I. MEDIENBEGRIFF
Definitionen ergeben sich nicht aus der Sache an sich, sondern aus dem Blickwinkel,
aus dem man sich einer Sache, einem Gegenstandsbereich nähert.
3 zentrale Blickwinkel und deren Medienbegriffe:
1. (sozio)formativer Medienbegriff [also einer der den Gesellschafts-
gestaltenden Aspekt fokussiert: Marshall McLuhan („The medium is the
message“>> Die (gestaltende) Form/Wirkung des Mediums ist relevant, nicht
der Inhalt)
2. funktionaler (Medienbegriff): Medien speichern, übertragen und/oder
verarbeiten Informationen
3. pädagogischer (Medienbegriff): Medien als Interaktionsinstrumente für die
Kommunikation zwischen Menschen in unterschiedlichen pädagogischen
„settings“ (Klasse, Gruppe, Partnerarbeit, Einzelvortrag, ...)
ad 1: (sozio)formativer Medienbegriff
McLuhan - The medium is the message
• Der Medientheoretiker McLuhan ist mit seiner These "The medium is the
message" populär geworden. Für ihn liegt das Wesentliche des Mediums in seiner Form und nicht in dem vom Medium über-mittelten Inhalt. Nicht die
aus dem Inhalt zu entschlüsselnde Botschaft ist für eine Medientheorie
relevant, sondern die aus dem Medium heraus entstehende Wirkung. Der
Inhalt eines Mediums ist wiederum ein zeitlich hervorgehendes Medium.
McLuhan betrachtet Veränderungen von Medientechnologien als wesentliche
Ursache für soziale Veränderungen und räumt Medien somit eine enorme
Macht gegenüber dem Menschen ein. Für ihn sind Medientechnologien
Ausweitungen des menschlichen Körpers, die das menschliche Handeln
optimieren bzw. ersetzen (vgl. „fern-sehen“, „fern-sprechen“, „fern-schreiben“,
„Auto-mobil“,...)
• McLuhans Grundannahmen basieren auf einem sehr weit gefassten
Medienbegriff. Seiner Definition zu folge beinhaltet fast jeder Gegenstand
mediale Eigenschaften: „Denn die ‚Botschaft‘ jedes Mediums oder jeder
Technik ist die Veränderung des Maßstabs, Tempos oder Schemas, die es
der Situation des Menschen bringt.“ (McLuhan 1964, 22). Demnach ist das
Buch ebenso ein Medium wie die Eisenbahn:
o Die Erfindung des Buchdrucks und die hieraus resultierende
massenhafte Produktion von Büchern führte zu einem enormen
Bildungsschub in allen gesellschaftlichen Schichten - die lateinische
Sprache wurde in Westeuropa durch National-sprachen abgelöst. Auch
sei die stereotype Aneinanderreihung von gedruckten Buchstaben das
Embryonalstadium des Fliess-bandes und der Massenproduktion
gewesen. Der Buchdruck implizierte ein streng lineares Denken:
Buchstabe an Buchstabe, Zeile für Zeile. In der Typographie sah
McLuhan die erste Mechanisierung eines Handwerks.
Für McLuhan ist die Botschaft des Buchs also nicht, was es dem Leser inhaltlich
vermittelt, sondern welche Auswirkungen es auf Individuum und Gesellschaft hat.
Insofern verwendet er den Begriff „Botschaft“ gleichbedeutend mit „Wirkung“.
• Die Eisenbahn hat für McLuhan die Eigenschaften eines Mediums, da durch
diese Technologie Transportzeiten verringert wurden,
Handelserweiterungen geschaffen wurden und sie somit wesentlich zum
Zusammenwachsen der Handelsländer und den daraus resultierenden
Veränderungen im menschlichen Zusammenleben beigetragen hat.
Weitere Thesen McLuhans:
• Die Wirkung eines Mediums liegt in der Art, wie es sinnlich wahrgenommen
wird, daher ist Medientheorie auch Wahrnehmungstheorie.
• Unterscheidung in "heiße Medien", die lediglich einen Sinn erweitern und
detailarme "kalte Medien", die aktive Ergänzung und Vervollständigung vom
Rezipienten fordern .
• Unterteilung der Menschheitsgeschichte in „orale Stammeskultur“, „literale
Manuskriptkultur“, „Gutenberg-Galaxis“ und „elektronisches Zeitalter“
(„Marconi-Galaxis“).
• Das Wahrnehmen der Welt sollte unter möglichst maximaler Beteiligung aller
Sinne geschehen.
• Das „Ende des Buchzeitalters“ – so der deutsche Untertitel seiner „Gutenberg
Galaxis“ – hat McLuhan in Wirklichkeit nie propagiert. Er war vielmehr der
Auffassung, dass sich in der Regel neue Medien zu alten hinzugesellen, sie
jedoch nur selten Verdrängen: „Das Radio hat ganz spezifische
Eigenschaften, die ihm auch das Fernsehen nicht nehmen kann, denn: Das
Medium ist die Botschaft.“
ad 2: funktionale Medienbegriff:
Die folgende Kurzdefinition bringt den zentralen Aspekt dieses funktionalen
Medienbegriffes auf den Punkt: „Medien sind Kommunikationsmittel der Menschen.“
Kommunikation setzt eine vermittelnde Instanz, ein „Medium“ voraus, mit dem
Bedeutungsinhalte ausgedrückt, transportiert und gespeichert werden können.
Diese Hilfsmittel können auf ganz unterschiedlichen Ebenen angesiedelt sein:
• Zeichensysteme: z.B. Sprache
• technische Übertragungsmittel: z.B. Luft, Glasfaserkabel, Satellit
• technisch-organisatorische Systeme: z.B. Telefon, Briefpost, Fernsehen
• Institutionen: z.B. Rundfunkanstalten, Verlage, Mediensysteme
Prominente Definition von Ulrich Saxer (1998):
„Medien sind komplexe institutionalisierte Systeme um organisierte
Kommunikationskanäle von spezifischem Leistungsvermögen.“
Differenzierungen des Medienbegriffs (Pross 1972)
Primäre Medien:
• Medien des menschlichen Elementarkontakts, also leibgebundene
Ausdrucksmöglichkeiten (z.B. Sprache, Mimik, Gestik).
Sekundäre Medien:
• Medien, die auf der Produktionsseite ein Gerät erfordern, nicht aber beim
Empfänger (z.B. Flugblatt, Plakat, Buch, Zeitung).
Tertiäre Medien:
• Medien, die sowohl auf der Sender- als auch auf der Empfängerseite ein
technisches Gerät erfordern, nicht aber beim Empfänger (z.B. Telefon, Hörfunk,
Fernsehen, Film).
Neuerdings, nicht von Pross, „quartäre Medien“:
• Medien, die auf der Technik der Digitalisierung beruhen und die Nutzung eines
Computers mit Online-Verbindung voraussetzen (z.B. Online-Zeitungen, Websites,
Diskussionsforen, Newsgroups, Chats).
ad 3: pädagogischer Medienbegriff:
Dieser umfasst 4 Medienarten: die Personen-Medien, die Sozial-Aktions-Medien, die
Material-Medien und die Technischen Medien.
Als Personen-Medien werden jene körpereignen Zeichensysteme (Kommunikations-
aspekte) bezeichnet, die unmittelbar mit der einzelnen Person verbunden sind:
Sprache (verbal), Intonation (paraverbal), Gestik, Mimik, Körperhaltung, äußere
Erscheinungsform (nonverbal).
Soziale-Aktions-Medien oder Ausdrucksmedien sind alle Programm-, Handlungs-
oder Interaktionsmedien („Räume“), die verschiedene Personen in ein mediales
Kommunikationsgeflecht hineinziehen: Theater, Live-Musik, Rollenspiel, Tanz, Kunst-
Performance, Rituale, ...
Materialmedien sind z.B. Farben, gestaltbare Materialien wie Papier, Holz, Ton ...,
Design-Produkte, statische Kunstwerke ...
Technische Medien benötigen technisches Gerät zur Herstellung (z.B. Buch, Plakat,
Zeitung ...), teils auch zur Übertragung (Telephon, Rundfunk, ...) und teils auch zur
Rezeption (Radio, TV, Internet ...).
Exkurs – geschichtlicher Überblick über die Medientechniken und ihr Veränderungspotenzial
Medien vermitteln jedoch nicht neutral; sie beeinflussen die Inhalte und ihre
symbolischen Repräsentationen, sie bestimmen die Kommunikationssituation mit
und prägen Kommunikationskultur.>> Friedrich A. Kittler (Medienanalytiker in Kassel,
Bochum und Berlin): Der Mensch ist das Produkt der Medien und nicht umgekehrt!
a) Medientechnik (um 1800)
> bis 1800: größtenteils orale Kultur; Hauptspeichermedien waren Verse!
> um 1800 Explosion der Buchauflagen
> Alphabetisierung, die bereits durch Gutenberg langsam eingesetzt hatte,
erreichte langsam Großteile der Bevölkerung > Heinrich Stephani veröffentlichte
seine „Fibel für Mütter“ (1802), denen nun die Aufgabe zugedacht war, den Kindern
durch die „Lautierschrift“ das Lesen beizubringen.
> die Schriftsprache wird sowohl in Dichtung, auf Universitäten und im Staat
(Verwaltung) immer entscheidender >> zentrale Medientechnik: Literatur -
Hauptmedium: Buch - Schriftsprache
b) Medientechnik (um 1900)
> durch technische Datenspeicherung (Grammophon, Film) ist das Buch nicht mehr
länger das einzige Speichermedium
> für die Textproduktion stellt die Erfindung der Schreibmaschine einen Meilenstein
dar, der Frauen einen Zugang zur Textproduktion ermöglicht.
c) Medientechnik (20. Jhdt.)
> Der Hauptschöpfer von neuen Medientechnologien ist der Krieg:
- im 1.WK mussten drahtlose Funkverbindungen entwickelt werden,
um den Kontakt zu den neuen Waffengattungen U-Boot und
Flugzeug aufrechtzuerhalten > daraus entstand das Radio.
- im 2. WK wurde die Stereophonie (= die elektro-akustische
Schallübertragung über 2 oder mehrere Kanäle) zum Abhören von
Feinden entwickelt > daraus entwickelte sich moderne
Schallplattentechnik und „räumliches Hören“ bei
Breitwandfilmen oder im Homekino usw.; auch das Tonband wurde
im 2. WK entwickelt, zunächst für die Kriegsberichterstattung, dann
jedoch zunehmend als Spionagemittel.
- Auch Computer haben sich aus Kriegstechniken entwickelt
(Chiffrier-/Dechiffriermaschinen)
- Das Internet ging aus dem Ende der 1960er Jahre entstandenen
ARPANET hervor, einem Projekt der Advanced Research Project
Agency (ARPA) des US- Verteidigungsministeriums. Es wurde
benutzt, um Universitäten und Forschungseinrichtungen zu
vernetzen um die knappen Rechenkapazitäten sinnvoll zu nutzen,
erst in den USA, später dann auch weltweit.
Ein weiteres Ziel des Projektes - vor dem Hintergrund des Kalten Krieges -
bestand in der Schaffung eines verteilten Kommunikationssystems, um im
Falle eines Atomkrieges eine störungsfreie Kommunikation zu ermöglichen .
> 3 Phasen der Medienentwicklung:
1. Phase: seit dem amerikani. Bürgerkrieg (1861-1865):
Speichertechniken
2. Phase: seit 1. WK: Übertragungstechniken
3. Phase: seit 2. WK: Technik der Berechenbarkeit
Die Macht liegt auch weiterhin bei denen, die den Schlüssel zum Aufschreibesystem
haben. Freies Handeln ist soweit möglich, wie es das Programm, sprich: der
Hersteller erlaubt! (>> vgl. „Matrix“)
II. MEDIENETHIK II. 1. Exkurs: ETHIK Zunächst einmal ist - in Absetzung von alltagssprachlichen Gewohnheiten - zwischen
Ethik und Moral zu unterscheiden. 'Moral bezeichnet einen Bereich des
menschlichen Lebens, der von Kunst, Wissenschaft, Recht oder Religion
verschieden ist; Moral ist die Gesamtheit der moralischen Urteile, Normen, Ideale,
Tugenden, Institutionen.' Ethik ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem
Bereich der Moral.
Die allgemeine Ethik - die im Folgenden einfach als Ethik bezeichnet wird - stellt
Kriterien für gutes und schlechtes Handeln und die Bewertung seiner Motive und
Folgen auf. Sie ist die Grundlagendisziplin der Angewandten Ethik, die sich als
Individualethik, Sozialethik und in den Bereichsethiken mit den normativen
Problemen ihres spezifischen Lebensbereiches befasst.
Das Ziel der Ethik ist die Erarbeitung von allgemeingültigen Normen und Werten. Sie
ist abzugrenzen von einer deskriptiven Ethik, die keine moralischen Urteile fällt,
sondern die tatsächliche, innerhalb einer Gesellschaft gelebte Moral mit empirischen
Mitteln zu beschreiben versucht.
Die Metaethik, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts als eigenständige Disziplin
entwickelte, reflektiert die allgemeinen logischen, semantischen und pragmatischen
Strukturen moralischen und ethischen Sprechens und stellt insofern die Grundlage
für die deskriptive und normative Ethik dar.
II.2. Mensch - Medien - Moral: Eine Verhältnisbestimmung ... und gibt es eigentlich noch einen verbindlichen Rahmen?
Die Gesellschaft, in der wir heute leben, wird immer weniger von der Produktion
materieller Güter bestimmt, immer mehr aber vom Austausch von Informationen und
Wissen sowie von der kommunikativen Vernetzung. Vor allem in den Bereichen
Politik, Wirtschaft, Technik und Bildung entwickeln sich Kompetenzzentren der
kommunikativen Vernetzung von Daten, Informationen und Wissen. Sie bildet sich im
System wechselseitiger Relationalität, in der technologisch rationalisierte Prozesse
der Kommunikation die gesellschaftliche Entwicklung, das wirtschaftliches
Wachstum, den ökonomischen Auf- und Abschwung, die Machtverteilung und nicht
zuletzt soziale Bewegungen bestimmt. (Münch, Richard, Dialektik der
Kommunikationswissenschaft, Frankfurt/M. 1995, 12) In den letzten Jahrzehnten ist
die Welt der gesellschaftlichen Kommunikation durch das Potenzial der Medien
erheblich vielfältiger, vieldeutiger, komplexer und nicht zuletzt verletzlicher und
zerbrechlicher geworden.
Während die Medien immer mehr zum aktuellen Menschsein gehören, scheint es mit
der Moral umgekehrt zu sein. Sie ist in mancher Hinsicht auf dem Rückzug. Wir sind
uns nicht mehr sicher, wo welche Normen gelten, wo moralische Überzeugungen
überhaupt noch relevant sind. Wir fragen uns heute: Wie lassen sich der
demokratische Minimalkonsens und die breit akzeptierte Alltagsmoral auf den
Bereich der Medienkommunikation anwenden? Nach welchen Kriterien lässt sich
bestimmen, ob Medienangebote noch angängig oder moralisch bedenklich sind (z.B.
im Blick auf Pornographie)?
Man spricht heute von einem gestiegenen 'Ethik-Bedarf’: Man wünscht sich eine
unbestechliche, überparteiliche Instanz, die darüber befindet, was in Bereichen, in
denen ständig neue Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten entstehen, als
moralisch geboten, verboten oder erlaubt gelten darf. Früher erwartete man solche
Kriterien von den Religionen, heute von der Ethik. Wie geht die Ethik dabei vor? Ist
sie mit diesen hohen Erwartungen nicht überfordert? Diese Fragen stellen sich
verstärkt für die Medienethik - eine erst im Aufbau befindliche Bereichsethik.
II.3. Geschichtl. Überblick über die Medienethik Die Geschichte der M. verzahnt sich mit der Geschichte der Medienentwicklung, der
Sozialgeschichte und der politschen Geschichte. Diese Verzahnung ist zu großen
Teilen reaktiv - M. reagiert auf Entwicklungen - und nur partiell innovativ. Anfänge m.
Überlegungen finden sich mindestens seit der Erfindung des Buchdrucks im 15.
Jahrhundert. Bezieht man die Auseinandersetzung um Übergänge von der oralen
Kultur mündlicher Erzähl- und Reflexionstraditionen zur Schriftkultur mit ein, lassen
sie sich bis in die Antike zurückverfolgen: So wertet etwa Platon die Verschriftlichung
äußerst kritisch, sieht durch schriftliche Aufzeichnungen - die ersten „Medien“ - die
Gefahr des Schwindens von aktuell gewusstem Wissen sowie eines Verlust der
Authentizität und Genauigkeit vermittelter Gehalte mit dem Effekt sozialgefährlicher
Halbbildung und Fehlverstehens bei den Massen etc. (Phaedr. 275e; vgl. Slezák
1985). M. im modernen, auf Massenmedien bezogenen Sinn ergibt sich jedoch erst
im 19. und 20. Jahrhundert. Bedingungsumfeld sind die neuzeitlich-moderne Wende
zum Subjekt, die im Gefolge der Aufklärung geschehende konkrete und zunehmend
allgemeine Einforderung der Subjektautonomie in Gestalt politischer Mitsprache-
rechte, die allmähliche Verbesserung des Lebensstandards durch die Industri-
alisierung sowie die Durchsetzung der Alphabetisierung und der allgemeinen
Schulpflicht in Europa und den USA um die Mitte des 19. Jahrhunderts: Mit der
Wende zum Subjekt erscheint der Mensch unabhängig von allen seinen individuellen
empirischen Bedingtheiten und Schichtzugehörigkeiten und so zur potentiell
gefährlichen Instanz der Weltkonstruktion und Weltbewältigung.
Mediengeschichtliche Marksteine sind dabei die Erfindung mechanischer
Drucktechniken im 19. Jahrhundert, der Wechsel der Tageszeitung vom Abbonne-
mentvertrieb zum Straßenverkauf in den USA um 1895, die Heraufkunft der
Massenliteratur (Kolportageroman, „Groschenheft“, „Dime Library“) nach der Mitte
des 19. Jahrhunderts und die Entstehung des Films um 1895. Im 20. Jahrhundert
sind zu nennen der Rundfunk (um 1900), das Fernsehen (um 1935), Video (wirksam
ab den 80er Jahren) und die neuen Informationstechnologien (Computer, CD-Rom,
WWW etc.; ab den 90er Jahren). M. wird in diesem Prozess zunächst weitgehend
implizit im Rahmen pädagogischer, kunsttheoretischer, juristischer oder
gesellschaftstheoretischer Diskurse betrieben.
Seit dem Ausgang der 70er Jahre und befördert durch einige sensationelle mediale
Entgleisungen (Gladbecker Geiseldrama, Benneton-Werbekampagne), die
Einführung des Privatfernsehens in den 80er sowie die Expansion der
Computerkommunikation in den 90er Jahren entsteht gleichwohl neben diesen
impliziten m. Diskursen eine explizite M., die innerhalb der Philosophie,
Kommunikationswissenschaft, Theologie und von Medienschaffenden selbst
betrieben wird (H. Boventer, M. Haller, Th. Hausmanninger, G.W. Hunold, M. Rühl,
St. Ruß-Mohl, U. Saxer u.a.). Sie siedelt sich zu großen Teilen jenseits
rückwärtsgewandter, kontramoderner Sehnsüchte, aber auch jenseits des
allgemeinen Pessimismus´ der Kritischen Theorie an. Darüber hinaus weisen die m.
Diskurse eine stärkere Verklammerung mit der Medienpraxis auf.
II.4. Inhaltl. Annäherung
II.4.1. ethische Verortung: Medienethik ist eine (umfassende) Bereichsethik, welche prinzipienorientierte Argumentation mit empirischen Aussagen verbindet
Die Medienethik ist eine «Bereichsethik» - wie die Umweltethik, die Medizinethik und
die Wirtschaftsethik. Aber in gewisser Weise sind Medien ein ubiquitärer Bereich,
eine Bedingung unserer Weltwahrnehmung: Was wir von der Welt wissen, wissen wir
durch die Medien. Was hier erlaubt ist und was nicht, ergibt sich für eine reflektierte
Medienethik nicht aus den Geschmacksurteilen einer tonangebenden Gruppe (z.B.
des Bildungsbürgertums), sondern ist im Blick auf die Grundrechte Betroffener, z.B.
von Minderheiten zu bestimmen.
Medienethik ist somit eine Form angewandter Ethik. Angewandte Ethiken werden
immer dann notwendig, wenn sich aufgrund wissenschaftlich-technischer
Entwicklungen neue Handlungsmöglichkeiten und mit ihnen Bewertungsprobleme
ergeben, für welche die allgemeine Moral (oder die bisherige Berufsmoral) keine
ausreichend trennscharfen Kriterien bereithält. Die Wahl- und
Orientierungsprobleme, vor welchen die Massenmedien und Informationsnetze die
Gesellschaft sowie den Einzelnen stellen, erfordern eine bereichsspezifische
ethische Reflexion.
Dieser Forderung nach einer expliziten Medienethik stimmen wenigstens diejenigen
zu, die im ständig wachsenden Informations- und Unterhaltungsangebot nicht nur
Chancen für die Demokratie und die Entwicklung des Einzelnen sehen, sondern
auch Gefahren. Worin die Chancen und Gefahren für bestimmte
Bevölkerungsgruppen konkret bestehen, das zu bestimmen ist Aufgabe der Empirie.
Die Rolle der Ethik ist es, mit dem Verweis auf die Grundbedingungen des Humanen
(z. B. auf das Schutzbedürfnis von Heranwachsenden) darauf zu insistieren, dass
diese Chancen auch wirklich genutzt und Gefahren minimiert werden. Medienethik ist
also, wie die anderen angewandten Ethiken auch, sowohl empirie- wie
prinzipiengeleitet .
II.4.2. Ethische Begründung/ medienethisches Modell
Im Blick auf die ethische Begründung und Reflexion der Medienethik ist
wiederum festzuhalten, dass Medienethik philosophisch betrachtet keine Sonderethik
eigenen Rechts ist, sondern eine auf einen besonderen Gegenstands- und
Handlungsbereich angewandte Ethik, und damit Teil der praktischen Philosophie.
Allerdings muss die Medienethik (im Unterschied zur reinen Individualethik) immer
schon mit Systemstrukturen rechnen. Massenkommunikation als durch technische
Medien mehrstufig vermittelte und meist einseitige Kommunikation erfordert (ähnlich
wie die Technikethik) ein systemisches Ethikverständnis, das individuelle Handlungs-
verantwortung mit den systembedingten Folgeproblemen vermittelt.
Das philosophische Reflexionsgeschäft der Medienethik lässt sich dabei folgender-
maßen umreißen: Erstens geht es darum, verschiedene Ansätze und Begründungs-
strategien der Ethik für die Medienethik fruchtbar zu machen. Für die Medienethik
sind m.E. Ansätze aus der kommunikativen Ethik besonders interessant, da diese
Ethikbegründung und ethisches Entscheidungsverfahren aus den Strukturen der
Kommunikation selbst herleiten. So kann aus der Diskursethik nicht nur eine
allgemeine Begründung für die Medienethik gewonnen werden, sondern es lassen
sich aus ihr in Anknüpfung an die universalen Prinzipien Wahrheit, Wahrhaftigkeit
und Gerechtigkeit auch konkrete, normativ gehaltvolle Prinzipien für die Medienethik
ableiten. Der Geltungsanspruch der Medienethik beruht damit also auf einer
geltungskritischen Reflexion und einer situationsbezogenen Applikation universeller
Normen. In diesem Zusammenhang gehört es auch zum Reflexionsgeschäft der
Medienethik, ihre gesellschaftlichen Wirkungen und ihre eigenen Unterscheidungen
zu thematisieren sowie die Grenzen dieser Unterscheidungen zu bestimmen. Die
philosophische Begründung von medienethischen Grundsätzen kann so den gerade
der Medienethik oft anhaftenden Verdacht der bloßen Zufälligkeit und Willkür
überwinden.
(Mit welcher ethischen Theorie Begriffe wie 'gut' oder 'richtig' bestimmt werden, hängt
eher davon ab, in welcher philosophischen Tradition man steht und wie man das
Moralprinzip am einleuchtendsten begründen zu können glaubt.) Die medien-
ethischen Konzepte fallen unterschiedlich aus, je nachdem, welches
Ethikverständnis zugrunde gelegt und welche ´sachspezifischen´ Voraussetzungen
gemacht werden. Im deutschsprachigen Raum sind hierzu folgende 2 Modelle
vorherrschend:
1. ein rechtskonservatives, kontramodernes Konzept, das sich aus der Anti-
Trivialliteratur- sowie der Kinoreformbewegung herausentwickelt hat. Ausgearbeitet
wird zunächst ein Set in erster Linie inhaltsbezogener medienkritischer Vorwürfe:
Durch die Mediengehalte werde a) eine allgemeine moralische Primitivierung
eingeleitet, die sich insbesondere als b) Sexualisierung und c) Kriminalisierung
konkretisiere. Die Kinoreformer ergänzen dies durch den Vorwurf einer partiell
hieraus entspringenden, partiell durch Sozialkritik verursachten d) gesellschaftlichen
Destabilisierung; die Filmerziehung setzt an die Stelle dieses Vorwurfs den eines
sozialgefährlichen Werteverfalls, während Glogauer u.a. von einer „Zerstörung der
sozial-moralischen Grundlagen der Gesellschaft“ sprechen.
Schlüssig gemacht werden diese Vorwürfe durch a) eine negative Anthropologie, die
den Menschen als destruktiven Hedonisten („urzeitlicher Schlächter“, „Triebwesen“)
und Moralität als lediglich kulturell-zivilisatorische Domestizierungsleistung dieser
naturalen Basis zeichnet. Daneben erscheint b) insbesondere die „ungebildete
Masse“ der „unteren Schichten“ als mangels zivilisatorischer Domestikation gefährdet
und zudem als Brutstätte amoralischer Subkulturen. Schließlich wird d) den
Mediengehalten qua Quantität eine Überschwemmungs- und Umerziehungswirkung
unterstellt. Da in diesem Verständnis Ethik nur als (kognitive) Zähmung der Natur
und Errichtung von Barrieren gegen die naturalen Strebungen erscheint, richtet sich
die m. Normierung dann in erster Linie auf die Schaffung rechtsbewehrter
Beschränkungen der inhaltlichen Medienproduktion.
2. Neben diesem Konzeptstrang zeigt sich ein im weiteren Sinn linksemanzipatives, modernitätsdialektisches bzw. postmodernes Konzept. In Deutschland
grundgelegt wird es durch die Kritische Theorie, die ihre Modernitätskritik als Kritik
der instrumentellen Vernunft entwirft: Die Menschheit hat demnach ihre Hoffnung von
Beginn an auf eine Überwindung der Natur durch deren vernünftig-instrumentelle
Verzweckung gesetzt, - jedoch frühzeitig bereits die instrumentelle Perspektive
zusätzlich auf sich selbst und die Gesellschaftsorganisation gewendet. Medien
werden in diesem Kontext Stützen des instrumentellen Systems, die der Profit-
maximierung und Herrschaftsverschleierung einerseits, der Stillstellung möglicher
Protest- und Revolutionsenergien andererseits dienen und den gegebenen Zu-
sammenhang als den besten aller möglichen darstellen. Entsprechend kann auch
Medienethik lediglich als Medienkritik vorgebracht werden, die durch Entlarvung des
„unwahren Ganzen“, der „schlechten Totalität“ (Adorno) eine Ahnung des Besseren
aufscheinen lässt. Die medienethische Zielnorm ist ein mündiger Umgang mit den
Medien und deren Nutzung zur gesellschaftskritischen Bewusstseinsarbeit (H.
Giffhorn u.a.).
3. Die explizite M. der Gegenwart nimmt partiell Theoreme dieser beiden großen
Stränge auf, bietet im ganzen jedoch ein eigenständiges und relativ plurales Bild. Die
Medienethik ist eine erst im Aufbau befindliche Bereichsethik, für welche es im
deutschen Sprachraum zwar eine wachsende Zahl von Aufsätzen und Dissertationen
gibt, ein systematischer Entwurf jedoch noch aussteht.
II.4.2.1. Die diskursive Verantwortungsethik
Das Modell einer diskursiven Verantwortungsethik (vgl. Löwisch 2000, Funiok
2000) stellt m.E. einen idealen Ansatz für die Medienethik dar. Verantwortung als
Prinzip von Ethik muss zu einer Verantwortungshaltung führen, d.h. zu einer
inneren moralischen Verfassung des Menschen, als Person verantwortlich handeln
zu sollen, nach bestem Wissen und Gewissen.
Eine diskursive Verantwortungsethik für den Bereich der Medien wäre in diesem
Sinne als eine Bereichsethik zu konzipieren, die zwei Anforderungen erfüllen müsste.
• Begründung auf dem Fundament kommunikationswissenschaftlicher
Forschung, verbunden mit einer Ausweitung der ethischen Fragenperspektive
auf alle Einflussfaktoren, die im Prozess der sozialen Kommunikation
zusammenwirken.
• Überwindung eines rein individualethischen Ansatzes; Frage nach den
strukturellen Bedingungen, denen der Einzelne im Medienhandeln ausgesetzt
ist. Damit ist eine Ausweitung des Begriffs der sozialen Verantwortung
verbunden, der auch die aufgaben- und funktionsbezogene Verantwortung
sozialer Gruppen, z.B. von Medienunternehmen, berufsbezogener
Organisationen oder Medieninstitutionen (Anbieter) umfasst.
Die Analyse von Systembedingungen und Strukturfragen darf aber
andererseits nicht dazu führen, dass die innerhalb des Mediensystems tätigen
Personen sich von der Verantwortung für das eigene professionelle Handeln
weitgehend freigestellt fühlen und auf der anderen Seite dem Rezipienten eine
idealisierte Mündigkeit und Autonomie unterstellt wird, der er nicht gewachsen
ist, insbesondere als Kind oder Jugendlicher.
Verantwortung als ethische Schlüsselkategorie
In unserem Jahrhundert war es der Soziologe Max Weber, der in seinem Vortrag 'Politik
als Beruf' als sozialethische Verpflichtung formulierte, 'dass man für die
(voraussagbaren) Folgen seines Handelns aufzukommen hat'. Weber stellte dabei die
'Verantwortung' des (idealen) Politikers in Gegensatz zur 'Gesinnungsethik' eines
Menschen, der in schwärmerischer Weise auf eine weltenthobene Gestalt des Guten
fixiert ist. Rationale Politik rechnet demgegenüber mit der Komplexität der Wirklichkeit
und ist auf ihre Verbesserung im Rahmen des menschlich und finanziell Möglichen
ausgerichtet
Die Frage nach der Verantwortung lässt sich als Folge von sechs Teilfragen
formulieren:
1. Wer trägt Verantwortung? (Handlungsträger);
2. Was ist zu verantworten? (Handlung);
3. Wofür trägt er Verantwortung? (Folgen);
4. Wem gegenüber trägt er Verantwortung? (Betroffene);
5. Wovor muss er sich verantworten? (Instanz, z. B. Gewissen, Öffentlichkeit);
6. Weswegen muss man sich verantworten? (Werte, Normen, Kriterien).
Im Medienbereich ist die Frage nach der Verantwortung der Handlungsträger stark
umstritten: Wer ist im arbeitsteiligen Prozess der Erstellung und Verbreitung von
Medienangeboten verantwortlich zu machen? Sind es die einzelnen Produzenten, sind
es die Institutionen oder die Strukturen des Mediensystems? Die Benennung von
'Verantwortlichen im Sinne des Presserechts' innerhalb einer Redaktion bzw. eines
Impressums, die Forderung nach einem Impressum auch für ins Netz gestellte Inhalte,
zeigen die teils bekannten, teils neuen Schwierigkeiten. Auch bezüglich der
Handlungsfolgen verflüchtigt sich Verantwortlichkeit nur dann nicht, wenn man von einer
'korporativen Verantwortung' ausgeht. Mit den Überlegungen Debatins lassen sich die
Probleme an folgendem Beispiel verdeutlichen:
1. Schwierigkeit: Identifizierung der Handlungs- und Verantwortungsträger
Die Unternehmensleitung legt die Unternehmensstrategie fest, z. B. einen bestimmten
Marktanteil durch neue attraktive Serien zu halten oder auszubauen. Ein
Abteilungsleiter entscheidet sich deshalb für eine bestimmte zuschauerträchtige
Machart (z. B. des Reality-TV), und der einzelne Reporter soll die entsprechenden
Beiträge liefern. So kann es passieren, dass einem Journalisten zugemutet wird,
entgegen seiner Überzeugung reißerische Berichte abzuliefern oder einen bestimmten
Stil von Recherche zu praktizieren. Oder sein Beitrag wird anschließend in einen
Kontext gestellt, den er nicht persönlich mitverantwortet hat.
Die Entscheidungen über die Mittel liegen bei anderen als bei denen, die die Ziele
festgelegt haben. Wiederum wird deutlich, dass die Verantwortung des Senders für ein
Produkt sich nicht nur summativ aus der Einzelverantwortung der Rollenträger ergibt,
sondern ein spezifisch 'korporatives Handeln' darstellt, welches auch korporativ
verantwortet werden muss.
2. Schwierigkeit: Unbeabsichtigte Folgen bei geteilter Verantwortung
Durch die Verteilung von Verantwortung kann es dazu kommen, dass alle Beteiligten für
sich gesehen moralisch einwandfrei handeln und es dennoch - durch unreflektierte und
nicht von allen mitgetragene Mittelentscheidungen
- zu problematischen Folgen kommt. Nehmen wir noch einmal das Beispiel:
Die Entscheidung der Unternehmensleitung mag durch den Wunsch motiviert sein,
Arbeitsplätze und Mitarbeiterverträge zu erhalten - ein moralisch einwandfreies Motiv.
Auf der Ebene der Redaktion wird das Ziel, eine attraktive Serie zu machen, umgesetzt
in die Aufforderung an die zuarbeitenden Journalisten, es bei den Recherchemethoden
nicht so genau zu nehmen mit der Privatsphäre ('invasive Recherche'). Damit kommt
ein moralisch problematisches Endergebnis heraus.
Es wäre fatal, dafür nur den Redakteur verantwortlich zu machen oder gar den
Journalisten, der diese Recherchemethode persönlich gar nicht für gut hält. Geteilte
Verantwortung ist nicht halbierte Verantwortung, sondern muss im Krisenfall von allen
Beteiligten getragen werden. Und nicht nur die Verantwortung für das Endprodukt
übernehmen. Wo dies konsequent geschieht, sind interne Klärungsprozesse in Gang zu
setzen, um solche nicht gewollten Effekte zukünftig zu vermeiden. Auch nach außen hin
muss das Unternehmen 'Sühne' leisten - indem sich Repräsentanten der Unter-
nehmensleitung öffentlich entschuldigen oder indem sie den Geschädigten materielle
oder immaterielle Entschädigung anbieten.
Bei aller Freiwilligkeit solcher Aktionen ist es für das Funktionieren der individuellen wie
der korporativen Verantwortung im Medienbereich wichtig,
die Verantwortungsinstanzen zu sehen. Da ist sicher einmal das persönliche
('berufliche') Gewissen, aber auch die ethische Sensibilität der Unternehmung - und
schließlich eine hinreichend informierte und kritische Öffentlichkeit. Nur wenn die
Öffentlichkeit die Beachtung moralischer Standards einfordert, haben die Urteile der
Selbstkontrollinstanzen genügend (moralische, auf die Reputation bezogene)
Sanktionskraft.
Die sozialethische Perspektive hat (neben einer individualethischen, die sich z.B. in
einem Pressekodex mit seinen Verantwortungsappellen findet) diesen
organisatorischen Kontext im Blick, favorisiert also die 'korporative' Verantwortung und
betont, dass die Bedingungen und der Entscheidungsspielraum der Einzelakteure
entscheidend vom strukturellen und organisatorischen Kontext bestimmt sind. Für sie ist
'Journalismus' nicht die Addition von journalistisch tätigen Personen, sondern ein
komplex strukturiertes und mit anderen gesellschaftlichen Systemen auf vielfältige
sensibel sein, damit sich die Akteure in ihm moralisch verhalten können.
Gestufte Verantwortung im Medienhandeln
Der Appell, im Prozess der Erstellung, Verteilung und Nutzung von Medienangeboten
Verantwortung zu übernehmen, wendet sich an alle, die - in einem gestuften Sinne -
Verantwortung tragen. Welche Personen (gruppen) handeln hier und sind für
'Medienhandeln' verantwortlich zu machen? Bernhard Debatin [24] nennt als erste
Gruppe die Medien-schaffenden (Journalisten, Redakteure, Autoren, Korrespondenten,
Agenturen usw.); sie haben als Einzelne die professionsspezifischen Werte und
Qualitätskriterien (wie Sorgfalt, Wahrheit, Richtigkeit, Fairness) verinnerlicht. Ihre
verantwortungsethische Innensteuerung muss durch korporative Selbstverpflichtung
ergänzt werden und ist auch auf die Unterstützung durch eine kritische Medien-
öffentlichkeit und durch Selbstkontrollinstanzen angewiesen.
Die zweite Gruppe sind die (öffentlich-rechtlichen und privaten) Besitzer und Betreiber
von Massenmedien; ihre zentrale Verantwortung besteht darin, 'durch entsprechende
korporative Selbstverpflichtungen die organisationellen Rahmenbedingungen für
moralisches Handeln der Medienschaffenden bereitzustellen'.
Auch die Mediennutzer sind an ihre soziale Mitverantwortung - als mündige Bürgerinnen
und Bürger - zu erinnern.; es kann als Teil einer zivilgesellschaftlichen Öffentlichkeit die
Entwicklung der Medien kritisch beobachten - in dem Maße, wie diese Fähigkeit durch
ethisch orientierte Medienpädagogik und einen unabhängigen Medienjournalismus
angeregt werden.
Außerdem gibt es die Gremien und Verfahren der gesetzlichen Kontrolle und
Gestaltung: das Bundesverfassungsgericht, die Parlamente, aber auch die Rundfunk-
räte und die Landesmedienanstalten. In Zeiten eines schnellen technischen und
ökonomischen Wandels des Medienbereichs sind die staatlichen Kontroll- und
Gestaltungsmöglichkeiten geringer. Damit ist eine der aktuellen Herausforderungen an
die Medienethik angesprochen.
II.4.3. Ethik als 'innere Steuerungsressource', ihre Bedeutung vor und neben dem Recht
Als weiteres Element der wissenschaftlichen Standortbestimmung ist das Verhältnis von Ethik und Recht zu sehen. Im Unterschied zum Recht kommt die medien-
ethische Argumentation nur bei solchen Personen oder Institutionen an, die sich
selbst zu einem verantwortlichen Handeln verpflichtet fühlen (wobei eine wachsame
Öffentlichkeit hier auch etwas Druck machen kann). Die Selbstbindung ist das für die
Ethik Typische; Ethik ist eine 'innere Steuerungsressource'. Das Recht stellt mit
seinem Zwangscharakter demgegenüber eine äußere Steuerungsmöglichkeit dar. Es
wäre um die Moral im Medienbereich sicher noch schlechter bestellt, wenn es die
Sanktionsmöglichkeit des Rechts nicht gäbe und alles der Freiwilligkeit überlassen
bliebe. Es braucht beide Steuerungen, soll ein gesellschaftlich so bedeutsamer
Sektor wie der Medienbereich nicht aus dem Ruder laufen.
Das Medienrecht und die ihm folgende Rechtsprechung können aber nur bereits
erkannte Gefährdungen regeln, sind also eher retrospektiv orientiert. Matthias
Karmasin macht in seinem Artikel „Medien, in: Handbuch der Wirtschaftsethik“ auf
einige Schwierigkeiten aufmerksam, mit welchen Recht und Rechtsprechung
kämpfen und die zumindest teilweise durch medienethische Initiativen (z. B.
Selbstverpflichtungen) aufgefangen werden könnten:
- Es gibt einen großen time-lag zwischen ökonomisch-technischer Entwicklung und
der Rechtsprechung; viele Richter sind zu wenig über die Eigenart neuer Medien und
medialer Infrastrukturen informiert.
- Sowohl die klassischen Massenmedien wie die neuen Online-Medien sind heute
international agierende Medien: Ansätze zu internationalem Recht gibt es auf
europäischer Ebene, für manche Bereiche (z. B. e-commerce) auch unter Feder-
führung der USA; aber eine durchgängige öffentliche Kontrolle erweist sich als
unmöglich.
- Manche Kommunikationen, z. B. die in Intranets oder Chatrooms, spielen sich in
definierten Gruppen ab, können also ihrer Natur nach nicht staatlich kontrolliert
werden. Wohl aber bilden sich auch dort moralische Standards aus. (dazu etwas
später)
Medienethik kann im Unterschied zum Recht eine prospektive Orientierung
bereitstellen, indem sie für sich erst etablierende Programmformen (z. B. Reality
Soaps wie 'Big Brother') die Formulierung von Richtlinien - im Sinne einer alle
Anbieter bindenden Selbstverpflichtung - vorschlägt.
II.4.4. Welches sind die grundlegenden Prinzipien einer Medienethik?
Da es im Bereich der Medien um soziale Kommunikation geht, stehen (nach
Schockenhoff) im Zentrum der Bemühungen einer diskursiven Verantwortungsethik
die Fragen nach
• der Achtung vor der Wahrheit im Medienhandeln
• der Achtung vor den Kommunikationspartnern.
• Aus dem letzten Prinzip ergibt sich die Notwendigkeit, bei normativen
Einzelaussagen der Medienethik alle am Medienprozess beteiligten Akteure
im Blick zu haben. Es muss daher ethische Gebote für die
Medienproduzenten, für Journalisten, für den Gesetzgeber, für
Medienanbieter, Verleger und schließlich für die Mediennutzer, das Publikum
geben.
Ein gültiger Ausgangspunkt: Achtung und Respekt vor der Würde jedes Menschen
Die Menschenrechte bilden auch das Fundament der demokratischen
Medienordnung: Meinungsäußerung- und Pressefreiheit; sie sind zwar nur als
formale Freiheiten institutionalisiert und bedürfen der inhaltlichen Füllung durch
mündige Staatsbürger «Dennoch sollte der Wert, den solche Grundeinstellungen für
die Medienethik haben, nicht unterschätzt werden. Sie dienen im medienethischen
Diskurs als ein normativer Rahmen, der nicht ohne weiteres in Frage gestellt werden
darf.» (Kaminsky 2000, 50)
II.4.5. Medienpädagogische Ethik
Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für eine medienpädagogische Ethik?
Ihre Aufgabe besteht dann darin, bei den Heranwachsenden den Aufbau der
Verantwortungshaltung im Umgang mit Medien zu fördern und dafür geeignete
Rahmenbedingungen zu schaffen. Das bedeutet letztlich, die Medienpädagogen /
Wissenschaftler als Einzelpersonen und die Medieninstitutionen müssen selbst eine
solche Verantwortungshaltung gegenüber den Medien und den Heranwachsenden in
einer mediengeprägten Alltagswelt ausbilden!
Die zentrale Frage lautet:
Wie kann und soll das Prinzip einer diskursiven Verantwortungsethik in der
Medienpädagogik praktisch werden und in allen medienpädagogischen
Berufsfeldern und Tätigkeitsbereichen als Handlungsorientierung dienen?
Medienpädagogik soll bei ihrer Teilhabe an den medialen Kommunikationsprozessen
in der Öffentlichkeit und gestützt auf einzelwissenschaftliche Erkenntnisse
(Forschungen, Theoriebildung, evaluierte Programme):
• medienpolitisch verantwortlich handeln, d.h. darauf achten, dass der
Kinder- und Jugendmedienschutz als eine wichtige Möglichkeitsbedingungen
für den Aufbau einer Verantwortungshaltung bei Heranwachsenden gesichert
ist;
• medienkritisch verantwortlich handeln, d.h., darauf achten ob und dafür
Sorge tragen, dass die Medienproduzenten und Anbieter dort, wo sie Kinder-
und Jugendliche als Zielgruppen im Blick haben, nicht nur deren Interessen,
Bedürfnisse, Wünsche und Fähigkeiten angemessen berücksichtigen, sondern
die Inhalte, Angebotsformen und Kommunikationsprozesse als
Möglichkeitsbedingungen für den Aufbau einer Verantwortungshaltung bei den
Heranwachsenden erkennen und berücksichtigen;
• medienerzieherisch verantwortlich handeln, d.h. den Erziehungspersonen
Eltern, Erzieherinnen, LehrerInnen in den verschiedensten pädagogischen
Feldern medienpädagogische Kompetenz vermitteln, ihnen Konzepte geben
und sie unterstützen in ihrem Bemühen, dass die Heranwachsenden
Medienkompetenz und eine Verantwortungshaltung im Umgang mit den
unterschiedlichsten Medien aufbauen können.
• medienpädagogisch verantwortlich handeln, d.h. die für eine
angemessene Vermittlung von Medienkompetenz bei den Heranwachsenden
erforderlichen Kenntnisse gewinnen, sichern und einsetzen, aufgrund welcher
Prozesse und unter welchen Bedingungen im Entwicklungsprozess eine mit
der Medienkompetenz verbundene Verantwortungshaltung gegenüber den
Medien und im Umgang mit den Medien aufgebaut werden kann und welche
besondere Rolle dabei die Medien selbst spielen.
II.5. Exkurs 2: Virtuelle Identität – virtuelle Moral. Ethische Aspekte heteronomer und autonomer Moral internetbasierter Kommunikation (Rudolf Kammerl, Passau)
Die ethische Reflexion der expliziten und impliziten Handlungsnormen im Bereich der
medienvermittelten Kommunikation und Information beinhaltet auch die Aufgabe, zu
untersuchen, inwiefern Strukturen von Kommunikation moralisches Handeln begünstigen oder erschweren. Im Anschluss an internetethische Fragestellungen
werden im Folgenden Formen heteronomer und autonomer Moral internetbasierter
Kommunikation einer genaueren Betrachtung zugeführt.
1. Anonymität im virtuellen Raum begünstigt unmoralisches Verhalten
Im Bereich der medialen Freizeitgestaltung erfreut sich die internetbasierten
Kommunikation mittels Chat, Mail und News großer Beliebtheit. Der Austausch über
unterschiedlichste Themen mit völlig unbekannten Internetnutzern, sowie das
gegenseitige Kennenlernen stellt für viele einen besonderen Reiz dar. Internetnutzer
berichten jedoch auch über eine Vielzahl von Verstößen gegen einfache moralische
Prinzipien zwischenmenschlicher Kommunikation Diese reichen von kleineren oder
größeren Unhöflichkeiten - die eher als Frage der Etikette abgetan werden könnten -
über Lügen, Beleidigungen, gezielten Irreführungen bis hin zu harten verbalen
Attacken (z. B. im Sinne von sexuellem Missbrauch) und informatischen Attacken
(z.B. flooding = eine Überflutung durch Netzwerkpakete, mailbombs etc.). Diese
Verhaltensweisen werden vor allem durch die Möglichkeiten, als Internetnutzer seine
Anonymität zu wahren, und - damit einhergehend - durch das weitgehende Fehlen
von nachhaltigen Sanktionsmöglichkeiten begünstigt.
2. Heteronome (Fremdbestimmte) und autonome (selbstbestimmte) Moral in der netzbasierten Kommunikation
Für immer mehr Jugendliche wird die Kommunikation im Internet Bestandteil der
medialen Sozialisation. In ihrer moralische Entwicklung befinden sie sich im
Übergang von heteronomen zu autonomen Moralvorstellungen. Ausgehend von den
Untersuchungen zur moralischen Entwicklung im Anschluss an Piaget und Kohlberg
gilt es zu untersuchen, welche Formen heteronomer und autonomer Moral und
welche der jeweils hierfür günstigen Strukturbedingungen (wie z. B. Chancen zu
Teilnahme an kooperativen Entscheidungsprozessen, stabile emotionale
Zuwendung, soziale Anerkennung vs. Geringschätzung, Indifferenz oder
Unberechenbarkeit in der Wertschätzung, eingeschränkte
Kommunikationsmöglichkeiten, überzogene Restriktion, sowie unklare oder
inadäquate Verantwortungszuschreibungen) in den Konstellationen internetbasierter
Kommunikation vorzufinden sind.
Das Internet mit seinen unterschiedlichen Diensten ist hierbei differenziert zu
betrachten. Chatten (plaudern, schwätzen) ist eine synchrone Kommunikationsform.
Die Gesprächspartner schreiben sich mehr oder weniger zeitgleich Texte, die in
nahezu Echtzeit auf dem Bildschirm des Gegenüber zu sehen sind. Der Schreibstil
ähnelt dem der mündlichen Konversation sehr. Soweit bei dieser Form netzbasierter
Kommunikation Konversationsregeln explizit ausgewiesen werden (z.B. in FAQs,
Netiquette, Chatiquette), sind sie meist fest vorgegeben und kaum verhandelbar. Ihre
Einhaltung wird nicht selten überzogen restriktiv von einzelnen Gruppenmitgliedern
und/ oder dem Moderator überwacht. Normverstöße können u.a. zum Ausschluss
aus dem Kommunikationskontext führen. Die Kommunikationsmöglichkeiten sind
sehr eingeschränkt, Meta-Kommunikation findet kaum statt und wird häufig von den
Teilnehmern als lästig empfunden. Anonymität, Distanz und die eingeschränkte
nonverbale Kommunikation lassen die Internetnutzer lange über die tatsächliche
gegenseitige Wertschätzung im Unklaren. Freizeitchats weisen tendenziell eine hohe Häufigkeit von moralisch problematischen Verhalten auf. Im Hinblick auf
die Moralentwicklung von Jugendlichen muss der - insbesondere unmoderierte -
Chatroom tendenziell als problematischer Raum medialer Sozialisation beschrieben
werden.
Natürlich muss auch auf die andere Seite hingewiesen werden: Im Chat können sich
auch ganz gelungene Sozialbeziehungen entwickeln. Starke subjektive Relevanz der
Kommunikation mit anderen Internetnutzern ist Vorraussetzung dafür, dass sich
stabile Beziehungen herausbilden können, in denen Wertschätzung und
Anerkennung erfahrbar wird. Virtuelle Kontakte können soziale Gratifikationen bieten
und neue Gestaltungsräume eröffnen. Empathie und Bindung im Einzel- oder
Gruppenkontakt führen zu prosozialen Orientierungen aus denen auch soziale
Beziehung ausserhalb des Netzes entstehen können.
3. Virtuelle Identität - virtuelle Moral?
Die Informationen über die Identität der Internetnutzer sind sehr reduziert, können
weitgehend vom Kommunikator modifiziert werden und werden vom Adressaten
häufig verzerrt wahrgenommen. Für die Frage nach der individuellen Orientierung an
etwaigen moralischen Maximen ist die Bedeutung des Handelns im Internet für das
Selbstkonzept entscheidend. Für das Selbstkonzept der Internetnutzer kann
netzbasierte Kommunikation sowohl funktional im Sinne experimenteller
Identitätsarbeit sein, aber auch Realitätsflucht, Spiel oder authentische
Selbstdarstellung sein. Die Phänomen «virtuelle Identität» kann - im Rahmen
postmoderner Identitätskonzepte (Multiple Identität, Patchworkidentität) - als mehr
oder weniger entkoppelte Teilidentität interpretiert werden oder - im Rahmen
moderner Identitätskonzepte - als Kommunikationsfeld einer Gesamtidentität. Bei
geringer Identitätsrelevanz netzbasierter Kommunikation ist mit Abbruch der
Kommunikation, mit Wechseln der Virtuellen Identität und höherer Bereitschaft zu
Normverstößen zu rechnen. Eine Orientierung an bereichsübergreifenden
individuellen moralischen Überzeugungen ist insbesondere dann zu erwarten, wenn
es sich bei der internetbasierten Kommunikation um eine authentische und stabile
handelt, mit hoher Identitätsrelevanz für alle Beteiligten. Bindung zwischen den
Internetnutzern und die Wahrnehmung des Internet als moralisch bedeutsames
Handlungsfeld sind hier ebenfalls als begünstigende Faktoren zu nennen.
4. Wie können medienethische Maßstäbe für die internetbasierte Freizeitkommunikation Geltung erlangen?
Medienethik betreibt ethische Reflexion der Handlungsnormen im Bereich der
medienvermittelten Kommunikation und Information und versucht moralische Urteile
und geforderte Verhaltensweisen rational zu begründen und auf verallgemeinerbare
moralische Prinzipien zurückzuführen. Medienethik geht also über eine neutrale
Beschreibung vorfindbarer Moral und Handlungsregeln hinaus und formuliert eigene
normative Bewertungsmassstäbe für den Medienalltag.
Bei der Freizeitgestaltung internetbasierte Kommunikation mit zunächst unbekannten
Netzteilnehmern überwiegen emotionale Orientierungen. Spielerische Aspekte,
irrationale Zuschreibungen und Stereotypisierung, sowie daraus resultierende
emotionale Überreaktionen (Flames) prägen die Verlauf virtueller Kontakte und die
Entwicklung daraus entstehende Beziehungen sehr. Statt rationale begründbarer
moralischer Prinzipien bestimmen emotionale Befindlichkeiten die Moral des
individuellen Handelns.
Die Kommunikationskultur des Internet kann nicht als eine einheitliche beschrieben
werden. In dem weltweiten Medium Internet sind sehr heterogene Subkulturen mit
kontextspezifischen Konventionen aufzufinden. Es ist anzunehmen, dass sich
medienethische Maximen bei den Internetnutzern als Bestandteil
handlungsanleitender Individualethiken nur dann etablieren können, soweit es
innerhalb und außerhalb des Mediums gelingt, mittels diskursiver Verfahren hierfür
Verbindlichkeit einzufordern. Es ist zu erwarten, dass dies nur im Kontext einer
allgemeinen moralischen Bildung gelingen kann.
III. MEDIEPÄDAGOGIK Der Begriff „Medienpädagogik" ist relativ jung, sein Gegenstandsbereich so alt wie
die sogenannten Massenmedien. Er taucht als Fachterminus erstmals zu Beginn der
1960er Jahre im erziehungswissenschaftlichen Sprachgebrauch auf.
Ansätze und Richtungen
Auch wenn Medienpädagogik noch keine allzu lange Tradition hat, sind die
Versuche, sich aus pädagogischer Sicht in Theorie und Praxis mit Medien
auseinander zu setzen, nicht viel jünger als die Medien selbst bzw. sind natürlich an
diese gekoppelt. Nach ihrem Aufkommen zogen sie meist sehr schnell erzieherische
und bildungspolitische Maßnahmen nach sich, einmal weil man ihren vermeintlichen
Gefahren zu begegnen versuchte, zum anderen weil man ihre unterrichtsunter-
stützenden Möglichkeiten nutzen wollte. Jedoch bewegten sich diese pädagogisch
bemühten Beschäftigungen mit den Medien lange Zeit im vorwissenschaftlichen
Raum und wurden zunächst weder systematisch noch kontinuierlich betrieben.
Eine intensivere Zuwendung von Erziehern zu den Medien lässt sich seit Beginn des
20. Jahrhunderts feststellen, als der Film anfing, sich zu einem Massenmedium zu
entwickeln, in dem die meisten Pädagogen eine Quelle der Jugendgefährdung
erkannten, der „erziehlich entgegenzuwirken ist". (Dannmeyer 1907) Der Film blieb
bis zu seiner Ablösung durch das Fernsehen das mediale Hauptproblem besorgter
Eltern und Lehrer, und so war das, was heute als Medienpädagogik bezeichnet wird,
bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts eigentlich Filmerziehung. Als eigen-
ständiger wissenschaftlicher Forschungs- und Lehrbereich hat sich die Medien-
pädagogik erst in den letzten vier Jahrzehnten an Hochschulen etabliert. Sie findet
sich heute als universitäre Disziplin keineswegs nur in erziehungswissenschaftlichen
Verankerungen wieder, teilweise ist sie auch publizistik- und kommunikations-
wissenschaftlichen, soziologischen, psychologischen oder kunst- und kulturwissen-
schaftlichen Abteilungen angegliedert, was nicht zuletzt auf ihren interdisziplinären
Charakter hinweist.
Medienpädagogik verstand sich in ihren Anfängen mit dem Aufkommen des Films
zunächst ausschließlich als ein Präventivinstanz, die Kinder, Jugendliche und auch
Erwachsene vor den Gefahren dieser neuen bewegten Bilder bewahren wollte. Mit
der wachsenden Popularität der Medien, besonders mit der Verbreitung des
Fernsehens, wurde die Erfolglosigkeit einer solchen Bewahrpädagogik deutlich, und
es setzte ein Umdenken innerhalb der Medienpädagogik ein. Statt Bewahrung vor
den Medien hieß es nun: Hinführung zu ihrer kritischen Nutzung. Gleichzeitig ent-
deckte man die Möglichkeit, Medien verstärkt in den Dienst von Unterricht und Aus-
bildung zu stellen. Medienpädagogik reduzierte sich teilweise auf Bildungs-
technologie. Diese Sichtweise geriet in den 1970er Jahren ins heftige Kreuzfeuer der
Kritischen Erziehungswissenschaft, deren Einfluss sich auch auf die Medienpä-
dagogik bemerkbar machte: Es kam zu einer Wende im medienpädagogischen
Denken und Handeln; Wende hier zu verstehen als emanzipatorische Bestrebung
und nicht als Rückbesinnung auf überholte Traditionen. Nicht mehr die technischen
und didaktischen Möglichkeiten der Medien standen im Mittelpunkt, sondern ihre
gesellschaftliche Relevanz und ihr konkreter Nutzen für den Einzelnen. Damit machte
sich die sogenannte emanzipatorische bzw. handlungs- und teilnehmerorientierte
Medienpädagogik auf den Weg, deren Hauptanliegen es war, Kommunikations-
strukturen zu demokratisieren. Diese Medienpädagogik verfolgte verstärkt das Ziel,
Medien auch zur Veränderung von Handeln und Verhalten einzusetzen und die
Möglichkeiten der Erkenntnisgewinnung durch aktiven eigenen Umgang mit Medien
zu fördern. (Aktive Medienarbeit) Ein solches Verständnis von Medienpädagogik
hat sich mit den beginnenden 1980er Jahren weitgehend durchgesetzt und in
jüngerer Zeit eine Neuakzentuierung durch den Standortwechsel medienpäda-
gogischer Fragestellung erfahren, die sich nicht mehr primär von den Medien her
bestimmt, sondern vom Nutzer, der mit Medien handelnd seinen individuellen
Lebensalltag arrangiert. Dieser pädagogische Ansatz der reflexiv-praktischen
Medienaneignung (Schorb 1995) stellt den Menschen als Subjekt der Medien-
entwicklung, und zwar als Rezipient und Kommunikator in den Mittelpunkt.
Die Geschichte der Medienpädagogik zeigt insgesamt, dass sie eine Geschichte der
pädagogischen Reaktionen auf die jeweils „neuen Medien" und die durch sie
hervorgerufenen gesellschaftlichen Irritationen ist. Medienpädagogische Konzepte
entstehen meist als zeitbedingte Antwortversuche auf die individuellen und
gesellschaftlichen Fragen, die durch Medien verursacht werden; sie sind immer in
engem Zusammenhang mit den jeweiligen politischen, ökonomischen und
medientechnologischen Entwicklungen zu sehen. Der Ruf nach Medienpädagogik
ertönt eigentlich immer in Umbruchsituationen besonders laut, in denen gängige
Orientierungs- und Handlungsmuster aufgrund wachsender Verhaltensunsicherheit
gegenüber „Medienfortschritten" brüchig werden und dadurch das subjektive wie
objektive Bedürfnis nach Medienpädagogik steigt. Dies erweist sich derzeit in
geradezu typischer Form im Zusammenhang mit der Ausbreitung der digitalen
Medien- und Netztechnologien wieder einmal aufs Neue.
So sind auch das Aufkommen des Begriffs und die Entstehung der Disziplin in den
sechziger Jahren in doppelter Weise Indizien für die enge Bindung der Medien-
pädagogik an die gesellschaftliche Entwicklung. Einmal ist Medienpädagogik - wie
Erziehung überhaupt - in ihrer Entfaltung weitgehend abhängig vom Stellenwert, den
ihr die gesellschaftsbestimmenden Kräfte zuweisen; zum anderen ist sie als eine
Disziplin, die an die technische Entwicklung gebunden ist, in besonderem Maße mit
politischen und ökonomischen Konjunkturen verflochten. Vor dem Hintergrund der
heutigen Medienrealität mit ihren tiefgreifenden Einwirkungen auf Staat, Gesellschaft
und deren Subsysteme hat die Medienpädagogik derzeit denn auch in dem Sinne
Hochkonjunktur, dass ihr von den Protagonisten aus Politik und Wirtschaft ein
erheblicher Bedeutungszuwachs zugesprochen wird. So bezeichnete z. B. 1998 der
damalige deutsche Bundespräsident Herzog die Vermittlung von Medienkompetenz
als bestimmenden Faktor für Lebenskompetenz in der heutigen Gesellschaft übe-
haupt.
Allerdings bleibt solcher Zuspruch bisher weitgehend ideell und wird nicht annähernd
materiell genug, um damit in ausreichendem Umfang Medienpädagogik betreiben zu
können. Wenn aufgrund der fortschreitenden Usurpation fast aller Lebensbereiche
durch die expandierende Multimediawelt von Politikern immer häufiger landesweit
arbeitende medienpädagogische Strukturen als gesellschaftspolitische Aufgabe
ersten Ranges gefordert werden, bleibt dies bisher folgenlose Willenserklärung. In
der wachsenden Diskrepanz zwischen zugewiesenen Pflichten und zugewiesenen
Mitteln wird ein ständig steigendes ambivalentes Verhalten der Kultur- und
Bildungspolitik gegenüber medienpädagogischen Belangen manifest. Wie immer
auch die Förderung in Zukunft aussehen wird, die unbestreitbare Aufgabener-
weiterung der Medienpädagogik ist ein Faktum, das nach einer weit stärkeren Pro-
fessionalisierung auf ihren verschiedenen Handlungsfeldern verlangt.
Wenn derzeit von einem Umbruch der Medienpädagogik gesprochen werden kann,
dann nicht als rigorosem Bruch mit früheren medienpädagogischen Richtungen und
Ansätzen, sondern als deren Überprüfung und vorwärtsführende Revision unter
veränderten technologischen und kommunikationspolitischen Ausgangs-
bedingungen. Trotz Umbruch sind auch heute noch oder in Folge der Diskussion um
Video- und Fernsehgewalt wieder bewahrpädagogische Tendenzen virulent, ebenso
wie es in bewahrpädagogischen Blütezeiten bereits Versuche alternativer Medienarbeit gab. Zum anderen ist festzustellen, dass auch die bildungstech-
nologisch-funktionale Medienpädagogik in Folge der steigenden Akzeptanz digitaler
Medien als Lehr- und Lernmittel etwa im Rahmen von E-Learning heute wieder
stärkere Bedeutung erlangt.
Medienpädagogische Ansätze bestehen also nebeneinander, entwickeln sich in
gegenseitiger Kritik. Welche Position Medienpädagogik bezieht, welche Aufgaben sie
sich zu welchen Zwecken stellt, hängt entscheidend von ihrer theoretischen Fixierung
und ihrer Bindung an gesellschaftliche Vorgaben ab. Je nachdem, ob sie sich mehr
der humanistischen gesellschaftlichen Fortentwicklung, eher der Konservierung
überkommener historisch bedingter Normen oder dem an ökonomischer Rationalität
orientierten technischen Fortschritt verpflichtet, wird sie zu unterschiedlichen Ziel-
kategorien und Handlungsmodellen kommen. Eine einzig gültige Medienpädagogik
gab es zu keiner Zeit, wohl aber dominierende Richtungen; zum anderen besteht oft
eine Diskrepanz zwischen dem, was an medienpädagogischen Zielkategorien und
Handlungsmodellen formuliert wird, und dem, was in der Praxis tatsächlich betrieben
wird bzw. realisierbar ist.
Zielkategorien der Medienpädagogik
So ist auch die heutige Situation der Medienpädagogik als Theorie und Praxis nicht
losgelöst zu sehen von ihren unterschiedlichen, geschichtlich gewachsenen
Zielkategorien, die sich für uns in folgenden Begriffen repräsentieren: Bewahren – Informieren - Sensibilisieren - Aktivieren - Emanzipieren - Funktionalisieren. Bei
dieser Zielkategorisierung, die gewiss nur eine von mehreren möglichen ist, steht der
Mediennutzer im Vordergrund. Die Ziele definieren sich danach, wie medienpäda-
gogische Ansätze ihn sehen, letztendlich danach, was Medienpädagogik beim
Nutzer, bzw. mit und für ihn erreichen will. Dabei stehen die verschiedenen Zielka-
tegorien nicht exklusiv für einzelne medienpädagogische Ansätze, sondern diese
vereinen in der Regel mehrere dieser Ziele, unterscheiden sich aber durch deren
unterschiedliche Gewichtung.
• Bewahren: (welche Gefahren bergen Medien?) Medien waren und sind immer dann von besonderem pädagogischen Interesse, wenn man die Jugend durch sie bedroht glaubt. Die Bedrohung durch Videogewalt, Brutalität und Sex in Fernsehprogrammen, Computer-spielen und auf Internetseiten steht auch heute wieder im Mittelpunkt der Gewaltwirkungsdiskussion, denn die über Kinder und Jugendliche herein-schwappenden Wogen medial vermittelten Horrors lassen Erzieher und Politiker wieder einmal erstarren und nach Dämmen zum Aufhalten der Flut rufen. Die Forderung nach Verstärkung des gesetzlichen Jugendmedien-schutzes und die Hoffnung auf die Präventivkraft der Medienpädagogik sind in solchen Situationen gängige Reaktionsmuster, wie es wieder einmal die vielen vorschnellen und simplifizierenden Schlussfolgerungen über die Medienbe-dingtheit des Amoklaufs am Erfurter Gutenberg-Gymnasium belegt haben, mit denen vor allem Politiker rasch zur Hand waren. So werden der Schutz der Heranwachsenden vor schädlichen Medieneinflüssen (Jugendmedienschutz) und das Zurückdrängen medialer Freizeitaktivitäten keineswegs nur vom Eifer beflissener Erzieher bestimmt, sondern beides wird ihnen gerade von den-jenigen abverlangt, die politisch für die als Liberalisierung verkaufte Kom-merzialisierung des Medienmarktes und damit auch für den Anstieg der Mediengewalt verantwortlich sind. Der Pädagoge als Hirte, der die Schafe hüten und vor den reißenden Wölfen des Bildschirms bewahren soll, erscheint auch derzeit wieder als Wunschbild so vieler Medien- und Bildungspolitiker. Medienpädagogik als bloße Prävention wird zwar heute von der großen Mehrzahl der Medienpädagogen abgelehnt, kennzeichnet aber noch immer einen Teil pädagogischer Praxis, der von der „Kriminalisierung von Kindern und Jugendlichen durch Medien" ausgeht. Die beiden Hauptprobleme dieser Art von Pädagogik sind das Operieren an Symptomen und die von realer Gewalt isolierte Betrachtung medialer Gewalt, denn Auswirkungen medialer Gewalt lassen sich pädagogisch nur sinnvoll erfassen und aufarbeiten, wenn man sie mit Formen und Ursachen der im Alltag real erlebten Gewalt in Bezug setzt. Außerdem bewahrheitet sich in diesem Zusammenhang u.a. auch die triviale Erfahrung aus der Erziehungspraxis, dass Kinder und Jugendliche mit einer Pädagogik der Gebote und Verbote bestenfalls nicht angesprochen werden, schlechtestenfalls aber durch striktes Verbot das Schädigende erst für attraktiv halten.
• Informieren: (wie funktionieren Medien?) Die Vermittlung von Kenntnissen über Medien ist Grundlage jeder medien-pädagogischen Arbeit und findet sich als Zielvorgabe eigentlich in der Prä-ambel einer jeden Medienpädagogik. Die Unterschiede liegen bei den einzelnen medienpädagogischen Ansätzen vor allem darin, ob und wie mit diesem Medienwissen weitergearbeitet wird. Wissen kann kognitive Ablagerung bleiben, es kann aber auch weiterführende Prozesse initiieren. Informiertheit kann sich selbst genügen, aber auch als Voraussetzung für kritische Rezeption, Medienanalyse und Medienhandeln genutzt werden, denn nur wer über Medien aufgeklärt ist, kann sie verstehen, hinterfragen und zum eigenen Nutzen handhaben. Mit der Zielkategorie Informieren wird im Rahmen von Medienkunde bzw.
Medienerziehung auf vielen Bildungsfeldern Wissen über Organisation, Struktur, politische Bedeutung, Arbeits- und Wirkungsweisen der Medien verbreitet. Allerdings wird schulische Medienkunde/-erziehung im Rahmen der Fächer Politische Bildung und Sozialkunde meist als reine Institutionenkunde betrieben, die in der Regel nicht funktionstüchtig werden kann, weil die vermittelten Kenntnisse Faktenwissen bleiben und nicht auf Handlung ausgerichtet sind.
• Sensibilisieren: (wie manipulativ sind Medien?) Mit der Zielkategorie der Sensibilisierung treten medienpädagogische Kon-zepte an, die den Mediennutzer durch Information und Aufklärung gegen mögliche Mediengefahren immunisieren wollen, indem sie im Rahmen rezeptiver Medienarbeit die Manipulationsmechanismen und die gesell-schaftliche Bedingtheit der Medien durchschaubar machen. Wichtige Voraussetzung dafür ist, dass die Rezipienten durch eigene Analyse der Medien lernen, die in den Inhalten verborgenen Interessen der Kommunikatoren zu entschlüsseln. Medien sollen als Herrschafts- und Machtinstrumente heraus- und infragegestellt werden. Diese reflexive, medien- und gesellschaftskritische Pädagogik versucht den Warencharakter medialer Kommunikate und ihre Abhängigkeit von den Produzenten-interessen, letztlich den Zusammenhang zwischen „Medien und gesellschaft-lichem Bewusstsein" zu entschleiern. Ziel dieser Medienpädagogik ist der kritische Rezipient, der die ökonomischen und politischen Implikationen der Massenkommunikation kennt und mit ihnen umzugehen weiß, ohne sich von ihnen manipulieren zu lassen.
• Aktivieren - Emanzipieren: (wie können Medien nutzbar gemacht werden?) Mit den handlungsorientierten Ansätzen in den Sozial- und Erziehungs-wissenschaften und neuen medientechnischen Voraussetzungen wie etwa tragbaren Videorecordern, entstand in den 1970er Jahren eine neue medienpädagogische Zielkategorie. Unter vielen Synonymen wie prozess- und handlungsorientierte, kommunikative, politische, interaktive oder kritisch-emanzipatorische Medienpädagogik beabsichtigte sie, ihren eigenen Blickwinkel grundlegend zu verändern. Nicht mehr um den Medienkonsum und den Einfluss der Medien auf die Menschen sollte es primär gehen, sondern umgekehrt auch und vor allem um den Einfluss, den die Konsumenten auf die Medien nehmen können und sollen. Neben der Medienkritik und der notwendigen Auseinandersetzung mit medialen Inhalten werden dabei Möglichkeiten erprobt, das Verhältnis von Produzent und Konsument prinzipiell als umkehrbar zu gestalten. Kurz und als Schlagwort: aus Medienkonsumenten sollten Medienproduzenten werden. Praktisch wirkte sich diese Medienpädagogik zunächst weniger im institutionalisierten Bildungswesen als vielmehr in den offenen Lernräumen aus. Es bildeten sich vielerorts freie Gruppen, die mit sozialem, politischem, z.T. auch primär ästhetischem Anspruch bemüht waren, Medien, insbe-sonders das Medium Video, eigenen, selbstbestimmten Zwecken dienlich zu machen. Das Problem dieser Pädagogik war zunächst, dass sie am Rande des pädagogischen Betriebs existieren musste. Eine Modifikation des Aktivierens stellt die medienpädagogische Fokussierung des Emanzipierens dar: Der Mediennutzer soll über das Verstehen seiner privaten, beruflichen und politischen Umwelt zu ihrer aktiven Mitgestaltung gebracht werden. Voraussetzung für eine solche Mitgestaltung ist die Fähigkeit, eigene Standpunkte und Bedürfnisse in wirksamer Form darzustellen, mithin an
öffentlicher Kommunikation teilzunehmen, die immer mehr eine Kommunikation durch Medien ist. Emanzipatorische Medienpädagogik bedeutet deshalb vor altem auch praktische Medienarbeit, bei der das eigene reflektierte Medienhandeln Vehikel der Erkenntnisgewinnung und Interessartikulation zugleich ist. Mit emanzipatorischer Zielsetzung will Medienpädagogik durch Vermittlung von Kommunikations- und Handlungskompetenz dazu führen, dass sich der ansonsten passive und stumme Rezipient aus seiner Sprachlosigkeit und aufgedrängten Konsumhaltung befreit.
• Funktionalisieren: (wie `Bildungs´-wirksam sind Medien?) Wenn Medien systematisch und unter Kalkulation ihrer Wirkungen zum Erreichen vorgegebener Ziele eingesetzt werden, die im Bewusstsein oder Verhalten des Rezipienten eine Veränderung im Sinne des Kommunikators erreichen wollen, kann man von einer Funktionalisierung der Mediennutzer sprechen. Diese Zielsetzung ist etwa im Bereich der Werbung oder politischen Propaganda offensichtlich. Aber es gab und gibt auch eine Pädagogik, die in den Fußstapfen des technischen Fortschritts Lernende zu Medienkon-sumenten funktionalisieren möchte. Bereits vor vier Jahrzehnten ereilte uns lange vor der Einführung des Informatikunterrichts die erste Welle computergestützter Unterweisung, die mit durchstrukturierten und bis ins feinste Lernziel ausformulierten Medien-curricula den Unterricht rationalisieren wollte. Diese in den 1960er Jahren so neue Pädagogik scheiterte nicht - wie bisweilen behauptet - an der Technik-feindlichkeit der Pädagogen, sondern an der einseitigen funktionalistisch-technokratischen Ausrichtung ihrer Protagonisten und an ihrem eigenen Absolutheitsanspruch, das Bildungswesen von Grund auf revolutionieren zu wollen. Medienpädagogik wurde hier weitgehend auf Bildungstechnologie reduziert, die in den damals neuen Medien kybernetisch funktionierende Qualifizierungsinstrumente sah. Gerade weil derzeit als Folge einer erneuten Medienfaszination manches bildungspolitische Statement etwa zur infor-mationstechnischen Bildung einen Rückfall in instrumentell didaktisches Denken anzeigt, kann nicht genug betont werden, dass der Funktionalisierung der Medien für die Bildung und damit der Funktionalisierung des Lernenden durch Medien enge Grenzen gesetzt sind. Für den Bildungsbereich kann Medieneinsatz nur dann Fortschritt bringen, wenn er nicht Ergebnis des technisch Machbaren ist, sondern unter dem Primat pädagogischer Erfordernisse geschieht. (Mediendidaktik)
Konsequenzen für eine zeitgemäße Medienpädagogik
Betrachtet man die derzeitige Diskussion über Selbstverständnis, Aufgaben und
Ziele der Medienpädagogik, dann wird deutlich, dass in ihr Aspekte aller oben
charakte-risierten Zielkategorien - wenn auch mit ganz unterschiedlichen
Gewichtungen - virulent sind. Inhaltliche Innovationen und Herausforderungen gehen
in dieser Diskussion vor allem von zwei massiven Veränderungen aus:
• vom Bedeutungs- und Funktionswandel der Medien und der damit
verbundenen Aufgabenerweiterung der Medienpädagogik hin zu einer
ganzheitlichen Medienbildung;
• von der Konzentration auf Medienalltag und Medienhandeln der Nutzer im
Rahmen einer Kompetenz aufbauenden, reflexiv-praktischen
Medienpädagogik.
Bedeutungswandel der Medien und Aufgabenerweiterung der Medienpädagogik
Medien waren bisher aus pädagogischer Sicht vor allem als Freizeitfaktor und
Unterrichtsmittel interessant. Der Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse, die
staatlich gestützte und politisch gewollte Veränderung der Medienlandschaft hat die
Bedeutung der Medien in einer Weise erhöht, die eine solch partielle Perspektive
nicht mehr zulässt. Medien, insbesondere der omnipräsente Computer, das
weltumspannende Internet, die allzeit und überall verfügbare Mobilkommunikation
greifen zentral in alle Lebensbereiche ein, sofern sie diese nicht schon steuern. Auf
dem Arbeitssektor sind Medien integraler Bestandteil von Produktion und Dienst-
leistung, als auch bei der Organisation des Alltags (im privaten als auch im
beruflichen) insgesamt. Im Bereich der Freizeit binden sie die Menschen in
wachsendem Maß nicht allein an den Konsum audiovisueller Medien, sondern sie
werden auch immer mehr zum multimedialen Spielpartner (Computerspiele). Und
auch in das Feld der Pädagogik, in die Bildungsvollzüge dringen Medien ständig
weiter ein: Das virtuelle Klassenzimmer ist längst keine Utopie und E-Learning keine
Randerscheinung mehr.
Jede Form der Information und Kommunikation, die sich nicht des direkten
zwischenmenschlichen Kontakts bedient, kann in einem Netz zusammengefasst,
gesteuert, maschinell verarbeitet und gespeichert werden. Das betrifft persönliche
telefonische Mitteilungen ebenso wie die Übertragung von Computerdaten oder
Fernsehfilmen. Die digitale Vernetzung verschiedener Techniken eröffnet die
Möglichkeit, Informationen zu einer Ware zu machen, zu der potentiell jeder als
'Kunde' zu jeder Zeit und an jedem Ort Zugang hat.
Diese multimedialen Errungenschaften haben gravierende soziale Folgen.
- Sie verändern die Struktur der Arbeit, wenn sie menschliches Wissen durch
maschinelles ersetzen;
- sie verändern die Struktur von Herrschaft, indem sie das Leben der Bürger,
zumindest von der Möglichkeit her, totaler Transparenz preisgeben;
- sie greifen ein in die Struktur menschlichen Wissens, indem sie sich in weiten
Bereichen die Speicherung und Bearbeitung des Kognitiven aneignen;
- sie strukturieren das Vergnügen, indem sie nahezu jede Form des Amüsements
vom Sportereignis bis zum Cybersex als mediale Darbietung genießbar machen.
Medien beanspruchen und beeinflussen das Handeln, Denken und Erleben des
Menschen heute in seiner ganzen Person. Je mehr die Medien durch Verein-nahmung immer weiterer Lebensbereiche an Bedeutung zunehmen, desto wichtiger wird die pädagogische Auseinandersetzung mit den Einflüssen der Medien auf den Menschen. Medienpädagogik muss ihrerseits darauf mit einem komplexen Denk- und Handlungsansatz antworten, sie muss mehr als bisher die Zusammenhänge zwischen den technologischen, pädagogischen, politischen und ökonomischen Implikationen der Medien sehen und sich interdisziplinärer orientieren. Sie muss das Verhältnis Mensch - Medien mit einer ganzheitlichen Fragestellung angehen und die Erkenntnisse von Wissenschaften stärker einbeziehen, die sich unter anderen, aber für die pädagogische Theoriebildung und Praxis unverzichtbaren Gesichtspunkten mit dem Problembereich Medien auseinandersetzen. Evident sind die Verbindungen
der Medienpädagogik zur Kommunikationswissenschaft), Psychologie, Soziologie,
ergänzt durch Politologie und Ökonomie, sowie in steigendem Maß zur Informatik.
Die fortschreitende Mediatisierung (Unterwerfung) des Alltags mit ihrer zunehmenden
Visualisierung der Information macht die Notwendigkeit einer Kooperation auch mit
der Medizin, speziell etwa mit der Hirnphysiologie deutlich, die der Medienpädagogik
Erkenntnisse über die Verarbeitung elektronischer Monitorbilder und die durch sie
möglicherweise bewirkten Wahrnehmungsveränderungen in den Köpfen der Nutzer
liefern kann. Schließlich - um ein letztes Beispiel zu nennen - muss sich
Medienpädagogik um Ansätze der Bionik als Grenzwissenschaft zwischen Biologie
und Technik kümmern, die versucht, menschliche Kognition und Computerlogik in
Einklang zu bringen bzw. austauschbar zu machen.
Ausgehend von dem beschriebenen Funktions- und Bedeutungswandel der
Medienpädagogik und dem Tatbestand, dass sich unsere Gesellschaft aufgrund der
Durchdringung aller Lebensbereiche mit digitaler Kommunikationstechnologie zu
einer Wissensgesellschaft entwickelt, deren wesentliches Merkmal mediatisierte Formen von Kommunikation und Wissensaneignung sind, ist Medienpädagogik
derzeit dabei, die überkommenen Muster von medialer Kommunikation und
Medienhandeln zu überdenken, um zu einem erweiterten Selbstverständnis zu
finden. In diesem Zusammenhang hat sich mit dem Begriff „Medienbildung" seit
Ende der 1990er Jahre ein neuer Terminus seinen Weg in die medienpädagogische
Diskussion gebahnt. Medienbildung wird u.a. als integraler Bestandteil von
Allgemeinbildung, als wichtiger Aspekt der Persönlichkeits- und Menschenbildung,
als Kompetenz für Weltaneignung oder als Habitus und persönlichkeitsbestimmende
Haltung gegenüber den neuen Medien beschrieben. Die inhaltliche Belegung dieses
Begriffs gerät in dieser Diskussion in ein fast schon verdrängungsartiges Konkurrenz-
verhältnis zu dem fachsprachlich seit langem fest etablierten Terminus der Medien-kompetenz. Gewiss haben neue Termini ihren Sinn, wenn sie in Bezug auf die be-
stehenden sinnerweiternd sind, einen Mehrwert an Klarheit und Information auf-
weisen und nicht nur einen belanglosen Etikettenwechsel bewirken. Der termino-
logische Aufschwung von Medienbildung in Konkurrenz zu Medienkompetenz ist
insofern erstaunlich, als hier kein erkennbarer innovativer Mehrwert sichtbar wird.
Kompetenz für Medienalltag und Medienhandeln
Medienpädagogik, die sich diesem Verständnis verpflichtet fühlt, hat sich als
reflexivpraktische Medienpädagogik zu einer Disziplin entwickelt, die nicht mehr nur
auf die Vorgaben der Medienentwicklung reagiert und versucht, im Sinn einer
funktional-technologischen Pädagogik zur Aneignung der Medien beizutragen oder
dieselben ihrer problematischen Inhalte wegen abzulehnen. Vielmehr versucht sie,
die Medien als wesentliche Mitgestalter heutiger Kultur der bewussten Nutzung der
Subjekte unter Beibehaltung ihrer sozialen Verantwortung unterzuordnen. Dies
geschieht durch die Vermittlung von Medienkompetenz. Ziel dieser Medienpädagogik
ist, dass die Subjekte sich Medien selbsttätig aneignen und diesen Aneignungs-
prozesses als kritisch reflektierten zu unterstützen.
Reflexiv-praktischer Medienpädagogik ist es also einerseits darum zu tun, sich mit
den Medien, den Rezipienten und den Rezeptionsbedingungen kritisch und
analytisch auseinander zu setzen und andererseits die Menschen zu befähigen, die
Medien als selbständig handelnde zu nutzen, sie also nicht nur zu konsumieren.
Mediales Handeln hat dabei zwei Inhaltskomponenten. Zum einen wird der Prozess
der Medienrezeption als einer der aktiven Aneignung, nicht der passiven
Beeinflussung angesehen und zum anderen werden Medien prinzipiell als
Werkzeuge betrachtet, die dem Menschen zur Gestaltung seiner Lebenswelt zur
Verfügung stehen (sollen).
Die frühere Medienpädagogik konzentrierte sich auf die Aufklärung der im Netz der
Medien gefangenen Rezipienten und auf ihre Befreiung aus der passiven
Konsumentenrolle. Medienpädagogisches Denken und Handeln waren geprägt von
der Dichotomie (d.h. Zweiteilung, Gliederung) einer gesellschaftlich gesicherten
Allmacht der Medien auf der einen und einer ihnen gegenüber weitgehenden
Ohnmacht der „Konsumenten" auf der anderen Seite. Mediale Sozialisation wurde
verkürzt als monodirektionaler (einseitiger) Prozess gesehen, indem nur nach der
Bedeutung der Mediennutzung für die Sozialisation des einzelnen gefragt wurde,
nicht aber nach dem Einfluss individueller Sozialisationsverläufe auf den Umgang mit
Medien. Medienhandeln ist nicht nur eine Funktion der vorfindbaren Mediensituation,
sondern ebenfalls ein Ergebnis der individuellen Lebensgeschichte. „Medien sind
relevante Bestandteile des Alltags. Die für das Subjekt bedeutsame
Medienwirklichkeit wird durch dessen sinnhaftes Handeln konstituiert." (Rogge).
Veranschaulicht wird diese Sicht durch den Begriff der Medienaneignung, der auf
Seiten der Subjekte verdeutlicht, dass diese sich nicht den Medienangeboten
unterwerfen, sondern sich diese auswählen und aneignen, moderiert durch ihre
biografischen Erfahrungen und eingebettet in ihren je spezifischen Alltag. Der
Medienalltag ist ein Segment des dem Willen handelnder Individuen unterworfenen
Alltags. Er umfasst die Medien, die dem Menschen in seinem Lebenskontext
gegenüberstehen, und die er in diesen einbezieht. Das, was der einzelne mit den Medien macht, wie und zu welchen Zwecken er sie nutzt, stellt sein Medienhandeln dar.
Medienpädagogik ist die Vermittlungsebene zwischen Medienalltag und
Medienhandeln. Die Zielperspektiven der Medienpädagogik sind aus diesem
Spannungsfeld zu entwickeln. Pädagogische Erklärungen und Modelle beziehen ihre
inhaltlichen Schwerpunkte und methodischen Vermittlungsprinzipien einerseits aus
dem vorgegebenen Medienalltag und andererseits aus der subjektiven Aufnahme
und Ausprägung dieses Alltags, dem Medienhandeln der Subjekte.
Medienpädagogische Forschung und Praxis hat sich letztlich darauf zu konzen-
trieren, die Souveränität von Medienhandeln zu stärken. Will die Medienpädagogik
diese Forderung einlösen, so ist eine verstärkte rezeptionszentrierte Perspektive im
medienpädagogischen Forschen unabdingbar, die ihr Interesse neben der Auf-
klärung des objektiven Medienalltags ganz besonders auf das Verstehen und die
Rekonstruktion des subjektiven Medienhandelns richtet sowie auf die Offenlegung
von Bedingungen, die den Subjekten eine möglichst weitgehende Mitgestaltung
medialer Kommunikationsprozesse eröffnen.
Literaturempfehlungen:
Hoffmann, B.: Medienpädagogik. Eine Einführung in Theorie und Praxis. Paderborn 2003.
Schorb, B.: Medienalltag und Handeln. Medienpädagogik in Geschichte, Forschung und Praxis. Opladen 1995.
Vollbrecht, R.: Einführung in die Medienpädagogik. Weinheim 2001.
IV. MEDIENDIDAKTIK
Mediendidaktik ist ein Teilgebiet der Medienpädagogik und bezeichnet alle
pädagogischen Beschäftigungen mit Medien. Sie beschäftigt sich mit der Funktion
und Bedeutung von Medien in Lehr- und Lernprozessen und geht auf die gleichen
Fragen zurück, wie die allgemeine Didaktik. Es soll geklärt werden, wie man durch
die Benutzung von technischen Medien Lehr- und Lernprozesse im Unterricht
verbessern kann und wie diese Mittel methodisch einsetzbar sind.
Geschichte
Der Einsatz von Medien als Hilfsmittel und zur Veranschaulichung kann schon bei
Comenius festgestellt werden. In der älteren Mediendidaktik ging es bei Medien-
entscheidungen häufig um Fragen, wann und unter welchen Rahmenbedingungen
ein Tafelbild angemessen ist, wann Overheadfolien, Lehrfilme, Dias oder Modelle
eingesetzt werden sollten.
Sie bezog sich hauptsächlich auf die Institution Schule. Durch die wachsende
Verbreitung digitaler Medien in allen Bereichen der Gesellschaft stehen inzwischen
auch andere Zielgruppen und Einsatzbereiche im Mittelpunkt. Zum einen handelt es
sich dabei um die betriebliche Bildungsarbeit, die Weiterbildung sowie das nicht-
institutionalisierte, informelle Lernen in der Arbeit und Freizeit.
In den 20er Jahren galt das Konzept: Medien als Unterrichtsreihe. Für kurze Zeit
ersetzten die Medien die Informationsweitergabe des Lehrers. Dem Lehrer blieben
die Aufgabe zur Nachbereitung sowie die Integration des Stoffes in Lehrgängen.
In den 60er Jahren sprach man von Medien getragenen Unterrichtarrangements.
Dabei übernahmen die Medien über eine längere Zeitspanne die traditionelle
Einweisungsrolle des Lehrers.
In den 70er Jahren gab es die so genannte Gegenbewegung. Die Medien wurden
den Schülern als Kommunikationsmittel zugewiesen. Dadurch kam es zur
Ermöglichung von Öffentlichkeit, Darstellung von Erfahrungen und Bedürfnissen,
zum Ausschluss komplizierter Medien, zur Anregung zur Kommunikation
(Pinnwände, Collagen, Dokumentation)und Nutzung offener multimedialer
Lernumgebungen.
Aufgaben und Ziele
Zu den Aufgaben und Zielen der Mediendidaktik gehört unter anderem die
Vermittlung von Fertigkeiten, um ein fachliches Lehrziel durch die Einsetzung von
Medien zu erreichen und konkrete Unterrichtszusammenhänge mittels neuer
Technologien darzustellen. Der Umgang mit Medien soll den Unterricht effektiver und
das Lernen effizienter gestalten (Ziel-Mittel-Relation). Dabei dienen diese als
kommunikationsförderndes Mittel welches zu einer schülerorientierteren Funktion
führen soll. Die Mediendidaktik hat es sich zur Aufgabe gemacht aktivere
Auseinandersetzungen der Schüler/innen mit ihrer Lernumgebung zu fördern.
Empirische Forschungsansätze der Mediendidaktik
Die empirischen Forschungsansätze sind bei der Beantwortung der Frage, welche
Konzepte zur Verwendung von Medien in Lehr-Lernprozessen sich unterscheiden
lassen und welche Überlegungen damit verbunden sind, von Bedeutung. Hierbei wird
zwischen Untersuchungen zu allgemeinen Medieneffekten und zu speziellen Medienmerkmalen von interaktionsorientierten Studien und Evaluationen
unterschieden. Außerdem sind diese Forschungsansätze mit verschiedenen
theoretischen Annahmen und Ansätzen zur Mediengestaltung verbunden, nämlich
die medientaxonomischen Ansätze (Differenzierung der Medien bezüglich ihrer
Eigenschaften und Eignungen für unterschiedliche Lehraufgaben) und die
lerntheoretischen Ansätze (Bezüge zu unterschiedlichen Grundorientierungen).
Insgesamt unterscheidet man dann letztendlich zwischen fünf Konzepten der
Medienverwendung: Lehrmittelkonzept, Arbeitsmittelkonzept, Bausteinkonzept,
Systemkonzept, Lernumgebungskonzept. (vgl. Tulodziecki)
Vorzüge der Mediendidaktik
Die Vorzüge der Mediendidaktik bestehen im raschen Zugriff auf eine umfangreiche
Materialauswahl in verschiedenen medialen Formen. Außerdem erfolgt eine schnelle
Rückmeldung auf die Lernaktivitäten der Schüler und Schülerinnen (z. B. bei
Computerprogrammen), deren Eigenverantwortlichkeit und -aktivität gestärkt werden
können bzw. sollen. Medien dienen der Motivation, da man sich die Computer-
begeisterung der Kinder zu Nutze machen kann. Des Weiteren unterstützen sie
einen schülerzentrierten, individualisierten, sowie handlungsorientierten Selbstlern-
prozess. In der Regel stellt der Umgang mit Medien eine offene Lernumgebung dar.
Durch Eigeninitiative soll es bei den Schülern zu selbstbestimmtem Lernen führen,
wodurch es auch zur Entlastung des Lehrers kommt. Ein weiterer Vorteil besteht in
der selbstständigen Informationsbeschaffung (Interaktion mit ihrer Lernumgebung),
sowie der Möglichkeit, Problemanalysen durchzuführen und Lösungen eigenständig
zu erarbeiten.
Kritische Anmerkung
Lernprozesse lassen sich nicht beliebig herstellen oder durch ausgefeilte
Technologien optimieren, wie ein Produkt. Selbst durch die beste Technik kann
Bildung nicht erzeugt, sondern nur ermöglicht werden. Letztendlich bedeutet sie
Selbstbildung, da das (Mit-)Tun des Lernenden die Voraussetzung für eine
bestimmte Richtung und Intensität des Lernprozesses ist. In den 90er Jahren kam es
zu einer Diskussion über den Konstruktivismus. Diese hat das Lernen gegenüber
dem Lehren erneut hervorgehoben und gesagt, dass das Lehren ein Angebot für
Lernende ist. „…was diese aus einem solchen Angebot machen, ist nicht determiniert
und nur in Grenzen vorhersagbar…“ (Siebert, 1999).
Eines der größten Probleme sind wohl die Rahmenbedingungen für den Einsatz von
Medien, da nicht jede Schule über genügend Computer verfügt. Oftmals widerstrebt
es auch der älteren Generation von Lehrern, neue Medien in den Unterricht zu
integrieren.
Prof. Dr. Thomas Schlager-Weidinger, PH Linz.