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Ich stürmte die Dämonenburg

Date post: 03-Jan-2017
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Mac KinseyBand 14Norman ThackeryIch strmte die Dmonenburg

Der beste Freund verpfiff ihn an die Polizei. Sein Mdchen sagte vor Gericht gegen ihn aus. Doch Rankin schlug ihnen ein Schnippchen. Statt am Galgen zu enden, starb er im Gerichtssaal am Old Bailey unmittelbar im Anschlu an seine Verhandlung. Sein Leichnam kam in ein namenloses Grab auf dem Friedhof in Finsbury.Zehn Jahre spter befreiten ihn die Zauberkrfte des Magiers Cioffi aus dem Grab. Rankin kehrte als Wiedergnger zurck und nahm grausame Rache an denen, die ihn verraten hatten. Er begriff nicht, da er nur ein Werkzeug war und da Cioffi ganz andere Plne hatte ein Dmonenreich zu errichten nmlich.Guinn Rankin fhlte kein Grauen vor dem, was er getan hatte. Es war die Schuld der anderen. Sie hatten ihn zu diesem Mord getrieben. Er htte diesen ekelhaften, kalten Leichnam nicht gewollt.Er wollte nur das Geld. Aber der andere trug eine Waffe. Da hatte er ihn erschlagen.Der kleine, etwas gedrungene Mann mit dem blassen Gesicht sah den Toten teilnahmslos an. Er lag in einem Meer bunter Geldscheine. Die Tasche war aufgesprungen, als er sie ihm entreien wollte. Das Schlo hatte nicht gehalten.Warum hast du mir den Dreck nicht freiwillig gegeben? murmelte er. Nun hat keiner von uns was davon. Dich werden sie in eine Grube schmeien und mich in ein Loch, das auch nicht gemtlicher ist als ein Grab.Guinn Rankin richtete sich auf. Er wischte seine Hnde an der Cordhose ab. Er tat das automatisch. Er wute, da er sich dadurch nicht reinwaschen konnte. Und er wollte es auch gar nicht.Wieso er? Schuld waren die anderen. Sie waren es, die Strafe verdienten. Das war seine Meinung.Guinn Rankin hrte die Polizeiklingel erst, als sie schon gefhrlich nahe war. Er ri sich gewaltsam von seinen Gedanken los und sprang auf die Fe.Wild und entschlossen blickte er sich um. Nein! Sie sollten ihn nicht erwischen. Sie sollten sich an ihm die Zhne ausbeien.Er wrde zu Judge gehen. Jugde war sein Freund. Er wrde ihm helfen. Schlielich hatte auch er ihm oft unter die Arme gegriffen, wenn er in der Klemme sa.Das schrille Klingeln kam nher.Guinn Rankin griff mit beiden Hnden mitten hinein in die Hundertpfundnoten. Er stopfte davon so viel in seine Taschen, wie Platz hatte. Dann schwang er sich aus dem Fenster und sprang auf der anderen Seite in die Tiefe.

*

Judge Warner starrte ihn wie einen Geist an. Ermordet? keuchte er.Guinn Rankin nickte. Du mut mir helfen, Judge, stie er atemlos hervor.Judge sah den anderen an, als begriffe er ihn nicht. Du hast einen Mann erschlagen!Es war Notwehr.Notwehr? Judge Warner lachte hysterisch auf. Warum sagst du ihnen nicht, da es Notwehr war?Wer glaubt mir schon? Sogar du zweifelst ja. Dabei sind wir Freunde. Ich will auch deine Hilfe nicht umsonst.Was heit das? Judge Warners Blick wurde lauernd.Guinn Rankin griff in die Tasche und zog einige zerknitterte Geldscheine heraus.Die Augen des Freundes wurden eng wie Schiescharten. Er konnte sich denken, woher das Geld stammte.Er fragte nicht danach, sondern streckte wortlos die Hand aus. Das Knistern des Papiers war angenehm.Hchstens fr eine Nacht, sagte er. Dann mut du verschwinden. Ich will keinen rger. Ich mchte heiraten, verstehst du?Guinn Rankin verstand. Auch er hatte heiraten wollen. Dorice war das seste Mdchen, das er kannte. Ihr einziger Fehler bestand darin, da sie Nelson hei.Die Nelsons htten ihre Einwilligung nie gegeben. Auch wenn jetzt diese Geschichte nicht passiert wre.Ich verstehe, sagte Guinn Rankin.Morgen frh siehst du mich schon nicht mehr.Hast du noch mehr? Judge Warner rieb Daumen und Zeigefinger der rechten Hand aneinander.Guinn Rankin langte erneut in die Tasche. Als er seine Hand hervorzog, war sie voller Geld.Einen Teil werde ich selbst brauchen, erklrte er, damit ich von hier abhauen kann.Judge Warner griff gierig nach den Scheinen.Unterm Dach liegt eine alte Matratze. Fr eine Nacht wird das gehen, denke ich.Danke! Das vergesse ich dir nie, Judge.Der andere lchelte verlegen und entzog dem Freund nervs die Hand. Er fhrte ihn die Treppe hinauf und lie ihn dann allein.Er ging ins Wohnzimmer zurck und zhlte das Geld, das auf dem Tisch lag. Genieerisch schnalzte er mit der Zunge. Er holte sich einen Whisky und kippte ihn hinunter.Dann nahm er den greren Teil des Geldes und trug ihn in einen Nebenraum. Den Rest lie er liegen.Anschlieend hob er den Telefonapparat, der neben dem Sofa stand, vom Boden auf und whlte eine Nummer.Als sich jemand meldete, sagte er mit halblauter Stimme: Ist dort die Polizei? Geben Sie mir die Mordkommission!

*

Er erwartete die Beamten schon an der Tr. Ich wollte nicht, da Sie luten, erklrte er.Der Grere der beiden stellte sich als Inspektor Stone vor. Sein Assistent war Sergeant Powell, ein spindeldrres Mnnchen mit Brille und einem bergroen Adamsapfel.Er ist also zu Ihnen geflohen, Mr. Warner? fragte Inspektor Stone.Er hat mir sogar Geld geboten. Judge Warner fhrte die Beamten in das Wohnzimmer und zeigte auf die restlichen Geldscheine, die noch auf dem Tisch lagen.Der Inspektor bedeutete seinem Kollegen, alles vorsichtig einzupacken.Wir waren schon dabei, den Raubmord zu untersuchen, sagte er, hatten aber noch keine Spur. Sie haben uns sehr geholfen, Mr. Warner.Das ist doch Ehrensache, Inspektor. Sicher gibt es auch eine Belohnung fr Hinweise, die zur Ergreifung des Tters fhren.Sergeant Powell sah den blonden Mann, der nach Whisky roch, irritiert an. Eine Belohnung? Das ist nicht gut mglich. Das Verbrechen geschah ja erst vor knapp drei Stunden. Und von dem Besitzer knnen Sie fr die Rckerstattung der Beute kaum etwas erwarten. Er ist ja tot. Vielleicht von den Erben.Judge Warner bi sich auf die Lippen. Zum Teufel! Er war wieder mal zu schnell gewesen.Jedenfalls drfen Sie sicher sein, da die Polizei Ihnen dankbar ist, stellte Stone fest.Das war auch schon was! Aber wenigstens hatte er sich einen Teil des Geldes beiseitegeschafft.Trgt der Kerl eine Waffe?Judge Warner sah den Polizisten berrascht an. An diese Mglichkeit hatte er noch gar nicht gedacht. Vielleicht htte Guinn ihn sogar auch noch umgebracht, wenn er ihm seine Hilfe versagt htte.Ich wei es nicht, sagte er. Aber dann htte er den Mann wohl erschossen und nicht erschlagen.Wahrscheinlich. Aber es ist doch besser, wenn wir mit allem rechnen. Powell, Sie geben mir Deckung! Sie gehen am besten nach nebenan, Mr. Warner. Diese Brder sind unberechenbar, wenn sie in die Enge getrieben werden.Judge Warner war das recht. Er legte keinen Wert darauf, Guinn in die Augen sehen zu mssen, wenn sie ihn abfhrten.Die Polizisten stiegen die Treppe hoch. Sie hielten ihre Pistolen in den Fusten.Inspektor Stone stie mit dem Schuh die Tr auf und ging sofort in Deckung.Es empfing sie kein Feuerwerk. Sie hechteten in den Dachraum und warfen sich zu Boden.Die Kammer war leer.In der Mitte lag eine zerschlissene Matratze, die nach Katzenurin roch. Allerlei Germpel bildete das Mobiliar. Staub und Spinnwegen gab es zur Genge.Sie sahen das offene Fenster und wuten augenblicklich Bescheid.Unser Freund hat den Braten gerochen, schimpfte der Inspektor und schob die Pistole zurck.Er lief zum Fenster und sah hinaus. Er sah den Flchtigen ber die benachbarten Dcher hetzen.Bleiben Sie stehen! schrie er und zwngte sich selbst durch, die ffnung. Laufen Sie hinunter, Powell, versuchen Sie, ihm den Weg abzuschneiden! Fordern Sie vorher Verstrkung an!Der Sergeant gehorchte.Bevor er die Haustr erreichte, ffnete sich die Tr des Nebenraums, und Judge Warner erkundigte sich mit bleichem Gesicht nach dem Grund der Aufregung.Der Vogel ist ausgeflogen, keuchte Powell. Sie sollten sich in acht nehmen, bis wir ihn erwischt haben.In acht nehmen? Ich? Warum das?Sergeant Powell sah den Blonden undurchdringlich an. Na, schlielich haben Sie ihn verpfiffen. Und er war Ihr Freund.Er lief hinaus auf die Strae, verstndigte vom Wagen aus die Zentrale und beteiligte sich dann an der Verfolgung des Mrders.

*

Guinn Rankin schwitzte. Sie waren hinter ihm her, und sie wrden ihn bald gefat haben.Er hetzte ber das regennasse Pflaster. Der Dreck spritzte bei jedem Schritt an ihm hoch.Von allen Seiten hrte er die Streifenwagen heranheulen. Sie hatten ihn eingekreist. Sie brauchten die Schlinge nur noch zuzuziehen.Er berquerte eine Kreuzung und sah, wie ein Polizeiwagen durch die nchste Parallelstrae jagte. Ob sie ihn entdeckt hatten?Guinn Rankin ballte die Fuste, doch er wute, da er sie nicht gebrauchen wrde. Er war innerlich lngst tot. Das Urteil vollzog nur offiziell nach, was in Wirklichkeit lngst geschehen war.Aber er wollte nicht sterben. Er wollte nicht in einem dieser Rattenlcher verrecken.Guinn Rankin suchte Zuflucht in einem Hauseingang. Die Tr war verschlossen. Dieser Erker bildete eine tdliche Sackgasse, und es war zu spt, sich ein besseres Versteck zu suchen.Die Wagen waren schon heran. Er hrte das Kreischen von Bremsen, Trenschlagen und erregte Mnnerstimmen, die Befehle durch die Nacht brllten.Er prete sich keuchend in die Nische und schlo die Augen. Er konnte schon den Atem der Hscher spren.Dann packte ihn eine knochige Faust, und er lie widerstandslos geschehen, da sie ihn ein Stck ber den Boden schleifte und dann mit einem Ruck gegen die nchste Ecke stie.Erst jetzt ri er die Augen weit auf.Er sah keinen Polizisten und blickte in keine Pistole. Der Mann, der ihn neugierig musterte, trug einen schmutzigen Kittel, auf den wunderliche Ornamente gestickt waren, und am Kinn einen undurchdringlichen Bart, der ihn an irgendein Wesen aus der Mrchenwelt erinnerte.Seine Augen funkelten hinter dicken Brillenglsern. Er stand leicht gebeugt da. Seine fr sein Alter noch erstaunlich vollen grauen Haare zierten ihn wie die Mhne eines Lwen.Guinn Rankin war nicht in der Lage zu erfassen, was mit ihm geschehen war. Er wute nur, da er die Polizisten zwar immer noch hrte, sie aber nicht sehen konnte, weil er sich pltzlich auf der anderen Seite jener Tr befand, an der er eben noch so verzweifelt gerttelt hatte.Der Alte wurde ihm unheimlich. Und die Frage, die er ihm nun stellte, brachte ihn fast um den Verstand.Wrde es dir etwas ausmachen zu sterben? Der Greis kicherte.Guinn sah ihn fassungslos an. Natrlich wrde mir das was ausmachen. Warum, glauben Sie, bin ich getrmt?Weil du Rache nehmen willst?Rache? An wem sollte ich mich rchen?An allen, die schuld sind an deinem Unglck. Wtest du da keinen?Guinn Rankins Gesicht verzog sich zu einer haerfllten Grimasse. Mehr als genug. Nicht nur Judge Warner, der mich verraten hat.Das dachte ich mir. Wieder dieses hohle Kichern. Du sollst deine Rache bekommen. Aber dazu mut du zuvor sterben. Und in deiner Todesstunde mut du voller Ha an alle denken, die deine Rache vernichten soll.Guinn Rankin schauderte.Drauen hmmerte es gegen die Tr.Er erschrak. Sie sind schon da, flsterte er.Du mut dich entscheiden. Niemand zwingt dich. Es mu dein freier Entschlu sein. Die blassen Augen des Alten hingen lauernd an dem Zgernden.Was haben Sie mit mir vor?Fr Erklrungen ist jetzt keine Zeit, mein Freund. Einiges wird geschehen, worber du dich nicht wundern darfst. Aber du wirst ber deine Feinde triumphieren.Das Pochen an der Tr verstrkte sich. Machen Sie auf, Mr. Cioffi! schrie eine Stimme. Polizei!Der Alte legte seine Hand auf die Klinke, aber er drckte sie nicht herunter. Du zgerst, Guinn Rankin, stellte er ruhig fest. Also nehme ich an, da du auf die Rache an deinen Verderbern verzichtest.Guinn Rankin wunderte sich, da der Fremde seinen Namen kannte.Schade! hrte er ihn sagen. Deine Dorice tut mir leid. Sie hat einen Feigling geliebt.Dorice! Auch diesen Namen wute der Mann, den er nie zuvor gesehen hatte. Ging das mit rechten Dingen zu? War da Zauberei am Werk?Aber nein! So etwas gab es nicht. Wenn einer Erfolg hatte, dann lag das nicht an magischen Fhigkeiten, sondern an seiner Fhigkeit, skrupellos die Ellenbogen einzusetzen.Ich werde deinem Stiefvater ausrichten, da du ihm verziehen hast, sagte Carlando Cioffi leichthin. Und auch jener zierlichen Kleinen, die dich schamlos betrogen hat. Hie sie nicht Sylvia? Oder Mister Hunnicut, der dich an die Luft setzte, weil er deinen Job fr einen Burschen brauchte, der ein bichen viel ber ihn wute? Oder?Hren Sie auf, Mr. Cioffi! Guinn Rankin war leichenbla. Er wollte nicht seine smtlichen Niederlagen aufgezhlt hren. Dieser Kerl war gespenstisch. Er wute einfach alles. Ich bin mit allem einverstanden.Die Worte waren kaum zu verstehen, aber der Greis zuckte augenblicklich herum.Du bist bereit zu sterben?Machen Sie mit mir, was Sie wollen?Und du willst Rache ben?Ich wte nicht, was ich lieber tte.Der Alte lachte grausig.Zu seinem Entsetzen sah Guinn Rankin, wie er entschlossen die Haustr ffnete und die Polizisten hereinstrmen lie. Auch er hatte ihn also nur belogen!Er glaubte, die Stimmen der beiden Beamten wiederzuerkennen. Es handelte sich um die gleichen Mnner, an die Judge ihn verraten hatte.Warum ffnen Sie denn nicht, Mr. Cioffi? fragte Inspektor Stone vorwurfsvoll.Sie mssen etwas lauter sprechen, Sir, bat der Greis und hielt sich eine Hand ans Ohr. Ich verstehe Sie sehr schlecht.Der Inspektor nickte. Er erklrte den Grund der Strung und beschrieb das Aussehen des Mrders.Er heit Guinn Rankin. Haben Sie so einen Burschen gesehen?Nein! behauptete Cioffi fest, obwohl der Gesuchte knapp hinter ihm stand.Drfen wir uns mal bei Ihnen umsehen?Sie glauben mir nicht, wie?Es ist nur zu Ihrer eigenen Sicherheit, Mr. Cioffi. Diese Halunken schrecken vor nichts zurck.Bitte sehr, schauen Sie nur nach. Aber bringen Sie mir nichts durcheinander. Wenn es auch nicht so aussieht, es ist doch alles genau geordnet. Er lie sein bekanntes Kichern hren.Guinn Rankin starrte dem Inspektor und seinem Sergeant genau ins Gesicht.Die beiden Polizisten starrten zurck, aber sie nahmen keine Notiz von ihm, sondern gingen an ihm vorbei. Sergeant Powell htte ihn ber den Haufen gerannt, wenn er nicht im letzten Augenblick ausgewichen wre.Sie durchsuchten smtliche Rume, kamen aber bald wieder ergebnislos zurck.Sie verabschiedeten sich mrrisch. Auch Guinn Rankin warfen sie noch einen Blick zu, aber der war seltsam starr und durchsichtig.

*

Die Gefahr war vorber.Guinn Rankin blieb bei Carlando Cioffi. Er verlie nicht mehr das Haus. Nicht mal des Nachts. Whrend dieser Stunden beschftigte sich sein Retter mit ihm.Der Greis hatte im Keller eine Art Laboratorium eingerichtet. Die Ordnung, von der er zu den Polizisten gesprochen hatte, war allerdings schwer zu erkennen, doch Cioffi fand sich auf wunderbare Weise in dem heillosen Durcheinander zurecht. Das allein grenzte schon an Zauberei.Alles andere, was in diesem Keller geschah, verdiente diese Bezeichnung jedoch erst recht. Der Alte braute Getrnke, die sein Gast zu ganz bestimmten Zeiten und in genau vorgeschriebenen Zeremonien trinken mute.Guinn Rankin mute sich an gespenstisch anmutende Apparaturen anschlieen und Stromste durch seinen Krper jagen lassen. Er war der passive Partner bei Beschwrungsakten, die imaginren Geistern galten.Guinn Rankin hatte anfangs versucht, sich nach Sinn und Zweck dieser unverstndlichen und manchmal sogar schmerzhaften Prozeduren zu erkundigen. Aber Carlando Cioffi schien nicht willens zu sein, ihn ber seine Plne aufzuklren.Also schwieg er fortan und lie alles ber sich ergehen, was der Meister bestimmte.Im Grunde war es ihm gleich, was mit ihm geschah, solange ihn die Polizei nicht aufsprte.Er hatte ein Bett, wenn es auch eher wie eine Richtsttte aussah. Er war nicht hungrig, obwohl Cioffi ihn nur mit Krutern und abscheulichen Extrakten ernhrte.Jegliches Zeitgefhl war ihm abhanden gekommen. In den Rumen, in denen er sich aufhalten durfte, gab es weder eine Uhr noch einen Kalender. Zeitungen hielt der Meister ngstlich von ihm fern, und da es Rundfunk und Fernsehen gab, hatte er lngst vergessen.Er verga berhaupt eine Menge. Im Grunde erinnerte er sich nur noch an die Dinge, an die Augenblicke und Menschen, denen er seine grten Demtigungen zu verdanken hatte.Schrittweise wuchs der Ha in ihm. Er nhrte seinen Groll, und es fiel ihm nicht mehr auf, da er in seinem Urteil ungerecht wurde und sich selbst an seinem Schicksal nicht die geringste Schuld gab.Er war ein leidenschaftlicher Menschenhasser geworden, und die einzige Ausnahme darin bildete Carlando Cioffi, sein Meister, dem er Dank schuldete und den er als Mchtigen akzeptierte.Es gab noch einen zweiten Menschen, den zu hassen ihm nicht gelang. Dorice Nelson, die Frau, die er hatte heiraten wollen.Ich mchte ihr wenigstens ein paar Zeilen schreiben, bat er eines Abends.Der Alte funkelte ihn zornig an. Diesem Weibsbild? Sie ist nicht besser als die anderen. Nimm jetzt deinen Trank! Vielleicht siehst du danach klarer.Er reichte Guinn Rankin einen Becher, in dem eine trbe Flssigkeit schwamm.Teilnahmslos ergriff der Jngere das Gef und setzte es an die Lippen. Er sah nicht, wie ihn der Alte gespannt beobachtete. Er nahm einen vorsichtigen Schluck.Das Gebru schmeckte abscheulich, aber das war er inzwischen gewhnt. Er wunderte sich nicht mehr darber, da er immer noch am Leben war, obwohl er sicher schon so viel Gift getrunken hatte, da es fr eine ganze Armee ausgereicht htte.Er setzte den Becher ab und starrte stumpfsinnig und apathisch hinein. Seine Blicke wurden magisch angezogen. Es war nicht sein eigenes Gesicht, das ihm wie aus einem blankgeputzten Spiegel entgegenlchelte. Es war das Gesicht von Dorice.Guinn Rankin schttelte heftig den Kopf. Er phantasierte. Er sah ihr Bild, weil er so intensiv an sie dachte.Sein Brustkorb hob und senkte sich. Er atmete heftig. Leise rief er ihren Namen.Sie antwortete! Tatschlich, sie antwortete ihm! Sehr zrtlich, sehr verlockend und verfhrerisch: Judge!Verdammt! Er hie nicht Judge. Er wollte diesen verhaten Namen nicht hren. Judge hatte ihn wie Judas den Hschern ausgeliefert.Das Bildnis in dem Becher strahlte noch immer.Zum Teufel! Sie meinte gar nicht ihn. Sie meinte den Verrter. Wahrscheinlich hatte sie ihn immer schon gemeint. Wenn sie von ihrer gemeinsamen Zukunft gesprochen hatten, waren ihre Gedanken bei dem anderen gewesen. Zur Hlle mit ihr!Guinn Rankin strzte den restlichen Inhalt des Bechers hastig hinunter und schleuderte das Gef in die Ecke. Er verdrehte die Augen und glitt mit einem Rcheln zu Boden.Carlando Cioffi beugte sich hhnisch lchelnd ber ihn.Bist du endlich reif, du Narr? flsterte er triumphierend. Bricht der Tag endlich an, an dem ich an dir meine Macht erproben kann? Nur noch wenige Tage, dann ist es vollendet. Du wirst als dein eigener Dmon umgehen und die morden, die dir mein Ha nennt. Du bist mein Geschpf, und du mut mir, deinem Meister, gehorchen. Ewig! Meine Macht wird unendlich sein. Sie werden mich frchten lernen und doch nicht wissen, vor wem sie zittern. Ich werde den miratenen Erdball formen mit deiner Hilfe, mit deiner Rache. Schon bald wirst du deine Blutfhrte aufnehmen. Und nur ich allein werde dich stoppen knnen. Hier, in dieser meiner Burg!Seine Augen waren jetzt giftgrn. Sie sprhten unheimliche Funken, whrend er unverstndliche Formeln murmelte, seine Hnde zu beschwrenden Gesten in die Luft warf und, ohne sich weiter um den am Boden Zusammengekrmmten zu kmmern, hohnlachend das Kellerlaboratorium verlie.

*

Inspektor Stone hieb wtend mit der Faust auf die Tischplatte, es ist unmglich! schrie er unbeherrscht. Er ist ein Mrder, aber kein Geist, der spurlos vom Erdboden verschwinden kann. Wir haben ihn schon fast gehabt, und doch ist er uns entkommen.Sergeant Powell mute zugeben, da es wie verhext war. Wir haben die ganze Gegend durchkmmt, Sir. Wir waren in jedem Haus. Rankin war nicht da.Er ist zwar nicht gerade ein Hne, aber immerhin zu gro, als da er von zwanzig Polizisten der britischen Krone einfach bersehen werden knnte. Es sei denn, er wre in der Lage, sich so winzig zu machen, da wir an ihm vorbeigesehen haben.Powell grinste sparsam. Vielleicht hat er uns auch hypnotisiert. Er bereute sofort seine vorlaute Bemerkung, denn Inspektor Stone sah ihn so seltsam an. als wollte er ihn fressen. Ich meinte natrlichMenschenskind, Powell! Das ist es. Der Inspektor schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Nur so kann es gewesen sein. Wir wurden hypnotisiert.Von Guinn Rankin?Stone schttelte heftig den Kopf. Das traue ich dem Kerl nicht zu. Nach allem, was wir ber ihn gehrt haben, ist er nicht mal in der Lage, mit dieser Welt fertigzuwerden, geschweige denn mit einer anderen! Da steckt ein Unbekannter dahinter.Aber wer?Cioffi. Je lnger ich darber nachdenke, um so verdchtiger wird mir der Bursche.Dieser harmlose alte Knabe?Alt ja, aber harmlos? Denken Sie nur an seinen unheimlichen Keller, in dem es wie in einer Hexenkche aussah. Ich bin davon berzeugt, da er uns auf ganz gerissene Weise hereingelegt hat.Aber weshalb? Was htte Cioffi davon, einen Mrder zu verstecken?Eben das will ich ihn fragen, und diesmal werden wir nicht geduldig vor der Tr warten, sondern uns selbst Einla verschaffen. Wir nehmen eine Handvoll Leute mit.Carlando Cioffi wurde durch das pltzliche Erscheinen so vieler Polizisten frmlich berrumpelt. Zwar versuchte er, mittels seiner hypnotischen Krfte das Schlimmste abzuwenden, doch die Beamten drangen in seinen Keller ein, und dort fanden sie Guinn Rankin, der aus allen Wolken fiel.Es ist noch zu frh, kreischte Cioffi. Er wehrte sich heftig gegen die Hnde, die nach ihm griffen, und bemhte sich, Rankin etwas zuzustecken.Inspektor Stone war auf der Hut und verhinderte es.Was haben Sie denn da Schnes? wollte er wissen und entwand ihm ein Glasrhrchen mit verschiedenen Pillen. Er sah den Alten prfend an. Gift? Er reichte die Ampulle Sergeant Powell. Lassen Sie das umgehend im Labor untersuchen!Carlando Cioffi wurde genauer untersucht, und man fand mehrere Papierttchen in seinen Taschen. Sie enthielten getrocknete Kruter, Pulver und Substanzen, die wie Teile von Insekten aussahen.Der Greis verweigerte jede Aussage ber Sinn und Zweck dieser Dinge.Sie drfen meinem Patienten nicht die Medizin wegnehmen, lamentierte er. Er braucht sie dringend, sonst geschieht etwas Entsetzliches.Wir werden Rankin durch unsere rzte untersuchen lassen, versprach Inspektor Stone ungerhrt, und er wird das erhalten, was erforderlich ist, aber nichts anderes.Der Alte verlegte sich aufs Drohen und danach auf weinerliches Bitten, aber Stone lie sich nicht beeinflussen.Er htete sich auch, dem Greis in die Augen zu sehen, denn er lie sich nicht von seiner berzeugung abbringen, da der Halunke ihn bei der ersten Begegnung hypnotisiert hatte. Die Tatsache, da sie den Mrder nun wirklich in seinem Haus gefunden hatten, untersttzte diese Vermutung.Guinn Rankin leistete keinen Widerstand, als man ihn abfhrte. Er war vllig apathisch, whrend Carlando Cioffi smtliche Geister beschwor, ihm beizustehen, um das Frchterliche zu verhindern.Aber kein Geist erschien.

*

Guinn Rankin wurde untersucht, und man stellte fest, da ihm organisch nicht das Geringste fehlte und er demzufolge auch keine Medizin bentigte.Auch sein Geisteszustand war intakt, wenn er augenblicklich auch kaum Reaktionen auf die ihm angebotenen Reize zeigte. Das Gutachten bescheinigte ihm volle Verantwortlichkeit fr die brutale Tat, und der Schuldspruch wrde nur eine Formsache sein.Whrend des Prozesses wurden eine Menge Zeugen verhrt, die zur Person des Tters aussagten. Fast alle wollten schon immer gewaltttige Neigungen bei ihm beobachtet haben.Lediglich Dorice Nelson machte darin eine Ausnahme. Das blonde Mdchen mit den verweinten, blauen Augen war so durcheinander, da seiner Aussage keine Bedeutung zufiel.Die Beobachter der Verhandlung stellten fest, da der Angeklagte smtliche Zeugen mit geradezu tdlichem Ha fixierte.Auch Carlando Cioffi wurde als Zeuge gehrt. Gegen ihn wrde in einem spteren Proze wegen Begnstigung verhandelt werden.Der Alte weigerte sich, die Fragen des Anklgers der Krone zu beantworten, und versuchte statt dessen, ein Pldoyer ber die Vergnglichkeit der Menschen und ber die Macht des Hasses zu halten.Er wurde schlielich abgefhrt und verlie den Gerichtssaal mit einem lsterlichen Fluch.Guinn Rankin wurde nach drei Tagen zu lebenslanger Haft verurteilt, und es gab nicht wenige unter den Zuhrern, die die Todesstrafe fr angemessener gehalten htten.Als der Verurteilte unter den Schmhrufen der Anwesenden hinausgefhrt wurde, brach er pltzlich zusammen.Alle, die an billiges Theater glaubten, muten sich wenig spter von den rzten belehren lassen, da Guinn Rankin tatschlich tot war und sich somit seiner Strafe entzogen hatte.Die Mediziner schttelten noch eine Weile ber den Tod des kerngesunden Mannes die Kpfe. Sie stellten verschiedene Theorien auf und konnten sich nicht einigen.Die Zeitungen schlachteten die Einzelheiten des Prozesses und seines unerwarteten Endes weidlich aus.Stanlay Simon verkaufte die Lebensgesichte seines Stiefsohnes Guinn Rankin fr eine hohe Summe an eine Zeitung und sie erschien dreizehn Wochen lang und lieferte eine angenehme, prickelnde Gnsehaut in Hunderttausende von Haushalten.Doch nach einem Vierteljahr war kein mder Penny mehr mit der Story von Guinn Rankin zu verdienen, und schon bald erinnerte sich kaum mehr einer seines Namens.

*

Wer die Unverschmtheit besitzt, mir Faulheit nachzusagen, wei bestimmt nicht, was ich whrend der letzten Tage alles um die Ohren hatte.Ich will mich nicht beklagen. Es hat auch schon ruhige Zeiten beim Secret Service gegeben. Aber momentan spielten mal wieder alle verrckt.Barbara Hicks sowieso. Von der war ich das gewhnt. Sobald sie mich sah, suchte sie frmlich nach einer Mglichkeit, mich zu rgern. Ihre Behauptung, auf dem kleinen Friedhof in Finsbury eine Gestalt mit einem Schlangenkopf gesehen zu haben, die sich vor ihr versteckt hatte, nahm ich nicht ganz ernst.Damit wollte sie vermutlich nur verhindern, da ich der Anzeige von Hedi Seiler nachging, die seit mehreren Tagen von geisterhaften Stimmen in ihrem Haus in der Cochrane Street gengstigt wurde.Hedy Seiler war das, was ich eine erfreuliche Erscheinung nennen wrde. Barbara Hicks war das nicht. Fr mich htte es keine Frage gegeben, welchem Fall ich zuerst nachgehen sollte.Leider steckte sich Barbara hinter Sir Horatio, unseren gemeinsamen Chef, und der traute sich offenbar nicht, ihr zu widersprechen. Jedenfalls entschied er zu ihren Gunsten.Aber das war noch lngst nicht alles.Im Hyde-Park hatten spielende Kinder Teile eines Skeletts gefunden, das unverkennbar von einem Menschen stammte. Bis auf den Schdel. Der gehrte angeblich eher zu einem Hund.Der Beweis konnte nicht angetreten werden, denn als die Polizei den Fund sicherstellen wollte, war er verschwunden. Lediglich eine etwa fnf Fu tiefe, nach unten sich keglig verjngende Grube war zurckgeblieben, aber die konnte auch von den Kindern stammen, obwohl sie es bestritten.Kmmern Sie sich mal drum, Mac, hatte Sir Horatio gesagt. Der Yard hat uns drum gebeten.Natrlich! Wenn die Jungens von Scotland Yard nicht weiterwuten, erinnerten sie sich gndigerweise unserer Existenz. Besonders wenn ihnen etwas ganz und gar nicht geheuer erschien, erhielt Sir Horatio prompt einen Anruf, und dann mute ich ran. Schlielich war ich fr solche Flle der Spezialist.Manchmal hatte ich die Burschen ja im Verdacht, da sie in einen Fall nur etwas hineingeheimnisten, wenn sie ihn abschieben wollten. Aber ich hatte auch schon gute Erfahrungen mit dem Yard gemacht, berwiegend gute.Mit David Stone war ich sogar befreundet. Nun gut, Stone befand sich schon lngst im Ruhestand, aber da er vierzig Jahre Polizist gewesen war, konnte er nicht leugnen.Gerade jetzt hatte er den Wunsch geuert, mich dringend zu sprechen. Ihn qulten scheuliche Ahnungen, ber die er meine Meinung wissen wollte. Doch ich hatte ganz einfach momentan keine Zeit fr ihn, so leid es mir auch tat. Ich wrde ihn anrufen, wenn ich Barbaras Phantom als einen harmlosen Schatten oder etwas hnliches entrtselt hatte. Vielleicht fuhr ich auch bei ihm vorbei. Seine Wohnung lag auf dem Weg zur Cochrane Street.Am meisten rgerte mich aber, da ich bei all diesen angeblichen Spukerscheinungen keine Zeit erbrigen konnte, um an Dinas Geburtstagsparty teilzunehmen, obwohl sie mich eingeladen hatte.Dina gehrte erst kurze Zeit zu unserem Verein. Sie wurde vorlufig nur bei den weniger riskanten Fllen eingesetzt. Ihre ganz speziellen Qualitten wute man jedenfalls beim Service zu schtzen. Besonders wenn es darum ging, sie auf einen Mann anzusetzen, der ihr seine ngstlich gehteten Geheimnisse anvertrauen sollte.Dina war kein Kind von Traurigkeit. Das kam ihr bei diesem Job zustatten. Zweifellos mignnte Barbara Hicks mir einen Flirt mit der Kleinen.Ich tat also, was ich tun mute, setzte mich in meinen MG und kurvte zum Friedhof in Finsbury, ohne recht zu wissen, wonach ich suchen sollte.Es war schon Mitternacht, Ich hatte mit voller Absicht diesen Zeitpunkt gewhlt, denn wenn sich leider auch bei weitem nicht alle Geister an die fr sie reservierte Stunde fr ihr Treiben hielten, so war die Chance, zwischen zwlf und eins ein Wesen des Schattenreiches zu treffen, grer als whrend des brigen Tages.Whrend ich zwischen den Grbern entlangschritt, sprte ich die seltsame Atmosphre, die mich warnte.Schon oft hatte mich dieses Gefhl im entscheidenden Augenblick vor Schlimmem bewahrt. Sollte Barbara wider Erwarten Recht behalten? Ich konnte es kaum glauben.Ich war allein auf dem Gottesacker. Vor jedem einzelnen Grab blieb ich stehen. Ich studierte die Inschriften, wo ich welche fand, und suchte nach Verbindungen zur Vergangenheit.Ich fand nichts.Die kleine Kapelle stand schweigend am Eingang des Friedhofs. Auch sie gab keine Antwort auf meine Frage, die da lautete: Mac, hlt dich die Hicks zum Narren, oder ist ihr wirklich etwas Grausiges erschienen, was du ihr durchaus gnnen wrdest?Man mge mich nicht fr frivol halten, aber ich habe mich schon manchmal gefragt, was einfacher sei gegen die Ungeister dieser Welt zu kmpfen oder sich gegen Sir Horatios Vorzimmerdrachen zu behaupten.Ich vertrdelte eine geschlagene Stunde. Ich verbarg mich hinter einer Tuja-Hecke, nachdem ich so getan hatte, als wre ich wieder fortgefahren.Und da passierte es.Zuerst glaubte ich an eine Sinnestuschung. Doch dann erkannte ich die Bewegung ganz deutlich.Dort hinten bei der dsteren Steinmauer kauerte jemand.Er mute erst gekommen sein, sonst htte ich ihn schon bei meinem Rundgang entdecken mssen.Wer war es, und was trieb er um diese Zeit hier? Auf die Antwort war ich schon mchtig gespannt.Ich schlich mich behutsam nher und versuchte zu ertasten, ob es sich um ein dmonisches Wesen handelte. Ich kam zu keinem Erfolg.Ich mute nher heran.Whrend ich mich vorwrts bewegte, berlegte ich mir, wie ich mich im Falle eines Angriffs verhalten sollte. Den Krif untersuchten immer noch die Kollegen vom Labor. Ich trug lediglich ein silbernes Kreuz bei mir. Eine etwas drftige Ausrstung, falls es hart auf hart ging.Aber warum sollte es das? Das Unbekannte konnte mich kaum als Gegner einstufen.Nur zehn Schritte trennten mich noch von ihm.Da sprang der Schatten pltzlich auf und jagte davon. Er mute mich entdeckt haben.Ich war verblfft. Zwar hatte ich den Eindruck, da das Wesen einen ausgesprochen kleinen Kopf besa, doch ob es sich um einen Schlangenkopf handelte, wagte ich nicht zu behaupten.Ich flitzte hinterher. Das Versteckspielen konnte ich unbesorgt aufgeben. Der andere wute genau, wo ich mich befand.Er sprang ber die Mauer. Sie war immerhin acht Fu hoch, und er brauchte fast keinen Anlauf.Mein sportlicher Ehrgeiz war angestachelt. Vor allem aber konnte ich mir keinen Umweg leisten. Sonst war der Halunke auf und davon.Ich jagte auf die Friedhofsmauer zu und stie mich ab. Ich mu gestehen, da ich sie nicht mit so elegantem Schwung bezwang. Immerhin fiel es mir nicht schwer, mich mit einem Klimmzug hochzuziehen und einen Fu auf das morsche Gestein zu stellen. Es krachte in allen Fugen.Ich sah ihn. Er flitzte genau auf meinen MG zu. Das war ja wohl die grte Unverschmtheit. Zum Glck hatte ich das Faltdeck geschlossen.Ich sprang auf der anderen Seite herunter, prallte auf einen Stein, der durch Grasbschel verborgen gewesen war, und knickte mit dem Fu um.Zur Hlle! Das hatte mir gerade noch gefehlt. Ich malte mir Barbaras sffisantes Lcheln aus, wenn ich morgen mit einer Bandage zum Dienst erschien.Den Triumph gnnte ich ihr nicht. Ich bi die Zhne aufeinander, da es nur so knackte und humpelte los.Es tat gemein weh, doch nach einigen Schritten ging es schon merklich besser. Ich holte auf.Der Halunke hantierte tatschlich an meinem Wagen herum. Er wandte mir den Rcken zu und schien mit dem Trschlo nicht klarzukommen.Ich rief ihn an und riet ihm, keine Dummheiten zu machen, weil ich Spa nur mittwochs verstnde.Tatschlich rannte er weiter, wobei Ich den Eindruck hatte, als wrde er sich auf Kugeln bewegen. Jedenfalls war er enorm schnell.Diese Faxen konnte er mit mir nicht machen. Ich war jetzt fest entschlossen, den Dingen auf den Grund zu gehen.Ich hetzte hinter ihm her und kriegte einen Mordsschreck.Die Scheinwerfer meines MG blendeten pltzlich auf und strahlten mir genau in die Augen. Dabei wute ich genau, da der Kerl nicht eingestiegen war.Der Motor brummte auf, und der Wagen setzte sich in Bewegung. Immer schneller. Und er kam direkt auf mich zu.Ich hatte die Handbremse angezogen, und die Strae war so horizontal wie ein Billardtisch. Wenn der Wagen sich selbstndig machte, mute das einen anderen Grund haben. Und der Grund lief gerade um die Ecke.Ich befand mich in einer fatalen Zwickmhle. Einerseits wollte ich den Typ nicht aus den Augen verlieren, andererseits mute ich mich mit einem seitlichen Sprung vor meinem eigenen Auto in Sicherheit bringen, sonst htte es mich berrollt.Ich landete im Dreck, war aber sehr schnell wieder auf den Beinen.Zum Glck, denn der MG kurvte einen engen Bogen und kam zurck. Jetzt stand fest, da er mir ans Leder wollte.Da es sich bei dem Kerl um keinen normalen Menschen handelte, stand nun endgltig fest. Er hatte meinen Wagen dmonisch manipuliert und mich als Opfer fr sein Spielchen ausgewhlt.Das ging mir gegen den Strich.Vorlufig konnte ich aber nichts anderes tun als laufen, denn der Wagen blieb mir auf den Fersen und lie sich auch nicht abschtteln, als ich mich zwischen die vor dem Friedhof aufgestellten Bnke zu retten suchte.Unterdessen suchte der Halunke das Weite. Das allein war wohl der Grund, warum er mich mit meinem Wagen beschftigte. Er wollte mich an einer Verfolgung hindern.Ein Knigreich fr ein Taxi! Natrlich befand sich keins in der Nhe. Wie htte es auch anders sein knnen.Ich schlug kurz vor einer Reihe von Alleebumen einen riskanten Haken und erwartete, hinter mir ein ohrenbetubendes Krachen zu hren, was den Abschied von meinem MG bedeutet htte.Aber ich tuschte mich. Das Fahrzeug bremste scharf ab, stand nun aber so, da es erst zurckstoen mute, wollte er mich weiter verfolgen.Ich nutzte die kleine Atempause, um mich erneut an die Fersen meines unbekannten Wunderlings zu heften. Er huschte gerade ber die Margery Street und blickte sich hhnisch nach mir um. Jetzt blieb er sogar stehen und verneigte sich.Das Licht einer Laterne fiel auf sein Gesicht. Nein, ein Schlangenkopf war das nicht. Es handelte sich um einen uralten Mann, dessen Wangenknochen weit hervorstanden und nur von einer ledrigen Haut berzogen waren. Die Augen lagen tief und schwarz in den Hhlen. Das eisgraue Haar hing ihm wirr ins Gesicht.Er trug keinen Anzug, sondern ein mantelartiges Kleidungsstck, das mit Erde und Mrtel von der Friedhofsmauer beschmutzt war. Er sah nicht gefhrlich aus, aber dieser Eindruck tuschte.Ich blickte mich um und stellte fest, da mein Wagen das Interesse an mir verloren hatte. Er stand still und brav vor den Bumen. Sogar die Scheinwerfer waren wieder erloschen, und der Motor schwieg.Der Alte lachte. Es gellte ber die Straen zu mir herber und zog mir die Haut zusammen. Es klang wie der Ruf aus einem Grab.Noch zgerte ich. Sollte ich zu Fu hinter ihm herjagen, oder konnte ich mich wieder dem MG anvertrauen? Vielleicht wollte mich der Erzgauner nur in das Fahrzeug locken, um mich dann ganz in der Gewalt zu haben.Ich entschied mich fr meine Beine und legte einen Sprint ein. Wenn ich in diesem Tempo weiterlief, wrde ich ihn bald haben.

*

ber dem Friedhof von Finsbury lag wieder friedliche Stille. Die beiden Strenfriede waren verschwunden, und das war mit voller Absicht geschehen, denn hier sollten Dinge geschehen, die nicht fr die Augen eines Geisterjgers bestimmt waren.Noch lie nichts darauf schlieen. Alles war wie sonst.Auf den Grbern trmte sich feuchtes Laub. Ab und zu segelte ein weiteres Blatt herab. Im Gest kauerte verborgen ein Kauz und lie von Zeit zu Zeit einen klagenden Ruf hren. Er war der Wchter der Toten, die nicht gestrt werden wollten.Gleich beim Eingang des Gottesackers befanden sich die prunkvollen Grabdenkmler. Hier lagen die Angehrigen von Geschftsleuten und solchen Mitbrgern, die mit einem hastig ausgefllten Scheck ber tausend Pfund das nachholten, was sie zu Lebzeiten des Verstorbenen versumt hatten.Die Grber mit den einfachen Steinen oder Kreuzen schlossen sich an. Und ganz hinten, in der uersten Ecke, lagen jene Toten, an die sich kein Hinterbliebener erinnerte oder erinnern wollte.Es gab einige dieser verwahrlosten Grabsttten, die das Gesamtbild des Friedhofs negativ beeinfluten. Wenn dieser Teil auch durch eine hohe Hecke abgegrenzt wurde, so blieb er doch ein rgernis.Da sich sogar die Toten in diesem Bezirk nicht standesgem benahmen, war kein Wunder. Es waren zu Lebzeiten Lumpen gewesen, und das blieben sie anscheinend auch im Tode.Es lag etwas in der Luft, was nur schwer zu erklren war. Vielleicht lag es an der frisch ausgehobenen Grube unter der gewaltigen Buche, vielleicht war auch nur ein Gewitter im Anzug. Jedenfalls konnte man die Spannung frmlich greifen.Der freche Kauz war inzwischen vllig verstummt. Er hatte seinen Kopf unter einen Flgel geschoben und lugte nur ganz vorsichtig hervor, als htte er vor etwas Unheimlichem Angst.Es fielen auch keine welken Bltter mehr von den Bumen. Es war, als htte jemand den Befehl zur absoluten Stille gegeben. Zur vlligen Konzentration.Doch dann waren Gerusche zu vernehmen. Es klang wie chzen und Sthnen. Es kam von jenseits der Hecke.Die Umgebung schwieg. Nur an einem Grab begann ein Aufruhr. Es handelte sich um die letzte Ruhesttte eines Unbekannten.Kein Stein, kein Kreuz, keine Tafel trug einen Namen. Es war nicht mal sicher, ob hier eine Frau oder ein Mann begraben lag.Jedenfalls schien es dem Toten nicht mehr in seinem Sarg zu behagen, denn er revoltierte unter der Erde. Schlielich brach die obere Schicht auf, die dicht mit Moos und Unkraut bewachsen war, und das chzen und Sthnen wurde noch lauter.Doch dabei blieb es nicht.Eine bleiche Hand kroch aus der Scholle hervor. Sie tastete um sich und ballte sich zur Faust.Die drren Knochen krachten, aber sie brachen nicht. Es war nur die lange Bewegungslosigkeit, die sich anfnglich bemerkbar machte. Das wrde sich wieder geben.Eine zweite Hand folgte. Genauso bleich, genauso drr. Aber sie war nicht verwest. Wenn man aufmerksam hinsah, konnte man den Eindruck gewinnen, als sei der Tote erst am Vortag zu Grabe getragen worden.Doch es war niemand da, der das htte beurteilen knnen. Vermutlich wre er auch in Ohnmacht gefallen, denn da sich ein Leichnam aus seinem verschraubten Sarg befreite und sich anschickte, dem Grab zu entsteigen, war nur etwas fr starke Nerven. Und natrlich auch nur im Film, nicht etwa in Wirklichkeit.Hier aber spulte kein Film ab. Hier befand sich kein Lichtspieltheater mit bequem gepolsterten Sesseln. Auf diesem Friedhof gab es nichts als Grber, und jedes war unter der Erde gleich ungemtlich. Die augenflligen Unterschiede waren nur oberflchlich.Die Hnde halfen sich nun gegenseitig. Sie stemmten sich gegen den Ri in der Erde und verbreiterten ihn. Ein modriger Geruch entwich.Dann erschien der Kopf. Er sah grausig aus. Die Augen darin blickten zwar starr, aber die Hhlen waren keineswegs leer, wie man es bei einem Gerippe htte erwarten drfen. War es denkbar, da es hier einem Scheintoten gelungen war, sich rechtzeitig zu befreien?Nein, es war ausgeschlossen. Entkrftet und ohne Werkzeug oder fremde Hilfe von auen lie sich ein verschlossener Sarg nicht ffnen. Hier muten andere, entsetzliche Dinge im Spiel sein.Das Kuzchen wagte noch immer nicht, sich bemerkbar zu machen. Die gespenstische Stille blieb. Und wenn dieser zum Leben erwachte Leichnam nicht gewesen wre, htte es nichts Ungewhnliches auf dem Friedhof von Finsbury gegeben.Aber der Leichnam war eine schaurige Tatsache. Er stellte sich nicht als Spuk oder Einbildung heraus. Er schien sich jetzt leidlich orientiert zu haben, denn er seufzte hohl und fuhr mit seiner Befreiungsaktion fort.Seine Hnde packten erstaunlich krftig zu, warfen die trockenen Erdbrocken beiseite und zogen seinen Krper vollends aus der Tiefe herauf.chzend richtete er sich auf und klopfte mechanisch den Schmutz von seinen Sachen. Er trug nicht etwa ein Leichenhemd oder war gar unbekleidet. Die Fulnis hatte weder ihm noch seinem Gewand etwas anhaben knnen.Die Cordhose und der Rollkragenpullover waren zwar nicht gerade neu, doch er schien beides noch nicht lange getragen zu haben. Es war einfaches, aber solides Material.Der Tote blickte auf sein verwstetes Grab herab. Sein Gesicht war voller Ha. Der Mund war geschlossen. Trotzdem formte er hrbar Worte: Der Totentanz kann beginnen. So schnell httet ihr mich wohl nicht zurckerwartet? Der Meister hatte recht. Es ist tatschlich gelungen.Dann setzte er sich in Bewegung, schritt durch die Reihen der Grber und strebte dem Ausgang zu.Erst lange, nachdem er verschwunden war, ertnte der nchste Ruf des Kauzes.

*

Der Bursche spielte mit mir Katz und Maus. Je lnger ich ihm folgte, um so klarer wurde mir das. Er war zu schnell fr mich, und wenn er es darauf angelegt htte, wre er lngst verschwunden.Warum hat er es nicht? Warum lockte er mich durch halb London? Hatte er irgendwo eine Falle fr mich vorbereitet?Keuchend blieb ich stehen. Es war sinnlos, lnger hinterherzurennen.Ich berlegte mir, ob der Kerl mich htte tten knnen. Ob er mich absichtlich verschont hatte. Einen Sinn fand ich nicht darin.Der Halunke wollte mir die Entscheidung offenbar erleichtern. Pltzlich entstand dort, wo er sich befand, ein Flimmern in der Luft. Er wurde durchsichtig und lste sich schlielich auf. Vor meinen Augen. Ich konnte es nicht verhindern.Schleunigst setzte ich mich in Bewegung. Ich wollte die Stelle genauer untersuchen.Ich wurde abermals enttuscht.Zwar gelang es mir, feindselige Strahlen zu empfangen, sie waren aber ausgesprochen schwach. Offenbar sah der dmonische Schelm keinen ernstzunehmenden Gegner in mir.Dem konnte man abhelfen. Ich nahm das Silberkreuz vom Hals und beschrieb damit auf dem Boden einige weimagische Symbole. Ich ordnete sie kreisfrmig an und hoffte, da der Bursche nicht inzwischen den Platz verlassen hatte. Die Zeichen wrden ihn in erhebliche Schwierigkeiten bringen, falls er die Absicht hatte, wieder aufzutauchen.Ich war berzeugt, da er es gewesen war, der Barbara Hicks erschreckt hatte. Bei seinen Fhigkeiten war er bestimmt auch in der Lage, sich einen Schlangenkopf oder andere scheuliche Attribute zuzulegen.Allerdings zweifelte ich daran, da er so harmlos war, sich mit dem Erschrecken von Menschen zufriedenzugeben. Viel eher hielt ich fr wahrscheinlich, da er mich vom Friedhof hatte weglocken wollen.Ich htte mich ohrfeigen knnen. War ich wirklich auf einen billigen Trick hereingefallen?Aber was konnte inzwischen auf dem Gottesacker geschehen sein? Das lie sich ja immer noch feststellen. Ich mute ohnehin zurck, um meinen Wagen zu holen. Ich hoffte, da ihm seine Flausen vergangen waren. Es ist kein angenehmes Gefhl, in einem Fahrzeug zu sitzen, das sich als schwer erziehbar entpuppt.Unzufrieden machte ich mich auf den Rckweg. Erst jetzt merkte ich, wie weit ich gelaufen war. Nach zehn Minuten stoppte ich ein Taxi und nannte mein Ziel.Der Fahrer zog den Kopf ein und vergewisserte sich zweimal, ob er sich nicht verhrt hatte. Ich sah ihm an, da er die Fuhre am liebsten abgelehnt htte. Ein Trinkgeld, das ich ihm im voraus gab, zerstreute seine Bedenken.Er brachte mich zum Friedhof und sah mich durch das Tor verschwinden. Ich hrte, da er wie ein Verrckter anfuhr und davonraste, als frchtete er, ich wrde mit einer Horde Gespenster zurckkommen.Ich war selbst gespannt, was ich finden wrde, und machte mich auf allerhand gefat.Umsonst! Ich entdeckte nicht die kleinste Vernderung. Alles war, wie ich es bereits kennengelernt hatte. Trotz intensiver Suche konnte ich keinen Erfolg buchen.War also mein Verdacht unbegrndet gewesen? Ganz glauben wollte ich es zwar nicht, aber ich konnte auch nicht das Gegenteil beweisen.Jedenfalls fand ich nicht die geringste Spur eines Hllenwesens oder eines Opfers. Nichts war zerstrt worden, nichts war hinzugekommen.Ich brach die Suche ab und hoffte, da ich mit den magischen Symbolen dem Spuk ein Ende bereitet hatte.Mit gemischten Gefhlen verlie ich den Friedhof und nherte mich meinem MG. Er stand nach wie vor bei den Bumen. Hinter einem Scheibenwischer klemmte ein Zettel. Es handelte sich um die Mitteilung, da ich um fnf Pfund rmer geworden sei, sobald ich das Geld wegen verbotenen Parkens beim nher bezeichneten Polizeirevier abgeliefert htte.Mein aufwallender Zorn wurde von dem angenehmen Gefhl bertrumpft, da unsere wackere Polizei auch des Nachts nicht schlief. Auerdem sagte ich mir, da dem Bobby bestimmt etwas aufgefallen wre, wenn sich whrend meiner Abwesenheit auf dem Friedhof etwas getan htte.Ich schob den Strafzettel in die Jackentasche und nahm mir vor, die Angelegenheit durch Barbara Hicks auf dem Dienstweg bereinigen zu lassen. Schlielich handelte es sich ja um ihren Schlangenkpfigen.Es war halb vier. Was sollte ich mit der angebrochenen Nacht beginnen?Hedy Seiler wrde ich durch mein Luten allenfalls zu Tode erschrecken. Die rmste war ohnehin das reinste Nervenbndel, seit die Geisterstimmen sie plagten. Zu ihr mute ich bei Tage gehen.David Stone, der alte Knabe, htte mich zwar zu jeder Tages- und Nachtzeit empfangen, aber so ganz war mir das gute Benehmen beim Service nun doch nicht abhanden gekommen.Noch bei Dina aufkreuzen, war sinnlos. Die Party war gelaufen. Auch ohne mich. Kathleen war darber bestimmt nicht traurig. Ich glaube, manchmal traute sie mir nicht ber den Weg.Blieb eigentlich nur noch das Skelett im Hyde-Park. Ich hatte zwar keine groen Hoffnungen, dort etwas Sensationelles aufzuspren, aber es bedeutete keinen Umweg fr mich, wenn ich nach Hause fuhr, um doch noch zwei oder drei Stunden zu schlafen. Sir Horatio wrde sich freuen, wenn ich ihm vergewissern konnte, da die trichterfrmige Grube zweifelsfrei ein Gebilde von Menschenhand war.Der MG hatte noch kein einziges Mal aufgemuckt oder mit der Motorhaube nach mir geschnappt. Fast war ich versucht, ihn besnftigend zu streicheln.Dann entschlo ich mich lieber, ihm zu zeigen, Wer hier der Herr war, und schlo die Tr auf.Er blieb brav und zeigte keine Mucken. Auch als ich den Zndschlssel herumdrehte und zumindest mit einer mittleren Explosion oder etwas in dieser Preislage rechnete, wurde ich angenehm enttuscht. Der Wagen hatte offenbar alles vergessen, was ihm der Unheimliche an Ungezogenheiten beigebracht hatte.Und dabei blieb es whrend der ganzen Fahrt zum Hyde-Park.

*

Dina Barrie trippelte heimwrts. Sie rgerte sich, da Sven sie nicht mit dem Wagen nach Hause brachte. Aber daran war sie wohl selbst schuld. Sie htte nicht so oft mit Mark tanzen drfen. Aber schlielich war sie frei und nicht Svens Eigentum, und auerdem konnte sie auf ihrer Party tanzen, mit wem und wie oft sie wollte.Mark konnte gut tanzen, und sie tanzte fr ihr Leben gern. Das hatte sie wahrscheinlich von ihrer Mutter geerbt, die ihr oft erzhlte, wie sie die Nchte durchgetanzt hatte, als sie noch in ihrem Alter war.Ihre Mutter mute frher ein bildhbsches Mdchen gewesen sein. Das freute Dina Barrie um so mehr, weil viele Leute behaupteten, sie sei ihr wie aus dem Gesicht geschnitten.Das Mdchen versprte noch Lust auf einen Drink. Es war einerseits beschwingt, andererseits taten ihm die Fe weh. Vielleicht traf es noch einen Bekannten, der es heimfuhr. Vor der Haustr wrde es ihn dann verabschieden. Pech fr den Jungen.Tonys Bar hatte noch geffnet. Aus einer Musicbox lrmte der neueste Hit. Es zuckte in ihren Beinen. Nach diesem Song hatte sie heute mindestens dreimal getanzt.Ohne zu zgern stie sie die Tr auf und betrat den stickigen Raum. Es war nicht mehr viel los. Einige Prchen drckten sich in den Nischen, ein paar Mnner hingen an der Theke. Der Keeper blickte verstohlen auf die Uhr.Dina Barries Erscheinen machte mde Mnner wieder munter. Ein schwarzhaariger Bursche rckte ein Stck zur Seite und winkte ihr zu. Hallo, Baby! rief er. Diesen Platz habe ich fr dich reserviert.Sie kannte den Jungen nicht, aber er gefiel ihr, wenn er auch ein bichen unheimlich aussah. Seine Wangen waren bleich und hohl. Seine dunklen Augen blickten fast durch sie hindurch, und obwohl er lchelte, ging etwas Bengstigendes von ihm aus.Sicher hatte er Liebeskummer. Sie wrde sich seine Klagen anhren mssen. Aber das machte ihr nichts aus, wenn sie nur nicht zu Fu nach Hause gehen mute. Irgendwie sah er ja interessant aus. Fast wie ein Geistlicher. Oder wie ein Forscher. Oder aber wie ein Gehenkter.Dina Barrie lachte bei diesem Gedanken glockenhell.Lachst du ber mich, Baby? Der Fremde sah sie wtend an.Unsinn, Fremder! Wrde ich mich sonst zu dir setzen?Fremder? Ja, sie waren sich fremd geworden, aber das war nicht seine Schuld. Jetzt tat sie so, als wrde sie ihn nicht kennen. Hatte er sich so verndert?Guinn Rankin blickte in den groen Spiegel hinter dem Tresen. Es standen ganze Batterien von Flaschen davor, aber er konnte trotzdem noch gut erkennen, da er der Alte geblieben war.Die Untersuchungshaft, der Proze und der kurze Aufenthalt im Sarg hatten keinen anderen aus ihm gemacht. Sie hatte ihn also tatschlich schon vergessen. Sie hatte ihn abgelegt wie ein paar unmoderne Schuhe. Sie erinnerte sich nicht mal mehr, was sie ihm angetan hatte.Aber sein Gedchtnis funktionierte ausgezeichnet. Da ihm der Zufall ausgerechnet dieses Girl gleich in der ersten Stunde ber den Weg fhrte, nahm er als einen nicht zu bersehenden Wink. Er sollte beginnen. Es gab viel zu tun.Was trinkst du? fragte er. Immer noch Gin Tonic?Dina Barrie sah ihn berrascht an. Woher weit du das?Wichtige Dinge vergesse ich nicht.Und was ich trinke, ist wichtig fr dich? Du bist s. Wie heit du? Haben wir uns schon mal getroffen? Ich heie?Ich wei, wie du heit! unterbrach er sie. Aber ich habe dich, immer Baby genannt, weil mir dein Name nicht gefiel. Und du sagtest Boy zu mir. Du hast es also tatschlich vergessen.Dina Barrie rutschte unruhig auf ihrem Barhocker hin und her. Mein Gott! Baby wurde sie von vielen genannt, aber sie konnte sich beim besten Willen an keinen erinnern, zu dem sie Boy gesagt hatte.Der Bursche wurde ihr langsam unheimlich. Wie er sie ansah! Es durchrieselte sie eiskalt. Wenn er sprach, bewegte er seine Lippen nicht. Es war wie bei einem Bauchredner, nur nicht so lustig.Seit sie fr den Geheimdienst arbeitete, hatte sie mit den merkwrdigsten Typen zu tun. Einen Mann wie diesen hatte sie aber noch nicht kennengelernt.Sie erhob sich.Willst du schon gehen?Es ist spt Boy.Darf ich dich begleiten?Das Mdchen lchelte vielsagend. Wenn du brav bist?Er sah sie fragend an, als wte er nicht, was sie meinte. Er rutschte vom Hocker, nachdem er gezahlt hatte, und ging voraus.Himmel! Er war ein regelrechter Tolpatsch. Wenn er nicht aufgepat htte, wre er glatt gegen die geschlossene Tr gerannt. Bestimmt war er auch ein schlechter Tnzer. Deshalb erinnerte sie sich nicht an ihn.Wo hast du denn deinen Wagen geparkt? fragte sie, als sie auf der Strae standen.Meinen Wagen? Ich habe keinen Wagen. Ich erreiche jedes Ziel zu Fu.Dina Barrie verdrehte die Augen. Das hatte ihr noch gefehlt. Dann htte sie gleich allein weitergehen knnen. Am liebsten htte sie den faden Burschen einfach stehenlassen.Aber das wagte sie nicht. Der Schwarzhaarige sah sie auf einmal so merkwrdig an, da sie fast sicher war, da er nicht die Absicht hatte, brav zu bleiben.Nun, sie hatte eine solide Ausbildung beim Secret Service hinter sich und trainierte auch jetzt noch dreimal in der Woche asiatische Kampftechniken. Er wrde sich noch wundern.Sie reichte ihm die Hand.Er sah sie aus glsernen Augen an. Was soll das?Vielleicht sehen wir uns mal wieder, Boy?Bestimmt sogar, Baby. Bei deiner Beerdigung werde ich nicht fehlen.Bei meiner Beerdigung? Sie starrte ihn fassungslos an. Ein Verrckter! Anders war es nicht mglich.Sie wich einen halben Schritt zurck, um die gnstigste Verteidigungshaltung einzunehmen, aber er hielt sie blitzschnell am Handgelenk fest. Sie war auerstande, sich von ihm zu lsen. Das war ihr noch nie passiert. Seine eiskalten Blicke durchbohrten sie.Au! klagte sie irritiert. Du tust mir weh!Du hast mir auch weh getan und nicht danach gefragt.Dina Barrie rechnete mit dem Schlimmsten. Sie mute fort von hier, aber es gelang ihr nicht, sich loszureien. Wie eine sthlerne Fessel umkrallte sie seine Faust, die sich entsetzlich kalt anfhlte.Durfte sie es wagen zu schreien? Wrde er dann nicht erst recht durchdrehen?Sei lieb! flsterte sie und kmpfte ihre Erregung nieder. Sie reckte sich auf die Zehenspitzen und drckte dem Mann einen flchtigen Ku auf die Lippen.Aber Guinn Rankin war damit nicht zufrieden. Er lie sein Opfer nicht mehr los. Whrend er Dina Barrie kte, suchten seine eisigen Hnde ihren schlanken Hals.Sein Gesicht vernderte sich auf grauenvolle Weise. Die Wangen platzten auf. Bleiche Knochen sprangen daraus hervor. Die Lippen zerfielen. Das Mdchen fhlte seine fauligen Zhne auf ihrem Mund. Mit schreckgeweiteten Augen erwartete es den Tod.

*

Die Stelle, an der die Kinder das Skelett gefunden hatten, war mir von Sir Horatio exakt beschrieben worden. Ich hatte keine Schwierigkeiten, sie zu finden.Schwieriger war es schon, das Gerippe aufzuspren. In der Grube lag es jedenfalls nicht.Trotz aller Bemhungen empfing ich keine fremdartigen Schwingungen. Das mochte daran liegen, da zuviel Zeit verstrichen war. Vielleicht stammte das Skelett aber auch von einem lange zurckliegenden normalen Mord. Aber der Hundekopf? Das pate nicht zusammen.Ich untersuchte die Grube genauer und war nicht wenig berrascht, tatschlich auf einen Knochen zu stoen. Das wunderte mich, denn die Polizei hatte angeblich alles grndlich durchforscht und eingepackt, was mitnehmenswert war. Viel war's nicht gewesen. Jedenfalls kein Skelett. Das hatte sich offenbar aufgelst.Es fiel nicht schwer, den Fund als einen Vogelknochen zu identifizieren. Die Geschichte wurde immer rtselhafter. Mensch, Hund und nun auch noch Vogel! Das mute schon ein seltsames Wesen sein. Auerdem besa es anscheinend Flgel, denn es mute davongeflogen sein.Ich blickte mich suchend um und entdeckte einen weiteren Knochen. Auf seine Herkunft wollte ich mich nicht festlegen. Er konnte von einer Maus stammen. Ganz sicher war ich nicht.Gewissenhaft lie ich ihn in einer Plastiktte verschwinden, in der bereits der Vogelknochen lag. Die Jungens vom Labor sollten auch ihre Freude haben.Ich ging bis zum nchsten Parkweg, fand aber nichts mehr.Nachdenklich kehrte ich zurck und starrte in die Grube.Ich dachte, ich werde nicht mehr! Da grinste mich doch tatschlich ein blanker Totenschdel an!Da seine leeren Augenhhlen auch noch leuchteten, wurde mir ein bichen zweierlei zumute. Ich hatte der Grube kaum zehn Minuten den Rcken gekehrt. Das Dmonische mute sich ganz in meiner Nhe befinden und mich belauern. Merkwrdig, da ich noch immer nichts sprte!Dafr begriff ich etwas. Mit aller gebotenen Vorsicht bckte ich mich und stie mit der Faust gegen den Schdel.Eine brennende Taschenlampe fiel heraus. Das mute ein sehr moderner Geist sein.Es dauerte nicht lange, bis ich mich davon berzeugt hatte, da es sich bei dem Totenkopf lediglich um eine preiswerte Nachbildung aus Plastik handelte. Ich konnte mir nicht vorstellen, da die Schattenwesen neuerdings mit Requisiten made in Hong Kong operierten. Ein bichen Traditionsbewutsein durfte ich wohl voraussetzen.Irgendwo aus einem Gebsch erklang hohles Gelchter. Eine Grabesstimme ertnte und verfluchte mich:Unseliger Frevler! Du mut deine Missetat ben. Eile fort, damit dich meine Rache nicht vernichtet.Um den Drohungen mehr Nachdruck zu verleihen, flammte ein greller Blitz auf, der mich sekundenlang blendete.Erschrecken konnte er mich nicht. Ich wute jetzt genug.Ich scho in die Hhe und rannte genau auf das fragliche Gebsch zu. Davon konnte mich auch ein weiterer Blitz nicht abschrecken.Damit hatte der Geist nicht gerechnet. Er bekam pltzlich ebenfalls Fe, und leider ziemlich schnelle.Trotzdem hatte er keine Chance. Nach zwei Minuten hatte ich ihn eingeholt und gestoppt. Es war sein Pech, da er sich mit einer abenteuerlichen Maskerade selbst behinderte.Er trug einen monstrsen Kopf und Hnde mit frchterlichen Krallen. Aber alles aus Latex. Im Versandhandel hatte das Zeug bestimmt zwanzig Pfund gekostet.Unter dem Kopf kam ein Junge von hchstens sechzehn Jahren zum Vorschein. Seine Courage war bis auf einen unbedeutenden Rest zusammengeschrumpft.Sie werden wohl Spa verstehen, oder? maulte er und wollte sich von mir losreien.Ich grinste ihn an. Heute bin ich besonders lustig aufgelegt. Du glaubst gar nicht, was man fr eine gute Laune hat, wenn man seit ber zwanzig Stunden auf den Beinen ist und sich die Nacht eigentlich anders vorgestellt hat. Wie lange treibst du den Unfug schon?Hier im Park erst seit ein paar Tagen. Es war ein Mordsspa, wie die Polizisten ankamen und nach dem Skelett mit dem Hundekopf suchten. Das hatte ich natrlich lngst in Sicherheit gebracht.Und seitdem liegst du jede Nacht hier und freust dich, wenn du einen nchtlichen Spaziergnger erschrecken kannst, wie?Der Junge nickte unbekmmert. Was soll man denn sonst anfangen, Mister? Die Leute sind ja selbst schuld, wenn sie drauf reinfallen. Sie glauben gar nicht, was man denen alles vormachen kann. Die halten es glatt fr mglich, da ihnen ein Dmon oder etwas hnlich Unsinniges erscheint. Bei Kindern kann ich das ja noch verstehen. Aber bei Erwachsenen?Ich wnsche dir, da du nie gezwungen wirst, deine Meinung zu korrigieren, sagte ich ernst. Es kann nmlich sehr leicht passieren, da dich selbst ein Monster am Kragen packt, und das wird dann weniger Spa verstehen als ich.Er sah mich unsicher an. Meinen Sie die Bullen? fragte er. Sie werden mich doch nicht anzeigen.Ich war der Meinung, da sich schon gengend Beamte mit diesem makabren Ulk beschftigt hatten. Es war nicht ntig, da er noch mehr Steuergelder verschlang.Gib mir das Skelett! forderte ich. Eine Trophe brauchte ich schlielich als Beweis, da wenigstens dieser Fall abgeschlossen war.Das habe ich zu Hause, behauptete er.Ich lie nicht locker und ging mit ihm mit. Er wohnte in unmittelbarer Nhe des Parks in der Albion Street.Von dort holte er das Skelett, auf das er den Hundeschdel gesteckt hatte. Beides bestand ebenfalls aus Plastik. Die Kinder hatten das nicht nher untersucht.Ich verfrachtete meine Beute in den Wagen und fuhr nun endgltig nach Hause. Ich duschte und legte mich ins Bett. Wenn ich an den vermeintlichen Spuk im Hyde Park dachte, mute ich trotz allem lachen.Das Lachen verging mir, als mich schon nach einer Stunde das Telefon weckte. Wenn das wieder ein Dummerjungenstreich war, wurde ich wild! Ich wollte schlafen. Wenigstens ein paar Stunden. Ich war sogar entschlossen, ein wenig spter meinen Dienst anzutreten.Der dumme Junge war Sir Horatio. Seine Stimme hrte sich nicht so an, als wollte er sich mit meinen Plnen einverstanden erklren.Sie mssen heute etwas frher kommen, Mac, sagte er auch prompt. Er mute etwas geahnt haben.Hat die gute Barbara wieder einen Schlangenkopf gesehen? erkundigte ich mich ungndig.Es geht um Dina.Und deswegen wecken Sie mich, Sir? Ich werde ihr schon noch erklren, warum ich nicht zu ihrer Party gekommen bin. Es ist brigens nur Ihre Schuld.Gar nichts werden Sie ihr erklren, Mac. Dina wurde ermordet. Man hat ihren Leichnam vor Tonys Bar gefunden.Verdammt! Mehr fiel mir dazu nicht ein. Meine Kehle war wie zugeschnrt. Vielleicht htte ich das Verbrechen verhindern knnen, wenn ich zur Party gegangen wre. Aber das war natrlich ein absurder Gedanke.Es gibt einige Zeugen, die den Mann beschreiben knnen, mit dem sie die Bar verlie. Mir gefllt da Verschiedenes nicht. Deshalb will ich, da Sie sich der Sache annehmen.Dina war eine von uns gewesen. Und wenn ich zwanzig andere Flle am Hals gehabt htte, die Aufklrung ihres Todes htte Vorrang gehabt. Das war ganz klar.Ich knallte den Hrer auf die Gabel, sprang aus dem Bett und langte nach meiner Wsche. Sir Horatio sollte sich wundern, wie schnell ich sein konnte.

*

Guinn Rankin irrte ruhelos durch die Stadt. Manches erschien ihm verndert. Das verwirrte ihn. An einige Huser konnte er sich gar nicht erinnern, andere hatte er anders in Erinnerung.Er hatte gettet, aber seine Rachegefhle waren durch diesen Mord noch lngst nicht befriedigt.Nein, er wollte sich an allen rchen. So, wie er es dem Meister versprochen hatte.Ob sie Cioffi verurteilt hatten? Ob sie den Greis ins Gefngnis gesteckt hatten? Er wrde sich erkundigen. Vielleicht konnte er ihm helfen, vielleicht ihn sogar befreien.Guinn Rankin war sich noch nicht im klaren, was mit ihm selbst geschehen war. War er nun tot, oder hatte er nur fr kurze Zeit in einem todeshnlichen Zustand verharrt? Der Meister hatte gesagt, er wrde sterben, aber nicht tot sein.Immerhin war er in der Lage, Menschen zu tten. Das hatte er bewiesen. Aber er wute nicht, ob er sich verbergen mute, ob sie ihn wieder jagen wrden.Vielleicht wrde wieder dieser Inspektor Stone den Fall bearbeiten. Wie wrde er wohl reagieren, wenn er die Beschreibung des mutmalichen Tters erhielt, wenn er Gewiheit erlangte, da als Mrder kein anderer in Frage kam als Guinn Rankin, der im Gerichtssaal tot zusammengebrochen war?Wrden sie ihn wieder fangen knnen? Oder war das nun nicht mehr mglich? War er vielleicht sogar unverwundbar? Konnte er nicht mehr gettet werden, weil er schon tot war?Er mute diese Frage klren. Sie regten ihn nicht auf. Er war berhaupt berraschend khl. Sogar als er das Girl gesehen hatte, waren die Nerven nicht mit ihm durchgegangen. Er hatte es eiskalt bestraft. Ohne mit der Wimper zu zucken. Und so wrde es den anderen auch ergehen.Er durfte seine Rache nicht gefhrden. Erst wenn er sicher war, da man ihm nichts anhaben konnte, wollte er riskieren, sich auch bei Tage in aller ffentlichkeit zu zeigen. Aber wie wollte er Gewiheit erlangen?Er wrde zu Judge gehen. Judge Warner hatte ihn verraten. Seine Strafe war ihm gewi. Aber zuvor mute er ihm helfen, die Wahrheit herauszufinden.Guinn Rankin hastete durch die Straen. Sein Gesicht hatte sich wieder normalisiert. Nichts erinnerte mehr an das dmonische Scheusal, das er im Augenblick der Bluttat gewesen war.Der Morgen graute bereits. Er mute sich beeilen, bevor es auf den Straen lebendig wurde.Er bog in die Heartstreet ein. Er kannte den Weg im Schlaf.Trotzdem wurde er unsicher, als er vor dem Haus des ehemaligen Freundes stand. Hatte er sich doch geirrt? Das Gebude war nicht das Haus von Judge. Das sah ganz anders aus. Nur die Hausnummer stimmte, aber sonst hatte dieser prchtige Bau nichts mit dem bescheidenen Huschen zu tun, durch dessen Dachfenster er erst krzlich vor der Polizei geflohen war.Es mute die falsche Strae sein, wenn er auch von hier aus das Denkmal Knig Georges sehen konnte.Eine Zeitlang wute er nicht, was er tun sollte. Zum Glck verlie schon kurze Zeit spter ein Mann das Gebude. Er war etwas beleibt. Guinn Rankin kannte ihn nicht. Um so besser! Ihn konnte er fragen.Er trat an den Fremden heran, verneigte sich kaum merklich und fragte: Entschuldigen Sie, bitte, wohnt hier nicht ein Mister Warner?Der Mann sah lchelnd auf. Er hatte ein ausgeprgtes Doppelkinn und ein verlebtes Gesicht.Mister Warner? wiederholte er. Dann erstarb das Lcheln auf seinen Lippen. Er starrte Guinn Rankin wie ein Phantom an. Seine Augen wurden kreisrund. Sein Unterkiefer begann zu zittern, und schon bald flatterte der ganze Mann.Es gab kaum einen Zweifel, der Fremde mute ihn erkannt haben. Sein Bild hatte ja in allen Zeitungen gestanden.Das Gesicht des Dicken verzerrte sich angstvoll. Dann hob er abwehrend die Hnde und stie Guinn Rankin von sich fort.Aber der Tote taumelte nicht. Der Sto ging durch ihn hindurch. Die Hnde des Mannes schienen ihn berhaupt nicht berhrt zu haben.Das steigerte dessen panisches Entsetzen noch mehr. Er schrie gellend auf und rannte davon.Guinn Rankin machte sich nicht die Mhe, ihm zu folgen.Nun wute er immer noch nicht, ob Judge hier wohnte. Er hatte nur den Beweis, da man ihn erkannt hatte.Auf der Strae wurde es lebendig. Die Leute machten sich auf den Weg zur Arbeit. Die meisten sahen ihn nur flchtig an und hasteten weiter. Kein einziger nahm Notiz von ihm.Er fragte einen jungen Burschen nach der Heartstreet. Dieser sah ihn aufmerksam an, tippte sich dann gegen die Stirn und besttigte, da er sich mitten in dieser Strae befand. Keine Spur von Erschrecken oder Erkennen, kein Hauch des Entsetzens.Jetzt wollte er es genau wissen.Er steuerte einen Zeitungskiosk an, vor dem gerade die neuesten Zeitungen und Zeitschriften abgeladen wurden. Er verlangte sein Lieblingsblatt und vertiefte sich darin.Auf der ersten Seite stand nur etwas ber Politik. Dafr hatte er sich noch nie interessiert. Aber auch bei den Lokalnachrichten fand er keinen Artikel ber sich und den Mord an Ben Rudos. Sie hatten ihn also offenbar schon zu den Akten gelegt.Er wandte sich an die Zeitungsverkuferin und erkundigte sich: Was halten Sie denn von dem Mrder Rankin?Die beleibte Frau sttzte ihr schwabbeliges Kinn auf ihre Hand und sah ihn nachdenklich an. Wie soll der Kerl heien?Er wunderte sich. Na, Rankin. Guinn Rankin.Kenne ich nicht. Wo soll der denn einen umgebracht haben?War das zu fassen? Das Weib hockte mitten in einem Meer von Zeitungen und hatte anscheinend keine einzige davon gelesen. Na, hier in London. Wo denn sonst?Die Frau schttelte nachdrcklich den Kopf. Davon wei ich nichts. Man kann sich ja auch nicht alles merken. Hier passiert tagtglich so viel. Wer kann da noch jeden Namen behalten?Es hatte keinen Zweck. Mit dem Weib hatte er eine Niete gezogen. Er vertiefte sich erneut in die Zeitung und mute pltzlich grinsen. Da hatte den Jngern der schwarzen Kunst der Druckfehlerteufel aber einen gehrigen Streich gespielt. Er lachte so laut, da sich die Zeitungsverkuferin erschrocken in ihren Kiosk zurckzog.Guinn Rankin nderte jetzt seinen Plan. Er wollte zunchst Carlando Cioffi befreien.

*

Carlando Cioffi? Der knurrige Mann am Tor schttelte den Kopf. Den knnen Sie nicht besuchen.Auch nicht, wenn ich eine Genehmigung bringe?Auch dann nicht. Bei uns sitzt keiner ein, der so heit.Guinn Rankin bi sich auf die Lippen. Tatschlich nicht? Ist es mglich, da sein Proze berhaupt noch nicht stattgefunden hat? Ich war nmlich kurz h, verreist, mssen Sie wissen.Woher soll ich das wissen, Mann? Der Gefngniswrter gehrte nicht zu den umgnglichen Typen. Sein Dienst hatte ihn so unfreundlich werden lassen. Da mssen Sie schon bei Gericht nachfragen.Ein Kollege kam nher. Was will der denn? fragte er genauso mrrisch.Einen Carlando Cioffi besuchen. Dabei gibt es den bei uns gar nicht.Cioffi? Der Name kommt mir bekannt vor. Der Alte schien doch nicht ganz so bld zu sein wie sein jngerer Kollege. Ich werde mal nachsehen.Da brauchst du gar nicht nachzusehen, schrie der erste hinter ihm her. Ich wei doch genau, wer bei uns wohnt. Die Halunken kenne ich alle einzeln.Darf ich trotzdem warten, bis Ihr Kollege zurckkommt? bat Guinn Rankin mit erzwungener Hflichkeit.Von mir aus! Aber drauen. Ohne Genehmigung darf ich niemand hereinlassen.Er schlug dem Schwarzhaarigen die schwere Tr vor der Nase zu.Guinn Rankin lachte bse. Wenn du wtest, da ich sogar die Genehmigung habe, lebenslnglich hier zu wohnen, dachte er.Er mute nicht lange warten. Der Alte mit der Uniform kehrte schon bald zurck, schlo die Tr auf und winkte ihn heran.Ich wute es doch, sagte er triumphierend. Ein Carlando Cioffi ist tatschlich bei uns registriert.Also doch! Guinn Rankin warf dem anderen, der unglubig den Kopf schttelte, einen gehssigen Blick zu. An wen mu ich mich wegen einer Besuchserlaubnis wenden?An niemand.An niemand? Heit das? da Sie ihn jederzeit auch ohne besondere Genehmigung besuchen knnen.Das ist fabelhaft, Mister. Wrden Sie mich dann bitte zu ihm bringen?Jetzt guckte ihn der ltere verdutzt an. Ich? Nein, ich darf whrend meiner Dienstzeit das Gefngnis nicht verlassen. Aber Sie finden auch ganz leicht allein hin. Der Friedhof befindet sich in Finsbury. Am besten nehmen Sie ein Taxi.Der Friedhof?Allerdings. Dieser Cioffi ist nmlich gleich nach seiner Einlieferung bei uns gestorben. Mein Kollege kann das nicht wissen. Er ist noch zu jung und war damals noch nicht bei uns.Was heit das? Was verstehen Sie unter damals?Na, so ungefhr zehn Jahre. Solange ist das jetzt her.Guinn Rankin lachte auf. Entschuldigen Sie. Dann reden wir doch von zwei verschiedenen Mnnern.Das wundert mich aber. Der Name ist eigentlich nicht gerade hufig anzutreffen.Das sollte man meinen. Weswegen wurde denn Ihr Cioffi damals eingesperrt?Soviel ich wei, hatte er einen Mann bei sich versteckt, den man bald darauf wegen Mordes verurteilte. Ein gewisser Guinn Rankin, Der Fall erregte seinerzeit ziemlich die Gemter. Aber da lagen Sie ja fast noch in den Windeln. Was haben Sie? Ist Ihnen nicht gut? Wollen Sie ein Glas Wasser?Guinn Rankin fhlte frmlich, wie er grau im Gesicht wurde. Zehn Jahre! Jetzt begriff er, warum sich so vieles verndert hatte und warum die Menschen ihn nicht erkannten.Er hatte zehn Jahre im Grab gelegen. Niemand entsann sich mehr seines Falles.Irgend etwas mute schiefgelaufen sein mit Cioffis Experiment. Wahrscheinlich, weil die Polizei zu frh aufgetaucht war und die Behandlung nicht mehr abgeschlossen werden konnte.Er war programmgem gestorben, aber viel zu spt wieder aufgewacht. Die Zeit war ihm davongelaufen. Nicht nur die Huser hatten sich verndert, auch die Menschen waren lter geworden oder gar in der Zwischenzeit gestorben.Die Menschen, an denen er sich rchen wollte, waren nicht mehr die gleichen. Sie wrden kaum noch wissen, weswegen sie starben.Guinn Rankin ergriff das Glas, das ihm der hilfsbereite Aufseher geholt hatte, und strzte den erfrischenden Inhalt hinunter. Doch bevor er das Glas zurckgeben konnte, zersplitterte es in seiner Faust.Tut mir leid, murmelte er und hastete davon.Der Wrter blickte ihm fassungslos nach. Er stie mit dem Stiefel die Scherben beiseite und kehrte in die Wachstube zurck. Aus einem Regal nahm er ein neues Glas. Es glich dem anderen aufs Haar. Es war dickwandig und nahezu unzerbrechlich.Er spannte seine Finger darum und prete sie zusammen.Nichts geschah.Er nahm die zweite Hand zu Hilfe, aber auch jetzt gelang es ihm nicht, das Glas zu zertrmmern. Schlielich schleuderte er es mit aller Gewalt auf den Steinboden. Es antwortete mit einem harmlosen Klirren, blieb jedoch ansonsten heil und unversehrt.Der Aufseher wurde bla. Bei meiner Seele, flsterte er, dem mchte ich nicht zwischen die Finger geraten!

*

Guinn Rankin versuchte, seine Gedanken zu ordnen.Zunchst begriff er, da sein Wunsch nach Rache whrend der langen Zeit nicht geringer geworden war. Er brannte immer noch lichterloh in ihm, und er wute, da er nicht ruhen wrde, bevor er den letzten Menschen, der ihm zu Lebzeiten Unrecht getan hatte, zur Strecke gebracht hatte.Er kannte die Namen auswendig, er mute die Trger nur aufspren. Alles weitere ergab sich dann mit logischer Konsequenz.Zehn Jahre existierten fr ihn nicht. Er konnte also nicht einfach nur geschlafen haben.Was hatte Cioffi mit ihm angestellt, da er diesen langen Zeitraum schadlos berbrcken konnte? Und wrde er nun nie mehr sterben knnen?Der Meister war ja tot. Er hatte sein Geheimnis mit ins Grab genommen. An ihn konnte er sich nicht mehr um Hilfe wenden.Vielleicht erwies sich schon bald seine Wiedergeburt als furchtbare Qual fr ihn selbst. Vielleicht wrde er den Augenblick verfluchen, an dem er Carlando Cioffi seine Zusage gegeben hatte. Es war zwar freiwillig geschehen, im Grunde aber doch nur weil die Hscher drohend vor der Tr lauerten.Wrde er diesen Fluch nie los? Hatten die anderen schon wieder sein Schicksal bestimmt? Er mute sich rchen! Er mute sie vernichten. Sie, die ihn vernichtet hatten.Richter Thornton war damals schon ein alter Mann gewesen. Er lebte wahrscheinlich nicht mehr. Aber der Staatsanwalt, der ihn angeklagt hatte, der Inspektor, der ihn ergriffen hatte, und die vielen anderen. Und nicht zuletzt Judge Warner.Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. Niemand hatte ihn auf der Strae erkannt. Aber jener feiste Kerl, den er nach Judge gefragt hatte, wre vor Schreck bei seinem Anblick fast umgefallen. Kein Zweifel! Er hatte ihn erkannt. Er war Judge Warner selbst.Du bist alt geworden Judge, murmelte Guinn Rankin verchtlich, Alt und fett. Stimmt es, da du Dorice den Kopf verdreht hast? Du wirst es mir verraten mssen, bevor ihr beide sterben werdet.Und dann kam ihm ein bestrzender Gedanke. Wen hatte er in der vergangenen Nacht erwrgt? Er hatte das Mdchen fr Sylvia gehalten. Es hatte ganz genauso ausgesehen. Aber auch Sylvia mute inzwischen zehn Jahre lter geworden sein.Dieses Mdchen hatte ihn wirklich nicht gekannt. Es hatte unschuldig sterben mssen. Mit seiner Rache hatte es nicht das Geringste zu tun.Ihn packte erneut der Zorn auf alle, die ihn zu diesem zweiten Mord getrieben hatten. Sie sollten es ihm ben. Er wrde frchterlich unter ihnen wten. Er wrde kein Mitleid kennen. Nur erbarmungslosen Ha.Gedankenverloren berquerte Guinn Rankin die Strae. Neben ihm kreischten Reifen. Er hrte entsetzte Schreie. Etwas Dunkles jagte durch ihn hindurch.Er war ein wenig benommen, als er dem Lastwagen nachsah, der davonbrauste. Normalerweise htte er jetzt tot sein mssen. Er hatte keine Chance gehabt, dem Zusammenprall auszuweichen. Aber ihm war nichts geschehen.Er sah, wie die Umstehenden ihn fassungslos anstarrten. Da ging er eilig davon.Er wute nun, da er unverwundbar war. Er konnte Inspektor Stone entgegentreten, und dessen Kugeln wrden ihm nichts anhaben knnen.

*

Als ich an Barbara Hicks und Sheila Green vorbeihastete, hinterlie ich den Wunsch nach einem riesigen Topf Tee. Ich brauchte ihn unbedingt als Muntermacher und hoffte, da sich Sheila dieser Bitte annahm. Bei ihr war ich sicher, da sie kein neues Rezept an mir erprobte.Sir Horatio stand am Fenster, als ich die Tr zu seinem Bro aufri. Sein Brstenbart wirkte noch grauer als sonst. Der Tod einer Mitarbeiterin hatte ihn ziemlich mitgenommen.Ich knallte ihm das Plastikskelett auf den Schreibtisch, was ihn zu einem nervsen Augenzwinkern veranlate.Er verlangte einen kurzen Bericht von mir, und ich informierte ihn ber meine Erlebnisse der letzten Nacht.Die Geschichte im Hyde Park war damit fr uns gestorben. Sir Horatio schlo sich meiner Hoffnung an, da ich den Unheimlichen vom Friedhof gebannt hatte. Blieb also nur noch Hedy Seiler mit ihren Geisterstimmen. Mein Bo entschlo sich, zunchst einen Kollegen in die Cochrane Street zu schicken, der uns sofort verstndigen sollte, sobald er etwas Unerklrbares registrierte.Damit war ich fr den Fall Dina Barrie frei.Sir Horatio erzhlte mir alles, was er inzwischen darber wute, whrend ich den heien Tee schlrfte, den mir Sheila gebracht hatte.Das ganze Drama konnte man in drei mageren Stzen zusammenfassen. Dina war nach ihrer Party offenbar noch in Tonys Bar gelandet. Diese hatte sie mit einem Fremden schon kurze Zeit spter wieder verlassen. Mit grter Wahrscheinlichkeit hatte sie der Kerl nach einem kurzen Handgemenge erwrgt.Die Zeugenaussagen von verschiedenen Barbesuchern lagen in schriftlicher Form vor. Ich studierte sie aufmerksam und begriff, warum Sir Horatio einiges seltsam erschien.bereinstimmend wurde der Verdchtige als ausgesprochen altmodisch gekleidet geschildert. Vor allem aber hatte sein Sehvermgen zu wnschen briggelassen, denn er wre fast durch die geschlossene Tr gerannt. Sein Blick wurde als unheimlich, ja, gespenstisch bezeichnet. Angeblich hatte er beim Sprechen nicht die Lippen bewegt.Natrlich waren die Computer lngst mit den zur Verfgung stehenden Daten gefttert und die von ihnen ausgespuckten Verdchtigen verhrt worden. Ohne Erfolg! Keiner von ihnen kam in Betracht.Der Verdacht lag nahe, da Dina ein Opfer ihres gefhrlichen Jobs geworden war, aber auch in dieser Richtung liefen die Ermittlungen bisher ohne Ergebnis. Raub- oder Lustmord konnten ausgeschlossen werden.Besonders aber irritierte uns, da Dina offenbar berhaupt keine Chance gehabt hatte. Dabei waren ihre asiatischen Verteidigungsknste im ganzen Service berchtigt gewesen. Wir konnten uns einfach nicht vorstellen, wie ein Waffenloser es fertiggebracht haben sollte, sie zu erwrgen, und dazu auch noch von vorne.Das Gesicht der Toten, von der verschiedene Fotos in der Akte lagen, war vor Grauen verzerrt. Das war nicht bloe Angst vor dem Tod. Dina mute etwas Schreckliches gesehen haben. Ich kannte solche Gesichter. Ich hatte sie bei Opfern gefunden, die einen Blick in das dmonische Inferno geworfen hatten.Trotz allem war ich nicht berzeugt, ob ich der richtige Mann fr diesen Fall war. Aber ich zog gehorsam los, begierig, Dinas Mrder zu stellen.Zunchst nahm ich den Tatort in Augenschein, wo ich aber nichts Ungewhnliches entdeckte.Die nchsten Stunden verbrachte ich damit, smtliche Zeugen erneut aufzusuchen und meinerseits zu befragen, aber auch dabei kam nichts heraus.Ich verfolgte Dinas Weg zurck.Whrend der Party war nichts Ungewhnliches vorgefallen. Da niemand sich gefunden hatte, das Mdchen nach Hause zu bringen, hatte auf einem Miverstndnis beruht. Unter den Gsten, von denen ein groer Teil zum Service gehrte, befand sich keiner, der ein erkennbares Tatmotiv gehabt oder auf den auch nur annhernd die Beschreibung des Fremden gepat htte.Auf diese nutzlose Weise kam ich nicht weiter. Mir fehlte der entscheidende Hinweis. Ich mute den Fehler finden, den jeder Verbrecher begeht.Inzwischen ffnete Tonys Bar, und ich nahm mir den Keeper und die brigen Angestellten vor. Nichts!Es wurmte mich, weil etwas in meinem Hirnkasten rumorte und herauswollte. Da war etwas, was ich bersah. Eine ganz nahe Lsung. Aber ich kam nicht drauf.Immer wieder stellte ich die gleichen Fragen. Immer wieder erhielt ich gleichlautende Antworten. Ich glaubte, den Beschuldigten schon so gut zu kennen als htte ich ihn selbst gesehen. Diesen Mann von ungefhr fnfundzwanzig Jahren mit dem blassen Gesicht, der unmodernen Frisur und den flackernden Augen. Wo hatte ich in letzter Zeit von einem solchen Burschen gehrt?Von selbst kam ich nicht drauf. Erst ein Anruf, der mich in der Bar erreichte, lie bei mir den Penny fllen. Himmel! Das war doch fast nicht mglich!Der Anrufer war David Stone. Er hatte sich bei Sir Horatio informiert, wo er mich erreichen konnte. Er wollte mich unbedingt sprechen. Er knne unmglich lnger warten, bis ich mal Zeit fr ihn htte. Seine dsteren Ahnungen brchten ihn bald um.Sein Anruf erschien mir wie ein Fingerzeig des Himmels. Er hatte mir auf die Sprnge geholfen. Stone war genau der Mann, der mir jetzt weiterhelfen konnte.Ich klemmte mich hinters Steuer meines MG, der so tat, als wre er nie hinter mir hergewesen, und fuhr zu David Stone, der in Mayfair wohnte.Der Pensionr begrte mich mit allen Zeichen hchster Aufregung und bat mich in sein Wohnzimmer. Er war alleinstehend. Als er noch seinen Beruf mit Leib und Seele ausbte, hatte ihn seine Frau verlassen. Jetzt konnte er mit seinem Ruhestand nicht viel anfangen. Kein Wunder, da er sich noch immer fr alle Verbrechen interessierte, die frher in sein Ressort fielen. Er konnte den Inspektor nicht einfach ausziehen wie einen zu eng gewordenen Mantel. David Stone wrde immer Polizist bleiben.Er zog mich ber seine ngste, die ihn qulten, ins Vertrauen.Schon seit Wochen, verriet er, werde ich von Trumen gepeinigt, Die alten Zeiten stehen wieder auf. Mrder, die ich vor Jahren vor Gericht brachte, schlieen einen Bund und verwsten die Grber ihrer einstigen Opfer. Sie qulen sie und lassen ihnen keine Ruhe. Ich frchte, da diese Trume etwas Schreckliches zu bedeuten haben. Sie kennen sich doch mit bersinnlichen Dingen aus, Mac. Was halten Sie davon? Von Nacht zu Nacht wird es schlimmer. Gestern bin ich sogar schweigebadet aufgewacht. Ich sprte eisige Finger an meinem Hals, Schauen Sie her!Er schob seinen Kragen etwas zurck, und ich sah dnne, rote Striemen, als htte man ihn gewrgt.Aber es war in Wirklichkeit niemand bei mir, fuhr er fort. Seit einiger Zeit schlafe ich im verschlossenen Zimmer, und auch das Fenster war unversehrt.Wrgemale! Wie bei Dina Barrie. Aber Dina war tot, und Stone lebte. Gab es wirklich den Zusammenhang, an den ich dachte?Sie sprachen von verschiedenen Mrdern, die sich zusammengeschlossen haben, hakte ich ein. Ist auch Rankin dabei?Er stutzte. Guinn Rankin?Sie erzhlten mir vor einiger Zeit seine Geschichte. Die rtselhaften Umstnde seines Todes. Ich frchte, da Rankin nicht wirklich tot ist. Er hat in der vergangenen Nacht mglicherweise eine junge Frau umgebracht.Dina Barrie? David Stone war tatschlich bestens im Bilde.So ist es, besttigte ich. Auf den mutmalichen Mrder pat die Beschreibung Rankins. Ich bin nicht gleich darauf gekommen. Erst als Sie mich anriefen, klickte es bei mir.Aber Rankin ist tot, widersprach Stone. Er kann allenfalls unter den Toten Schrecken verbreiten. Nicht aber unter den Lebenden. Ich will Ihnen gern glauben, da er sein damaliges Opfer Ben Rudos drangsaliert. Zu Dina Barrie hatte er berhaupt keine Beziehung.Ich lie mich von meiner Idee nicht abbringen. Ich war auch berzeugt, da es sehr wohl eine Beziehung gab. Man mute sie nur finden.Stone mute mir noch einmal erzhlen, unter welchen Umstnden Rankin vor zehn Jahren ums Leben gekommen war. Er erinnerte an Cioffi, der den Mrder bei sich versteckt und damit zwei Jahre Bau riskiert hatte.Cioffi war ein alter Spinner, meinte er rckblickend. Ein Phantast. Dem traue ich zu, da er Rankin als eine Art Versuchskaninchen fr seine undurchschaubaren Experimente benutzen wollte, und er war sehr ngstlich, als wir ihm sein Spielzeug wegnahmen, da er offenbar selbst kaputt gemacht hat. Es konnte nie geklrt werden, auf welche Weise Rankin ums Leben kam. Es wurden keine Giftspuren in seinem Krper gefunden.Deshalb liegt doch der Gedanke nahe, da er gar nicht tot ist.Er wurde beerdigt, Mac. Ich war selbst dabei. Auf dem Friedhof in Finsbury.Finsbury? hakte ich ein und lie mir das Grab beschreiben. Ich konnte mich sogar an den unansehnlichen Erdhgel erinnern. Zweimal hatte ich ihn in der letzten Nacht wie alle anderen Grber kontrolliert, aber nichts Befremdliches daran entdecken knnen, Ich jagte wohl doch nur einem Phantom nach.Unser Gesprch dauerte noch einige Zeit.Ich riet Stone, in Zukunft sehr vorsichtig zu sein und sich sicherheitshalber mit einem geweihten Kreuz zu schtzen. Wir wollten von nun an in stndigem Kontakt bleiben und unsere Beobachtungen austauschen.Es war schon spt, als ich mich verabschiedete. Mit dem Ergebnis des Tages war ich bei weitem nicht zufrieden.Wie ich es hufig tat, wenn ich neugewonnene Eindrcke und Informationen verarbeiten wollte, drehte ich noch eine Runde um den Huserblock.Unter einer Straenlaterne blieb ich stehen und versuchte, eine Zigarette anzuznden. Aber wie ich mich auch drehte, ich schaffte es einfach nicht. Der Wind, den ich ansonsten berhaupt nicht sprte, blies die Flamme immer wieder aus. Es war eigenartig. Als ob mich etwas Unbekanntes foppen wollte.Ich gab auf und verschob den Nikotinkonsum auf spter. Im Wagen wrde ich das Kunststck wohl fertigbringen.Als ich meinen Wagen fortsetzen wollte, hatte ich pltzlich das unbestimmte Gefhl, beobachtet zu werden.Dieses Gefhl hatte mich noch selten getrogen. Auch diesmal war hchste Aufmerksamkeit geboten.Ich dachte an den Kerl vom Friedhof, der sich vor meinen Augen aufgelst hatte und von dem ich hoffte, ihn gebannt zu haben. Einen anderen konnte ich mir nicht denken, der ein Interesse daran haben konnte, mich zu belauern.Aber vielleicht trieb sich hier ein Ganove herum, der in der vornehmen Wohngegend einen Einbruch plante und dem ich ahnungslos in die Quere gekommen war. Vielleicht handelte es sich aber auch nur um ein Liebespaar, das sich gestrt fhlte und hoffte, da ich endlich verschwinden wrde.Ich sah mich also nur flchtig um und schlenderte betont langsam weiter. Ich bog um die Ecke und hrte hinter mir hastige Schritte.Abrupt blieb ich stehen. Was sollte das? Anscheinend fhlte sich der geheimnisvolle Unbekannte von mir nicht gestrt, sondern zeigte im Gegenteil ein anhngliches Interesse.Dort drben stand mein Wagen. Ich htte nur einzusteigen und davonzufahren brauchen. Es war nicht meine Sache, mich um Einbrecher zu kmmern. Der andere bog hinter mir um die Ecke. Das Licht der Laterne fiel voll auf sein Gesicht.Mich traf fast der Schlag. Das war kein Liebespaar und auch kein windiger Ganove. Hinter mir stand Guinn Rankin!Genauso hatte ich ihn auf Fotos, die mir David Stone in alten Zeitungen gezeigt hatte, gesehen.Der Typ lebte! Die Frage war nur noch, ob er sich damals durch einen Taschenspielertrick der Justiz entzogen hatte oder ob ich es mit einem Wiedergnger zu tun hatte.Die Antwort gab ich mir selbst. Es waren zehn Jahre vergangen. Rankin mte sich verndert haben, wenn er noch lebte. Diese Erscheinung dort unter der Laterne war ein Untoter. Der Mrder Dina Barries.Was wollte er hier? Ich konnte mir nicht vorstellen, da er es auf mich abgesehen hatte. Ich war fr ihn unbekannt.Aber war das Dina nicht auch gewesen?Der Untote setzte nun seinen Weg fort. Er ging so knapp an mir vorbei, da er mich nicht bersehen konnte. Trotzdem schenkte er mir nur einen flchtigen Blick aus seltsam starren Augen. In diesem Blick lag tdlicher Ha, der aber nicht mir zu gelten schien.Das Gesicht des Killers leuchtete grausam. Seine Lippen waren hhnisch nach unten gebogen. Eisige Klte umwehte ihn.Ich kramte in meinen Taschen, fand aber nur mein kleines Klappmesser. Das war keine Waffe fr ein Schattenwesen.Das Silberkreuz an meinem Hals! Ich nestelte es hervor und streckte es gegen Guinn Rankin aus.Das Kreuz wurde zwischen meinen Fingern hllisch hei, so da ich es kaum festhalten konnte. Ich nahm die zweite Hand zu Hilfe, aber inzwischen war der Untote um die Ecke gebogen.Ich hetzte hinterher und sah ihn gerade noch durch die Haustr verschwinden. Er hatte sie nicht geffnet, sondern war einfach durch das Holz gedrungen!Das aber war es nicht, was mich malos erschreckte.Diese Tr hatte ich erst vor kurzem hinter mir ins Schlo geschlagen. Oben im achten Stockwerk wohnte David Stone, der ehemalige Inspektor, der Guinn Rankin zur Strecke gebracht hatte. Es war klar, da der Mrder an ihm Rache ben wollte.Warum hatte ich jetzt nicht den Krif zur Hand? Mit dieser Waffe htte ich den Gnadenlosen in die Flucht schlagen knnen.Stone war in Gefahr. Ich mute ihm helfen.Die Haustr war verschlossen und lie sich von auen nicht ffnen. Ich suchte Stones Namen auf dem Klingelbord und drckte den Knopf.Es dauerte unendlich lange, bis ich seine Stimme durch die Sprechanlage quaken hrte.Ich nannte meinen Namen und sprudelte viele Dinge gleichzeitig hervor. Vor allem warnte ich ihn, die Wohnungstr zu ffnen. Und er sollte mich ins Haus lassen.Voller Panik wartete ich auf das Summen des elektrischen Trffners. Statt dessen vernahm ich durch die Sprechanlage Lrm. Es hrte sich wie das Bersten von Holz an. Danach folgte ein Entsetzensruf.Mister Holford, ich komme! brllte ich in das Sprechgitter. Mir war eine Idee gekommen. Vielleicht lie sich Rankin tuschen. Stone hatte sich in den zehn Jahren uerlich verndert. Wenn ich ihm auch noch einen fremden Namen verpate, glaubte der Killer vielleicht, sich an der falschen Stelle zu befinden.Ein naiver Plan. Aber es war ein Versuch.Stone bettigte den Trffner nicht. Ich mute Gewalt anwenden. Es ging nicht anders.Ich nahm einen Anlauf von sechs Schritten und rannte mit vorgereckter Schulter gegen die Tr.Der Schlosser brauchte sich auf seine fachmnnische Arbeit nichts einzubilden, aber ich war dem Mann dankbar fr seinen Pfusch. Das Schlo sprang mit einem unwilligen Laut auf, und ich flog wie ein Stein auf die Treppe.Von oben hrte ich Stones fassungslose Stimme: Guinn Rankin? Ich kann es nicht glauben, da du nicht tot bist. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie sie dich eingegraben haben!Dieser Unglcksknabe! Damit hatte er meinen Bluff zunichte gemacht. Jetzt konnte nur noch ein Wunder helfen. Oder meine Schnelligkeit.

*

Als ich die achte Etage erreichte, sah , ich, da ich zu spt kam. David Stone lag im Flur und rhrte sich nicht. Seine Augen hielt er geschlossen.Ein beiender Schmerz durchzuckte mich. Stone war so etwas wie ein vterlicher Freund fr mich gewesen. Von ihm hatte ich manchen Trick gelernt. Da er nun tot sein sollte, wollte mir nicht in den Kopf.Am meisten aber bestrzte mich die Erkenntnis, da ich ihm nicht hatte helfen knnen. Im entscheidenden Augenblick war ich nicht bei ihm gewesen. Genau wie bei Dina.Aber wo war Rankin? Das Haus besa nur einen Aufgang. Ich hatte absichtlich die Treppe und nicht den Lift benutzt. Mir war niemand begegnet.Ich durchsuchte die Rume des Appartements, fand aber niemand.Als einzige Mglichkeit blieb, da sich der Mrder in die oberen Stockwerke zurckgezogen hatte. Wichtiger, als ihm zu folgen, erschien mir, da ich mich um Stone kmmerte. Vielleicht war ihm doch noch zu helfen.Ich beugte mich ber den Reglosen und htte vor Freude jubeln knnen, als ich seinen Puls ganz schwach wahrnahm.Ein Arzt mute schleunigst her. Wo war das Telefon?Ich entsann mich, einen Apparat im Wohnzimmer gesehen zu haben.Ich lie den Bewutlosen liegen und ging ins Wohnzimmer. Als ich den Hrer von der Gabel nahm, war mir, als bohrte sich ein Eiszapfen in meinen Rcken.Ich fuhr herum.Da stand er wieder! Ic


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