 2 beziehen

und ggf. andeuten, worin die Irreführung liegen könnte. Beispiel: Die Bezeichnung

„Bio-Mineralwasser“ könnte eine irreführende Angabe über die Merkmale der Ware (§

5 I 2 Nr. 1) sein, weil sie eine besondere Qualität suggeriert, die Wasser nicht aufwei-

sen kann.

§ 5 erfasst nicht nur objektiv falsche Angaben (so ein in Klausuren „beliebter“ Fehler!),

sondern auch objektiv wahre, aber missverständliche und daher irreführende Angaben

Rechtslage bis 2008: Irreführung = Auseinanderfallen des Verständnisses der angespro-

chenen Verkehrskreise und der Realität, objektive Wahrheit der Aussage unerheblich

Inzwischen differenzieren Art. 6 UGP-RL und § 5 I 2 zwischen unwahren und sonstigen zur

Täuschung geeigneten Angaben über die in einer Liste genannten Umstände. Wie geht

man damit um?

- (1) Wohl noch h.M.: Die Differenzierung ist unerheblich. Auch bei wahren Angaben ist

die Täuschungseignung zu prüfen. Die Liste des § 5 I 2 ist nicht abschließend, daher ist

eine Subsumtion unter die dort genannten Fälle nicht erforderlich.

- (2) Radikale Auslegung anhand Art. 6 UGP-RL (Köhler WRP 2013, 403, 407): objektiv

unwahre Angaben sind per se irreführend, allerdings ist noch die Verbraucherrelevanz

zu prüfen. Prüfung der Täuschungseignung nur bei „sonstigen“ Angaben

- (3) Auslegung nach Wortlaut und Systematik des § 5: Täuschungseignung ist immer zu

prüfen („sonstige zur Täuschung geeignete Angaben“), Liste des § 5 I 2 bezieht sich

aber nur auf die 2. Alt. („sonstige Angaben“)

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- Stellungnahme: Praktisch dürfte es keine Unterschiede geben – unwahre Angaben sind

regelmäßig auch zur Täuschung geeignet, wenn nicht, dann fehlt die Auswirkung auf

das Verbraucherverhalten. Die Liste des § 5 I 2 dürfte ohnehin weitgehend alle relevan-

ten Fälle enthalten. Da die Formulierung des § 5 I 2 ein vertretbares Verständnis der

UGP-RL darstellt, sollte unter den Wortlaut des UWG subsumiert und die Täuschungs-

eignung jeweils geprüft werden. Um welchen Fall der Liste es sich handelt, kann im

Obersatz (s.o.) knapp erwähnt werden. Sollte kein Fall der Liste einschlägig sein, dann

sollte das nur im Fall des § 5 I 2, 2. Alt. problematisiert werden.

Angabe

§ 5 I erfasst unwahre oder sonst zur Täuschung geeignete Angaben. Angaben = Tatsa-

chenbehauptungen.

Seit UWG 2008 keine Beschränkung mehr auf irreführende Werbung. In Betracht

kommen daher alle geschäftlichen Praktiken, neben irreführenden Werbeangaben also

Irreführung bei Nachfrage und Irreführung bei oder nach Vertragsschluss (z.B. über

Vertragsgemäßheit der Ware oder Verbraucherrechte). Klausurtipp: Wenn fraglos eine

faktische Angabe vorliegt, dann nicht lange subsumieren, sondern kurz feststellen.

Art. 6 UGP-RL verlangt keine Angabe („in irgendeiner Weise, einschließlich sämtlicher

Umstände ihrer Präsentation“), Vereinbarkeit mit EU-Recht insoweit fraglich. Jeden-

falls ist „Angabe“ im weitesten Sinne zu verstehen, so schon immer die deutsche Rspr.

Altes Beispiel: BGH GRUR 1961, 544 – Hühnergegacker.

Abgrenzung 1: Werturteile. Sie können nicht wahr oder unwahr, sondern nur mehr

oder weniger überzeugend sein Beurteilung nur nach §§ 4 Nr. 7; 6 UWG. Soweit

Werturteile aber einen Tatsachenkern enthalten, kann er nach § 5 überprüft werden.

Abgrenzung 2: Marktschreierei. Allgemeine Werbeanpreisungen („Das beste Restau-

rant in München“, „Warsteiner – das einzig Wahre“) können nicht überprüft werden

und sind deshalb erlaubt. Anders, wenn Allein- oder Spitzenstellungswerbung über-

prüfbare Tatsachenbehauptungen enthält. Beispiel (BGH WRP 2012, 1233 – Bester

Preis der Stadt): Werbung „Bester Preis der Stadt“ nicht irreführend, wenn Anbieter

nach bestem Wissen niedrigsten Preis und eine Garantie anbietet, bei Nachweis eines

niedrigeren Preises diesen selbst zu bieten.

Prüfung der Irreführungsgefahr in drei Stufen

(1) Wer sind die maßgeblichen Verkehrskreise?

Es kann sich um alle Verbraucher, aber auch um bestimmte Segmente (Internet-User,

Sportler, Ärzte, usw.) handeln (§ 3 II 2).

Bei besonders schutzwürdigen Gruppen (z.B. Jugendliche) gelten besonders strenge

Maßstäbe (§ 3 II 3)

Umgekehrt können spezialisierte Fachkreise auch besonders gut informiert sein (z.B.

Verkauf von Medizinprodukten an Ärzte oder von Sägen an Schreiner), so dass eine

Irreführungsgefahr unwahrscheinlicher wird.

(2) Wie versteht ein durchschnittlich informiertes, angemessen aufmerksames und ver-

ständiges durchschnittliches Mitglied dieser Verkehrskreise die Werbung?

Entscheidend ist das Verständnis des durchschnittlichen Mitglieds, das situations-

bedingt aufmerksam und informiert ist.

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Im Prozess kann das Gericht dieses Verständnis aufgrund eigener Sachkunde feststel-

len, wenn die Richter den betreffenden Verkehrskreisen angehören (z.B. Werbung für

Mineralwasser) oder die Frage aufgrund ihrer richterlichen Sachkunde beurteilen

können (z.B. Verwechslungsgefahr bei Ähnlichkeit üblicher Verbrauchsgüter).

Eine Meinungsumfrage ist aber erforderlich, wenn den Gerichten die eigene Sach-

kunde fehlt (Beispiel, BGH GRUR 2010, 1125 – Femur-Teil: Verwechslungsgefahr

durch Nachahmung künstlicher Hüftgelenke)

(3) Stimmt dieses Verständnis mit der Realität überein?

Einfachster Fall: objektiv unzutreffende Äußerungen, die Verbraucher für wahr hält

Irreführung auch, wenn der Durchschnittsverbraucher die Aussage möglicherweise

missversteht (§ 5 I 2, 2. Alt.).

Objektiv zutreffende, aber gleichwohl irreführende Äußerung können irreführend

sein, Beispiel: unvollständige Angaben oder Werbung mit Selbstverständlichkeiten.

Fall zur Diskussion: OLG Düsseldorf GRUR-RR 2006, 235 – ohne Fett

Die Darlegungs- und Beweislast trägt grundsätzlich der Kläger, Ausnahme in § 5 IV,

außerdem gem. § 242 BGB Beweislastumkehr möglich, wenn der Kläger den maßgeb-

lichen Geschehnissen fern steht.

Strenge Beurteilung bei Arzneimitteln, Kosmetika, etc.: Die Behauptung eines Erfolgs

kann auch dann irreführend sein, wenn der Erfolg nicht wissenschaftlich nachgewie-

sen ist und die Werbung das nicht zum Ausdruck bringt.

Relevanz (§ 3 II bzw. I)

Die Irreführung muss geeignet, das Markterhalten der maßgeblichen Verkehrskreise

zu beeinflussen? (Relevanz der Irreführung)

Art. 6 I UGP-RL enthält eine eigene Relevanzklausel, setzt also voraus, dass die Irre-

führung den Verbraucher tatsächlich oder voraussichtlich zu einer geschäftlichen

Entscheidung veranlasst, die er andernfalls nicht vorgenommen hätte.

Streitfrage: Relevanzprüfung im Wege der richtlinienkonformen Auslegung im Rah-

men des § 5 I (so BGH und h.M.) oder, wie es die Systematik des UWG nahelegt, un-

ter § 3 II bzw. (bei B2B-Praktiken) § 3 I? Für das Ergebnis unerheblich, auch ist bei-

des vertretbar. Ich halte eine Orientierung an der Systematik des deutschen UWG für

richtig, würde also § 3 II bzw. § 3 I anwenden. Aber eine Prüfung oben (als 4. Schritt

der Irreführungsprüfung) ist auch gut vertretbar.

Regelmäßig ist die Irreführung geeignet, das Entscheidungsverhalten zu beeinflussen.

Daher (+), wenn keine abweichenden Anhaltspunkte. Vor allem ist ein Nachweis tat-

sächlicher Fehlkäufe nicht erforderlich. Beispiele für fehlende Relevanz: BGH GRUR

2008, 442 – Fehlerhafte Preisauszeichnung: zu hoher Preis am Supermarktregal, aber

richtiger Preis an der Kasse, BGH GRUR 2012, 286 – falsche Suchrubrik: falsche Ein-

stellung einer Auto-Verkaufsanzeige in Suchrubrik „bis 5.000 km“ beeinflusst durch-

schnittlich aufmerksamen Verbraucher dann nicht, wenn sich wirkliche Laufleistung

von 113.000 km klar aus der Anzeige ergibt.

Interessenabwägung

Nach dem Wortlaut des § 5 I ist jede Irreführung unlauter. Es kann aber maßgebliche Ge-

geninteressen geben, aus denen eine geringfügige Irreführung hinzunehmen ist.

Der Schutz des § 5 ist in diesen Fällen nicht absolut, vgl. Art. 11 II, 13 UGP-RL

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Wo ordnet man die Interessenabwägung ein? Entweder im Rahmen der Irreführungsprü-

fung oder in § 3 I, II (m.E. besser).

Fall 1: Der Bekl. hat an der irreführenden Bezeichnung einen schutzwürdigen Besitzstand

aufgebaut (Beispiel: BGH GRUR 2003, 628 – Klosterbrauerei; Gegenbeispiel: BGH GRUR

2013, 1161 – Hard Rock Café).

Fall 2: Wertungen des Markenrechts gebieten eine markenrechtskonforme Wertung, dazu

unten unter § 5 II.

Fall 3: Deregulierung. Beispiel: Die Post muss rote Briefkästen von Konkurrenten dulden,

auch wenn viele Verbraucher sie der Post zurechnen (BGH GRUR 2011, 166 – Rote Brief-

kästen)

Klausurtipp: Selten relevant – nur ansprechen bei Anhaltspunkten im Sachverhalt!

Vertiefend: Ohly, Festschrift Bornkamm (2014), S. 507 ff.; Sack, GRUR 2014, 609 ff.

dd) Fallgruppen

Produktbezogene Angaben (§ 5 I 2 Nr. 1)

Stoffliche Substanz: Irreführend sind z.B. falsche Angaben über die Zusammensetzung

(BGH GRUR 2013, 631 – AMARULA/Marulablu: Likörbezeichnung „Marulablu“ irrefüh-

rend, wenn der Likör keine Marula-Frucht enthält), Bezeichnung eines künstlichen Pro-

dukts als echt oder natürlich, Verstoß gegen gesetzlich geschützte Stoffbezeichnungen

(z.B. Bier VO, ButterVO, Gesetz über das Branntweinmonopol, etc. – Verhältnis zwischen §

4 Nr. 11 und § 5 UWG str.), Verweis auf einen definierten Begriff (z.B. Advocaat, Scotch

Whisky, Sacher-Torte), dessen Voraussetzungen nicht vorliegen (selbst wenn der Verbrau-

cher sie nicht kennt).

Neuheit: „neues“ Produkt darf noch nicht lange auf dem Markt sein, fabrikneue Ware muss

noch unbenutzt sein.

Behauptung der Vereinbarkeit mit Industrienormen (entspricht DIN-Norm …) muss zutref-

fen.

Umwelt: „umweltfreundlich“ darf nur ein Produkt genannt werden, das nach derzeitigem

Kenntnisstand keine nennenswerten Schäden anrichtet; ökologisch, Öko-Produkt muss

Vorgaben der EG-ÖkoVO erfüllen

Zwecktauglichkeit: strenge Kriterien bei Behauptung therapeutischer Wirkungen, dazu

enthält im Übrigen die Health-Claims-Verordnung nähere Angaben

geographische Herkunft: Schutz geographischer Herkunftsbezeichnungen weitgehend

durch Sondervorschriften des Gemeinschaftsrechts und des Markenrechts (daher nähere

Behandlung in der Vorlesung „Markenrecht“)

- EG-VO Nr. 510/06: gemeinschaftsweites Register für Ursprungsangaben (= Angaben,

bei denen aus der geographischen Angabe eine besondere Qualitätsvorstellung folgt)

und geographische Herkunftsangaben, allerdings beschränkt auf Lebensmittel und

Agrarerzeugnisse, entsprechende VO für Wein

Die Kasuistik zu § 5 ist kaum überschaubar (Die Kommentierung bei Köhler/Bornkamm umfasst ca. 300 Seiten). Tipp für Seminararbeiten (und die Praxis): Niemals die Irrefüh-rung prüfen, ohne dabei einen Blick in die gängigen Kommentare geworfen zu haben!

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- Schutz geographischer Herkunftsangaben durch §§ 126 f. MarkenG, Grenzfall zwi-

schen Irreführungsschutz und Kennzeichenrecht

- Nach früher h.M. verdrängen §§ 126 MarkenG den § 5 UWG, inzwischen unter Gel-

tung der UGP-RL fraglich, allerdings wenig relevant, weil § 128 MarkenG für die

Rechtsfolgen ohnehin auf das UWG verweist.

betriebliche Herkunft: Dopplung § 5 I 2 Nr. 1 und § 5 II, dazu unten.

Werbung mit Testergebnissen: zulässig, wenn der Test von einer neutralen Institution

durchgeführt wurde und repräsentativ ist, irreführend können sein: Werbung mit weit zu-

rückliegenden Testergebnissen, Werbung mit Ergebnis „gut“, wenn alle anderen geteste-

ten Produkte mit „sehr gut“ bewertet wurden.

Preisbezogene Angaben (§ 5 I 2 Nr. 2)

Gebot der Preiswahrheit: Preis als zentrales Kriterium für die Nachfrageentscheidung,

besondere Bedeutung des Irreführungsschutzes in diesem Bereich

Sondervorschriften der PreisangabenVO, Ziel: Preisklarheit im Geschäftsverkehr mit End-

verbrauchern, sanktioniert als OWi’en, Verstoß führt unter dem Gesichtspunkt des § 5a II,

IV oder des § 4 Nr. 11 zur Unlauterkeit. Problem aber: Die PAngV ist teilweise strenger als

die UGP-RL, und es ist str., ob sie wegen Art. 3 V UGP-RL insoweit EU-rechts-widrig ist (so

Köhler, WRP 2013, 723 ff.) oder durch Art. 3 IV UGP-RL gedeckt ist. Wichtigste Bestim-

mungen:

- Angabe von Endpreisen (§ 1)

- Angabe des Grundpreises bei Verkauf von Gattungssachen nach Gewicht, Menge, Flä-

che, etc. (§ 2)

- Angabe des Preises je Mengeneinheit bei Versorgungsleistungen (Elektrizität, Wasser,

Gas) (§ 3)

- Pflicht zur Preisauszeichnung in Schaufenstern (§ 4), aber keine Verpflichtung zur

Preisangabe darüber hinaus

- Pflicht zum Aushang von Preislisten beim Angebot von Leistungen (§ 5)

- Pflicht zur Angabe des effektiven Jahreszinses bei Krediten (§ 6)

- Preisauszeichnungspflicht in Gaststätten (§ 7) und Tankstellen (§ 8)

Spitzenstellungswerbung: Werbung mit „bestem“/“niedrigstem“ Preis muss stimmen (s.

oben bei „Angabe“)

„Ab“-Preise können zulässig sein, wenn angesichts der Art der Ware oder DL Angabe ei-

nes festen Preises nicht möglich ist (EuGH, Rs. C-122/10 –

Konsumentenombudsmannen/Ving Sverige)

Bei befristeten Sonderaktionen muss sich Unternehmer an die zeitliche Grenze halten,

wenn nicht während der Aktion unerwartete Umstände eintreten (BGH GRUR 2012, 208 –

10% Geburtstags-Rabatt)

Irreführung über generelles Preisniveau: Werbung für „Dauer-Tiefstpreise“, „Preisknaller“

etc. nur erlaubt, wenn wirklich zahlreiche Waren zu Discount-Preisen angeboten werden.

Irreführung über Bedingungen der Leistungserbringung, wenn eine Aufforderung zur Ad-

ressüberprüfung für ein Branchenbuch sich bei Lektüre des „Kleingedruckten“ als kosten-

pflichtiger Auftrag entpuppt (BGH GRUR 2012, 184 – Branchenbuch Berg)

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Unternehmensbezogene Angaben (§ 5 I 2 Nr. 3)

Alleinstellungs-/Spitzenstellungswerbung: Frage ist, ob eine reine Wertung oder eine

Tatsachenbehauptung vorliegt, s.o. Beispiel (BGH GRUR 2012, 1053 – Marktführer Sport):

Bezeichnung als „Marktführer“ zutreffend, wenn kein einzelnes Unternehmen, sondern

nur eine Kette einen größeren Marktanteil hat

Art und Größe des Geschäftsbetriebs: Begriff „Apotheke“ ist gesetzlich definiert, „Fabrik“

setzt eigene industrielle Herstellung voraus, „Zentrum“ muss (anders als „Center“) gewis-

se Größe und Bedeutung aufweisen (BGH GRUR 2012, 942 – Neurologisch/Vaskuläres

Zentrum), ein „Fachgeschäft“ muss fachkundige Beratung bieten.

Inhaberschaft Beispiel (BGH GRUR 2012, 1273 – Stadtwerke Wolfsburg): „Stadtwerke“

suggeriert, dass Betrieb in kommunaler Hand ist

Bei einem „Meisterbetrieb“ muss der Meister nicht bei unangekündigtem Erscheinen des

Kunden im Geschäft sofort anwesend sein (BGH GRUR 2013, 1056 – Meisterpräsenz)

Zugehörigkeit zu einem Händlernetzwerk oder Vertriebssystem. Beispiel (BGH

GRUR 2011, 1050 – Ford-Vertragshändler): „Ford-Vertragspartner“ kann suggerieren, es

handle sich um einen Vertragshändler

Alter und Tradition: Hinweis irreführend, wenn Tradition für lange Zeit unterbrochen oder

wenn nur andere Betriebe des Gebiets über die Tradition verfügen. Beispiel: GRUR 1992,

66 - Königlich-Bayerische Weiße

Geographische Angaben: Frage des Verkehrsverständnisses, ob Abnehmer auf den Fir-

mensitz schließen oder ob es sich nur um eine Phantasiebezeichnung handelt (z.B. Pizzeria

Napoli)

Geistiges Eigentum: Schutzrecht muss wirklich vorliegen, ® steht für wirklich bestehende

Marke, falsche Angabe des Schutzes für ein bestimmtes Erzeugnis fällt unter Nr. 1

Verwechslungsgefahr (§ 5 II)

Problem: Schutz von Marken und Unternehmenskennzeichen durch das MarkenG.

Unterschiede zum UWG:

- Klagebefugnis nur des Rechtsinhabers

- Abstraktere Prüfung der Verwechslungsgefahr anhand der Kriterien Zeichennähe, Pro-

duktnähe, Kennzeichnungskraft

- Prioritätsgrundsatz

- Schranken des Kennzeichenrechts

Beispiel: A meldet die Marke „Exquisit“ für Koffer an, sie wird im Januar eingetragen.

Nach Markenrecht muss die Marke erst nach 5 Jahren benutzt werden (§ 26 MarkenG). B

verwendet die Marke ab 2012 für Koffer und bewirbt sie so intensiv, dass Verbraucher sie

kennen. A beginnt im November 2012 mit dem Verkauf von Koffern unter seiner Marke.

Nach Markenrecht müsste A gewinnen, aber Verbraucher werden irregeführt.

Verhältnis zum UWG str.

- Früher „Vorrangthese“ der Rechtsprechung und h.M.: Subsidiarität des § 5 UWG, an-

wendbar nur bei qualifizierten Angaben über die betriebliche Herkunft, die neben der

bloßen Herkunftsangabe auch eine besondere Gütevorstellung hervorrufen.

- Die „Vorrangthese“ ist jedenfalls im Verhältnis zu § 5 mit dem EU-Recht nicht verein-

bar und daher insoweit vom BGH aufgegeben worden (BGH GRUR 2013, 1161 Rn. 60 –

Hard Rock Café).

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- Deshalb sind § 5 II und das Markenrecht parallel anwendbar, aber unter § 5 sind die

Wertungen des Markenrechts zu berücksichtigen, sowohl im Rahmen des Verbrau-

cherverständnisses (Verbraucher wissen z.B., dass einige Marken von Lizenznehmern

verwendet werden) als auch im Wege der Interessenabwägung (so im „Kofferbeispiel“)

- Vertiefend dazu die Vorlesung MarkenR und Sosnitza, ZGE 2013, 176 ff.

Irreführende Preisherabsetzung (§ 5 IV)

Grundsatz: Kläger muss Irreführung darlegen und beweisen.

Umkehrung durch (widerlegliche) Vermutung in Abs. IV: Wenn Anspruchsteller unange-

messen kurze Zeit des ursprünglichen Preises nachweist, wird Irreführung vermutet.

Relikt des früheren Verbots der Gegenüberstellung von früherem und heutigem Preis. Man

könnte § 5 IV auch streichen und die Fälle über § 5 I 2 Nr. 2 lösen.

Hintergrund: Verhinderung von „Mondpreisen“ = Preisen, die niemals oder sehr kurz ge-

fordert wurden.


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