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STELLUNGNAHME
17/2114A15, A02
I Die Oberbürgermeisterin LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
. WAlUERIODE
I~ Stadt Köln
Amt für Schulentwicklung
Stadthaus Oeutz - Ostgebaude Willy-Brandt-Platz 3, 50679 KOln Behindertengerechter Eingang: Eingang neben Haupteingang
401
Der Präsident
I Stadt KGin - Amt fOr SchuJentwlckJung VIJiI/y-Brandt-Plalz 3, 50679 KOin
des Landtags Nordrhein-Westfalen Platz des Landtags 1 Sekretariat des Ausschusses für Schule und Bildung
40221 Düsseldorf
Auskunft Frau Gorklo-Blameuser, Zimmer 09H25 Telefon 0221 221-29204, Telefax 0221 221-29240 E-Mail [email protected] Internet www.stadt-koeln.de
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Ihr Schreiben Mein ZeIchen Datum
400 Go 03.12.2019
Anhörung des Ausschusses für Schule und Bildung am 11, Dezember 2019, Antrag der SPD-Fraktion "New Deal - Zuständigkeiten und Finanzierung klar regeln und das Wirrwarr im BIldungsbereich beendenl
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bedanke mich für die Gelegenheit, zum vorliegenden Antrag der SPD-Fraktion aus Sicht des Schulträgers Stadt Köln Stellung nehmen zu können. Die im Antrag aufgeworfenen Fragestellungen bzw. geforderten Handlungsoptionen sind vielfältig und komplex.
Im folgenden möchte ich zu den SChwerpunkten eine kurze Sachstandsdarstellung liefern, aber auch auf aus kommunaler Sicht bestehende Veränderungen und Optimierungen eingehen_
Die Aufgaben des Schulträgers unterliegen einem ständigen Wandel, die Anforderungen der Gesellschaft, der Schulen, der Eltern und der Schüler und Schülerinnen verändern sich. Hierauf gilt es adäquat zu reagieren und die Angebote an die Bedarfe anzupassen, sie zu optimieren.
Hierzu bedarf es einer auskömmlichen Finanzierung, die die Kommune aus eigenen Mitteln, mit alleiniger Kraft nicht geWährleisten kann. Insofern wird die unter Punkt 111, Ziffer 1 aufgestellte Forderung nach Neustrukturierung der Finanz- und Aufgabenverteilung unterstützt.
Zu der beispielhaft aufgestellten Forderung nach landesweit verbindlichen Schulbaurichtlinien möchte ich anmerken, dass die ursprünglich bestandene Schulbaurichtlinie des Schulministeriums aufgehoben wurde. In der Folge haben einige Schulträger (auch die Stadt Köln) jeweils eigene Schulbaurichtlinien erstellt. Es wurde jedoch deutlich, dass der Wunsch nach einer einheitlichen Richtlinie besteht. Über den Städtetag NRW wurde zwischenzeitlich gemeinsam mit mehreren Kommunen eine Handreichung Schulbau erarbeitet. Derzeit findet eine Überarbeitung, u. a. durch das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleich-
Die Anller und Dienststellen der Stadtverwaltung finden Sie unter www.stadt-koeln.de. Fragen zu den Dienstleistungen der Stadt Köln beantwortet Ihnen montags - freitags von 7 - 18 Uhr das Borgertelefon unter der einheitlichen Behördenrufnummer 115 oder 02211221-0
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stellung NRW, in Zusammenarbeit mit Experten (u. a. Vertretern der Stadt Köln) statt. Ziel ist, den pädagogischen Raumprogrammen zu entsprechen. Die Veröffentlichung ist für Januar 2020 geplant.
Zu dem Wunsch nach Konzepten zur digitalen Ausstattung von Lehrerinnen und Lehrern sowie von Schülern und Schülerinnen ist festzustellen, dass bislang die Ausstattung von Lehrkräften in Abhängigkeit ihrer Funktionen erfolgte. Sofern Lehrkräfte zum Schulleitungsteam bzw. zum erweiterten Team gehören, wurde die digitale Ausstattung der Lehrkräfte durch den Schu~räger übernommen. Flächendeckend ist dies für mehr als 10.000 Lehrkräfte sowohl finanziell als auch supportmäßig nicht leistbar. Sofern es hier zu einer landesweiten Konzeption und somit Vorgabe kommen sollte, müsste diese zwingend mit ausreichendem zeitlichem Vorlauf, auf Basis einer gesetzlichen Regelung und insbesondere unter Bereitstellung der Finanzrnittel von Land/Bund erfolgen. Dies gilt sowohl für die Erstbeschaffung als auch für Folgebeschaffungen.
Für den Personenkreis der Schüler und Schülerinnen wurde die Ausstattung bislang auf Basis der Medienkonzepte der einzelnen Schule unter Beteiligung der Medienberatung des Landes, also auf Basis der sich aus dem Lehrplan ergebenden Notwendigkeiten zur digitalen Ausstattung, zur Verfügung gestellt. Die Stadt Köln wird zunehmend dazu übergehen, hierfür entsprechende Standards zu entwickeln.
Die rasante Entwicklung der Informationstechnologie, die geänderten Anforderungen an Unterricht mit adäquater IT-Ausstattung, die in den Schulen stattfindende Vorbereitung der Schüler und Schülerinnen auf die berufliche Zukunft - um nur einige Aspekte zu nennen -erfordern insgesamt eine am aktuellen Stand der Technik orientierte Ausstattung der Schulen und damit ihrer Schüler und Schülerinnen. Förderprogramme wie "Gute Schule 2020" und "Digitalpakt" machen deutlich, dass die Anforderungen erkannt und durch Bund und Land unterstützt werden. Die Stadt Köln hat aus Mitteln "Gute Schule 2020" insgesamt rd. 40 Mio. Euro in Netzwerkstruktur und IT-Ausstattung investieren können. Der "Digitalpakt" wird in den kommenden Jahren weitere 47 Mio. Euro zur Verfügung stellen. Diese Mittel sind zwingend notwendig und werden selbstverständlich um kommunale Mittel ergänzt.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Schaffung und der Ausbau der IT -Struktur und Ausstattung keine einmaligen Maßnahmen darstellen. Es bedarf eines stetigen weiteren Ausbaus, der Ersatzbeschaffungen und Modernisierung der Netzanschlüsse. Um all dies gewährleisten zu können, um den Anschluss an technische Entwicklungen in jedweder Art halten zu können, bedarf es einer dauerhaften und verlässlichen Finanzierung - durch Land und/oder Bund. Die Kommunen können diesen Kraftakt nicht alleine bewältigen.
Zu den unter Punkt 111, Ziffer 2 angesprochenen Aufgaben und Themenfeldern möchte ich aus Sicht der Stadt Köln ebenfalls einige Anmerkungen geben.
Die Schulsozialarbeit in Köln umfasst aktuell rd. 160 Stellen, davon 86 in freier Trägerschaft. Ab dem kommenden Jahr werden weitere 15 Stellen hinzukommen. Die Stadt Köln investiert aus kommunalen Mitteln in erheblichem Maße. Lediglich rd. 50% der Kosten werden derzeit, allerdings nur befristet bis Ende 2020, aus Landesmitteln von rd . 5 Mio. Euro übernommen.
Trotz des erheblichen Ausbaus der Schulsozialarbeit werden nur rd. 50 % der Schüler und Schülerinnen erreicht. Insgesamt verfügen 148 Schulen über eine Schulsozialarbeit, mehr als 100 Schulen benötigen jedoch ebenfalls eine adäquate Unterstützung durch Schulsozialarbeit.
Die dauerhafte und somit verlässliche sowie auskömmliche (also höhere) Finanzierung ist unabdingbar!
Der Offene Ganztag in NRW basiert seit 2003 auf Erlasslage. Verbindliche Standards hinsichtlich Angebotsstruktur, Personalausstattung und Finanzierung sind somit nicht festgelegt.
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Die durch das Land zur Verfügung gestellten Mittel reichen bei weitem nicht aus, einen qualitätsvollen, den individuellen Bedürfnissen nach Förderung und Betreuung gerecht werdenden Ganztag zu gestalten. Die inzwischen 80%ige Versorgungsquote in Köln bietet für mehr als 30.000 Kinder einen Ganztagsplatz. Hierunter sind selbstverständlich auch Schüler und Schülerinnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf.
Die Stadt Köln hat fast von Beginn an den Offenen Ganztag mit zusätzlichen, kommunalen Mitteln unterstützt. Dies geschieht auch, um
- Schulen in Wohngebieten mit erhöhtem Jugendhilfebedarf besonders auszustatten,
Zur Sicherstellung verlängerter Öffnungszeiten beizutragen sowie
Insbesondere die adäquate Betreuung und Förderung von Schülern und Schülerinnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu gewährleisten.
Im Haushalt 2020 sind für die Leistungen an die Träger der Jugendhilfe insgesamt rd. 84,4 Mio. Euro vorgesehen, hiervon trägt die Stadt Köln allein 41,6 Mio. Euro.
Die im Rahmen des Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz letztendlich gesetzlich zu definierenden Prämissen sollten enthalten
- Qualitätsstandards (z. B. Angebotsstruktur, Öffnungszeiten)
- Personalqualifikation
- Möglichst Forderung nach tariflicher Bezahlung der Mitarbeitenden im Ganztag
- Auskömmliche Finanzierung der Offenen Ganztagschulen durch Land/Bund
- Investitionsmittel zum Ausbau des Offenen Ganztags in den Kommunen, und zwar auskömmlich! Die in Aussicht gestellten Mittel in Höhe von 2 Mrd. Euro sind bundesweit zu gering bemessen. Der Städtetag hat dies bereits kritisiert
Meines Erachtens sollte der Weg hinführen zu einer Inklusiven Offenen Ganztagsschule, die befähigt (und ausgestattet) ist, um den individuellen Betreuungs- und Förderbedarf der Kinder gewährleisten zu können. Fördermittel für Schüler und Schülerinnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf führen nicht zu Inklusion, sondern vielmehr zur Stigmatisierung Einzelner. Eine institutionelle Förderung würde eine qualifiZierte und verlässliche Basis für ALLE bieten!
Im Zuge der Inklusion sind die Anforderungen an den Schulträger hinsichtlich baulicher Maßnahmen, der Ausstattung von Räumen sowie der erhöhten Beförderungskosten enorm hoch. Auch hier bedarf es einer angemessenen Lastenverteilung bzw. Kostenübernahme durch Land/Bund.
Alle Schulformen außer den Gymnasien sind gehalten, die zieldifferente Förderung an ihren Schulen zu ermöglichen. Per Landeserlass wurden jedoch die Prämissen zur Aufnahme von Schülern und Schülerinnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Gymnasien verändert. Sie stehen nun nicht mehr im Sinne der Inklusion und Verbesserung der Bildungschancen. Auch die Gymnasien sollten eine zieldifferente Förderung und somit allen Kindern und Jugendlichen den Besuch eines Gymnasiums enmöglichen. Diese Ungleich behandlung der Gymnasien führt auf kommunaler Ebene zu Diskussionen und sollte rückgängig gemacht werden
Neben Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur gilt es aber auch, den betroffenen Eltern Hilfestellungen und Orientierungshilfen zu bieten. Die Strukturen der zahlreichen Institutionen sowie die vielfältigen, parallel oder auch ineinander laufenden Angebote und Hilfsmaßnahmen bedürfen der Darstellung und .. Sortierung". Um hier Hilfestellung bieten zu können, hat die Stadt Köln eine Stelle .. Eltern beratung Inklusion" eingerichtet. Auch hier wäre eine Unterstützung des Landes sehr wünschenswert.
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Die unter Punkt 111 , Ziffer 3 aufgestellte Forderung nach Einrichtung von Budgets für die Schulen ist grundsätzlich nachvollziehbar und wird seitens der Stadt Köln unterstotzt. Vorstellbar wäre hier ein Budget bemessen an der SchOierzahl und evtl. in Abhängigkeit der jeweiligen Schulform. Festgelegt werden sollte der inhaltliche Rahmen, für den diese Budgets verwendet werden dürfen sowie eine entsprechende Unterweisung der Schulleitungen in vergabe- und vertragsrechtliche Angelegenheiten. Denn die Bewirtschaftung eines Budgets und die damit verbundene Möglichkeit zu Beauftragungen etc. setzt ein rechtskonformes Verfahren und Verhalten voraus. Eine evtl. angedachte Prüf- und Kontrollinstanz durch den Schulträger setzt dort eine entsprechende Personalausstattung voraus, die ebenfalls der Finanzierung bedürfte.
Zusammenfassend möchte ich feststellen, dass die kritische Betrachtung der Aufgaben und Finanzierung durch Stadt, Land und Bund sowie eine damit einhergehende Neustrukturierung von hoher Relevanz ist. Ein solcher Prozess sollte unter Einbeziehung der Kommunen und damit der dortigen Erfahrungen und Finanzierungen durchgeführt werden. Zur Stärkung der Verantwortung der Kommunen beim Thema Bildung und Schule verweise ich auf die Aachener Erklärung des Deutschen Städtetages von 2007 und auf die Münchener Erklärung des Deutschen Städtetages von 2012 (s. Anlagen). Der Handlungsrahmen der Kommunen für die Schulen in ihrem Gebiet sollte bestärkt und erweitert werden, um auf regionaler Ebene Mitverantwortung zielgerichtet und schneller für Qualität und Bildungsgerechtigkeit wahrnehmen zu können.
Beigeor · neter für Bildung, Jugend und Sport
Anla en
Aachener Erklärung des Deutschen Städtetages
anlässlich des Kongresses "Bildung in der Stadt" am 22./23. November 2007
Die Ergebnisse internationaler Studien haben neben Qualitätsmängeln auch eine hohe Selektionswirkung des deutschen Bildungssystems offen gelegt. Die Bildungschancen in Deutschland sind in hohem Maße abhängig von der Herkunft und der ökonomischen Situation von Kindern und Jugendlichen. Beide Befunde - Qualitätsmängel und Selektion - sind für Deutschland mit seinem Anspruch auf demokratische Teilhabe und Chancengleichheit sowie mit seiner leistungsfähigen Wirtschaft nicht hinnehmbar.
Die in den Ländern eingeleiteten Reformen in Schule und Bildung gehen in die richtige Richtung . Bundesweite Bildungsstandards, Lernstandserhebungen und zentrale Prüfungen sichern Vergleichbarkeit und Qualität, ermöglichen Wettbewerb und die notwend ige Mobilität.
Gleichwohl darf ein ganzheitliches Bildungsverständnis als Grundlage aller Reformbemühungen nicht aus dem Blick geraten. Bildung ist mehr als Schule! Kognitives, soziales und emotionales Lernen müssen miteinander verbunden und in verbindliche Vernetzungsstrukturen einbezogen werden . Die kulturelle Bildung, die kognitives Lernen ergänzt, Kreativität fördert und Integration unterstützt, ist in ein Gesamtkonzept umfassender Bildung zu integrieren.
Ausgangspunkt für Bildungsprozesse in den verschiedenen Lebensphasen ist die kommunale Ebene. Hier entscheidet sich Erfolg oder Misserfolg von Bildung, werden die Grundlagen für berufliche Perspektiven , gesellschaftliche Teilhabe und gleichzeitig die Zukunftsfähigkeit einer Region gelegt. Die Städte prägen mit ihren vielfältigen Einrichtungen die Bildungslandschaft Deutschlands: Kindertagesstätten , Familienzentren , Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit, Schulen, Volkshochschulen und zahlreiche Kultureinrichtungen sind Eckpfeiler der öffentlichen Infrastruktur in der Bildung.
Die Verantwortung der Städte in der Bildung muss deshalb gestärkt werden .
Die Städte sollten Bildung als zentrales Feld der Daseinsvorsorge noch stärker erkennen und ihre Gestaltungsmöglichkeiten nutzen. Sie sind von Fehlentwicklungen in der Bildung ebenso betroffen, wie sie von den Erfolgen profitieren.
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Leitbild des Engagements der Städte ist die kommunale Bildungslandschaft im Sinne eines vernetzten Systems von Erziehung, Bildung und Betreuung. Hauptmerkmale der kommunalen Bildungslandschaft sind:
Individuelle Potentiale des Individuums und deren Förderung in der Lebensperspektive sind Ausgangspunkt für die Organisation von Bildungs- und Lernprozessen. Kein Kind, kein Jugendlicher darf verloren gehen. Die für Bildung zuständigen Akteure arbeiten auf der Basis verbindlicher Strukturen zusammen : Familie, Kinder- und Jugendhilfe, Schule, Kultur, Sport, Wirtschaft etc. Eltern bzw. Familien werden als zentrale Bildungspartner einbezogen. Übergänge werden nach dem Prinzip "Anschlüsse statt Ausschlüsse" ermöglicht und gestaltet. Die kulturelle Bildung wird als wichtiger Teil ganzheitlicher Bildung einbezogen.
Den Städten kommt in der kommunalen Bildungslandschaft eine zentrale Rolle bei der Steuerung und Moderation der zielorientierten Zusammenarbeit zu . Als Grundlage für regionale Steuerung und Qualitätssicherung sollte ein umfassendes Bildungsmonitoring als integriertes Berichtswesen von Bildungsverläufen vor Ort gemeinsam von Kommunen und Ländern entwickelt werden.
Die Länder werden aufgefordert, kommunale Steuerungsmöglichkeiten insbesondere im Schulbereich zu erweitern und die Zuständigkeiten im Bereich der inneren und äußeren Schulangelegenheiten zugunsten der Kommunen neu zu ordnen. Zudem müssen sie die notwendigen finanziellen Rahmenbedingungen für ein erweitertes kommunales Engagement in der Bildung schaffen .
Länder und Kommunen sind somit gleichermaßen aufgerufen, ihr Engagement in der Bildung im Rahmen staatlich-kommunaler Verantwortungsgemeinschaft gemeinsam mit den zuständigen Akteuren zukunftsorientiert weiterzuentwickeln .
Die Städte sind bereit, hierfür ihren Beitrag zu leisten.
Bildung gemeinsam verantworten
Münchner Erklärung des Deutschen Städtetages
anlässlich des Kongresses "B ildung gemeinsam verantworten"
am 8.19. November 2012
Die Städte und Gemeinden in Deutschland haben ihr bildungspolitisches Engagement in den
letzten Jahren verstärkt. Dabei spielt die kommunale Mitverantwortung fiir mehr Bildungsge
rechtigkeit, Teilhabe und Qualität ebenso eine zentrale Rolle wie die gestiegene Bedeutung
der Bildung tur nachhaltige Entwicklung.
Bildung wird zunehmend zur zentralen Zukunftsstrategie der Städte und Gemeinden in
Deutschland:
Die Bündelung und Vernetzung der Zuständigkeiten und Ressourcen ftir Bildung auf
der örtlichen Ebene ermöglichen, Probleme zu identifizieren und erfolgreiche Bil
dungsbiografien durch Gestaltung des unmittelbaren Lebensumfeldes der Menschen
zu fördern.
Zugang zu Bildung ist ein nicht verhandelbares Grundrecht: Indem die Städte und
Gemeinden gemeinsam mit Bund und Ländern sicher stellen, dass alle Menschen un
abhängig vom sozialen Status, Alter, kultUl'ellem Hintergrund und ihren finanziellen
Möglichkeiten Zugang zu Bildung bekommen, fördern sie die persönliche Entwick
lungjedes Einzelnen. Zugleich wird die demokratische Basis unserer Gesellschaft,
ökonomischer Erfolg und der sozia le Zusammenhalt gesichert.
Ein leistungsfahiges Bildungsangebot ist eine zentrale Voraussetzung ftir gut ausge
bildete Fachkräfte und eine positive Standortentwicklung. Frühzeitige und individuelle
Förderung trägt nachhaltig dazu bei, Armut und Sozialkosten zu vermeiden.
Der Deutsche Städtetag hat in der "Aachener Erklärung" im Jahr 2007 die "kommunale Bil
dungslandschaft" als Leitbild fiir das bildungspolitische Engagement der Städte und
Gemeinden entwickelt. Hauptmerkmale der kommunalen Bildungslandschaft si nd zum einen
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ein ganzheitliches Bildungsverständnis, das die gesamte Bildungsbiografie einschließlich so
zialer, kultureller und sportlicher Bildung einbez ieht. Zum anderen sind Kooperation und
Vernetzung im Sinne eines Gesamtsystems von Erziehung, Bildung und Betreuung grundle
gende Prinzipien. Viele Städte und Gemeinden haben seitdem entsprechende Strukturen im
Sinne eines kommunalen Bildungsmanagements aufgebaut. Diese gilt es mit Unterstützung
der Länder und gegebenenfalls des Bundes weiterzuentwickeln.
Die zukunftsfahige Weiterentwicklung des Bildungssystems kann durch ein kommunales En
gagement allein ebenso wenig erreicht werden wie durch die Länder oder den Bund. Vielmehr
müssen die drei Ebenen gemeinsam die VerantwOltung fiir die Bildung unter Einbeziehung
der Zivilgesellschaft und der Eltern bzw. Familien wahrnehmen. Die bestehenden Hemmnisse
flir gemeinsames Handeln in der Bildung in rechtlicher, struktureller und finanzieller Hinsicht
müssen beseitigt und zu einer konstruktiven Zusammenarbeit weiterentwickelt werden. Nur
so kann die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in der Bildung erreicht werden.
Vor diesem Hintergrund fordert der Deutsche Städtetag:
I. Kommunale Bildungslandschaften weiter entwickeln
Die Städte und Gemeinden tragen maßgebliche Verantwortung in der Bildung und sind Im
pulsgeber flir die Bildungsentwicklung vor Ort. Sie erleben die ständig wandelnden Bedarfe
in der Region unmittelbar. Daher sollten die Städte und Gemeinden Bildungslandschaften
weiter entwickeln und Bildungsakteure in Verantwortungsgemeinschaften vernetzen, um flir
den Einzelnen optimale Bildungsvoraussetzungen und - chancen zu schaffen. Als Grundlage
sollte ein dauerhaftes Bildungsmanagement sowie ein Bildungsmonitoring vor Ort etabliert
werden. Die Länder sind aufgefordert, sich aktiv an der Weiterentwicklung kommunaler Bil
dungslandschaften, unter anderem durch eine entsprechend organisierte Schulaufsicht, die
Förderung des interkommunalen Austausches und eine adäquate finanzielle Unterstützung zu
beteiligen.
2. Kommunale Handlungsmöglichkeiten und Rechte in der Bildung erweitern
Eine funktionierende kommunale Bildungslandschaft erfordert Inehr kommunale Gestal
tungsmöglichkeiten . Dies gilt insbesondere flir den Schulbereich, in dem die bestehende
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Kompetenzverteilung eine qualitative Weiterentwicklung des Bildungswesens massiv behin
dert. Die mit der demografischen und unterschiedlichen soziografischen Entwicklung, einem
veränderten Schulwahlverhalten der Eltern und dem Trend zu integrierten Schulen verbunde
nen Entwicklungen erfordern flexible Handlungsmöglichkeiten der Schulträger insbesondere
bei der Schulorganisation vor Ort. Die Städte und Gemeinden benötigen Kompetenzen, die
ihrem erweiterten Anspruch und den veränderten Anforderungen an die Qua lität der Bildung
gerecht werden.
Die Länder sollten dem kommunalen Engagement durch erweiterte schulgesetzlich geregelte
Kompetenzzuweisungen Rechnung tragen. Hierzu gehören insbesondere die Mitgestaltung bei
der inneren Schulentwick lung, eine substantielle kommunale Beteiligung bei der Schulleiter
auswahl sowie weitgehende HandlungsfTeiheit bei der Schulorganisation vor Ort. Die
Zuständigkeit der Länder fiir die grundlegenden gesetzlichen Rahmenbedingungen und ein
heitliche Standards muss mit Blick aufdie Sicherste llung von Vergleichbarkeit und Mobilität
erhalten bleiben.
Erfo lgreiche Bildung gelingt umso besser, je früher qualitätsvolle Förderung gelingt. Im Be
re ich der fTühkindlichen Bildung haben die Städte im Unterschied zu den Schulen
(Ausnahme: Bayern) die volle AufgabenverantwOltung und können auch inhaltlich auf die
Qualität Einfluss nehmen. Allerdings schränkt die finanzie lle Situation in vielen Städten die
kommunalen Handlungsmöglichkeiten erheb lich ein, etwa wenn es um eine qualitative Auf
wertung des Erzieherberufes geht. Eine solche, den gestiegenen Qualitätsanforderungen in der
frühkindlichen I;lildung entsprechende Weiterentwicklung des Erzieherberufes, die auch die
kulturelle und sozia le Bildung als wichtige Säulen der Ausbildung begreift, wird nur gelingen,
wenn sich Bund und Länder daran beteiligen.
3. Bildung gemeinsam verantworten - Kooperationsverbot abschaffen
Gute Bildung ist eine gemeinsame Aufgabe aller staat lichen Ebenen. Die im Zuge der Födera
lismusreform vorgenommene Entflechtung der Zuständigkeiten des Bundes und der Länder
hat sich im Bildungsbereich nicht bewährt. Das " Kooperationsverbot" und die Abschaffung
der gemeinsamen Bildungsplanung stehen einer zukunftsorientierten Weiterentwicklung des
Bildungssystems in Deutschland entgegen.
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Das Kooperationsverbot so llte daher baldmög lichst abgeschafft, Bildungsfdrderung wieder als
Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern ausgestaltet werden. Die Kommunen sind da
bei verpflichtend zu beteiligen. Dies bedeutet nicht die Abschaffung des Föderalismus in der
Bildung. Vielmehr geht es im Sinne e ines "kooperativen Föderalismus" darum, dem Bund
begrenzte Regelungsmöglichkeiten und Finanzzuweisungen an Länder bzw. Kommunen zur
Verbesserung der Bildungsinfrastruktur sowie zur Umsetzung neuer Bildungsaufgaben von
gesamtstaatlicher Bedeutung wie z.B. dem Ausbau vo n Ganztagsschulen und der Inklusio n zu
ermöglichen.
4. Engagement der Städte und Gemeinden finanziell sicher ste llen
Kommunales Engagement in der Bildung erfordert e ine aufgabengerechte Finanzausstattung.
Zusätzliche Aufgaben der Städte und Gemeinden im Bildungsbereich können nur übernom
men werden, wenn das Konnexitätsprinzip strikt eingehalten und zusätzliche Mittel zur
Verfügung gestellt werden. Notwendig ist darüber hinaus eine Reform der Bildungsfinanzie
rung mit tragfahigen Finanzierungsregelungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen, die
der jeweiligen finanziellen Leistungsfahigkeit gerecht werden. Gleichzeitig so llten die za hl
reichen Bildungsprogramme von Bund und Ländern stärker gebünde lt und anstelle von
Parallelstrukturen besser mit den kommunalen Bildungslandschaften verzahnt werden.