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I. Die vermögensrechtliche Stellung der Frau nach dem großen Gesetz von Gortyn

Date post: 18-Dec-2016
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Aufsätze ι. Die vermögensrechtliche Stellung der Frau nach dem großen Gesetz von Gortyn Von Stefan Link Um die Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. ließ die Bürgerschaft der kreti- schen Stadt Gortyn das heute so genannte „Große Gesetz" auf Stein meißeln 1 ), ein Gesetz, mit dem sie vor allem verschiedene Bereiche des Familienrechts regelte - teils in der Form, daß sie auf althergebrachtes Recht zurückgriff, teils in der, daß sie neues schuf. Auf die Frage, wie der Gesetz- geber dabei die vermögensrechtliche Stellung der Frau behandelte, gibt es zur Zeit drei verschiedene Antworten, die sich - freilich auf unterschied- lichen Ebenen - gegenseitig strikt ausschließen : Nach der derzeit vorherrschenden Ansicht von Ronald F. Willetts schränkte er im Zuge eines allgemeinen Vordringens patriarchalisch be- stimmter Gesellschaftsstrukturen Rechte, die die Frau früher hatte geltend / ' ) Ausgewählte Kommentare :J.undT. Baunack, Die Inschrift von Gortyn (1885, ND 1972); F. Bücheler/E. Zitelmann, Das Recht von Gortyn (1885, ND 1960); R. Dareste, La loi de Gortyne, BCH 9 (1885) 301-317; H. J. Roby, The Twelve Tables of Gortyn, LQR 2 (1886) 135-152; J. Simon, Zur Inschrift von Gortyn (1886); F. Bernhöft, Die Inschrift von Gortyn (1886); A. Gemoll, Das Recht von Gortyn (1889); R. Dareste, Lois civiles de Gortyne - Commentaire, in: R. Dar- este/B. Haussoulier/Th. Reinach, Recueil des Inscriptions Juridiques Grecques I (1892, ND 1965) 404-493; J. Kohler/E. Ziebarth, Das Stadtrecht von Gortyn und seine Beziehungen zum gemeingriechischen Rechte (1912); R. F. Willetts, The Law Code of Gortyn (1967); R. Koerner, Inschriftliche Gesetzestexte der frühen griechischen Polis, hg. v. K. Hallof (1993) 454-555. Brought to you by | Heinrich Heine Universität Düsseldorf Authenticated | 134.99.128.41 Download Date | 9/19/13 1:02 PM
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Aufsätze

ι .

Die vermögensrechtliche Stellung der Frau nach dem großen Gesetz von Gortyn

Von

Stefan Link

Um die Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. ließ die Bürgerschaft der kreti-schen Stadt Gortyn das heute so genannte „Große Gesetz" auf Stein meißeln1), ein Gesetz, mit dem sie vor allem verschiedene Bereiche des Familienrechts regelte - teils in der Form, daß sie auf althergebrachtes Recht zurückgriff, teils in der, daß sie neues schuf. Auf die Frage, wie der Gesetz-geber dabei die vermögensrechtliche Stellung der Frau behandelte, gibt es zur Zeit drei verschiedene Antworten, die sich - freilich auf unterschied-lichen Ebenen - gegenseitig strikt ausschließen :

Nach der derzeit vorherrschenden Ansicht von Ronald F. Wil le t t s schränkte er im Zuge eines allgemeinen Vordringens patriarchalisch be-stimmter Gesellschaftsstrukturen Rechte, die die Frau früher hatte geltend

/

' ) Ausgewählte Kommentare : J .undT. B a u n a c k , Die Inschrift von Gortyn (1885, ND 1972); F. B ü c h e l e r / E . Z i t e l m a n n , Das Recht von Gortyn (1885, ND 1960); R. D a r e s t e , La loi de Gortyne, BCH 9 (1885) 3 0 1 - 3 1 7 ; H. J. R o b y , The Twelve Tables of Gortyn, LQR 2 (1886) 135-152 ; J. S i m o n , Zur Inschrift von Gortyn (1886) ; F. B e r n h ö f t , Die Inschrift von Gortyn (1886); A. G e m o l l , Das Recht von Gortyn (1889); R. D a r e s t e , Lois civiles de Gortyne - Commentaire, in: R. D a r -e s t e / B . H a u s s o u l i e r / T h . R e i n a c h , Recueil des Inscriptions Juridiques Grecques I (1892, ND 1965) 4 0 4 - 4 9 3 ; J. K o h l e r / E . Z i e b a r t h , Das Stadtrecht von Gortyn und seine Beziehungen zum gemeingriechischen Rechte (1912); R. F. W i l l e t t s , The Law Code of Gortyn (1967); R. K o e r n e r , Inschriftliche Gesetzestexte der frühen griechischen Polis, hg. v. K. Hallof (1993) 4 5 4 - 5 5 5 .

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machen können, ein2). Neben dieser Deutung steht die schon um die Jahr-hundertwende gängige Ansicht3), die vor einiger Zeit auch David M. Schaps verteidigte, die jüngst Michae l Gagar in wieder aufgriff1), und die genau auf das Gegenteil dessen hinausläuft, was Willetts behauptete: Der Gesetzgeber, so glauben sie, schränkte die Rechte der Frau nicht etwa ein, sondern gestand ihr Rechte zu, die sie früher noch nicht gehabt hatte. So gründlich sich diese beiden Antworten in der konkreten Deutung also auch widersprechen - gemeinsam ist ihnen doch die Annahme, daß der Gesetz-geber in der vermögensrechtlichen Stellung der Frau ein eigenes, in sich ge-schlossenes Problem gesehen habe und diesem Problem mit Hilfe eines ebenso geschlossenen Bündels von Regelungen begegnet sei. Doch auch diese Grundannahme kann nicht mehr als gesichert gelten; A lbe r to M a f f i etwa, dem wir die dritte Antwort verdanken, teilt sie nicht : Zum einen, so sagt er, habe dem Gesetzgeber die vermögensrechtliche Stellung der Frau durchaus nicht als ein einheitliches, in sich geschlossenes Problem vor Augen gestanden ; vielmehr habe er sie nur en passant und unter verschie-denen anderen Gesichtspunkten behandelt. Und zum anderen gehe die Diskussion darum, ob er sie verbesserte oder verschlechterte, schon deshalb fehl, weil er sie, wenigstens in der Substanz, überhaupt nicht verändert habe. Versucht habe er lediglich, altes Recht durch neue Satzungen zu stützen, „ristabilire"5).

Die verschiedenen Vorstöße streuen also sehr weit. Jeder von ihnen, glaube ich, hat jedoch seine eigene Berechtigung ; keiner geht völlig in die Irre. Es gilt nur, die tragfahigen Argumente, die für jede einzelne Deutung sprechen, herauszufiltern und mit denen, auf die sich jede andere stützen

2) W i l l e t t s , The Law Code 2 0 b - 2 1 a ; ders. , Aristocratic Society in Ancient Crete, London 1955 ,96-100 . Zum Fortleben seines Deutungsmusters s. etwaA. C h a -n i o t i s , Die Verträge zwischen kretischen Poleis in der hellenistischen Zeit (1996) 18 Anm. 65, der Willetts zwar „einige(n) Fehldeutungen" bescheinigt, den grundlegen-den Ansatz eben damit aber vorschnell anerkennt. Differenzierter, aber der Tendenz nach ähnlich, M e i g g s - L e w i s , GHI98; Koerner, Inschriftliche Gesetzestexte 501.

') Vgl. etwa K o h l e r / Z i e b a r t h , Das Stadtrecht 63f . u. a. 4) S c h a p s , Economic Rights of Women in Ancient Greece (1979) 5 8 - 6 0 ; 87f . ;

G a g a r i n , The Economic Status of Women in the Gortyn Code, Retroactivity and Change, in: G. Thür (Hg.), Symposion 1993, Vorträge zur griechischen und helleni-stischen Rechtsgeschichte, 1994, 61-71 .

5) A . M a f f i , Risposta a Michael Gagarin, Symposion 1993, 7 2 - 7 8 . Teilweise vor-weggenommen wurde diese Deutung bereits von Zi tel m a n n , Das Recht 116, 142 f. u. a. (wobei Zitelmann seine Interpretation weitgehend auf die Annahme stützt, daß die Töchter durch das vorliegende Gesetz überhaupt erst erbberechtigt geworden seien).

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kann, zu einem einheitlichen Bild zu verbinden. Leicht und schwierig zu-gleich ist diese Aufgabe, weil nur sehr wenige Textstellen zur Verfügung stehen. Im wesentlichen sind es die folgenden (in der von Gagarin vorge-nommenen Ordnung) :

A. 4,48-5,1: „Wenn ein Vater zu Lebzeiten etwas der Tochter zur Heirat schenken will, so soll er schenken, wie es vorgeschrieben ist, mehr aber nicht. Die (Tochter) aber, der er schon früher etwas geschenkt oder versprochen hat, soll dies haben. Nicht aber (soll sie noch) anderes er-halten6)."

B. 5,1-9: „Welche Frau auch immer kein Vermögen hat - sei es aus einem Geschenk des Vaters oder des Bruders, sei es aus einem Versprechen oder einer Erbschaft - , wie es (festgelegt wurde ?7)), als der Startos Aitha-leus mit Kyllos und seinen Kollegen den Kosmos bildete, soll dies erhalten. Bei den früheren aber soll es kein Gerichtsverfahren geben8)."

C. 6,9-25 : „Weder darf der Mann das Hab und Gut seiner Frau verkau-fen oder versprechen, noch der Sohn das seiner Mutter. Und wenn irgend jemand entgegen diesen Bestimmungen kauft, sich verpfänden oder ver-sprechen läßt, soll das Hab und Gut der Mutter und der Frau gehören, und der, der es verkaufte, verpfändete oder versprach, soll demjenigen, der es kaufte oder sich verpfänden oder versprechen ließ, das Doppelte schulden, und (noch einmal) das Einfache, wenn es zusätzlichen Schaden gab. Frühe-res aber soll nicht vor Gericht zugelassen werden9)."

D. 9,7-17: „Und wenn irgendjemand entgegen (diesen Bestimmungen) vom Vermögen der Erbtochter kauft oder sich verpfänden läßt, soll das Hab und Gut der Erbtochter gehören und deijenige, der es verkaufte oder ver-pfändete, soll, wenn er (im Prozeß) unterliegt, dem, der es kaufte oder sich verpfänden ließ, das Doppelte schulden, und (noch einmal) das Einfache,

6) Al όέ κα λει ò πάτερ δοός ιόν δόμεν τάι όπυιομέναι, δότο κατά τà εγραμμένα, πλίονα δε με. ότείαι δε πρόΰύ'εδοκε ε έπέσπενσε, ταϋτ'έκεν, άλλα δε με έτι τον π[α]τρόι[ο]ν [κ]ρέ[ματ']άπολαν[κά]νεν.

7) S o W i l l e t t s , Aristocratic Society 9 6 - 9 9 U. a. ; vgl. dazu G a g a r i n , Symposion 1993, 66 Anm. 16, und im folgenden.

8) Γυνά ό[τ]εία κρέματα με εκεί ε [πα]τρόδ δόντος ε ά[δ]ελπιο ε επισπένσαντος έε άπολα[κ]όνσα αι δκ'ό Αίΰ[α]λεύς 'ταρτός έκόσμιον, ol συν Κύ[λ]λοι, ταύτας μεν άπολανκάνεν, ταϊδ δε πρόϋΰα με έ[ν]δικον εμεν.

9) Μεδέ τα της γυναικός το άνδρα άποδόΰαιμεδ'έπισπένσαι, μεδ'νίνν τα τάςματρός. at δέ τις πρίαιτο ε καταϋεΐτο ε έπισπένσαιτο, αλλάι δ "εγρατ[τα]ι, αι τάδε τα γράμματα εγ[ρ]α[τται, τα] μ[ε]ν κρέματα επί τάι ματρί εμεν κ'έπι τάι γυναικί, ό δ'άποδόμενος ε καταϋένς έ έπισπένσανς τοι πριαμένοι ε καταϋεμένοι ε έπισπενσαμένοι διπλει κατασταθεί και κ 'αλλ 'ατας ει, το άπλόον. τον δέ πρόϋϋα μέ ένδικον εμεν.

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wenn es zusätzlichen Schaden gab, wie es in diesem Gesetz steht. Früheres aber soll nicht vor Gericht zugelassen werden10)."

E. 12,1-5 : „Wenn ein Sohn seiner Mutter oder ein Gatte seiner Ehefrau Vermögen geschenkt hat, wie es vor diesem Gesetz vorgeschrieben war, soll der Fall nicht vor Gericht zugelassen werden". Diese Bestimmung, die einem späteren Nachtrag zu dem Gesetz entstammt, bezieht sich aller Wahr-scheinlichkeit nach auf die frühere aus col. 10,14-17: „Ein Sohn", so heißt es dort, „darf seiner Mutter oder ein Gatte seiner Ehefrau 100 Statere oder weniger schenken, mehr aber nicht11)."

Änderte der Gesetzgeber die vermögensrechtliche Stellung der Frau mit diesen Bestimmungen ? Und falls er es tat - in welche Richtung zielte sein Vorstoß?

Prüfen wir zunächst die Argumente, die Gagarin für seine Deutung ins Feld führt. Daß der Gesetzgeber die Rechte der Frau verbessert habe, stützen sei-ner Ansicht nach insbesondere die Zeugnisse B, C und D. Die Bestimmungen A und E dagegen möchte er zurückstellen oder sogar gänzlich aussondern : E, die Beschränkung des Geschenks eines Gatten an seine Frau oder eines Sohnes an seine Mutter, deshalb, weil aus dieser Regelung nicht hervorgehe, ob das Geschenk nach der früheren Rechtslage größer hatte sein können oder kleiner hatte sein müssen12). Und A, die Bestimmung über die Mitgift, die der Vater seiner Tochter als vorgezogenes Erbteil zuwenden konnte, hat nach Gagarin auszuscheiden, weil sie - bisher zumeist mißdeutet - überhaupt keine Aussage darüber treffe, was mit früheren Zuwendungen zu geschehen habe ; ihr fehle vielmehr von vornherein jeder Bezug auf Schenkungen, die der Vater seiner Tochter vor dem vorliegenden Gesetz gemacht hatte : Daß er seiner Tochter „früher", πρόΰύα, etwas geschenkt oder versprochen habe, sei nicht so zu deuten, als habe er es ihr vor d iese r G e s e t z g e b u n g geschenkt; gemeint sei hier vielmehr (wie analog in col. 7,13), daß er es ihr vor se inem Tode, also als Mitgift „früher" geschenkt habe (im Gegensatz zum Erbe, das er ihr erst mit seinem Tode vermacht hätte)13).

10) Al δ'αλλά[ι πρί] αιτό τις κρέματα ε καταΰεϊτο τον τάς πα[τρ]οιόκο, τά μεν [κρ]έματα επί τ ài πατροιόκο εμεν, ό δ'άποδόμενος ε καταΰένς τδι πριαμένοι ε καταϋεμένοι, αϊ κα νικαϋέι, διπλεΐ καταστασεϊ και τι κ'άλλ'ατας ει, το άπλόον έπικαταστασεΐ, ài τάόε τά γ[ράμμ]ατ'[εγρατται, τ]δ[ν δ]έ πρόΰα μ[έ έ]νδικον εμεν.

") Ματρ'ι δ'ν'ών [ε άνδρα γνναικ'ι δόμεν έ]κατόν στατέρα[νς] ε μείον, κλίυν δε μέ ... ματρί viijfi/ς ε α[ν]ερ γνναικ'ι κρέματα at έδοκε, αι έγραττο προ τδνδε τον γραμμάτον, μέ ένδικονεμεν. το δ 'ύστερον διδόμεν αι έγρατται.

η ) Α. Ο. 68 f. ι3) Eben diese Deutung findet sich auch schon bei G e m o 11, Das Recht 16 Anm. 8 ;

18 Anm.8.

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Diese Deutung vermag jedoch nicht zu überzeugen. Plausibel wirkt sie nur, wenn man den Text zerreißt und den zweiten Satz liest, ohne den ersten im Gedächtnis zu halten. Daß nach Satz 2 ein Vater seiner Tochter „schon früher (d.h. nach Gagarin: „vor se inem Tode") etwas geschenkt oder versprochen hat", könnte an sich zwar angehen ; daß der Vater, der (nach Satz 1) etwas „zu Lebzeiten" verschenken wollte, es bereits „früher" ver-schenkt hatte, aber offenkundig nicht. Wie sollte er etwas, das er „zu Leb-zeiten" verschenken wollte, bereits „früher" verschenkt haben, oder weshalb sollte er etwas „früher" Verschenktes noch einmal verschenken wollen1 4) ? Πρόϋϋα, „früher", bedeutet also hier (wie anderswo1 5)), daß der Vater sei-ner Tochter bereits vor der vorliegenden G e s e t z g e b u n g (und nicht etwa : „vor se inem T o d e " ) etwas als Mitgift zugewandt hatte; und eben dies, was er ihr bereits geschenkt hatte - so bestimmte es der Gesetzgeber - , sollte sie behalten. Das Zeugnis A entpuppt sich mithin schon dem Wortlaut nach recht eindeutig als eine Best immung, die die Frage früherer Geschenke be-handelt, Geschenke, die offenbar einen anderen Umfang hatten als den, den das Gesetz für die Zukunft vorsah16). Fragt man danach, ob und in welche

14) Ein solcher sprachlicher Fehler ist auch in der vermeintlichen Parallele (col. 7,13) nicht nachzuweisen.

,5) Vgl. Β und C. Auch Gagarins weitergehendes Argument schlägt nicht durch, denn es trifft schwerlich zu, daß das Gesetz bei dieser Deutung von πρό&ύα " . . . would say nothing about whether a daughter who receives an inter-vivos gift after the enact-ment of this new law will be prevented from receiving anything more ...". Die Be-hauptung, " . . . indeed it seems to imply that there will be no restriction, since if there was a restriction, the law would say this explicitly . . ." (a. O. 65) wirkt zu haarspalte-risch, denn sie sieht an der Grundlage vorbei, auf der diese Bestimmung fußt. Tatsäch-lich konnte der Gesetzgeber darauf bauen, mit den vorhergehenden Regeln für das Familienvermögen hinreichend klargestellt zu haben, wie umfangreich der Anteil für Töchter in Zukunft auszufallen hatte : „Wenn ein Vater stirbt. . . ", so hatte er als Grund-regel festgelegt, „sollen die Söhne - gleichgültig, wie viele es sind - je zwei Teile er-halten, und die Töchter - gleichgültig, wie viele es sind - je einen Teil" (col. 4,31-43). Da alle weiteren Ausführungen eindeutig als Ableitungen aus dieser Grundregel zu verstehen sind, stand nicht zu befürchten, daß die in Zukunft mit einer Mitgift in gesetzlich vorgeschriebener Höhe versehene Tochter beim Tode ihres Vaters noch einmal würde Ansprüche geltend machen können.

I6) Aufgrund des reinen Wortlauts wäre allenfalls zu überlegen, ob der Gesetzgeber „früher" auf den Zeitpunkt vor der Heirat bezogen haben könnte : Die Tochter - das hätte er dann gemeint - , die schon vor der Hochzeit beschenkt worden war, sollte dies behalten, aber nichts Weiteres bekommen (sei es als Mitgift, sei es als Erbteil). Dafür, daß der Gesetzgeber solche Geschenke des Vaters an die Tochter reglementierte, fehlt in den übrigen Ausführungen freilich jeder Anhaltspunkt ; vgl. insbesondere auch die folgende Bestimmung B.

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Richtung der Gesetzgeber die vermögensrechtliche Stellung der Frau ver-schob, ist dieses Zeugnis also keinesfalls aus den Augen zu verlieren.

Zu demselben Ergebnis führt der Gesamtzusammenhang, in dem diese Bestimmung steht - ein Zusammenhang, dessen Existenz Gagarin aller-dings bestreitet (und nach seinem Verständnis auch bestreiten muß): "In fact, the very next provision ...", so behauptet er, "seems completely dis-connected from 4.52-5517)." Das trifft schwerlich zu; beide Zeugnisse, A und Β, sind vielmehr als Sonder- oder Ausnahmebestimmungen zu der in col. 4,37-43 aufgestellten Grundregel zu verstehen18) und folglich auf das engste miteinander verknüpft :

Als Grundregel legte der Gesetzgeber in col. 4,37-43 fest, wieviel eine Tochter als Mitgift oder Erbe in Zukunft erhalten sollte ; grob gesprochen sollte es die Hälfte dessen sein, was jeder Sohn erhielt. An diese Grundsatz-regel schloß er als erste Ausnahmeregel die Bestimmung an, wieviel vom väterlichen Erbe solche Töchter behalten durften, die in der Vergangenheit schon bedacht worden waren (= A). Daß er anschließend in einer zweiten Ausnahmeregel klarstellte, welche Ansprüche Töchter geltend machen konnten, die, obwohl offenbar schon früher verehelicht, zum Zeitpunkt der Gesetzgebung doch noch nicht bedacht worden waren (= B) - das wird den Leser nun schwerlich überraschen19). Kurz: Die Zeugnisse A und Β be-handeln zwei Seiten desselben Problems. Und da B, wie Gagarin selbst fest-stellt, eindeutig die Frage regelte, wie mit Ansprüchen zu verfahren sei, die in Zukunft noch aufgrund der früheren, bisher gültigen Rechtslage erhoben würden, gilt dasselbe auch für A. Beide Bestimmungen regelten also die Frage einer rückwirkenden Kraft des Gesetzes. Daß der Gesetzgeber sich im Falle von A mit einem einfachen „früher" begnügte, während er die Be-

17) A. O. 65. 18) 7α ό'αλλα κρέματα πάντα δατείΗϊαι καλός, καί λανκάνεν τόςμεν νίννς, όπότοι

κ'ϊοντι, όνο μοιρανς ψέκαστον, τάδ δε ϋνγατέρανς, όπότται κ'ϊοντι, μίαν μοιραν γεκάσταν.

|9) So bereits expresses verbis Le wy , Altes Stadtrecht 13 Anm. 43. - Daß die ent-sprechenden Bestimmungen über Geschenke des Gatten an seine Frau oder des Soh-nes an seine Mutter (E) nur die Fälle berücksichtigen, in denen die Frau schon früher beschenkt worden war, nicht aber - wie A in Verbindung mit Β - auch die, in denen sie noch nicht beschenkt worden war, darf nicht erstaunen : Geschenke des Gatten oder des Sohnes waren freiwillige Zuwendungen ; folglich konnte der Gesetzgeber in die-sem Fall gar nicht festlegen, daß die Frau, die noch nichts erhalten hatte, etwas in ei-ner bestimmten Höhe erhalten sollte. Anders war dies im Falle der Mitgift bzw. des Erbes : Daß die noch nicht mit Mitgift oder Erbe ausgestatteten Töchter in jedem Fall etwas erhalten würden, durfte der Gesetzgeber voraussetzen, denn er kannte nur die gesetzliche, nicht auch die testamentarische Erbfolge.

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Stimmung Β auf einen penibel genau beschriebenen Zeitraum bezogen wis-sen wollte, ist leicht daraus zu erklären, daß er im ersten Fall lediglich etwas gestattete, was ohnehin schon erfolgt und mithin im Normalfall erledigt war, während er im zweiten Fall noch ausstehenden Familienstreitigkeiten Tür und Tor öffnete.

Was verfügte er nun mit dem Zeugnis B? Frauen, die seit einem be-stimmten, in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt (oder, wie Willetts annimmt, aufgrund einer bestimmten, früher gültigen Rechtslage20)) noch nichts erhalten hatten, sollten dies, ταύτας, erhalten. An welchen Anteil dachte der Gesetzgeber dabei ? Bezog er „dies" auf das frühere Recht, auf das er gelegentlich auch anderswo verwies21), auf das Recht also, nach dem sie in der Vergangenheit etwas hätten erhalten können, das sie aus irgend-einem Grund noch nicht erhalten hatten ? Oder bezog er „dies", wie Gaga-rin glaubt, auf seine eigenen Bestimmungen, d. h. auf seine eingangs auf-gestellte Grundregel, nach der jede Tochter in Zukunft halb soviel erhalten sollte wie jeder Sohn22) ? - Gegen diese Vorstellung von Gagarin spricht mehrerlei :

a) Zum einen bleibt grundsätzlich die Parallelität zwischen A und Β zu berücksichtigen. Sollte schon die bereits mit einer Mitgift bedachte Tochter aus A Hab und Gut in einem anderen Umfang behalten als dem, den der Ge-setzgeber von nun an für Töchter vorsah, so gilt dasselbe naheliegender-weise a priori auch für B.

b) Zum zweiten : Sicher ist, daß der Gesetzgeber durch den Verweis auf Kyllos den Kreis der Frauen, die „dies" beanspruchen durften, beschränkte. Weshalb aber hätte er das tun sollen, wenn „dies" keine Ausnahme gewesen wäre, sondern er nur die zukünftige Norm auf die Vergangenheit übertragen wollte?

c) Drittens hätte er, wenn Gagarins Deutung zuträfe, die ganze Bestim-mung Β verkehrt aufgebaut und sich daher teils wiederholt, teils widerspro-chen23): Zunächst hätte er bestimmt, daß Frauen als solche ihren Anteil

20) The Law Code 21 a. 65 z. St. ; ebenso bereits B a u η a c k, Die Inschrift 105 ; ihm folgt S imon , Zur Inschrift 15. Vgl. u. Anm. 25.

21) Col. 12,2-3. 22) Col.4,39-43. So etwa auch Wi l l e t t s , The Law Code 22a (während er sich in

der Paraphrase der ersten Zeilen aus der fünften Spalte, 21a, sehr viel vorsichtiger aus-drückte).

23) Dies stellte Gagarin (allerdings aufgrund einer anderen Überlegung) bereits selbst fest; a. O. 67 Anm. 17: "The Code has just said that every woman is to have a share of the inheritance (4.23 ff.), and so it would be unnecessary to add, 'from now

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vom Erbe erhalten sollen (col. 4 ,37-43) ; und anschließend hätte er (in B) festgelegt, daß Frauen se i t K y l l o s ihren Anteil vom Erbe erhalten sollen. Hätte er, wie Gagarin glaubt, Frauen aus der Zeit vo r Kyllos aus der für alle anderen gleichen Rechtslage ausschließen wollen, hätte er sicherlich das gesagt - und nicht die Frauen aus der Zeit n a c h Kyllos zweimal behandelt.

d) Und viertens schließlich müßte man dem Gesetzgeber den Vorwurf machen, sich wenigstens verschroben ausgedrückt zu haben, wenn er tatsächlich ταύτας, „dies", auf den Anteil bezogen hätte, den Frauen nach der Grundregel (col. 4,37-43) in Zukunft erhalten sollten. Denn unmittelbar vor der Bestimmung B, in A, hatte er ταντ' εκεν nicht etwa auf diesen von nun an normalen Anteil bezogen, sondern auf das, was der Vater seiner Toch-ter schon früher und abweichend von der neuen Regelung vermacht hatte. Sollte der Gesetzgeber mit demselben Wort und entgegen dem Gebrauch in A nun wirklich von Β aus über A hinweg auf col. 4 ,37-43 zurückgegriffen haben, wo er „dies" gar nicht benutzt ? Mit einem Wort : Nicht das, was sie nach der neuen, sondern das, was sie nach der alten Rechtslage hatten be-anspruchen können - eben „dies" sicherte der Gesetzgeber den schon ver-ehelichten Frauen zu. So verstanden, befand er sich auch mit seinen übrigen Bestimmungen in Einklang, denn auch ihnen gab er grundsätzlich keine rückwirkende Kraft24).

Scheint somit sicher, daß der Gesetzgeber den Umfang, in dem Frauen Vermögen übernehmen könnten, änderte, stellt sich die letzte Frage zu die-sem Zeugnis : War „dies", was die Frauen aus der Zeit seit Kyllos noch nach dem alten Recht beanspruchen konnten25), mehr 2 6) , oder war es, wie zuletzt Gagarin meinte, w e n i g e r als das, was der Gesetzgeber den Frauen in Zu-kunft zugestand ? Seit eh und je haben beide Deutungen ihre Verfechter ge-funden. Da unter sprachlichen Gesichtspunkten tatsächlich beide möglich sind27), hängt die Entscheidung fast ausschließlich vom vorausgehenden

on every woman who does not have her portion is to have it.'" Dieses Argument ist auch gegen Willetts' Deutung der Kyllos-Regel ins Feld zu führen ; vgl. Anm. 22.

24) Anders G a g a r i n , a. O. 67 mit Anm. 21. 25) Daß „dies" in der Zeit seit Kyllos bereits gesetzlich definiert war, scheint nach

dem Gesagten sicher. Willetts Annahme, der Gesetzgeber habe sagen wollen, „... wie es (festgelegt wurde), als Kyllos und seine Kollegen den Kosmos stellten", gewinnt damit an Wahrscheinlichkeit.

26) So zuletzt K o e r n e r , Inschriftliche Gesetzestexte 500: „Dieser Satz hat nur Sinn, wenn man unterstellt, daß die bereits gemachte Mitgift größer war als das Erb-teil, das die Tochter gemäß Neuregelung beanspruchen konnte . . ."; ebenso S. L i n k , Das griechische Kreta (1994) 8 3 - 8 5 .

27) Anders G a g a r i n , a.O. 67, der nur die letzte für möglich hält: "Clearly, be-

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Gesamtverständnis ab28). Eben deshalb aber sollte man an die Deutung allein dieser Stelle keine weitergehenden Schlüsse knüpfen.

Als Zwischenergebnis läßt sich nur festhalten: Aus den zusammen-gehörigen Bestimmungen A und Β geht hervor, daß der Gesetzgeber den Umfang, in dem Frauen Vermögen erwarben, veränderte. Um diesem Wan-del seine Schärfe zu nehmen, ließ er zwei Ausnahmen zu : Zuwendungen, die nach dem alten Recht schon gemacht worden waren, erklärte er (in A) ebenso für rechtens, wie er Zuwendungen, die offenbar in letzter Zeit hätten gemacht werden können, aber aus irgendeinem Grund unterblieben waren, (in B) auch im nachhinein noch zuließ. Dem möglichen Mißbrauch beugte er durch die Zusatzbestimmung vor, daß diese nachträglichen Zuwendungen nur Frauen aus der Zeit seit Kyllos zugute kommen oder zugemutet werden durften; im nachhinein geltend gemachte Ansprüche, die sich auf noch frühere Zeit bezogen, schloß er aus. Die Frage, ob der so bis ins einzelne durchdachte Wandel dazu führte, daß Töchter in Zukunft einen größeren Teil vom elterlichen Vermögen übernahmen, oder ob sie sich mit einem kleine-ren begnügen mußten - diese Frage ist mit Hilfe anderer Zeugnisse zu klären.

Das wichtigste Zeugnis dafür bildet die Bestimmung E, die diese Frage - im Gegensatz zu den in manchen Punkten schwierigen Stellen A und Β - mit zwingender Eindeutigkeit klärt29). Die offenbar neue Rege-

tween the time of Kyllos and the enactment of the Code it was possible for Gortynian women to receive no property at all. The Code makes a major change, insisting that all women receive their proper share ...". Tatsächlich geht aus der Bestimmung jedoch nur hervor, daß es aus der Zeit seit Kyllos Frauen gab, die weder eine Mitgift erhalten noch eine Erbschaft angetreten hatten. Das aber weist nicht darauf, daß ihre Stellung bisher schlechter war. Im Falle der Mitgift ergab sich diese Sachlage vielmehr ganz selbstverständlich daraus, daß es selbst nach dem neuen Recht im Ermessen des Va-ters stand, das Erbteil der Tochter vorab als Mitgift zu vergeben oder erst durch sein Ableben zu vererben. Hatte er sich entschlossen, ihr keine Mitgift zuzuwenden, und war er noch nicht verstorben, hatte seine Tochter auch noch nichts erhalten. Aus der Tatsache, daß es Frauen gab, die noch nichts hatten, ist also nichts darüber abzuleiten, ob sie g e g e b e n e n f a l l s hätten bedacht werden müssen oder nicht.

28) Unter sprachlichen Gesichtspunkten könnte für die zweite Deutung sprechen, daß der Gesetzgeber im Falle von A schrieb, die bereits beschenkte Tochter solle ha-ben, also behalten, was sie nun einmal hatte, a b e r nichts weiteres erhalten. Hätte das, was sie aus früherer Zeit schon hatte, weniger dargestellt als das, was sie in Zukunft noch erhalten sollte, hätte er sagen müssen, daß sie behalten sollte, was sie hatte, und a u c h nichts weiteres erhalten.

29) So etwa auch K o e r n e r , Inschriftliche Gesetzestexte 485. - Eine weitere Pa-rallele vermute ich in col. 4,31-39, der Unterteilung der Erbmasse in solche Teile, die

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Die vermögensrechtliche Stellung der Frau in Gortyn 223

lung30) aus col. 10,14-17, nach der ein Gatte seiner Frau oder ein Sohn sei-ner Mutter Geschenke im Wert von bis zu 100 Stateren zuwenden durfte, „mehr aber nicht", erweiterte der Gesetzgeber in einem der Nachträge um die Zusatzbestimmung, daß diejenigen Fälle nicht vor Gericht zugelassen werden sollten, in denen solche Geschenke schon früher, nach der damals gültigen und ebenfalls schriftlich gefaßten Rechtslage erfolgt waren, ät εγραττο προ τδνόε τον γραμμάτον με ενόικον ε μεν. Damit ist von vorn-herein klargestellt, daß es schon vor der vorliegenden Gesetzgebung ein schriftliches Gesetz gab, in dem die Frage, wie hoch solche Geschenke aus-fallen durften, geklärt worden war - und zwar anders, als der Gesetzgeber sie nun geklärt sehen wollte31)· Zu beantworten bleibt die Frage, ob diese alte Bestimmung für solche Geschenke einen kleineren oder, wie bisher zu-meist angenommen, einen größeren Umfang vorgesehen hatte.

Anders als Gagarin glaubt, gibt es keinen Grund, diese Frage von vorn-herein als unlösbar abzutun32). Um zu einer Antwort zu gelangen, braucht man sich vielmehr nur zu fragen, wer dem Gesetzgeber als potentieller Klä-ger vor Augen stand. Sah er den Kläger in der Frau, die versucht sein könnte, sich mit Hilfe der neuen Bestimmungen mehr zu sichern als sie früher und nach den alten Regelungen hatte erhalten dürfen, oder stand ihm als Kläger der Mann vor Augen, der einer Frau aus seiner Familie mit Hilfe der neuen Bestimmungen streitig machen könnte, was sie früher und nach den alten Regelungen in größerem Umfang erhalten hatte ? - Die Antwort kann nur zugunsten dieser zweiten Möglichkeit ausfallen, denn im Gegensatz zu den Erbteilen, auf die Töchter einen Anspruch erheben konnten, erfolgten Ge-schenke des Gatten an seine Frau oder des Sohnes an seine Mutter nach den

auf alle Kinder verteilt wurden, und solche, die allein die Söhne erbten. Daß der Ge-setzgeber hier bestimmte Erbteile (wie etwa das Haus in der Stadt) einzeln benannte, aussonderte und vorab allein den Söhnen zuwies, daß er die Töchter an diesem Rest also nur im Notfall beteiligt sehen wollte (Z. 4 6 - 4 8 ) , und daß er schließlich den ver-bleibenden Rest, an dem stets alle Kinder zu beteiligen waren, pauschal als „das gesamte übrige Hab und Gut" bezeichnete - all dies weist m. E. darauf, daß die Auf-teilung des Erbes an alle Kinder die (althergebrachte) Praxis bildete, während die Bevorzugung der Söhne (und mithin die Benachteiligung der Töchter) die neue, von nun an gültige Rechtslage darstellte; vgl. L i n k , Kreta 82. Anders freilich schon K o h l e r / Z i e b a r t h , Das Stadtrecht 63f. , zuletzt wieder aufgegriffen von K o e r n e r , Inschriftliche Gesetzestexte 501.

30) Daß dieses Gesetz mit Sicherheit neu ist, gesteht auch M a f f i , a. O. 75, zu. 31) Anders freilich G a g a r i n ; vgl. Anm. 32. 32) Symposion 1993, 68f . : "... but since we do not know the previous law con-

cerning such gifts, we cannot know whether this provision changes the size of gifts allowed, and if so, whether it allows larger gifts or smaller gifts than previously."

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Gesetzen von Gortyn grundsätzlich freiwillig ; allein der Gatte oder der Sohn selbst entschied darüber, ob und in welcher Höhe er seiner Ehefrau oder Mutter solche Geschenke machen wollte33). Anders herum ausgedrückt: Als Klägerin scheidet die Frau in diesen Fragen schon deshalb aus, weil sie α limine keinen Anspruch auf Geschenke als solche oder gar Geschenke in einer bestimmten Höhe anmelden konnte ; selbst wenn sie früher weniger hätte erhalten dürfen als sie von nun an erhalten durfte, gab es doch von vornherein keine Rechtsgrundlage für eine Klage von ihrer Seite. Daß sie aufgrund der neuen Regelungen weitergehende Ansprüche geltend machen würde war daher nie zu erwarten. Als potentieller Kläger kam allein der Mann in Frage, der versuchen könnte, einer Frau aus seiner Familie mit Hilfe der neuen Regelungen streitig zu machen, was ihr früher in größerem Umfang zugestanden worden war. Und da diese frühere Zuwendung, wie der Gesetzgeber sich ausdrückte, ebenfalls schon auf „schriftlichem Gesetz" be-ruht hatte, ist der Schluß schwerlich von der Hand zu weisen, daß Frauen in Gortyn früher von Rechts wegen Geschenke in größerem Umfang hatten erhalten können, als sie in Zukunft noch erhalten durften. Allein dieser Deu-tung entspricht auch die Tatsache, daß der Gesetzgeber seine Bestimmung aus col. 10 mit den Worten fortsetzte: „Wenn er aber mehr gibt ..."34), während er den Fall, daß der Mann wen ige r gegeben haben könnte, un-berücksichtigt läßt. Mit einem Wort : Wie wahrscheinlich bei der Erbschaft bzw. der Mitgift, so schränkte der Gesetzgeber den Umfang, in dem Frauen Vermögen erwerben konnten, ganz sicher auch beim Geschenk des Gatten an die Ehefrau oder des Sohnes an die Mutter ein. Gagarins Behauptung, der Gesetzgeber habe in all den Fällen, die eindeutig genug vor Augen stehen, die vermögensrechtliche Stellung der Frau verbessert, trifft daher nicht zu.

Weitgehend zuzustimmen ist Gagarin dagegen in der Deutung der Rege-lungen C und D, der Bestimmung, nach der der Ehemann das Vermögen seiner Frau und der Sohn das Vermögen seiner Mutter nicht verkaufen oder verpfänden durfte (C), und der entsprechenden Bestimmung zum Schutz des Vermögens der Erbtochter (D) - beide Regelungen versehen mit einer Zusatzklausel, nach der Früheres nicht gerichtsfähig sein sollte. "... the legal redress provided by this law", schreibt Gagarin35), "will not be avail-

33) Col. 10,14-16: „Der Mutter mag der Sohn ... lOOStatere geben oder wen i -ger ...".

34) In diesem Fall sollten die Erben die Möglichkeit haben, der Frau das Hab und Gut abzunehmen und sie mit einer Geldzahlung - wohl in Höhe von 100 Stateren -abzufinden.

35) A.O. 68.

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Die vermögensrechtliche Stellung der Frau in Gortyn 2 2 5

able in cases where a wife or mother's property was sold or promised before this law was enacted. This must mean that women's property is being given greater protection in the Code but this increased protection is not being granted retroactively." Diese offenbar überzeugende Deutung ist bereits sehr alt ; schon Dareste vertrat sie : «La famille gortynienne», schrieb er, «forme une communauté apparente de biens ; mais au fond les patrimoines de ses divers membres restent absolument distincts et aucun d'eux ne peut faire acte de disposition sur les biens d'un autre, même confiés à sa garde : tel est du moins le système de la nouvelle loi ; son langage même indique que dans le droit antérieur il en étaient autrement et que les pouvoirs du père de famille y étaient plus étendus, plus semblables à ceux du paterfamilias romain36).» Und auch Schaps sah sich nicht dazu gedrängt, in irgendeinem Punkt von dieser Deutung abzuweichen: "This is", stellte er klar, "not simply a rule against selling other people's property - that could have been said in many fewer words ; it is a law abolishing the economic power of the kyrios. ... The amnesty for their (scil. the husbands') actions before the pass-ing of this law can only mean that they had previously been prescribed as kyrioi at Gortyns as well (as, e.g., at Athens), and that they had been pos-sessed of the right... to sell, mortgage, or pledge the property of their wives and mothers without the women's consent. Under the terms of the new law, any such sale, mortgage, or pledge is invalid ; the property alienated returns to the wife or mother, and the good-faith purchaser is recompensed doubly as the victim of fraud37)." Mit anderen Worten : Die Bestimmungen C und D machen deutlich, daß der Gesetzgeber die vermögensrechtliche Stellung der Frau stärkte : Hatte sie sich bisher damit abfinden müssen, daß ihr Gatte oder ihr Sohn ihr gegenüber als kyrios auftrat, so konnte in Zukunft allein sie selbst über ihr Hab und Gut verfügen.

Willetts, nach dessen Ansicht der Gesetzgeber die vermögensrechtliche Stellung der Frau grundsätzlich nicht stärkte, sondern schwächte, setzt sich mit dieser Deutung nicht näher auseinander38) ; in Zweifel zieht sie daher nur

36) DHR I 366. So auch schon K o h l e r / Z i e b a r t h , Das Stadtrecht 70 A n m . l : „Daß früher ein gewisses Verfügungsrecht des Mannes bestand, geht aus der Zwi-schenbestimmung VI 25 hervor."

37) Economic Rights 58f. Ebenso R. S e a l e y , Women and Law in Classical Greece (1990) 78: "... the code states a sanction and a prohibition against retroactive en-forcement for the rules against alienating a woman's property but not for those against alienating that of a father or of his children. Presumably the protection of a woman's property was an innovation and needed an explicit sanction for enforcement." So zuletzt auch K o e r n e r , Inschriftliche Gesetzestexte 509, 511 u.a.

38) Die Regeln, nach denen "the father or son is deprived of all rights over the pro-

1 5 Zeitschrift für Rechtsgeschichte. CX V. Rom. Abt. Brought to you by | Heinrich Heine Universität Düsseldorf

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Alberto Maffi . D e n Kern seines Einwandes bildet die Frage nach dem Zu-sammenhang zwischen der Best immung selbst und der Zusatzklausel, die ausschloß, daß ihr jemand rückwirkende Kraft zumessen würde: Einerseits gesteht Maff i zwar zu, daß eine solche Zusatzklausel nur sinnvoll ist, wenn die zugrundeliegende Regelung etwas anderes fordert als das, was früher üb-lich war; andererseits aber kann er sich dennoch nicht vorstellen, daß der Gatte mit dem Vermögen seiner Frau, der Sohn mit dem seiner Mutter oder ein beliebiger Verwandter mit dem der Erbtochter früher, vor der vorliegen-den Best immung, frei habe schalten dürfen39). D ie Best immungen, die dies verboten, hätten daher doch wohl kein neues Recht geschaffen, sondern nur überlieferte Regelungen wiederholt bzw. die althergebrachte Rechtspraxis aufgegriffen. Denn sicherlich hätten - so Maff i - auch früher schon Ver-käufe, in denen beispie lsweise der Ehegatte das Vermögen seiner Frau leichtfertig veräußerte, annulliert werden können, wenn die Verwandten der Frau dies gefordert hätten40) ; und im Falle einer Scheidung habe der Gatte sicher auch früher schon das Hab und Gut seiner Frau herausgeben müssen. A m materiellen Recht habe der Gesetzgeber also nichts verändert ; neu ein-

perty of other members of the family" versteht Willetts nicht als grundsätzlich neues Recht, sondern als Strafbestimmungen, die denjenigen treffen sollten, der das (irgend-wie durchaus in der Verfügung des Familienoberhaupts stehende) Vermögen eines Familienmitgliedes widerrechtlich verkauft hatte ; The Law Code 68 b, z. St. Im übri-gen vgl. dens. , a. O. 20a: "Although the legislation on these matters was not to be retroactive (as is usual in the Code), we must conclude that it had become urgently necessary. Abuses against women's rights of tenure must have been markedly on the increase. The whole weight of the legislation here is defensive."

39) Im Falle der Erbtochter (D) bleibt allerdings zu berücksichtigen, daß mit Blick auf die bisherige Praxis als Täter aller Wahrscheinlichkeit nach nicht etwa ein beliebiger Verwandter, sondern nur der epiballon in Frage kam - derjenige also, der ohnehin ein Recht darauf hatte, die Tochter zu ehelichen. Insofern war, was diese zurückliegenden Fälle betraf, auch hier der Täter der Ehemann (oder wenigstens doch der zukünftige Ehemann), und daher verfängt M a f f i s Argument (a. O. 77), bei einer so alten Institu-tion wie dem Epiklerat seien doch sicherlich die Interessen dessen, der das Recht auf die Erbtochter hatte, auch schon vor dem Kodex gegen willkürliche Veräußerung seitens Dritter geschützt gewesen, nicht. Den familiären Hintergrund, der Maffi offen-bar vorschwebt, schuf der Gesetzgeber vielmehr erst mit dem vorliegenden Gesetz (bzw. kurze Zeit später) selbst, wenn er - im Nachtrag und daher im nachhinein -bestimmte, daß das Vermögen einer minderjährigen Erbtochter gegebenenfalls bis zum Zeitpunkt ihrer Verehelichung von den Verwandten väterlicher- und mütter-licherseits verwaltet werden sollte, nicht aber, wie im Normalfall (col. 8,42-44), allein von den Verwandten väterlicherseits ; zu col. 12,6-19 vgl. L i n k , Kreta 87f.

40) Symposion 1993,77 : ,,E' presumibile dunque che quegli atti di disposizione fos-sero quanto meno annullabili anche prima del Codice ...".

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geführt habe er lediglich die Strafbestimmungen : Das verkaufte Vermögen fiel nach col. 6,12-24 an die Frau zurück, und der arglistige Verkäufer mußte den gutgläubigen Käufer mit dem Doppelten oder sogar dem Drei-fachen dessen entschädigen, was er ihm rechtswidrig verkauft hatte. Und die Tatsache, daß die Frau dabei gar keine Rolle mehr spielte, sondern allein der Familienvater als Täter und der Käufer als Geschädigter die Sache aus-trugen, weise darauf, daß dieses Gesetz im Grunde gar nicht auf die vermö-gensrechtliche Stellung der Frau gezielt habe, sondern darauf, den Käufer ihres Vermögens zu schützen : Der Gesetzgeber habe durch die Androhung strenger Strafen die Interessen derer schützen wollen, die bisher gutgläubig vom arglistig handelnden Familienvater Vermögen erworben hatten41). Von den verschärften Strafbestimmungen - so Maffi - habe er die Täter aus früherer Zeit freilich ausnehmen wollen, denn die tradionell dem Familien-oberhaupt zustehende Befugnis sei zu schwer beeinträchtigt worden, wenn man auch Fälle aus früherer Zeit unter die Drohung der schärferen Straf-bestimmungen gestellt hätte: „... mi pare si possa dire che rendere retro-attive le nuove norme avrebbe significato colpire pesantemente una facoltà tradizionalmente riconosciuta al capo della famiglia ..."42).

Wie auch immer man zu der Erklärung, der Gesetzgeber habe den Käufer schützen wollen, stehen mag43) - Maffis Deutung, nach der die in Frage ste-hende Bestimmung kein so grundsätzlich neues Recht schuf wie bisher an-genommen, wirkt ansprechend ; möglicherweise war der Umbruch, den sie widerspiegelt, unter rein rechtslogischen Gesichtspunkten in der Tat weni-ger einschneidend, als es nach den oben zitierten Erklärungen scheinen könnte. Das widerlegt jedoch die traditionelle und zuletzt von Gagarin vor-

41) Symposion 1993, 77f . Ganz anders freilich noch ders. , Chreos nel 'codice' di Gortyna, Atti del seminario sulla problematica contrattuale in diritto romano. Bd. I ( 1988), 283. Nach seiner dort geäußerten Deutung diente das vorliegende Gesetz nicht zum Schutz des gutgläubigen Käufers gegenüber dem arglistig handelnden Familien-vater; vielmehr habe es im Gegenteil dem gutgläubigen Familienvater dazu dienen sollen, sich den unberechtigten Ansprüchen eines arglistigen Käufers zu entziehen : Er habe nur darauf hinzuweisen brauchen, daß das in Frage stehende Hab und Gut nicht ihm, sondern einer Frau seines Hauses gehöre und daher gar nicht zu den verkäuf-lichen Sachen zähle.

42) Symposion 1993, 76f . ; vgl. indessen auch Anm.41. 41) Daß das Gesetz dem Käufer rechtliche Möglichkeiten an die Hand gab, die er

bisher noch nicht gehabt hatte, weist durchaus nicht zwingend darauf, daß es auch da-rauf zielte, seine Interessen zu schützen ; vgl. u. Anm. 56. Und andernorts spricht auch M a f f i ganz selbstverständlich von einem Schutz, den der Gesetzgeber der Frau habe bieten wollen ; Atti del seminario sulla problematica contrattuale in diritto romano, Bd. 1 (1988) 276.

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getragene Deutung keineswegs. Denn im vorliegenden Zusammenhang ist die Frage, wie tief der Gesetzgeber in das althergebrachte Recht eingriff, nicht sehr wichtig ; sie steht bestenfalls in ganz lockerem Zusammenhang zu der, aus welchem Grund, zu welchem Zweck und in welche Richtung er die vermögensrechtliche Stellung der Frau änderte. Und da ran , daß er sie mit dieser Neuregelung änderte, kann es keinen Zweifel geben - selbst wenn er, wie Maffi glaubt, allein die Strafbestimmungen hinzufügte. Wie die Zusatz-klausel nur zu deutlich zeigt, war es bisher gang und gäbe gewesen, daß die Familienväter mit dem Vermögen der Frauen ihres Hauses umgingen oder umsprangen, wie es ihnen gut zu sein schien. Auf welcher Rechtsgrundlage auch immer - offenbar unbekümmert hatten sie es verkauft, versprochen und verpfändet; selbst Maffi sieht hierin eines der althergebrachten und wenigstens gesellschaftlich gebilligten Vorrechte der Familienoberhäupter. Dieses Vorrecht verloren sie nun : Was bisher wenigstens allgemein üblich gewesen war, Geschäfte, die (nach Maffi) allenfalls einmal rückgängig ge-macht werden mußten, wenn die Verwandten der Frau Einspruch einlegten - solche Geschäfte wurden nun zum strafbaren Tatbestand. Wie tief der Gesetzgeber damit auch immer in das vormals geltende, materielle Recht eingriff - daran, daß er mit der fraglichen Neuregelung die vermögens-rechtliche Stellung der Frau erheblich aufwertete, sollte man nicht zweifeln.

Zu berücksichtigen bleibt schließlich noch Maffis Deutung der Bestim-mung E. Auch dieses Gesetz, die Beschränkung von Geschenken des Gat-ten an seine Frau oder des Sohnes an seine Mutter, versah der Gesetzgeber mit der Zusatzklausel, die ihm jede rückwirkende Kraft nahm. Daß sich die Zusatzklausel in diesem Fall ganz sicher nicht auf verschärfte Strafbestim-mungen bezog, erkennt auch Maffi an, denn das Gesetz sah gar keine be-sonderen Strafen vor und führte daher auch keine eigenen Strafbestimmun-gen auf. Doch zieht er daraus nicht etwa den Schluß, daß der Gesetzgeber in diesem Fall ganz eindeutig die vermögensrechtliche Stellung der Frau neu und enger faßte. Vielmehr legt er den Akzent auf die Vermutung, der Ge-setzgeber habe auch hier die Interessen Dritter schützen wollen : So, wie er schon im Falle von C und D letztlich nicht (oder : nicht allein) die Frau, son-dern den gutgläubigen Käufer ihres Vermögens in Schutz genommen habe, habe er auch bei der Bestimmung E die Interessen Dritter, nämlich Ver-wandter, schützen wollen44). Um diese Annahme zu verteidigen, verweist Maffi auf die Bestimmung, daß Schenkungen zugunsten eines beliebigen

44) Was dort freilich durch die Gesetze selbst, hier aber durch die Zusatzklausel ge-schehen sein soll.

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Dritten ohnehin nur gültig waren, wenn sie nicht die Gläubiger des Schen-kenden schädigten (col. 10,20-25), und unterstellt, daß derselbe Grundsatz stillschweigend auch auf die Verwandtschaftsverhältnisse übertragen wor-den sei : „Si noti che le donazioni a favore di qualunque terzo sono valide alla sola condizione che non danneggino i creditori del donante ; di una tutela dei familiari del donante, qualunque sia il loro sesso, non si parla : col. X 20-2545)." Dazu ist jedoch nur anzumerken, daß der Fall des Schuldners mit dem der beschenkten Frau nicht zu vergleichen ist. Denn das Geschenk des Gatten oder Sohnes an die Frau oder Mutter beschränkte der Gesetzgeber unabhängig von der Frage (und ihre rückwirkende Kraft nahm er dieser Regelung unabhängig davon), ob irgendeiner der Beteiligten noch weitere, möglicherweise erbberechtigte Verwandte hatte, die durch eine solche Transaktion ähnlich hätten geschädigt werden können wie ein Gläubiger durch seinen Schuldner. Daß der Gesetzgeber solche notwendigen Bedin-gungen nicht einfach vergaß oder unterschlug, enthüllt die angebliche Parallele aus col. 10,20-25 selbst : „Wenn jemand Geld schuldet..." - mit diesem Vorbehalt und nur für diesen Fall hatte der Gesetzgeber sein Gesetz dort formuliert.

Nach Lage der Dinge bleibt daher ein zweiseitiges Bild zu erklären : Die Frage, die es zu beantworten gilt, lautet, weshalb der Gesetzgeber einerseits den Umfang, in dem Frauen Vermögen ihrer Familienmitglieder überneh-men konnten, beschränkte und damit ihre vermögensrechtliche Stellung schwächte, andererseits und gleichzeitig aber die Rechte an ihrem Vermö-gen, die bisher in größerem Umfang dem (selbstverständlich männlichen) Familienoberhaupt zugestanden hatten, ganz und gar in ihre Hand legte, ihnen die freie und alleinige Verfügungsgewalt zusicherte und mithin ihre vermögensrechtliche Stellung aufwertete46).

Vor diesem zwiespältigen Hintergrund überzeugt Maffis Gedanke un-mittelbar, daß es nicht a l le in die Frage nach der vermögensrechtlichen Stellung der Frau war, die dem Gesetzgeber immer wieder dann vor Augen trat, wenn er sich diesem Thema zuwandte ; vielmehr wird er weitergehende Vorstellungen gehabt haben, denen er die Fragen nach der vermögensrecht-lichen Stellung der Frau unterordnete ; fallweise entschied er sich hier daher immer so, wie es ihm nützlich schien. Nach Maffis Überzeugung bestand

45) A.O. 78; vorgezeichnet bereits bei Kohler /Ziebarth , Das Stadtrecht 66. 46) Vgl. dazu noch einmal die Formulierung in col. 6,18: Hab und Gut, das ein

Käufer der ursprünglichen Eigentümerin zurückerstatten mußte, sollte έπί τάι γνναικί sein. Dazu auch Zi te lmann, Das Recht 117.

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das übergeordnete Ziel darin, eine gleichgewichtige Vermögensverteilung innerhalb der Familie und zwischen den Familien zu sichern, „l'equilibrio patrimoniale intrafamiliare e interfamiliare." Doch weist in der übrigen uns bekannten Gesetzgebung gar nichts darauf, daß der Gesetzgeber eine aus-geglichene Vermögensverteilung innerhalb der Bürgerschaft hätte bewahren oder herbeiführen wollen, im Gegenteil : Aus mehreren anderen Zeugnissen geht zweifelsfrei hervor, daß er nur zu geneigt war, den ohnehin schon rei-chen Familien weitere Mittel in die Hände zu spielen47). Außerdem müßte man sich fragen, ob denn (wie Maffi stillschweigend voraussetzt) eine Be-schränkung der Geschenke, die ein Ehemann seiner Gattin machen durfte, auf längere Sicht irgendeinen Einfluß auf die Vermögensverteilung zwi-schen den Familien gehabt hätte - jedenfalls, sofern keiner der beiden Ehe-partner Kinder aus anderen Ehen hatte, erbten die gemeinsamen Kinder ohnehin das ganze Vermögen, sei es aus seiner, sei es aus ihrer Hand48). Und selbst wenn beispielsweise der Mann noch Kinder aus einer anderen Ehe mitbrachte, die nichts von dem erben würden, was er ihrer Stiefmutter zu-gewandt hatte - selbst in diesem Fall spricht doch nichts dafür, daß das Ver-mögen volkswirtschaftlich gleichmäßiger verteilt wurde, wenn der Gesetz-geber die Interessen dieser Kinder schützte und Geschenke des Vaters an die Stiefmutter beschränkte49). Von der Vorstellung, ihm habe an einem volks-wirtschaftlichen Gleichgewicht in der Vermögensverteilung gelegen, sollte man sich daher trennen.

Und dies um so mehr, als ein anderer Gedanke viel näher liegt50). Denn in Rechnung zu stellen bleibt stets, daß in den kretischen Städten ein rigoroses Steuersystem herrschte, das einerseits die allabendlichen Gemeinschafts-mahle aller Bürger sicherstellte, sich andererseits aber allem Anschein nach auch nur auf die Männer erstreckte. Was wir von ihm wissen, verdanken wir im wesentlichen Aristoteles und Dosiadas :

Aristoteles verglich die allabendlichen Gemeinschaftsmahle der Kreter mit den bekannten Syssitien der Spartaner und stellte fest, daß die kretischen Andreia schon deshalb besser organisiert seien, weil sie im Gegensatz zu den Syssitien wenigstens zum Teil aus öffentlichen Mitteln bestritten wur-den. „Denn von allen Erträgen der Feld- und der Weidewirtschaft ist sowohl

47) Dazu ausführlich S. Link, Landverteilung und sozialer Frieden im archaischen Griechenland (1991) 112-118.

48) Col.4,43-46. 49) Schon von der Seite ihrer (leiblichen) Mutter her mögen sie mit Gütern geseg-

net gewesen sein, ganz unabhängig davon, wieviel sie vom Vater erbten. 50) Ausführlicher dargelegt in Link, Kreta 91-96.

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aus den Bürgerabgaben als auch aus solchen, die die Periöken leisten, ein Teil für die Götter und die gemeinsamen Liturgien, der andere für die Sys-sitien bestimmt, so daß alle aus Gemeinschaftlichem versorgt werden .. ."51). Ins einzelne geht Dosiadas, der die Mahlgemeinschaften seiner Heimatstadt Lyttos schilderte : Augenfälliger noch als Aristoteles stellte auch Dosiadas Beiträge aus öffentlichen und privaten Mitteln nebeneinander; darüber hi-naus nannte er auch die Höhe der privaten Beiträge und beschrieb das Be-steuerungs- und Verteilungssystem : „Die Lyttier", so schrieb er, „bestreiten die gemeinsamen Syssitien folgendermaßen: Von den erzielten Erträgen bringt jeder den zehnten Teil in die Hetairie mit sowie die Einkünfte der Stadt, die die Vorsteher der Stadt den Häusern der einzelnen (Bürger) zutei-len. Von den Sklaven - den Klaroten - steuert jeder pro Kopf einen ägineti-schen Stater bei52)."

Es war offenbar ein sehr altertümliches System, nach dem die öffentlichen Einkünfte zunächst auf die privaten Häuser verteilt wurden, um sodann von den Familienvätern zusammen mit ihrer privaten Abgabe in Höhe von 10% ihrer Erträge zu ihrem jeweiligen Andreion geschafft zu werden. Doch war es nicht nur alt - es war auch denkbar anfällig gegenüber Versuchen, sich der Besteuerung zu entziehen. Offenbar nicht ganz unbeliebt war es, noch nicht versteuerte Erträge vor dem „Früchteteiler" zu verstecken, ein Delikt, für das der Gesetzgeber in Gortyn die drastische Strafe von einer mehr als zwanzigfachen Buße vorsah: Unversteuerte Erträge sollte der „Früchte-teiler" gänzlich einkassieren, und außerdem sollte der Täter noch einmal den einfachen Wert der Frucht erlegen sowie die übliche Strafe abbüßen müssen53).

51) Pol. 1272a 1 2 - 2 1 ; diese Übersetzung ausführlich begründet bei L i n k , Land-verteilung 118-122.

M) FGrHist 458 F 2 (= Athen. 4 ,143a-b) . Dazu vgl. L i n k , Landverteilung 122-124; vgl. neuerdings auch H.-J. G e h r k e , Gewalt und Gesetz, Die soziale und politische Ordnung Kretas in der Archaischen und Klassischen Zeit, Klio 79 (1997) 39.

53) SGDI 4993 (= K o e r n e r , Inschriftliche Gesetzestexte Nr. 152); vgl. insbeson-dere auch Koerners vorsichtigen und ausführlichen Kommentar. Daß die Früchte „ver-steckt oder nicht verteilt" worden waren, braucht jedoch nicht so kompliziert ver-standen zu werden, wie Koerner vorschlägt, „daß (nämlich) bei der Unterschlagung vornehmlich an die Bürger, bei der unterlassenen Verteilung an die Vorsitzenden der Andreia oder andere Amtspersonen gedacht war" (S.432). Könnte dem Gesetzgeber nicht ganz schlicht vorgeschwebt haben, daß die Erträge auf die öffentliche Kasse einerseits und die privaten oikoi andererseits „verteilt" oder „aufgeteilt" wurden ? Fand der „Früchteteiler" Erträge - so verstehe ich den Text - , die ganz offensichtlich ver-steckt worden waren, um sie der Aufteilung (= Versteuerung) zu entziehen, oder fand

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Eine andere, zwar ebenso gemeinschafts-, aber nicht rechtswidrige Mög-lichkeit, Hab und Gut vor dem Zugriff des „Früchteteilers" zu retten, scheint mir hinter den Vorstößen zu stehen, die der Gesetzgeber unternahm, um die vermögensrechtliche Stellung der Frau neu zu ordnen. Denn Dosiadas' Worte sind in diesem Punkt ganz eindeutig: Jeder Mahlgenosse brachte seine Anteile aus seinem privaten und das seinem Haus zugeteilte öffent-liche Vermögen mit in sein Andreion. Da aber im Andreion, der Männer-mahlgemeinschaft, ausschließlich Männer zusammentraten54), ist zu fol-gern, daß auch nur sie, die Männer, Anteile aus ihren Erträgen beisteuer-ten55). Erträge, die das Vermögen von Frauen abwarf, waren nach diesem altertümlichen Besteuerungssystem für die Gemeinschaft als ganze ver-loren. Vor diesem Hintergrund muß es für einzelne (und besonders für die reicheren) Hausväter geradezu verlockend gewesen sein, den Frauen ihres Hauses eigenes Vermögen zu schenken - und zwar insbesondere dann, wenn sie als kyrioi dieser Frauen dadurch noch nicht einmal die Verfügungsgewalt über ihr Vermögen verloren. Kurz : In der Frage, wieviel Vermögen Frauen haben sollten und in der, zu welchem Recht - in diesen beiden Fragen konn-ten in den griechischen Städten Kretas gemeinschaftliche und private Inter-essen hart aufeinanderprallen.

War dies die Situation, der sich der Gesetzgeber in Gortyn gegenübersah, ist jedenfalls leicht zu erklären, weshalb er die vermögensrechtliche Stel-lung der Frau teils aufwertete, teils beschränkte. Bestimmte er, daß keine Tochter mehr als die Hälfte dessen als Mitgift oder Erbe erhalten durfte, was jeder Sohn beanspruchen konnte, und legte er fest, daß kein Gatte seiner Frau und kein Sohn seiner Mutter mehr als 100 Statere schenken durfte, so begrenzte er das Feld, auf dem in Zukunft noch Mißbrauch zu treiben war,

er Früchte, die aufgrund anderer Machenschaften nicht „geteilt" worden waren, sollte er die vorgesehenen Strafen verhängen.

54) Zu der einzigen Ausnahme, der Frau, die einem jeden Andreion vorsaß, vgl. zu-letzt Link, Kreta 19-21 (mit weiterer Literatur).

55) So übrigens ganz selbstverständlich auch in den Fällen, die wir zum Vergleich heranziehen können; zu Sparta vgl. Plut. Lyk. 8,7: Getreide im Umfang von 70 Me-dimnen habe jedes der lykurgischen Landlose für den Eigentümer abgeworfen, 12 für seine Frau. Woher auch immer Plutarch diese Zahlen hatte - der gewaltige Unterschied zwischen den Abgaben für den Mann und denen für die Frau ist vor allem damit zu er-klären, daß der Mann Beiträge an sein Syssition leisten mußte, die der Frau erspart blieben (vgl. Lotze , Jb. f. Wirtschaftsgesch. 1971 II 70f.). So auch schon bei Homer: Nach Od. 4,622-623 steuerten die Frauen, sonst im Zusammenhang mit den Mahlge-meinschaften überhaupt nicht erwähnt, nicht etwa eigenes Brot bei, sondern schickten ihren Männern, die selbst die Schafe und den Wein mitbrachten, Brot nach - offenbar aus dem gemeinsamen Haushalt und mithin aus dem Besitz des Mannes.

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Die vermögensrechtliche Stellung der Frau in Gortyn 233

von vornherein sehr eng5 6). Wie sehr ihm daran lag (und w i e geschlossen ihm das Problem, das die vermögensrechtliche Stellung der Frau bildete, wenigstens auf dieser höheren Ebene erschien), enthüllt schon das stereo-type „ . . . mehr aber nicht", auf das er immer wieder (und allein dann) ver-fiel, wenn er sich dazu äußerte, wievie l Vermögen Frauen von den Männern ihres Hauses erwerben können sollten57). Und bestimmte er darüber hinaus, daß einmal vergebenes Vermögen endgültig verloren, daß es zu vol lem Recht alleiniges Eigentum der Frau war, so schreckte er mögl iche Missetäter noch um vieles nachdrücklicher ab : In Zukunft würden sich die Männer nun wohl hüten, den Frauen ihres Hauses überhaupt Vermögen zuzuwenden5 8) .

56) Daß die Geschenke des Gatten an seine Frau und des Sohnes an seine Mutter als Geschenke von Todes wegen zu verstehen seien, setzen fast alle Kommentatoren vor-aus ; vgl. etwa Levy , Altes Stadtrecht 22 Anm. 6 9 ; Z i t e l m a n n , Das Recht 125 ; Dar-este, DHR 480; K o e r n e r , Inschriftliche Gesetzestexte 482ff. Das scheint jedoch zum einen nicht ganz sicher und widerspricht zum anderen der im Text vorgenomme-nen Deutung nur scheinbar : Verschenken konnte der Sohn oder der Gatte das Vermö-gen auch von Todes wegen schon zu Lebzeiten, zu Beginn der Ehe etwa oder irgend-wann in ihrem Verlauf ; vgl. K o e r n e r , a. 0 . 4 8 5 Anm. 16. Und ganz deutlich enthüllt die Bestimmung A, daß die Geschenke, an die der Gesetzgeber dachte, normalerweise bereits zu Lebzeiten des Mannes vorgenommen wurden : Die Tochter, die zwar be-halten durfte, was ihr Vater ihr geschenkt hatte, die aber keine weiteren Ansprüche geltend machen konnte, war offenbar noch nicht verwaist. Denn der Gedanke, weiter-gehende Ansprüche geltend zu machen, zielte offenkundig darauf, beim Tode ihres Vater ein (weiteres) Erbteil zu beanspruchen. Schob der Gesetzgeber diesem Gedan-ken einen Riegel vor, rechnete er folglich damit, daß der Vater zum Zeitpunkt der Gesetzgebung noch lebte.

" ) Col. 3,40; 4,51; 10,16-17; wahrscheinlich auch 10,7. 5S) Keinen Einwand gegen diese Deutung sehe ich darin, daß der Gesetzgeber an

der entsprechenden Stelle nicht ausdrücklich die Gemeinschaft, sondern den gutgläu-bigen Käufer von Frauengut schützte (so aber M a f f i in seiner Antwort auf G a g a r i n , a. O. 77). Hierin ist nicht mehr zu sehen als sein Versuch, die Überwachungsaufgaben der Gemeinschaft dadurch überschaubar zu halten, daß er die Initiative zu Rechts-streitigkeiten - wenn sie sich vor dem Hintergrund der neuen, eindeutigen Gesetze nicht von vornherein vermeiden ließen - in die Hand der unmittelbar Beteiligten legte. Außerdem konnte es nach der oben vorgetragenen Deutung natürlich überhaupt nicht im Interesse des Gesetzgebers liegen, gerade der Frau die Strafsumme zuzu-weisen und ihr damit mehr Vermögen zuzugestehen, als sie ohnehin schon ihr eigen nannte. In der Hand des (männlichen) Käufers hingegen blieb es unter gemein-schaftsbezogenen Aspekten produktiv. - Im übrigen vgl. etwa auch col. 10,17-20, wo der Gesetzgeber sich in einem vergleichbaren Fall ebenfalls an die unmittelbar Betroffenen hielt, hier die Verwandten. Und zu seinem Bestreben, die Streitpartner zunächst alle Möglichkeiten einer außergerichtlichen Einigung ausschöpfen zu lassen, vgl. etwa col. 6,25-31.

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234 Stefan Link

Im Gegensatz zur bisherigen Praxis jedenfalls war Hab und Gut, das sie ein-mal verschenkten, in Zukunft ihrem Zugriff endgültig entzogen. Vor diesem Hintergrund - dies war wohl die Hoffnung des Gesetzgebers - mögen sie sich gründlich überlegt haben, ob sie nicht doch lieber die Erträge ihres Ver-mögens mit 10% versteuerten, das Vermögen selbst und 90% der Erträge aber behielten59).

59) Zu den übrigen Anreizen, die auf eine Versteuerung des Vermögens hinwirkten, vgl. Link, Kreta 16-21. - Sollte diese Deutung den Sachverhalt treffen, wäre übri-gens noch eine dritte Bestimmung in dieselbe Reihe zu stellen : Daß der Gesetzgeber versuchte, den Frauen Eigentum an einem Haus in der Stadt nach Möglichkeit vorzu-enthalten (col. 4,31-39), ist leicht zu erklären, wenn man annimmt, daß auch dies zur Sicherung der Andreia geschah : Wurden die öffentlichen Mittel auf die (Stadt-)Häu-ser der Bürger verteilt, um anschließend von den Bürgern in ihr jeweiliges Andreion mitgebracht zu werden, muß dem Gesetzgeber eine Frau als Eigentümerin eines Stadt-hauses fehl am Platz erschienen sein : Da sie keinem Andreion angehörte, fehlten die öffentlichen Mittel, die auf ihr Haus entfielen, der Gemeinschaft als ganzer. Dazu aus-führlicher Link, Kreta 95f., mit Luther, Gymnasium 104(1997) 170.

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